Stenographisches Protokoll
15.
Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XXII. Gesetzgebungsperiode
Donnerstag, 8. Mai 2003
Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier
15. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XXII. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 8. Mai 2003
Dauer der Sitzung
Donnerstag, 8. Mai 2003: 9.02 – 20.12 Uhr
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Tagesordnung
1. Punkt: Erste Lesung der Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2003 samt Anlagen
2. Punkt: Erste Lesung der Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2004 samt Anlagen
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Inhalt
Personalien
Verhinderungen ................................................................................................. 6
Ordnungsruf .................................................................................................... 27
Geschäftsbehandlung
Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 42/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ...................................................................................... 21
Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 89
Redner:
Mag. Johann Maier ................................................................................... 89
Bundesministerin Maria Rauch-Kallat ....................................................... 91
Günter Kößl .............................................................................................. 92
Rudolf Parnigoni ...................................................................................... 93
Mag. Eduard
Mainoni ............................................................................... 94
Mag. Terezija Stoisits ............................................................................... 95
Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung ........................................................................................... 22
Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer im Zusammenhang mit den Ausführungen des Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch ................................................................. 48
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Verlangen des Abgeordneten Herbert Scheibner auf Erteilung eines Ordnungsrufes 49
Unterbrechung der Sitzung ............................................................................. 62
Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Josef Cap betreffend Anwesenheit des Bundesministers für Finanzen ...................................................................................................................... 83
Antrag des Abgeordneten Dieter Brosz im Sinne des § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Anwesenheit des Bundesministers für Finanzen – Ablehnung ........................................... 87, 87
Verlangen gemäß § 66 Abs. 3 der Geschäftsordnung, bei der Abstimmung über den Antrag auf Anwesenheit des Bundesministers für Finanzen die Zahl der „für“ und „gegen“ Stimmenden bekannt zu geben 87
Aktuelle
Stunde (4.)
Thema: „Gesundheitsreform statt
Krankensteuer – Nein zur Erhöhung von Selbstbehalten“
Redner:
Dr. Kurt Grünewald ..................................................................................... 6
Bundesministerin Maria Rauch-Kallat ......................................................... 8
Dr. Erwin Rasinger .................................................................................... 11
Manfred Lackner ...................................................................................... 12
Barbara Rosenkranz ................................................................................. 13
Karl Öllinger ............................................................................................. 14
Barbara Riener .......................................................................................... 15
Doris Bures ............................................................................................... 16
Elmar Lichtenegger .................................................................................. 17
Theresia Haidlmayr ................................................................................... 18
Ausschüsse
Zuweisungen .......................................................................................... 20, 163
Verhandlungen
Gemeinsame Beratung über
1. Punkt: Erste Lesung der Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2003 samt Anlagen (60 d. B.) ........................................................................................... 22
2. Punkt: Erste Lesung der Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2004 samt Anlagen (61 d. B.) ........................................................................................... 22
Redner:
Mag. Wilhelm Molterer ............................................................................. 22
Dr. Alfred Gusenbauer .............................................................................. 27
Josef Bucher ............................................................................................. 31
Dr. Alexander Van der Bellen .................................................................... 35
Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..................................................... 40
Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................... 43
Friedrich Verzetnitsch ............................................................................... 46
Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................. 49
Mag. Werner Kogler ................................................................................. 52
Vizekanzler Mag. Herbert Haupt ............................................................... 55
Dr. Reinhold
Lopatka ................................................................................ 56
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Dr. Josef Cap ............................................................................................ 58
Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................. 59
Dr. Eva Glawischnig ................................................................................. 61
Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser .................................................. 62
Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ........................................................... ..... 64
Mag. Barbara Prammer ............................................................................. 65
Sigisbert Dolinschek ................................................................................. 66
Michaela Sburny ...................................................................................... 68
Bundesminister Hubert Gorbach ............................................................... 69
Dr. Michael Spindelegger ......................................................................... 71
Dr. Christoph Matznetter ........................................................................... 72
Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................. 73
Karl Öllinger ............................................................................................. 74
Staatssekretär
Dr. Alfred Finz ................................................................... 75
Fritz Grillitsch ........................................................................................... 76
Rudolf Nürnberger .................................................................................... 78
Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (tatsächliche Berichtigung) ......................... 80
Dr. Reinhard Eugen Bösch ........................................................................ 80
Dr. Gabriela Moser .................................................................................... 81
Jakob Auer ............................................................................................... 83
Heidrun Silhavy ........................................................................................ 85
Mares Rossmann ...................................................................................... 86
Dr. Evelin Lichtenberger ........................................................................... 88
Mag. Walter Tancsits ................................................................................ 97
Manfred Lackner ...................................................................................... 98
Dipl.-Ing. Elke Achleitner .......................................................................... 99
Mag. Terezija
Stoisits .............................................................................. 100
Dr. Gertrude Brinek ................................................................................. 103
Anton Gaál ............................................................................................. 104
Mag. Eduard Mainoni ............................................................................. 105
Dr. Kurt Grünewald ................................................................................. 106
Dr. Reinhold Mitterlehner ........................................................................ 108
Kurt Eder ................................................................................................ 109
Maximilian Walch ................................................................................... 111
Mag. Brigid Weinzinger .......................................................................... 112
Fritz Neugebauer .................................................................................... 114
Doris Bures ............................................................................................. 115
Detlev Neudeck ....................................................................................... 116
Dieter Brosz ............................................................................................ 118
Silvia Fuhrmann ..................................................................................... 119
Rudolf Parnigoni ..................................................................................... 121
Silvia Fuhrmann (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 122
Klaus Wittauer ........................................................................................ 123
Sabine Mandak ....................................................................................... 124
Karl Freund ............................................................................................. 125
Ing. Kurt Gartlehner ................................................................................ 126
Elmar Lichtenegger ................................................................................ 127
Mag. Ulrike Lunacek ............................................................................... 129
Ridi Steibl ............................................................................................... 131
Dr. Günther Kräuter ................................................................................. 132
Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber ................................................................ 133
Mag. Karin Hakl ...................................................................................... 135
Mag. Melitta Trunk ................................................................................. 136
Heidemarie Rest-Hinterseer ..................................................................... 138
Nikolaus Prinz ........................................................................................ 139
Mag. Hans Moser .................................................................................... 140
Mag. Dr. Josef Trinkl .............................................................................. 141
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Mag. Dietmar Hoscher ............................................................................. 143
Wolfgang Großruck ................................................................................ 144
Kai Jan Krainer ....................................................................................... 145
Dr. Andrea
Wolfmayr .............................................................................. 147
Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................ 148
Walter Murauer ....................................................................................... 149
Franz Riepl ............................................................................................. 150
Astrid Stadler .......................................................................................... 151
Dipl.-Ing. Werner Kummerer ................................................................... 152
Alfred Schöls .......................................................................................... 153
Dr. Caspar Einem (tatsächliche Berichtigung) ............................................ 155
Ulrike Königsberger-Ludwig ................................................................... 155
Werner Amon, MBA ............................................................................... 156
Dietmar Keck .......................................................................................... 157
Mag. Kurt Gaßner ................................................................................... 158
Peter Marizzi ........................................................................................... 160
Karl Dobnigg .......................................................................................... 161
Heinz Gradwohl ...................................................................................... 162
Zuweisung der Regierungsvorlagen 60 und 61 d. B. an den Budgetausschuss ..... 163
Eingebracht wurden
Regierungsvorlage ....................................................................................... 20
76: Bundesgesetz, mit dem das Gefahrgutbeförderungsgesetz geändert wird (GGBG-Novelle 2003)
Bericht .......................................................................................................... 21
III-26: Bericht gemäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Umweltverträglichkeitsprüfung; BM f. Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
Anträge
der Abgeordneten
Mag. Ulrike Sima, Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasche Vorlage eines Bundestierschutzgesetzes im Sinne des Volksbegehrens für ein Bundestierschutzgesetz (127/A) (E)
Mag. Johann
Maier,
Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Novelle zum Datenschutzgesetz
(Gewährleistung eines Personalstandes für den Datenschutzrat und die Datenschutzkommission,
der dem europäischen Standard entspricht) (128/A)
Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend
eine Novelle zum Bildungsdokumentationsgesetz (129/A)
Mag. Terezija
Stoisits,
Kolleginnen und Kollegen betreffend Ratifikation des Zusatzprotokolls zur
Antifolterkonvention (Übereinkommen gegen Folter und andere grausame,
unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe) (130/A) (E)
Sigisbert Dolinschek,
Mag. Walter Tancsits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das
Arbeiterkammergesetz geändert wird (131/A)
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Mag. Wilhelm
Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das
Bezügegesetz, BGBl. Nr. 273/1972, und das Bundesbezügegesetz, BGBl. I
Nr. 64/1997, geändert werden (132/A)
Anfragen
der Abgeordneten
Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Lärmschutzmaßnahmen an der Westbahn im Bereich der Gemeinde Prinzersdorf (386/J)
Mag. Dietmar Hoscher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verkauf von Bundeswohnungen (387/J)
Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an die
Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend
Bildungsdokumentationsgesetz
(388/J)
Dr. Peter
Wittmann,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die „Sportmilliarde“ (389/J)
Dr. Ferdinand
Maier,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und
Technologie betreffend eine Machbarkeitsstudie für die Überbauung der Wiener
Südost-Tangente (A 23) vom Bereich Kaisermühlen bis zum Bereich Inzersdorf (390/J)
Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Engagement der Österreichischen Bundesforste in Osteuropa (391/J)
Anfragebeantwortungen
des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (194/AB zu 165/J)
des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (195/AB zu 204/J)
des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (196/AB zu 267/J)
des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen (197/AB zu 223/J)
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Beginn der
Sitzung: 9.02 Uhr
Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol,
Zweiter Präsident Dr. Heinz Fischer, Dritter Präsident Dipl.-Ing.Thomas Prinzhorn.
*****
Präsident
Dr. Andreas Khol: Meine
Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße Sie alle
sehr herzlich und bitte Sie, die Plätze einzunehmen.
Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten
Dr. Peter Pilz, Helga Machne und Gerhard Steier.
Aktuelle Stunde
Präsident
Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zur Aktuellen
Stunde mit dem Thema:
„Gesundheitsreform
statt Krankensteuer – Nein zur Erhöhung von Selbstbehalten“
Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dozent Dr. Grünewald.
Sie haben eine Redezeit von 10 Minuten. – Bitte.
9.03
Abgeordneter
Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr
Universitätsdozent, Erster Präsident des Nationalrates Dr. Khol! Ich habe
mich erkundigt: Sie sind genauso Professor wie ich, daher: Sagen Sie in Zukunft
lieber „Herr Doktor“ zu mir. (Heiterkeit bei den Grünen.)
Ich glaube, wir
können uns hier darauf einigen, dass Gesundheitspolitik sicherlich zu den sensibelsten
Politikfeldern gehört, und zwar aus folgenden Gründen: einerseits auf Grund der
steigenden Kosten – das macht viele zu Recht nervös –, andererseits
aber auch auf Grund einer besonderen Betroffenheit der Bevölkerung, was
Gesundheit angeht. Diese Betroffenheit zeichnet sich dadurch aus – und
das sollten wir alle verstehen –, dass Krankheit und Leid nicht nur
monetär, das heißt nicht nur in Geldwerten zu bemessen sind, sondern das wirkt
sich doch aus auf ganz konkrete Personen, auf ihre Partnerschaften, auf die
Familie, auf ihr Umfeld, auf die Gesellschaft – und natürlich auch auf
Österreichs Wirtschaft; wenn man das gerne hört, kann man das auch
selbstverständlich hören.
Nun: Wie geht man
mit diesen sensiblen Politikfeldern um? – Alle haben gewusst – auch
Kollege Rasinger, auch Bundeskanzler Schüssel –, dass die Gesundheitskosten,
und zwar aus verschiedenen Gründen, ansteigen. Alle, die Augen, Ohren und
Gehirn haben, wussten das. Und so frage ich mich – selbstverständlich gehe
ich von der Annahme aus, dass auch die Vertreter der Regierungsparteien über
diese drei Organe verfügen –: Warum konnte man das so lange leugnen,
verdrängen und behaupten, es werde keine Beitragserhöhungen geben, diese kämen
nicht in Betracht, weil man die Belastungen nicht weiter ausdehnen möchte?
Man wurde doch
beschimpft, wenn man so etwas verlangte beziehungsweise das als notwendig
bezeichnete. Und nun – nicht erst seit den Koalitionsgesprächen mit der
ÖVP – hört man, dass es da ein Umdenken gibt. Aber wie denkt man um?
Dieser Sache würde ich ganz gern auf die Spur kommen.
Dass die
Fortschritte der Medizin die Dinge verteuern, ist klar, weil diese eben
Möglichkeiten eröffnen, die vor kurzem unvorstellbar waren beziehungsweise
nicht einmal angedacht werden konnten. Dass die zunehmende Alterung der
Bevölkerung, die steigende Lebenserwartung mehr chronisch Kranke bedingt, die
natürlich auch Betreuung, Diagnosen und Therapien brauchen, war immer klar.
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Kollege Rasinger
von der ÖVP hat in diesem Zusammenhang aber davon gesprochen, dass mit den
Selbstbehalten und mit den Belastungen der Patientinnen und Patienten bereits
der „Plafond erreicht“ sei. – Nun aber stehen wir in einem „Haus“ eines
Regierungsprogramms, in dem ich keinen Plafond mehr sehe. Ich will nicht sagen,
dass der Blick auf den Himmel freigegeben wurde, das wäre zu schön, aber
jedenfalls hat dieses „Haus“ keinen Plafond mehr.
Die Bevölkerung
hat – und das ist auch für die Besucher auf der Galerie wichtig, zu
wissen – einen gesetzlich verbrieften Anspruch auf Chancengleichheit in
Diagnose und Therapie von Krankheiten, und sie hat diese Chancengleichheit
auch im Zusammenhang mit allen Fortschritten der Medizin, das heißt, einer
Medizin auf dem Stand der heutigen Wissenschaft.
Das ist eine
zweifellos sehr hoch gelegte Latte. Nun verfügen wir zwar im Parlament über
einen Hürdenläufer, aber Stabhochspringer sind in der Bundesregierung
selten – und diese Latte beginnt daher zu wackeln. (Beifall bei den
Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Pausenlos wird von
der Regierung die „Unfinanzierbarkeit des Gesundheitssystems“ propagiert, und
das wird verknüpft mit dem Damoklesschwert „Leistungseinschränkungen“. –
Dass das Leute beunruhigt, verängstigt, verunsichert, ist klar, aber: Die
Antworten fehlen uns noch!
Mir scheint, man
ist sehr geneigt, etwas sehr schnell zum Dogma zu erheben, und ich erachte den
Gedanken: „Wer krank ist, ist selber schuld!“ schon als etwas wie ein Dogma,
das sich die Regierung so lange – perseverierend eben – vorsagt, bis
auch jene daran glauben, die vorher Dogmen gegenüber noch sehr kritisch waren.
Dogmen können
Wissen nicht ersetzen, auch nicht den Glauben. Sie sind lediglich
verführerisch, sind bequem, weil so Verantwortung delegiert wird – und
solche Dogmen ersparen sozusagen auch eine Auseinandersetzung.
Bei diesem
Gedanken an Selbstbehalte – dieses Gefühl habe ich zumindest –
beginnt sofort die Assoziation damit, dass das „wunderbare“ Steuerungs- und
Lenkungsinstrumente sind, aber auch „wunderbare“ Finanzierungsinstrumente, und
da galoppieren Ihre Gedanken offensichtlich nur mehr in eine Richtung. Meinen
Informationen nach war diese Erfindung von Selbstbehalten eine der
Privatoffenbarungen, die Schüssel überfallen hat, und da habe ich schon den Eindruck –
jetzt bitte nicht böse zu sein! –, dass bei ihm dann alles in eine
Richtung galoppiert ist, bevor er zu denken angefangen, bevor er zu
reflektieren begonnen hat, welche Folgen und Auswirkungen das hat. – Das
kann es aber meiner Überzeugung nach nicht sein! (Beifall bei
den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Was in einem
solchen Fall nämlich zurückbleibt, sind die Kranken, Patientinnen und
Patienten, die solchen Dogmen relativ hilflos gegenüberstehen. Und: Allein das
Wort „Selbstbehalt“ ist ja schon etwas Infames an sich. Wer behält
sich etwas selbst? – Die Kranken behalten sich nichts
selbst, sondern sie zahlen etwas!
Zu glauben, dass
so Steuerungswirkungen entstehen, dagegen spricht eine Studie, die das Staatssekretariat
Waneck kürzlich in Auftrag gegeben hat. Darin heißt es, dass nur übermäßig
hohe, sozial kaum verträgliche Selbstbehalte PatientInnen wirklich davon
abhalten könnten, Leistungen zu beanspruchen, die sie aber – das sage
jetzt ich – wohl zu einem hohen Prozentsatz tatsächlich brauchen. Da frage ich mich
schon, wie gesundheitspolitisch wertvoll ist es, wenn man Leute davon
abzuhalten versucht, sich in Behandlung zu begeben, wenn sie sich krank
fühlen. – Ich finde das jedenfalls nicht
gut!
Kranke, an deren
Autonomie, also an deren Selbständigkeit und freien Willen sowie an deren Kostenbewusstsein
man immer stärker glauben will, sind keine „normalen Konsumenten“. Deren
Verhalten ist nicht nur nach den Regeln des Marktes zu bewerten, sondern sie
müssen sich überlegen – und das ist doch ein Unterschied! –, ob sie
zum Arzt/zur Ärztin gehen, sich operieren oder einen Zahn ziehen lassen. Wer
macht denn das bitte freiwillig?!
Das ist doch etwas anderes, als sich einen CD-Player oder eine Kinokarte zu
kaufen! Das heißt: Derartiges Marktverhalten ist in diesen Bereich nicht zu übertragen. Die Kranken
können nicht wählen.
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Zu all dem kommt
noch – das muss man auch einmal sagen, und Frau Bundesministerin
Rauch-Kallat wird das sicherlich verstehen, aber sie ist natürlich nur ein
Mitglied dieser Bundesregierung –, dass Patienten nur über eines
entscheiden können, nämlich zum Arzt zu gehen oder nicht. Danach aber
entscheidet der Arzt/die Ärztin beziehungsweise das System der Gesundheitsberufe,
was mit diesem Patienten/dieser Patientin geschieht. Kranke haben überhaupt
keinen Einfluss darauf, welche Kosten sie verursachen, denn sie sind auf Treu
und Glauben auf die Tipps und Anweisungen der Kolleginnen und Kollegen aus den
Gesundheitsberufen angewiesen.
Also: Welche
Gefahren bestehen in den Selbstbehalten? – Diese sind vielfältiger Natur.
Dass Diagnosen verschleppt werden, macht das System sicherlich noch teurer,
weil sich eben Erkrankungen chronifizieren, festfressen können und noch
schwerer behandelbar sind. Weiters: Die Gefahr der Selbstmedikation steigt.
PatientInnen werden versuchen, sich irgendetwas aus der Apotheke zu besorgen,
von dem sie meinen, es könnte ihnen helfen – und das, ohne die Diagnose
zu kennen. Es entstehen soziale Härten und ein ungeheuer großes bürokratisches
Chaos, wenn man diese sozialen Härten genügend abfedern will, also so ähnlich
wie bei den Ambulanzgebühren.
Dass die
Gesundheitskosten damit sinken, ist nicht nur eine Platitude, sondern schlicht
und einfach falsch! Die
Gesundheitskosten werden nur verschoben; sie werden nicht sinken, sondern
werden vom öffentlichen Sektor in den privaten, das heißt auf die Kranken
übergewälzt. Das darf nicht sein!
Sie, meine Damen
und Herren von den Koalitionsparteien, sollten auch zur Kenntnis nehmen, dass
Österreich bereits an dritter Stelle der Welt liegt – nach den USA und
den Niederlanden –, was die Gesundheitskosten betrifft, die Private
anteilig an den Gesamtkosten ausgeben müssen.
Ich komme noch
kurz auf unsere Koalitionsgespräche mit der ÖVP zurück. (Abg. Scheibner: Das ist interessant!) Da
haben wir von Harmonisierung der Selbstbehalte auf einem einheitlichen Niveau
gesprochen, haben uns allerdings dagegen ausgesprochen, Selbstbehalte als zusätzliche Einnahmequelle zu
deklarieren. Bartenstein hat sogar zugegeben, er fürchte dasselbe wie bei den
Ambulanzgebühren; man sollte eine Pilot-Studie in einem Bundesland machen. –
Nichts von dem ist geschehen! Nichts davon ist geblieben!
Die neuen Belastungen der Bundesregierung betreffen, wenn man das
subsumiert, zu 88 Prozent die Versicherten – und nur zu
12 Prozent die Dienstgeber. Das heißt, die Balance, die Parität zwischen
Dienstnehmern und Dienstgebern wird empfindlich und immer weiter gestört.
Dass man das jetzt noch an den Hauptverband, den Sie ja immer für
unfähig halten, und an die Kassen delegieren will, dass sie entscheiden, wie
hoch die Selbstbehalte sein sollen, ist insofern fatal, als wir doch eine
bundesweite Regelung wollen. Die Gefahr von neun Bundesländer-Regelungen und
einer vermehrten Ungleichheit steigt somit.
Zum Schluss: Arme Kassen werden gezwungen sein, mehr einzufordern. Aber
warum sind diese Kassen arm? – Weil ihre Versicherten arm sind:
Arbeitslose, Mutterschutz et cetera. Das heißt, die Katze beißt sich doch da in
den Schwanz. Die Gesundheit kommt nicht vorwärts! (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)
Ich würde einen Dialog empfehlen. Der Herr Bundeskanzler hat ja von
beiden Händen gesprochen, die ausgestreckt wären. – Mein Appell: Reichen
wir uns diese zum Dialog, solange wir sie noch haben! (Beifall
bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
9.14
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu einer
einleitenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin
Rauch-Kallat. – Bitte, Frau Bundesministerin.
9.14
Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Dr. Grünberger! (Rufe bei den Grünen: Grüne-
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wald!)
Grünewald, Entschuldigung! – Herr Abgeordneter Dr. Grünewald, der
Titel der Aktuellen Stunde, deren Thema heute von den Grünen vorgegeben wurde,
lautet: „Gesundheitsreform statt Krankensteuer – Nein zur Erhöhung von
Selbstbehalten.“
Gesundheitsreform statt Krankensteuer – da bin ich ganz bei Ihnen, Herr Dr. Grünewald. Uns geht es darum, in Österreich ein qualitativ hochwertiges Gesundheitssystem mit einem niederschwelligen sozialen Zugang sicherzustellen. Das heißt, jeder, der in Österreich krank ist und Hilfe braucht, bekommt diese, und zwar unabhängig von Alter, Einkommen oder Wohnort. Und dieses System, das gut ist, wollen wir auch in Zukunft erhalten. Daran ist nicht zu rütteln! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wir wissen aber,
dass dieses System zwei ganz große Herausforderungen zu bewältigen hat:
einerseits den medizinischen Fortschritt – Gott sei Dank! –, der
vieles möglich macht, was noch vor zehn oder 15 Jahren undenkbar war. So
zum Beispiel können Hochbetagte, über 80-Jährige nach einem Schenkelhalsbruch,
der vor zehn oder 15 Jahren oftmals noch einem Todesurteil gleichkam,
heute Gott sei Dank nach einer Operation, oft schon nach wenigen Tagen, wieder
nach Hause gehen.
Der medizinische
Fortschritt kostet aber sehr viel Geld, und daher ist das auch zu finanzieren.
Weiters, meine
Damen und Herren, sind wir mit einer demographischen Entwicklung konfrontiert,
die es Gott sei Dank vielen Österreicherinnen und Österreichern ermöglicht,
aktiv bis ins hohe Alter zu sein, aber natürlich gab und gibt es auch einen
sehr hohen Pflegebedarf. Wir möchten, dass auch in Zukunft in Österreich keine
englischen Verhältnisse eintreten, dass womöglich ein 70-Jähriger keine
Hüftoperation mehr bekommt, wie das eben in England der Fall ist.
Wir möchten, dass jeder Patient/jede Patientin in Österreich auch in Hinkunft all das bekommt, was er/sie für seine/ihre Gesundheit braucht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Um diese
Herausforderung im Zusammenhang mit steigenden Kosten zu bewältigen, gibt es
verschiedene Möglichkeiten: Man könnte – beispielsweise – immer
wieder die Krankenversicherungsbeiträge erhöhen. Das würde aber dazu
führen, dass der Verwaltungsaufwand wahrscheinlich nicht wirklich geringer
wird. Das lehnen wir daher ab! Wir haben jetzt eine Angleichung durchgeführt.
Ich danke auch sehr dafür, dass diese akzeptiert wurde. Ich danke vor allem den
Pensionistinnen und Pensionisten, dass sie mit einer Beitragserhöhung von
0,5 Prozent im Jahre 2004 und einer von 0,5 Prozent im
Jahre 2005 dazu beitragen, dass das System gesichert werden kann.
In unserem
Krankenversicherungssystem gibt es jetzt schon eine Fülle von Selbstbehalten,
die in den letzten 30 Jahren von sozialdemokratischen Gesundheitsministern
eingeführt wurden. Bis 1999 gab es immer nur sozialdemokratische
Gesundheitsminister. Nur die Ambulanzgebühr wurde von Herbert Haupt, einem
freiheitlichen Gesundheitsminister, eingeführt.
Wir haben
allerdings auch die unterschiedlichsten Beiträge, die unterschiedlichsten
Formen von prozentuellen, pauschalierten Beiträgen für den Arztbesuch, für die
Rezeptgebühr, für Heilbehelfe, für Hilfsmittel. Ein Wildwuchs an Beiträgen
sozusagen, der schwer durchschaubar ist und wo daher von dieser
Bundesregierung, auch in der Regierungserklärung, festgehalten wurde, dass das
in dieser Legislaturperiode möglichst vereinheitlicht und überschaubar gemacht
werden soll.
Dann gab es auch
die Idee, einen Selbstbehalt für den Arztbesuch ASVG-Versicherter einzuführen,
der insbesondere sozial gestaltet und für chronisch Kranke oder kinderreiche
Familien gedeckelt sein soll – alle anderen Krankenversicherungen haben
bereits diesen Selbstbehalt beim Arztbesuch –, damit die
Krankenscheingebühr, die ja als Übergangslösung gedacht ist, durch ein derart
vereinheitlichtes System abgelöst werden kann.
Und genau das, was Sie, Herr Dr. Grünewald, am Schluss Ihrer Rede gefordert haben, haben wir mit dieser Regelung auch vorgesehen, dass nämlich der Hauptverband gemeinsam mit den
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Sozialversicherungsträgern ein Modell erarbeiten soll, das sozial
gestaltet ist, das gedeckelt ist, auch keine Überbelastung von chronisch
Kranken und kinderreichen Familien bringt und gemeinsam mit der
Selbstverwaltung der Sozialgemeinschaft in den Sozialversicherungsträgern gestaltet
werden soll. Die beiden ausgestreckten Hände, die Sie verlangt haben, sind
genau dieses Modell, und niemand versucht, irgendjemandem etwas überzustülpen.
(Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Ihre Kritik daran,
dass das der Hauptverband tun soll, Herr Dr. Grünewald, ist völlig unberechtigt,
denn nur dieser kann garantieren, dass nicht in jedem einzelnen Bundesland eine
andere Regelung geschaffen wird, sondern, dass wir zu einer gemeinsamen,
überschaubaren Regelung kommen. Genau das besagt dieser Satz!
Meine Damen und
Herren! Ich würde daher sehr, sehr herzlich bitten, dass Sie nicht versuchen,
wie das manche in Salzburg tun, im Zusammenhang mit dieser Regelung jetzt schon
Patientinnen und Patienten zu verunsichern, jetzt schon Angstmacherei zu
betreiben, zu versuchen, vor allem älteren Menschen, die ja leichter zu
verunsichern sind, Angst zu machen.
Wir werden
sicherstellen – und das ist unser Ziel bei der Gesundheitsreform –,
dass auch in Zukunft die Österreicherinnen und Österreicher einen fairen
Zugang zu den medizinischen Leistungen haben.
Lassen Sie mich
aber diese Aktuelle Stunde auch dazu nutzen, ganz kurz einiges zu den Zielen,
die wir in der Gesundheitsreform haben, zu sagen.
Wir haben uns
vorgenommen, aus der Krankenversicherung Gesundheitsservicezentren
zu machen, damit Österreicherinnen und Österreicher in Hinkunft möglichst gar
nicht erst krank werden. (Beifall bei der ÖVP und bei
Abgeordneten der Freiheitlichen.) Wir werden daher einen Schwerpunkt
unserer Arbeit neben der Pflichtübung, nämlich der Sanierung und Finanzierung
des Krankenversicherungssystems, vor allem auch in der Gesundheitsvorsorge
setzen. Wir möchten Gesundheitspolitik neu denken. Wir möchten, dass einfach
jedem Österreicher und jeder Österreicherin bewusst wird, dass Krankheit nicht
nur das höchste Gut ist, sondern dass sie auch nicht selbstverständlich ist. (Abg.
Mag. Posch: Krankheit ist das „höchste Gut“?) – Bitte um
Entschuldigung! Ich wollte natürlich sagen, dass Gesundheit das
höchste Gut ist, dass sie aber nicht selbstverständlich ist, sondern dass wir
auch etwas dazu tun müssen. (Abg. Parnigoni: Für die Ärzte ist
Krankheit das höchste Gut!) Es ist mir daher ganz besonders wichtig, das Gesundheitsbewusstsein
der Österreicherinnen und Österreicher zu heben und sicherzustellen, dass sie
auch um ihre Gesundheitsvorsorge wissen.
Ich denke, dass
die Gesundheitsvorsorge fünf wichtige Säulen hat, und basierend auf diesen fünf
wichtigen Säulen wird sich unsere aktive Informationsarbeit auch bewegen. Es
geht dabei um gesünder leben, es geht um mehr Bewegung,
es geht um Entspannung und bessere Stressbewältigung –
das gilt insbesondere am Arbeitsplatz, aber zunehmend auch in der Freizeit –,
es geht darum, Unfallverhütung im Freizeit- und im
Haushaltsbereich besser zu verankern – im Betriebsbereich ist uns das
gelungen –, und es geht darum, auch medizinische Vorsorgeuntersuchungen
so zu implementieren, dass möglichst wenige Menschen an Volkskrankheiten wie
Bluthochdruck, Diabetes oder Krebs sterben müssen.
Ich bitte Sie,
diese nationale Bewegung, die wir in den nächsten drei Jahren in allen Altersgruppen
erreichen wollen – angefangen von den Schülern, über die Berufstätigen,
bis hin zu den Pensionisten –, zu unterstützen und gemeinsam etwas zu tun,
dass die Österreicherinnen und Österreicher gesund bleiben. (Beifall bei der
ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 11 |
9.25
Präsident Dr. Andreas Khol: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.
Wir gehen jetzt in
die Debatte ein. Alle Redner haben jetzt eine Redezeit von 5 Minuten.
Zu Wort gemeldet
hat sich Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte.
9.25
Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Herr
Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Grünewald, Sie haben heute von
diesem Rednerpult aus einen Vorwurf erhoben, den ich als Arzt nicht so stehen
lassen möchte. Sie haben da so „locker vom Hocker“ gesagt, die ÖVP oder die
Regierung würde die österreichischen Kranken nach dem Motto behandeln: Wer
krank ist, ist selber schuld! – Ich glaube, als Arzt sollten Sie mit
solchen Vorwürfen vorsichtiger umgehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten
der Freiheitlichen.) Es ist dies nämlich eine Unterstellung, die durch nichts,
durch gar nichts untermauert
ist.
Sie haben an
Verhandlungen teilgenommen, und Sie wissen genau – ich kann Ihnen die entsprechende
Passage der Regierungserklärung vorlesen –, Bundeskanzler Schüssel hat
sich ausdrücklich zum
Weltklasse-System bekannt und zu einem Zugang zur medizinischen Versorgung
unabhängig vom Einkommen, unabhängig von der Region und unabhängig von der Art
der Erkrankung. (Abg. Parnigoni:
... Sonderklasse!)
Das ist ein
wesentlicher Punkt, das ist österreichische Tradition. Wenn wir in Österreich
aber Weltklasse wollen – und das bescheinigt uns die WHO: Platz 9,
EU-Zufriedenheit: Platz 1 –, dann müssen wir die Dinge beim Namen
nennen. Dann müssen wir schauen, wo Bedarf gegeben ist. Die Frau Ministerin
hat schon gesagt: Der medizinische Fortschritt und die höhere Lebenserwartung
der Bevölkerung sind begrüßenswert, kosten aber.
Sie als Arzt
wissen ganz genau, dass jährlich 20 000 Menschen einen Schlaganfall
erleiden. Das würde in zwei Jahren der Bevölkerung einer Stadt in der Größe von
St. Pölten entsprechen. Die Betreuung der Patienten kostet Geld, und wir
bekennen uns dazu. (Rufe bei den Grünen: Selber zahlen!)
Zweitens: Wenn Sie
14 000 ÖsterreicherInnen jährlich eine künstliche Hüfte einsetzen, dann
heißt das Lebensqualität, aber nicht Lebensverlängerung für diese Patienten,
heißt das: keine Schmerzen, nicht mehr in der Nacht aufwachen. Aber das kostet
Geld!
Und wenn in
Österreich 15 000 Herzeingriffe durchgeführt werden, bei denen Gefäße
aufgedehnt werden, heißt das für die betroffenen Patienten Lebensqualität,
heißt das Überleben. Das ist nicht selbstverständlich, Herr Abgeordneter
Grünewald, wie Sie offenbar glauben. Schauen Sie einmal nach Amerika!
40 Millionen Menschen sind dort nicht versichert, und wenn jemand dort
nicht bezahlen kann, kann er noch vor dem Spital umdrehen und heimgehen, denn
dann wird die Behandlung abgebrochen.
Schauen Sie nach
Deutschland! (Abg. Dr. Grünewald:
Wir sind in Österreich!) In Deutschland wurde durch bürokratische
Maßnahmen von Rot-Grün – bitte: Rot-Grün! – den Patienten eine ganze
Reihe von Medikamenten verweigert. Und Sie wissen auch ganz genau, dass in
Deutschland nur jeder zehnte Alzheimer-Patient sein Medikament bekommt, weil
das von der Bürokratie her den Ärzten „abgedreht“ wurde. Also tun Sie nicht
so, als ob wir auf der Insel der Seligen wären und Sie die Solidarität erfunden hätten! (Beifall bei der
ÖVP.)
Selbstbehalte sind
notwendig, Selbstbehalte sollen aber Patienten nicht abhalten von Leistungen,
und der Auftrag der Regierung an die Sozialversicherung ist sehr klar, sehr
simpel: Selbstbehalte müssen sozial verträglich sein! Die Größenordnung, über
die wir reden, ist in etwa ein
Prozent der Kasseneinnahmen. (Abg. Öllinger: Das stimmt ja nicht!) Da können Sie wirklich nicht
sagen, dass das eine Überbelastung ist, noch dazu, da noch keiner weiß, wie das
Modell ausschaut, wie hoch dieser Betrag tatsächlich sein wird. Sie aber sind
offensichtlich erleuchtet!
Ich bin so wie Sie
Arzt und lasse diesen Vorwurf: Wer krank ist, ist selber schuld!, nicht so stehen.
Ich finde diesen Vorwurf eigentlich skandalös! (Beifall bei der ÖVP. –
Abg. Dr. Grünewald: Weil nur
die Kranken zahlen!)
Sie betreiben meiner Meinung nach Realitätsverweigerung. Wenn man dem Gesundheitswesen kein Geld zuführt, was passiert denn dann? – Dann müssen Sie verdeckt rationieren! (Abg. Dr. Grünewald: Herr Rasinger, Sie reden immer von etwas anderem!) Dann müssen Sie
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verdeckt rationieren! Und keine Leistung – wissen
Sie, was das heißt? – Das heißt 100-prozentiger
Selbstbehalt!
Wir brauchen Geld,
damit wir die Vorsorge verbessern. Es wäre ein schönes Ziel, wenn Sie mit uns
mitgehen und sagen würden: Wir reduzieren die Sterblichkeitsrate bei Frauen mit
Brustkrebs um 50 Prozent! (Abg. Dr. Grünewald: Das ist Utopie!),
wenn Sie sagen würden: Füllen wir die weißen Flecken!, wenn Sie sagen würden:
Machen wir etwas bei der Kinderkrebsrehabilitation, machen wir etwas bei der
Krebsrehabilitation, bauen wir die Hospize aus! (Abg. Dr. Grünewald: Das machen Sie ja nicht!)
Wir von der ÖVP,
wir von der Regierung wollen gleichen Zugang – unabhängig vom Einkommen! Das ist unser
Credo! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
9.30
Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr
Abgeordneter Lackner. – Bitte.
9.30
Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Herr Präsident! Frau
Bundesminister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Hohen
Hauses! Ich will keine Zwei-Klassen-Medizin, ich will keine Beitragserhöhungen
und ich will keine neuen Selbstbehalte. (Abg. Mag. Molterer: Was
wollen Sie dann?) – So weit eines der weiteren oder der vielen
vordergründigen Versprechen des Herrn Bundeskanzlers vom 9. Juli 2002.
Die Fakten, meine
Damen und Herren von den Regierungsparteien, sprechen jedoch eine andere
Sprache. „Wir“ – so der Herr Bundesfinanzminister gestern in seiner
Budgetrede – „haben daher die Sozialversicherungsträger ermächtigt, von
allen Versicherten einen sozial gestalteten Selbstbehalt einzuheben“.
Prüfen wir nunmehr
diese neoliberale Ansage auf ihre Plausibilität!
Es ist
nachgewiesen, meine Damen und Herren, dass die Gesundheitschancen entsprechend
dem Einkommen und dem sozialen Status unterschiedlich sind. Daher ist es für
mich wichtig festzuhalten: Die gesundheitliche Versorgung ist ein
öffentliches Anliegen und nicht die Privatsache der Bürgerinnen und Bürger
dieses Landes! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Die vorliegenden
Erfahrungen, meine Damen und Herren, führen auch zu starken Zweifeln an der
Sinnhaftigkeit von generellen Selbstbehalten, denn eines ist klar: Die
Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen sinkt mit steigenden Selbstbehalten.
Dieser Effekt ist aber nur kurzfristig und wird durch erhöhte Intensität des
Angebots mehr als nur kompensiert. Selbstbehalte wirken generell abschreckend,
ohne zwischen notwendigen und weniger notwendigen Behandlungen zu
unterscheiden.
Insgesamt, meine
Damen und Herren, zieht die abschreckende Wirkung insbesondere für Bezieher
niedriger Einkommen nachteilige gesundheitliche Folgen und Mehrkosten nach
sich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Die
Gesamteinnahmen aus Selbstbehalten bleiben meist hinter den Erwartungen zurück,
und auch Ausnahmen können keinen tatsächlichen Schutz für einkommensschwache
und chronisch kranke Menschen gewährleisten. Die hohen Administrationskosten
von Ausnahmen werden von vielen unterschätzt.
Die Finanzierung
ist natürlich regressiv. An Stelle eines solidarischen Risikoausgleichs werden
kranke und sozial schwache Menschen unmittelbar belastet. Deswegen bewerten
gesundheitspolitische Analysen Selbstbehalte als ungeeignetes Instrument, um
zu den Zielen Gerechtigkeit und Effizienz beizutragen. (Beifall bei der SPÖ
und bei Abgeordneten der Grünen.)
Vor diesem Hintergrund werden Selbstbehalte in erster Linie als politisches Instrument eingesetzt. Sie dienen als Symbol für einen liberalen, marktorientierten Politikansatz, der individuelle
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Verantwortung in den Vordergrund stellt. Ein
Beitrag zur Lösung von strukturellen Problemen im Gesundheitswesen wird damit
aber nicht geleistet. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten
der Grünen.)
