4614/J XXII. GP

Eingelangt am 13.07.2006
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Landesverteidigung

 

betreffend das Kriegsveteranentreffen am Ulrichsberg

 

Das jährliche Treffen von Kriegsveteranen auf dem Kärntner Ulrichsberg - darunter sowohl Wehrmachtssoldaten als auch ehemalige Mitglieder der Waffen-SS - zieht immer wieder eine größere Zahl von Personen aus der rechtsradikalen Szene an und ist deshalb seit Jahren starker Kritik ausgesetzt. Das sogenannte Ulrichsbergtreffen geht Hand in Hand mit weiteren einschlägigen Veranstaltungen wie zum Beispiel mit dem Treffen der Kameradschaft IV in Krumpendorf in den Tagen davor und danach. So erwähnt etwa der deutsche Verfassungsschutz in der Vorabfassung seines Jahresberichts 2005 (http://www.verfassungsschutz.de/download/de/publikationen/verfassungsschutzbericht/Vorabfassung_Jahresbericht_2005/vorabfassung_2005.pdf) in der Rubrik "Rechtsextreme Bestrebungen und Verdachtsfälle" das Treffen 2005 folgendermaßen: "Am Rande der am 17./18. September in der Nähe von Klagenfurt (Österreich) veranstalteten traditionellen "Ulrichsberg-Gedenkfeier" zu Ehren der Gefallenen der beiden Weltkriege kamen rund 60 (2004: 50) Rechtsextremisten aus dem In- und Ausland - darunter 35 (2004: ca.30) deutsche Teilnehmer - zusammen."

 

Das Treffen der Ulrichsberggemeinschaft (Heimkehrer- und Europagedenkstätte) hat seit der Grundsteinlegung zum Gedenkstättenbau im Herbst 1958 mehrere Bedeutungswandel durchlaufen. Als grundlegendes und sinngebendes Signifikant funktioniert aber von den 1950er Jahren bis Heute die Einbindung der Kameradschaften der Waffen-SS und eine positive Bezugnahme auf ihre Teilverbände. Bereits in der unmittelbaren Nachkriegszeit begannen die Apologeten der Heimkehrer-Hilfs- und Betreuungsstelle (HBB) um die späteren Ulrichsberggemeinschaftler Blasisus Scheucher und Walter Fritz, für eine „Heimkehrerkundgebung“ auf dem geschichtsträchtigen Kärntner Zollfeld zu werben. Als Gedenkort für die Kameradschaftsverbände des post-nationalsozialistischen Österreich und West-Deutschland konnte sich der ureigen kärntnerische Boden am Zollfeld aber nicht durchsetzen.

 

Alternativ wurde der Gipfel des Ulrichsberges gewählt, ein Hügel im Privatbesitz des ehemaligen Präsidenten der Ulrichsbergegemeinschaft Leopold Goess. An diesem Ort sollte von nun an in den Tagen um den 10.Oktober eine Gedenkveranstaltung für die „Heimkehrer“ - Soldaten der deutschen Wehrmacht und Waffen-SS - und ihre gefallenen „Waffenbrüder“ zelebriert werden. Die Stellung der Organisationen der Angehörigen der Waffen-SS war von Anfang an zentral. Die Kameradschaft IV (eine Selbstbezeichnung, die eine Verbindung als vierten Teil der Wehrmacht und somit eine Trennung von der SS suggerieren soll) war mit ihrer Sektion Kärnten als Gründungsmitglied vertreten, die HIAG (Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS), unterstützte das neue Kameradentreffen vor allem von deutscher Seite aus. Die Causa Walter Reder wurde neben der Forderung: „(den) Kameradschafts-, den Vaterlands-, (den) Heimat- und Kulturgedanken zu pflegen und das Gedenken an die Opfer der Kriege und des Kärntner Abwehrkampfes zu wahren“ (Statuten 1997/1999/2000), von Beginn an zu einer einigenden Frage für die Ulrichsberggemeinschaft. Schon 1958 sprach Blasius Scheucher anlässlich der Ulrichsberg-Einweihung beim italienischen Konsulat in Sachen Reder vor.

