4665/J XXII. GP

Eingelangt am 14.07.2006
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend Milliarden-Verwirrung beim Projekt Brenner-Basistunnel (BBT)

 

 

Im Umfeld des Spatenstichs für den BBT-Probestollen, der alleine rund 430 Mio Euro verschlucken soll, wurde erneut die offene und völlig ungelöste Frage der Finanzierung des Gesamtprojektes Brenner-Basistunnel öffentlich erörtert.

 

Laut Mittagsjournal vom 28.6.2006 geht Verkehrsminister Gorbach von Gesamtkosten von 5 Mrd Euro sowie weniger als 2 Mrd Euro Kosten für Österreich aus, wobei die Größenordnung des „weniger“ von der Höhe der Beteiligung Deutschlands und/oder unbekannter „Investoren“ abhängen würde.

 

Interessant demgegenüber die Aussagen des ehemaligen EU-Verkehrskommissars van Miert. Dieser - der Bau- und Finanzierungslobby, die der einzige sichere Nutznießer dieses Megaprojektes an der Achse nach Palermo sein wird, sicher nicht feindlich gesinnt - ist von der EU-Kommission mit der Projektkoordination BBT betraut. Van Miert sprach im Umfeld des Probestollen-Spatenstichs erneut von 4,5 Mrd Euro reinen Errichtungskosten und 7 bis 8 Mrd Euro incl Finanzierung, wobei die Zubringerstrecken (für die beispielsweise die progtrans-Studie ebenfalls Angaben im Milliarden-Euro-Bereich enthält) noch nicht enthalten sind.

 

Bekannt ist auch die schlüssigen Schätzung des mit Projekten dieser Art vertrauten, renommierten Verkehrsexperten Dr. Herry, der für das Gesamtprojekt incl. Finanzierung mit 15 Mrd Euro rechnet. Dies wäre auch im Vergleich mit den in Größenordnung und Geologie vergleichbaren Schweizer Basistunnelprojekten, die gerade umgesetzt werden, realistischer, ebenso im Vergleich mit dem Kanaltunnel, der bei wesentlich einfacherer Geologie bereits vor bald 15 Jahren rund 14 Mrd Euro verschlungen hat und dessen Errichter- und Betreiberfirma erst dieser Tage nach mehreren Finanzspritzen auch der öffentlichen Hand den Konkursantrag gestellt hat. Bekannt ist schließlich auch, dass renommierte Infrastrukturfinanzierungs-Experten wie EIB-Vizepräsident Roth wiederholt unterstrichen haben, dass man die Kosten des BBT derzeit überhaupt nicht abschätzen könne.

 

Verkehrsminister Gorbach hat allerdings bereits die niedrigen Angaben Karel van Mierts „zurückgewiesen und auf seine Berechnungen beharrt. Er sprach in diesem Zusammenhang davon, dass er bei ‚Lotteriespielen’ nicht mitmache.“ (vgl. APA376/28.6.2006)

 

Wer immer in diesem „Lotteriespiel auf Kosten der Steuerzahler“ der größte Spieler sein mag, und unabhängig von der Frage, wie lange Minister Gorbach bei diesem „Spiel“ noch mitmachen wird, deuten seine entschiedenen Aussagen darauf hin, dass ihm verlässliche Zahlen – offenbar bessere als der EU-Kommission – vorliegen.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

  1. Auf Grund welches konkreten Projektes bzw. welcher konkreter Unterlagen oder Studien kommen Sie zum Ergebnis, dass der Brennerbasistunnel Österreich weniger als 2 Milliarden Euro kosten wird?

 

  1. Welchen Anteil der von Ihnen genannten 5 Milliarden Euro Gesamtkosten nehmen Baukosten und welchen Anteil Finanzierungskosten ein, und auf welchen konkreten Unterlagen oder Studien beruhen diese Angaben?

 

  1. Was im einzelnen ist an den Angaben von EU-Projektkoordinator Karel van Miert falsch, und wie gelangen Sie zur Bewertung der Angaben von van Miert als „Lotteriespiel“?

 

  1. Aus welchen konkreten Gründen sollte der Brennerbasistunnel – wie von Ihnen beziffert – a) billiger als die in Errichtung befindlichen Schweizer Basistunnels, b) deutlich billiger als der 1994 eröffnete Kanaltunnel sein?

 

  1. Warum wurde der Öffentlichkeit bisher keine nachvollziehbare Darlegung der Kosten des Gesamtprojekts BBT samt nachvollziehbaren Angaben über deren Bedeckung vorgelegt?

 

  1. Wann wird der Öffentlichkeit eine solche nachvollziehbare Darlegung der Kosten des Gesamtprojekts BBT samt Bedeckung endlich vorgelegt?

 

  1. Können Sie bestätigen, dass der BBT nach derzeitigen Stand der Dinge mit italienischer Bahntechnik und Stromsystem ausgerüstet werden soll, was (Stichwort Gleichstromkorrosion – dickere Tunnelkalotten) zu massiv erhöhtem Materialaufwand und damit erhöhten Baukosten führen würde?

 

  1. Wann haben Sie bzw Ihre Vertreter dieser Lösung, die nicht im Interesse der österreichischen Steuerzahler und der Bahn wäre, konkret zugestimmt?

 

  1. Können Sie bestätigen, dass mit dieser Ausführung des Tunnels gesichert wäre, dass nicht die Neue Österreichische Tunnelbautechnik zur Anwendung kommen kann und dadurch italienische (sizilianische?) Bauunternehmen bessere Chancen auf den Zuschlag für die Ausführung bekommen?

 

  1. Können Sie bestätigen, dass bei Ausrüstung des BBT mit italienischer Eisenbahntechnik/Stromsysteme im Raum Innsbruck-Unterinntal zusätzliche Einrichtungen für die Übergabe nötig werden und wo sollen diese im dicht besiedelten Tiroler Zentralraum untergebracht werden?

 

  1. Werden Sie das Projekt eines reinen Gütertunnels (vgl. Kummer-Studie), das in mehrerlei Hinsicht wesentlich kostengünstiger umsetzbar wäre, forciert berücksichtigen, wenn nein, warum nicht?