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An
die Österreichische Präsidentschaftskanzlei
* die Parlamentsdirektion
den Rechnungshof
die Volksanwaltschaft
den Verfassungsgerichtshof
den Verwaltungsgerichtshof
alle Bundesministerien
* das Büro von Herrn Vizekanzler GORBACH
* das Büro von Herrn Staatssekretär MORAK
* das Büro von Herrn Staatssekretär Dr. FINZ
* das Büro von Herrn Staatssekretär Mag. MAINONI
* das Büro von Herrn Staatssekretär Mag. SCHWEITZER
* das Büro von Herrn Staatssekretär Mag. KUKACKA
* das Büro von Frau Staatssekretärin HAUBNER
alle Sektionen des Bundeskanzleramtes
* alle Abteilungen des Verfassungsdienstes
die Bundes-Gleichbehandlungskommission beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen
die Geschäftsführung des Bundesseniorenbeirates beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz
den Datenschutzrat
den Rat für Forschung und Technologieentwicklung
den Familienpolitischen Beirat beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz
die IKT-Stabsstelle beim Bundeskanzleramt
die Bundestheater-Holding GmbH
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den unabhängigen Umweltsenat
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das Präsidium der Finanzprokuratur
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die Bundesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Österreich
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die Finanzmarktaufsicht
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die Bundesbeschaffung GmbH
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die Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten
die Kammer der Wirtschaftstreuhänder
die Bundeskonferenz der Kammern der freien Berufe
die rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien
die rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Graz
die rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Innsbruck
die rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Salzburg
das Institut für Rechtswissenschaften der Technischen Universität Wien
das Institut für Wirtschaft, Politik und Recht der Universität für Bodenkultur Wien
das Institut für Verfassungs- und Verwaltungsrecht der Wirtschaftsuniversität Wien
die rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Linz
das Institut für Rechtswissenschaften der Universität Klagenfurt
das Institut für Europarecht der Universität Wien
das Forschungsinstitut für Europarecht der Universität Graz
das Zentrum für Europäisches Recht der Universität Innsbruck
das Forschungsinstitut für Europarecht der Universität Salzburg
das Forschungsinstitut für Europafragen der Wirtschaftsuniversität Wien
das Forschungsinstitut für Europarecht der Universität Linz
die Österreichische Rektorenkonferenz
die Bundeskonferenz der Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren
die Bundeskonferenz des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals der österreichischen Universitäten
die Österreichische Hochschülerschaft
den Verband der Professoren Österreichs
das Österreichische Institut für Rechtspolitik
* die Österreichische Gesellschaft für Gesetzgebungslehre
die Österreichische Juristenkommission
das Österreichische Normungsinstitut
das Österreichische Institut für Menschenrechte
die Österreichische Liga für Menschenrechte
die österreichische Sektion von amnesty international
das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte
das österreichische Helsinki Komitee
den Hochkommissär der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge
den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger
die Österreichische Bischofskonferenz
den Evangelischen Oberkirchenrat A und HB Wien
die Vereinigung der Österreichischen Industrie
den Österreichischen Gewerkschaftsbund
die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst
den Verhandlungsausschuss der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes
die Bundessektion Richter und Staatsanwälte der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst
die Vereinigung Österreichischer Richter
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den Österreichischen Bundesjugendring
den Österreichischen Seniorenrat
den Hauptverband der Land- und Forstwirtschaftsbetriebe Österreichs
den Auto-, Motor- und Radfahrerbund Österreichs
den Österreichischen Automobil-, Motorrad- und Touringclub
den Verkehrsclub Österreich
das Kuratorium für Verkehrssicherheit
den Verband der Elektrizitätswerke Österreichs
den Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverband
den Verband österreichischer Entsorgungsbetriebe
das Institut für Entsorgungs- und Deponietechnik
den Verband Gas & Wasser
den Österreichischen Bundesfeuerwehrverband
den Österreichischen Verband der Internet Service Provider
den Österreichischen Ingenieur- und Architektenverein
den Handelsverband – Verband österreichischer Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels
den Österreichischen Verband der Markenartikelindustrie
die Vereinigung industrieller Bauunternehmungen Österreichs (VIBÖ)
die ARGE Daten
* den Österreichischen Berufsverband der Erzieher
den Österreichischen Bundesjugendring
den Österreichischen Familienbund
den Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie
die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation
die Lebenshilfe Österreich
den Tierschutzverein „Vier Pfoten“
das Österreichische Hebammengremium
den Österreichischen Fischereiverband
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BKA-601.999/0004-V/1/2004 |
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Abteilungsmail: |
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Sachbearbeiter: |
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(1) 531 15-2426 |
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Antwortschreiben bitte unter Anführung der
Geschäftszahl an die Abteilungsmail |
Betrifft: Entwurf
eines Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages über eine
Verfassung für Europa;
Versendung zur Begutachtung und zur Stellungnahme nach der Vereinbarung über
einen Konsultationsmechanismus
Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst übermittelt den Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa und ersucht um allfällige Stellungnahme bis spätestens
4. Jänner 2005 (ha. einlangend).
Sollte bis zum oben angegebenen Zeitpunkt keine Stellungnahme einlangen, so wird das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst davon ausgehen, dass gegen den Entwurf keine Einwendungen erhoben werden. Die Aussendung dient gleichzeitig als Übermittlung im Sinne des Art. 1 der Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften, BGBl. I Nr. 35/1999, die Stellungnahmefrist im Sinne dieser Vereinbarung endet vier Wochen nach Zustellung.
Weiters wird ersucht,
· 25 Ausfertigungen der Stellungnahme dem Präsidium des Nationalrates zu übermitteln,
· davon dem Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst Mitteilung zu machen und
· — bei Vorhandensein der technischen Möglichkeit hiezu — die Stellungnahme dem Präsidium des Nationalrates — zusätzlich zur Übermittlung in 25 Ausfertigungen — im Wege elektronischer Post an die Adresse
begutachtungsverfahren@parlinkom.gv.at
zu senden.
