4689/J XXII. GP

Eingelangt am 14.07.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister f
ür Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend angebliche politische Einflußnahme nach der nicht erwartungsgemäßen
Vergabeentscheidung beim PPP-Transitstraßenprojekt A5 (Nordautobahn)

Kürzlich erfolgte durch die im Bundeseigentum und hier im Zuständigkeitsbereich
des Verkehrsministers stehende ASFINAG die Ermittlung des Bestbieters f
ür das
erste Paket des PPP-Projekts Nordautobahn (incl. Teilen des Autobahnrings um
Wien).

Die verkehrspolitische Fragwürdigkeit einer Pendlerautobahn in Konkurrenz zu
bestehenden Bahn-Angeboten sowie einer hochrangigen Transitstrecke in
Konkurrenz zur bestehenden, nicht ausgelasteten Autobahn Br
ünn-Preßburg war
dabei kein Thema. Die Vehemenz, mit der dieses Projekt dennoch von der
derzeitigen Regierungsmehrheit mit Unterst
ützung VP- und SP-naher Bau- und
Finanzkreise vorangetrieben wurde, unterstreicht vielmehr, dass es hier gar nicht um
Verkehrspolitik, sondern um die Interessen der Baukonzerne und Gro
ßbanken geht.

Auch hier ist der Auftrag Nordautobahn" jedoch angesichts der wenig
eindrucksvollen Renditen im Tiefbaugesch
äft weniger aus Bauperspektive als im
Hinblick auf die im Finanzierungsbereich erzielbaren Renditen lukrativ. Schlie
ßlich ist
mit der Finanzierung von hochrangigen Straßenbauprojekten ein weit größerer
Kostenanteil als mit deren Bau selbst verbunden. F
ür typische ASFINAG-Projekte
mit langfristiger Schuldenfinanzierung wird
über die Lebenszeit gerechnet ein
Verh
ältnis von 40% Bau-/Errichtungskosten und 60% Finanzierungskosten bestätigt -
zB in offiziellen Anfragebeantwortungen im Vorarlberger Landtag.

Anders gesagt kommen auf jede Million, die in Baumaßnahmen fließt, eineinhalb
Millionen, die f
ür die Finanzierung incl. Schuldenbedienung an die nationalen und
internationalen Großbanken und die entsprechenden Spezialberater fließen.

Dazu kommen für Großbanken noch Vorteile aus der mit PPP-Projekten
verbundenen langfristigen, f
ür die privaten Partner weitgehend risikofreien
Gesch
äftsbeziehung mit der Öffentlichen Hand: Auf diesem Weg sind erstklassige
Bonitätseinstufungen (Ratings") erzielbar, die wertvolle Zinsvorteile bei der
Refinanzierung am internationalen Kapitalmarkt bringen.

Es soll schon vorgekommen sein, dass bestimmte PPP-Projekte überhaupt nur aus
diesem Grund ventiliert wurden - wie zB beim Pyhrn- bzw. Summerauerbahn-PPP,
an dem eine ober
österreichischen Bank aus dem ÖVP-Umkreis aufgrund dringend
benötigter Bonitätsverbesserungen heftig interessiert war und ist.

Erst dieses Zusammenspiel zwischen angeblicher Verkehrs- und tatsächlicher
Finanz- und Bankenf
örderungspolitik erklärt, warum das gewaltige Anschwellen


schuldenfinanzierten Infrastrukturausbaus (ASFINAG: derzeit etwa 10 Mrd Euro
Schulden, Tendenz stark steigend) bei den politischen Freunden der erw
ähnten
Nutznie
ßer niemanden stört, obwohl für das damit in Bewegung gehaltene
Finanzkarussell die Gesamtheit der mautzahlenden AutofahrerInnen und letztlich der
SteuerzahlerInnen gerade stehen mu
ß. Dasselbe Zusammenspiel erklärt auch die
betr
ächtliche Unlust der den Großbanken und Beratern verbundenen politischen
Kr
äfte, anstelle weiterer Verschuldung durch immer weitere Ausbauprogramme
endlich der R
ückzahlung der angehäuften Schulden bei ASFINAG & Co größeres
Augenmerk zu widmen:

Es verdienen einige viel zu gut an diesem Schuldenkarussell, das mit Verkehrspolitik
schon l
ängst nichts mehr zu tun hat.