 

Der „Heimkehrerpfarrer“ Ernst Hildebrand sprach 1974 mit Verweis auf das Kreuzsymbol der Gedenkstätte in seiner Predigt: „Wenn alle Völker unter dem Kreuz ständen, gäbe es keine Kriegsgefangenen, dann wäre auch Major Walter Reder frei, dann würde nicht nur der Sieger recht haben.“ (Kärntner Landeszeitung, 8.10.1974). Von seiner Freilassung bis zu seinem Tod 1991 lieferte der Ulrichsberg-Wallfahrer Reder bei den Gedenkfeierlichkeiten einen lebendigen Beweis für die Vitalität des Motivs der „Heimkehr“. Stand in den 60er und 70er Jahren die unkommentierte Selbstpräsentationen der Waffen-SS, vor allem auch den geladenen Freiwilligen-Verbänden aus dem Ausland, im Vordergrund, hat sich die Darstellung mit der Bezugnahme Jörg Haiders auf den Waffen-SS-Mythos gewandelt. Die geladenen Vertreter und die Ulrichsbergfahrer, die als Veteranen der SS anreisen, verstehen sich verstärkt als Vertreter einer „Elite-Armee“ die für die „Verteidigung eines freien Europas“ gegen den Kommunismus gekämpft hat. In diesem Sinne sind die Kameradenverbände der Waffen-SS Bestandteil einer Relativierung des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges innerhalb der Ulrichsberggemeinschaft. Sie fungieren als Gründungsorganisationen sowie als Trägerinnen des Mythos von der „Elite-Einheit“ im Kampf für ein antikommunistisches Europa.

 

Im Anschluss an den eingangs zitierten Verfassungsschutzbericht gilt es aber auch, an prominente Kritiker in Kärnten wie Landesrat Dr. Josef Martinz zu erinnern. Martinz fand in seiner Festrede 2005 am Ulrichsberg zumindest zu den anwesenden ehemaligen SS-Angehörigen klare Worte, indem er betonte, dass es gerade in Bezug auf die Anwesenheit von "Mitgliedern der SS-Totenkopfverbände und Waffen-SS (...), die ihre menschenverachtenden Taten (...) in den Konzentrationslagern, aber nicht nur dort, begangen haben (...) nichts zu tolerieren und nichts zu beschönigen“ (gibt). Martinz weiter: „Hier, und das muss auch klar gesagt werden, wurden ganz bewusst Verbrechen begangen, Verbrechen an der Menschlichkeit."

 

Im Sinne von "nichts zu tolerieren und nichts zu beschönigen" ist auch die folgende Anfrage zu verstehen.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

 

ANFRAGE:

 

  1. Wie bewertet das Ministerium das Treffen am Ulrichsberg speziell vor dem Hintergrund, dass an dem Treffen ehemalige SS-Soldaten sowie Veteranen der deutschen Wehrmacht teilnehmen, deren Einheiten in Kriegsverbrechen verstrickt waren bzw. in der Gedenkstätte am Ulrichsberg Tafeln in Erinnerung an eben diese Einheiten angebracht sind?

 

  1. Welche finanzielle und logistische Unterstützung aus der Öffentlichen Hand aus ihrem Ministerium beziehen die Veranstalter des Ulrichsbergtreffens und auf welcher gesetzlichen Grundlage finden solche Unterstützungen statt?

 

  1. Wirft es nicht ein seltsames Licht auf das Bundesheers, wenn uniformierte Bundesheerangehörige oder die Musikkappellen des Bundesheeres bei der Gedenkfeier am Ulrichsberg zusammen mit ehemaligen SS-Soldaten und Wehrmachtsangehörigen vor Gedenktafeln von SS-Einheiten und SS-Ausbildungsstätten ihre Traditionspflege betreiben?