Da Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst lädt jene begutachtenden Stellen, die noch keine e-mail-Adresse für Zwecke der Übermittlung von Begutachtungsentwürfen bekanntgegeben haben, ein, eine solche elektronisch an die Adresse v2@bka.gv.at bekanntzugeben. Dabei sollte es sich möglichst um eine objektive, d.h. nicht personenbezogene Adresse handeln. Es wird darauf hingewiesen, dass der Postversand in Bälde gänzlich eingestellt werden wird.
22.
November 2004
Für
den Bundeskanzler:
Wolf OKRESEK
Entwurf
Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa
Der Nationalrat hat beschlossen:
(1) Der am 29. Oktober 2004 unterzeichnete Vertrag über eine Verfassung für Europa darf nur mit Genehmigung des Nationalrates abgeschlossen werden. Der Genehmigungsbeschluss kann vom Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen gefasst werden; Bestimmungen des Vertrages, durch die Verfassungsrecht geändert wird, brauchen darin nicht als „verfassungsändernd“ bezeichnet werden.
(2) Der Vertrag bedarf überdies der Zustimmung des Bundesrates. Der Beschluss kann vom Bundesrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen gefasst werden.
(3) Soweit in den Abs. 1 und 2 nicht anderes bestimmt ist, sind auf den Vertrag die Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes über Staatsverträge anzuwenden.
Artikel 2
Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist die Bundesregierung betraut.
Vorblatt
Problem:
Auf Grund der
Sonderbestimmung des Art. II des Bundesverfassungsgesetzes über den
Beitritt Österreichs zur Europäischen Union brauchten der Beitrittsvertrag oder
einzelne seiner Bestimmungen nicht als „verfassungsändernd“ bezeichnet werden.
Analoge Regelungen enthielten die Bundesverfassungsgesetze über den Abschluss
des Vertrages von Amsterdam, über den Abschluss des Vertrages von Nizza und
über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Tschechischen Republik,
der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik
Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der
Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union. Es ist
daher unklar, welche Bestimmungen des Vertrages über eine Verfassung für Europa
„verfassungsändernd“ sind und daher ausdrücklich als solche bezeichnet werden
müssten.
Lösung:
Erlassung eines Bundesverfassungsgesetzes nach dem Muster der genannten Bundesverfassungsgesetze.
Alternativen:
Inkorporation einer entsprechenden bundesverfassungsgesetzlichen Ermächtigung in das B‑VG.
Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:
Keine.
Finanzielle Auswirkungen:
Keine.
Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:
Welche Voraussetzungen für eine Ratifikation des Vertrages über eine Verfassung für Europa erfüllt sein müssen, richtet sich ausschließlich nach den verfassungsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates. Gemeinschaftsrecht bzw. Unionsrecht wird durch das vorgeschlagene Bundesverfassungsgesetz daher nicht berührt.
Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:
Zweidrittelmehrheit im Nationalrat gemäß Art. 44 Abs. 1 B‑VG.
Erläuterungen
Allgemeiner Teil
Zur Frage
der ausdrücklichen Bezeichnung der Bestimmungen des Vertrages über eine
Verfassung über Europa als „verfassungsändernd“
Der Staatsvertrag über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union (im Folgenden: Beitrittsvertrag), BGBl. Nr. 45/1995, wurde auf Grund der besonderen bundesverfassungsgesetzlichen Ermächtigung des Art. I des Bundesverfassungsgesetzes über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union (im Folgenden: EU-BeitrittsBVG), BGBl. Nr. 744/1994, abgeschlossen. Auf Grund der Sonderbestimmung des Art. II EU-BeitrittsBVG brauchten der Beitrittsvertrag oder einzelne seiner Bestimmungen nicht als „verfassungsändernd“ bezeichnet werden. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 1546 d. B. XVIII. GP [im Folgenden: RV], 4) wird dies damit begründet, dass „eine genaue Bezeichnung jener Teile des Beitrittsvertrages (einschließlich insbesondere des darin verwiesenen Unionsvertrages und EU-Sekundärrechts), welche verfassungsändernd sind, kaum möglich und eine verfassungsrechtliche Verankerung des gesamten Beitrittsvertrages äußerst unzweckmäßig wäre. Dies nicht zuletzt wegen des Vorranges aller Arten unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts vor innerstaatlichem Recht (und zwar grundsätzlich einschließlich bundesverfassungsrechtlicher Vorschriften)“. Durch diese Vorgangsweise musste voraussetzungsgemäß unklar bleiben, welche Bestimmungen des Beitrittsvertrages nun tatsächlich „verfassungsändernd“ (und welche nur „gesetzändernd“) sind.
Die Verträge von Amsterdam und Nizza sowie der Vertrag über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (im Folgenden: EU-Erweiterungsvertrag) sahen jeweils immer auch Änderungen von Primärrecht vor, das bereits Gegenstand eines der früheren Verträge gewesen war, weshalb sich bei ihrem Abschluss dasselbe rechtstechnische Problem wie bei Abschluss des Beitrittsvertrages stellte. Um dieses Problem zu lösen, wurden in die zum Abschluss dieser Verträge ermächtigenden Bundesverfassungsgesetze dem Art. II EU-BeitrittsBVG analoge Regelungen aufgenommen (vgl. Art. I des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluß des Vertrages von Amsterdam, BGBl. I Nr. 76/1998, Art. 1 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages von Nizza, BGBl. I Nr. 120/2001, und Art. 1 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union, BGBl. I Nr. 53/2003). Es erscheint zweckmäßig, die eingeschlagene Vorgangsweise auch beim Vertrag über eine Verfassung für Europa (im Folgenden: Verfassungsvertrag) beizubehalten und von einer ausdrücklichen Bezeichnung des Vertrages oder einzelner seiner Bestimmungen als „verfassungsändernd“ abzusehen.
Zu den
Kompetenzgrundlagen und den Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens
1. In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich das vorgeschlagene Bundesverfassungsgesetz auf Art. 10 Abs. 1 Z 1 B‑VG („Bundesverfassung“).
2. Gemäß Art. 44 Abs. 1 B‑VG kann das vorgeschlagene Bundesverfassungsgesetz vom Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden. Art. 44 Abs. 2 B‑VG ist auf dieses Bundesverfassungsgesetz nicht anwendbar, weil es sich inhaltlich auf die Ermächtigung zum Abschluss eines bestimmten Staatsvertrages beschränkt, also keine Regelungen enthält, „durch die die Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung oder Vollziehung eingeschränkt wird“.
