4718/J XXII. GP

Eingelangt am 12.09.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Johann Maier

und GenossInnen

an den Bundeskanzler

betreffend „S.W.I.F.T. - Illegale Datenschnüffelei durch USA - Wirtschaftsspionage?"

Das EU-Parlament hat am 06.07.2006 einstimmig eine Resolution verabschiedet, in der die
Überwachung des internationalen Finanzdatennetzes S.W.I.F.T. (Society for Worldwide
Interbank Financial Telecommunication) durch die US-Regierung scharf verurteilt wurde. Die
von der Betreibergesellschaft zur Verfügung gestellten Daten haben es laut der Entschließung des
EP möglich gemacht, „Informationen über die ökonomischen Aktivitäten von Individuen und
Ländern zu erhalten". Dies könnte „umfangreiche Formen der Wirtschafts- und Industriespionage
Vorschub leisten", warnten die EU-Abgeordneten.

In diesem Beschluss werden die EU-Kommission, der EU-Rat und die Europäische Zentralbank
(EZB) aufgefordert, ihr Wissen und ihre eventuelle Rolle in dem Fall aufzuklären. Die
Parlamentarier ersuchen zudem den Europäischen Datenschutzbeauftragten Peter Hustinx zu
prüfen, inwiefern die EZB die schweren Verletzungen der Privatsphäre auch der europäischen
Öffentlichkeit unter den Teppich kehrte. Dieser Skandal verweist den Abgeordneten zufolge
generell auf ein „Klima des abnehmenden Respekts vor der Privatsphäre und vor dem
Datenschutz". Geheimoperationen fremder Nationen auf EU-Gebiet, die in Grundrechte der
EU-Bürger eingreifen, sind mit allen Nachdruck abzulehnen und zu verurteilen.

Kurz danach verurteilten auch die EU-Datenschutzbehörden im Juli 2006 mit aller Deutlichkeit
die illegalen Datentransfers und diese geheime Überwachung der Auslandsüberweisungen von
europäischen Kunden über die Datennetzwerke der S.W.I.F.T. durch die USA. Die europäischen
Datenschutzbehörden versuchen nun gemeinsam herauszufinden, ob und wie geltende
Datenschutzbestimmungen durch das internationale Finanzdatennetz S.W.I.F.T. bzw. diese
Datenschnüffelei verletzt worden sind.

Alle betroffenen europäischen (nationalen) Datenschutzbehörden haben bereits Kontakt zu ihren
jeweiligen Bankenorganisationen aufgenommen. Sie wollen damit Ausmaß und Tragweite der
Bespitzelungsmaßnahmen des Datenzugriffs und der mutmaßlichen Datenübermittlungen an die
USA feststellen.

Peter Schaar (Vorsitzender der Art. 29-Gruppe) betonte zugleich, dass alle Kunden von
Kreditinstituten auch unabhängig von ihrer Nationalität oder ihrem Aufenthaltsland ein Recht
haben zu erfahren, wie mit ihren vertraulichen Daten umgegangen wurde. „Sie haben einen
grundrechtlich geschützten Anspruch darauf, dass ihre Informationen gemäß den
Datenschutzvorschriften und unter vollständiger Einhaltung des Bankgeheimnisses verarbeitet
werden."
(heise.de 28.07.2006)

Die EU-Kommission wiederum vertrat dazu die Meinung, dass mit der Weitergabe von
Bankdaten an die US-Behörden kein EU-Recht verletzt worden ist. Mitgliedsstaaten der EU
wiesen angeblich daraufhin, dass sie die Weitergabe von Bankdaten ihrer Bürger durch die
belgische Firma S.W.I.F.T. nicht verhindern können. In den USA wurde aber die Legalität dieser
Vorgangsweise zunehmend angezweifelt, da für diese Untersuchungen kein richterlicher
Beschluss in den USA vorlag.

Die „New York Times" deckte im Juni 2006 die geheime Überwachung des S.W.I.F.T. System
durch die US-Regierung auf. Die amerikanischen Administration und insbesondere die
Republikanern verurteilten diese Veröffentlichungen au fheftigste.

Das US-Finanzministerium und der Geheimdienst CIA haben nach den Terroranschlägen vom
11.September 2001 Zugriffsmöglichkeiten auf S.W.I.F.T.-Daten zur Ermittlung terroristischer
Geldströme erhalten. Über dieses Netz tauschen rund 8000 Banken, Brokerhäuser, Börsen und
andere Finanzinstitute weltweit Informationen über Finanztransaktionen aus. Pro Tag werden
über SWIFT verschlüsselt mehrere Millionen Informationen über Kundenüberweisungen, Bank-
zu-Bank-Zahlungen, Wertpapier- und Devisenhandelgeschäfte oder Reisescheck-Einlösungen mit
einem Gesamtvolumen von rund fünf Billionen Euro ausgetauscht. Gesprochen wird von bis zu
11 Millionen Transaktionen am Tag. Mit Hilfe eines eigenen US-Computerprogramms
(„Terrorist Finance Tracking Program") wurden angeblich diese Finanztransaktionen durch die
USA systematisch durchleuchtet. Vertrauliche Kontodaten der Europäer waren damit der CIA
und anderen US-Behörden zugänglich.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundeskanzler nachstehende

Anfrage:

1.     Sind österreichische Banken an S.W.I.F.T. beteiligt? Wenn ja, welche und in welcher       Form?

2.                       Wenn ja, wie viele Transaktionen von Kunden der in Österreich niedergelassenen Banken
wurden über S.W.I.F.T. in den letzten fünf Jahren durchgeführt (Aufschlüsselung auf
Jahre)?