Meine Damen und
Herren von den Regierungsparteien! Es ist gestern von Ihnen sehr viel von
Glaubwürdigkeit und Vertrauen gesprochen worden. Wie würden Sie nunmehr die
Aussage des Bundeskanzlers vom 9. Juli 2002 in Anbetracht der gewaltigen
Belastungen für kranke und sozial schwache Menschen in diesem Lande
bewerten? – Ich kann die Antwort gerne vorwegnehmen: Das ist, und daran
gibt es nichts zu rütteln, ein massiver Vertrauensbruch des Bundeskanzlers
gegenüber den Menschen in diesem Lande, meine Damen und Herren! (Beifall bei
der SPÖ und den Grünen.)
Auch die gestrige
Ankündigung des Finanzministers, dass es möglicherweise Entlastungen für die
Menschen in diesem Lande geben könnte, ist in Anbetracht der Belastungen allein
im Bereich des Gesundheitswesens wohl nur als hohle Rhetorik zu bewerten.
Geschätzte Damen
und Herren! Nicht Reformen im Gesundheitsbereich sind die Leitmotive Ihres
politischen Handelns, sondern der Griff in die Brieftaschen kranker und sozial
schwacher Menschen. Dies wird von uns verurteilt, und diesen Weg wird man mit
uns sicher nicht gehen können! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall
bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
9.35
Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau
Abgeordnete Rosenkranz. – Bitte.
9.35
Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident!
Frau Minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Grünewald,
Sie haben Ihre Rede damit begonnen, dass man sich darauf einigen können sollte,
dass dieses Politikfeld ein besonders sensibles ist. Selbstverständlich! Wir
werden uns auch weiter darauf einigen können, dass der hohe Stand unseres
Gesundheitswesens ein Ergebnis gesamtgesellschaftlicher Anstrengungen ist und
dass deshalb auch die Leistungen von allen abgerufen werden können müssen; dass
es undenkbar ist, dass es zu einer Zwei-Klassen-Medizin kommt, wie wir es in
anderen europäischen Ländern sehen. Auch darauf werden wir uns
selbstverständlich einigen können.
Daraus folgere ich
jetzt: Eine Reform muss es geben, denn wenn nichts geschieht, wenn nicht aktiv
gehandelt wird, dann wird etwas passieren. Dann wird das Niveau des
öffentlichen Gesundheitssystems schleichend sinken. Manche werden es
bemerken, manchen wird es gar nicht so bewusst werden, und nur jene, die über
genügend Kapital verfügen, die sich Privatleistungen zukaufen können, werden
dann alles ausnützen können, was zu guter Letzt alle finanzieren. Und das darf
nicht passieren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Es besteht
zusätzlicher Finanzierungsbedarf; davor kann man nicht die Augen verschließen.
Es ist schon zwei Mal gesagt worden – und es ist ja an sich
erfreulich –: Die hohe Lebenserwartung, der hohe Stand der medizinischen
Behandlungsmöglichkeiten erfordern mehr Geld. Das muss man zur Kenntnis nehmen.
So hat auch zum
Beispiel gestern der Chef der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse in
einer Aussendung festgehalten, dass bis 2005 ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf
von 900 Millionen € auszumachen ist. Das muss kommen. Die Frage ist
also nun: wie?
Da bin ich nun überrascht, dass man gleich zu Beginn einer Debatte das Mittel des Selbstbehalts gänzlich ausschließt, denn ich kann mich daran erinnern, dass es in den neunziger Jahren unter ausschließlich sozialdemokratischen Gesundheitsministern eine Reihe von Selbstbehalten gegeben hat, aber damals wirklich nur zur reinen Geldbeschaffung. Es war eine Art Wildwuchs: manchmal die Krankenscheingebühr, die Rezeptgebühr, die hohen Selbstbehalte bei Heilmittelbehelfen wie Brillen, Prothesen; wer Kinder hat, kennt die Geschichte mit den Zahnspangen. Es
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gab
eine Reihe von Selbstbehalten, und diese gibt es noch! – Soviel zur
„Redlichkeit“ der Diskussion. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Grundsätzlich ist
allerdings schon zu sagen, dass das Mittel des Selbstbehalts, wenn es nicht zur
reinen Geldbeschaffung und vernünftig und koordiniert eingesetzt wird, sehr
wohl auch gute Effekte haben kann, denn es zwingt – nicht nur den
Patienten, sondern vor allem auch jene, die im Gesundheitsbereich tätig
sind – zu einem sorgsamen Umgang mit den vorhandenen Mitteln. Dinge wie
Doppelbehandlungen und Dreifach-Röntgenaufnahmen werden dann, weil sich ja auch
der Kunde – Klammer: Patient – wundern muss, dass er schon wieder zum
Röntgen muss, an dem er kostenmäßig beteiligt sein wird, ein wenig
hintangehalten werden. Ich sehe das also nicht so negativ.
Das Zweite, was
mir unangenehm auffällt: Sie beklagen in anderen Bereichen der Politik, so wie
gestern, dass drübergefahren wird, dass man keine Diskussion führt. Hier gibt
man der Selbstverwaltung die Möglichkeit, einen Vorschlag zu machen. Was also
jetzt? Das ist nun wieder schlecht? – Ich halte es für ausgezeichnet, dass
die Selbstverwaltung aufgefordert ist, einen Vorschlag zu machen, und damit
natürlich auch angehalten ist, vorher bei sich selber das Einsparungspotential
auszunützen und dann eben einen vernünftigen Vorschlag darüber zu machen, was
noch offen ist.
Es gibt ja auch
Vorbilder, von denen Sie mir nicht sagen können, dass sie unsozial sind. Ich
denke da zum Beispiel an die Eisenbahner-Krankenkasse. Dort funktioniert das
seit 30 Jahren, und ich hoffe, dass Sie nicht die Stirn haben, das jetzt
zu kritisieren.
Wir werden über
die Reform der Gesundheitspolitik reden müssen. Sie können von uns mit
Sicherheit annehmen, dass wir uns bewusst sind, dass das wichtigste Ziel sein
muss, dass es nicht zu einer Zwei-Klassen-Medizin kommt. Darum muss es zu einer
Reform kommen! Es wird notwendig sein, diese Reform auch sozial gerecht zu
machen, das heißt, chronisch Kranke, Kinder und Menschen mit sehr niedrigem
Einkommen werden entsprechend berücksichtigt werden müssen. Ich bin überzeugt
davon, dass wir, wenn Sie von Polemik Abstand nehmen, hier eine Einigung finden
werden.
Ich appelliere an
Sie: Ein Politiker, der seine Verantwortung ernst nimmt, ist nicht aufgerufen,
jeweils das zu sagen, was sich am ehesten anbietet, sondern er ist aufgerufen,
das Notwendige zu erkennen und die Bürger davon zu überzeugen. (Beifall bei
den Freiheitlichen.)
9.40
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr
Abgeordneter Öllinger. – Bitte.
9.40
Abgeordneter
Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen
und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Ich möchte
nicht den Fehler machen und Sie, Frau Bundesministerin, jetzt für die
Versäumnisse in der Gesundheitspolitik und auch die Erfahrungen mit der
Gesundheitspolitik der letzten Jahre verantwortlich machen. Sie schlagen jetzt ein
neues Kapitel auf und können auch noch manches anders machen. Aber dazu ist
eine Voraussetzung notwendig, Frau Bundesministerin: Sie sollten bitte aus den
letzten Jahren lernen!
Ich möchte damit
beginnen, dass im Jahr 2000 von der Bundesregierung im Koalitionsabkommen
eine Formulierung zu den Selbstbehalten gefunden wurde, wie sie auch jetzt
wieder drinnen steht; da hat sich nichts geändert, das ist faktisch
wort-identisch: Die Koalitionsparteien wollen den Hauptverband ermächtigen,
Selbstbehaltregelungen auszuarbeiten.
2000 – 2003: Dazwischen liegen drei entsetzliche Jahre der Gesundheitspolitik, Frau Bundesministerin. Dafür sind nicht Sie verantwortlich, und man merkt es ja auch am Resultat: Die Gesundheitspolitik hat eher von der FPÖ zur ÖVP gewechselt. Aber ich sage Ihnen schon eines: 2001, also nach dieser ersten Erklärung, war Ihr erstes Vorhaben, das Sie tatsächlich umgesetzt haben, den Hauptverband umzufärben. Eine katastrophale Politik! 2002 haben Sie das Chaos in der Ambulanzgebühr geerntet. Und es war tatsächlich Chaos, was Sie da verursacht
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haben. Das war Bürokratie,
waren Mehrkosten ohne Einnahmen, und jeder Mensch hat sich gefragt: Wozu gibt
es diese Gebühr? – Das war die Verantwortung dieser Bundesregierung.
2003 geht das
Chaos weiter mit der Chipcard. Die im Hauptverband eingesetzten Geschäftsführer,
zumindest jener, der für das Chipcard-Projekt verantwortlich war, vertschüsst
sich in die Pension, sagt: Ich bin nicht mehr zuständig! Der Vertrag um die
Chipcard wird aufgelöst, es gibt riesige Streitigkeiten. Ja bitte sehr, wer
trägt denn jetzt die Verantwortung dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren?
Der Hauptverband ist umgefärbt worden. Da muss es doch auch eine politische
Verantwortung dafür geben! – Aber die gibt es jetzt nicht mehr.
Eines wissen Sie
genauso gut wie ich, Frau Bundesministerin: Dass bei aller Kritik, die auch wir
Grünen an dem Projekt Chipcard übten und noch üben, die Chipcard mit
Sicherheit die Voraussetzung dafür ist, dass es bei den Selbstbehalten einigermaßen
besser funktioniert, als es in den letzten Jahren funktioniert hat. Die
Chipcard werden Sie aber nicht vor 2005 in etwa umsetzen können, und da müssen
Sie schon froh sein, und das wissen Sie auch.
Was heißt
das? – Wir werden jetzt damit konfrontiert, dass der Hauptverband
gemeinsam mit den Kassen Selbstbehaltregelungen ausarbeiten soll, die er vor
2005 gar nicht in einer sinnvollen Weise umsetzen kann. Und, Herr Rasinger, da
hilft mir die Erklärung von Ihnen nichts, dass die zusätzlichen Selbstbehalte
ja nur ein Prozent der
Gesundheitskosten insgesamt ausmachen. Das stimmt doch nicht, und das wissen
Sie auch! 250 bis 400 Millionen € betragen die zu erwartenden
Einnahmen aus den Selbstbehalten. Es wurde uns immer wieder gesagt: Das
erwarten wir uns zusätzlich.
Das sind nicht ein Prozent der Kosten, das ist wesentlich mehr! (Abg.
Dr. Rasinger: Sie sind ein Traumdeuter! Sie verunsichern
die Patienten!)
Wenn Sie glauben,
mit einem Prozent können Sie das Gesundheitssystem finanzieren, dann täuschen
Sie die Bevölkerung noch einmal! Es braucht wesentlich mehr, meine sehr
geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg.
Dr. Rasinger: Sie verunsichern die Patienten!
Finden Sie das fair?)
Ja, meine Damen
und Herren, wir waren auch einverstanden und haben es auch in der letzten Legislaturperiode
gefordert: Erhöhen wir doch die Sozialversicherungsbeiträge! Das macht niemandem
Freude, niemandem Spaß, aber es ist die gerechtere
Lösung. Wir haben auch bei den Regierungsverhandlungen gefordert: Machen wir
konkrete Vorgaben, Zielvorgaben für das Gesundheitswesen! Machen wir
beispielsweise die Vorgabe, bei den Erkrankungen des Stütz- und
Bewegungsapparates, dort, wo es wirklich möglich ist, bei den Erkrankungen des
rheumatischen Formenkreises, bei derartigen Erkrankungen um – eine
Zielvorgabe! – ein, zwei oder drei Prozent zu reduzieren! Da können Sie
Kosten sparen. Daher: Machen wir die Vorgabe! Sparen wir bei den
Berufskrankheiten – ja!, aber nicht bei den Kosten und Aufwendungen, sondern
tatsächlich bei den Berufskrankheiten.
Was aber tun Sie
stattdessen? – Sie zerschlagen die einzige Anstalt, die dafür in Frage käme,
dass sich das tatsächlich bessert!
Präsident
Dr. Andreas Khol: Ihre Redezeit, Herr Abgeordneter!
Bitte um den Schlusssatz!
Abgeordneter
Karl Öllinger (fortsetzend): Sie
zerschlagen die einzige Anstalt, die dafür in Frage käme, nämlich die AUVA. Das
ist Ihr Vorhaben.
Kehren Sie zurück
zum Dialog, machen Sie Reformen – und nicht Parteipolitik! (Beifall bei
den Grünen und der SPÖ.)
9.46
Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr
Frau Abgeordnete Riener. – Bitte.
9.46
Abgeordnete Barbara Riener (ÖVP): Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Es ist mir im
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 16 |
Rahmen dieser Debatte wichtig, vorab
Folgendes festzuhalten: In diesem Gesetzentwurf geht es um einen ersten
wesentlichen Schritt zur Harmonisierung im Bereich des bereits bestehenden
Selbstbeteiligungssystems, welches unüberschaubar geworden ist. Wir alle
wissen, dass die Selbstbehalte in den letzten Jahrzehnten auf rund
800 Millionen € angewachsen sind. Veränderungen, um das System
überschaubarer, einfacher und sozial gerechter zu machen, sollten von uns allen
begrüßt werden.
Selbstbehalte
abzuschaffen würde bedeuten, unser weltweit erstklassiges Gesundheitssystem zu
gefährden. In Zukunft stellt aber ein Bereich in unserer Gesellschaft an unser
Gesundheitssystem eine besondere Herausforderung dar, nämlich jener der
psychischen Belastungen mit Krankheitsfolgen.
In meiner
psychotherapeutischen Praxis – und meinen Berufskollegen geht es ebenso –
arbeite ich immer mehr mit Menschen, die an Depressionen leiden. Stellen Sie
sich bitte Folgendes vor: Sie wären an meiner Stelle in meiner Praxis. (Abg.
Parnigoni: Die FPÖ ist schon depressiv!) Eine Frau sitzt weinend vor
Ihnen. Sie ist nicht mehr in der Lage, die Kinder zu betreuen. Sie kann ihrer
Arbeit nicht mehr nachgehen. Sie hat keine Kraft für die tagtäglichen
Anforderungen des Lebens. – Dies zeigt die Dringlichkeit, solchen Menschen
so gut wie möglich helfen zu können. Aber: Gerade in diesem Bereich der
psychotherapeutischen Leistungen haben wir durch das Zuschusssystem eindeutig
den höchsten Selbstbehalt. Es ist also ein Umbau notwendig.
Auch als
Personalvertreterin bin ich mit vermehrten psychischen Belastungen der
Kolleginnen und Kollegen, wie Burn-out-Syndrom, Ängsten, Mobbing und eben
Depressionen konfrontiert. Bezeichnend ist, dass die WHO dieses Jahrhundert als
das der Depressionen ausgerufen hat. Seit 1991 – das sind zwölf
Jahre! – sind die Krankenversicherungsträger durch die 50. ASVG-Novelle
aufgerufen, eine österreichweite psychotherapeutische Versorgung
sicherzustellen. Nur wenige Bundesländer – und als erstes Bundesland
Tirol – haben eigene Lösungen umgesetzt. Letztendlich geht es darum,
Menschen dabei zu unterstützen, fit fürs Leben zu bleiben und somit die
Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Dies sehe ich als unser aller Pflicht an.
Besonders freut es
mich, dass unsere Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat und Bundeskanzler
Wolfgang Schüssel einen Schwerpunkt im Gesundheitssystem auf die Gesundheitsvorsorge
legen. Gesundheitsvorsorge im
psychischen Bereich bedeutet nicht nur, Leid und lange Krankenstände zu
verhindern, sondern auch Stärkung der Verantwortung für das eigene Leben und
die Gesundheit.
Letztendlich kann
einem Patienten, der dem Arzt die Symptome nicht schildern kann, auch nicht
geholfen werden.
Abschließend hätte
ich noch einen Vorschlag im Sinne dieser Vorsorge: Erweitern wir die Gesundenuntersuchungen
um den psychischen Bereich, damit wir dem ganzheitlichen medizinischen Ansatz
im Sinne von Einheit von Geist, Seele und Körper gerecht werden! Das werden uns
viele Österreicherinnen und Österreicher danken. (Beifall bei der ÖVP und
den Freiheitlichen.)
9.51
Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Bures. – Bitte.
9.51
Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh über das Thema der Aktuellen Stunde und diese Diskussion, weil die derzeitige Diskussion über die Pensionskürzungsaktion dieser Bundesregierung natürlich alles andere überschattet. Das ist klar. Diese Pensionskürzungsaktion ist auch der massivste Eingriff in die Lebensplanung der Menschen. Damit wird aber eine Reihe anderer unredlicher Absichten, die diese Bundesregierung in das Budgetbegleitgesetz hineingepackt hat, überschattet. Die Einführung der Selbstbehalte, die wir jetzt diskutieren, ist eine dieser weiteren unredlichen Absichten dieser Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
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Mit der Einführung von Selbstbehalten werden Sie in Zukunft den Menschen den Zugang zu einer optimalen medizinischen Versorgung leider erschweren. Sie werden damit den Weg weiter in Richtung Zwei-Klassen-Medizin gehen, wo die, die es sich nicht leisten können, eben nicht die hervorragende Gesundheitsversorgung vorfinden. Sie setzen damit den schwarz-blauen Kurs der letzten Regierungsperiode in Wirklichkeit nur fort, denn waren es in der Vergangenheit oder waren es bis jetzt die unseligen Ambulanzgebühren, mit denen Sie kranke Menschen gequält haben, so sind es jetzt eben Selbstbehalte, die Sie einführen werden.
Die wichtigen Fragen für die Menschen, nämlich wie hoch diese Selbstbehalte sein werden, wie die Art der Einführung dieser Selbstbehalte und die Form der Abrechnung ausschaut, diese Fragen, Frau Bundesministerin, haben Sie heute nicht beantwortet und haben Sie offensichtlich auch nicht vor zu beantworten. Sie versuchen es sich nämlich leicht zu machen, Sie schieben genau diese wichtigen Frage ab, nämlich auf Österreichs Krankenversicherungsträger und Ärzte. Das ist der Beweis dafür, dass Sie leider aus Fehlern nicht lernen, das ist der Beweis dafür, dass Sie aus dem Fehler Ambulanzgebühr offensichtlich nichts gelernt haben und damit in Wirklichkeit die Menschen nur verunsichern.
Ich glaube, dass es nicht Aufgabe der Politik ist, Menschen zu verunsichern, sondern ihnen Sicherheit zu geben. Sie machen aber leider das Gegenteil.
Ein Beispiel dafür: In der Budgetdebatte hat der Finanzminister gestern gesagt, die Steuer- und Abgabenquote müsse sinken. Heute diskutieren wir Selbstbehalte – eine Steuererfindung für kranke Menschen. Der „Standard“ bewertet die gestrige Budgetrede auch so, dass man sagen könnte, das Motto dieser Regierung orientiert sich an einem Leitsatz von Konrad Adenauer, der heißt: Was schert mich mein Geschwätz von gestern?! – Der Bundeskanzler hat am 9. Juni gesagt, es werde keine neuen Selbstbehalte geben. Wir haben sie nun auf dem Tisch. Sein Motto ist: Was schert mich mein Geschwätz von gestern?
Frau Bundesministerin, Sie haben den Menschen versprochen, bei den Frühpensionen, beim Frühpensionsantrittsalter werde es keine Veränderungen geben. Auch Ihr Motto ist offensichtlich: Was schert mich mein Geschwätz von gestern?
Jetzt mag schon sein, dass Sie Ihr eigenes „Geschwätz“ nicht „schert“. Traurig ist nur, dass Sie sich nicht um die Anliegen der Menschen scheren, dass Sie sich nicht darum scheren, wie es kranken Menschen geht und vor allem jenen Menschen, die nicht über ein Einkommen wie Sie verfügen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Sie haben aus den Fehlern nichts gelernt. Wir werden mit den Selbstbehalten die Ambulanzgebühr II erleben. Damit wird eine Maßnahme gesetzt, die zur Folge hat, dass nicht alle den gleichen Zugang haben, sondern dieser wird, wie gesagt, abhängig vom Einkommen sein. Ich denke, dass die Bevölkerung abgesehen von dieser Regierung froh ist, dass die Ambulanzgebühren weg sind.
Die Bevölkerung hat es sich nicht verdient, dass Sie versuchen, in einem Budgetbegleitgesetz weitere Selbstbehalte und somit die Ambulanzgebühr II zu verstecken, sondern Österreich würde schon eine Gesundheitsreform brauchen, eine Gesundheitsreform, die dahin geht, unser hervorragendes Gesundheitssystem sicherzustellen und noch weiter auszubauen, damit es auf neue Erkrankungen, auf neue Herausforderungen auch reagieren kann. Österreich braucht ein Gesundheitssystem, im Rahmen dessen alle eine erstklassige Versorgung bekommen, und das unabhängig vom Einkommen. Das garantieren Sie nicht. Sie gehen also den falschen Weg! (Beifall bei der SPÖ.)
9.56
Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Lichtenegger. – Bitte.
9.56
Abgeordneter Elmar Lichtenegger (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr verehrte Frau Ministerin! Liebe Zuseher! Ich glaube, das, was die Menschen am meisten verunsichert,
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 18 |
ist, wenn sich jemand herausstellt und sagt, wie schlecht alles sei. Ich kann Ihnen sagen – ich bin sehr oft mit Ärzten zusammen und weiß es aus verschiedenen Studien –, wir haben ein sehr gutes System, und das wird uns auch immer wieder konstatiert. Ich bin auch sehr zufrieden und immer noch gesund. Das, was die Menschen überhaupt nicht hören wollen beziehungsweise was sie nicht verstehen können, ist, wenn sich jemand herstellt und sagt, wie schlecht alles sei und was wir alles nicht hätten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Es gibt ja Vorschläge, 5 beziehungsweise 10 € pro Arztbesuch einzuheben. Wir hingegen bevorzugen ein einheitliches System, eine Selbstbehaltlösung, wie wir das zum Beispiel von den ÖBB kennen, wo das eigentlich sehr gut funktioniert. Und da haben Sie eigenartigerweise nichts dagegen, weil ... (Zwischenrufe des Abg. Parnigoni. – Abg. Scheibner: Ist es unsozial bei den ÖBB?) – Zum Beispiel, dort funktioniert es auch sehr gut. (Abg. Scheibner: So ist es!) Das System bewährt sich ja, und da regt sich aber niemand auf von Ihren Herrschaften, von Heckenschützen der Gewerkschaft zum Beispiel. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Dieses System finden wir recht gut, ein ähnliches könnten wir uns vorstellen. Es gibt natürlich auch Ausnahmen für sozial Schwache, das heißt für jene Menschen, die sich das nicht leisten können, oder für chronisch Kranke, die sehr viele Leistungen in Anspruch nehmen.
Es gibt auch Umfragen, aus denen hervorgeht, dass die Bevölkerung durchaus damit einverstanden ist und es große Zustimmung zur Einführung von Selbstbehalten gibt. Wir haben keine Angst vor einer Zwei-Klassen-Gesellschaft, denn was wir im Moment vorfinden, ist eine Mehr-Klassen-Gesellschaft. Diese hat man uns hinterlassen, und es ist nicht zu akzeptieren, dass zum Beispiel zwei Patienten für gleiche Beiträge unterschiedliche Leistungen erhalten. Der Unterschied zwischen Wien und Vorarlberg ist riesengroß, auch in der Zahnmedizin. Ich weiß aus Vorarlberg, dass es bei den elementaren Leistungen große Unterschiede gibt und die Leute zur Kasse gebeten werden.
Mit Selbstbehalten wollen wir gewährleisten, dass jeder jede für ihn notwendige Leistung erhält, ohne dass er sozial benachteiligt wird.
Die SPÖ zum Beispiel ist im Prinzip für Selbstbehalte im Gesundheitswesen. Von 17 verschiedenen Selbstbehalten, die es im Moment gibt, wurden 16 von Ministern eingeführt, die aus Ihren Reihen gekommen sind. Das ist in den letzten 30 Jahren eingeführt worden, das waren Ihre Leute. Dagegen hat komischerweise keiner etwas gesagt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Scheibner: So ist es!)
Der Hauptverband wird, wie ich meine und hoffe, auch ein gerechtes Modell vorstellen, das erstens das Gesundheitsbewusstsein der österreichischen Bevölkerung etwas stärken soll und zweitens auch bewirkt, dass ein gewisses Kostenbewusstsein entsteht und auch das Bewusstsein, dass Gesundheit keine Selbstverständlichkeit ist. Ich kenne genug Länder, wo es keine Selbstverständlichkeit ist, etwa in Amerika oder in Australien, dass man zum Arzt geht, Leistungen in Anspruch nimmt und alles bezahlt bekommt. Mit einem gewissen Kostenbewusstsein kann auch eine gewisse Qualität des Gesundheitssystems gewährleistet werden.
Die Wirtschaft hält Selbstbehalte im Gesundheitssystem für ein wesentliches Mittel, zu einer besseren und effizienteren Steuerung im Gesundheitssystem zu gelangen. Wir, auch ich persönlich, halten die Selbstbehalte für eine gute Sache, weil die Qualität unserer Gesundheit einfach das Wichtigste ist. Für gewisse Leistungen kann man auch einen entsprechenden Selbstbehalt bezahlen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
10.00
Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.
10.00
Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, Sie haben heute gesagt, jeder, der Hilfe braucht, bekommt sie auch. Das stimmt grundsätzlich. Die Frage ist allerdings, zu wel-
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 19 |
chem Preis. Und die
Frage ist: Kann sich jeder den Preis, den Sie dafür verlangen, auch tatsächlich
noch leisten? So wird es bei den Selbstbehalten sein.
Frau Ministerin! Sie müssen wissen, dass es einen Unterschied macht, ob
ich im Quartal 10, 15 € zahle bei einem Einkommen von 600, 700 €
oder bei jenem Einkommen, über das Frau Ministerin Gehrer verfügt. Frau
Ministerin Gehrer hat vor kurzem im Fernsehen sinngemäß gesagt: Warum regt ihr
euch denn alle so auf? Ich zahle auch Selbstbehalte. – Natürlich zahlt sie
Selbstbehalte, aber bei ihrem Einkommen liegen die Selbstbehalte, die sie
bezahlt, im Promillebereich. Bei jemandem, der ein Einkommen von nicht einmal
1 000 € hat, stellt die Höhe der Selbstbehalte unter Umständen einen
zweistelligen Prozentsatz dar. Da liegt der Unterschied! Ich meine daher, genau
dort müssen wir ansetzen, Frau Ministerin.
Wenn Sie sagen, das tun wir ja, wir machen es ohnehin einkommensabhängig
oder sozial gestaffelt, dann wissen Sie jetzt schon, dass der
Verwaltungsaufwand für die Einkommenserhebungen wesentlich höher sein wird,
als die Selbstbehalte tatsächlich bringen werden. (Beifall bei den Grünen.)
Das kennen wir alle, und das wissen auch Sie.
Frau Ministerin! Noch ein Punkt: Wenn Sie sagen, durch die Selbstbehalte
soll die Qualität steigen, dann muss ich dem entgegenhalten: Das stimmt
einfach nicht! Die Qualität und der Leistungsanspruch speziell für
ASVG-Versicherte werden dadurch nicht höher. Sie haben da-durch nicht mehr
Leistungen, sie werden dadurch nicht angeglichen an die Leistungen zum Beispiel
jener, die bei der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter versichert
sind.
Wenn das Leistungsangebot automatisch mit Einführung des Selbstbehaltes
gestiegen wäre, dann hätten wir unter Umständen darüber diskutieren können. Sie
aber wollen nur eine Geldbeschaffungsaktion, ohne die Qualität im
Leistungsbereich für den Versicherten zu steigern, und das lehne ich ab! (Beifall
bei den Grünen.)
Frau Ministerin! Nicht jeder hat denselben Zugang zur
Gesundheitsversorgung. Das wissen Sie. Ich erwähne nur die baulichen
Gegebenheiten. Ich habe keine freie Arztwahl, Kollege Huainigg auch nicht,
sondern wir müssen zu jenen Ärzten gehen, die wir auf Grund der baulichen Gegebenheiten
erreichen können. Jene, die ein geringes Einkommen haben, können auch nicht zum
Facharzt in den nächsten Ort oder in die nächste Stadt fahren, weil sie in der
Regel die Fahrtkosten nicht bezahlen können. Also müssen sie dort bleiben, wo
sie sind.
Frau Ministerin! Sie wissen es, Gesundheitsvorsorge oder Versorgung bei
Krankheit ist immer eine Frage des Einkommens. Wer ein hohes Einkommen hat, der
kann es sich relativ gut richten. Wer ein geringes oder gar kein Einkommen
hat, der muss das annehmen, was da ist, und das ist nicht mehr viel. Deshalb
ist es wirklich nicht einzusehen, dass Sie jetzt von Menschen, die krank sind,
auch noch Steuern verlangen – und Selbstbehalte sind ganz einfach Steuern,
Sie können es nennen, wie Sie wollen, es sind Steuern –, ohne die Qualität
und das Leistungsangebot zu steigern. Sie haben auch nicht erwähnt, dass es in
ganz Österreich noch immer nicht das gleiche Recht auf Rehabilitation für alle
gibt, und es ist ein gewaltiger Unterschied, warum ich Rehabilitation brauche
und welches Einkommen ich habe.
Reden wir über etwas anderes, reden wir nicht über Selbstbehalte! Die
Einhebung kostet wieder mehr, als der Ertrag sein wird. Reden wir von gleichem
Recht auf Rehabilitation und von gleichen Chancen in der Gesundheitsversorgung
für alle Menschen in Österreich! – Danke. (Beifall bei den Grünen und
bei Abgeordneten der SPÖ.)
10.05
Präsident Dr. Andreas Khol:
Die 60 Minuten
der Aktuellen Stunde sind abgelaufen. Im Übrigen ist auch niemand mehr zu Wort
gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Einlauf und Zuweisungen
Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich
der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich
gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal
verteilte Mitteilung.
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 20 |
Die schriftliche
Mitteilung hat folgenden Wortlaut:
A) Eingelangte
Verhandlungsgegenstände:
1. Anfragebeantwortungen:
194/AB bis 197/AB.
2. Regierungsvorlage:
Bundesgesetz, mit dem das
Gefahrgutbeförderungsgesetz geändert wird (GGBG-Novelle 2003) (76 der
Beilagen).
B) Zuweisungen in dieser
Sitzung:
a) zur Vorberatung:
Ausschuss für Arbeit und Soziales:
Antrag
125/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und
Kollegen betreffend Pensionen, die fair, sicher und gerecht sind;
Außenpolitischer Ausschuss:
Antrag
116/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und
Kollegen betreffend Finanzierung der österreichischen
Entwicklungszusammenarbeit;
Finanzausschuss:
Bundesgesetz betreffend Verwertung der
Bundeswohnbaugesellschaften (78 der Beilagen),
Bundesgesetz über österreichische Beiträge zu
internationalen Finanzinstitutionen (IFI-Beitragsgesetz 2003)
(79 der Beilagen),
Antrag
117/A (E) der Abgeordneten Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Soforthilfeprogramm für die österreichischen Sportvereine;
Gesundheitsausschuss:
Bundesgesetz, mit dem – in Umsetzung der
Richtlinie 2001/37/EG – das Bundesgesetz über das Herstellen und das
Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen sowie die Werbung für Tabakerzeugnisse
und den Nichtraucherschutz (Tabakgesetz) geändert wird (52 der Beilagen),
Bundesgesetz, mit dem das
EWR-Psychotherapiegesetz, BGBl. I Nr. 114/1999, geändert wird
(69 der Beilagen),
Bundesgesetz, mit dem das EWR-Psychologengesetz,
BGBl. I Nr. 113/1999, geändert wird (70 der Beilagen),
Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und
Krankenpflegegesetz und das Bundesgesetz über die Regelung des
medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste geändert
werden (GuKG-Novelle 2003) (71 der Beilagen),
Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die
Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste geändert wird
(MTD-Gesetz-Novelle 2003) (72 der Beilagen),
Antrag 120/A der Abgeordneten Mag. Johann
Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die
Gewerbeordnung 1994 geändert wird;
Ausschuss für
Sportangelegenheiten:
Antrag 118/A (E) der
Abgeordneten Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen betreffend Soforthilfeprogramm
für die österreichischen Sportvereine;
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 21 |
Verfassungsausschuss:
Antrag 126/A der Abgeordneten
Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein
Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz um Bestimmungen
über einen weisungsfreien Bundesstaatsanwalt ergänzt wird;
Verkehrsausschuss:
Antrag 122/A (E) der Abgeordneten
Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Masterplan
Rad zur Förderung des Radverkehrs in Österreich,
Antrag 123/A (E) der Abgeordneten
Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die
Besteuerung von Flugtreibstoff/Kerosin und die Beendigung weiterer ungerechtfertigter
Steuerprivilegien der Luftfahrt,
Antrag 124/A (E) der Abgeordneten
Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend
§ 78 StVO und vermeintliche Behinderungen des FußgängerInnenverkehrs;
Wirtschaftsausschuss:
Bundesgesetz, mit dem das
Öffnungszeitengesetz 2003 erlassen wird und die Gewerbeordnung 1994,
das Arbeitsruhegesetz und das Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz geändert
werden (80 der Beilagen);
Ausschuss
für Wissenschaft und Forschung:
Antrag 121/A (E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald,
Kolleginnen und Kollegen betreffend Auswirkungen der Studiengebühren auf die
Studienbeteiligung und das Studierverhalten;
b)
zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen
Entscheidung des Ausschusses):
Umweltausschuss:
Bericht des Bundesministers für Land- und
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gemäß § 44 UVP-G 2000
über die Vollziehung der Umweltverträglichkeitsprüfung (III-26 der
Beilagen).
*****
Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 42/AB
Präsident Dr. Andreas Khol: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit,
dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt,
eine kurze Debatte über die Beantwortung 42/AB der Anfrage 56/J der
Abgeordneten Mag. Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend
Abfrageberechtigte nach dem Meldegesetz durch den Herrn Bundesminister für
Inneres abzuhalten.
Diese kurze Debatte findet gemäß § 57a Abs. 4 der
Geschäftsordnung nach Erledigung der Tagesordnung, jedoch spätestens um
15 Uhr statt.
Behandlung der Tagesordnung
Präsident Dr. Andreas Khol: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 und 2 der
Tagesordnung zusammenzufassen.
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 22 |
Werden dagegen
Einwendungen erhoben? – Das ist nicht der Fall.
Wir gehen daher in
diese Tagesordnung ein.
Redezeitbeschränkung
Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatte
erzielt. Wir haben uns auf eine Tagesblockzeit von 9 „Wiener Stunden“
verständigt. ÖVP und SPÖ je 157,5 Minuten, Freiheitliche 108 sowie Grüne
117 Minuten.
Weiters wurde folgende Redezeitvereinbarung für die Debatte in der Zeit
von 10.10 Uhr bis 14.05 Uhr, die vom ORF übertragen wird, getroffen:
Zunächst je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 20 Minuten, anschließend
ein Regierungsmitglied mit 12 Minuten, sodann je eine Wortmeldung pro
Fraktion mit je 10 Minuten, in weiterer Folge ein Regierungsmitglied mit
6 Minuten, danach je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten,
anschließend ein Regierungsmitglied mit 5 Minuten; weiters ein
Regierungsmitglied mit 5 Minuten, sodann je eine Wortmeldung pro Fraktion
mit 5 Minuten; in weiterer Folge ein Regierungsmitglied mit 5 Minuten
und ferner eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten.
Vor Beginn der letzten Runde werden allenfalls verbleibende Restzeiten
gleichmäßig auf alle Fraktionen verteilt.
Weiters besteht Einvernehmen darüber, dass tatsächliche Berichtigungen
nach der Fernsehübertragungszeit aufgerufen werden.
Es besteht die Absicht, die Sitzung von 13 Uhr bis 13.15 Uhr
zu unterbrechen, um dem ORF die Möglichkeit zu geben, sein normales Programm,
nämlich Nachrichten, auszusenden.
Wir kommen sogleich zur Abstimmung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag der
Präsidialkonferenz zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen, und wir
gehen daher so vor.
1. Punkt
Erste Lesung der
Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2003 samt
Anlagen (60 der Beilagen)
2. Punkt
Erste Lesung der Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für
das Jahr 2004 samt Anlagen (61 der Beilagen)
Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 und 2
der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.
Die Redezeiten sind nunmehr bekannt. Wir gehen in die Debatte ein.
Als erster Redner gelangt Herr Abgeordneter Mag. Molterer zu Wort.
Wunschgemäß 20 Minuten. – Bitte, Herr Klubobmann.
10.09
Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Vor wenigen Wochen, genau vor neun Wochen, ist diese Bundesregierung angelobt worden. In dieser Regierungserklärung von Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel, die unter dem
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 23 |
Motto „Zukunft braucht Verantwortung“ steht, sind wesentliche Eckpunkte, die
wesentlichen Zukunftsprojekte dieser Bundesregierung für unser Land Österreich
festgehalten worden.
In dieser
Regierungserklärung, meine Damen und Herren, hat Wolfgang Schüssel
festgehalten, dass es das erste und wesentliche Ziel ist, in Österreich eine
offensive Standortpolitik fortzusetzen, eine offensive Wachstumspolitik zu
ermöglichen, Offensiven zu setzen, damit Beschäftigung – mit dem Ziel
der Vollbeschäftigung in Österreich – verwirklicht bleibt. Aufbauend auf
der soliden Leistung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land, auf
der soliden Leistung der Wirtschaft wird es gelingen, das Ziel der
Vollbeschäftigung umzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Meine Damen und Herren! Es ist damals auch ganz klar herausgearbeitet
worden, dass eine offensive Standortpolitik, eine offensive Wirtschaftspolitik,
eine offensive Beschäftigungspolitik selbstverständlich auch eine dynamische,
offensive Bildungspolitik, eine offensive Strategie in der Ausbildung unserer
jungen Menschen braucht – vom Lehrling bis zum Universitätsabsolventen –
und selbstverständlich auch eine offensive Forschungspolitik, weil Forschung
und Entwicklung das Zukunftspotential für unser Land sind, wo wir die hellen
Köpfe fördern wollen, damit Arbeit durch Kreativität, durch Innovation
entsteht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
In dieser Erklärung ist als drittes gleichrangiges Ziel festgelegt, dass
wir die soziale Sicherheit ausbauen wollen und dort, wo es notwendig ist,
diesen Ausbau und die Sicherung des Sozialsystems durch den notwendigen Umbau –
den notwendigen Umbau! – und die Weiterentwicklung unseres Sozialsystems
absichern wollen, und zwar durch Reformen, wo sie notwendig sind, durch
Reformen, wo die Menschen diese Notwendigkeit anerkennen, und vom Grundgedanken
getragen, dass nur dann, wenn wir zu diesen Reformen im Bereich der sozialen
Sicherheit bereit sind, langfristig das wohl wichtigste Gut in diesem Land
gesichert werden kann, nämlich der soziale Zusammenhalt zwischen den
Generationen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Genauso wichtig wie die Frage der sozialen Sicherheit ist für die
Menschen in diesem Lande, für die Bürgerinnen und Bürger selbstverständlich die
Sicherheit nach innen und die Sicherheit nach außen. Es ist daher kein
Zweifel – und das sage ich namens der Österreichischen Volkspartei ganz
klar –: Für uns ist Sicherheit nicht austauschbar, für uns gibt es in der
Sicherheit kein Entweder-oder, sondern nur ein Sowohl-als auch, meine Damen und
Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Für uns ist klar: Es ist die soziale Sicherheit nicht austauschbar und
auch nicht in politischen Kleinkrämereien auf dem Markt, genauso wenig wie die
Verteidigung der Souveränität unseres Landes.
Meine Damen und Herren! Es ist zu wichtig, in der Perspektive für die soziale
Sicherheit das genau gleiche Augenmaß auf der einen Seite, aber Konsequenz auf
der anderen Seite zu haben, wenn es um Sicherheitspolitik nach innen und außen
geht.
In dieser Erklärung findet sich das Ziel, die Bürgerinnen und Bürger,
die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Wirtschaft zu entlasten.