3.1 Art. 44 Abs. 3 B‑VG gilt, wie sich schon aus seiner systematischen Stellung unter „D. Der Weg der Bundesgesetzgebung“ ergibt, nur für Bundesgesetze und nicht auch für Staatsverträge. (so zutreffend bereits Retter, Der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union im Lichte der Bundesverfassung, JAP 1994/95, 80 [83]). Andererseits ist nach dieser Bestimmung „[j]ede Gesamtänderung der Bundesverfassung … einer Abstimmung des gesamten Bundesvolkes zu unterziehen“. Daraus ist zu schließen, dass eine „Gesamtänderung der Bundesverfassung“ nach dem B‑VG nur durch (Bundes‑)Verfassungsgesetz (und nicht durch Staatsvertrag) vorgenommen werden kann bzw. darf (so im Ergebnis wohl auch Adamovich/Funk/Holzinger, Österreichisches Staatsrecht Bd. 1: Grundlagen [1997], Rz 16.027). Würde das vorgeschlagene Bundesverfassungsgesetz zum Abschluss eines Staatsvertrages ermächtigen, der eine „Gesamtänderung der Bundesverfassung“ beinhaltet, müsste es demnach dem Verfahren nach Art. 44 Abs. 3 B‑VG unterzogen werden.
3.2 Nach
herrschender Meinung liegt eine Gesamtänderung der Bundesverfassung dann vor,
wenn die Verfassung so umgestaltet wird, dass eines ihrer „Baugesetze“
aufgehoben oder geändert wird oder wenn das Verhältnis dieser „Baugesetze“
zueinander eine wesentliche Änderung erfährt. Über die Anzahl der „Baugesetze“
und deren Inhalt bestehen in Lehre und Rechtsprechung zum Teil erhebliche
Meinungsverschiedenheiten; weitgehende Einigkeit besteht jedoch darüber, dass
zu diesen das demokratische Prinzip, das republikanische Prinzip, das
bundesstaatliche Prinzip, das rechtsstaatliche Prinzip und das
gewaltentrennende Prinzip gehören (vgl. Adamovich/Funk/Holzinger,
Staatsrecht, Rz 10.001 ff; Öhlinger,
Verfassungsrecht5 [2003], Rz 62 ff; Retter, Beitritt, 81 ff; Rill/Schäffer,
Art 44 B‑VG, in: dies., Bundesverfassungsrecht. Kommentar [2001],
Rz 21 ff; Walter/Mayer, Grundriss des
österreichischen Bundesverfassungsrechts9 [2000],
Rz 146 ff). Was im Einzelnen unter „Gesamtänderung“ zu verstehen ist,
konnte freilich auch schon vor Erlassung des EU-BeitrittsBVG nicht eindeutig
gesagt werden (vgl. Ringhofer, Bundesverfassung
[1977], 151 sowie nunmehr, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf diesen, Öhlinger, Verfassungsrecht, Rz 65). Fest steht
jedenfalls, dass das demokratische Prinzip, das bundesstaatliche Prinzip, das
rechtsstaatliche Prinzip und das gewaltentrennende Prinzip durch das
EU-BeitrittsBVG geändert worden sind (vgl. RV, 3 f; AB 1600 d. B.
XVIII. GP [im Folgenden: AB], 13 f).
3.3 Zur
Frage einer verfassungsrechtlichen Verankerung inhaltlicher
Integrationsschranken wird in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des
EU-BeitrittsBVG (RV, 6 f) festgehalten, dass
„auch ohne
eine derartige ausdrückliche inhaltliche Bezugnahme auf bestimmte
verfassungsrelevante Wesenselemente des Gemeinschaftsrechts das vorliegende
Bundesverfassungsgesetz über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union in
Verbindung mit dem Stand der Entwicklung des Unionsrechts zum Zeitpunkt des
österreichischen Unionsbeitrittes den Maßstab einer verfassungsgerichtlichen
Nachprüfung künftiger Entwicklungen des Unionsrechts bilden wird: Durch den
EU-Beitritt Österreichs werden die Grundprinzipien der österreichischen Bundesverfassung
(insbesondere das demokratische Prinzip, aber auch das gewaltenteilende, das
rechtsstaatliche und das bundesstaatliche Prinzip) zwar modifiziert, sie
bleiben jedoch in der durch den Beitrittsvertrag (dessen Abschluß sich auf das
im Entwurf vorliegende Bundesverfassungsgesetz stützt) umgestalteten Ausprägung
bestehen. Auch künftige Gesamtänderungen der solcherart modifizierten
Grundordnung des Bundesverfassungsrechts bedürften somit vor ihrem
Inkrafttreten neuerlich einer Volksabstimmung. Dies trifft auch auf den Fall
zu, daß eine künftige Änderung des
Unionsvertrages abermals gesamtändernden Charakter haben sollte (es versteht
sich von selbst, daß Änderungen des Unionsvertrages nicht in jedem Fall,
sondern wohl nur ausnahmsweise in bezug auf die österreichische
Bundesverfassung gesamtändernd wären).“
Auch im Bericht
des Verfassungsausschusses (AB, 14) wird betont,
„daß die
erwähnten Grundprinzipien in dieser ihrer modifizierten Form nach wie vor
weiter gelten werden. Dieser Umstand ist vor allem für die Beurteilung der
folgenden Frage von Bedeutung: Im Zuge der Ausschußberatungen ist insbesondere
auch erwogen worden, ob es notwendig bzw. zweckmäßig wäre,
bundesverfassungsgesetzliche Bestimmungen vorzusehen, die als
„Integrationsschranken“ wirken können. Wenn davon letztlich Abstand genommen
wird, so geschieht dies im wesentlichen in Übereinstimmung mit den
Erläuterungen zur Regierungsvorlage. Weiters ist zu bemerken, daß nicht von den
Gemeinschaftsverträgen gedeckte Rechtsakte schon im Hinblick auf die
Gemeinschaftsverträge unzulässig sind und daher auch ohne derartige
Integrationsschranken von der bundesverfassungsgesetzlichen
„Integrationsermächtigung“ von vornherein nicht gedeckt wären. Derartige
Rechtsakte wären daher von den in Betracht kommenden innerstaatlichen Organen
insbesondere am Maßstab der genannten Grundprinzipien zu messen und
gegebenenfalls – wie in der Regierungsvorlage näher ausgeführt – als nichtig
anzusehen. Zum anderen hätten auch künftige Änderungen der Gemeinschaftsverträge
unter der Voraussetzung, daß sie diese modifizierten Grundprinzipien maßgeblich
berühren, gleichfalls gesamtändernden Charakter und wären diesfalls – auch ohne
besondere Festschreibung von Integrationsschranken – nur im Wege einer
Gesamtänderung der Bundesverfassung unter Einschluß einer Volksabstimmung
zulässig. Einer Wiederholung der durch das Beitritts-BVG modifizierten Grundprinzipien
in Form von Integrationsschranken bedarf es daher nicht.