Umso überraschender ist, wenn trotz dieser Gemengelage manchmal seitens der
politischen Auftraggeber nicht intendierte Ereignisse eintreten. So ist bei der
nunmehrigen Vergabe zur Nordautobahn das lange im Vorfeld favorisierte
Akor"-
Konsortium, bei dem unter anderem Raiffeisen mit der Baufiliale Strabag sowie Bank
Austria mit der Baufiliale Porr mit dabei sind und dessen Vertreter wiederholt und
sicher nicht ohne Grund siegessicher in der
Öffentlichkeit auftraten, überraschend
nicht an erster Stelle gelandet. Offenbar war die angeblich
rein österreichische"
Zusammensetzung - die angesichts der Eigent
ümerstrukturen zB bei Strabag oder
BA-CA nicht den Tatsachen entspricht - in der europaweiten Ausschreibung trotz
entsprechender Intensiv-PR in der
Öffentlichkeit doch nicht ausschlaggebend. In
internationalen Finanzkreisen hat man
über diese Argumentation im Zusammenhang
mit einer europaweiten Ausschreibung ohnehin den Kopf geschüttelt.

Medienberichten war nun zu entnehmen, es würde daraufhin von Seiten der Politik
Bemühungen geben, einen Teil des Auftrags doch noch dem ,Akor'-Konsortium
zukommen zu lassen" (vgl.
Die Presse").

Derlei wurde zwar bereits in der gesamten Vorbereitungsphase des Nordautobahn-
PPP-Projekts von unabh
ängigen wie internationalen ExpertInnen erwartet, wäre aber
natürlich mit der geltenden europäischen wie österreichischen Rechtslage nur unter
gr
ößten Verbiegungen unter einen Hut zu bringen. Angesichts der klaren
(partei)politischen Naheverh
ältnisse einiger der in diesem Konsortium vertretenen
Unternehmen und Finanzinstitutionen ist aber dennoch nicht auszuschlie
ßen, dass
diese Ger
üchte Substanz haben.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.             Können Sie die in den Medien kolportierten Bemühungen seitens der Politik",
den Auftrag Nordautobahn oder Teile davon dem im Bieterverfahren
unterlegenen
Akor"-Konsortium zukommen zu lassen, bestätigen, wenn ja,
auf welcher Grundlage, wenn nein, warum nicht?

2.             Können Sie die in den Medien kolportierten Bemühungen seitens der Politik",
den Auftrag Nordautobahn oder Teile davon dem im Bieterverfahren


unterlegenen Akor"-Konsortium zukommen zu lassen, ausschließen, wenn ja,
auf welcher Grundlage, wenn nein, warum nicht?

3.             Handelt es sich bei der in den Medien und in Frage 1 und 2 angesprochenen
Politik" entsprechend der politischen Zuordenbarkeit der im Konsortium
vertretenen Bank-Bau-Konglomerate um eine gro
ßkoalitionäre Struktur, oder
ist Ihre Bewegung hier ebenfalls aktiv?

4.             Können Sie bei der Entscheidung für den nunmehrigen Bestbieter politischen
Einflussnahmen oder Querbezüge - auch solche im Umfeld Ihres Bündnisses
- ausschließen, wenn ja, auf welcher Grundlage, wenn nein, warum nicht?

5.             Was ist Ihnen über medial kolportierte Verbindungen zwischen der dem
Vernehmen nach im bestbietenden Konsortium aktiven Hypo Alpe-Adria und
ASFINAG-Aufsichtsratsmitgliedern im einzelnen bekannt?

6.             Hielten Sie Beratertätigkeiten eines ASFINAG-Aufsichtsratsmitglieds für ein
Mitglied eines in einem von der ASFINAG durchgef
ührten Vergabeverfahren
bietenden (und erfolgreichen) Bieterkonsortiums f
ür einen Interessenskonflikt,
wenn nein, warum nicht?

7.             Sehen Sie die in Fragen 4, 5 und 6 angesprochenen möglichen
Zusammenh
änge im Fall ihres Zutreffens als a) im Einklang mit geltendem
österreichischen und europäischen Recht stehend, b) im Einklang mit den
Grunds
ätzen der Corporate Governance stehend an, und wenn ja, warum?

8.             Warum haben Sie sich so für ein PPP-Projekt Nordautobahn engagiert,
obwohl dieses Modell doch auf die gro
ßen internationalen Player der Bau-
und Finanzierungsszene zugeschnitten ist und damit die von Ihnen und Ihren
Partei- und RegierungskollegInnen so oft beschworenen heimischen Klein-
und Mittelbetriebe der Bauwirtschaft systematisch ausbootet?