Ermöglichen wollen wir diese Entlastung dadurch, dass wir eine umfassende
Aufgabenreform im Staate vornehmen und damit ein wesentliches Ziel
verwirklichen können, nämlich eine solide, verantwortliche Haushaltspolitik in
diesem Lande, eine Budgetpolitik, die nicht zu Lasten der Jungen und nicht zu
Lasten der Zukunft Schulden macht, weil das unverantwortlich und unsozial wäre
und daher seitens der Österreichischen Volkspartei und dieser Bundesregierung
sicher nicht gemacht würde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Es ist daher dafür zu danken, dass es diese Bundesregierung in kürzester Zeit – in diesen neun Wochen, meine Damen und Herren! – geschafft hat, nicht nur ein umfassendes Budgetbegleitgesetz vorzulegen, sondern – und das ist ganz wichtig für die Zukunft unseres Landes – auch
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 24 |
ein Doppelbudget für die Jahre 2003 und 2004, ein Budget, das zu
Recht als Zukunftsbudget bezeichnet wird, ein Budget, das aus meiner Sicht als
Budget der Verantwortung zu bezeichnen ist, als Budget, das dem Motto
„Verantwortung für die Zukunft übernehmen“ gerecht wird.
Die Eckpunkte dieses Doppelbudgets, das gestern vom Herrn Finanzminister
in beeindruckender Art und Weise präsentiert wurde, meine Damen und Herren (ironische
Heiterkeit bei der SPÖ), sind erstens: Wir wollen – und diese
Bundesregierung wird dafür Sorge tragen –, dass der Weg der
Konsolidierung, der Weg der soliden Budgetpolitik selbstverständlich konsequent
auch in dieser Legislaturperiode im Kabinett und vom Kabinett Schüssel II
fortgesetzt wird.
Es ist klar, meine Damen und Herren – und das gebietet einfach
einerseits der politische Hausverstand, andererseits aber der wirtschaftliche
Hausverstand –, dass ein Staat nicht anders agieren kann als ein privater
Unternehmer oder ein Haushalt: Man kann auf Dauer nicht mehr ausgeben, als man
einnimmt, weil man sonst einen ungedeckten Wechsel auf die Zukunft zieht. Und
das ist nicht unsere Politik! (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen. – Abg. Eder: Da ist ein Unterschied!)
Es bleibt daher als Ziel ganz selbstverständlich das Nulldefizit, weil
ich meine, dass sich auch der Staat genau aus seiner wirtschaftspolitischen und
gesellschaftspolitischen Verantwortung heraus dieses Ziel selbst setzen muss.
Aber es ist notwendig, den Weg zu diesem Ziel so zu gehen, dass man
letztendlich auch auf die wirtschaftlichen Notwendigkeiten und auf die wirtschaftliche
Situation Rücksicht nimmt. Daher ist der Weg in Richtung eines Nulldefizits so
zu gehen, dass es über den Konjunkturzyklus erreicht wird, wodurch es zu einem
ausgeglichenen Haushalt kommt.
Ich denke mir, dass die in diesen beiden Budgets vorgegebenen Zahlen
letztendlich genau dieser Zielsetzung gerecht werden. Und ich erinnere nur,
liebe KollegInnen – hätten Sie gestern aufmerksam „Mittagsjournal“
gehört! (Widerspruch bei der SPÖ und den Grünen) –, an das,
was Professor Kramer gesagt hat. Er hat seitens des Instituts für
Wirtschaftsforschung erstens festgestellt: Das ist ein solides Budget,
basierend auf den vorsichtigen Prognosen des Wirtschaftsforschungsinstitutes. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Zweitens hat er auch klar gesagt: Es ist gerade in dieser
Konjunktursituation notwendig, dass vom Budget auch die richtigen Impulse
ausgehen. Er hält daher ein Defizit in einem bestimmten Zeitraum und in einer
bestimmten Dimension dann für durchaus vertretbar, wenn es in guten Zeiten
tatsächlich wieder zu einem Überschuss kommt, der ein langfristiges Defizit
eben gar nicht erst entstehen lässt. (Abg. Dr. Fischer: Aber mit
der ÖVP gibt es keine guten Zeiten!)
Der zweite Eckpunkt – Herr Präsident Fischer, vielleicht
interessiert Sie das besonders – ist, dass wir im Bereich des Budgets
einen konsequenten Weg auch bei der Senkung der Verwaltungskosten fortsetzen,
nach dem Motto „Besser für den Bürger und billiger für den Steuerzahler“. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Und ich sage Ihnen, dass es diese Bundesregierung war und ist, der ein
ganz wesentlicher Schritt schon gelungen ist, indem etwa die Personalausgaben
des Bundes, die Personalkosten des Bundes von 5,27 Prozent des BIP im
Jahr 1999 auf 4,5 Prozent des BIP im Jahr 2004 zurückgehen
werden. Wir reden nicht, wir handeln nach dem Motto „Besser für den Bürger,
billiger für den Steuerzahler“! (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Selbstverständlich wissen wir, dass hier nicht das Ende eines Prozesses
erreicht ist, nein, ich bin allen hier im Parlament vertretenen Parteien und
den Gebietskörperschaften sehr dankbar dafür, dass es in einem
gesamtösterreichischen Konsens möglich ist, dass der Österreich-Konvent die
große Staatsreform angeht, um damit letztendlich auch den Spielraum in den
öffentlichen Haushalten bei Bund und Ländern für notwendige
Zukunftsinvestitionen zu erhöhen.
Apropos Zukunftsinvestitionen: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Budgets für die Jahre 2003 und 2004 geben genau die richtigen Impulse für die Zukunftsinvestitionen unseres
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 25 |
Landes, die notwendig sind, damit wir das
gemeinsame Ziel, Top III in Europa zu werden, auch tatsächlich erreichen
können.
Meine Damen und
Herren! Für Bildung und Wissenschaft steigen die Budgetaufwendungen bis zum
Jahre 2004 auf über 9 Milliarden € an. (Abg. Mandak: Das stimmt doch gar nicht!) Das ist so viel wie noch nie in
dieser Republik! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Meine Damen und
Herren! Für Forschung steigen die Budgetaufwendungen vom Jahre 1999 von
1,2 Milliarden auf 1,56 Milliarden im Jahre 2004 an. Das ist
eine Dynamik in der Forschung und Entwicklung, die wir noch nie gehabt haben. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Brosz.)
In der
Infrastruktur (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe) –
einer der ganz wesentlichen Investitionen für den Standort – werden die
Ausgaben von 2,1 Milliarden im Jahre 1999 auf ein All-time-high von
2,85 Milliarden € anwachsen, meine Damen und Herren. Das ist wichtig,
damit wir die Chance der Erweiterung auch mittels Infrastrukturinvestitionen
wahrnehmen können.
Meine Damen und
Herren! Ich habe von der notwendigen Investition in den Bereich innere und
äußere Sicherheit gesprochen. Auch da sehen Sie – das sind die Fakten und
die Zahlen in diesen Budget –, dass wir im Vergleich zum Jahre 1999,
in dem 4,1 Milliarden € ausgegeben wurden, im
Jahre 2004 4,3 Milliarden für den Bereich innere und äußere
Sicherheit ausgeben. Wir reden nicht nur von Sicherheit. Wir geben Sicherheit
dadurch, indem wir handeln und investieren, meine Damen und Herren! (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Wurm: Abfangjäger!)
Für den Bereich
der Sozialpolitik möchte ich nur zwei Beispiele erwähnen. Das eine betrifft den
Bereich der Familienleistungen. (Der Redner hält ein weiteres Schriftstück
in die Höhe.) Es ist in diesem Land ... (Abg. Sburny: Das ist
verkehrt!) – Vielleicht können Sie sich auf den Kopf stellen, Frau
Abgeordnete, damit Sie es richtig sehen. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
In diesem Land ist
für die Familienleistung noch nie so viel ausgegeben worden wie durch diese Bundesregierung, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des
Abg. Dr. Matznetter.) Familien
und Kinder sind uns so viel wert, dass wir auch bereit sind, im Jahre 2004
über 5 Milliarden € für Familienleistungen in diesem Budget zur
Verfügung zu stellen, um damit auch die richtige Perspektive zu geben. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Meine Damen und
Herren! Selbstverständlich werden wir auch im Bereich der Pensionen und im
Bereich der Pensionssicherung in diesem Budget die notwendigen Ausgaben
tätigen, damit Pensionen für Alt und Jung sichergestellt sind. Aber – ich
betone das in besonderer Weise –: Wir gehen nicht den Weg der
Realitätsverweigerung (Abg. Sburny: Sondern des Risikos! Das haben wir
gestern schon gehört!), sondern wir gehen gleichzeitig mit den notwendigen
Budgetausgaben für die soziale Sicherheit auch den Weg der Reformen, weil im
Bereich der sozialen Sicherheit (Abg. Sburny: Erhöhtes Risiko!) Sicherheit auf
Dauer nur dann gewährleistet ist, wenn man rechtzeitig vorsorgt. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Meine Damen und
Herren! Auch das gehört zu dem, was eigentlich ein Haushalt ganz selbstverständlich
tut, nämlich vorsorgen, damit die Sicherheit, die soziale Sicherheit auch in
Zukunft gewährleistet ist. (Abg. Mag. Kogler: Von welchem
Budget sprechen Sie? Sprechen Sie zur Sache!)
Meine Damen und
Herren von der Opposition! Betreiben Sie doch in diesem Zusammenhang erstens
keine Realitätsverweigerung und zweitens keine Verunsicherung der Bevölkerung! (Abg.
Mag. Kogler: Sie sprechen von Las Vegas!) Ich
weiß nicht, ob es Ihnen neu ist, aber wenn es Ihnen neu ist, wäre es schade.
Aber ich kann das nachholen: Österreich ist im Bereich der sozialen Sicherheit
weltweit die Nummer eins! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der
Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 26 |
Meine Damen und
Herren! In Österreich geben wir insgesamt mit den Beiträgen der Versicherten
und der öffentlichen Haushalte über 14 Prozent des Bruttoinlandsproduktes
für die Pensionssicherung aus. (Abg. Dr. Fischer: Wollen Sie
kaputt machen!) Kein anderes Land in der Welt hat dieses Niveau (Abg.
Mag. Wurm: Sie machen es kaputt!), und kein
anderes Land in der Welt wird dieses Niveau auch nach der umgesetzten Reform
erreichen.
Ich appelliere
nochmals an den aus meiner Sicht auch gegebenen Grundkonsens in der Bevölkerung
und bei den politischen Parteien, denn die Notwendigkeit einer Pensionssicherungsreform
kann und darf nicht bestritten werden, weil nicht bestritten werden kann, dass
die Menschen drei Jahre länger in Ausbildung sind, sechs Jahre weniger am
Arbeitsplatz verbringen und zwölf Jahre länger die Pension genießen. (Abg.
Mag. Wurm: Nicht alle!) Gott sei Dank! Aber
wenn das so ist, wäre es geradezu fahrlässig gegenüber der zukünftigen
Generation, wenn wir nicht jetzt diese Maßnahmen setzen würden.
Meine Damen und
Herren! Ich habe den Eindruck, dass ein Grundkonsens darüber gegeben ist, ein
einheitliches Pensionsrecht zu schaffen. Wir werden es tun. Wir werden dieses
einheitliche Pensionsrecht vorlegen. (Abg. Dr. Fischer: Ihr
fürchtet euch vor einer Volksabstimmung!)
Meine Damen und
Herren! Ich habe den Eindruck, dass ein Grundkonsens etwa in der Frage der
Durchrechnung besteht. Ich erinnere an die letzte Debatte hier im Haus, als
Sie, Frau Kollegin Prammer, gesagt haben, dass Sie aus Gerechtigkeitsgründen
immer schon für die lebenslange Durchrechnung eingetreten sind. (Abg.
Mag. Prammer: Aber!) Wir schlagen jetzt vor,
mittels eines 25-jährigen Überganges (Abg. Mag. Wurm: Halbe
Wahrheit!) diese Durchrechnung auf 40 Jahre anzuheben.
Ich habe den
Eindruck, dass ein Konsens gegeben ist in der Frage – Kollege Gusenbauer
hat das auch in seinem Modell –, dass nach 45 Beitragsjahren
80 Prozent Nettoersatzrate zu Stande kommen sollen. Das ergibt einen
Steigerungsbetrag von 1,78 Prozent, wie wir ihn vorschlagen (Zwischenruf
des Abg. Dr. Matznetter) und
in einem dreijährigen Übergangszeitraum auch umsetzen. Genauso stelle ich aus
meiner Sicht einen Konsens darüber fest, dass es notwendig ist, das
tatsächliche Pensionsalter an das gesetzliche heranzuführen.
Ich appelliere
daher an alle Beteiligten: Bringen wir den Weg dieses Konsenses zu einem guten
Ergebnis, damit diese Pensionsreform den Namen verdient, die Zukunft absichert
und der Wahrheit ins Auge blickt, meine Damen und Herren, und den Menschen
nicht Sand in die Augen streut! Dies ist der verantwortliche Weg für die
Zukunft! (Abg. Dr. Niederwieser: Ihr wisst gar nicht, was das ist, die
Wahrheit!)
Ich appelliere
daher auch von dieser Stelle aus: Meine Damen und Herren! Es ist nicht der Weg
in Österreich, durch Streiks und den Druck der Straße etwas zu erzwingen. Ich
erinnere Präsidenten Verzetnitsch daran, dass ein langjähriger, so würde ich
sagen, Berater des ÖGB, mein Arbeitsrechtslehrer an der Universität Linz,
Professor Strasser, etwa auf die Frage: Wie beurteilen Sie die Streiks gegen
die Pensionsreform?, antwortet: Die Aktion fällt unter die Kategorie
politischer Streik und ist rechtswidrig. Er richtet sich gegen ein
Staatsorgan. – Das ist die herrschende Meinung. (Beifall bei der ÖVP
und den Freiheitlichen.)
Ich appelliere an
Sie, dass Sie bei den Aktionen, die Sie offensichtlich vermeinen, machen zu müssen
(Abg. Sburny: Das ist
die herrschende Meinung!), auch die politische Dimension zurechtrücken. (Abg.
Sburny: ... es gibt keine
Opposition mehr!) Herr Präsident Verzetnitsch! Es kann nicht sein, dass
eine Abgeordnete dieses Hauses auf Grund dieser Aktionen unter Druck gesetzt
wird und damit offensichtlich in ihrer Ausübung des freien Mandates
eingeschränkt werden sollte. (Abg. Dr. Puswald: Heben Sie doch den Klubzwang
auf! – Gegenrufe bei der SPÖ.)
Herr Präsident,
das ist mein letzter Satz: Es kann auch nicht sein – das entnehme ich
einer Wochenzeitung –, dass der Streik sich danach orientiert, wer in
der Bundesregierung ist beziehungsweise wer Berater des Bundeskanzlers ist.
Das ist doch die Tatsache der Maske vom Gesicht ... (Beifall bei der
ÖVP und den Freiheitlichen.)
10.30
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 27 |
Präsident Dr. Andreas Khol: Ihre Redezeit ist abgelaufen, Herr
Klubobmann!
Klubobmann Josef
Cap hat beantragt, das Stenographische Protokoll der Rede des Abgeordneten
Lichtenegger in der „Aktuellen Stunde“ herbeizuschaffen – es liegt mir
vor –, und er hat einen Ordnungsruf beantragt, den ich hiemit erteile.
Lichtenegger hat
gesagt: „Zum Beispiel, dort funktioniert es auch sehr gut. Das System bewährt
sich ja, und da regt sich aber niemand auf von Ihren Herrschaften, von
Heckenschützen der Gewerkschaft zum Beispiel.“
Damit ist der Ordnungsruf erteilt. (Abg.
Dipl.-Ing. Prinzhorn: So heikel
muss man nicht sein!)
Zu Wort gemeldet
ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Die Redezeit beträgt wunschgemäß
20 Minuten. – Bitte.
10.31
Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Wir
haben gestern wieder einiges Neues gelernt (Abg. Grillitsch: Hoffentlich!), und zwar: Wenn der
Herr Finanzminister Steuern und Abgaben erhöht, dann nennt er das „die größte
Steuerreform aller Zeiten“. Wenn er die Pensionen kürzt, dann nennt er das
„Pensionssicherung“. Und wenn das Defizit, die Schulden des Bundes wachsen,
dann nennt er das „Konsolidierung“. – Meine sehr verehrten Damen und
Herren, das ist unakzeptabel! (Beifall bei der SPÖ.)
Man hat überhaupt
den Eindruck, dass sowohl die gestrige Rede des Herrn Finanzministers als auch
die Rede des Herrn Abgeordneten und Klubobmann Molterer sehr wenig mit dem zu
tun haben, was sich in diesem Zahlenwerk des Budgets tatsächlich widerspiegelt.
(Abg. Scheibner: Da
sind wir gespannt, was Sie bringen!)
Herr Klubobmann
Scheibner! Ich verstehe Ihre Unruhe. (Abg. Scheibner: Ich bin ganz ruhig!) Wenn ich
einer Regierung angehören würde, die ein solches Budget einbringt, dann wäre
ich auch mit Recht beunruhigt, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall
bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Ich hoffe nur, dass Sie etwas zu den
Zahlen sagen werden!)
Der schönste Satz
des Herrn Finanzministers war gestern: Steuern senken, Freiheit schenken. Das
war ein wunderbarer Satz! (Abg. Mag. Molterer: Bravo! Das stimmt!) Wenn man
diesen Satz auf den Finanzminister anwendet und sich ansieht, was er in den
letzten Jahren getan hat, dann muss man feststellen: Er war ein Finanzminister
der Unfreiheit, denn er hat permanent die Steuern erhöht, meine Damen und
Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Besonders
interessant scheint mir aber die dahinter stehende Geisteshaltung zu sein:
Freiheit schenken. Das heißt, der Finanzminister glaubt, es sei seine Aufgabe,
den Österreicherinnen und Österreichern Freiheit zu schenken. Meine Damen und
Herren! Ich bin davon ausgegangen, dass wir in einem freien, demokratischen
Land leben und keinen obrigkeitsstaatlich orientierten Finanzminister
brauchen, der uns eine Freiheit schenkt! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten
der Grünen. – Abg. Scheibner: Aber Sie könnten auch über das Zitat philosophieren!)
Aber
offensichtlich hat der Finanzminister mit einzelnen Freiheiten große Probleme,
weil er sich gestern mehrfach gegen die Maßnahmen, die die Gewerkschaften, die
Arbeitnehmer gesetzt haben, ausgesprochen hat. (Zwischenruf des Abg.
Dr. Trinkl.) Es hätte nur mehr gefehlt, dass er gesagt hat, er
sei für eine Einschränkung des Streikrechts. Das wäre die Konsequenz seiner Aussagen
gewesen.
Aber das überhaupt Bedrückendste an seiner Rede war, dass er als Kronzeugen für seine Haltung den früheren ÖGB-Präsidenten Anton Benya angesprochen hat. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Das hat wehgetan, das verstehe ich! – Rufe bei der ÖVP: Olah!) – Er hat beide genannt.
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Und dazu möchte ich nur sagen (Abg. Scheibner: Falsche
Rede!): Wenn in den vergangenen Tagen des Öfteren auf die
Sozialpartnerschaft und ihre Traditionen verwiesen wurde (Abg. Scheibner: Benya ist gestern nicht vorgekommen!), dann möchte ich darauf
hinweisen, dass der frühere ÖGB-Präsident Anton Benya in einer sehr berührenden
Rede am 6. Juli des Jahres 2001 vor dem Ballhausplatz Folgendes gesagt hat
(Abg. Scheibner: Aber er hat Olah zitiert und nicht
Benya!):
Österreich war
über viele Jahrzehnte – dank der Sozialpartnerschaft – weltweit
Vorbild, und die EU baut ihre Zukunft auf dem Modell der Sozialpartnerschaft
auf. (Abg. Scheibner: Sehr ungenau vorbereitet! Das ist
keine richtige Rede!) Und er ermahnte in Richtung der schwarz-blauen
Koalition, dass auch im austrofaschistischen Ständestaat freie Gewerkschaften
und Selbstverwaltung ausgeschaltet wurden. Anton Benya war in tiefer Sorge.
Und nun, so wie es in den letzten Tagen der Fall ist, Anton Benya zum
Kronzeugen (Rufe bei der ÖVP: Olah!) gegen diese Gewerkschaftspolitik
zu machen, das ist unerhört, respektlos und abzulehnen, meine sehr verehrten
Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)
Herr Klubobmann
Molterer hat darauf hingewiesen, dass es unverantwortlich wäre, in Zukunft
Schulden zu machen. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Budget, das uns
für die Jahre 2003 und 2004 vorliegt, führt dazu, dass im heurigen Jahr
und im nächsten Jahr 7,3 Milliarden € oder 100 Milliarden
Schilling neue Schulden gemacht werden. (Abg. Dr. Stummvoll: Das sind
die Zinsen für die Altschulden!) Das heißt, in ihrer eigenen Diktion
betreibt diese Bundesregierung eine unverantwortliche Politik, indem sie die
Schulden unseres Landes weiter erhöht, meine Damen und Herren! (Beifall bei
der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Ich sage nur Kreisky!)
Wenn Sie sagen, in
einer wirtschaftlich schlechten Situation sei es vernünftig, Defizite in Kauf
zu nehmen, dann möchte ich Sie daran erinnern, dass Sie im Jahr der schlimmsten
Rezession, nämlich im Jahr 2001, gesagt haben: Es muss unbedingt das
Nulldefizit kommen, der Staat kann gegen die Wirtschaftskrise nichts tun. –
Jetzt, wo sich die Zeiten bessern sollen, sind auf einmal Defizite kein
Problem, auch wenn sie 100 Milliarden Schilling zusätzlich ausmachen! Das
heißt, Sie machen keine gestaltende Wirtschaftspolitik, sondern Ihre Defizite
sind das Ergebnis einer gestiegenen Arbeitslosigkeit und eines niedrigen
Wirtschaftswachstums. Genau das ist der falsche Weg, meine Damen und Herren! (Beifall
bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Kreisky!)
Sie haben
heute – das finde ich wirklich bezeichnend, wie mit dem Hohen Haus und der
Öffentlichkeit umgegangen wird – gesagt: Das Wissenschafts- und
Bildungsbudget wird im Jahr 2004 enorm erhöht. Ich selbst war davon
beeindruckt! (Abg. Mag. Wurm: Vernebler!) Ich war beeindruckt
und habe das in den Unterlagen, die uns das Finanzministerium zur Verfügung
gestellt hat, nachgelesen, weil es in der Tat erstaunlich gewesen wäre, wenn
das Wissenschaftsbudget im Jahr 2004 um nahezu 10 Milliarden
Schilling, also um rund 733 Millionen € ansteigt. Aber wenn man in
die Bücher blickt, dann merkt man, dass ab dem Jahr 2004 die
Universitätslehrer nicht mehr direkt in das Personalbudget des Bundes fallen,
sondern dass sie in Zukunft von den Universitäten bezahlt werden. (Abg.
Mag. Wurm: Das sind die Tricks!)
Das führt dazu,
dass auf der einen Seite die Personalausgaben des Bundes sinken und auf der
anderen Seite das Bildungsbudget steigt. Das heißt, die Regierung berühmt sich
dann: Wir senken die Personalkosten und erhöhen das Bildungsbudget, ohne dass
ein einziger zusätzlicher Euro in die Universitäten fließen würde. Meine Damen
und Herren, diese Tricks sollten Sie sich abgewöhnen! (Beifall bei der
SPÖ. – Abg. Parnigoni: Unglaublich! – Weitere
Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Da Sie weiter über die „Bildungsoffensive“ reden: Da muss man auch die offenen Rechnungen beachten. Im Jahr 2004 soll es nach den Berichten des Fachhochschulrates rund 4 000 zusätzliche Plätze an österreichischen Fachhochschulen geben. Das ist sehr begrüßenswert! Nur die Ausgaben dafür bleiben mit 107 Millionen € im Jahr 2004 genauso hoch wie im Jahr 2003. Daher lautet meine Frage: Wie soll es die zusätzlichen 4 000 Plätze geben, wenn es dafür nicht mehr Mittel gibt? Heißt das, dass in Zukunft die Gebühren für die Studenten erhöht werden,
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oder heißt das, dass im Budget nicht die richtige Vorsorge für die
zusätzlichen Fachhochschulstudenten getroffen wurde?
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Dieses Budget hat in vielen Fällen nichts mit Ihren
politischen Ankündigungen zu tun, es ist vielfach das Gegenteil. Sie sollten
den Leuten reinen Wein einschenken und keine Unwahrheiten verbreiten! (Beifall
bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Bandolero, Chianti, Grüner Veltliner! Welche Sorte darf es sein?)
Ich verstehe, Herr
Molterer: Bei Ihnen ist der Weg von der Halbwahrheit zur Unwahrheit außerordentlich
kurz, das habe ich bereits zur Kenntnis genommen. (Beifall bei der
SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Was ist mit dem Wein?)
Der Herr
Finanzminister hat eine großartige Steuerentlastung angekündigt. Diese Steuerentlastung
im Jahr 2004 sieht so aus, dass, wenn man die Erhöhungen von Steuern und
Abgaben addiert, die arbeitenden Menschen im nächsten Jahr überhaupt keine
Entlastung haben werden, sondern, ganz im Gegenteil, mehr Steuern und Abgaben
zahlen werden, als das im heurigen Jahr der Fall ist. Wenn Sie die Erhöhung
der Krankenversicherungsbeiträge, die Erhöhung der Mineralölsteuer, die
Erhöhung der Energieabgaben addieren, sehen Sie, das macht mehr aus an
staatlichen Abgaben und Steuern, als es auf der anderen Seite durch die
Entlastungen gibt.
Meine Damen und
Herren! Ich stelle mir schon die Frage: Was macht jemand, der durch Ihre
Steuerreform 4 € pro Jahr Steuerentlastung bekommt, mit den zusätzlichen
Energiekosten und Krankenversicherungsbeiträgen, die das deutlich übersteigen
werden?
Meine Damen und
Herren! Sie senken die Steuern nicht, Sie erhöhen die Steuern und Abgaben und
setzen damit konsequent Ihren Kurs fort, nämlich die Steuer- und Abgabenlast zu
erhöhen, ohne wirkliche wirtschaftspolitische Impulse zu setzen. (Beifall
bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Nach Ihren eigenen
Unterlagen führt Ihre Wirtschaftspolitik dazu, dass im nächsten Jahr das wirtschaftliche
Wachstum in Österreich bedauerlicherweise um 0,5 Prozent geringer sein
wird als der Durchschnitt der Europäischen Union. Ich finde, das ist kein
besonderes Ruhmesblatt angesichts der Situation, dass Österreich in den letzten
20 Jahren in der Mehrheit der Fälle ein Wirtschaftswachstum hatte, das
über dem Durchschnitt der Europäischen Union gelegen ist. Wenn Sie sich schon
auf die international schwierige Situation ausreden und sagen, es gebe nur
einen geringen Spielraum, dann, würde ich sagen, muss zumindest die Zielsetzung
die sein, dass Österreich jene Vermehrung des Wirtschaftsreichtums erreicht wie
der Durchschnitt der EU-Staaten. Mit 0,5 Prozent weniger werden wir und
die österreichischen Arbeitnehmer uns im nächsten Jahr nicht zufrieden geben,
meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Ein Kernstück dieses Budgets sind offensichtlich
die Maßnahmen, die im Pensionsbereich getroffen werden. Es ist kein Zweifel,
Herr Klubobmann Molterer, dass wir zur lang- und mittelfristigen Sicherung der
Pensionen etwas unternehmen müssen, und dazu stehe ich. (Rufe bei der ÖVP:
Aber!) Tun Sie nicht so überrascht, wenn er es schon vorher positiv zitiert
hat. Diese künstlichen Aufregungen entbehren jeglicher Glaubwürdigkeit. (Beifall
bei der SPÖ und den Grünen.)
Es ist auch völlig
richtig, dass wir ein System anstreben müssen, wonach jemand nach 45 Beitragsjahren
80 Prozent Nettoersatzrate bekommt. Auch das ist völlig richtig, Herr
Abgeordneter Molterer! Das Problem besteht nur darin, dass es in Ihrem
Vorschlag zur Pensionsreform drei gravierende Probleme gibt.
Das erste Problem
ist: Nach dem, was Sie hier im Haus vorgelegt haben, wird die Nettoersatzrate
der heute Unter-40-Jährigen selbst nach 45 Beitragsjahren nicht
80 Prozent betragen, weil es keine korrekte Aufwertung der eingezahlten
Beiträge gibt. (Abg. Öllinger: So ist es!) Ich rede jetzt nicht
über die Gestaltung, die in Zukunft kommen kann, sondern ich rede über jene Beiträge,
die die Menschen in den letzten Jahren bereits einbezahlt haben. Solange es
keine ordentliche Aufwertung der Versicherungsbeiträge gibt, wird es nicht
80 Prozent Pension geben.
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 30 |
Herr Klubobmann
Molterer, ein gravierender Punkt, der geändert werden muss, ist, dafür zu sorgen,
dass wirklich 80 Prozent am Ende herauskommen – und nicht
55 Prozent. Das ist zumindest das Ziel von uns Sozialdemokraten. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Der zweite
gravierende Mangel ist: Wenn zwei Menschen heute in einem Betrieb arbeiten und
der eine geht heuer in Pension und der andere nächstes Jahr, dann frage ich
Sie: Wie können Sie es rechtfertigen, dass derjenige, der nächstes Jahr in
Pension geht, mit genau den gleichen Versicherungszeiten um 15 Prozent
weniger bekommt als derjenige, der heuer in Pension geht?
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Es gibt kein einziges sozialpolitisches Argument
(Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Das stimmt einfach nicht! Das ist das
Problem!), das diese Vorgangsweise rechtfertigen würde. Das ist eine
Enteignungsaktion, die korrigiert werden muss. (Beifall bei der SPÖ und den
Grünen. – Abg. Scheibner: Es ist ungeheuerlich, was Sie da
sagen!)
Der dritte Punkt
ist: Die letzten Jahre der schwarz-blauen Regierung haben dazu geführt, dass
die Arbeitslosenzahl in Österreich im Jahresdurchschnitt um 45 000 höher
war als davor. In einer Zeit mit robust hoher Arbeitslosigkeit (Abg. Scheibner: Wann davor?) kann es nicht Aufgabe des Staates sein, die
Arbeitslosigkeit zum Beispiel durch diese Pensionskürzungsreform noch
künstlich zu erhöhen, sondern ganz im Gegenteil: Aufgabe des Staates muss es
sein, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass die Arbeitslosigkeit sinkt und nicht
weiter steigt, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ
und bei Abgeordneten der Grünen.)
Ich habe mit
großem Interesse verfolgt, dass der Finanzminister gestern gesagt hat: Heute erben
wir die Probleme der Frühpensionierungsaktionen der achtziger und neunziger
Jahre. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wissen Sie, welcher Arbeitgeber
in Österreich derzeit die Arbeitnehmer am frühesten entlässt und in Pension
schickt? – Es ist der Staat, und es sind die staatsnahen Unternehmungen,
die die Arbeitnehmer mit 55 Jahren oder weniger in Pension schicken,
während dem Rest gesagt wird, ihr sollt bis 65 Jahre arbeiten. Das ist
kein guter Arbeitgeber, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei
der SPÖ und den Grünen. – Abg. Scheibner: Ihre Eisenbahner, Ihre ÖBB!)
Daher sollte eine
Regierung zumindest imstande sein (Abg. Scheibner: Wieso droht dann die ÖBB-Gewerkschaft
mit Streik, wenn man dort das Pensionsalter erhöhen möchte? Was ist mit den
Eisenbahnern?), im Staat und bei der Regierung dasselbe zu tun, was man
auch von den anderen Unternehmungen tatsächlich verlangt. (Abg. Scheibner: Wieso will man dort streiken?)
Im Übrigen ist
auch die These des Herrn Finanzministers interessant gewesen, dass wir eine größere
Risikobereitschaft brauchen und das Risiko in unserem Land ansteigen muss. Ich
finde, das ist eine kühne These, vor allem wenn sie vom Finanzminister kommt.
Das Risiko der Arbeitnehmer in Österreich, die ASVG-versichert sind, ist
entweder, dass sie eine Arbeit haben oder arbeitslos sind oder in Pension
gehen. Das Risiko des Herrn Finanzministers ist: Sollte er nicht mehr dieser
Tätigkeit nachkommen, kann er in seinen früheren Betrieb zurückkehren. Solch
eine Risikoabdeckung würden sich viele Österreicherinnen und Österreicher
wünschen. (Zwischenruf des Abg. Großruck.) Wenn man im gemachten
Bett liegt, kann man leicht über Risikobereitschaft anderer reden, meine sehr
verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der
Grünen.)
Ihre gestrige
Rede, Herr Finanzminister, ist eindeutig bewertet worden, wie ich heute in
einem Kommentar von Michael Moravec nachlesen kann. (Abg. Großruck: Wissen Sie eigentlich, was eine Firma
ist, Herr Gusenbauer?) So ziemlich alles, was in der Regierung
Schüssel I noch mit missionarischem Feuereifer verkündet und erfunden
wurde, ist nun nicht mehr wahr, wurde so nie gesagt, ist leider nicht mehr
möglich. Die Bilanz, die Sie vorgelegt haben, und das, was Sie in Zukunft
vorhaben, ist: Steuern erhöhen, Wachstum reduzieren, Defizit erhöhen, Pensionen
reduzieren, Schulden erhöhen, Zukunftsinvestitionen reduzieren, Arbeitslosigkeit
erhöhen und Bildung reduzieren.
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 31 |
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Das ist kein Zukunftsbudget! Sie bleiben bei all
dem dort, wo Sie über Zukunftsaufgaben reden, im Unklaren, wenden Schmähs und
Tricks im Budget an. Sie sind nur dort präzise, wo es um das Abkassieren der
Bevölkerung geht!
Daher hat Herr Moravec auch Ihre gestrige Rede mit Ihren eigenen Worten zusammengefasst, indem er schreibt: „Denn wie sagte Grasser gestern: Gewinnen werden die Schnellen und Guten. Und nicht die Langsamen und Konzeptlosen. Keine gute Prognose für ihn – und Österreich.“ – Treffender könnte man es nicht ausdrücken, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)
Aus diesem Grund können auch die nettesten Reime nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit diesem Budget nichts unternommen wird, um die Wirtschaft zu stimulieren, dass mit diesem Budget keine zukunftsorientierten Investitionen gesetzt werden, dass dieses Budget alles schuldig bleibt, was Strukturreformen betrifft, und dass dieses Budget in Wirklichkeit ein Defizit aus Mangel an wirtschaftlicher und politischer Phantasie erleidet. Präzise ist es nur bei den Kürzungen für die Bevölkerung – wahrlich ein Armutszeugnis, meine Damen und Herren! (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ und Beifall bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Silhavy: Das war eine brillante Rede!)
10.51
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu Wort gelangt
nunmehr Herr Abgeordneter Bucher. Redezeit: 20 Minuten. – Bitte.
10.52
Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Hohe Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Parteichef Gusenbauer hat es mir sehr leicht gemacht: Wenn Sie heute hier herauskommen und sagen, Sie hätten gestern etwas gelernt (Zwischenrufe bei der SPÖ), dann muss ich dazu sagen, dass das reichlich spät ist (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), denn wir haben 30 Jahre sozialdemokratischer Politik über unser Land ergehen lassen müssen. (Abg. Reheis: Fällt dir was Neues auch einmal ein?) Ich verspreche Ihnen aber, dass wir diesen Lernprozess heute fortsetzen wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Wir wollen Ihnen
auch weiterhin willig einige Informationen geben. Es ist ja geradezu unumgänglich,
Herr Parteichef Gusenbauer, einen kurzen Rückblick in die Vergangenheit zu
machen, damit Sie die künftige Entwicklung des Staatshaushaltes besser
verstehen können.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Das Ziel der Budgetpolitik in Österreich in den letzten
Jahren stand ganz im Zeichen der Konsolidierung, das heißt, den
gesamtstaatlichen Haushalt zuerst in Ordnung zu bringen, nur das auszugeben,
was man auch einnimmt, und die Richtlinien des europäischen Wachstums- und
Stabilitätspaktes einzuhalten. Das ist eine Zielsetzung, die ganz im
Gleichklang mit der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion getroffen
wurde, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedstaaten der EU zu
gewährleisten.
Dies wurde bei Regierungsantritt der FPÖ im Jahr 2000 zwar von den meisten Mitgliedstaaten der EU erreicht, doch das galt nicht für das bis dahin unter sozialdemokratischer Führung regierte Österreich. Zwischen 1997 und 1999 hat sich das gesamtstaatliche Defizit unter sozialdemokratischen Finanzministern in nur zwei Jahren von 1,9 Prozent auf 2,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht. Das war das zweitschlechteste Ergebnis in der gesamten Europäischen Union. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: Das hat er vergessen, der Kollege Gusenbauer!)
Meine Damen und Herren! Die Budgetkonsolidierung in Österreich wurde trotz hervorragender Konjunktur zur damaligen Zeit verabsäumt, nicht rechtzeitig eingeleitet, während alle EU-Mitgliedsländer darauf reagiert, Konsolidierungen eingeleitet haben und enorme Fortschritte in der Haushaltsführung erreichen konnten.
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 32 |
Ab dem Jahr 2000 war Schluss mit der planlosen SPÖ-Schuldenpolitik, mit den Panikbudgets eines Herrn Klima, mit dem Schummelbudget eines Herrn Edlinger. Die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ haben erkannt, dass es auf diesem Weg zu keiner Konsolidierung kommen kann und dass gewisse Änderungen notwendig sind, um Österreich in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Halten wir uns vor Augen, was das Kabinett
Schüssel I an Erbe übernommen hat! Ich darf das noch einmal wiederholen:
165 Milliarden € Schulden (Ruf bei den Freiheitlichen: Wahnsinn!),
7 Milliarden € Zinsen jährlich. (Neuerlicher Ruf bei den
Freiheitlichen: Wahnsinn!) Inzwischen spricht ja niemand mehr von Tilgung,
von einem Tilgungskonzept, wir sprechen nur von einer Zinslast, die wir
jährlich zu berappen haben. 7 Milliarden € – das sind
umgerechnet 100 000 Wohnungen, die wir an sozial bedürftige
Österreicherinnen und Österreicher verschenken könnten!
Die neue Bundesregierung beschloss im Jahr 2000, den Konsolidierungskurs mit dem Ziel einzuleiten, innerhalb von zwei Jahren einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Das Defizit konnte mit großem Erfolg reduziert werden. Das Nulldefizit wurde bereits im Jahr 2001 erreicht – ein Jahr früher als geplant. Im Jahr 2001 konnte erstmals nach fast 30 Jahren SPÖ-Regierung ein gesamtstaatlicher Überschuss in der Höhe von 0,3 Prozent des BIP erzielt werden. Die Schwerpunktsetzung auf Forschung und Entwicklung, auf Innovation sicherte Beschäfti-gung und förderte den Wirtschaftsstandort Österreich nachhaltig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Ausbildungs- und Höherqualifizierungsoffensiven führten zu mehr Unternehmensgründungen. Das zweite Konjunkturpaket 2002 erzielte in einer sehr schwierigen konjunkturellen Phase verstärkte Investitionen, Wachstums- und Beschäftigungsimpulse sowie Jugendbeschäftigung. Beide Konjunkturpakete entlasteten die Wirtschaft nachhaltig mit mehr als 500 Millionen €. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Im Jahr 2002 betrug das Defizit des Gesamtstaates 0,6 Prozent des BIP. Das ist deutlich weniger, als noch im Herbst letzten Jahres angenommen wurde, als die Prognose noch bei 1,3 Prozent des BIP lag. Unter dem Strich, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das eine ganz gute Zwischenbilanz, auf die man in Anbetracht der schwierigen gesamtökonomischen Situation Europas und der ganzen Welt stolz sein darf. Österreich gilt heute als ein stabiles und sicheres Land in Europa! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Wir haben mit Stichtag 1. Mai eine Rekordbeschäftigung. Es waren niemals zuvor so viele Menschen in Arbeit. Österreich hat mit 4,1 Prozent die niedrigste Arbeitslosenrate in der Europäischen Union, mit 1,7 Prozent die drittniedrigste Inflationsrate, ein Exportwachstum von über 4 Prozent – doppelt so hoch wie in den übrigen Ländern der Europäischen Union. Und Österreich weist eine Handelsbilanz auf, womit erstmals seit Bestehen der Zweiten Republik ein Überschuss erwirtschaftet werden konnte – und das trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation und den Problemen unseres wichtigsten Handelspartners Deutschland. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Meine Damen und Herren! Reformen sind wichtig, wichtig auch in wirtschaftlich sehr schwierigen Phasen. Es ist wesentlich, dass wir Reformen setzen. Nur wer sich traut, dem wird auch vertraut!