Auch so wird
sichergestellt, daß im gegenständlichen Verfahren keine Blankovollmacht
erteilt wird, die österreichische Rechtsordnung gegenüber dem
Gemeinschaftsrecht beliebig zu öffnen. Künftige Veränderungen des Europäischen
Gemeinschaftsrechts können für und in Österreich nur Wirksamkeit entfalten,
wenn auch über diese künftigen Veränderungen in der dem österreichischen
Verfassungsrecht entsprechenden Weise entschieden wird: In der Form eines
Gesetzes, eines Verfassungsgesetzes oder allenfalls wieder in Form eines
gesamtändernden Bundesverfassungsgesetzes.“
Die Existenz von
Integrationsschranken ist auch in der (österreichischen) Literatur nahezu
einhellig anerkannt (siehe Adamovich/Funk/Holzinger,
Staatsrecht, Rz 17.061; Baumgartner,
EU-Mitgliedschaft und Grundrechtsschutz [1997], 104 ff; Öhlinger, Verfassungsrechtliche Aspekte des Vertrags von
Amsterdam in Österreich, in: Hummer [Hrsg.], Die Europäische Union nach dem
Vertrag von Amsterdam [1998], 297 [299 f]; Öhlinger,
EU-BeitrittsBVG, in: Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht [1999],
Rz 19; Pernthaler, Die neue Doppelverfassung Österreichs, FS
Winkler [1997], 773 [795]; Stolzlechner, Die
Auswirkungen einer Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union auf die
österreichische Verfassungsordnung, in: Hummer [Hrsg.], Die Europäische Union
und Österreich. Europarechtliche, völkerrechtliche und verfassungsrechtliche
Perspektiven [1994], 163 [177]; Thun-Hohenstein,
Das Verhältnis zwischen österreichischem Recht und dem Recht der Europäischen
Union, SWA-Studienarbeit Nr. 107 [1995], 65; Walter/Mayer,
Bundesverfassungsrecht, Rz 246/10; vorsichtiger Griller,
Verfassungsfragen der österreichischen EU-Mitgliedschaft, ZfRV 1995, 89 [96],
demzufolge der Umstand, dass dies nur aus den Materialien erschlossen werden
könne und im Text des EU-BeitrittsBVG in keiner Weise zum Ausdruck komme,
„zumindest als legistischer Mangel bezeichnet“ werden müsse; zweifelnd Retter, Beitritt, 87 f).
In welchem Ausmaß
die „Baugesetze“ durch das EU-BeitrittsBVG modifiziert worden sind, ist
freilich außerordentlich unklar und dogmatisch letztlich wohl auch nicht
eindeutig zu beantworten (vgl. Baumgartner,
Grundrechtsschutz, 105; Öhlinger, EU-BeitrittsBVG,
Rz 21; Pernthaler, Doppelverfassung, 795). In einer sehr
allgemeinen Formulierung kann gesagt werden, dass sich die österreichische verfassungsrechtliche
Grundordnung gegenüber der Rechtsordnung der Europäischen Union nur soweit
geöffnet hat, als die Widersprüche zwischen dieser Rechtsordnung nach ihrem
Stand von 1995 und der verfassungsrechtlichen Grundordnung reichten (Öhlinger, Aspekte, 300; ähnlich Adamovich/Funk/Holzinger,
Staatsrecht, Rz 17.061).
Andererseits
bedarf nicht jede vertragliche Änderung des Primärrechts einer neuerlichen
Volksabstimmung (so ausdrücklich RV, 7 und implizit AB, 8; ausdrücklich auch Öhlinger, EU-BeitrittsBVG, Rz 20; im Ergebnis Adamovich/Funk/Holzinger, Staatsrecht, Rz 17.061;
vorsichtiger Griller, Verfassungsfragen, 96 und Rill/Schäffer, Art 44 B‑VG, Rz 52). So bestand
etwa aus Anlass des Abschlusses der Verträge von Amsterdam und Nizza und des
EU-Erweiterungsvertrages nicht die Notwendigkeit der Durchführung einer
Volksabstimmung (so auch ausdrücklich – hinsichtlich des Vertrages von
Amsterdam – Öhlinger, Aspekte, 299 ff und –
hinsichtlich der Verträge von Amsterdam und Nizza – R. Winkler,
Integrationsverfassungsrecht, 55).
Kraft der engen
Verflechtungen von Gemeinschaftsrecht und innerstaatlichem Recht können auch
wesentliche Veränderungen EU-interner „Verfassungsprinzipien“ eine
Gesamtänderung der Bundesverfassung bewirken, auch wenn sie innerhalb der österreichischen
Verfassungsordnung gar keine Änderungen erfordern (Öhlinger,
EU-BeitrittsBVG, Rz 22 unter Berufung auf Griller,
Verfassungsfragen, 96 f; R. Winkler,
Integrationsverfassungsrecht, 46 ff).