3.                       Aufgrund welcher gesetzlichen Grundlage erlaubten S.W.I.F.T. bzw. dessen Direktorium
dem US-Finanzministerium und der CIA Daten über S.W.I.F.T. Finanztransaktionen zu
übermitteln? Oder aufgrund welcher gesetzlichen Grundlage haben S.W.I.F.T. bzw. dessen
Direktorium den USA bzw. der CIA einen Zugriff ermöglicht?

4.                       Wurde durch S.W.I.F.T den USA ein direkter Datenzugriff in den Rechenzentren
eingeräumt oder alle Transaktionsdaten übermittelt oder von den USA (bzw. CIA) dafür ein
eigenes Programm USA eingesetzt?

5.                       Wurde bzw. war die österreichische Nationalbank darüber informiert? Wenn ja, wer hat
verständigt und wer wurde davon in der Nationalbank verständigt? Wann erfolgten diese
Verständigungen? Welche Maßnahmen wurden daraufhin ergriffen?

6.                       Wurden bzw. waren die österreichischen Banken darüber informiert? Wenn ja, wer hat
verständigt und wer wurde in den Banken jeweils davon verständigt? Wann erfolgten diese
Verständigungen? Welche Maßnahmen wurden daraufhin ergriffen?

7.                       Wurde bzw. war das österreichische Finanzministerium darüber informiert? Wenn ja, wer
hat verständigt und wer wurde davon verständigt? Wann erfolgten diese Verständigungen?
Welche Maßnahmen wurden daraufhin ergriffen?

8.                       Wurde bzw. war das Bundeskanzleramt aus Datenschutzgründen darüber informiert? Wenn
ja, wer hat verständigt und wer wurde verständigt? Wann erfolgten diese Verständigungen?
Welche Maßnahmen wurden daraufhin ergriffen?

9.                       Wurde bzw. war die Europäische Zentralbank darüber informiert? Wenn ja, wer wurde
davon verständigt? Wann erfolgten diese Verständigungen? Welche Maßnahmen wurden
daraufhin ergriffen?

10.                Welche Haltung nimmt die Europäische Nationalbank (EZB) zu diesen beschriebenen
„illegalen" Datenübermittlungen bzw. Datenzugriffen ein?

11.                Wie beurteilen Sie im Blickwinkel der österreichischen Rechtsordnung - insbesondere der
datenschutzrechtlichen Regelungen - als ressortzuständiger Bundesminister diese
Vorgangsweise von S.W.I.F.T bzw. den USA?

12.                Wurde damit das österreichische „Bankgeheimnis" verletzt? Wenn nein, warum nicht?
Wodurch ist diese Vorgangsweise rechtlich gedeckt? Welche Rechtsformen und welches
Recht sind für die Beurteilung dieses Sachverhaltes maßgeblich?

13.                Wurden damit Grundrechte sowie europäische oder bzw. nationale Datenschutznormen
verletzt? Wenn nein, warum nicht? Wodurch ist diese Vorgangsweise rechtlich gedeckt
(Ersuche um Bekanntgabe der Rechtsgrundlage)?

14.                Sind nach österreichischem Recht (z. B. DSG) in Österreich zumindest die betroffenen
Bankkunden - deren Daten durch S.W.I.F.T weitergegeben wurden oder bzw. in die durch
die USA bzw. CIA Einsicht genommen werden konnte - von ihren Hausbanken davon zu
informieren? Wenn nein, warum nicht?

15.                Wie konnte die EU-Kommission zur Rechtsauffassung gelangen, dass mit dieser
Datenweitergabe kein EU-Recht verletzt wurde? Wie wurde dies rechtlich begründet?

16.                Wie werden Sie in Zukunft die vertraulichen Daten von Bankkunden der in Österreich
niedergelassenen (einheimischen) Banken gegenüber ausländischen Regierungen schützen?

17.                Welche Konsequenzen sind aus Sicht Ihres Ressorts aus diesen illegalen Überwachungen
bzw. Datenzugriffen der USA auf Auslandsüberweisungen von europäischen bzw.
österreichischen Bankkunden zu zielen? Sehen Sie dabei auch zum Schutz der Privatsphäre
und Datenschutz einen legislativen Handlungsbedarf? Wenn ja, worin liegt dieser?

18.                Welche rechtlichen Möglichkeiten besitzen die EU bzw. Österreich sowie die betroffenen
Bankkunden, wenn deren Bankdaten von den USA missbräuchlich zu Zwecken der
Wirtschafts- und Industriespionage o.a. verwendet wurden?


19.   Welche Stellungnahmen haben das BMF, das BKA, die ÖNB, die Wirtschaftskammer
        Österreich sowie die einzelnen Bankenverbände gegenüber der EU-Art. 29           Datenschutzgruppe abgegeben (ersuche um Übermittlung der Stellungnahmen)?