Diese Bundesregierung stellt mit dem Doppelbudget 2003/2004 einen weiteren Baustein sicher. Das ist ein Weg, der ganz deutlich auch die freiheitliche Handschrift trägt. Der erklärte Wille, Österreich zu einem der Top-3-Wirtschaftsstandorte in Europa aufsteigen zu lassen, wird für mehr Investitionen sorgen und wird die Arbeitsplätze sichern. Beschäftigung sichert Einkommen, Wohlstand und sozialer Friede werden damit weiter gewährleistet.
Dies alles schaffen wir aber nur mit weiteren tiefer gehenden Reformen – Reformen wie in der öffentlichen Verwaltung durch die Einsparung von Dienstposten, durch die Abschaffung von Parallelstrukturen und durch den Einsatz moderner Managementmethoden und Controlling-Instrumente in allen Selbstverwaltungskörperschaften und Sozialversicherungsträgern.
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 33 |
Im
Gesundheitsbereich schaffen wir das, wie wir heute schon diskutiert haben,
durch eine vernünftige Lösung bei den Selbstbehalten, bei den ÖBB durch eine
betriebswirtschaftliche Ausrichtung und Erhöhung des
Selbstfinanzierungsgrades, durch die Kürzung gestaltbarer Ermessensausgaben
und die Sicherung der Pensionen auf Dauer. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)
Meine Damen und
Herren! Wir wollen den Weg der Konsolidierung weitergehen, und wir wollen nicht
zulassen, dass bei der Pensionssicherungsreform dem Druck der Straße nachgegeben
wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Es
wäre grotesk, jetzt nachzugeben (Abg. Öllinger:
Was sagt Haider dazu?) und den Bock, der den Garten verwüstet hat, zum
Gärtner zu machen. Das werden wir nicht zulassen, meine sehr geehrten Damen und
Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Wir wollen nicht
nur eine Pensionsreform, sondern wir wollen eine Pensionssicherungsreform auf Dauer. Das ist der entscheidende
Unterschied! Österreich hat zwar eines der verlässlichsten Pensionssysteme der
Welt, hat aber zugleich auch eines der teuersten Pensionssysteme. Wir sind
uns darüber einig, dass das Pensionssystem in Österreich – wie wir es
heute auch schon diskutiert haben – geändert gehört.
Wir leben immer
länger trotz (Abg. Brosz: Trotz
Ihrer Gesundheitspolitik!) beziehungsweise auf Grund einer hervorragenden
Gesundheitspolitik. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist in den letzten
30 Jahren um 8,3 Jahre gestiegen. Die in Anspruch genommenen
Pensionsjahre haben sich in diesem Zeitraum verdoppelt. Vor 30 Jahren
haben die Menschen in Österreich noch 43 Jahre lang gearbeitet, heute
arbeiten sie im Durchschnitt nur noch 37 Jahre lang. Diese Entwicklung
wird sich auch künftig weiter fortsetzen. Um das Pensionssystem finanzieren zu
können, müssen wir Änderungen vornehmen. (Abg. Öllinger: Aber viel Zustimmung erhalten Sie nicht von Ihrer
Fraktion! – Abg. Scheibner – in Richtung des Abg.
Öllinger –: Kümmern Sie sich um Ihre eigene Fraktion!)
Handeln ist also
angesagt, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind nicht nur verantwortlich
für das, was wir tun, sondern wir sind auch verantwortlich für das, was wir
nicht tun! Das sollten wir auch im Zuge der Pensionsreform berücksichtigen. (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
Was passiert, wenn
im Zuge dieser Pensionsreform wieder nichts herauskommt und es wieder nur zu
einem Reförmchen kommt, wie es in der Vergangenheit unter sozialdemokratischer
Führung der Fall war, ein Flickwerk entsteht, das wieder nicht gewährleistet,
dass die Pensionen in Zukunft gesichert bleiben?
Ich habe diese
Broschüre der Arbeiterkammer Vorarlberg durchgelesen. (Abg. Mandak: Das ist die schwarze
Arbeiterkammer!) Darin kommt zum Ausdruck, dass wir, wenn wir nichts täten,
die Beitragssätze um 53 Prozent erhöhen, die Pensionen um 45 Prozent
kürzen, das Pensionsantrittsalter um elf Jahre erhöhen oder Maßnahmen setzen
müssten, die die Zuschüsse aus den Steuergeldern an die Pensionsversicherung im
Jahre 2006 bereits auf 15 Milliarden € anwachsen ließen. (Abg. Öllinger: Das ist doch ein Schmäh von gestern!)
Das sind
Maßnahmen, die wir nicht wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei
Abgeordneten der ÖVP.) Diese Maßnahmen wären unsinnig und unsozial und sind
daher mit uns nicht zu machen. Jedes Monat, das verstreicht, meine sehr
geehrten Damen und Herren der Opposition, kostet uns mehrere Millionen Euro. (Abg.
Öllinger: Aber das stimmt doch
nicht!)
All diese Probleme
sind auf eine verfehlte Familienpolitik der letzten Jahrzehnte zurückzuführen (Abg.
Öllinger: Was soll das wieder
heißen?) und auf eine von der SPÖ in den achtziger und neunziger Jahren
geduldete Frühpensionierungswelle zur Verschönerung der Arbeitslosenstatistik
(Abg. Hagenhofer: Was macht denn
ihr?) in der verstaatlichten Industrie. All das belastet das Pensionssystem
auf Dauer, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das können wir nicht zulassen!
(Beifall bei den Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 34 |
Ich darf noch
einmal das SPÖ-Mitglied und den Ex-ÖGB-Chef Franz Olah zitieren, da das heute
der Parteivorsitzende der Sozialdemokraten schon so strapazierend gemacht hat. (Abg.
Öllinger: Strapazieren Sie uns nicht so!) Franz Olah sagt
richtigerweise:
„Streiks dürfen
sein in einer Demokratie, aber sie lösen das Problem nicht, und das Problem lautet:
zu wenig Kinder, zu wenig Einzahler, zu viel Herausnehmer. Die Ursünde wurde in
den achtziger und neunziger Jahren begangen, als die Politiker die Schleusen
geöffnet haben und die Krise der Verstaatlichten beheben wollten, indem sie
Massen in die Frühpension geschickt haben. Eine Narretei!“
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Ex-ÖGB-Chef Franz Olah muss das wissen, er war
damals mit dabei. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der
ÖVP.)
Der Freiheitlichen
Partei ist es gelungen, in Sachen Pensionssicherungsreform gegenüber dem versendeten
Entwurf der Bundesregierung schon einige Verbesserungen herbeizuführen. Die
unrichtige Propaganda der Sozialdemokraten führt nicht zu einer Versachlichung
oder zu einer Aufklärung, sondern sie stiftet Verwirrung bei den Menschen und
bei den Pensionsbeziehern. Das ist im Interesse des Landes nicht sinnvoll. (Beifall
bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Wittmann: Riess-Passer hat alle mit 55 in Pension geschickt!
„Großartige“ Leistung!)
Sie behaupten,
auch in Pension befindliche Menschen müssen um ihre Pension fürchten. –
Das ist falsch! (Abg. Öllinger:
Nein! Das behaupten Sie, dass das behauptet wird!) In bestehende Pensionen
wird nicht eingegriffen!
Sie behaupten,
alle länger Arbeitenden werden weniger Pension erhalten. – Das ist
ebenfalls falsch! Wer jetzt schon gehen könnte, aber länger bleibt (Abg. Öllinger: Lesen Sie doch nicht Ihre
Broschürchen vor!), für den ändert sich auch künftig nichts.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Ich könnte diese Argumentation jetzt weiter fortsetzen.
(Abg. Öllinger: Nein, bitte!) Sie haben die
Menschen extrem verunsichert mit Berechnungen, die nicht stimmen, Sie haben
brutto mit netto verwechselt. Das sind verfälschte Fakten – eine
Vorgangsweise, die die Menschen nicht schätzen. (Abg. Dr. Cap: Ist der Text von Ihnen? – Abg. Dr. Wittmann: Vom Schüssel! – Abg. Scheibner – in Richtung SPÖ –: Ihr
habt es notwendig!)
Meine sehr
geehrten Damen und Herren von der Opposition! Ihre Dialogverweigerung in Sachen
Pensionsreform reiht sich nahtlos in das Szenario des Jahres 2000 mit der
Anzettelung der EU-Sanktionen und allen Folgen, die wir kennen.
Sie wittern
Morgenluft, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, und Sie haben
es sich mit dieser Pensionsreform-Debatte zum Ziel gesetzt, die Regierung
auszuhebeln. Das ist der eigentliche Grund für Ihre Ablehnung! (Beifall bei
den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner:
So ist es! Auf dem Rücken der Bevölkerung!)
Sie haben die
Donnerstagsdemonstranten in abwehrstreikende Berufsdemonstranten umfunktioniert,
sogar Volks- und Hauptschüler bemüht, zu streiken. (Abg. Dr. Niederwieser: Wo war das?) Sie
haben sie für eine Sache instrumentalisiert, die Schüler nicht verstehen
können. Sie machen sich verantwortlich für einen volkswirtschaftlichen Schaden,
der in Hunderte Millionen Euro geht. Sie riskieren mit dieser Maßnahme
Arbeitsplätze in Österreich. Sie arbeiten nicht konstruktiv, Sie verweigern die
Gespräche am Verhandlungstisch, meine sehr geehrten Damen und Herren von der
Opposition!
Mir geht – und das ist ein offenes Geständnis – der Pensionssicherungsentwurf auch ein wenig zu weit. Die gröbsten Kanten konnten zwar abgeschliffen werden, aber es gibt noch einige Spitzen, an denen wir feilen müssen, wie beispielsweise die Zusammenlegung der Sozialversicherungsanstalten. Sie muss zügiger erfolgen, sie muss effizienter erfolgen. Bei den Politikerbezügen muss eine Einschleifregelung her, eine wirkungsvolle Einschleifregelung, die auch wehtut. Und es muss eine Absicherung für die untersten Pensionsbezieher kommen. Dann ist die Freiheitliche Partei mit im Boot! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Wittmann: Da klatscht
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 35 |
nicht einmal die ÖVP! – Abg. Scheibner – in
Richtung des Abg. Dr. Wittmann –: Schau mal, wer bei dir klatscht!)
Herr Kollege,
eines muss ich Ihnen schon sagen: Mit geballten Fäusten kann man keine Hände
ausstrecken! – Damit haben Sie sich demaskiert. (Beifall bei den
Freiheitlichen.)
Kehren Sie an den
Verhandlungstisch zurück, meine sehr geehrten Damen und Herren von der
Opposition! (Abg. Dr. Wittmann:
Angeblich der Koalitionspartner!) Diskutieren wir über eine sinnvolle,
ehrliche Zukunftssicherung der Pensionen! Als junger Abgeordneter, der erst
seit fünf Monaten in der Politik ist (Abg. Dr. Wittmann: Das merkt man!), wünsche ich mir das. Ich habe es mir
zum Ziel gesetzt, dass es möglich sein muss, eine so wichtige Reformmaßnahme,
die uns alle betreffen wird, in einem Vier-Parteien-Konsens zu beschließen. (Abg.
Dr. Cap: Was sagt die ÖVP
dazu? – Abg. Öllinger: Zurück
an den Start! Dann ist es okay!)
Was passiert, wenn
das nicht gelingt? – Von der nächsten Regierung wird dann wieder herumgebastelt,
kommt es wieder zu einem Flickwerk, und die Menschen werden neuerlich verunsichert.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung setzt im vorliegenden Budgetentwurf
auf die größte Steuerreform der Zweiten Republik, damit sich Arbeit und
Leistung in unserem Land wieder lohnen. Das sind Maßnahmen und Ziele, die auch
wir Freiheitliche in vielen Debatten seit vielen Jahren eingefordert haben.
Besonders wichtig ist uns dabei die Entlastung der kleinen und mittleren
Einkommensbezieher. Für diese Grundsatzhaltung haben gerade wir Freiheitliche
in den letzten Monaten sehr viel riskiert.
Steuerpflichtige
mit einem Bruttojahreseinkommen von bis zu 14 500 € werden künftig
von den Steuern befreit. (Abg. Brosz:
Was ist mit denen, die jetzt schon keine Steuer zahlen?) Damit werden in
etwa 200 000 Österreicherinnen und Österreicher, die heute noch Steuern
zahlen, morgen jeden Euro ihres Einkommens behalten können. Das ist eine große
Entlastung der österreichischen Steuerzahler. (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Dieses Budget
sieht eine gezielte Förderung der Eigenkapitalbildung durch eine Halbierung des
Steuersatzes auf nicht entnommene Gewinne vor. Betriebe bekommen wieder mehr
finanziellen Spielraum. Dies verstärkt die Investitionsanreize, die wir gerade
jetzt, in dieser schwierigen konjunkturellen Situation, brauchen.
Wir machen endlich
Schluss mit der 13. Umsatzsteuervorauszahlung, einem Relikt der SPÖ-Finanzminister.
Wir werden nicht zulassen, dass diese 13. Umsatzsteuervorauszahlung in
Österreich ihr zehnjähriges Jubiläum feiert. (Beifall bei den
Freiheitlichen und der ÖVP.)
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Wohin uns die sozialdemokratische Regierungspolitik
führen kann, sehen wir am Beispiel Deutschlands: geringes Wachstum! Deutschland
war früher eine Wirtschaftslokomotive, Deutschland ist heute der
Wirtschaftswachstumsbremser Europas. Es besteht Handlungsbedarf und die Gefahr,
dass Deutschland heuer wieder einen „blauen Brief“ aus Brüssel erwarten darf.
Das wollen wir
Österreich ersparen. Rot-Grün ist nicht die Antwort auf die Probleme der Zeit.
Wir wollen eine Politik, die die Wirtschaft in Österreich stimuliert, die den
Menschen in unserem Land mehr Einkommen sichert. Ich bin davon überzeugt, dass
die Bundesregierung diese ehrgeizigen Ziele erreichen kann, und ich wünsche
der Bundesregierung bei der Umsetzung alles Gute. (Beifall bei den
Freiheitlichen und der ÖVP.)
11.12
Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr
Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte.
11.12
Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Karl-Heinz! Das war eine brillante Rede!“ – Das stammt aus dem Stenographischen Proto-
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 36 |
koll von
gestern. Das sagte Präsident Dr. Khol zur Rede von Finanzminister Grasser.
(Demonstrativer Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. –
Bundeskanzler Dr. Schüssel:
Stimmt ja auch, war ja wirklich so! Wirklich wahr! – Abg. Scheibner:
Das wird er jetzt nicht sagen!)
Eine „brillante
Rede“. Ich sage, brillant vielleicht im Schmähführen. Vielleicht, denn auch zu
einem brillanten – oder sagen wir –, zu einem eleganten Schmähführen
gehört mindestens eine Voraussetzung, nämlich dass man den simplen
Hausverstand des Ansprechpartners einigermaßen realistisch einschätzt. Zum
Beispiel traut man ihm oder ihr zu, zwei und zwei zusammenzuzählen und
anschließend zu entscheiden, ob das + 4 oder – 4 oder null ist, je nachdem,
welches Vorzeichen die beiden Zweier haben.
In dieser Hinsicht
finde ich die Zumutungen des Finanzministers nicht brillant, sondern geradezu
beleidigend für Abgeordnete dieses Hauses, Herr Präsident Khol. (Beifall bei
den Grünen und der SPÖ.)
Diese Diagnose
möchte ich ausgerechnet – leider ausgerechnet – anhand zweier
Kernstücke aus der Budgetrede des Finanzministers belegen, nämlich anhand
seiner Ausführungen zur so genannten Nettosteuerentlastung und seiner
Ausführungen zum angeblichen Schwerpunkt Bildung, Wissenschaft und Forschung.
In der vom
Finanzministerium herausgegebenen Budgetrede heißt es – leicht gekürzt,
ich zitiere –:
„Diese erste
Etappe der Steuerreform wird ... zu einer Nettoentlastung von 500 Mio.
Euro führen. ... Das sind substantielle erste Schritte. Die Entlastung
kommt! Informieren wir die Bevölkerung! Umfassend und gemeinsam! Das sind
wichtige Impulse, um die Stimmung zu heben.“
Wie ist jetzt
meine Stimmung, anknüpfend an diese Aussage? (Heiterkeit bei den Grünen und
der SPÖ.) – Meine Stimmung wird nicht gehoben, wenn ich entdecken
muss, selbst entdecken muss durch mehr oder weniger detektivische
Recherchen, dass diese Nettoentlastung von 500 Millionen € in
Wirklichkeit eine Belastung von 200 Millionen € darstellt
und von einer Nettoentlastung überhaupt keine Rede sein kann.
Heute habe ich das
wieder gehört von, so glaube ich, Herrn Klubobmann Molterer. Gestern kam von
Bundeskanzler Schüssel dieselbe Aussage. Davon kann überhaupt keine Rede sein – nicht bei den steuerlichen
Maßnahmen und bei den Abgaben insgesamt schon gar nicht! (Beifall bei den
Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Naiv, wie ich
bin – nur zwei Sätze zu meinem persönlichen Weg in diesem
Labyrinth –, naiv, wie ich bin, schaue ich zuerst in das Budgetbegleitgesetz.
Darin gibt es, so muss ich sagen, gute Daten – wenigstens in bestimmten
Teilbereichen – über die fiskalischen Auswirkungen. Das war nicht immer
so, das kann man einmal positiv hervorheben. Allerdings: Die fiskalischen Maßnahmen
auf der rein steuerlichen Seite – Einkommensteuer, Energieabgaben und so
weiter – werden in den Erläuterungen im Effekt mit minus
221 Millionen € im Jahre 2004 angegeben. Und ich Depp, muss ich
sagen, ...
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte, Herr
Kollege, ich muss Sie vor sich selber in Schutz nehmen! (Heiterkeit.)
Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (fortsetzend): Danke! –
Ich Naivling sage in meiner ersten Stellungnahme: Schön, steuerliche Maßnahmen
minus 221 Millionen, überkompensiert durch Maßnahmen bei der Krankenversicherung
und so weiter. Am Abend schaue ich mir das noch einmal an und traue meinen
Augen nicht, zähle die Zahlen noch einmal zusammen: Es sind nicht minus
221 Millionen € bei den Abgaben. Ist Ihnen schon aufgefallen, Herr
Kollege Molterer, dass das plus 221 Millionen € allein
bei den steuerlichen Maßnahmen sind?
Jetzt bin ich ja gar nicht so brutal wie offenbar das Finanzministerium selbst, das nur das Vorzeichen vertauscht hat (Heiterkeit bei den Grünen); eine Entlastung von 221 Millionen ist in Wirklichkeit eine Belastung von 221 Millionen. Da sage ich, das kann jedem passieren, ist
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 37 |
vielleicht nur
ein Druckfehler. Ein Problem entsteht aber, wenn der Finanzminister glaubt, es
sind minus 221 Millionen, obwohl es plus
221 Millionen sind. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Dabei bin ich
persönlich gar nicht so hart wie das Finanzministerium selbst. Ich würde zum
Beispiel die Einfuhrumsatzsteuern von plus 250 Millionen € –
einmaliger Effekt, reiner Liquiditätseffekt – im Jahr 2004 einfach
ignorieren. Das rechne ich gar nicht ein. Lassen wir das weg! Dafür lassen wir
aber auch den Entfall der Straßenbenützungsabgabe weg, denn diese wird entsetzt,
ersetzt – vielleicht auch entsetzt – durch die
LKW-Maut, durch das Road-Pricing. Es ist völlig unsinnig, das hier anzuführen.
Selbst wenn man so großzügig ist, kommt bei den rein steuerlichen Maßnahmen,
bei den Steuern im engsten Sinn – das sind im Wesentlichen die Lohn- und
Einkommensteuermaßnahmen beziehungsweise die Energieabgaben –, ein Plus
von 50 Millionen € im Jahre 2004 heraus – nach den Angaben
des Finanzministeriums selbst.
Wir reden hier vom
Budget 2003/2004 und nicht darüber, was sich vielleicht im Jahr 2012 irgendwie
auswirken wird. Wenn der Finanzminister von 500 Millionen € minus
ausgeht, dann muss er irgendetwas kumulieren, wenn er überhaupt eine
Vorstellung von dem hat, was er sagt. Über Jahre und Jahre, irgendwann
vielleicht, ja, wenn man das kumuliert, aber nicht jetzt für das Budget 2004.
Das sind keine
eigenen Daten, meine Damen und Herren! Ich verlasse mich darauf, dass das, was
das Finanzministerium hier vorlegt, einigermaßen stimmt. Da streiten wir uns
nicht um eine Million auf oder ab. Sagen wir 50 Millionen plus bei den
rein steuerlichen Maßnahmen, rund 300 Millionen plus bei der Krankenversicherung!
Das ist ordentlich, meine Damen und Herren.
Zu den so
genannten strukturellen Maßnahmen, von denen Sie früher immer geredet haben, zu
den Maßnahmen bei den Medikamenten, da finde ich übrigens nichts. Erhöhung der
Krankenversicherungsbeiträge: 300 Milliarden. (Abg. Dr. Stummvoll:
300 „Milliarden“?) – Rund 300 Milliarden, 317, wenn Sie es
genau wissen wollen. (Rufe: Millionen!) 300 Millionen. Sorry!
Millionen, schlimm genug! – Minus der rund 150 Millionen € bei den
entfallenden Beiträgen für Arbeitnehmer über 60 beziehungsweise über 56. Da
kommen wir auf einen Betrag von plus 200 Millionen € im Jahre 2004.
Und jetzt habe ich
noch kein Wort über die Pensionsversicherung verloren. Ich werde das auch nicht
tun in dieser Rede heute, sondern ich konzentriere mich auf die ganz
„normalen“ – unter Anführungszeichen – budgetären Maßnahmen. Zur
Pensionsversicherung kein Wort!
Ich habe auch noch
nicht die Änderungen bei den Selbstbehalten, die Erhöhungen bei den Selbstbehalten
in der Krankenversicherung berücksichtigt, aus dem schlichten Grund, weil ja weder
in der Budgetrede noch im Budget selbst dazu Zahlen zu finden sind, weil Sie
selber noch nicht wissen, was Sie diesbezüglich eigentlich machen wollen und
können.
Schauen wir: Was
ist jetzt das Ergebnis? Versuchen wir einmal, dieses Ergebnis auf das
Jahr 2005, wenn die nächste Reform kommt, fortzuschreiben. Ich versuche
immer, etwas zu lernen. Es ist uns gesagt worden: minus 500, aber in Wahrheit
sind es plus 200. Das heißt: Man nehme den Betrag, der behauptet wird, davon
40 Prozent – von 500 sind das 200 –, vertausche das Vorzeichen,
und das ist das echte Ergebnis.
Also: Nach dieser
Rechnung sind es 2,5 Milliarden € im Jahre 2005. Nicht wahr, Herr
Kollege Molterer? (Der Redner lacht bei diesem Satz. – Abg. Mag. Molterer:
Sie müssen ja selber lachen!) 40 Prozent sind 1 Milliarde €.
Dann werden die Vorzeichen vertauscht. Also 1 Milliarde plus im Jahre 2005
ist das, was der Finanzminister in Wahrheit meint. (Beifall bei den Grünen
und der SPÖ.) Das natürlich with tongue in cheek, das ist schon klar, aber
diese Art von Umgang mit Daten wird uns heute zugemutet.
Dabei muss ich nachschicken: Die Strukturreform bei den Steuern und Abgaben finde ich im Prinzip nicht verkehrt. Im Gegenteil! Darüber kann man durchaus reden. Die Steuern auf die Arbeit bei den Arbeitnehmern und bei den Arbeitgebern senken, im Gegenzug die Steuern auf nicht erneuerbare Ressourcen erhöhen, das ist im Prinzip der richtige Weg. Im Detail hätten wir
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 38 |
zwar einiges anders gemacht, aber darüber
hätte man reden können. Aber das kann man nicht, wenn man vorher vom
Finanzminister – wie heißt es? – „genasführt“, also an der Nase herumgeführt
wird, wenn er uns am Schmäh gehalten hat.
Was soll das? Ist
das brillant? Wenn man Daten verwendet, die der budgetären Wahrheit diametral widersprechen, das
ist brillant? – Mir fallen, um das zu charakterisieren, schon Worte ein,
aber diese Worte haben eine bedauerliche Ähnlichkeit mit jenen, für die gestern
ein Abgeordneter einen Ordnungsruf erhalten hat. (Beifall bei den Grünen
und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Aber mindestens
genauso schlimm finde ich das, was uns im Bereich Forschung und Entwicklung,
Bildung und Wissenschaft zugemutet wird. Kollege Gusenbauer hat es schon
angedeutet, ich möchte es jetzt noch, wenn Sie es so wollen, auswalzen.
Ich war zunächst
wirklich beeindruckt von dem, was der Herr Finanzminister sagte, nämlich: klare
Prioritäten für den Zukunftsbereich Bildung und Wissenschaft,
8,2 Milliarden € 2003, 9 Milliarden € 2004. – Da
denkst du dir: Wumm! 800 Millionen € plus! Endlich! So oft
enttäuscht, aber jetzt endlich! Dann schaust du im Tabellenteil der Budgetrede
unter „funktionelle Gliederung der Ausgaben“ nach, und da denkst du dir: Wow!
Der Anstieg von 2003 auf 2004 beträgt ja noch mehr als
800 Millionen €! Da fragst du dich ja schon, ob das die Absorptionsfähigkeit
des Sektors nicht schon erschüttert. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen
und der SPÖ.)
Naiv, kann ich nur
sagen! Dann gehst du ein bissel ins Detail, lässt dir von Kollegen, die sich da
auskennen, helfen, schaust nach unter Titel 149 und siehst:
734 Millionen € auf der Ausgabenseite und auf der Einnahmenseite
neu, zusätzlich. – Ich komme darauf gleich zurück.
Tatsächlich
erhalten die Unis 2004 einen Betrag, der fast gleich hoch, der etwas höher ist
als jener von 2002. Dabei muss man aber schon berücksichtigen, dass die Unis
inzwischen Studienbeiträge im Ausmaß von rund 150 Millionen erhalten
und sie eigentlich mindestens um diesen Betrag mehr erhalten müssten, sodass
man jetzt daraus schließen muss: Im Gegenteil, die öffentlichen Mittel wurden
durch die Studienbeiträge substituiert statt erhöht, wie seinerzeit versprochen
wurde. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Jetzt frage ich
Sie, Herr Kollege Stummvoll, und alle anderen Wirtschaftstreibenden oder jene,
die sich in diesem Bereich halbwegs auskennen, im Gegensatz zu mir: Wie
beurteilen Sie schlichte Maßnahmen der Bilanzverlängerung, wenn die auf eine
Weise interpretiert werden, wie es Finanzminister Grasser gestern getan hat?
Nehmen wir
folgendes Beispiel: Ein Unternehmer, ein Kaufmann, findet, er hat
1 Million € zu wenig in der Kasse oder auf der Bank. Er geht zur
Bank, nimmt einen Kredit auf und kriegt die Million, hat diese jetzt auf seinem
Bankguthaben, sozusagen links in der Bilanz, und rechts steht natürlich die
1 Million an zusätzlichen Verbindlichkeiten. An seinem Vermögen ändert
sich nichts. Jeder weiß das. Seine Netto-Vermögensposition ist völlig
unverändert. Dann geht dieser Unternehmer, dieser Kaufmann, her und behauptet –
nehmen wir das nur einmal an! –, er stünde jetzt um 1 Million €
besser da als zuvor. Er verwendet dafür nur die linke Seite seiner Bilanz, die
Aktivseite. (Abg. Öllinger: Das ist ein Buchhaltungsskandal, haben
wir gestern gehört!) Wenn dieser Kaufmann – und da werden Sie mir
zustimmen, Herr Stummvoll – anderen gegenüber argumentativ so vorgeht,
dann steht er unter dringendem Betrugsverdacht.
Wenn er das selbst
glaubt, wie würden Sie ihn dann bezeichnen? Als brillant? (Heiterkeit und
Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Ich muss dem
hinzufügen: Ich kenne keine solchen Unternehmer, wohl aber kenne ich einen Finanzminister,
der uns so etwas zumutet. Er bucht 734 Millionen € links zu, auf der
Ausgabenseite, und gleichzeitig bucht er 734 Millionen € auf der
Einnahmenseite neu, zusätzlich. In der Summe ändert sich nichts. – Erster
Schritt.
Zweiter Schritt: Dann schaut er nur auf die Ausgabenseite, auf die linke Seite, und sagt: Wow, 734 Millionen € plus! Um so viel sind die Ausgaben rein optisch gestiegen. Da hat er Recht!
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 39 |
Doch er sagt nicht dazu – dritter
Schritt –, dass rechts durch eine reine Umbuchungsmaßnahme der gleiche
Betrag wieder aufscheint, sodass sich in der Summe null ändert. (Abg.
Dr. Wittmann: Das ist ein Skandal! – Abg. Mag. Posch:
Das ist ein Künstler!)
Diese Art von
Zukunftssicherung, diese Art von Prioritätensetzung, diese Art von Superprioritätensetzung,
diese Interpretation, das nennen Sie brillant?! Dabei muss ich dazusagen: Der
Vorgang als solcher, die budgetäre Vorgangsweise als solche ist vollkommen
korrekt. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das hängt
zusammen – aber ich will Sie damit nicht aufhalten – mit der
Ausgliederung der Universitäten. Das ist vollkommen korrekt. Aber die
Interpretation des Finanzministers, anschließend die des Bundeskanzlers
Schüssel gestern und die des Kollegen Molterer heute, glaube ich – ich
kann mich jetzt nicht mehr genau erinnern –, die ist ein Witz! (Beifall
bei den Grünen und der SPÖ.)
Die Universitäten
bekommen deswegen nicht mehr. Von diesen 800 Millionen € zusätzlich
sind 734 Millionen € non-existent. Es ist, finde ich, eine Zumutung
für Abgeordnete dieses Hauses, selber herausfinden zu müssen, was sich hinter
solchen Zahlen verbirgt. Es ist keine
brillante Zumutung, sondern das ist eine unverschämte Zumutung! (Beifall
bei den Grünen und der SPÖ.)
Ich meine,
angesichts dieser Täuschungsmanöver, die ich nur als skandalös bezeichnen kann,
ist man natürlich versucht, allen anderen Angaben, seien es Daten, seien es
inhaltliche Aussagen, mit einer, sagen wir einmal, angemessenen Skepsis zu
begegnen. Das will ich jetzt gar nicht tun, ich habe auch keine Zeit dazu. Aber
die zwei Sachen allein – das habe ich bisher in einer Budgetrede nicht erlebt!
Ich will mich jetzt gar nicht aufregen und anführen, was alles aus der
Vergangenheit und von gestern man noch kritisieren könnte, aber diese Art der
Vorgangsweise ist absolut inakzeptabel. (Beifall
bei den Grünen und der SPÖ.) Ein Abgeordneter ist kein Detektiv, er wird
nicht dafür bezahlt, detektivische Kleinarbeit zu leisten, um herauszufinden,
ob das, was der Minister oder die Ministerin gerade sagt, der Wahrheit
entspricht, halbwegs der Wahrheit entspricht oder die glatte Unwahrheit
darstellt. Dafür werden wir
nicht bezahlt, Herr Klubobmann Molterer! (Neuerlicher
Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Wir
werden Ihnen das Budget nicht vorkauen!)
Nun ganz kurz zur
Wachstumsbeeinflussung durch das Budget: Das Budget 2003 wirkt meiner Einschätzung
nach leicht expansiv, das ist daher korrekt in dieser Konjunkturentwicklung.
Für das Jahr 2004 kann man das leider nicht sagen. Da wird es vor allem
auf Grund der Abgabenerhöhungen leicht kontraktiv wirken, und angesichts der
jetzigen Konjunktursituation – zugegeben, es vergeht noch ein halbes
Jahr – ist das sehr problematisch. Wir würden es richtiger finden,
angesichts der Risken, die es da gibt – gestern haben wir viele Sachen
über die Risken und den Umgang damit gehört –, einen Teil der
Steuerentlastung 2005 – nehmen wir einmal an, es ist wahr! – auf
2004 angesichts dieser Konjunkturlage vorzuziehen.
In diesem
Zusammenhang möchte ich sagen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien:
Wenn ich das mit den Arbeitsmarktdaten und dem Handelsbilanzüberschuss und dem
Leistungsbilanzüberschuss noch zehnmal höre, dann werde ich schon relativ
grantig. Wir alle wissen doch, dass die Globalzahl über die Beschäftigten auf
dem Arbeitsmarkt relativ wenig, um nicht zu sagen, sehr wenig aussagt. Sie
müssen immer dazusagen, wie viel von dem Zuwachs die KarenzgeldbezieherInnen
beziehungsweise die KindergeldbezieherInnen ausmachen, wie viel davon
teilzeitbeschäftigt sind, wie viel geringfügig beschäftigt sind und so weiter.
Wenn Sie immer nur sagen, das sei um 10 000 oder 30 000 gewachsen,
dann muss ich Ihnen sagen: Das sagt ja nichts über die Entwicklung auf dem
Arbeitsmarkt aus! (Beifall bei den Grünen
und der SPÖ.)
Was die Leistungsbilanz und den Handelsbilanzüberschuss betrifft, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, muss ich sagen: Wenn Sie sich einmal nur halbwegs für Ökonomie interessiert haben, dann werden Sie feststellen: Das ist ein typisches Phänomen für ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich bin kein Experte. Ich tue gar nicht so. Das ist eine Trivialität. Das ist ein typisches ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll.) Herr Stummvoll, das wissen Sie doch besser als ich! Das ist ein typisches Charakteristikum für Staaten, denen es konjunkturell,
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 40 |
wachstumsmäßig um einiges schlechter geht als anderen. Die
erzielen einen Leistungsbilanzüberschuss beziehungsweise
Handelsbilanzüberschuss. Damals, in den siebziger Jahren oder irgendwann
später, haben wir genau das entgegengesetzte Problem gehabt. Sie werden sich
daran noch erinnern können, Herr Stummvoll! Damals haben wir den dritten
Mehrwertsteuersatz, den so genannten Luxussteuersatz eingeführt, um das
umgekehrte Problem zu bewältigen: den Importüberschuss angesichts der genau
umgekehrten Konjunkturlage. Also bitte schön, das sind keine Verdienste, dieser
Handelsbilanz-, dieser Leistungsbilanzüberschuss weist eher auf Versäumnisse
der Regierung hin. (Abg. Dr. Fasslabend:
Dürftig ist das! Das ist dürftig!)
Zur Verteilung
werde ich mich fast ausschweigen, weil ich fürchte, dass ich nur noch eine Minute
Redezeit habe.
Wir begrüßen die
Steuerfreistellung bis zu 14 000 € pro Jahr, aber ich möchte auch auf
eines hinweisen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien: Die
untersten Einkommensschichten treffen Sie damit nicht positiv, denn die
zahlen ohnehin keine Lohn- und Einkommensteuer, sondern die Begünstigung
konzentriert sich auf Bezieher von Einkommen in der Höhe von etwa 900 €
bis 1 100 € pro Monat. Die Bezieher der untersten Einkommen, darunter
viele Pensionisten, Mindestpensionisten, werden aber sehr wohl von erhöhten
Krankenversicherungsbeiträgen und von den Maßnahmen bei der
Energiebesteuerung betroffen. (Beifall
bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Daher würden wir
Grüne dringend dafür plädieren, durch Maßnahmen im Bereich der so genannten
negativen Lohn- und Einkommensteuer auch die Bezieher der untersten Einkommen
zu begünstigen. Ich glaube, mit einem Betrag von rund 200 Millionen €
kann man da sehr viel zugunsten der Bezieher der alleruntersten Einkommen
bewegen, die nach Ihren Vorschlägen netto belastet statt entlastet werden. (Abg. Dr. Fasslabend: Der
Präsident hat gesagt, man müsse Sie vor sich selbst schützen! Das ist richtig! –
Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)
Mein Schlusssatz,
Herr Präsident, ein Postskriptum: Die Israelitische Kultusgemeinde in Österreich
steht seit Jahren vor ernsthaften finanziellen Problemen, und ich meine, es
stünde der Republik gut an, diese Frage endlich einvernehmlich zu lösen; es
geht dabei nicht um sehr viel Geld. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
11.33
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu Wort gemeldet
hat sich Herr Bundeskanzler Dr. Schüssel. Unsere Vereinbarung über die
Redezeiten sieht in diesem Fall 12 Minuten vor. – Bitte, Herr Bundeskanzler.
11.33
Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass ich Ihnen
als Vorsitzender dieser Bundesregierung neun Wochen nach unserer Angelobung
die Budgets für 2003 und 2004 sowie eine langfristige Pensionssicherungsreform,
eine nachhaltige Reform der Krankenkassen und einen ersten wichtigen großen
Entlastungsschritt präsentieren kann. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Dazu kommen einige
massive Impulse für die Familien. Überlegen Sie, dass wir allein in diesem
Jahr 340 Millionen € oder 5 Milliarden Schilling mehr für die
österreichischen Familien, für Eltern und Kinder zur Verfügung stellen, und
darauf sind wir gemeinsam stolz, meine Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wir haben in
diesem Budget massive Ausbildungsimpulse vorgesehen. Es wird für 5 000 arbeitslose
Jugendliche zwischen 19 und 25 Jahren ein 18-monatiges
Weiterbildungsprogramm geben. Auch das ist in dieser Zeit wichtig. (Abg. Reheis: Wahlrede!) Das ist
keine Wahlrede, sondern das ist die Darstellung gelebter Praxis, meine Damen
und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Reheis:
Das ist eine Wahlrede!)
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 41 |
Natürlich ist es
ein absoluter prioritärer Schwerpunkt, dass wir im Bereich der
Infrastruktur – diese Zahlen sind übrigens von den Sprechern der
Opposition gar nicht dementiert worden – 50 Prozent mehr für Schiene
und Straße ausgeben, als dies im Jahre 1999 der Fall war. Das ist ein
besonderer Schwerpunkt in der Vorbereitung auf die EU-Erweiterung für
Österreich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Natürlich stellen
Bildung und Forschung einen besonderen Schwerpunkt dar.
Erlauben Sie mir
aber jetzt, auch einige Punkte zur Oppositionskritik zu sagen. Zunächst einmal
komme ich zur Klage von Alfred Gusenbauer, wir würden Defizite machen. –
Richtig, wir gehen in einer schwierigen Zeit, in welcher es falsch wäre, die
wirtschaftliche Lage durch Sparmaßnahmen zu verschlechtern (heftige Zwischenrufe bei der SPÖ),
einen eher expansiven Kurs, wie es auch Professor Van der Bellen
richtigerweise gesagt hat. Nur: Unsere Defizite in der Höhe von rund 1,5 Prozent
liegen meilenweit unter allen Defiziten, die
sozialdemokratische Kanzler oder Finanzminister je gemacht haben. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Ich darf Ihnen die
Zahlen hier nennen: In den ersten fünf Jahren hat Bruno Kreisky noch von der
guten Substanz der Politik der ÖVP-Kanzler und der ÖVP-Finanzminister gelebt (neuerliche heftige Zwischenrufe bei der
SPÖ), aber seit 1976 haben
sozialdemokratische Kanzler und Finanzminister immer zwischen 2 und
5 Prozent Defizit gemacht. Dagegen ist das, was Karl-Heinz Grasser hier
vorgelegt hat, brillant, Herr Professor Van der Bellen! (Beifall bei der
ÖVP und den Freiheitlichen.)