3.4 Gegenüber
dem geltenden Primärrecht sieht der Verfassungsvertrag insbesondere folgende
Änderungen vor (siehe näher die zusammenfassende Darstellung von Obwexer,
Die neue Verfassung für Europa, ecolex 2004, 674):
– Gründung einer (neuen) Europäischen Union
Die
im Verfassungsvertrag vorgesehene Gründung einer (neuen) Europäischen Union
(Art. I‑1) mit eigener Rechtspersönlichkeit (Art. I‑7), die die
Rechtsnachfolge der bestehenden Europäischen Union und der Europäischen
Gemeinschaft antreten (Art. IV‑438 Abs. 1) und in den Mitgliedstaaten
die weitest gehende Rechts- und Geschäftsfähigkeit besitzen soll, die
juristischen Personen nach diesen Rechtsvorschriften zuerkannt ist
(Art. III‑426), berührt die „Baugesetze“ der Bundesverfassung als solche
nicht. In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Frage, ob
der Europäischen Union Rechtspersönlichkeit zukommt, von einem Teil der Lehre
schon bisher bejaht wurde (vgl. Öhlinger, EU-BeitrittsBVG, Rz 30
mwH).
– Werte und Ziele der Union
Die
Bestimmungen über die Werte und Ziele der Union (Art. I‑2 und Art. I‑3)
entsprechen im Wesentlichen der geltenden Rechtslage.
– Vorrang des Unionsrechtes
Gemäß
Art. I‑6 haben die Verfassung und das von den Organen der Union in
Ausübung der der Union übertragenen Zuständigkeiten gesetzte Recht Vorrang vor
dem Recht der Mitgliedstaaten. Wie aus einer eigenen Erklärung (Nr. 1)
hervorgeht, soll durch diese Bestimmung die ständige Rechtsprechung des EuGH
zum Vorrang des Gemeinschaftsrechts kodifiziert werden. Da diese Eigenschaft
dem Gemeinschaftsrecht bereits im Zeitpunkt des Beitritts Österreichs zur
Europäischen Union zugekommen ist (vgl. RV, 7; AB, 4), beinhaltet diese
Bestimmung insoweit „inhaltlich nichts Neues“ (Obwexer, Verfassung für
Europa, 676).
Demgegenüber
vertritt Öhlinger (Referendum) die Auffassung,
dass diese Bestimmung einen uneingeschränkten und absoluten Vorrang des
Unionsrechts proklamiere, wodurch die „Baugesetze“ der Bundesverfassung ihren
obersten Rang verlieren würden. Praktisch bedeute dies, dass künftige
Änderungen des primären Unionsrechts (des Verfassungsvertrags), die inhaltlich
das demokratische, bundesstaatliche oder rechtsstaatliche Prinzip der
Bundesverfassung wesentlich modifizieren, innerstaatlich auch ohne
Volksabstimmung gemäß Art. 44 Abs. 3 B-VG für Österreich verbindlich
werden und vom VfGH nicht mehr am Maßstab der verfassungsrechtlichen
Grundordnung überprüft werden könnten. Der Geltungsbereich des Art. 44
Abs. 3 B-VG und damit der Geltungsbereich der Grundprinzipien der
Bundesverfassung werde dadurch gegenüber dem Unionsrecht eingeschränkt; so wie
die Aufhebung des Art. 44 Abs. 3 B-VG sei aber wohl auch eine solche
Einschränkung als Gesamtänderung zu qualifizieren. Auch Obwexer
(Verfassung für Europa, 6) nimmt – allerdings ohne nähere Begründung – an, dass
der Vorrang des Unionsrechts gemäß Art. I‑6 „gegenüber dem gesamten staatlichen Recht, also auch gegenüber dem
Verfassungsrecht und sogar im Verhältnis zu den Strukturprinzipen der
Verfassung“ gilt (Hervorhebung im Original).
Dieser
Auffassung ist allerdings von Griller (Referendum)
zu Recht entgegen gehalten worden, dass der EuGH in seiner Vorrangjudikatur
schon bisher keinen Vorbehalt zugunsten nationaler Verfassungskerne gemacht
habe. Daraus folgt jedoch, dass durch eine bloße Kodifikation dieser Judikatur
keine Änderung des Status quo eintritt, und dieser besteht eben darin, dass die
Grundprinzipien der Bundesverfassung dem Gemeinschaftsrecht nach überwiegender
Auffassung nicht nachgeordnet sind (Öhlinger, Die Transformation der Verfassung,
JBl 2002, 2). Hinzu kommt, dass die Garantien des Art. I‑5, wie Öhlinger
selbst einräumt, aus österreichischer Sicht wohl als Achtung der „Baugesetze“
verstanden werden müssen. Schließlich fehlt es auch an Anhaltspunkten für die
Annahme, mit der ausdrücklichen Positivierung des Vorranges des Unionsrechts im
Verfassungsvertrag sei auch ein „grundlegender Qualitätswandel“ verbunden (vgl.
die Überlegungen von R. Winkler, Integrationsverfassungsrecht, 52).
– Auflösung der Säulenstruktur
Durch
die im Verfassungsvertrag vorgesehene Aufnahme der bisherigen
intergouvernementalen Bereiche der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
(zweite Säule) und der Polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in
Strafsachen (dritte Säule) in den Katalog der Politikbereiche nach Teil III
werden diese zum Teil des Unionsrechts (wobei allerdings gewisse
Sonderregelungen bestehen bleiben). Dies hat zur Folge, dass die
„Strukturprinzipien“ des Gemeinschaftsrechts (insb. autonome Geltung,
unmittelbare Anwendbarkeit und Vorrang gegenüber innerstaatlichem Recht)
grundsätzlich auch in diesem Bereich Anwendung finden.
Eine
qualitative Änderung des Verhältnisses zwischen Gemeinschafts- bzw. Unionsrecht
und innerstaatlichem Recht ist mit einer „Vergemeinschaftung“ der zweiten und
dritten Säule zwar nicht verbunden (vgl. die Ausführungen zum Vorrang des
Unionsrechts), es könnte jedoch die Auffassung vertreten werden, dass durch die
Auflösung der gesamten zweiten und dritten Säule Kompetenzen der
Mitgliedstaaten in einem quantitativ so bedeutsamen Ausmaß in die Zuständigkeit
der (neuen) Union übertragen werden, dass dadurch die Schwelle zur
Gesamtänderung überschritten wird. So kommt R. Winkler
(Integrationsverfassungsrecht, 46) zum Schluss, dass „[die] Grundprinzipien
durch eine weitreichende Kompetenzübertragung an die EU, etwa
durch die Eingliederung der Außen- und Sicherheitspolitik in die
Gemeinschaftsstruktur, nochmals nachhaltig berührt werden können, womit
eine erneute Gesamtänderung vorläge“ (Hervorhebung nicht im Original; vgl. auch
die Überlegungen von Pernthaler, Doppelverfassung,
795 und Öhlinger, Aspekte, 302 und
EU-BeitrittsBVG, Rz 30).