 

  1. Wer ist in diesem Zusammenhang für die Anbringung einer Tafel zu Ehren "Toter Kameraden" mit Bundesheer-Emblem sowie Gefallener österreichischer UNO-Soldaten verantwortlich (Beilagen 4a, 4b)?

    4a. Ist oder war Ihr Ministerium in die Anbringung dieser Tafeln mit der involviert gewesen?

    wenn ja:
    4c. Wann und auf welche Weise wurde die Entscheidung zur Aufstellung dieser Tafel von wem getroffen?

    4d. Wer ist für die Aufstellung dieser Tafel verantwortlich und mit welchem Verwaltungsakt innerhalb Ihres Ministeriums wurde die Aufstellung dieser Tafel genehmigt?

    4e. Welche Kosten enstanden Ihrem Ministerium durch die Aufstellung dieser Tafel?

    4f. Entstehen Ihrem Ministerium auch heute noch Kosten infolge der Aufstellung dieser Tafel (etwa für Instandhaltung, Gedenkkränze o.Ä.)?

    4g. Werden Sie angesichts der Tatsache, dass diese Tafel in einem ortlichen und damit auch inhaltlichem Naheverhältnis zu Tafeln steht, die in eindeutiger Weise Einheiten verherrlichen, die an schwersten Verbrechen beteiligt waren, die Entfernung dieser Tafel in die Wege leiten?

    wenn nein:

    4h. Ist es rechtlich zulässig, dass Tafeln mit dem Emblem des Bundesheeres aufgestellt werden, ohne dass Ihr Ministerium involviert ist bzw. ohne Zustimmung Ihres Ministeriums?

    4i. Wurden jemals Untersuchungen zur Urheberschaft der Tafel angestellt bzw. welches Ergebnis brachten diese Untersuchungen?

    4j. Werden Sie angesichts der Tatsache, dass diese Tafel in einem ortlichen und damit auch inhaltlichem Naheverhältnis zu Tafeln steht, die in eindeutiger Weise Einheiten verherrlichen, die an schwersten Verbrechen beteiligt waren, die Entfernung dieser Tafel in die Wege leiten?

 

  1. Wie steht das Verteidigungsministerium zu diesen Tafel in anbetracht anderer Tafeln, die an Wehrmachts und SS-Einheiten, die in Kriegsverbrechen verstrickt waren, am Ulrichsberg gedenken?

 

  1. Welche Beziehung besteht zwischen dem Bundesheer und der "Ordensgemeinschaft der Ritterkreuztrräger des Eisernenkreuzes", vor allem vor dem Hintergrund, dass hochrangige Angehörige des Bundesheers in dieser Mitglied sind/waren und eine Tafel dieser Gruppierung am Ulrichsberg hängt?

 

  1. Welche Erkenntnisse liegen dem Verteidigungsministerium vor dem Hintergrund, dass es beispielsweise Angehörigen der deutschen Bundeswehr seit dem sogenannten "Traditionserlass" nicht mehr gestattet ist, an Veranstaltungen gemeinsam mit der "Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger des Eisernenkreuzes" teilzunehmen, zu Aktivitäten ehemaliger Ritterkreuzträger in Verbindung mit dem Bundesheer vor (Beilage 7a – 7k)?

 

  1. Gibt es, angesichts der Verbrechen von namentlich Gebirgsjägereinheiten in Griechenland und Italien, einen ähnlichen "Traditionserlass" im Bundesheer?

 

  1. Welche Verbindungen unterhält das Bundesheer oder dessen Angehörige zu Wehrmachtskameradschaften ehemaliger Gebirgsjäger wie etwa der "Edelweiß-Kameradschaft Vorarlberg", in der der Kameradenkreis der Gebirgstruppe München, das IFMS und der Milizverband Vorarlberg Mitglieder sind?

 

 

Anmerkung der Parlamentsdirektion:

 

Die vom Abgeordneten übermittelten Anlagen stehen nur als Image (siehe Anfrage gescannt) zur Verfügung.