Noch etwas: Ich
bin ja auf die Detaildiskussion im Rahmen des Budgets sehr gespannt. Soweit ich
es verstanden habe, kritisieren Sie die Pensionssicherungsreform: Sie wollen in
diesem Bereich alles verschieben. Ich habe bisher keinen Vorschlag gehört, wie
Sie
die Defizite bei den Krankenkassen beheben wollen. Ich bin überzeugt davon,
dass Sie bei jedem einzelnen Budgetkapitel kritisieren werden, dass zu
wenig Geld eingesetzt wird, aber Sie scheuen sich nicht, sich hierher
zu stellen und zu sagen, das Defizit sei zu hoch. Diesen „Stein der Weisen“,
bitte, einmal in Ruhe und sachlich zu erklären, wie Sie das machen wollen:
Defizite kritisieren und immer mehr verlangen! (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Nun zu den Unis,
lieber Herr Professor: Wenn Sie ganz genau die Unterlagen lesen und wenn Sie
dann bei den Detaildiskussionen alles mit uns in Ruhe diskutieren werden, dann
werden Sie draufkommen, dass in Österreich für die Bildung noch nie so viel
ausgegeben wurde wie in diesen Jahren. (Abg.
Reheis: Das glaubt Ihnen niemand!) Sie werden draufkommen, dass
selbst nach der Ausgliederung die Steigerung fast 2 Milliarden Schilling für
die Universitäten ausmachen wird. Darauf sollte man sich, glaube ich, einigen!
Bitte, Herr
Professor, wenn Sie sich jetzt herstellen und sagen, da gibt es eine
Ausgliederung und das Ganze sei ein Plus/Minus-Geschäft oder praktisch nichts
anderes als eine Bilanzverlängerung, dann muss ich sagen: Das stimmt ganz
einfach nicht, denn der große Unterschied ist, dass damit die Universitäten die
volle Verantwortung, die Kontrolle und auch die Souveränität haben, Geld
auszugeben, das nicht mehr vom Finanzminister gekürzt werden kann. Das ist der
„Witz“ dabei! Das ist der Charme dieser Ausgliederung, und deswegen ist sie
wichtig, Herr Professor! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. –
Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Ich hätte ja
nichts dagegen, wenn es die erste Ausgliederung wäre, die wir in diesen drei
Jahren gemacht haben, aber es ist, lieber Herr Professor, die vierzigste
Ausgliederung – und dass Sie jetzt erst draufkommen, dass der
Effekt der ist, dass der ausgegliederte Betrieb dann über das gesamte
Geld frei verfügen kann, das ist mir neu, aber das ist wahrscheinlich auch ein
Beitrag zur Sachlichkeit in diesem Hohen Hause! (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei den Grünen.)
Meine Damen und Herren! Was den Arbeitsmarkt betrifft – auch wenn Sie grantig werden; ich will Sie nicht grantig machen, das wissen Sie, ich schätze Sie außerordentlich, aber selbst dann, wenn Sie noch einmal grantig werden, muss ich darauf hinweisen, Herr Professor –: Was denn sonst ist das entscheidende Kriterium für die Qualität des Arbeitsmarktes als die Statistik,
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 42 |
als die Zahl
jener Menschen, die Arbeit in Österreich haben?! Das ist Herbert Haupt und mir
wichtig – und nicht irgendeine virtuelle Statistik! (Beifall bei der
ÖVP und den Freiheitlichen.)
Natürlich wissen
Sie, dass geringfügig Beschäftigte gar nicht in der Arbeitsmarktstatistik aufscheinen,
und natürlich wissen Sie, dass die Präsenzdiener und die Kindergeldbezieher
offen ausgewiesen werden, und natürlich wissen Sie, dass wir heute gegenüber
dem Vorjahr um 38 000 Menschen mehr in Beschäftigung haben. (Abg. Dr. Matznetter: Das
glauben Sie selber nicht!) Und wenn Sie alle Karenzgeldbezieher und
Präsenzdiener herausrechnen, sind es immer noch um 8 000 mehr! Und
darauf sind wir gemeinsam stolz, meine Damen und Herren! (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Der große
Unterschied zur rot-grünen Koalition in Deutschland ist der, dass wir in
Österreich am 1. Mai, am Tag der Arbeit, eine Rekordbeschäftigung zu
verzeichnen hatten und die Zahl der Arbeitslosen gleich geblieben war, während
Deutschland 470 000 Arbeitslose mehr auswies. Jetzt werden Sie nicht mehr
grantig, Herr Professor, wenn ich sage: Darauf können wir gemeinsam stolz sein,
dass wir hier besser dastehen als andere Länder, mit denen wir einen sehr starken
Handelsverkehr haben und von deren Situation wir daher nicht unberührt sind. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Aus Zeitmangel
werde ich heute nur wenig über die Pensionsreform sagen, aber doch erwähnen,
dass mittlerweile das geheimnisvolle Pensionskonzept des ÖGB aufgetaucht ist.
Es wurde vom Präsidenten des Oberösterreichischen ÖGB an unseren Klubobmann
Willi Molterer verschickt, und es ist natürlich nicht uninteressant, sich
einmal anzusehen, wie denn dieses geheimnisvolle Konzept, von dem alle reden,
ausschaut.
Ich darf es Ihnen
hier sagen: Es sieht ein einheitliches Pensionssystem vor – das wollen wir
alle! (Abg. Öllinger: Aber Sie
machen es nicht!) Ich habe Sie eingeladen, Herr Präsident Verzetnitsch:
Arbeiten Sie mit uns mit, damit wir im Herbst ein solches einheitliches Konzept
präsentieren können! Das ist wichtig und steht für
mich außer Streit! (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Als zweiter Punkt
wird hier angeführt: Reform der Verteilung des Bundesbeitrages, denn der sinkt
ohnehin, auch ohne Reform. – Also: Wenn das das Konzept des
Gewerkschaftsbundes ist, dass entgegen der Realität, dass jedes Jahr der
Bundesbeitrag in absoluten Zahlen, im Budget nachlesbar, steigt, gar nichts
gemacht werden muss, dann wundere ich mich schon.
Der dritte Punkt
lautet: Vereinheitlichung der Beitragssätze – das heißt natürlich
Beitragserhöhungen. Weiters: Verbreiterung der Finanzierungsbasis der
Pensionen – das heißt natürlich wieder Beitragserhöhungen. Weiters:
Berücksichtigung der gesamten Wertschöpfung – das heißt Wertschöpfungsabgabe,
die 1991 noch der Beirat beziehungsweise alle Sozialpartner abgelehnt haben.
Dann heißt es hinten noch, die private Altersvorsorge sei teuer und unsicher.
Man polemisiert gegen die zweite und dritte Säule der Pensionsvorsorge. –
Das ist das Alternativkonzept.
Jetzt sage ich
Ihnen ganz offen: Dann weiß hoffentlich die Bevölkerung, warum es wichtig ist,
dass wir jetzt eine nachhaltige, sinnvolle und sozial ausgewogene Reform
gemeinsam beschließen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Herr Präsident
Verzetnitsch, ich schätze Sie sehr, und ich schätze Sie als einen Politiker,
der seine Meinung sagt, klar und offen vertritt, der zugleich aber auch einen
Stil wahrt. Ich bitte Sie daher, gerade auch in diesen schwierigen Tagen
darauf zu drängen ... (Zwischenruf
des Abg. Gradwohl.) – Ich versuche es auch! Entschuldigen Sie,
Sie können mir viel nachsagen, aber ich bemühe mich sehr um einen anständigen,
ordentlichen Stil im Umgang miteinander. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen. – Abg. Gradwohl: Wo? Wo?)
Ich nenne Ihnen drei kurze Beispiele, wo ich Sie wirklich bitte, Ihren Einfluss geltend zu machen, dass solches nicht geschehen möge. Ich habe hier ein Flugblatt der Gemeindebediensteten, auf welchem Folgendes steht: Wenn die Bundesregierung ihre Absichten durchpeitscht, wird das Essen in den Spitälern und Pflegeheimen schlechter werden, die Qualität der ge-
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samten Gesundheitsversorgung steht auf dem Spiel. – Bitte, Herr
Präsident, versuchen Sie, Ihren Einfluss geltend zu machen, dass diese
Angstmache aufhört! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Zweites Beispiel:
Ich habe hier einen Brief des oberösterreichischen ÖGB-Vorsitzenden und Arbeiterkammer-Vorsitzenden –
ich sage das, damit Sie nicht glauben, dass das von mir erfunden ist; dieser
Brief ging übrigens an alle Bürgermeister –, in welchem steht: Die Streichung
der Notstandshilfe kommt nicht nur arbeitslose Menschen teuer zu stehen,
sondern wird auch viele Gemeinden ins finanzielle Chaos stürzen. Helfen Sie
mit, die Abschaffung der Notstandshilfe zu verhindern!
Herr Präsident
Verzetnitsch! Wahr ist – und ich ersuche Sie, da genau den Stil zu wahren,
den wir bisher eigentlich gewohnt waren –, und das steht so im
Regierungsprogramm, dass wir zusammen mit den Ländern überlegen, den
Aufgabenbereich betreffend die jetzige Notstandshilfe vom AMS an die Länder zu
übertragen (anhaltende Zwischenrufe bei
der SPÖ) und damit eigentlich eine gemeinsame Auszahlung und Prüfung zu
ermöglichen. Helfen Sie mit, diesen schlechten Stil mancher Ihrer Funktionäre
zu beenden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Letzter Punkt: In
einer Wochenzeitung steht, dass jetzt die Firmen von Ministern, die dieser
Regierung angehören, Abgeordnete unserer Fraktionen und Freunde, die uns ihren
Sachverstand, ihren Rat geben, ins Visier genommen werden sollen. Angeführt
werden unter anderem Böhler-Uddeholm und weitere Firmen.
Ich bitte Sie
sehr, Herr Präsident Verzetnitsch, dagegen etwas zu unternehmen, denn das ist
kein Stil, den wir einreißen lassen dürfen! Gemeinsam müssen wir da vorgehen,
und ich werde auch meinen Beitrag dazu liefern. Es darf kein frei gewählter
Abgeordneter des Nationalrates unter Druck gesetzt werden! Es darf kein
Minister, dessen Familie – er selbst darf gar nicht mehr in der Firma
arbeiten – den Betrieb führt, unter Druck gesetzt werden! Es dürfen nicht
Berater einer demokratisch gewählten Regierung quasi an den Pranger gestellt
werden! Ich bitte Sie, mit allem Ernst: Helfen Sie mit, dass dieser Stil
nicht Wirklichkeit wird! Es wäre absolut notwendig. (Beifall bei der ÖVP und
den Freiheitlichen.)
Ein allerletzter
Satz: In Deutschland hat Gerhard Schröder in Wahrheit ganz genau die gleichen
Probleme. Es ist richtig: Reformen sind notwendig! Der Unterschied ist der:
Dort gibt es eine verantwortungsvolle Opposition, die bereit ist,
mitzuarbeiten. Ich ersuche Sie: Helfen auch Sie mit bei einer so
verantwortungsvollen Arbeit für Österreich! (Lang anhaltender Beifall bei
der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Matznetter:
Schröder führt einen Dialog!)
11.46
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte.
11.47
Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine Herren
auf der Regierungsbank! Ich möchte ganz kurz auf die bisherige Debatte eingehen
und davon als überaus positiv hervorheben, dass beide Oppositionsführer, sowohl
Dr. Gusenbauer als auch Professor Van der Bellen, eine Stelle in ihrer
Rede hatten, wo sie gemeint haben: Wir haben gelernt! (Abg. Brosz: Wir haben
gelernt, dass das Budget gefälscht ist!)
Herr Professor Van
der Bellen! Ich halte das wirklich für menschlich sympathisch, wenn man das
zugibt, aber Ihr Problem wird eben sein – das gilt auch für den Kollegen
Gusenbauer –, dass Sie das, was Sie hier lernen, in absehbarer Zeit nicht
in Regierungsverantwortung umsetzen können, weil der Platz des Bundeskanzlers
für den Meister bestimmt ist und nicht für den Lehrling, meine Damen und
Herren. (Beifall bei der ÖVP.)
Lassen Sie mich nun zu diesem Doppelbudget 2003/2004 kommen. (Abg. Brosz: Sie sollten über Ihre Pension reden!) Meine Damen und Herren! Es ist eine alte Erfahrung: Je schwächer Ihre Argumente, desto lauter Ihre Zwischenrufe! Merken Sie sich das! Finden Sie bessere
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Argumente, dann
brauchen Sie keine so lauten Zwischenrufe! (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Brosz: Sie haben eine Doppelpension!)
Meine Damen und
Herren! Nun aber zurück zum Doppelbudget. Dieses Budget 2003/2004 ist erstens
ein Budget der Stabilität, es ist ein Budget der Verantwortung, es ist ein
Budget der Zukunftsgestaltung. (Abg. Öllinger:
Sprechen Sie zu den Pensionen!) Diese Bundesregierung begreift Politik
nicht als Tages-Hickhack, sondern als Zukunftsgestaltung, als Verantwortung für
die Zukunft. (Abg. Dr. Wittmann:
Wie viel Pensionen beziehen Sie? Drei Pensionen!) Diese Regierung hätte
ein viel leichteres Leben, wenn sie diese Reformen nicht machen würde, aber die
übernächste Regierung würde dann wahrscheinlich vor dem Zusammenbruch des Pensionssystems
stehen. Das ist gelebte Verantwortung für die Zukunft, meine Damen und Herren!
Genau das ist der Unterschied zwischen Regierung und Opposition.
Meine Damen und
Herren! Lassen Sie mich eines sehr deutlich sagen: Ich glaube, das Wertvolle
dieses Doppelbudgets besteht aus meiner Sicht darin (Abg. Öllinger: Das glaube ich: Aus Ihrer
Sicht ist das wertvoll!), dass diese Budgets nicht erratisch isoliert in
der Landschaft stehen, sondern sich nahtlos einfügen in eine Strategie mit der
Zielsetzung: Wo soll Österreich 2010 stehen? Diese Regierung ist die erste
Regierung, die über Legislaturperioden hinaus denkt, und die Zielsetzung des
Bundeskanzlers: Wir wollen Top 3 in Europa werden!, ist eine langfristige strategische
Ausrichtung.
Da gibt es drei
strategische Ziele wirtschaftspolitischer Art:
Erstens:
Stabilität im Staatshaushalt. – Das Nulldefizit ist – und das haben
wir immer gesagt – der Startschuss für eine über den Konjunkturzyklus
ausgewogene, ausgeglichene Budgetpolitik. Es wäre absurd zu sagen: Jedes Jahr
muss unter dem Strich genau null Komma null herauskommen – beim
Bundesbudget, bei den neun Landesbudgets und bei weit über 1 000 Gemeindebudgets!
Es geht um Stabilität, gesehen über den Konjunkturzyklus. Dieses Budget ist ein
Beitrag zur Erreichung des strategischen Zieles, das da heißt: Stabilität im
Staatshaushalt.
Zweite
Zielsetzung: Investitionen in die Zukunft. Wir werden bei den Budgetberatungen
die Zahlen, die Sie in Frage stellen, Herr Kollege Van der Bellen, noch sehr
ausführlich diskutieren. Nur: Ich bitte um Verständnis, aber ich glaube den
Zahlen, die die Experten des Finanzministeriums zusammengestellt haben,
natürlich schon mehr als Ihren Zahlen (Abg. Dr. Van der Bellen: Das sind die Zahlen des Finanzministeriums!),
zumal Sie selbst gesagt haben, Sie seien kein Experte. Ich glaube den Experten
des Ressorts mehr als Ihren Angaben.
Es lässt sich halt
nicht abstreiten, wenn man einen Vergleich zwischen 1999 – alte
Regierung – und dem Budget 2004 zieht (Abg. Dr. Van der Bellen: Warum
nicht 1951?): Wir haben hier Zukunftsinvestitionen, bei denen es gewaltige
Steigerungen gibt.
Herr Kollege, Sie
können noch so viel lächeln: Es ist eine Steigerung, wenn man für Bildung und
Wissenschaft im Jahr 1999 7,5 Milliarden € ausgegeben hat
und im nächsten Jahr 9 Milliarden € ausgibt. Das ist eine
Steigerung um 20 Prozent! (Abg.
Dr. Van der Bellen: Nein! Er
hat es immer noch nicht verstanden!)
Es ist ein
Unterschied, Herr Kollege Van der Bellen, ob ich für das hochrangige
Straßennetz – das liegt mir auch als Abgeordnetem meines Wahlkreises sehr
am Herzen – wie im Jahr 1999 650 Millionen € einsetze
oder das Doppelte, nämlich 1,3 Milliarden €.
Es ist ein
Unterschied, ob ich für Forschung und Entwicklung – und das ist letztlich
die Zukunft eines Wirtschaftsstandortes: Innovation, Forschung, Entwicklung,
Technologie – 1,2 Milliarden € wie im Jahr 1999 ausgebe
oder wie jetzt 1,6 Milliarden €. Das ist eine Steigerung um
35 Prozent.
Herr Kollege Van
der Bellen! Wir können vielleicht darüber streiten, ob es 35 oder nur
33 Prozent sind, aber das sind gewaltige Steigerungen für die Zukunft
dieses Landes, und ich finde, das sollte man bei diesem Budget der
Zukunftsgestaltung und der Verantwortung für die Zukunft hervorheben. (Beifall bei der ÖVP.)
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Dritte
Zielsetzung: Entlastung der Bürger und der Betriebe. Herr Kollege Van der
Bellen! Also so leicht sollte man es sich nicht machen und auf einen
Rechenfehler in den Beilagen hinweisen (Abg.
Dr. Van der Bellen: Die Aussagen sind das Problem!), wenn
hier Maßnahmen gesetzt werden, durch welche
200 000 Steuerpflichtige – ich wiederhole: 200 000 Steuerpflichtige! –
aus der Steuerpflicht herausfallen werden. (Abg.
Dr. Van der Bellen: Ich bin eh
dafür!)
Damit wird ein
Schritt gesetzt – er wird im Rahmen der Budgetberatungen noch zu
verbessern sein –, der das Eigenkapital der Klein- und Mittelbetriebe
wieder stärken wird. Das wird den Wirtschaftsstandort attraktiver machen, und
Sie wissen, Wirtschaftsstandort bedeutet Arbeitsplätze, Einkommenschancen und
soziale Sicherheit.
Zu allen diesen drei Zielen bekennt sich diese Bundesregierung, und sie
hat dabei die Unterstützung der Mehrheit dieses Hohen Hauses.
Meine Damen und Herren! Wir sagen immer, der Vergleich macht uns sicher:
Österreich steht heute besser da als im Jahr 1999. Wenn wir heute die
internationalen Rankings anschauen, dann stellen wir fest: Wir sind weltweit
die Nummer 1, was die Lebensqualität betrifft, weltweit die Nummer 1,
was die medizinische Versorgung betrifft, und weltweit die Nummer 1 im
Bereich Sicherheit. Wir sind auch weltweit die Nummer 1 in der Frage der
Familienfreundlichkeit.
Was die Wirtschaftskraft betrifft, so haben wir uns in den drei Jahren
dieser Regierung vom 18. Platz auf den 13. Platz vorgearbeitet. In
der EU sind wir an dritter Stelle, was die Entwicklung der Verbraucherpreise
betrifft, und an dritter Stelle, was die Arbeitsmarktdaten betrifft.
Herr Kollege Van der Bellen, ich muss ehrlich sagen, ich war enttäuscht,
wie Sie einfach die Arbeitsmarktdaten so vom Tisch gewischt haben. Dass wir
heute 90 000 Arbeitsplätze mehr haben als im
Jahr 1999, das kann man nicht mit einer Handbewegung abtun, auch wenn man
Hochschulprofessor ist. Uns geht es um die Arbeitsplätze für die Menschen in
diesem Land, und das kann man nicht sozusagen wirtschaftstheoretisch mit einer
Handbewegung wegwischen, Herr Kollege Van der Bellen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Van der Bellen: Weil ich es differenziert sehe!)
Dass wir nicht nur am 1. Mai den vom Herrn Bundeskanzler erwähnten
Beschäftigungsrekord von 3 166 000 Beschäftigten hatten, sondern
dass wir vor allem in der sensiblen Kategorie der über 55-Jährigen
26 000 Beschäftigte mehr zu verzeichnen hatten als im Jahr 1999,
das ist letztlich ein Erfolg auch dieser Bundesregierung, obwohl ich zu jenen
gehöre, die sagen: Wenn wir hier über wirtschaftliche Erfolge reden, dann muss
man feststellen: Das sind primär die Erfolge der arbeitenden Menschen in
diesem Land.
Diese Regierung setzt die Rahmenbedingungen dafür, dass fleißige und
tüchtige Menschen eine faire Chance haben, in diesem Land Arbeitsplätze,
Einkommenschancen und soziale Sicherheit vorzufinden. Und das sollte man
anerkennen, bei aller Kritik der Opposition! Das sind einfach strategische
Ziele, bei denen ich froh bin, dass dieses Land bei dieser Regierung in guten
Händen ist. Wir stehen besser da, als das 1999 der Fall war. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Krainer hält ein Schriftstück in die
Höhe, auf dem steht: „Der teuerste Redner“.)
Lassen Sie mich auch eines sagen: Wir werden in den kommenden Wochen im
Budgetausschuss und im Finanzausschuss dieses Doppelbudget sehr intensiv
beraten. Als Vertreter einer Regierungspartei und als Obmann des
Finanzausschusses sage ich Ihnen: Wir sind, wenn es konstruktive Vorschläge der
Opposition gibt, bereit, darauf einzugehen. Aber nur zu erklären, Herr Kollege,
wie es nicht geht, das ist für eine parlamentarische Diskussion
einfach zu wenig. (Abg. Krainer: Der teuerste Redner!)
Herr Kollege, ich kann gerne auf das, was Sie hier sagen, eingehen, denn
ich war jener Abgeordnete, der als Finanzstaatssekretär sein Mandat unentgeltlich ausgeübt hat. Ich
habe mein Mandat als Generalsekretär der Wirtschaftskammer unentgeltlich ausgeübt, und ich werde es ein drittes Mal ab
1. Juli unentgeltlich
ausüben. Nehmen Sie sich daran ein Beispiel, Herr Kollege! (Beifall bei
der ÖVP. – Abg. Dr. Wittmann:
Vier Pensionen! – Weitere Rufe
bei der SPÖ: Vier Pensionen!)
11.55
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 46 |
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr
Abgeordneter Verzetnitsch. – Bitte.
11.56
Abgeordneter
Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr
Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes
Haus! Herr Bundeskanzler, Sie haben vor wenigen Minuten gesagt, es sei
unrichtig, dass die Notstandshilfe in die Sozialhilfe übergeführt wird. Ich
zitiere: „Überführung der Notstandshilfe in eine Sozialhilfe-neu“ – Ihr
Regierungsprogramm 2002/2003.
Man muss aber auch
da, wie bei vielen Dingen, die Sie uns heute hier auf den Tisch legen und zur
Diskussion stellen, immer wieder auch das Kleingedruckte lesen. (Abg.
Dr. Brinek: Sozialhilfe-neu!)
Was bedeutet denn
„Sozialhilfe-neu“? – Das heißt in Wirklichkeit, dass die Menschen aus der
Arbeitsmarktverwaltung herauskommen und keine Maßnahmen mehr aus diesem
Bereich erhalten. Das heißt, dass Regressansprüche gegen Kinder erhoben
werden können, und das heißt, dass das eigene Auto zur Bezahlung herangezogen
werden kann. Ihr Landeshauptmann Schausberger hat vor wenigen Wochen erklärt,
16 Millionen € würde das das Bundesland Salzburg kosten. Er verlangt
einen Regress vom Bund.
Ich sage Ihnen
darauf: Wenn Sie Pensionen kürzen, dann soll der Bund diesen Ausfall genauso ersetzen
wie den von Landeshauptmann Schausberger geforderten Betrag, wenn es um die Sozialhilfe
geht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Brinek: Häupl!)
Wir haben heute
die Budgetrede zu diskutieren. Es wäre ja reizvoll, umfassend über das Budget
zu debattieren. Faktum ist aber, dass zum ersten Mal in der Geschichte dieser
Republik 91 Gesetze als Budgetbegleitgesetze in ein Budgetgesetz
eingebunden werden, die Auswirkungen haben, bei denen normalerweise jahrelang
über die einzelnen Maßnahmen diskutiert wird.
Und wenn Sie mir
vorhalten, Herr Finanzminister – Sie haben ja nicht nur gestern Franz Olah
zitiert, sondern vorgestern auch Anton Benya –, unter Anton Benya und
Franz Olah hätte es das nicht gegeben, dann antworte ich Ihnen darauf: Recht
haben Sie! Recht haben Sie deswegen, weil es weder unter Franz Olah noch unter
Anton Benya eine solche Regierung gegeben hat, meine sehr geehrten Damen und
Herren! (Beifall bei der SPÖ.)
Ein Pensionsrecht
für alle, also die Harmonisierung der unterschiedlichen Systeme in Österreich,
das muss unser Ziel sein. Hiezu werden wir den konstruktiven Dialog mit der
Gewerkschaft aufnehmen. – Wissen Sie, wer das gesagt hat? Der hinter mir
sitzende Finanzminister im März 2001. Und was hat hier stattgefunden zu
einer umfassenden Pensionsreform?!
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Sehen Sie sich die Internet-Seiten Ihrer eigenen Parteien
an! Finden Sie dort irgendeinen Vorschlag zu einer umfassenden
Pensionsreform? – Sie finden etwas, was eine Pensionskürzung
ist und sich „Pensionssicherung“ nennt, aber keine Vorschläge zu einer umfassenden
Pensionsreform, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ
und den Grünen. – Abg. Dr. Stummvoll: Wo sind Ihre
Konzepte?)
Es geht darum,
dass die Emanzipation des Bürgers vorangetrieben wird, die Einbindung in die
Politikformulierung und -durchführung und die Förderung ihrer aktiven
Mitarbeit bei der Lösung unserer gemeinsamen Probleme. – Wieder derselbe
Finanzminister im Jahr 2001.
Und wenn sich dann
Bürgerinnen und Bürger einbringen in die Diskussion, dann hören wir von dieser
Regierung: Wir weichen nicht dem Druck der Straße! – Es handelt sich hier
nicht um einen Mob, um einen Aufruhr, es handelt sich um Ihre Wählerinnen und
Wähler – neben anderen Menschen –, die ihre Meinung zum Ausdruck
bringen wollen! Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ und den
Grünen. – Bundesminister Dr. Bartenstein: „Mob“ ist Ihr
Ausdruck! – Abg. Mag. Molterer: Professor Strasser!)
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 47 |
Herr Klubobmann
Molterer, ein Professor kann durchaus eine Meinung haben. Faktum ist, dass wir
nicht gegen eine Regierung antreten. Wir treten auch nicht gegen das
Gesetzgebungsmonopol dieses Hauses an. Aber wir werden es uns nicht nehmen
lassen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn es um Existenzfragen der
arbeitenden Bevölkerung in ihrer Gesamtheit geht – denn
nicht nur Arbeitnehmer, auch Arbeitgeber sind von den Pensionskürzungen betroffen –,
als Gewerkschaft, die wir das ganze Berufsleben für eine Verbesserung der
Arbeits- und Einkommensbedingungen kämpfen, auch für jene einzutreten, deren
Sicherung im Alter genauso wichtig für ihre Existenz ist.
Machen Sie doch
keinen „politischen Streik“ daraus, wenn es in Wirklichkeit um Kürzungen von
Pensionen geht! Sie verwenden diese Diktion immer wieder –
nicht wir! Wir halten klar und deutlich fest, dass wir für die Einkommenssicherung
der Jungen, auch in ihrer zukünftigen Pension, sind – und nicht für eine
Kürzung! Nehmen Sie das doch einmal zur Kenntnis! (Beifall bei der
SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner:
Deshalb bestreiken Sie die Volksschulen! Bei den Siebenjährigen fangen Sie
an!)
Sie von den
Regierungsparteien stoßen sich an manchen Tönen. – Dazu kann ich nur
sagen: Diese Töne gibt es überall! Sie werfen es jemandem vor, wenn er von
„Pensionsraub“ spricht. Sprechen Sie beim Überfall auf eine Sparkasse, wenn man
10 oder 15 Prozent des dort vorhandenen Geldvolumens wegnehmen möchte,
von einer Sparkassensicherung – oder ist das eine Beraubung
der Sparkasse, meine sehr geehrten Damen und Herren? (Heiterkeit und Beifall
bei der SPÖ und den Grünen. – Lebhafter Widerspruch bei der ÖVP und den
Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: Nehmen Sie diesen Vergleich
zurück! Das ist eine Ungeheuerlichkeit! Nehmen Sie diesen Vergleich zurück!
Eine Pensionssicherung mit einem Bankraub zu vergleichen, das ist unterstes
Niveau! Primitiv! – Weitere anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den
Freiheitlichen. – Gegenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Abgeordnete von den Freiheitlichen!
Herr Klubobmann Scheibner! ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und
den Freiheitlichen sowie Gegenrufe bei der SPÖ.)
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich möchte
Folgendes sagen: Herr Kollege Verzetnitsch, stellen Sie bitte klar, dass Sie
einen Gesetzesbeschluss nicht mit dem vergleichen, was Sie in Ihrem Beispiel
dargestellt haben, damit es keine Missverständnisse gibt und wir diese
Diskussion ordentlich fortsetzen können! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Abgeordneter
Friedrich Verzetnitsch (fortsetzend): Herr
Präsident! Ich habe klar und deutlich – soweit ich mich zumindest an
meine Worte erinnern kann – nicht über den Gesetzentwurf
gesprochen. (Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Wenn Sie
von den Regierungsparteien die Sprache kritisieren, dann sollten Sie den
Vergleich auch für zulässig erachten.
Ich komme aber
jetzt auf diesen Gesetzentwurf zu sprechen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der
ÖVP und den Freiheitlichen.) Meine sehr geehrten Damen und Herren von der
Freiheitlichen Partei, wenn Sie hier antreten und immer wieder den
Gewerkschaften vorwerfen ... (Abg. Scheibner: Das ist keine
Zurücknahme! – Abg. Lentsch: Das war keine Klarstellung! –
Abg. Dr. Fasslabend: Das ist nicht akzeptabel! – Abg. Scheibner:
Solche Vergleiche lassen wir nicht zu! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP
und den Freiheitlichen.)
Das Argument wird
dadurch nicht besser! Ich habe klar und deutlich gesagt: Wenn Sie solche Vergleiche
nicht zulassen, dann setzen Sie sich doch mit uns gemeinsam an einen Tisch und
erarbeiten wir eine wirklich faire Pensionssicherung! (Beifall bei der SPÖ
und den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Zur
Geschäftsbehandlung!)
Sehr geehrte Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Sie sind hier schon öfters angetreten und haben gesagt, dass Sie es waren, die dafür gesorgt haben, dass die ärgsten Zerwürfnisse aus dem vorliegenden Gesetzentwurf, aus dieser Regierungsvorlage also, herausgenommen wurden. – Folgende Frage müssen Sie sich aber schon gefallen lassen: Wer hat denn
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 48 |
diesen Gesetzentwurf
entwickelt? War es nicht Vizekanzler Haupt, Ihr Parteiobmann, der das
eingebracht hat? (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) War es nicht Ihr
Parteiobmann, der das eingebracht hat?! – Daher meine ich: Rühmen Sie sich
nicht, sondern suchen Sie den Dialog! (Der Redner stellt eine
Tafel mit der Überschrift „Dichtung und Wahrheit“ auf das Rednerpult. Die Frage
„Warum, glauben Sie, ist diese Frau über Nacht um zwei Jahre gealtert?“, ist in
Rot quer über den Text gedruckt.)
Sie, sehr geehrte
Damen und Herren von der ÖVP, haben uns, haben ÖGB-Experten, und zwar im Rahmen
der Diskussion über die Einführung der e-Card, vorgeworfen, „moderne Märchenerzähler“
zu sein, als sie ein Beispiel zitiert haben. – Seltsamerweise ist es so,
dass Ihre Antwort auf dieses eine Beispiel dazu führt, dass die hier erwähnte
35-jährige Frau sozusagen über Nacht auf einmal 37 Jahre alt war.
Solche Vergleiche,
meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, zeugen nicht gerade von
Seriosität, wenn es um anschauliche Beispiele gehen soll. (Beifall bei der
SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Auch heute wieder
wurde von Ihnen die Frage gestellt: Was sind denn die Vorschläge der Gewerkschaften? –
Dazu, sehr geehrte Damen und Herren von ÖVP und Freiheitlichen: Wir haben bereits
im Memorandum 2000 der damals auch schwarz-blauen Bundesregierung unsere
Vorschläge unterbreitet, und wir haben zu diesem Zeitpunkt bereits
vorgeschlagen, dass wir uns gemeinsam an einen Tisch setzen, um dabei die
bestmögliche Lösung herauszuholen.
Sehr geehrte Damen
und Herren von den Regierungsparteien, werfen Sie doch nicht uns dauernd vor,
wir würden verhindern, verzögern oder verwässern! – Wir wollen verhandeln,
wir wollen Verbesserungen – und vor allem auch eine entsprechende
Vereinheitlichung der Pensionssysteme! Nehmen Sie die Aufforderung der
Sozialpartner ernst! Betrachten Sie diese Ihre Vorlage als Ideenansatz –
und stellen Sie ihn zurück (Abg. Scheibner: Nehmen Sie den Vergleich
zurück! Stellen Sie Ihre Streiks zurück!), damit die Sozialpartner
gemeinsam mit allen hier im Hause vertretenen Parteien eine entsprechende und
akzeptable Lösung finden können!
Nehmen Sie die
Erklärungen der Sozialpartner, der Kirche sowie die des Herrn Bundespräsidenten,
die dieser heute dazu abgegeben hat, ernst! Suchen wir gemeinsam nach besseren
Lösungen – anstatt uns hier immer wieder Wortgefechte zu liefern, die in
der Sache selbst zu keinerlei Verbesserungen für die Menschen unseres Landes
führen! (Lang anhaltender, lebhafter Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei
den Grünen. – Bundeskanzler Dr. Schüssel: Keine Antworten ...! –
Gegenrufe bei der SPÖ.)
12.06
Präsident
Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend):
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine solche Debatte zu einer so heiklen
Sache kann sehr leicht schwierig und oft nur sehr schwer in vernünftigen Formen
gehalten werden. Ich stelle daher fest, dass jeder auch nur sprachliche
Vergleich eines – auch noch so umstrittenen! – Gesetzesprojektes mit
einem Überfall absolut unakzeptabel ist und von mir auf das Schärfste
zurückgewiesen wird! (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
*****
Herr Abgeordneter
Molterer hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet, wobei dieses erst nach
Schluss eines Debattenbeitrages erteilt werden kann. – Bitte, Herr
Abgeordneter.
12.07
Abgeordneter
Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung):
Herr Präsident, ich danke Ihnen für diese Klarstellung, eine Klarstellung, die
Herr Präsident Verzetnitsch leider nicht vorgenommen hat. Ich
danke Ihnen, Herr Präsident Fischer, namens des Hauses dafür, dass Sie diese
Entgleisung zurechtgerückt haben. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
12.07
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 49 |
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege Molterer, es gibt den alten
Usus, dass wir Versuche des Präsidenten, die Sache so gut es irgendwie geht zu
machen, weder mit Lob noch mit Tadel kommentieren.
Kollege Scheibner
hat sich ebenfalls zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.
12.07
Abgeordneter
Herbert Scheibner (Freiheitliche) (zur
Geschäftsbehandlung): Herr Präsident Fischer, Sie sagten, man soll das
nicht kommentieren. – Man kann hier aber Anträge stellen, und ich stelle
daher den Antrag – auch im Hinblick darauf, für welche Aussagen heute
schon Ordnungsrufe erteilt wurden –, Abgeordnetem Verzetnitsch für diesen
Vergleich, nämlich dass er einen Gesetzentwurf, den wir hier im demokratischen
Rahmen beraten, mit einer strafbaren Handlung verglichen hat, einen Ordnungsruf
zu erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Rufe bei
der SPÖ: Das Protokoll vorlegen! – Abg. Schieder: Das Protokoll
anschauen!)
12.08
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Ich habe so
gehandelt, wie ich glaube, dass ich es am besten verantworten kann – und
möchte es dabei belassen. (Abg. Scheibner:
Für „Heckenschütze“ kriegt man einen Ordnungsruf und ...!)
Nächste Rednerin
ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.
12.08
Abgeordnete
Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Herr Präsident!
Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident Verzetnitsch, ich wollte es Ihnen
eigentlich ersparen, persönlich zu werden. Aber ich nehme das ernst, was Sie
gesagt haben. Sie haben gemeint: Harmonisieren wir die Pensionssysteme! (Die
Rednerin stellt eine Tafel auf das Rednerpult, auf der zu lesen steht:
„ÖGB-Präsident Verzetnitsch Pension 10 000 Euro monatlich –
durchschnittlicher Verdienst einer Handelsangestellten 1 000 Euro
monatlich“.)
Ihre Pension, Herr
Präsident Verzetnitsch, wird einmal 10 000 € monatlich betragen. (Zwischenrufe
bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Gegenrufe bei der SPÖ.) – Das
Einkommen einer Handelsangestellten beträgt 1 000 €. (Weitere
Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich nehme das auch sehr ernst! (Neuerliche
Zwischenrufe bei der SPÖ. – Unruhe im Saal.)
Sie, Herr
Präsident Verzetnitsch, haben gesagt, Sie wollen eine Existenzsicherung für
arme Menschen. – Ich auch, aber: Gehen wir doch gemeinsam vor und
ändern wir die Politikerpensionen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei
Abgeordneten der ÖVP.)
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Diese Aussage vom „typischen sozialen Klima in Österreich“
ist doch nicht nur so dahergeredet, sondern das ist doch tatsächlich ein
besonderer Wert, etwas, was letzten Endes auch dazu geführt hat, dass es in
Österreich doch noch immer Wohlstand gibt, während es in unseren Nachbarländern
bereits ganz große Schwierigkeiten sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch auf dem
Wirtschaftssektor gibt.
Ich meine daher,
es ist nicht übertrieben, wenn man sagt, dass dieses typische soziale Klima Österreichs,
dieses Konsensklima, geradezu einen Eckpfeiler der österreichischen Politik darstellt. –
Ich weiß nicht, ob Ihnen von der SPÖ klar ist – Ihnen, Herr Präsident
Verzetnitsch, und auch anderen in Ihrer Partei –, dass Sie mit Ihrer
Vorgangsweise der vergangenen Wochen und Tage dazu beitragen, dieses
österreichische Konsensklima zu demolieren! Generalstreiks hat es in
Österreich noch nie gegeben! (Abg. Gradwohl: Von welchem
Generalstreik sprechen Sie, Frau Kollegin?)
Mit diesem
Generalstreik – das haben auch Journalisten geschrieben – und mit dem
Aufruf zu weiteren Streiks (Abg. Gradwohl: Bleiben Sie bei der
Wahrheit! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) haben Sie bereits
begonnen, diese Konsenspolitik in Österreich zu zerstören, meine sehr geehrten
Damen und Herren von der SPÖ! (Abg. Gradwohl: Wer im Glashaus sitzt,
soll nicht einmal mit Kieselsteinen werfen! – Weitere Zwischenrufe bei der
SPÖ.)
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 50 |
Schauen Sie doch
einmal an, welche Berufsgruppen Sie alle zu streiken aufgefordert haben! Und
Sie haben auch angekündigt, wer aller in den nächsten Tagen noch streiken wird,
meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! (Abg. Gradwohl:
Bleiben Sie bei der Wahrheit! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Verharmlosen
Sie das doch jetzt nicht!
Dieses
Konsensklima in Österreich bringen Sie aber auch mit solchen Wortmeldungen und
Aussagen in Gefahr, wie sie eben heute von Ihnen gemacht wurden, Herr
Präsident Verzetnitsch! (Abg. Gradwohl: Wer im Glashaus sitzt, soll
nicht mit Steinen werfen!) Eine solche Radikalität ist hier ganz einfach
nicht am Platz, Herr Abgeordneter Verzetnitsch, sondern hier im Parlament
sollten wir diskutieren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der
ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Ob eine Zerstörung
des politischen Klimas im Interesse Österreichs, im Interesse der Österreicherinnen
und Österreicher ist, das werden Sie zu beantworten haben! Und Sie werden die
Verantwortung tragen für diese Ihre Vorgangsweise, meine sehr geehrten
Damen und Herren von SPÖ und ÖGB!