Nun
ist die „Vergemeinschaftung“ vorher intergouvernementaler Bereiche durchaus
kein neuartiges Phänomen: Zuletzt wurden mit dem Vertrag von Amsterdam Teile
der dritten Säule unter dem Titel „Schrittweiser Aufbau eines Raumes der
Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ in die erste Säule transferiert, ohne
dass aus Anlass der parlamentarischen Behandlung des zum Abschluss dieses
Vertrages ermächtigenden Bundesverfassungsgesetzes die Frage der Notwendigkeit
einer neuerlichen Volksabstimmung aufgeworfen worden wäre; Öhlinger, der sich zu dieser Frage geäußert hat,
verneinte sie jedenfalls ausdrücklich (vgl. dens., Aspekte, 301 f).
Vor dem Hintergrund der Materialien zum EU-BeitrittsBVG, die davon ausgehen,
dass Änderungen des Unionsvertrages „wohl nur ausnahmsweise“ gesamtändernden
Charakter haben werden, sprechen gute Gründe dafür, entgegen R. Winkler auch weit reichende Kompetenzverschiebungen
zugunsten der Union als vom EU-BeitrittsBVG gedeckt anzusehen, sofern die Union
dadurch nicht von einem „Staatenverbund“ zu einem echten „europäischen
Bundesstaat“ wird (vgl. Öhlinger, EU-BeitrittsBVG,
Rz 30). Dies ist nach dem Verfassungsvertrag jedoch schon deswegen nicht
der Fall, weil er den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung (Art. I‑1)
unberührt lässt.
– Aufhebung des geltenden Primärrechts
Die
in Art. IV‑437 in Verbindung mit dem Protokoll Nr. 33 vorgesehene
(fast) vollständige Aufhebung des geltenden Primärrechts (mit Ausnahme des
EAG-Vertrages) ist eine bloß rechtstechnische Konsequenz seiner
kodifikatorischen Zusammenfassung im Verfassungsvertrag und berührt die
„Baugesetze“ als solche nicht (vgl. Öhlinger,
Aspekte, 302). Im Übrigen soll das geltende Unionsrecht entsprechend dem
Grundsatz der rechtlichen Kontinuität in Form eines „Aquis“ übernommen werden
und auch die Rechtsprechung des EuGH und des EuG weiterhin maßgeblich bleiben
(Art. IV‑438 Abs. 3 und 4).
– Aufrechterhaltung des EAG-Vertrages
Die
im Protokoll Nr. 36 vorgesehenen Änderungen des EAG-Vertrages
beschränken sich im Wesentlichen auf technische Anpassungen. Im Übrigen werden
die „Baugesetze“ der Bundesverfassung durch Aufrechterhaltung des EAG-Vertrages
nicht berührt.
– Neuerungen im institutionellen Bereich
Obwohl
der Verfassungsvertrag umfangreiche Neuerungen im institutionellen Bereich
vorsieht, sind diese sowohl für sich allein als auch in ihrer Gesamtheit nicht
so tiefgreifend, dass von einer Gesamtänderung der Bundesverfassung gesprochen
werden könnte (vgl. das von Griller,
Verfassungsfragen, 97 gegebene Beispiel einer Abschaffung des Europäischen
Parlaments unter gleichzeitiger Übertragung der Rechtsetzungsbefugnisse des
Rates auf die Europäische Kommission). Von diesen Neuerungen seien daher im
Folgenden nur jene hervorgehoben, bei denen Rückwirkungen auf die
Bundesverfassung zumindest denkmöglich sind, nämlich die Änderung der
Zusammensetzung des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission
sowie die Beschlusserfordernisse im Europäischen Rat und im Ministerrat (Rat).
Änderung
der Zusammensetzung des Europäischen Parlaments
Die
Anzahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments darf nach dem
Verfassungsvertrag 750 nicht überschreiten. Die Bürger und Bürgerinnen der
Union sind im Europäischen Parlament degressiv proportional, mindestens jedoch
mit sechs Mitgliedern je Mitgliedstaat vertreten; kein Mitglied erhält jedoch
mehr als 96 Sitze. Die näheren Regelungen unter Beachtung dieser Grundsätze
werden vom Europäischen Rat getroffen (Art. I‑20 Abs. 2).
In
diesem Zusammenhang ist zunächst von Bedeutung, dass die Mitglieder des
Europäischen Parlaments ein europäisches Mandat
haben, also die Bürger und Bürgerinnen der Union in ihrer Gesamtheit vertreten
und nicht nur das Volk, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen (vgl. AB, 3).
Sieht man dessen ungeachtet die Mitgliedschaft österreichischer Abgeordneter im
Europäischen Parlament als von dem durch das EU-BeitrittsBVG modifizierten
demokratischen Prinzip umfasst an (vgl. die Überlegungen des deutschen
Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 89, 155 [186] zur Möglichkeit einer
zumindest teilweisen Kompensierung von mit Kompetenzänderungen verbundenen
Demokratiedefiziten durch eine verstärkte demokratische Legitimation; vgl. auch
R. Winkler, Integrationsverfassungsrecht, 55,
demzufolge die Aufwertung des Europäischen Parlaments durch die Verträge von
Amsterdam und Nizza die modifizierten Grundprinzipien der Bundesverfassung
„sogar stärkt“), sind die Auswirkungen der vorgesehenen Änderung aber
jedenfalls als geringfügig einzustufen. Hiefür spricht auch, dass sie sich in
qualitativer Hinsicht nicht von den in der Vergangenheit durch den Beitritt
neuer Mitglieder bedingten Änderungen unterscheidet.