9.             Haben Sie konkret etwas gegen diese offenkundige systematische
Benachteiligung heimischer Klein- und Mittelbetriebe in Ihrem
Zust
ändigkeitsbereich unternommen, und wenn ja, was?

10.   Welche Schritte Ihrer Regierungskollegen sind Ihnen dazu bekannt?

11. Im Mittel entfallen 60% der Gesamtkosten hochrangiger Straßenbauprojekte
auf Finanzierung und anteiligen Schuldendienst und nur 40% auf den Bau.
Wie viele Arbeitspl
ätze werden pro eingesetzter Million Euro durch die
Finanzierung von hochrangigen Stra
ßenbauprojekten in Österreich konkret
gesichert, und wie hoch ist der entsprechende Wert pro eingesetzten Million
Euro beim Bau selbst?

12.          Wie hoch waren die in Ihrem Verantwortungsbereich entstandenen Kosten
f
ür a) Finanzberatung, b) Rechtsberatung, c) sonstige Beratung, d) Berater
insgesamt im Zusammenhang mit dem PPP-Projekt Nordautobahn?

13.          Wie hoch war der Anteil der zu Frage 12 aufgelaufenen Summen, der an in
Österreich steuerzahlende Beratungsunternehmen und Berater gegangen ist?


14.          Wie hoch waren die in Ihrem Verantwortungsbereich entstandenen Kosten
f
ür a) Finanzberatung, b) Rechtsberatung, c) sonstige Beratung, d) Berater
insgesamt im Zusammenhang mit sonstigen PPP-Projekten, etwa im
Schienenbereich?

15.          Wie hoch war der Anteil der zu Frage 14 aufgelaufenen Summen, der an in
Österreich steuerzahlende Beratungsunternehmen und Berater gegangen ist?

16.          Können Sie ausschließen, dass zur Risikobegrenzung des siegreichen
Bieters bei der Nordautobahn a) Zahlungen aus dem Bundesbudget, b)
Transferzahlungen aus ASFINAG-Einnahmen aus dem
übrigen ASFINAG-
Netz erfolgen werden?

17.          Wenn nein - welche Zahlungen in welcher Höhe werden erfolgen?

18.          Wer waren bzw. sind die Mitglieder des von Ihnen beim Vergabeverfahren
Nordautobahn zus
ätzlich zu den bestehenden Kontrollinstrumenten
eingesetzten Lenkungsausschusses, und was war die gesetzliche Grundlage
dieser Einsetzung und der laufenden Arbeit dieses Ausschusses?

19.          "Das stellt sicher, dass die Wertschöpfung dieses Projektes zum
überwiegenden Teil in Österreich realisiert werden kann." (Vizekanzler Hubert
Gorbach, APA-OTS263, 22.6.2006)

Wie groß wird dieser „überwiegende Teil der Wertschöpfung" konkret sein,
und wie gelangen Sie zu diesem Ergebnis?

20. Deshalb werden die gesteckten Ziele, unter anderem der günstigeren
Realisierung, auch erreicht werden k
önnen." (Vizekanzler Hubert Gorbach,
APA-OTS263, 22.6.2006)

Wie hoch wird im Fall einer Realisierung des PPP-Projekt Nordautobahn die
Einsparung a) für die mautzahlenden AutofahrerInnen, b) für die
steuerzahlende Allgemeinheit konkret pro Jahr bzw.
über die Laufzeit
insgesamt unter Einbeziehung der in Frage 16 angesprochenen Zahlungen
sein, und welches Nicht-PPP-Referenzszenario legen Sie diesem Vergleich
zugrunde?

21.          Laut ASFINAG-Aufsichtsratschef Quendler (vgl APA-ORS 236, 22.6.2006)
wird der Bestbieter nun eingeladen,
seine Finanzierung zu finalisieren". Die
Finanzierbarkeit des Bestgebots ist noch nicht abschließend dargelegt.
K
önnen Sie erklären, auf welcher Grundlage Sie (siehe Frage 17) trotzdem
bereits abschließende Aussagen über die Erreichung der gesteckten
Einsparungsziele treffen k
önnen?

22.          Können Sie ausschließen, dass diese Finalisierung durch die Hypo Alpe-
Adria erfolgt?