Ich habe
eigentlich den Eindruck, Sie von den Oppositionsparteien führen – leider
Gottes!, muss ich sagen – diese Debatte genauso, wie Sie das auch bei der
gestrigen Debatte über den Dringlichen Antrag gemacht haben: in einer beispiellosen
Weise der Verunsicherung und Polemisierung! Wir haben ja gesehen: Der
Hauptzweck des Antragstellers gestern war, alle Vorhaben der Regierung durch
Fehl- und Falschinformationen zu untergraben!
Frau Abgeordnete
Silhavy beispielsweise hat gestern – und das allen Ernstes! –
behauptet, die Notstandshilfe werde abgeschafft. – Heute hingegen haben
wir gehört, dass die Notstandshilfe lediglich in die Sozialhilfe übergeführt
wird. (Zwischenruf des Abg. Mag. Johann Maier.) Also keine
Rede von einer Abschaffung!
Herr Abgeordneter
Cap hat sich gestern sogar dazu verstiegen, der Regierung vorzuwerfen, im Zusammenhang
mit den Abfangjägern gäbe es „Schummelgeschäfte“, Luftgeschäfte. – Es
gibt doch wirklich keine ärgeren Verdächtigungen, als der Regierung ein
„Schummelgeschäft“ vorzuwerfen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der
SPÖ! (Zwischenruf der Abg. Mag. Trunk.)
Aber all das liegt
auf Ihrer Linie der Falschinformationen! Sie von der SPÖ wollen lediglich
falsch informieren, wollen verunsichern! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Ihre
Falschinformationen gehen sogar so weit – das muss man ja fast schon als
lächerlich bezeichnen –, dass Herr Abgeordneter Gusenbauer heute
Zitate von Franz Olah gebracht hat, die Gusenbauer aber Anton Benya zuschreibt! –
Ich weiß nicht, Herr Abgeordneter Gusenbauer: Wollen Sie sich von Olah
distanzieren? War das der Zweck? Oder ist das alles wirklich auf Ihrer Linie:
Egal was, nur falsch muss es sein!, dann ist es sozusagen schon richtig für
Sie?! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Diese Art der
Auseinandersetzung sollten Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, einstellen –
genauso wie die Auseinandersetzung auf der Straße! (Abg. Mag. Trunk: Jörg Haider!) In einer
parlamentarischen Demokratie ist der Ort der Auseinandersetzung nicht die
Straße, sondern das Parlament! Herr Jörg Haider geht nicht auf die Straße, um
zu demonstrieren (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), sondern er führt
die Diskussionen dort, wo sie hingehören. (Beifall bei den
Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Ich wollte Sie
heute wirklich nicht provozieren (Zwischenruf des Abg. Reheis), sondern Sie dazu auffordern ... (Neuerliche
Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie reagieren doch total nervös – ich würde
fast sagen: hysterisch, wenn das nicht neuerlich Öl ins Feuer gießen
würde –, wenn man Ihnen die Wahrheit vorhält, meine sehr geehrten Damen
und Herren von der SPÖ!
Heute wollte ich die Aufforderung beziehungsweise die Frage an Sie richten, warum die Opposition nicht das Positive an der Regierungsarbeit anerkennen kann. Warum ist das so? (Abg. Reheis: Weil es nichts Positives gibt!) – Aber das stimmt doch überhaupt nicht! Trotz weltweit
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 51 |
schwieriger
wirtschaftlicher Bedingungen ist es in Österreich in den letzten Jahren
gelungen, die Arbeitslosigkeit zu vermindern. Österreich hat die
drittniedrigste Arbeitslosenrate der EU! Das ist doch etwas, meine sehr
geehrten Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
In Österreich gibt
es einen Beschäftigungsrekord: 3 155 000 Menschen befinden sich bei
uns in Arbeit! Das ist ein Rekord! Im Verhältnis zum Vorjahr beziehungsweise im
heurigen Jahr ist es gelungen, die Zahl der Arbeitsplätze um 38 000 zu
erhöhen.
Natürlich sollen
Sie auch Ihre Kritik und Ihre Bedenken vorbringen. Aber Sie sollten doch auch
anerkennen ... (Abg. Mandak:
Danke! Danke, dass Sie uns das zugestehen!) – Das darf ich wohl noch
sagen! Oder stoßen Sie sich auch schon daran?!
Sie sollten doch
auch anerkennen, was alles in Österreich an Positivem geschieht. Es sind ja
schließlich alle Arbeitnehmer, alle Arbeitgeber und alle Österreicher, die
daran mitwirken, dass es in Österreich einen gewissen Wohlstand gibt, dass die
Arbeitslosigkeit nicht so katastrophal ist, wie das in unseren Nachbarländern
der Fall ist. (Abg. Silhavy: Aber
Sie wollen den Menschen den Wohlstand nehmen!)
Die Regierung hat
die Rahmenbedingungen dafür geschaffen, damit es in Österreich so gut geht, und
das müssen wir doch anerkennen – auch Sie von der Opposition, meine sehr
geehrten Damen und Herren! (Abg. Mandak:
Auch sozialdemokratische Regierungen haben den Wohlstand geschaffen! Bedanken
Sie sich bei den Sozialdemokraten!) Schließlich sind ja auch „Ihre“
Arbeitnehmer und „Ihre“ Unternehmer dabei, wenn es darum geht, den Wohlstand
und die Sicherheit Österreichs zu erhöhen.
Warum, meine Damen
und Herren von der Opposition, können Sie nicht hier im Parlament mit uns allen
diese positiven Aspekte gutheißen?! Es ist ganz einfach nicht alles zu
verteufeln, wie Sie von der SPÖ das machen! Sie sagen doch stets: Alles ist
schlecht, wir täten alles anders machen! – In Wirklichkeit wäre es doch
anders. Schauen Sie doch nur nach Deutschland: Dort kämpft die rot-grüne
Regierung Schröder bereits seit fünf Jahren einen hoffnungslosen Kampf gegen
die Arbeitslosigkeit, gegen die Wirtschaftsflaute, und sie kann nichts und
nichts erreichen!
Schauen Sie nach
Deutschland – und dann schauen Sie, wie es hier bei uns in Österreich ist!
Dann werden Sie sehen: Der Vergleich macht uns sicher! In Österreich haben
wir – Gott sei Dank! – mit diesen Problemen nicht zu kämpfen. (Beifall
bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Warum wollen Sie
beispielsweise auch diesen Erfolg nicht anerkennen? – Auch in den Jahren 2003/2004
wird Österreich, was das Budgetdefizit anlangt, unter den Maastricht-Kriterien liegen. Deutschland
beziehungsweise Frankreich haben von der EU-Kommission bereits den „blauen
Brief“ erhalten beziehungsweise steht das bevor, ebenso drohen
Strafsanktionen. – Das ist doch für Österreich als positiv zu sehen, was
wir uns durch unsere Budgetpolitik erspart haben!
In Deutschland
beispielsweise ist jeder Zehnte arbeitslos! Eine furchtbare Situation! (Zwischenruf
der Abg. Silhavy.) Und, wie
gesagt: Der rot-grünen Regierung in Deutschland gelingt es nicht, eine
Reduktion der hohen Arbeitslosenrate herbeizuführen – ja ganz im
Gegenteil! Frau Abgeordnete Silhavy, was sagen Sie dazu? – Die rot-grüne
Regierung in Deutschland möchte sogar die Zinsen von Sparguthaben der
Sozialversicherungspflicht unterziehen! – Also so weit geht man schon
seitens der rot-grünen Regierung in Deutschland, um zu Einnahmen zu kommen!
Nochmals:
Österreich hat mit der drittniedrigsten Arbeitslosenquote in der EU einen
wirklich schönen Erfolg erzielt!
Gewundert habe ich mich gestern über das, was ich hier gehört habe, als der Herr Finanzminister seine Budgetrede gehalten hat. Von SPÖ-Seite konnte man vernehmen: „bla-bla!“, höhni-
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 52 |
sches Gelächter, et cetera. Darüber habe ich mich wirklich gewundert! Was
gab es bitte zu lachen, was gab es „bla-bla!“ zu sagen, als der Herr
Finanzminister beispielsweise sagte, dass es bezüglich der Leistungsbilanz, und
zwar erstmals seit 1990, einen Überschuss gibt?! Das ist doch etwas Positives!
Da braucht man doch nicht höhnisch zu lachen oder „bla-bla!“ zu rufen!
Ich habe wirklich
den Eindruck, dass von Ihnen alles, in das Sie auch nur irgendetwas Negatives
hineininterpretieren können, geradezu hochgejubelt wird. Sie wollen Österreich
schlecht machen, und Sie wollen unbedingt diese Regierung schlecht machen! (Abg.
Mandak: Das ist eine Unterstellung
von Ihnen!) Sie freuen sich über alle schlechten Nachrichten – und da
können Sie gar nicht genug übertreiben.
Ich möchte Ihnen
etwas sagen: Diese Angstmache verdienen ...
Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz, Frau
Abgeordnete!
Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (fortsetzend): Diese Angstmache haben sich die Menschen in
Österreich nicht verdient! – Das war schon der Schlusssatz. Sie hätten nur
warten müssen, Herr Präsident. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
12.18
Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kogler. Gleiche Redezeit. –
Bitte.
12.18
Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank!
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als wohlmeinender Abgeordneter wird man ja
schier daran gehindert, eine sachliche Rede zum Budget zu halten. Wenn man sich
die Erklärungen des Finanzministers von gestern – gepaart mit den
Ergänzungen des Bundeskanzlers von heute – anschaut, kann man nur sagen:
Leicht machen Sie es einem nicht!
Als Erstes muss
ich konstatieren – obwohl das eigentlich ein Fall für den Kollegen
Grünewald wäre –, dass nach dem „Vergesslichkeits-Virus“, der
offensichtlich auf der ÖVP-Hälfte der Regierung Platz gegriffen hat, nun
auch noch der „Las Vegas-Virus“ dazukommt. Was ist damit gemeint? – Sie,
Herr Bundeskanzler, tun so, als ob Sie all die Jahre zuvor nicht in der Regierung
gewesen wären – und reden von „Finanzministern der SPÖ“ und von
„Bundeskanzlern der SPÖ“. Es gibt ja offensichtlich überhaupt niemanden auf der
Regierungsbank, der live dabei war, was diese Schuldenzunahme betrifft, die Sie
jetzt ständig so sehr kritisieren – ich tue das ja gar nicht in dieser
Form; das ist Ihr „Kaffee“!
Es gibt niemanden,
der in dieser Frage so viel mitzuverantworten hat wie Sie. Deshalb halte ich
das einfach nicht für seriös, wie Sie sich immer hier herstellen und über alles
drüberwischen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Aber viel schlimmer
ist diese „Las-Vegas-Mentalität“, die hier Einzug gehalten hat. Der Herr
Finanzminister hat Sie offensichtlich schon angesteckt. Die gestrige Budgetrede
war wieder der Versuch einer typischen Grasser-Show. War es eine angebliche
oder eine tatsächliche Budgetrede? Ich würde eher auf „angeblich“ tippen, denn
mit dem Budget 2003 beziehungsweise 2004 hat sie nichts zu tun gehabt.
Eine tatsächliche kann sie nur gewesen sein, wenn er von einem anderen Budget
geredet hat, vielleicht von jenem in Las Vegas, wo Schmähführen und Schwindlertricks
auf offener Bühne durchaus geschätzt werden. – Das ist Ihr Konzept, und es
ist – Kollege Van der Bellen hat es erwähnt – wirklich unerträglich,
wie hier mit Zahlen getrickst wird. Das muss man leider eingangs festhalten. (Beifall
bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Ledolter:
Die Vergleiche sind unerträglich, die Sie anstellen!)
Herr Kollege, Sie sollten versuchen, sich ein bisschen zu informieren. Es ist zwar eine alte Tradition in Österreich – und wir brechen ja gerade mit vielen Traditionen! –, dass die Abgeordneten von den Regierungsparteien immer das tun, was die Parteizentralen sagen, und das ist synchronisiert mit der jeweiligen Regierungsfraktion, aber Sie sollten Ihre Verantwortung als Ab-
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 53 |
geordneter
wahrnehmen und einmal ein bisschen nachlesen – erst nachlesen, dann
nachdenken und dann sprechen und zwischenrufen. (Beifall bei den Grünen und
der SPÖ.)
Zuerst in aller
Kürze zur Pensionsreform. Niemand von den Grünen – ich jedenfalls sicher
nicht – wird bezweifeln, dass wir bei den Frühpensionen Änderungen
herbeiführen sollen und müssen. Die Frage ist nur, wie! So, wie Sie das
vorschlagen, wirkt sich das negativ auf den Arbeitsmarkt aus. Wir haben einen
anderen Vorschlag, der eben so angelegt ist, dass die Arbeitsmarktdaten nicht
negativ beeinflusst werden. – Das ist, glauben wir, der bessere Weg. Mag
sein, dass der andere für das Budget eine Spur billiger ist.
Gesellschaftspolitisch, sozialpolitisch und – ich sage sogar –
wirtschaftspolitisch vernünftiger wäre ein anderer. Sie erhöhen nur die
Arbeitslosigkeit, und das ohne Not. Und das ist der Vorwurf! – Erstes
Minus in dieser Sache; wir hätten einen anderen Vorschlag.
Das Problem ist
allerdings – und das hat gerade der Herr Finanzminister ständig strapaziert,
auch gestern –, dass man sich verwundert darüber gibt, dass es Streiks
gibt. Also so geht es nicht, meine Herren auf der Regierungsbank: dass man
zunächst die zitierte Konsensdemokratie mit Absicht und Anlauf und mit Wucht
aufkündigt – das kann man noch machen, das ist halt ein anderes
politisches Modell in der Praxis – und sich dann wundert – da ist der
Weg von heilig zu scheinheilig nicht mehr sehr weit, so wie die heutige Etappe
beschrieben worden ist –, dass es Streiks gibt, und diese Streiks dann noch
diskreditieren oder gar kriminalisieren will. So weit kann es nicht gehen! (Beifall
bei den Grünen und der SPÖ.)
Es ist schlicht
und ergreifend der Versuch, nach dem Kabinett Schüssel I, nach dem
Versuch – Gott sei Dank ist nicht alles gelungen, dank der
Opposition! – der autoritären Wende im gesellschaftspolitischen Bereich
auch noch eine im wirtschafts- und sozialpolitischen Bereich hinzuzufügen,
zumindest was die Entscheidungsfindungen betrifft. Entweder – oder, alles
auf einmal kann man nicht haben! Deshalb würde ich dazu aufrufen, von
diesen – ich würde fast sagen – Kriminalisierungen der
Streikbewegung doch wieder ernsthaft Abstand zu nehmen. (Beifall bei den
Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer:
Was ist mit der Kriminalisierung der Gesetzgebung?)
Bleiben wir kurz
beim Problem Arbeitslosigkeit, und damit, Herr Kollege Molterer, bin ich dabei,
darauf einzugehen, dass die Regierung auch einmal für etwas gelobt werden kann.
Es ist richtig, dass die Arbeitslosenquoten in Österreich im Vergleich zu
anderen Ländern relativ niedrig sind. Das ist nicht nur das Verdienst dieser
Bundesregierung, sondern dahinter steht eine lange Tradition der Wirtschafts-
und Sozialpolitik in Österreich. Möglicherweise hat es auch etwas damit zu
tun, dass wir zu viele Frühpensionisten haben, wie Sie sagen. Man muss die
einzelnen Posten halt zusammenzählen.
Wie dem auch sei:
In der Veränderung der Arbeitslosenquote – und das ist
entscheidend –, in der Zunahme der Zahl der Arbeitslosen gemessen an den
Beschäftigten sind wir in Österreich seit dem Jahr 2000 massiv auf der
Überholspur. Und das ist nicht beruhigend. Das hat etwas damit zu tun, dass
auch das Wirtschaftswachstum in Österreich seit den Jahren 1998, 1999,
aber massiv seit 2000 hinter der europäischen Entwicklung zurückbleibt; wenn
wir schon die EU und die globalen Daten zitieren wollen. – So schaut es
aus, okay. Das mache ich auch nicht nur oder nur zu einem kleineren Teil dieser
Bundesregierung zum Vorwurf, wir sind schließlich im internationalen Wettbewerb.
Aber es geht nicht an, dass Sie sich mit dem Hinweis auf diese Umstände auch
von den nationalen Spielräumen der Wirtschaftspolitik verabschieden wollen. (Beifall
bei den Grünen und der SPÖ.)
Das ist nämlich
der nächste Schmäh an dieser Geschichte. Sie sagen: Wir brauchen nichts zu tun,
wir sollen nichts tun, wir warten auf den Aufschwung, und dann können wir
irgendwann einmal die Steuern senken. – Das ist Ihr Konzept. Wir sagen:
Das ist falsch! Wenn schon ein Spielraum für Steuersenkungen da sein soll,
unserer Meinung nach auch ist, dann sollte es heißen: vorziehen – zum
Teil, nicht in dieser großen Dimension, weil wir auch das Budgetdefizit im Auge
haben müssen –, vorziehen und ausgabenseitig und einnahmenseitig gezielt
und nicht irgendwie vorgehen!
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 54 |
Darauf möchte ich
jetzt eingehen, das sind die nächsten Gegenvorschläge. Tun Sie bitte nicht so,
als ob man ohnehin nicht viel tun könnte, nach dem Motto: Wir warten auf den
Aufschwung, der kommt irgendwann von irgendwo her, und dann dürfen wir alle beglücken. –
In Wahrheit hat das nichts mit Wirtschaftspolitik zu tun, sondern das ist ein
rein wahlpolitisch motivierter Budgetzyklus, den Sie hier veranstalten. (Beifall
bei den Grünen und der SPÖ.)
Im
Jahr 2005 – „2006“ haben Sie sich nicht zu schreiben getraut, weil
Ihnen letztes Mal die Regierung ein Jahr früher flöten gegangen ist; man
lernt ja, auch in Las Vegas! –, dann, wenn der Aufschwung kommt, den Sie
mit Ihren Budgetdaten in Aussicht stellen, wollen Sie großartig senken.
Entweder ist das die erwähnte Show oder blanke Ideologie, die da herausspricht,
dann sollten Sie sich aber dazu bekennen: Der Staat darf nichts mehr tun, der
Staat soll nichts mehr tun, wird mitdiskreditiert, aus, Pause, nichts; wir
haben abgedankt! – Dazu brauchen wir uns aber nicht diese langen
Showveranstaltungen anzuhören. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Also bekennen Sie
sich dazu, dass es wirklich irgendwo Schwerpunkte gibt, dann schauen wir uns
diese auch näher an.
Gehen wir auf die
angebliche Steuersenkung ein. Professor Van der Bellen hat die Globaldaten
schon erwähnt. Das ist wirklich so. Sie haben das dementiert – aber
rechnen Sie nach! In den Jahren 2004 und 2005, aber speziell im
Jahr 2004, über das wir heute reden, gibt es eine massive Mehrbelastung.
Wenn man die Abgabenbelastung dazuzählt, wird sie noch höher. Und wen trifft
das? Wir können doch nicht so tun, als ob das alle gleich treffen würde:
8 Millionen Österreicher, alle haben ein bisschen mehr oder ein bisschen
weniger. – Nein! Es trifft einige besonders schlimm, und es sind einige
ganz wenige, bei denen es sich vielleicht auf null ausgeht, nämlich bei denen,
für die Sie dankenswerter- oder sinnvollerweise wirklich ein paar
Verbesserungen bei der Lohn- und Einkommensteuer schaffen.
Das sind aber nicht
einmal 300 000 Erwerbstätige; das sollten Sie einmal dazusagen. Über
600 000, die jetzt schon keine Steuern zahlen, weil sie nämlich ein zu
geringes Einkommen haben – Stichwort Leistungsträger –, werden massiv
belastet, bekommen aber keinen Cent mehr. – So schaut Ihre Rechnung aus!
Deshalb sollten wir hier mit ein paar Instrumenten eingreifen. (Beifall
bei den Grünen und der SPÖ.) –
Nächster Vorschlag der Grünen. Wir haben uns das ausgerechnet, es würde
220 Millionen € kosten.
Insgesamt gesehen
sollten wir bei diesem vorgezogenen Teil der Steuerreform die Bezieher niedriger
Einkommen, die in letzter Zeit ohnehin genug geschröpft worden sind, entlasten.
Das würde auch die Konsumneigung, wie jeder nachvollziehen kann, erhöhen.
Im
Unternehmenssektor soll auch etwas passieren – das wird Sie vielleicht
wundern, wenn ich das sage –, jawohl, aber bitte treffsicher! Mit Ihrer
Maßnahme wird doch keine einzige Investition angeregt. Wir brauchen in Zeiten
der Unsicherheit wieder die klassischen Instrumente: Investitionsprämien
und Freibeträge, die zeitlich befristet sind, damit sie auch treffsicher, zur
richtigen Zeit, nämlich jetzt, wirken und nicht dann, wenn Ihr angeblicher
Aufschwung um die Kurve kommt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Nächster Punkt:
Schwerpunktsetzungen. Der einzige Schwerpunkt, den ich erkennen kann, ist Ihre
Klientelpolitik – Landwirtschaft und Landesverteidigung/Militär. Die
Ausgaben insgesamt im Budget sinken, wie Sie stolz verkünden, nur beim
Bundesheer dürfen sie steigen, und das hat einen guten Grund: weil die
finanziellen Vorbelastungen für Ihre aberwitzigen Rüstungsbeschaffungen, die
noch dazu meistens Fehlinvestitionen sind, das Budget bereits auffressen, und
mit der Anschaffung der Abfangjäger droht Ihnen das Gleiche! (Präsident Dr. Fischer gibt das
Glockenzeichen.)
Ich darf zu meinem
Schlusssatz kommen: Wir dürfen künftig nicht die größte Steuersenkung erwarten,
wir dürfen nur mit der größten Verschwendungsaktion in der Republik rechnen,
nämlich mit dem unsinnigen Kauf der Abfangjäger – ein Riesenschwindel im
Zentrum ...
12.29
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 55 |
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege, gleiches Recht für
alle.
(Beifall bei
den Grünen und der SPÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Mag. Kogler.)
Nächster Redner
ist der Herr Vizekanzler. Die Vereinbarung ist auf 6 Minuten
orientiert. – Bitte.
12.29
Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und
Konsumentenschutz Vizekanzler Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Die
Steuerreform kommt, Herr Kollege Kogler, und die erste Etappe dieser
Steuerreform kommt, wie wir versprochen haben, mit 1. Jänner 2004. Das,
was noch vor einem Jahr in diesem Parlament von drei Parteien bezweifelt
worden ist, ist Grundlage dieses Budgets: die Entlastung der jährlichen
Einkommen bis 14 500 € von jeder Steuer!
Ich gebe Ihnen Recht, Herr Kollege Kogler, schon derzeit haben viele
Österreicherinnen und Österreicher auf Grund der Politik dieser Bundesregierung
keine Steuern zu zahlen, aber dieses Entlastungspaket wird dafür sorgen, dass
noch 200 000 Österreicherinnen und Österreicher mehr in den Genuss
der Steuerersparnis kommen, und das sind die Bezieher niedriger und niedrigster
Einkommen, auf die wir besonderes Augenmerk legen. (Beifall bei den
Freiheitlichen und der övp.)
Sehr geehrte Damen
und Herren! Es kommt auch endlich – ein Jahr früher, als in der Regierungserklärung
verlautbart – die Abschaffung des 13. Umsatzsteuertermins. Und es
kommt auch die Entlastung der nicht entnommenen Gewinne für die kleinen
Betriebe in dieser Republik; fast ausschließlich für die kleinen Betriebe in
dieser Republik. Eine Gesamtsteuerreform in einer nächsten Etappe wird die
gesamte Volkswirtschaft entlasten, aber in einem ersten Schritt sind zunächst
einmal die Klein- und Mittelbetriebe an der Reihe. (Beifall bei den Freiheitlichen
und der övp.)
Sehr geehrte Damen
und Herren! Auch Sie von den Sozialdemokraten sprechen immer davon, dass die
Zukunft in der Forschung und im Investitions- und Infrastrukturbereich liegt.
Wir haben heute bereits darüber gesprochen, dass wir erstmals in der
Außenhandelsbilanz eine positive und erfreuliche Entwicklung zu verzeichnen
haben. Ich möchte mich bei den Österreicherinnen und Österreichern, bei den
Betriebsinhabern, bei den Mitarbeitern ausdrücklich dafür bedanken, dass sie in
einer Zeit, in der die Disparität zwischen Euro und Dollar die österreichischen
Exporte belastet, diese gute Leistung für Österreich erbracht haben. Das hat
nicht die Politik, sondern das haben die österreichische Wirtschaft und ihre
Mitarbeiter erreicht. – Ein herzliches Dankeschön dafür! (Beifall bei
den Freiheitlichen und der övp.)
Ich bin auch sehr
zufrieden damit, dass die Forschungsausgaben für 2003 auf 1 471 Millionen €
und für 2004 auf 1 559 Millionen € steigen werden. Ich bin sehr
zufrieden damit, dass die Ausgaben für Infrastrukturmaßnahmen gegenüber dem
Jahre 1999, als die Sozialdemokratie die Verantwortung getragen hat, von
2 107 Millionen € auf 2 783 Millionen € im
Jahr 2003 und dann auf 2 848 Millionen € im Jahr 2004
steigen werden. – Eine wichtige Leistung für eine zukunftsträchtige
Infrastruktur.
Ich bin sehr
zufrieden damit, dass in einem Pensionssystem, das auf dem Generationenvertrag
basiert, die Ausgaben für Familienleistungen auf
5 026 Millionen € steigen werden. – Das höchste Ausmaß an
Familienleistungen überhaupt! Es ist das erste Mal, dass ein Finanzminister
den Familien 90 Millionen € zuschießen kann, weil nicht die
Österreichischen Bundesbahnen und andere Betriebe auf Kosten der
Familienleistungen gefördert worden sind. Ein guter Tag für die
österreichischen Familien! (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)
Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren über die Beschäftigungssituation in Österreich. Wir diskutieren über die Pensionsreform. – Herr Präsident Verzetnitsch! Wenn Sie so wie ich bei der Wahrheit bleiben, werden Sie bestätigen, dass Sie von mir das Angebot erhalten haben, jene Dinge, die in der Pensionsreform budgetnotwendig sind, jetzt anzugehen und dann gemeinsam bis 30. September über die Harmonisierung und die weiteren Schritte zu diskutie-
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 56 |
ren.
Am 28. April habe ich, in der Begutachtungsfrist zum jetzigen
Regierungsvorschlag, der das Parlament erreicht hat, mit meinen Freunden
nachverhandelt, während Sie – das weiß man, wenn man sich die Broschüren,
die zum 1. Mai und zu den Streiktagen herausgekommen sind, ansieht –
schon damals den Streik vorbereitet haben. Ich würde meinen, jemand, der für
die Sozialpartnerschaft in Österreich ist, darf es nicht so machen wie
Kollege Nürnberger, der stolz darauf war, sich aus der Verantwortung für die
Pensionsreform und für die Modernisierung dieses Staates genommen zu haben,
sondern der muss in der Verantwortung des Parlaments, in der Verantwortung der
Sozialpartnerschaft gemeinsam den guten österreichischen Weg gehen. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der övp.) –
Ich, sehr geehrter Herr Kollege Verzetnitsch, bin bereit dazu.
Sie wissen ganz
genau, dass ich in den letzten drei Tagen mit Gewerkschaftern wichtige Fragen,
die die Gewerkschafter offensichtlich nur mehr auf der mittleren und unteren
Ebene interessieren, diskutiert habe; Fragen über Verbesserungen im
Behindertenbereich und bei den atypisch Beschäftigten.
Ich glaube, dass
wir gut damit beraten sind, die Verhandlungen am Verhandlungstisch, die Verhandlungen
im Parlament fortzusetzen, anstatt auf der Straße tätig zu werden, denn wir
wissen, wohin das oftmals führen kann. Kein österreichischer Arbeitnehmer
würde auf die Straße gehen, um am Ende des Streiks Pensionsregelungen wie in
Griechenland zu haben: arbeiten bis 67, eine jährliche durchschnittliche
Pensionshöhe von 2 378 €. Ich denke, sehr geehrte Damen und Herren,
die österreichischen Pensionisten würden sich höflichst dafür bedanken, für ein
derartiges Pensionssystem mobilisiert worden zu sein.
Wir sollten nicht
vergessen, dass die Aufwendungen für die Pensionen auch nach diesem Budget
steigen werden. Wir werden sie einbremsen, aber sie werden weiterhin und laufend
steigen.
Ich darf auch
darauf hinweisen, dass es für mich schon bezeichnend war, dass die Vertreter
von Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund in der Reformkommission drei Jahre
lang mitgearbeitet haben und zu der letzten Sitzung nicht mehr erschienen
sind. Ich würde meinen, wenn man A sagt und in einer Reformkommission
mitarbeitet, dann sollte man auch B sagen und bei der Umsetzung der Beschlüsse
der Reformkommission dabei sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)
Wer es mit
Österreich ernst meint, wer es mit allen Generationen in Österreich ernst meint
und wer es damit ernst meint, dass die Belastungen der Reform nicht auf Kosten einer Generation erfolgen sollen,
der muss die Pensionsreform jetzt durchführen und darf sie nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag
verschieben! (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)
12.36
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Wir beginnen jetzt
vereinbarungsgemäß mit einer Rednerrunde mit einer Redezeit von je
5 Minuten. Erster Redner ist Herr Abgeordneter Lopatka. – Bitte.
12.36
Abgeordneter
Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr
Bundeskanzler! Meine Damen und Herren von der Regierungsbank! Lassen Sie mich
mit zwei Anmerkungen beginnen; Präsident Verzetnitsch ist ja nicht irgendein
Abgeordneter, daher soll das von ihm Gesagte auch nicht unwidersprochen
bleiben.
Präsident
Verzetnitsch hat im Zusammenhang mit der Überführung der Notstandshilfe in die
„Sozialhilfe neu“ davon gesprochen, dass diesbezüglich vom Herrn Bundeskanzler
nicht die Wahrheit gesagt worden sei. Ich habe sieben Jahre lang in diesem
Bereich gearbeitet, und ich darf sagen: Diese „Sozialhilfe neu“ ist nicht
vergleichbar mit der jetzigen Sozialhilfe der Länder. Um sie zu bekommen,
brauchen wir ein Sozialhilfegrundsatzgesetz und mit allen Ländern (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm) – auch mit Wien und mit
dem Burgenland, Frau Kollegin – Artikel-15a-Vereinbarungen. Die Länder
und Gemeinden sollen auch stärker eingebunden werden. Das ist der richtige
Weg! (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 57 |
Das Zweite, das
mir wirklich Sorgen macht, ist die sprachliche Radikalisierung. Ich bin diesbezüglich
ja auch manchmal gefährdet (Abg. Öllinger:
Da sind Sie Experte!), aber der Präsident des Gewerkschaftsbundes sollte
sich wirklich überlegen, uns Abgeordnete, weil wir der festen Überzeugung
sind, notwendige Gesetze zu beschließen, als Kriminelle zu diskreditieren. (Abg.
Silhavy: Das hat er nicht getan!) Herr Präsident Verzetnitsch, damit sind Sie entschieden zu weit
gegangen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Das hat er gar nicht getan!) – Raub ist ein strafrechtlicher
Tatbestand, Kollegin Silhavy!
Nehmen Sie zur
Kenntnis, dass das vorliegende Doppelbudget für die Jahre 2003 und 2004
das Gegenteil dessen ist, was von SPÖ-Vorsitzendem Gusenbauer und auch von
Ihnen, Herr Präsident Verzetnitsch, hier behauptet worden ist. Natürlich ist
es eine konsequente Umsetzung des Stabilitätsprogramms der Bundesregierung und
somit eine Fortsetzung der Politik der Regierung Schüssel I. Das war das
Markenzeichen dieser Regierung und wird selbstverständlich auch in dieser
Legislaturperiode seine Fortsetzung finden.
Meine Damen und
Herren! Dieses Budget steht natürlich in großem Gegensatz zu dem, was
SPÖ-Bundeskanzler und SPÖ-Finanzminister 30 Jahre hindurch an
Finanzpolitik betrieben haben. Ich muss Ihnen sagen – ich sage es Ihnen
noch in Schilling, denn die Schulden sind von Ihnen zu einer Zeit angehäuft
worden, wo noch in Schilling gerechnet worden ist –: Allein der Zinsendienst
beträgt täglich 270 Millionen Schilling! Am 4. Februar 2000, als
die Regierung Schüssel I ihre Arbeit aufgenommen hat, hat sie einen
Rucksack, gefüllt mit 270 Millionen Schilling an täglichem Zinsendienst,
erhalten. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Das sind pro wahlberechtigter Österreicherin/pro wahlberechtigtem Österreicher
1 258 € oder 17 000 S nur an Zinsendienst. – Das ist
das Erbe, das die Regierung Schüssel I angetreten hat, und das ist das,
was uns natürlich belastet. (Abg. Mandak: Sie waren ja mit
verantwortlich! – Abg. Öllinger:
Ihre Partei war in der Regierung!) Das mag Sie aufregen – für uns ist
es auch nicht angenehm, aber wir gehen daran, eine andere Budgetpolitik zu
machen. (Beifall bei
der ÖVP.)
Dieses
Budget 2003/2004 ist ein gutes Budget, ein gutes Budget in mehrfacher
Hinsicht:
Erstens – und
das hätten auch Sie schon machen können – werden Niedrigsteinkommensbezieher
bis zu einem Jahreseinkommen von 14 500 € brutto steuerfrei gestellt.
Das ist gelebte christdemokratische Politik, meine Damen und
Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Es ist zweitens
ein Budget, in dessen Rahmen große Reformen Berücksichtigung finden – Reformen,
zu denen Sie leider nicht bereit sind.
Drittens ist es
ein Budget im Interesse der Jugend, und das ist für mich das Wichtigste. Daher
blickt auch Deutschland voll Anerkennung auf uns. (Abg. Dr. Glawischnig:
Das stimmt nicht!) Der Chefökonom der Deutschen Bank, Norbert Walter, hat
erklärt: Einen Finanzminister wie Grasser hätten wir auch gerne! (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Man höre und staune: Einen
Finanzminister wie Grasser hätten sie auch gerne!
Umso
unverständlicher sind Ihre persönlichen Angriffe. Sie sind nicht sachlich
begründet. Soll ich Ihnen den Grund für Ihre Angriffe nennen? – Die SPÖ
hat für 145 000 € eine Studie in Auftrag gegeben. Manche von Ihnen
werden sie kennen, sie heißt „Netzwerk Rot:Weiß:Rot“. Und diese Studie ist zu
dem Ergebnis gekommen, dass Karl-Heinz Grasser jener Politiker in Österreich
ist, der bei zentralen Wähler- und Wählerinnengruppen der SPÖ eine sehr
positive Rolle spielt. (Präsident
Dr. Fischer gibt das
Glockenzeichen.)
Was empfehlen
daher die Autoren der Studie der SPÖ? Sie empfehlen, Finanzminister Karl-Heinz
Grasser nachhaltig politisch zu desavouieren. (Abg. Parnigoni: Haben Sie
die Studie in Auftrag gegeben?) Nein, sie ist von Bures bezahlt worden,
Herr Kollege!
Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte Sie – so, wie ich
das bei allen anderen auch tue – um den Schlusssatz!
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 58 |
Abgeordneter
Dr. Reinhold Lopatka (fortsetzend): Ich komme schon zum Schlusssatz. – Was immer Sie unternehmen, es
wird ein untauglicher Versuch sein. Wenn es auch Ihr Auftrag ist, Karl-Heinz
Grasser nachhaltig politisch zu desavouieren – es wird Ihnen nicht
gelingen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
12.42
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist
Herr Abgeordneter Dr. Cap. Gleiche Redezeit. – Bitte.
12.42
Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Es ist zumindest
interessant, dass der Generalsekretär der ÖVP den so genannten parteilosen
Finanzminister hier mit so viel Vehemenz und Einsatz verteidigt. Vielleicht
denkt er, Grasser wird der nächste Parteiobmann der ÖVP. Ich weiß es nicht, aber irgendeinen Grund wird er schon
dafür haben, der Generalsekretär der ÖVP, den so genannten unabhängigen
Finanzminister hier wie einen ÖVP-Minister zu verteidigen.
Aber das ist nicht
das Thema. Thema heute ist die Budgetdebatte, die Budgetrede des Finanzministers,
die er gestern gehalten hat und die im „Standard“ von einem Kommentator als
„Die Wenden des Theatermachers“ betitelt wurde. (Abg. Dr. Brinek: Hat er da den Cap gemeint?) – Ein interessanter Titel,
beschreibt er doch – ich glaube, mich erinnern zu können, dass auch Jörg
Haider das einmal im Fernsehen gesagt hat – diese Beliebigkeit der Politik
des Finanzministers – ein Kennzeichen, ein Markenzeichen.
Es war
interessant, sich den Verlauf seiner Meinungen bei den diversen
Budgetdiskussionen und öffentlichen Aussendungen anzusehen. Sie wissen
natürlich selbst, wie es begonnen hat, nämlich mit: Nulldefizit ist
Nulldefizit! Dann hat es geheißen: ein ausgeglichenes Budget über den
Konjunkturzyklus. Es wurde hinterfragt, ob 0,5 oder 0,7 Prozent Defizit
nicht ohnehin schon einem Nulldefizit gleichkämen. Zum Schluss hat es geheißen:
Irgendwann, wenn die Schuldenjahre vorbei sind, wollen wir uns dann möglichst
nahe an die Null heranarbeiten! – Das ist die Sprache, die man einmal
kritisieren sollte: Es wird versucht, den Menschen etwas vorzumachen, zu
vernebeln, ihnen nicht wirklich zu sagen, worum es geht. Das muss einmal von
uns aufgezeigt werden, und das tun wir auch! (Beifall bei der SPÖ und den
Grünen.)
Im Jahr 2000
ist der berühmte Satz gefallen: „Ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Budget.“ –
Im Regierungsprogramm am 28. Februar 2003 ist aufgezählt worden, in
welchen Jahren es das Budgetdefizit geben wird.
Oder: die
Ankündigung der größten Steuerreform; fast hört man: „aller Zeiten“, aber
gemeint ist die größte Steuerreform der Zweiten Republik. – Dann kommt sie
nicht und kommt sie nicht und kommt sie nicht! Sie wird verschoben, und dann
gibt es nur mehr die Zielansage: vielleicht 2005.
Oder, Aussage von
Grasser: Das, was wir den Bürgern geben, müssen wir ihnen vorher nehmen. –
Das ist das, was wir so kritisieren! Es wird permanent versucht, den Bürger und
die Bürgerin an der Nase herumzuführen, sie für dumm zu verkaufen! Der
Steuerzahler hat aber ein Recht darauf, zu wissen, worum es geht. Es geht um
ihn, es geht um unser Land, es geht um die Zukunft. Da kann man nicht diese Art
von Politik verfolgen, da kann man nicht derartige Budgetreden halten –
mit dem Sanktus desjenigen, der, wie es in der Zeitung steht, in Wirklichkeit
Grasser als Marionette verwendet, nämlich des Bundeskanzlers!
Wir haben gesehen,
wie eng die Bindung zwischen den beiden ist (Abg.
Dr. Fekter: Das ist euch ein
Dorn im Auge, dass das so gut funktioniert!), als der Bundeskanzler sich
vorhin für den Finanzminister so sehr ins Zeug gelegt und versucht hat, ihn
gegen seine Kritiker hier zu verteidigen. Hier liegt eine enge
Geistesverwandtschaft vor.
Jeder muss wissen: Wer Grasser und seine Schuldenpolitik und seine Defizitpolitik und seine Belastungspolitik kritisiert, der muss in Wirklichkeit die ganze Regierung kritisieren, vor allem
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 59 |
den Bundeskanzler an der Spitze, der letztendlich die
Verantwortung für diese unsoziale Politik trägt. (Beifall bei der SPÖ und
den Grünen.)
Beispiel
Abfangjäger: Zuerst waren gebrauchte Abfangjäger im Gespräch. Dann hat es geheißen:
Wir müssen erst einmal abwarten, wie die Sicherheitspolitik in Europa läuft!