Änderung
der Zusammensetzung der Europäischen Kommission
Ab
dem Jahr 2014 wird die Kommission aus einer Anzahl von Mitgliedern bestehen,
die zwei Dritteln der Zahl der Mitgliedstaaten entspricht, es sei denn, dass
der Europäische Rat einstimmig eine Änderung dieser Anzahl beschließt. Die
Kommissionsmitglieder werden unter den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten in
einem System der gleichberechtigten Rotation ausgewählt. Die näheren Regelungen
unter Beachtung dieser Grundsätze werden vom Europäischen Rat getroffen
(Art. I‑26 Abs. 6).
Abgesehen
davon, dass es gerade nicht die Aufgabe der Europäischen Kommission ist, die
Interessen derjenigen Staaten zu vertreten, denen ihre Mitglieder angehören
(vgl. Art. I‑26 Abs. 1), ist nicht ersichtlich, welches „Baugesetz“ der
Bundesverfassung dadurch berührt sein könnte, dass Österreich nicht in jeder
Amtszeit der Europäischen Kommission einen Kommissar oder eine Kommissarin
„stellt“.
Änderungen
der Beschlusserfordernisse im Europäischen Rat und im Ministerrat
Durch
den Verfassungsvertrag erhält der Europäische Rat erstmals ausdrücklich
Organstellung (Art. I‑21). Die Beschlussfassung im Europäischen Rat
erfolgt grundsätzlich im Konsens (Art. I‑21 Abs. 4), doch sieht die
Verfassung in den meisten Fällen Einstimmigkeit oder qualifizierte Mehrheit
vor. In diesem Zusammenhang kommt dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass
gemäß Art. III‑365 Abs. 1 nunmehr alle Handlungen des Europäischen
Rates mit Rechtswirkung gegenüber Dritten der Kontrolle durch den EuGH
unterliegen. Auch Beschlüsse des Rates sollen künftig in der Regel mit
qualifizierter Mehrheit gefasst werden (Art. I‑23 Abs. 3).
Als
qualifizierte Mehrheit gilt eine Mehrheit von mindestens 55% der Mitglieder des
Rates, gebildet aus mindestens 15 Mitgliedern, sofern die von diesen
vertretenen Mitgliedstaaten zusammen mindestens 65% der Bevölkerung ausmachen;
für eine Sperrminorität sind mindestens vier Mitglieder erforderlich; diese
Regelung gilt für Beschlüsse des Europäischen Rates (Art. I‑25).
Der
Übergang vom Einstimmigkeitsprinzip auf das Mehrstimmigkeitsprinzip im Rat hat
insofern indirekte Auswirkungen auf die Mitwirkung des Nationalrates und des
Bundesrates an Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B‑VG,
als damit die Möglichkeit entfällt, – von diesen in einer bindenden
Stellungnahme als solche identifizierte – österreichische Interessen
gegebenenfalls auch gegen die Stimmen aller anderen Mitgliedstaaten
durchzusetzen. Ob das demokratische Prinzip dadurch überhaupt berührt ist,
erscheint zumindest fraglich; fest steht jedenfalls, dass das Primärrecht
bereits im Zeitpunkt des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union
zahlreiche Bestimmungen enthielt, wonach bindende Beschlüsse auch gegen den
Willen einzelner Mitgliedstaaten zustande kommen können. Regelungen dieser Art
müssen daher jedenfalls als vom EU-BeitrittsBVG gedeckt angesehen werden.
– Kompetenzrechtliche Neuerungen
Im
Verfassungsvertrag ist die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union
und ihren Mitgliedstaaten (vertikale Kompetenzverteilung) nach wie vor nicht in
einem eigenen Kompetenzkatalog, sondern in zahlreichen Einzelbestimmungen
geregelt; diese werden aber in eigene Kategorien eingeteilt und durch ein
System politischer und gerichtlicher Kontrolle ergänzt. Daneben werden die
Kompetenzen der Union nicht unbeträchtlich erweitert.
Entsprechend
der geltenden Rechtslage (vgl. Art. 6 EGV) wird die vertikale
Kompetenzverteilung auch nach dem Verfassungsvertrag auf den Grundsätzen der
begrenzten Einzelermächtigung (Art. I‑1), der Subsidiarität (Art. I‑11
Abs. 3) und der Verhältnismäßigkeit (Art. Art. I‑111
Abs. 4) beruhen. Darüber hinaus wird die Rechtmäßigkeit der
Kompetenzausübung jedoch auch durch spezifische prozedurale Kontrollmechanismen
abgesichert, die im Protokoll Nr. 1 über die Rechte der nationalen
Parlamente in der Union und im Protokoll Nr. 2 über die Anwendung der
Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit geregelt sind (politisches
Frühwarnsystem, Möglichkeit der Erhebung einer Nichtigkeitsklage wegen
Verstoßes eines Europäischen Gesetzgebungsaktes gegen das Subsidiaritätsprinzip
gemäß Art. III‑365). Die „Baugesetze“ der Bundesverfassung werden durch
diese Regelungen offensichtlich nicht berührt.
Zur
verfassungsrechtlichen Beurteilung der im Verfassungsvertrag vorgesehenen
Erweiterung der Unionskompetenzen siehe die Ausführungen zur Auflösung der
Säulenstruktur.
– Rechtsetzung
Der
Verfassungsvertrag sieht eine Reduzierung der Rechtsakte auf (grundsätzlich)
sechs Typen vor: Europäisches Gesetz, Europäisches Rahmengesetz, Europäische
Verordnung, Europäischer Beschluss, Empfehlung und Stellungnahme (Art. I‑33 ff).
Bei den Rechtsetzungsverfahren wird künftig zwischen ordentlichem
Gesetzgebungsverfahren (Art. I‑34 Abs. 1), besonderem
Gesetzgebungsverfahren (Art. I‑34 Abs. 2) und sonstigen
Rechtsetzungverfahren (Art. I‑35) unterschieden.
Da
die neuen Regelungen im Wesentlichen der geltenden Rechtslage entsprechen,
werden die „Baugesetze“ der Bundesverfassung durch sie nicht berührt.
– Rechtsschutz
Durch
die im Verfassungsvertrag vorgesehene Erweiterung der Rechtsschutzmöglichkeiten
werden die „Baugesetze“ der Bundesverfassung voraussetzungsgemäß nicht berührt.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Regelung des Art. I‑29
Abs. 1 UAbs. 1, wonach die Mitgliedstaaten die erforderlichen
Rechtsbehelfe schaffen (müssen), damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom
Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist.