Dann hat es geheißen: Abfangjäger sind gar nicht finanzierbar! Dann hat es
geheißen: Das Nulldefizit ist wichtiger als die Abfangjäger! Und dann ist die
Anschaffung der teuersten Abfangjäger beschlossen worden. –
Finanzminister Grasser hat gesagt: Ich trage diese Entscheidung vollinhaltlich
mit! Dann hat er gesagt – damit sich alle fürchten –, es sei ein
Kriegsflugzeug. In der Diskussion gestern war es nur mehr ein Luftraumüberwachungsflugzeug.
Das ist die
Sprache Grassers, das ist das KHG-Markenzeichen: etwas sagen, aber den Bürger
raten lassen, was man damit meint; am schönsten ist es, wenn er nie
draufkommt. – Das ist Ihre Geisteshaltung, Herr Finanzminister, und diese
verurteilen wir! (Beifall bei der SPÖ.)
Aber dem
Generalsekretär der ÖVP scheint das zu gefallen. Er sitzt hier interessiert
dabei und will dieses Phänomen Grasser, dieses Medienphänomen Grasser als
Studienobjekt verteidigen.
Ich sehe das
anders. Wir haben nämlich auch eine wichtige Verantwortung, eine Verantwortung
gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, die uns heute zusehen und zuhören, und
diese können mit Recht erwarten, dass wir hier vernünftig miteinander umgehen,
dass wir Konflikte offen und ehrlich und deutlich austragen und dass
demokratische Einrichtungen nicht diffamiert werden, indem man hier etwa die
Frage aufwirft: Dürfen die denn überhaupt Betriebsversammlungen und Streiks
abhalten?
Wieso gibt es
derartige Maßnahmen? – Weil die Bürgerinnen und Bürger sich um ihren gesicherten
Lebensabend sorgen. Wenn man sich ein Leben lang auf etwas vorbereitet und
dafür auch einzahlt, dann will man auch gesicherte Pensionen haben. –
Dieses Herumfummeln einer verantwortungslosen Regierung mit dem Lebensabend vieler
Menschen in Österreich ist ein Skandal, und deswegen regen wir uns so auf! (Beifall
bei der SPÖ und den Grünen.)
12.47
Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr
Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. Gleiche Redezeit von
5 Minuten. – Bitte.
12.48
Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der
Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Immer
wieder erstaunlich und immer wiederkehrend ist die Argumentationsweise des
Kollegen Cap, der beispielsweise davon spricht, dass die große Steuerreform,
die größte der Zweiten Republik, nur mehr als Zielvorgabe angekündigt
wird. – Natürlich ist es ein Ziel, im Jahr 2005 diese Steuerreform
durchzubringen, diese Steuerreform zu realisieren. Ich stelle fest, dass in den
vergangenen 30 Jahren sozialistischer Finanzpolitik keine Ziele vorhanden
gewesen sind, ansonsten wäre es nicht möglich gewesen, diesen Schuldenberg,
gemessen am Bruttoinlandsprodukt, so anzuhäufen, wie Sie das gemacht haben,
sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Insofern ist es
für mich unverständlich, dass ein Budgetdefizit, das – zugegeben –
bei diesen beiden Budgets ausgewiesen ist, gerade von der SPÖ, vom Kollegen Cap,
so sehr kritisiert wird. Wie war denn die Budgetpolitik der vergangenen Jahre
unter sozialistischen Finanzministern?
Die vorherige
ÖVP/FPÖ-Regierung hat Folgendes gemacht: Sie hat sich der Konsolidierung des
Staatshaushaltes gewidmet, und zwar auf Grund des Erfordernisses, das sich
daraus ergab, dass Sie einen entsprechenden Schuldenberg ohne Perspektiven
hinterlassen haben! Sie hat also etwas getan, was Sie offensichtlich nie
realisieren konnten, nämlich diesen Staatshaushalt zu sanieren. In den 30 Jahren,
in denen das Finanzressort unter sozialistischer Führung war, gab es
Aufbauarbeit nur im Bereich des Schuldenaufbauens, sehr geehrte Damen und
Herren!
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 60 |
Sie haben gesagt,
der Finanzminister hat gleichsam im Jahr 2001, beziehungsweise ursprünglich
für das Jahr 2002, das Nulldefizit zum Dogma erhoben. Ich sage Ihnen: Es
war richtig, das Nulldefizit der Bevölkerung einmal auch vor Augen zu führen,
denn nach Ihrer Finanzpolitik hat ohnedies niemand geglaubt, dass es in diesem
Staate möglich sein kann, solch ein Nulldefizit überhaupt zu erreichen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei
Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer.)
Sehr geehrte Damen
und Herren! Selbstverständlich ist es so, dass eine Konsolidierung, ein ausgeglichener
Haushalt so zu betrachten ist, dass er über den Konjunkturzyklus zu erreichen
ist. Das macht Sinn, das ist sinnvoll! Es geht um ein
ausgeglichenes Budget nicht auf ein oder auf zwei Jahre bezogen (Abg. Dr. Matznetter: Das hat aber der Dr. Gusenbauer Ihnen erst sagen
müssen, Herr Kollege! ...!), sondern unter Berücksichtigung der
weltwirtschaftlichen Situation und der konjunkturellen Entwicklung. Defizite
sind sehr wohl dann in Kauf zu nehmen, wenn es auf Grund der konjunkturellen
Situation erforderlich ist, wirtschafts- und arbeitspolitische Impulse zu
setzen.
Und das, sehr
geehrte Damen und Herren, geschieht auch. Das ist in der letzten Legislaturperiode
geschehen, und das geschieht auch in dieser Legislaturperiode. Es sind Pakete
geschnürt worden, die es sehr wohl ermöglicht haben, wirtschaftlich einen Weg
zu beschreiten, der es in Anbetracht der angespannten finanziellen
Situation – für die Sie die Basis geschaffen haben – den
Wirtschaftstreibenden möglich gemacht hat, ihre Unternehmungen erfolgreich
weiterzuführen: das Konjunkturpaket I und das Konjunkturpaket II.
Ich begrüße es
auch ausdrücklich, dass dieses Austriacum, der 13. Umsatzsteuertermin, den
jeder in diesem Land als äußerst ungerecht empfunden hat, nun endgültig
abgeschafft ist und heuer auch nicht mehr zum Tragen kommt.
Ich begrüße es
auch, dass eine Steuerreform als Zielsetzung definiert und in Angriff genommen
wird, und ich bin auch sehr zuversichtlich, was deren Realisierung betrifft.
Weiters begrüße
ich es ausdrücklich, dass seitens der Budget- und Finanzpolitik eine Verbesserung
der Eigenkapitalsituation unserer österreichischen Betriebe ermöglicht wird,
nämlich durch eine Halbierung des Höchststeuersatzes von 50 auf
25 Prozent.
Sehr geehrte Damen
und Herren! Es gibt viele Maßnahmen und viele Impulse, die in dieser Legislaturperiode
im wirtschaftspolitischen Bereich gesetzt werden und die, so glaube ich, nötig
sind, um auch in Zukunft die Arbeitsplätze (Präsident
Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) und den wirtschaftlichen
Fortbestand unserer österreichischen Unternehmungen zu sichern.
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!
Abgeordneter
Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (fortsetzend): Lassen Sie
mich noch eine Anmerkung machen: Auf großes Unverständnis stößt die derzeitige
Aktion des ÖGB im Zusammenhang mit ...
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege Hofmann, alle müssen
gleich behandelt werden! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er ist ja schon dabei,
beim Schlusssatz!) Ich habe auch Kollegin Partik-Pablé unterbrochen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ja, zu Unrecht! Zu Unrecht!) Ihre Redezeit ist
auf 5 Minuten beschränkt.
Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (fortsetzend): ... der Pensionsreform, zumal Sie, meine
Damen und Herren, damit jemanden bestrafen, der in diesem Bereich, nämlich der
Pensionsreform, gar keinen Einfluss hat, nämlich die österreichischen
Unternehmungen, durch Ihre Aktionen und durch Ihre ...
12.54
Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Redezeit ist abgelaufen!
(Beifall bei den Freiheitlichen für den das
Rednerpult verlassenden Abg. Dipl.-Ing. Hofmann.)
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 61 |
Nächste Rednerin
ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.
12.54
Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch auf
einige Verteilungsaspekte und damit Gerechtigkeitsaspekte des Budgets und auch
der Pensionsreform eingehen, vor allem aus dem Blickwinkel von jungen Leuten
und von Frauen.
Es wird im Moment
ein Spiel gespielt, bei dem Pensionsanwärter und -anwärterinnen, also junge
Leute einerseits und Pensionsbezieher, Pensionisten und Pensionistinnen
andererseits gegeneinander ausgespielt werden, und zwar mittels einer als
solcher dargestellten großen demographischen Bombe, die angeblich diese unvermeidbaren
tiefen Einschnitte in das Pensionssystem notwendig macht.
In Wirklichkeit
geht es aber um etwas ganz anderes. Ich würde mich sehr gut mit diesem System
abfinden können, wenn man sich darauf einigen könnte, zu sagen: Der Staat, die
Republik wird in den nächsten Jahren einen so und so großen Anteil des BIP, so
und so viele Prozent davon, für die Pensionen ausgeben. – Das ist aber
nicht der Fall!
Wenn die Zahlen,
die die Oberösterreichische Landesregierung vorgelegt hat, stimmen, dann wird
es im Jahr 2015 so weit kommen, dass der Bundeszuschuss für die
ASVG-Pensionierten unter null sinkt! Das bedeutet, dass es bei dieser
Pensionsreform um etwas ganz anderes geht, nämlich um die Abschaffung der
Verantwortung des Staates und der Republik für die Pensionen und um deren
sukzessive Befreiung von dieser Verantwortung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Die jungen Leute
werden in ein amerikanisches System hineingedrängt, das im Wesentlichen sehr
viel risikoreicher ist, wobei das fiskalische Endziel dieser Reform dann darin
besteht, dass der Staat für die zukünftigen staatlichen Pensionen nicht mehr
ausgeben wird als für einen Sozialhilfeempfänger. Das sollten sich die jungen
Leute einmal überlegen: ob man das bewährte System aufgibt – darum geht es
nämlich – und in solch ein risikoreiches System umwechseln soll. Die
Nutznießer davon sind nicht
die jungen Leute – das muss gesagt sein. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Wenn man schon
über die Ungerechtigkeiten spricht, dann muss auch auf ein Thema eingegangen
werden, das völlig vergessen worden ist, das immer wieder in irgendeiner Form
angeschnitten wird, aber bis jetzt noch nicht ernsthaft angegangen worden ist,
nämlich auf die Politikerpensionen.
Bis zum jetzigen Zeitpunkt sind die Vorschläge, die vorliegen, nicht
mehr als Kosmetik. Wir haben leider hier im Saal immer noch ein lebendes
Beispiel dafür sitzen: 12 800 € Gehalt und Pension! – Herr
Stummvoll, ich möchte Sie fragen, ob Sie wissen, wie hoch die durchschnittliche
Pension einer Frau ist. (Abg. Sburny begibt sich zum Platz von Abg.
Dr. Stummvoll und platziert eine mit Euro-Scheinen gefüllte Schachtel mit
einer auf seine Pension bezogenen Aufschrift neben ihm, die dieser sodann an
die Abgeordneten der Grünen retourniert.) – Diese beträgti
680 €. Wenn man diesen Betrag mit der
vorher genannten Zahl vergleicht, dann beträgt diese das Achtzehnfache!
Ich frage
mich, warum es nicht möglich war, bis zum heutigen Zeitpunkt,
bis zu dieser Reform und der sie kennzeichnenden raschen
Durchpeitschungsmechanik durch das Parlament eine ernsthafte
Politikerpensionsreform vorzulegen. Es tut mir
sehr Leid, dass ein Vorschlag für eine
solche Reform bis jetzt noch nicht von Ihnen gekommen ist. (Beifall bei
den Grünen.)
Eine der
weiteren Ungerechtigkeiten betrifft wieder einmal die Frage:
Wie wirkt
sich
diese Budgetreform, die Struktur des neuen
Budgets auf die Einkommenssituation, auf die Einkommensverhältnisse
von Frauen aus? – Die Zahlen sind bekannt. Wir
wissen, dass eine immense Schere zwischen Männer- und Fraueneinkommen
existiert, und die Frage ist durchaus berechtigt: Wie wirkt sich das vorgelegte
Budget auf die Frauen aus, und wie wirkt sich die Steuerreform auf die
Fraueneinkommen aus? – Das ist eine sehr ernste Situation.
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 62 |
Es hat im
Regierungsübereinkommen einen Passus gegeben, wonach alle Gesetze auf ihre Auswirkungen
auf die Situation der Frauen überprüft werden. Bei diesem Gesetz ist das offensichtlich
nicht geschehen und vergessen worden. (Beifall
bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Einige Zahlen
dazu: Die angebliche Entlastung betrifft Einkommen in der Höhe von
14 500 € brutto im Jahr. Diese werden steuerfrei gestellt; alle
höheren Einkommen werden noch leicht entlastet.
Wie hoch ist nun
das durchschnittliche Fraueneinkommen in Österreich brutto über ein
Jahr? – Es liegt darunter, nämlich bei 14 000 €. Das bedeutet,
dass Frauen durch diese angeblichen Entlastungsmaßnahmen im Durchschnitt überhaupt
nicht entlastet werden und viele Frauen natürlich noch viel weniger
verdienen als diese angebliche Entlastungsgrenze. Das bedeutet, dass diese
Reform überproportional Frauen benachteiligt – und das, obwohl es Ihr
erklärtes Ziel war, bei den Gesetzen in Zukunft solche Dinge einmal zu
überprüfen, damit das, was Sie hier anrichten, überhaupt ins Bewusstsein
gelangt. (Beifall bei den Grünen und bei
Abgeordneten der SPÖ.)
Tatsächlich werden
die Frauen, die unterdurchschnittlich verdienen, zusätzlich belastet: durch die
höheren Selbstbehalte, durch die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge und
durch die Steuererhöhung im Energiebereich. Das ist nicht gerecht!
Noch zwei Sätze
betreffend die Situation der jungen Menschen: Wenn Sie durch diese Pensionsreform
sehr viele Menschen mehr auf dem Arbeitsmarkt haben werden und versuchen, vor
allem die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu
halten, dann geht das nur zu Lasten des Zugangs von jüngeren Menschen zum Arbeitsmarkt.
Diese Maßnahmen erfolgen in Kombination mit dem Abbau von Stellen im
öffentlichen Dienst – minus 35 000 Stellen! –, mit dem
Abbau von Bildungsinvestitionen im universitären Bereich und im
Schulbereich. – Man kann gerne über Qualität und über Strukturmaßnahmen
diskutieren, aber Stundenkürzungen vorzunehmen und nicht im Bildungsbereich zu
investieren, ...
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Schlusssatz, bitte!
Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (fortsetzend): ..., das bedeutet eine zusätzliche extreme
Ungleichbehandlung von jungen Leuten.
Dieses Budget ist
daher nicht zukunftssicher, sondern das Gegenteil davon! –
Danke. (Beifall bei den Grünen und bei
Abgeordneten der SPÖ.)
12.59
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Ich unterbreche jetzt vereinbarungsgemäß die Sitzung für 15 Minuten.
Wir setzen um 13.15 Uhr fort. Erster Redner nach der Mittagspause wird der
Herr Bundesminister für Finanzen mit einer Redezeit von 5 Minuten sein;
den Vorsitz wird Herr Präsident Prinzhorn führen.
Die Sitzung ist unterbrochen.
(Die Sitzung wird um 13.00 Uhr unterbrochen
und um 13.16 Uhr wieder
aufgenommen.)
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.
Zu Wort gelangt
Herr Bundesminister Mag. Grasser. – Bitte.
13.16
Bundesminister
für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr
geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten!
Werte Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Herr Bundeskanzler!
Herr Vizekanzler! Ich möchte versuchen, vier kurze Klarstellungen zu treffen,
was die Diskussion heute am Vormittag betrifft.
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 63 |
Erster Punkt: Es
ist uns vorgeworfen worden, ein Defizit von 1,3 Prozent beziehungsweise
von 0,7 Prozent zu machen. – Ich möchte nochmals festhalten: In den
letzten 30 Jahren ist es keinem Finanzminister, keinem Bundeskanzler,
keiner Regierung vor uns gelungen, ein niedrigeres Defizit zu erreichen. Im
Gegenteil: Bis in die neunziger Jahre lag das Defizit in Österreich über
5 Prozent! Wir erzielen die besten Ergebnisse, die es in den letzten
30 Jahren gegeben hat. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Walch.)
Zweiter Punkt,
meine Damen und Herren: Abgeordneter Gusenbauer hat gesagt, wir erhöhen die
Steuern und Abgaben, immer mehr sei an Steuern und Abgaben zu zahlen. Wenn ich
Sie, Herr Professor Van der Bellen, richtig verstanden habe, dann haben Sie
gesagt, es sei nicht eine Nettoentlastung
von 500 Millionen €, sondern eine Belastung von 200 Millionen €, die herauskommt. Sie
haben mir ferner vorgeworfen, dass ich in meiner Budgetrede unrichtige Angaben
gemacht habe, und dies in einem Ton, den ich bedauere; ich möchte darauf auch
nicht in der gleichen Form erwidern.
Herr Professor,
ich habe in meiner Budgetrede gesagt:
„Diese erste
Etappe der Steuerreform wird ein Volumen von etwa 950 Millionen €
bewegen. Sie wird zu einer Nettoentlastung von 500 Millionen €
führen. Zusammen mit den beiden Konjunkturbelebungspaketen belaufen sich die
Entlastungseffekte sogar auf 1 Milliarde €.“ – Zitat aus meiner
Budgetrede.
Tatsächlich sind
die Auswirkungen der Abgaben- und Steuerreform, die mit
1. Jänner 2004 in Kraft tritt, im Jahr 2004 eine Nettoentlastung
in der Höhe von 169 Millionen €, im Jahr 2005
431 Millionen € und im
Jahr 2006 623 Millionen € – dort haben wir die volle
Wirkung.
Zusammen mit den
Konjunkturbelebungspaketen der Jahre 2001 und 2002, die jetzt zu Entlastungen
führen, haben wir daher in Summe Entlastungen in folgender Höhe: im
Jahr 2004 731 Millionen €, im
Jahr 2005 968 Millionen €, im
Jahr 2006 1 310 Millionen € an Entlastung.
Ich habe in der
Budgetrede Durchschnittswerte angegeben. Ich halte das für fair und seriös, und
noch wichtiger: Es entspricht den Tatsachen, meine Damen und Herren! Wir
entlasten die Bevölkerung substantiell und sind stolz darauf! (Beifall bei
der ÖVP sowie des Abg. Walch.)
Damit Sie das auch
anhand von Beispielen sehen: Ein Pensionist, monatliches Bruttoeinkommen:
1 000 €. Erhöhungen durch die Krankenversicherungsbeitragserhöhungen,
durch Belastungen im Bereich Treibstoff, auch im Bereich Heizung. –
Nettovorteil, der diesem Pensionisten bleibt: 100 € netto mehr im Jahr!
Zwei Verdiener,
Arbeiter/Angestellte, der Mann verdient 2 500 €, die Frau verdient
1 000 €. Einige Belastungen im Bereich Heizung und im Bereich
Treibstoff. – Nettoentlastung für diese Familie: 297 € im Jahr!
Meine Damen und
Herren! Das lässt sich sehen! Das sind nicht mehr Steuern, das sind weniger
Steuern. Das ist die Entlastung, die wir gestern dargelegt haben, zu der wir
stehen und die wir umsetzen werden! (Beifall bei der ÖVP und bei
Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Dritter Punkt:
Herr Professor Van der Bellen hat von „dringendem Betrugsverdacht“
„Wir sehen im
Bundesvoranschlag 2003 über 8,2 Milliarden € für Bildung und
Wissenschaft vor; 2004 werden diese Ausgaben sogar auf über
9 Milliarden € ansteigen.“
Das sind genau die Zahlen, die im Bundesvoranschlag stehen. Sie kennen das österreichische Haushaltsrecht, Sie kennen das Bruttoprinzip des Haushaltsrechtes, wir müssen die Bilanzverlängerungen so darstellen, wie sie dargestellt sind (Abg. Dr. Van der Bellen: Eh, aber korrekt
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 64 |
interpretieren! Habe ich ja
gesagt!), andernfalls wären meine Handlungen rechtswidrig, Herr Professor. (Beifall
bei der ÖVP.)
Herr Professor!
Weil Sie sagten „unverschämte Zumutung“, lege ich Wert darauf, zu sagen, dass
wir diese Darstellungen nicht verschweigen, sondern dass das in einem
Budgetbericht, der auf dem Weg ins Hohe Haus ist, den wir im Ministerrat
gleichzeitig mit den Bundesfinanzgesetzen beschlossen haben, ganz transparent
und offen dargelegt ist – ganz offen. Ich bin mir zwar sicher, Sie würden
selbst draufkommen, aber wir verstecken es nicht, wir verschleiern es nicht,
sondern stellen es ganz transparent dar und sind unter dem Strich stolz darauf,
dass wir den Universitäten im Jahr 2004 um 128 Millionen € mehr
zur Verfügung stellen – mehr für die Forschung, mehr für die Wissenschaft
als jemals zuvor in Österreich. Ein guter Weg für unser Land. (Beifall bei
der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Letzter Punkt:
Alfred Gusenbauer hat mir schlecht zugehört, ich habe gestern nicht Anton Benya
zitiert, sondern Franz Olah.
Damit bin ich bei dem Thema „Streiks“ angelangt.
Meine Damen und
Herren! Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ von gestern hat geschrieben:
„Generalstreik in Österreich“.
Sie schreibt weiters – ich zitiere den letzten Satz (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen – Rufe bei der SPÖ: Redezeit!); das, was hier gesagt wird, muss uns allen bewusst sein! –:
„So gesehen
allerdings war dies sehr wohl ein politischer Generalstreik, und die Regierung
Schüssel täte gut daran, sich nicht einschüchtern und erpressen zu lassen, denn
Politik gehört ins Parlament, nicht auf die Straße.“
Genau das werden
wir tun, meine Damen und Herren! Zur Gemeinsamkeit sind Sie eingeladen! (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
13.22
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist
Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte.
13.22
Abgeordnete
Mag. Dr. Maria Theresia Fekter
(ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Herren auf der Regierungsbank! Ich
bedauere zutiefst, dass keiner der Herren von der Gewerkschaft mehr im Saal
ist. (Abg. Mag. Mainoni: Die
sind mit dem Mittagessen nicht fertig!) Ich ersuche Sie von der SPÖ, den
Inhalt meiner Rede Herrn Präsidenten Verzetnitsch mitzuteilen. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)
Lange Zeit war ich
überzeugt davon, dass alle hier im Hohen Haus Demokraten sind und sich uneingeschränkt
zum Rechtsstaat bekennen. Die ersten Zweifel, dass die Sozialisten es mit ihrem
Demokratieverständnis nicht so genau nehmen, habe ich zum Zeitpunkt der
Sanktionen gegen Österreich bekommen.
Ich habe nicht
mehr bloß Zweifel, sondern seit Dienstag weiß ich, dass die SPÖ demokratische
Prinzipien und ihr Bekenntnis zum Rechtsstaat locker über Bord wirft, wenn es
um ihre Machtspektakel geht. (Abg. Gaál:
Dann kennen Sie unsere Geschichte nicht!) Die heutige Rede von Herrn
Präsidenten Verzetnitsch war entlarvend (Ruf
bei der SPÖ: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?): Habe ich am Dienstag in
der Früh den Vergleich mit dem Sparkassenraub noch einer Entgleisung eines
Bezirksfunktionärs zugeschrieben, der nämlich wörtlich dasselbe gesagt hat,
weiß ich heute, dass das die neue ÖGB-Diktion ist, die flächendeckend in
Österreich ausgestreut wird. (Abg.
Mag. Kogler: Zwei sind ja noch keine Fläche!)
Am Dienstag wurde
wegen der Pensionsreform gestreikt. Auch mein Betrieb in Redlham war davon
betroffen. Es war dies aber kein Streik, weil nämlich kein einziger Mitarbeiter
von mir gestreikt hat, sondern Betriebsfremde haben eine illegale Blockade bei
unserer Werkszufahrt durchgeführt. (Zwischenrufe
bei ÖVP und SPÖ.) Wohlgemerkt: kein Streik, sondern eine Blockade!
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 65 |
Auf einem
Transparent war auch der Zweck dieser illegalen Besetzung zu lesen, nämlich:
Streik – oder nein zum Pensionsraub, Frau Fekter.
Um auf mich Druck
auszuüben, wurde unserem Betrieb erheblicher Schaden zugefügt. (Abg. Scheibner: Skandalös!) Über
mehrere Stunden konnten der Transportbeton und das Heißmischgut nicht
ausgeliefert werden – wohlgemerkt: beides „verderbliche“ Produkte, die man
nicht einfach beiseite stellen kann, weil beide innerhalb von Stunden hart
werden. (Abg. Gaál: Reden Sie da
als Unternehmerin?)
Es war somit die
Werksproduktion blockiert, es gab gleichzeitig aber auch Stillstand auf unseren
Baustellen, weil dort das Mischgut, der Asphalt, nicht angeliefert werden
konnte, aber Straßenwalzen, Fertiger und Baupartien darauf gewartet haben.
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Gleichzeitig wurde angedroht, nächsten Dienstag
derartige Blockaden und den wirtschaftlichen Druck auf mich weiter
fortzusetzen, wenn ich nicht im Nationalrat gegen die Pensionsreform stimme. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Scheibner:
Ungeheuerlich!)
Ich habe hier das
Strafgesetzbuch (die Rednerin hält dieses
in die Höhe), und darin findet sich der Paragraph „Nötigung von Mitgliedern
eines verfassungsmäßigen Vertretungskörpers“, nämlich § 251 StGB:
„Wer ein Mitglied
des Nationalrats, des Bundesrats, der Bundesversammlung ... mit Gewalt
oder durch gefährliche Drohung nötigt oder hindert, seine Befugnisse überhaupt
oder in einem bestimmten Sinn auszuüben, ist mit Freiheitsstrafe von sechs
Monaten bis zu fünf Jahren ... zu bestrafen.“ (Abg. Gaál: Sind Sie Unternehmerin oder Abgeordnete?!)
Das ist kein
Kavaliersdelikt, das ist auch kein Vergehen, sondern das ist ein Verbrechen nach unserer Strafordnung!
„Nötigung von
Mitgliedern eines verfassungsmäßigen Vertretungskörpers“. – Meine werten
Herren Kollegen von der Gewerkschaft und von der SPÖ, da ist eine kriminelle
Vorgangsweise gesetzt worden, durch Ihre Angestellten und Funktionäre. Welches
Demokratieverständnis haben Sie eigentlich, wenn Sie wirtschaftlich auf mich
Druck ausüben, um ein bestimmtes Abstimmungsverhalten hier zu provozieren?
Ich ersuche daher
dringend, das abzustellen und mir zu versichern, dass das nächste Woche nicht
mehr passiert, sonst müsste ich gegen die Pensionsreform stimmen und gleichzeitig für dieses kriminelle
Verhalten eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft einbringen. (Beifall bei
der ÖVP und den Freiheitlichen.)
13.27
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist
Frau Abgeordnete Mag. Prammer. – Bitte.
13.27
Abgeordnete
Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder
der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Trinkl: Was sagen Sie, Frau Prammer?) Im
Gegensatz zu Ihnen werde ich hier nicht über mehr oder weniger bedauernswerte
Abgeordnete in diesem Haus reden (Abg.
Dr. Fekter: Kriminelle Handlungen der Funktionäre aus Ihrem
Bezirk! ... Ihr Bezirkssekretär!), sondern über die vielen Tausenden
Frauen, die Ihre Maßnahmen ganz massiv treffen werden. (Beifall bei der
SPÖ.)
Sie legen ein unsoziales „Schröpfbudget“ vor und haben vor allem wieder einmal auf die Frauen restlos vergessen. Wir haben schon vorige Woche darüber diskutiert, was Sie im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes auf die Frauen zukommen lassen, heute liegen nun auch die Budgets für 2003 und 2004 vor. Unabhängig davon, dass natürlich beide Budgets nicht hinsichtlich Betroffenheiten von Frauen durchleuchtet wurden – Frau Kollegin Glawischnig hat schon einige Beispiele gebracht –, habe ich mir die Mühe gemacht, zu schauen, wie es mit dem Frauen-Bud-
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 66 |
get ausschaut. Das Frauen-Budget hat im Jahr 1999 immerhin noch
fast 80 Millionen Schilling ausgemacht – 2003 und 2004 wird es rapid
nach unten gehen. (Abg. Silhavy:
Das ist ein Skandal!)
Die
Frauen-Projekte werden kein Geld mehr zur Verfügung haben, um jene Arbeit zu
leisten, die die Frauen vor Ort, die Beratung brauchen, auch wirklich in Anspruch
nehmen. – Das ist Ihre Politik, auch das verstecken Sie in diesem Budget!
Es sind kleine Beträge, es sind auch viele wichtige große Beträge drinnen, aber
wir dürfen auf die Frauen-Projekte nicht vergessen, denn diesen steht das Aus
bevor. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Herr
Finanzminister! Ich habe Ihnen gestern natürlich bei Ihrer Rede sehr aufmerksam
zugehört und habe mir zunächst gedacht, ich hätte es vielleicht nur überhört:
Es kamen die Frauen darin nicht vor. Ich habe mir dann zu Hause die Mühe
gemacht und habe mit dem elektronischen Sucher Ihre Rede durchsucht: Ein
einziges Mal kam das Wort „Frauen“ vor, nämlich dort, wo es darum geht, dass
sie länger arbeiten müssen, um in Pension gehen zu können. (Beifall bei der
SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) – Das ist Ihre gestrige Budgetrede, Herr Finanzminister, und
sie ist bezeichnend!
Das, was Sie den
Frauen in der nächsten Zeit aufbürden, ist unglaublich. Sie reden von „Abfederungen“,
einem „längeren Übergang“. – Bitte, was ist mit dem längeren Übergang bei
der vorzeitigen Pension nach Arbeitslosigkeit? Das ist eine Pensionsform, die
zu 80 Prozent Frauen in Anspruch nehmen, und diese wird am
1. Juli 2004, nächstes Jahr, abgeschafft sein, und die Frauen werden
diese Pensionsform, die heute oft angewendet wird, nicht mehr in Anspruch nehmen
können. (Abg. Steibl: Es wird
nicht abgeschafft, sondern ...!) Sie werden damit leben müssen, dass
sie ein Übergangsgeld erhalten, das um vieles niedriger ist als das, was sie
heute an Anspruch hätten.
Sie, meine Damen
und Herren von den Regierungsparteien, reden vom „Eingreifen in bestehende
Pensionen“ – ich weiß ja gar nicht, woher Sie das immer nehmen. Eingreifen
in bestehende Pensionen tun schon Sie! Sie schaffen einen zusätzlichen
Pensionssicherungsbeitrag bei den öffentlich Bediensteten – aber nicht nur
bei jenen, die die hohen Pensionen haben, sondern bei allen, auch bei der
kleinen D-Beamtin und beim kleinen P-Beamten, und das ist ein Eingreifen bei
den Schwächsten und wirklich auch Enteignung, anders kann man es hier nicht
nennen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Sie sagen, Sie
stärken die dritte Säule. – Haben Sie sich einmal die Einkommen der Frauen
in diesem Lande angeschaut? – Gerade heute hat die Arbeiterkammer Oberösterreich
wieder die Bruttobeträge der Einkommen veröffentlicht: 17 Prozent aller
Frauen verdienen unter 1 000 € brutto monatlich. Wie, bitte, wollen
Sie diesen Frauen erklären, dass sie noch Geld zur Seite legen sollen, um die
dritte Säule aufzubauen?
Von der
Steuerreform mag ich gar nicht reden, auch nicht von der Milchmädchenrechnung,
die Sie immer wieder anstellen. (Abg. Scheibner:
Reden Sie doch von der Steuerreform – weil die genau wieder den kleinen
Verdienern zugute kommt!)
Herr
Finanzminister! Sie werden heute in den Zeitungen sehr oft unter der Abkürzung
„KHG“ zitiert. Ich habe mir auch meinen Reim darauf gemacht: kalt, herzlos und
glatt – genau so wie Ihre beiden Budgets und Ihr Budgetbegleitgesetz
aussehen. – Die Menschen werden es Ihnen – unter
Anführungszeichen – „danken“. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten
der Grünen.)
13.32
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist
Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.
13.32
Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Zuhörer! Frau Kollegin Prammer, Sie haben am Schluss Ihrer Rede gesagt, dass 17 Prozent der Frauen weniger als
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 67 |
1 000 € verdienen
würden. – Eigentlich müssten Sie sich bei uns dafür bedanken, dass wir
jetzt einen Mindestlohn von 1 000 € einführen (Rufe bei der SPÖ: Wo denn?), denn das wird diesen Frauen zugute
kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Selbstverständlich!
Das ist doch im Budgetbegleitgesetz enthalten. (Abg. Mag. Prammer: Wir
würden mitstimmen mit Ihrem Antrag! Wo ist der Antrag?) Genauso wie, dass
14 500 € Jahreseinkommen steuerfrei sein sollten.
Das ist doch eine
wesentliche Verbesserung! Wir haben Ihnen ein Hölzl geworfen, das auch die Gewerkschaft
auffangen könnte (Beifall bei den Freiheitlichen), dass man eben diese
1 000 € einführt. (Abg.
Mag. Prammer: Wo ist der
Gesetzesantrag?) – Das kommt alles noch! (Abg. Schieder: Wann kommt
der Antrag?) Alles zur rechten Zeit! (Abg.
Mag. Wurm: Am Sankt-Nimmerleins-Tag!)
Wir beschließen
das Budgetbegleitgesetz am 4. Juni und danach das Budget. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Wir
werden schauen, was herauskommt.
Frau Kollegin
Prammer, Sie haben weiters gesagt, auf die Frauen sei in diesem Budget und beim
Budgetbegleitgesetz vergessen worden. (Abg.
Mag. Prammer: Ja!) –
Ich sage Ihnen: Wir haben festgeschrieben, dass pro Kind drei Jahre
Kindererziehungszeit als Verkürzung der Durchrechnungszeit herangezogen wird.
Auch das ist eine wesentliche Verbesserung!
(Abg. Mag. Prammer: Milchmädchenrechnung! Bringt den Frauen nichts!)
Eine weitere
Verbesserung für Frauen gibt es bei der Berücksichtigung der Kinderbetreuungszeit,
nämlich eine Aufstockung von 18 auf 24 Monate. (Abg. Mag. Prammer:
Milchmädchenrechnung! Bringt den Frauen nichts!)
Weiters wird der
Faktor, der für die pensionsbegründenden Zeiten während der Kindererziehung
herangezogen wird – die Basis ist die Ausgleichszulage –, auf 150 Prozent
erhöht. Das ist eine wesentliche Verbesserung! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer.)
Frau Kollegin
Prammer, von Ihnen wird oft kritisiert und gesagt, dass die längere Durchrechnung
so schlecht sei. (Abg. Scheibner – in Richtung SPÖ –:
Die haben Sie selbst gefordert!) – Wir wollen die diesbezüglichen
Aufwertungsfaktoren so verbessern, dass länger zurück liegende Zeiten besser
bewertet werden. (Abg. Mag. Wurm: Wissen das der Bundeskanzler und
der Finanzminister?) Das ist ein gemeinsames Versäumnis der
Sozialdemokraten und der ÖVP aus der Vergangenheit. Man hat auf diese
Aufwertungsfaktoren vergessen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie
liegen zum Teil nur bei 60 Prozent!
Wenn man diese
Faktoren nach dem Tariflohn-Index anpassen würde, dann wäre damit vor allem
Frauen und Arbeitern sehr geholfen. – Ganau das wollen wir in
Verhandlungen umsetzen, geschätzte Frau Prammer! (Abg. Mag. Wurm: Wo
steht das? – Abg. Mag. Prammer:
Wo denn?)
Auf jeden Fall
wissen wir alle, dass bei den Pensionen etwas geschehen muss. Das Schlimmste
wäre, dass dort nichts geschieht. Herr Präsident Fischer, Sie nicken – wir
alle sind der Meinung, dass dort etwas geschehen muss. Die einen sagen: Man
muss ja nicht alles auf einmal machen!, die anderen sagen: Alles auf einmal,
das ist das einzig Wahre! Auch ich bin dieser Meinung: Man sollte Nägel mit
Köpfen machen, und man sollte es bald machen. Von einem Durchpeitschen ist
keine Rede, aber Eile ist geboten.
Die
Pensionsreformkommission hat drei Jahre lang gearbeitet – unter der
Leitung von Professor Tomandl –, und meines Wissens waren die
Sozialpartner dort mit eingebunden, auch die Seniorenvertreter, und diese
Pensionsreformkommission hat Folgendes gefordert: Eine längere
Durchrechnung – ich habe ja schon erläutert, was noch vorgesehen ist und
so weiter – ist ein Thema, das andere ist, das faktische Pensionsalter an
das Regelpensionsalter heranzuführen. Da muss man dann eben irgendwo
ansetzen.
Wenn mich jemand fragt, wo man dabei ansetzen solle (Abg. Mag. Wurm: Stummvoll, da müssen Sie ansetzen!), dann sage ich, man müsse bei jenen ansetzen, die den Durchschnitt
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drücken, und nicht bei jenen, die ohnehin schon länger arbeiten.
Das ist auch klar, und das wird jetzt auch gemacht.
Eine
Harmonisierung der Pensionssysteme wurde von der Pensionsreformkommission ebenfalls
ausgearbeitet.
Ich erinnere Sie
an Folgendes: Im Jahre 1997, als die ... (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) –
Kollegin Silhavy, 1997 waren Sie auch schon hier, und damals wurde die
Bezügeregelung gemacht. Es gab seinerzeit einen Vier-Parteien-Antrag: von den
Sozialdemokraten, der Österreichischen Volkspartei, den Grünen und dem
Liberalen Forum. Die FPÖ hat seinerzeit eine Angleichung an die
Privatwirtschaft gefordert: Wenn jemand ASVG-versichert, GSVG-versichert oder
Bauer oder Beamter ist, dann sollte er weiterhin so versichert sein. Ich meine,
das hätte Sinn gemacht.
Heute, ein paar
Jahre später, gibt es weiterhin das Zwei-Klassen-System: Es gibt Privilegierte
und weniger Privilegierte. Es gibt unterschiedliche Beitragsleistungen in
diesem Bereich – auch in den anderen Bereichen des Pensionssystems gibt es
das –, es gibt ein unterschiedliches Zugangsalter, und es gibt
unterschiedliche Pensionshöhen, und das muss beseitigt werden. Wir wollen das
jetzt angehen, und das muss auch in Ihrem Interesse sein.
Wir sollten zum
Wohle aller Österreicherinnen und Österreicher daran arbeiten, denn daran werden
wir alle gemessen. Wir sollten schleunigst Nägel mit Köpfen machen (Präsident
Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen), und diejenigen,
die heute Doppelbezüge kassieren in diesem Bereich, sollten sich selbst an der
Nase nehmen – auch wenn man in diesem Hause sitzt – und ein Vorbild
sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
13.37
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist
Frau Abgeordnete Sburny. – Bitte.
13.38
Abgeordnete
Michaela Sburny (Grüne): Herr Präsident! Hohes
Haus! Ich möchte zuerst auf die immer wieder kommende Debatte darüber, was im
Hinblick auf den Streik demokratisch ist und was nicht, eingehen und möchte
gerne das Demokratieverständnis der Regierungsparteien ein bisschen näher unter
die Lupe nehmen.
Ich gehe ein paar
Jahre zurück, in die letzte Legislaturperiode, in der es Überlegungen des Landeshauptmanns
Haider gab, eine strafrechtliche Verfolgung von Abgeordneten ins Auge zu fassen,
die „Österreich vernadern“, wie er das genannt hat, und einen Minister
Böhmdorfer, der das damals als „zumindest eine verfolgenswerte Idee“ gefunden
hat. – Das war damals Ihr Verständnis von Demokratie.