– Austrittsklausel
Durch
die Normierung eines Austrittsrechts (Art. I‑60) werden die „Baugesetze“
der Bundesverfassung nicht berührt.
– Verfahren zur Änderung des
Verfassungsvertrages
Der
Verfassungsvertrag sieht künftig drei Novellierungsverfahren (ordentliches
Änderungsverfahren, vereinfachtes Änderungsverfahren betreffend
Beschlussfassung und Rechtsetzung, vereinfachtes Änderungsverfahren betreffend
interne Politikbereiche der Union) vor. In allen diesen Fällen bleiben die
Mitgliedstaaten jedoch „Herren der Verträge“; insbesondere im vereinfachten
Änderungsverfahren betreffend die so genannte „Passerelle“ können Beschlüsse
vom Europäischen Rat nur einstimmig gefasst werden bzw. können derartige
einstimmige Beschlüsse des Europäischen Rates betreffend die internen
Politikbereiche der Union nur mit Zustimmung der Mitgliedstaaten nach Maßgabe
ihrer verfassungsrechtlichen Vorschriften in Kraft treten.
– Grundrechtsschutz
Art. I‑9
sieht die Übernahme der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die
Schaffung einer
Rechtsgrundlage für den Beitritt der Union zur EMRK und eine ausdrückliche
Positivierung der Grundrechte als allgemeine Grundsätze des Unionsrechts vor.
Der
Anwendungsbereich der Charta ist nach wie vor unverändert auf die Organe,
Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union beschränkt, die Mitgliedstaaten
sind an sie ausschließlich bei Durchführung des Rechts der Union gebunden
(Art. II‑111 Abs. 1). Die Charta begründet weder neue Zuständigkeiten
noch neue Aufgaben für die Union (Art. II‑111 Abs. 2). Auch der
Beitritt zur EMRK darf keine Änderung der im Verfassungsvertrag festgelegten
Zuständigkeiten mit sich bringen (Art. I‑9 Abs. 2). Bei der
Anerkennung der Grundrechte als allgemeine Grundsätze des Unionsrechts handelt
es sich im Wesentlichen um eine Kodifikation der Rechtsprechung des EuGH zum
Grundrechtsschutz im Gemeinschaftsrecht. Die „Baugesetze“ der Bundesverfassung
werden durch diese Regelungen nicht berührt.
– Wirtschafts- und Währungsunion
Auch
nach dem Verfassungsvertrag bleibt die Wirtschaftspolitik Zuständigkeit der
Mitgliedstaaten, die allerdings zur Koordinierung innerhalb der Union
verpflichtet sind (Art. I‑15 Abs. 1); die Koordinierung obliegt dem
Rat. Die sonstigen Regelungen in diesem Bereich berühren die „Baugesetze“ der
Bundesverfassung nicht.
– Raum der Freiheit, der Sicherheit und
des Rechts
Zur
Auflösung der zweiten Säule siehe die Ausführungen zur Auflösung der
Säulenstruktur; die sonstigen Neuregelungen des Verfassungsvertrages auf diesem
Gebiet (Reform des Rechtsetzungsverfahrens, Weiterentwicklung der
Politikbereiche) berühren die „Baugesetze“ der Bundesverfassung nicht.
– Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik
Zur
Auflösung der dritten Säule siehe die Ausführungen zur Auflösung der
Säulenstruktur; die sonstigen Neuregelungen des Verfassungsvertrages auf diesem
Gebiet (Einführung eines Außenministers der Union, verstärkte Zusammenarbeit in
allen Bereichen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, Durchführung
militärischer und ziviler Operationen, Ständige Strukturierte Zusammenarbeit)
berühren die „Baugesetze“ der Bundesverfassung nicht.
Die
im Rahmen der engeren Zusammenarbeit im Bereich der gegenseitigen Verteidigung
bestehende Pflicht der Mitgliedstaaten, im Fall eines bewaffneten Angriffs auf
das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates „alle in ihrer Macht stehende Hilfe und
Unterstützung“ zu leisten, lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und
Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt (Art. I‑41
Abs. 7). Diese sog. „irische Klausel“ soll insb. den neutralen Staaten die
Möglichkeit geben, ihren Verpflichtungen aus der Neutralität nachzukommen.
3.5 Insgesamt
gesehen ist somit davon auszugehen, dass die im Verfassungsvertrag vorgesehenen
Änderungen des Unionsrechts die Grenze zu einer Gesamtänderung der
Bundesverfassung nicht überschreiten. In diesem Sinn haben sich auch bereits Griller (Referendum über EU-Verfassung Pflicht? Keine
zwingenden Argumente in Sicht, Die Presse vom 12. Juli 2004, 10) und –
vorbehaltlich des Art. I‑6 – Öhlinger (Referendum
über Verfassung nötig? Die Presse vom 5. Juli 2004, 20) geäußert.
Besonderer Teil
Dass Art. 1 Abs. 1 zweiter Satz des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages von Nizza, BGBl. I Nr. 120/2001, und Art. 1 Abs. 1 zweiter Satz des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union, BGBl. I Nr. 53/2003, auch auf den „verfassungsergänzenden“ Inhalt der Bestimmungen der jeweiligen Verträge Bezug nehmen, erscheint insofern verfehlt, als sich der „verfassungsergänzende“ Charakter staatsvertraglicher Bestimmungen ausschließlich aus der entsprechenden Bezeichnung ergibt (grundlegend Ringhofer, Genehmigungsbedürftige, insbesondere „verfassungsergänzende“ Staatsverträge, FS Floretta [1983], 79 [106]). Von einer solchen Bezeichnung der Bestimmungen des Vertrages über eine Verfassung für Europa soll jedoch aus den im Allgemeinen Teil dargelegten Gründen gerade abgesehen werden.
Im Übrigen entspricht die Formulierung der Bestimmungen des vorgeschlagenen Bundesverfassungsgesetzes jener der Bestimmungen der genannten Bundesverfassungsgesetze (vgl. RV 565 d. B. XXI. GP und RV 110 d. B. XXII. GP).