Gestern hat Herr
Abgeordneter Kopf in Richtung Opposition gesagt: Lassen Sie uns arbeiten!, als
ob die Opposition die Regierung behindern würde, als ob allein dadurch, dass
die Opposition da ist und sozusagen ihre Anmerkungen macht, die Regierung
schon behindert würde. – Die Opposition behindert nicht die Regierung,
sondern hat bei dem, was Sie vorhaben, hier eine sehr wesentliche Aufgabe! (Beifall
bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Heute hieß es:
„... Politik gehört ins Parlament, nicht auf die Straße.“ – Das ist auch
eine sehr interessante Sichtweise von Demokratie. Natürlich gehören
Demokratie und parteipolitische Entscheidungen ins Parlament und ist das
Parlament der Ort, wo das ausgetragen wird, wenn Sie, meine Damen und Herren
von den Regierungsfraktionen und von der Regierung, aber davon ausgehen, dass
die anderen Menschen kein Recht haben, politisch tätig zu sein, dann, glaube
ich, kann man an Ihrem Demokratieverständnis wirklich zweifeln. (Beifall bei
den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Scheibner: Wer sagt das?) – Das war ein wörtliches Zitat!
Das hat heute Herr Minister Grasser gesagt – wörtlich: „... Politik
gehört ins Parlament, nicht auf die Straße.“ – Sie können es nachprüfen. (Bundesminister Mag. Grasser: Ich habe die „FAZ“ zitiert!)
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 69 |
Die gestrige Rede
von Minister Grasser war in mehrerer Hinsicht eine Werbeveranstaltung: Nicht
nur, dass er Werbeslogans aus irgendwie nahe stehenden Firmen verbreitet hat,
ist er selbst sozusagen auch ein Prototyp für eine Gruppe von Menschen, die
derzeit von der Regierungspolitik profitieren: Er ist einigermaßen jung, er
ist männlich, und er hat genügend Geld, sodass er sich einiges an Risiko
leisten kann. (Abg. Dr. Trinkl:
„Männlich“ ist aber kein Vorwurf, oder?) – Das ist eine Feststellung.
Genau diese Gruppe von Menschen profitiert in der Regel von der Art von
Politik, die derzeit gemacht wird (Beifall bei den Grünen und bei
Abgeordneten der SPÖ): „mittelalterliche“ Männer, die genügend Geld haben,
sich Risiko leisten zu können.
Dass die ÖVP
Minister Grasser sehr gut gebrauchen kann, kann ich verstehen, denn die ÖVP
ihrerseits hat ein bisschen ein Problem, wenn sie an ihre Zielgruppen denkt,
die hin und wieder doch noch so etwas wie ein soziales Gewissen zeigen. Da tut
sich die ÖVP natürlich schwer, so klar und direkt Dinge anzusprechen wie
Minister Grasser, der sich mit so etwas wie Partei überhaupt nicht belasten
muss. (Abg. Eder: O ja, mit der FPÖ!)
Die ÖVP kann Herrn
Minister Grasser für so etwas natürlich gut brauchen, und ich verstehe auch,
dass Sie ihn dann loben, stützen und ganz euphorisch sind über die Worte, die
er hier sagt.
Eines muss man
allerdings auch sagen: Sie sind in Ihrer Politik sehr konsequent. Ihre Art von
Umverteilung innerhalb des Budgets ist absolut konsequent, nämlich immer von
unten nach oben – egal, um welchen Bereich es sich handelt.
Herr
Finanzminister, Sie haben gestern gesagt, dass es knappe Ressourcen
gibt. – Faktum ist, dass Österreichs Reichtum, der Wohlstand immer noch
wächst. Faktum ist aber auch, dass es darum geht, wie Sie diese Ressourcen
verteilen – darum geht es. Wie Sie diese Ressourcen verteilen, kann man
zum Beispiel im Bericht über die soziale Lage nachlesen, wo aufgezeigt ist,
dass die Schere zwischen den Einkommen der Frauen und der Männer immer weiter
auseinander geht, aber auch zwischen ArbeitnehmerInnen und Selbständigen. Das
wirklich Überraschende ist, dass Sie sogar innerhalb der
Wirtschaftstreibenden von den Kleinen zu den Großen umverteilen; das bestätigt
sogar die Niederösterreichische Wirtschaftskammer.
Sie setzen eine
Maßnahme zur Steuerentlastung der Betriebe (Präsident
Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das
Glockenzeichen) für nicht entnommene Gewinne, die eindeutig und
ausschließlich den größten Betrieben zugute kommt. (Beifall bei den Grünen
und bei Abgeordneten der SPÖ.)
13.43
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort
gemeldet ist Herr Bundesminister Gorbach. – Bitte.
13.43
Bundesminister
für Verkehr, Innovation und Technologie Hubert Gorbach: Geschätzter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Hohes
Haus! Das Ziel für Österreich, als Wissens- und Wirtschaftsstandort die
Position auszubauen, nicht nur zu festigen, ist im Regierungsprogramm
festgeschrieben. Es ist das natürlich auch ein Ziel – ein ehrgeiziges
Ziel – des zuständigen Ministers für Technologie und Infrastruktur.
Aus budgetärer
Sicht – und darum geht es heute – sind natürlich Schwerpunkte zu
setzen. Im Wesentlichen sind es meiner Meinung nach zwei Schwerpunkte: erstens
der Generalverkehrsplan, die darin enthaltenen Projekte weiterzuführen und
auch die Finanzierung für möglichst lange Zeit zu sichern, und zweitens der
Bereich Forschung und Entwicklung, die Effizienzsteigerung der
Forschungsförderung.
Wir haben heute in
mehreren Reden gehört – und das ist bisher unwidersprochen
geblieben –, dass gerade im Infrastrukturbereich und im Forschungsbereich
mit diesen beiden Budgets so viele Mittel eingesetzt werden wie nie zuvor. Das
ist natürlich erfreulich.
Gut ausgebaute Verkehrsnetze, funktionierende Infrastrukturen, Zugang zu modernen Kommunikationstechnologien, optimale Rahmenbedingungen für Forschung und Technologie: Das sind
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 70 |
wichtige
Faktoren für einen Vorteil des Wirtschaftsstandortes Österreich im
internationalen Wettbewerb.
Ich wiederhole es:
Noch nie sind so viele Mittel für Infrastruktur und Technologie zur Verfügung
gestanden wie 2003 und 2004. Auch das sollte eine Opposition als sehr positiv
anerkennen, denn Technologie, Entwicklung, Forschung sind etwas, das bis weit
in die nächsten Generationen wirkt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei
Abgeordneten der ÖVP.)
Zum
Verkehrsbereich nur ganz kurz: Der zu erwartende Anstieg des Verkehrsaufkommens,
insbesondere auf Grund der EU-Osterweiterung, wird eine Herausforderung
darstellen, und die Finanzierungskonzepte werden alternative sein müssen. Da
ich Frau Dr. Lichtenberger sehe, sage ich gleich dazu: vor allem aber
umweltfreundliche. Eine ordnungsgemäße Abwicklung muss gesichert sein, und auch
die Sicherheit spielt eine Rolle. Wir haben das erst zuletzt in der EU
ausführlich diskutiert.
Ich sage auch klar
dazu, weil gerade heute wieder eine Diskussion im Zusammenhang mit einem wichtigen
Straßen- und einem Bahnprojekt beziehungsweise überhaupt mit den Transeuropäischen
Netzen stattfindet, dass Änderungen im Generalverkehrsplan nur dann vorgenommen
werden, wenn auch das Finanzierungkonzept mitgeliefert wird beziehungsweise
wenn die Finanzierung geklärt ist, sonst bin ich nicht bereit, daran zu
rütteln.
Meine Damen und
Herren! Die ASFINAG wird einen Beitrag leisten müssen. Wir brauchen die Einnahmen
aus den Vignettenverkäufen ebenso wie jene aus dem Road-Pricing, das auf gutem
Wege ist – im wahrsten Sinne des Wortes –, ab
1. Jänner 2004, wie geplant, eingeführt zu werden; vielleicht sogar
funktionierender und noch früher als bei unseren deutschen Kollegen. Die
Einnahmen daraus brauchen wir.
Die Asfinag hatte Ende letzten Jahres einen
Schuldenstand von 7,41 Milliarden €, und es sind daher diese
finanziellen Mittel erforderlich, obwohl es mir recht wäre, wenn wir 2005 eine
Ökologisierung des Road-Pricing-Systems hätten; ich werde das im Auge
behalten. (Abg. Mag. Wurm:
Fünf Jahre zu spät!)
Die tief
greifenden und notwendigen Reformen bei den ÖBB sind hoffentlich auch
unbestritten. Die ÖBB sollen wettbewerbsfähiger werden, um ihre wichtige –
die wichtigste – verkehrspolitische Rolle im Land, insbesondere wieder
vor dem Hintergrund der Osterweiterung, auch wirklich wahrnehmen zu können,
und das, ohne dass die Kosten bis in unvertretbare Dimensionen wachsen, wie das
in der Vergangenheit der Fall war.
Ziel muss also
sein: Erhöhung des Selbstfinanzierungsgrades der ÖBB und Senkung des Bundeszuschussbedarfs.
Der Schuldenstand betrug dort Ende letzten Jahres 4,88 Milliarden €.
Ich darf auch noch die SCHIG-Schulden nennen: Das waren
4,7 Milliarden €. Es besteht also Handlungsbedarf. Wir haben
wirksame Maßnahmen im Regierungsprogramm vorgesehen und werden da rasch
voranschreiten.
Nun aber zum
wichtigsten Bereich: Forschung und Innovation. Lassen Sie mich das so formulieren –
gerade, wenn ich neben dem Herrn Finanzminister stehe –: Ein guter Tag
beginnt mit einer gesicherten Forschungsförderung. Ich sehe das so!
(Abg. Öllinger: Man soll den Tag
nicht vor dem Abend loben!)
Meine Damen und
Herren! Freude über festgehaltene Ziele im Bereich Forschung und Entwicklung
ist angesagt, denn wenn wir uns vorgenommen haben – und das nicht nur
niederschreiben, sondern auch mit Budgetmitteln bedienen –, dass wir die
F&E-Quote bis 2006 auf 2,5 Prozent des BIP und bis zum
Jahre 2010 auf 3 Prozent erhöhen (Präsident
Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen), dann ist das
eine tolle Sache, um Österreich auch in diesem wichtigen Bereich an eine
Topstelle in Europa zu bringen, nämlich unter die ersten drei. (Beifall bei
den Freiheitlichen und der ÖVP. – Präsident
Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt neuerlich das Glockenzeichen.)
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Zum Schluss darf
ich feststellen (Rufe bei den Grünen:
Redezeit! – Abg. Dr. Van der Bellen: Das ist unsere
Redezeit!), dass weitere große Reformen, auch die heute diskutierten,
notwendig sein werden. (Präsident
Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Herr
Präsident! Wir brauchen Einsparungspotential. Ich werde mich nicht scheuen,
gemeinsam mit dieser Regierung diese Reformen zu vertreten, voranzutreiben,
weil sie für die Zukunft unserer Jugend wichtig sein werden. – Danke. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
13.49
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Meine Damen und Herren!
Entsprechend einer Vereinbarung in der Präsidiale wird die restliche Zeit der
Fernsehübertragung bis 14.15 Uhr auf die Fraktionen gleich aufgeteilt, und
zwar mit je 4 Minuten.
Zu Wort gemeldet
ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. – Bitte.
13.49
Abgeordneter
Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geehrter Herr
Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren!
Das, was mir an dieser Debatte seitens der Opposition so sehr im Magen liegt,
ist, dass Sie um den heißen Brei herumreden. (Abg. Reheis: Das sagen Sie, Herr Kollege!? Sie reden darum
herum! Sie haben den Brei erfunden! Sie haben den Brei produziert!)
Sie alle haben
nicht den Mut, vor die Bevölkerung zu treten und zu sagen, wie die Faktenlage
ist, meine Damen und Herren von der Opposition! Das werfe ich Ihnen wirklich
vor. Sie reden so, als müsste nichts geschehen. In Ihren Redebeiträgen sagen
Sie: Irgendwann in der Zukunft, in 20 Jahren, werden wir in Fragen der
Pensionen etwas ändern.
Geschätzte Damen
und Herren! Sie wissen so gut wie wir alle: Sinkende Geburtenraten bedeuten,
dass Sie über 20 Jahre keine höhere Zahl an Beitragszahlern aufbieten
können. Ein viel höheres Lebensalter – worüber wir uns ja freuen –
bedeutet viel mehr Pensionsbezieher.
Sie sprechen
davon, dass man über das Umlageverfahren den Bundeszuschuss erhöhen muss. Wer
bezahlt denn den? – Wir alle miteinander! (Abg. Dr. Glawischnig: Sogar ohne Pensionsreform wäre der
Bundeszuschuss gesunken!) Wir sitzen alle in einem Boot, in dem es heißt:
Der Steuerzahler muss dafür geradestehen, wenn es irgendwo eine
Finanzierungslücke gibt. Genau das werfe ich Ihnen vor, dass Sie nämlich
versuchen, den Menschen Sand in die Augen zu streuen. Das ist nicht
in Ordnung, meine Damen und Herren von der Opposition! (Beifall bei der ÖVP
und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Wir gehen den Weg
über das Parlament, den Weg des Feinschliffs der parlamentarischen Beratungen,
werden aber nicht über die Grundsätze reden, denn dass es um längeres Arbeiten
geht und darum, dass die Pensionshöhe eher sinken als steigen muss, ist uns
doch allen klar! Wir gehen beim Feinschliff davon aus, dass wir dort etwas
verändern müssen, wo es unbillige Härten gibt. Da sind Sie eingeladen, dazu
Ihre Beiträge zu leisten. (Abg.
Mag. Prammer: Genau das tun, was die Regierungsparteien wollen! So
etwas nennt man dann Demokratie!)
Meine Damen und
Herren! Dazu ist es auch notwendig, dass man mittels Konsenskultur in diesem
Hohen Haus und im Ausschuss versucht, auf die Spuren dieser unbilligen Härten
zu kommen, und nicht wie Herr Präsident Verzetnitsch mit Hilfe von
Funktionären und Betriebsräten den ÖGB in eine Richtung zu treiben zu
versuchen, wo ihn die Bürger nicht haben wollen! (Beifall bei Abgeordneten
der ÖVP.)
Arbeitsniederlegung
herausfordern, Streiks in die Betriebe hineintragen (Abg. Mag. Wurm: Streik ist in ...?) und
Misstrauen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern hervorrufen: Das
wollen die Bürger in diesem Land nicht! Sie wollen, dass Sie sich
hinsetzen und Alternativen vorschlagen (Abg.
Dr. Fischer: Durchpeitschen! 91 Gesetze!), und dazu möchte ich
Sie noch einmal in aller Form einladen, meine Damen und Herren von der
Opposition! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Reheis.)
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 72 |
Ich mache mir als
ÖVP-Arbeitnehmer Sorgen darüber, wohin Sie mit Ihrer Linie steuern, Herr
Präsident Verzetnitsch. Sie tragen die Verantwortung dafür! Sie treiben den ÖGB
in eine Richtung, wo ihn die Mitglieder dieses ÖGB, von denen es in Österreich
sehr viele gibt, eigentlich nicht haben wollen. Aus vielen Gesprächen und
Nachrichten, die mir zukommen, weiß ich, dass es Sorgen bezüglich
Einzelregelungen gibt, und da müssen
wir auch etwas tun, gar keine Frage, aber den ÖGB in eine Richtung zu treiben,
wo er dann mit Streiks, mit einer Bewegung von der Straße versucht, sich in
eine neue Dimension aufzuschwingen (Abg.
Dr. Gusenbauer: Was sagt der Kollege Neugebauer dazu?), das ist nicht
Österreich, und das ist auch nicht der Gewerkschaftsbund, wie wir
ihn kennen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg.
Mag. Wurm: War das ein einstimmiger Beschluss?)
Herrn Präsidenten
Verzetnitsch möchte ich abschließend noch Folgendes mit auf den Weg geben: Der
ÖGB vertritt alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Abg. Mag. Wurm: Das war ein einstimmiger Beschluss!), also nicht nur diejenigen, die
über 55 Jahre alt sind, sondern alle,
meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Fischer:
Im Unterschied zu der Regierung!) Es gibt viele junge Bürger in diesem
Land, die sich darüber Sorgen machen, dass Sie mit Ihrer Politik nur versuchen,
hinauszuschieben und für die Zukunft nicht vorzusorgen. Dafür
stehen wir nicht zur Verfügung! (Beifall bei der ÖVP und bei
Abgeordneten der Freiheitlichen.)
13.53
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Matznetter zu Wort
gemeldet. – Bitte. (Oje-Rufe bei der
ÖVP.)
13.53
Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Präsident! Meine Damen
auf der Regierungsbank – damit es einmal umgekehrt ist! Ich möchte ganz
kurz etwas zu Kollegin Fekter sagen: Sofern ich richtig informiert bin, war es
so, dass es ein Gespräch mit Ihrem Gatten gegeben hat, der die Reform selbst
als ungerecht empfindet und zur Demonstration kommen will. Ich glaube, man
sollte bei der Realität bleiben! (Heiterkeit, Beifall und Bravorufe bei der
SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Dr. Fekter: ... damit der Schaden minimiert wird! Drehen Sie das doch
um!) – Frau Kollegin,
bitte!
Wenn Sie am
Dienstag auf Ihrem Weg zur Nationalratssitzung, die am Mittwoch begonnen hat,
behindert wurden, dann ist das natürlich zu verfolgen. (Abg. Dr. Fekter:
Wirtschaftlicher Druck wird auf mich ausgeübt!) Wenn Sie hier öffentlich
behaupten, dass das bestimmte Personen getan haben, dann müssen Sie damit
rechnen, dass diese Personen sich dagegen wehren. (Abg. Dr. Fekter: Ich
bin Geschäftsführerin dieses Unternehmens, und ich habe Schaden von diesem
Unternehmen abzuwenden!) Ich war nicht dort, Frau Kollegin, Sie auch nicht!
Daher würde ich vorschlagen, dass wir zum eigentlichen Thema kommen. Danke! (Beifall
bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Ich möchte diese
Gelegenheit dazu nützen – da unter den Regierungsparteien noch etwas Aufregung
herrscht, wahrscheinlich mehr wegen der Ereignisse im Rathauskeller oder
woanders –, hier ein paar banale Punkte anzusprechen, Punkte, die jedoch
von großer Wichtigkeit sind.
Der erste Punkt
ist: Sie haben der großen Koalition mit sozialdemokratischen Kanzlern und Finanzministern
vorgeworfen, die große Schuldenpolitik betrieben zu haben. Abgesehen davon,
dass die daran beteiligten Regierungsmitglieder natürlich auch der ÖVP angehört
haben, war der damalige Schuldenkaiser der heutige, jetzt nicht mehr anwesende
Bundeskanzler, denn er war das längstdienende Mitglied dieser Regierungen mit
dem höchsten Zuwachs an Schulden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der
SPÖ. – Bundesminister Mag. Grasser:
Besonders „glaubwürdig“!)
Sie sprechen von der Wende, die im Jahre 2000 eingetreten sei. Na dann sagen wir einmal, wann die Wende war – unter Rudi Edlinger und vor Viktor Klima. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Rufe bei der ÖVP: Schulden-Rudi!) Sie lachen bei der Erwähnung einer Reduktion des Budgetdefizits? Das ist typisch! Er, Edlinger, hat das Defizit von 5 auf 2 Prozent reduziert – und er (auf Bundesminister Mag. Grasser weisend) erhöht von null Prozent und ist bereits bei einem Defizit von 3,9 Milliarden €. Das ist die Wahrheit, meine Damen
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 73 |
und
Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Staatssekretär Dr. Finz
zeigt dem Redner eine Graphik.)
Die Wende hat also
stattgefunden, Herr Magister, aber Ihre „Wende“ war eine Wende mit einem
überraschenden Nulldefizit – weil man nicht kalkulieren konnte! Professor
Van der Bellen wird mir Recht geben, wenn ich sage: Man kann sich bei der
Einnahmenseite einmal irren!, aber dann, 2002, wurde hier in diesem Hohen Haus
ein Nulldefizit beschlossen, doch er (auf Bundesminister Mag. Grasser weisend) hat die Ausgaben
nicht im Griff gehabt!
2,4 Milliarden €
an Ausgabenüberschreitung – das ist die Wahrheit über 2002! (Beifall
bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenbemerkung von
Bundesminister Mag. Grasser.)
Herr Minister
Grasser, die anderen Finanzminister in Europa haben die Ausgaben in ihren
Budgets etwas besser einschätzen können als Sie. Sie haben nämlich den
Budgetvoranschlag erstellt, aber nachher die Ausgaben nicht im Griff
gehabt – nicht die anderen Finanzminister! (Ruf bei der ÖVP: Schröder hat ...!)
Ich komme jetzt
zum Hauptpunkt. Wir haben nun ein Doppelbudget vorliegen, in dem keinerlei Maßnahmen
konjunkturpolitischer Natur gesetzt werden, in dem jetzt, im Jahr 2003,
einem Jahr, in dem wir eine Entlastung bräuchten, nichts getan wird –
Kollege Kogler hat zu Recht darauf hingewiesen –, aber noch viel
schlimmer ist, dass er (auf
Bundesminister Mag. Grasser weisend) die Ausgaben nicht im Griff hat
und von Ländern und Gemeinden 0,5 Prozent und dann 0,7 Prozent des
BIP als Zuschuss erwartet (Bundesminister
Mag. Grasser: Das gibt es ja
nicht!), was nichts anderes heißt, als dass die nachgeordneten
Gebietskörperschaften, die sich zurzeit noch bemühen, in der Infrastruktur und
anderen Bereichen Impulse zu setzen, diese nicht mehr werden setzen
können. – Danke, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei
Abgeordneten der Grünen.)
13.57
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter
Dipl.-Ing. Scheuch. – Bitte. (Abg. Dr. Gusenbauer: Wie war das bei den Fekters zu Hause? – Abg.
Dr. Fekter – in Richtung SPÖ –:
... kriminelles Verhalten! Stellt das ab!)
13.57
Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder
der Bundesregierung! Geschätzte Damen und Herren! Nach der Polemik von der
SPÖ – und ich muss ehrlich sagen, es ist doch vollkommen egal, ob man von
„Schulden-Rudi“, „Schulden-Karli“ oder von wem auch immer rede – sollten
wir dazu übergehen, über das Budget zu sprechen. Ich bin heute an dieses
Rednerpult getreten, um mich – wahrscheinlich als einer der ersten
Redner – mit dem Budget zu beschäftigen (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), denn dieses Budget hat für die Bauern und für die
Landwirtschaft sehr viel Gutes gebracht. (Abg.
Mag. Kogler: Das glaube ich!)
Wir haben in
diesem Bereich sehr viel erreicht, wir haben wichtige Punkte umsetzen können.
Wir konnten dazu beitragen, dass die Landwirtschaft in den mittel- und
kleinstrukturierten Familienbetrieben erhalten bleibt und dass diese gestärkt
werden. Wir konnten außerdem dazu beitragen, dass auch in Zukunft weiter an
guten Voraussetzungen gearbeitet wird, die eine Landwirtschaft erhalten können.
(Beifall bei Abgeordneten der
Freiheitlichen und der ÖVP.)
Durch den
Beschluss des 3-Milliarden-€-Paketes wurde erreicht, dass wir die Ausgleichszahlungen
sichern sowie die Mittel für die Kofinanzierung der Brüsseler Zahlungen
bereitstellen können, damit wird in die Ausbildung der ländlichen Jugend
investiert und der Agrardiesel, der seit Jahren von der FPÖ gefordert wird,
eingeführt. Wir werden auch bei den Investitionen in erneuerbare Energien
einiges weiterbringen. (Beifall des Abg. Jakob Auer. – Heiterkeit bei der SPÖ angesichts dieses
Einzelbeifalls. – Abg. Dr. Cap –
in Richtung des Redners –: Haben Sie das gesehen? War das gut! Ein
einziger ÖVPler! Finden Sie auch, dass das gut war?)
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Ich bin, meine
geschätzten Damen und Herren, davon überzeugt, dass diese Mittel wichtig sind,
denn ohne diese Mittel ist der Fortbestand der heimischen Landwirtschaft in
Gefahr und ohne diese Mittel können wir viele dieser Vorhaben nicht umsetzen! (Beifall
bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) – Schauen Sie,
Herr Kollege Cap, da können es auch mehrere!
Immerhin können
wir damit über 200 000 Arbeitsplätze in der Landwirtschaft sichern! (Ruf bei der SPÖ: Wo?) Immerhin können
wir damit gewährleisten, dass in unserer Heimat Nahrungsmittel erzeugt werden!
Immerhin können wir damit für die heimische Bevölkerung, aber auch für die
Touristen, eine gesunde Natur bereitstellen. (Abg. Mag. Gaßner: Wo sind die 200 000 Arbeitsplätze
in der Landwirtschaft?)
Noch ein Wort zu
der heute schon sehr oft erwähnten Pensionsreform, den Politikerprivilegien
und dergleichen mehr. – Frau Kollegin Glawischnig, würden Sie kurz die
Zeitung weglegen?! Ihre Ausführungen waren wirklich interessant, das muss ich
ehrlich sagen.
Ihre Ausführungen
wären im Sport ein aufgelegter Elfmeter ohne Tormann. (Abg. Mag. Wurm: Wie stimmen Sie jetzt ab?) Sie beschweren sich über die Privilegien
der Politiker! Also entschuldigen Sie bitte: Natürlich ist es auch für die
FPÖ nicht o.k., dass wir Mandatare hier im Plenum sitzen haben, die zwei Bezüge
kassieren. Natürlich ist es nicht o.k., dass es quasi keine Veränderungen gibt.
Wir Freiheitlichen werden aber dafür kämpfen, dass die Politikerprivilegien
abgebaut werden. Nur: Wir Freiheitlichen haben immer dafür gekämpft. (Abg. Dr. Glawischnig:
„Großartig“ gekämpft!) Der grüne Klub hat – wenn ich richtig
nachgelesen habe und mich richtig erinnere – damals nicht zugestimmt, dass
es zu einer rigorosen Änderung der Bezüge (Abg.
Öllinger: Oja!) und einer Gleichbehandlung der Politiker mit den
Leuten in der Privatwirtschaft kommt. (Abg.
Dr. Glawischnig: Lernen Sie Geschichte, Herr Scheuch!)
Abschließend
möchte ich – das ist mir wirklich ein Anliegen – noch Folgendes
festhalten: Wenn ich so in die Reihen schaue, meine geschätzten Damen und
Herren, so erinnert mich dieses Verhalten einiger oder vieler
Privilegienritter, von Funktionären verschiedenster Couleurs (Abg. Reheis: Schauen Sie in die
richtige Richtung!) ein bisschen an ein Zitat aus George Orwell’s „Animal
Farm“. (Abg. Reheis: Das ist kein
gutes Beispiel!) Darin steht: „Alle Tiere sind gleich, aber manche Tiere
sind gleicher.“ – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei
Abgeordneten der ÖVP.)
14.01
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort
gemeldet. – Bitte.
14.01
Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! In der Begrüßung halte ich mich kurz, weil ich gern
vom Kollegen Scheuch den aufgelegten Elfmeter übernehme – diesmal nicht
nur ohne Tormann, sondern auch ohne Tor: Ich brauche nur nach vorne zu
schießen, Herr Kollege Scheuch. (Abg.
Dipl.-Ing. Scheuch: Ohne Tor
treffen Sie wenigstens!)
Um das
klarzustellen, Herr Kollege Scheuch: Der grüne Klub hat 1997 für die neuen
Bezüge und für die Bezügebegrenzung gestimmt. Er hat gleichzeitig einen Antrag
eingebracht – der auch abgestimmt wurde –, in dem gefordert wurde,
dass im Übergangsrecht sofort mit den AltPolitikerpensionen
Schluss gemacht wird. (Abg. Scheibner: Aber Sie haben für die
Gesamtreform gestimmt!) Wir haben diese Forderung im Jahr 2000, als
zwischen den Parteien neuerlich über die Politikerpensionen verhandelt wurde,
erneuert. (Abg. Scheibner: Sie haben mit SPÖ, ÖVP und Liberalen für diese
Pensionsreform gestimmt! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)
Und jetzt hören Sie bitte wirklich gut zu, denn es ist nicht nur an Ihre Adresse gerichtet, sondern auch an die der anderen freiheitlichen Abgeordneten! Wir stehen dazu: Eine Reform bei den Alt-Politikerbezügen, die nicht mit den Alt-Politikerbezügen Schluss macht, sondern wieder ein neues Übergangsrecht für die Alt-Politikerbezüge konstruiert, ist eine kosmetische Reform! Wenn Sie sich daran beteiligen wollen, ist das Ihre Verantwortung. Wir machen da sicher nicht
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mit, Herr Kollege Scheuch! Das ist der entscheidende Punkt. (Beifall bei den
Grünen. – Abg. Scheibner: Wir
haben als Erste die ..., dass man das abschafft!)
Wenn Frau
Abgeordnete Partik-Pablé sich hier an dieses Rednerpult stellt, ein Taferl
präsentiert und verkündet, dass Herr Abgeordneter Verzetnitsch einen Anspruch
auf eine Politikerpension von, was weiß ich, wie viel, vielleicht
10 000 € oder so hat, dann ist das ihre Sache. Ich mache es
nicht so! Ich kritisiere das System und diejenigen Politiker, die zwar
Alt-Politikerbezüge kassieren, aber sich gleichzeitig scheinheilig hier
herstellen und sagen: Das Pensionssystem insgesamt frisst so viel Geld, das
muss reformiert werden, die Leute kriegen zu viel! – Das ist scheinheilig! (Beifall
bei den Grünen und der SPÖ.)
Dass jemand im
alten System verbleiben konnte, ist Ergebnis eines Beschlusses, von dem ich
glaube, dass er reformiert gehört. Aber ich mache es dieser Person so lange
nicht persönlich zum Vorwurf, solange sie sich nicht gleichzeitig ans
Rednerpult stellt und über die „Privilegien“ der ASVG-Pensionisten spricht. Das
regt, gelinde gesagt – ich will mir jetzt nicht wieder einen Ordnungsruf
holen –, die Peristaltik an. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und
bei Abgeordneten der SPÖ.)
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Meine Kollegin Sburny hat davon gesprochen,
dass – und damit komme ich zu etwas, was Sie auch alle wissen, wissen
müssen – sich nur „mittelalterliche“ Männer die zweite und dritte Säule
überhaupt leisten können. Ich bin einer dieser Männer, weil ich ja für das
neue System optiert habe und eine Pension aus der Pensionskasse erhalten werde.
Nun frage ich,
meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien: Warum beschließen
Sie jetzt gleichzeitig mit der Pensionsreform eine Reform bei den
Pensionskassen, mit der der garantierte Mindestzins aufgehoben wird? Wenn Sie
Ihre Pensionskassenbescheide aus dem Jahr 2002 oder 2001 sehen, können Sie
erkennen ... (Zwischenbemerkung von
Bundesminister Dr. Bartenstein.)
Kommen Sie nicht
damit, Herr Minister Bartenstein! Sie kassieren ja noch eine Pension nach dem (Rufe bei der SPÖ: Uralten System!)
Übergang, Sie haben nicht für die Pensionskasse optiert! (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein.) Ich kann Ihnen sagen,
Herr Minister Bartenstein, dass die Pensionen nach dem Pensionskassensystem von
Jahr zu Jahr, trotz Einzahlungen in dieses System, niedriger werden. (Rufe bei der SPÖ: Genau!)
Das ist eine
Botschaft, die ich allen Leuten vermitteln will: Hüten Sie sich vor den Versprechungen,
die Ihnen diese Bundesregierung in Bezug auf die zweite und dritte Säule macht!
(Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Scheibner: Ist ja fein, dass man die Leute weiter verunsichert!)
Da sind Sie echt verloren, vor allem, wenn diese Versprechungen damit gekoppelt
sind, dass die Anspruchsvoraussetzungen in der zweiten und dritte Säule von Jahr
zu Jahr, von einem Mal zum anderen Mal, verschlechtert werden, genauso wie in
der ersten Säule. Das ist Ihre Politik, und damit sollte Schluss sein! (Beifall
bei den Grünen und der SPÖ.)
14.06
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus hat sich Herr Staatssekretär Dr. Finz
zu Wort gemeldet. – Bitte.
14.06
Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte
Minister! Hohes Haus! Der Grundsatz der bisher geltenden Finanzpolitik
lautete: Ständig mehr ausgeben, als man einnimmt! Jeder kleine Kreditnehmer in
diesem Lande weiß, dass das schief gehen muss, denn eines Tages bekommt man
von der Bank kein Geld mehr. (Abg.
Mag. Wurm: Warum machen Sie das
dann?) Trotzdem wurde das nie geändert.
Herr Bundesparteivorsitzender Gusenbauer – leider geht er jetzt hinaus – hat im Wahlkampf gesagt, er werde 25 Prozent der Verwaltungskosten einsparen. (Ruf bei der SPÖ: Ja!) Es gab vier
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SPÖ-Staatssekretäre für den öffentlichen Dienst: Kostelka, Schlögl,
Einem und Ruttenstorfer. Trotzdem sind die Verwaltungskosten ständig
gestiegen. Warum zeigen Sie uns nicht, wie das gehen soll? Wir zeigen es Ihnen
jetzt! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Wir werden –
und da spreche ich Herrn Professor Van der Bellen an – die Zahl der
Planstellen bis zum Ende dieser Budgetperiode, 2004, um 34 709 reduzieren.
Allerdings muss ich die Ausgliederung der Universitäten dazurechnen,
19 000 sind diesem Konto anzurechnen – macht aber immerhin noch über
10 000, ein toller Rekord in dieser Zeit!
Trotzdem ist der
öffentliche Dienst nicht schlechter geworden, sondern qualitativ besser (Abg. Eder:
Wo ist er besser geworden?),
weil wir gezielt Reformprojekte gestartet haben. Wir haben nun IT-Government,
probieren Sie es aus! Sie können heute Ihre Arbeitnehmerveranlagung über das
Internet eingeben, in ein paar Tagen haben Sie den Bescheid. (Abg. Dr. Niederwieser: Zahlt man dann weniger Steuern?) SAP –
eine intelligente Software, papierloses Büro – kann man heute in der öffentlichen
Verwaltung einsetzen, und es wird auch eingesetzt. Gleiches gilt für das
Firmenbuch.
Wir haben die Organisationen verändert. Es wurden in der Zeit dieser
Regierung in den Bundesministerien allein 13 Sektionen
geschlossen – wir haben also „oben“, in den Zentralstellen, begonnen –,
54 Gruppen wurden aufgelöst, 121 Abteilungen und 225 Referate. (Abg. Dr. Moser: Und die Sektionschefs in die Frühpension geschickt!)
Die Gemeinde Wien beispielsweise hat in dieser Zeit nichts gemacht, sie hat
ihren Personalstand beibehalten.
Da die Sektionschefs angesprochen wurden: Ein Sektionschef beim Bund
verdient nur ungefähr zwei Drittel des Gehalts eines Spitzenbeamten der
Gemeinde Wien. Das sind also die „armen“ Gemeinden, Herr Abgeordneter
Matznetter, die wir angeblich abkassieren (Abg.
Eder: Die Sie abkassieren!) beziehungsweise von denen wir im
Finanzausgleich einen Beitrag verlangen. Wir haben eine Vereinbarung, dass
gewisse Beiträge im Rahmen des Finanzausgleichs geleistet werden (Abg. Gaál:
An Wien können Sie sich ein Beispiel nehmen! – Abg. Eder: Ich bin froh, dass Sie Wiener ÖVP-Obmann sind!), und wir warten noch immer
darauf, dass in der Umsetzung der Verwaltungsreform bestimmte Beiträge auch
von den Ländern und Gemeinden geleistet werden. (Ruf: Sie wissen ja nicht einmal, wie eine schwarze Zahl ausschaut!)
Das Ziel, den OECD-Durchschnitt zu erreichen, ist nicht zu hoch, das
wäre nämlich eine Reduktion um 6 Prozent, also etwa
30 000 Bedienstete der 462 000 Bediensteten in ganz Österreich,
bis zum Jahr 2006. Dieses Ansinnen ist machbar.
Wir
zeigen, wie wir bei den Ausgaben sparen. Nochmals ein Vergleich (Abg. Eder:
Sie sind ja wie der Kabas!):
Im Jahre 1999 betrug die Staatsquote für Ausgaben 54,1 Prozent, mit
dem Ende dieser Budgetperiode 2004 wird sie 51,7 Prozent betragen.
Wir gehen es dort an, wo es wichtig ist: Wir sparen bei den Ausgaben, damit wir in den wichtigen Bereichen wie Bildung, Forschung und Wissenschaft und selbstverständlich auch für die Familienförderung die nötigen Mittel zur Verfügung haben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
14.10
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Grillitsch zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Dr. Cap – in Richtung des auf der Regierungsbank sitzenden Staatssekretärs Dr. Finz –: Bitte, bleiben Sie Wiener ÖVP-Obmann!)
14.10
Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Herr Staatssekretär! Ich gratuliere zu diesem Budget! Es ist dies ein nachhaltiges (Abg. Dr. Cap: Halleluja!), ein sozial gerechtes, Herr Klubobmann Cap, aber vor allem ein nachhaltiges Budget – wenn Sie wissen, was das ist –, nämlich mit langfristiger Absicherung für die Menschen in Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Als
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Bauer weiß ich, wovon ich spreche, wenn ich von Nachhaltigkeit rede.
(Abg. Eder: Das glaube ich ihm
sofort!)
Ich sage es auch
ganz offen in diesem Kreis: Ich bedanke mich als Vertreter der bäuerlichen Familien
dafür, dass es gelungen ist, ein Budget zu erstellen, das gleichsam unter dem
Motto „Lederhose und Laptop“ steht, also Traditionelles bewahrt, aber auch
den Fortschritt weiter ausbaut. Es ist mit diesem Budget gelungen, die
Leistungszahlungen für unsere Bergbauern abzusichern und ebenso das
Umweltprogramm, an dem mehr als 70 Prozent der österreichischen Bauern
mit 90 Prozent der Fläche freiwillig teilnehmen, um das
Anforderungsprofil, das letztlich die Gesellschaft an uns stellt, zu erfüllen,
nämlich in Österreich nachvollziehbar sichere Lebensmittel zu produzieren,
umweltgerecht zu produzieren und die Landschaft offen zu halten. Dafür bedanke
ich mich. (Abg. Dr. Kräuter:
Den Tierschutz haben Sie vergessen!) – Herr Kollege Kräuter, ich komme
schon noch dazu.
Herr Kollege Kräuter, das ist alles mit eingebaut, das werden Sie
wissen, wenn Sie es sich angesehen haben. Schauen Sie sich das Budget einmal
genauer an, wenn Sie das noch nicht gemacht haben. Wir brauchen das für die
Erfüllung dieses Anforderungsprofils, dazu bekenne ich mich.
Und wir werden auch in Zukunft klar und deutlich sagen: Ja, meine lieben Damen und Herren Österreicher, wir werden gerne dieses Anforderungsprofil erfüllen, wenn es auch weiterhin gelingt, nicht nur zu polarisieren und aufzurechnen, dass die Bauern die großen Profiteure wären, wie es die Gewerkschaft jetzt tut, sondern wenn wir langfristig kalkulierbare Rahmenbedingungen haben. Nur dann können wir das, gerade auch im Zuge der großen Herausforderungen, vor denen die Land- und Forstwirtschaft in Österreich steht, erfüllen. (Abg. Silhavy: 3 Milliarden €!) – Frau Kollegin Silhavy! (Abg. Silhavy: Ist aber so!) Die WTO-Verhandlungen stehen vor der Tür (Abg. Silhavy: Ja, GATS auch!), die EU-Erweiterung steht vor der Tür, die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik steht vor der Tür. (Abg. Wittauer: Mit dem beschäftigen sich die Sozialdemokraten ...!) Welchen Weg wollen Sie haben? Wollen Sie in Österreich eine industrialisierte Landwirtschaft oder wollen Sie weiterhin diesen erfolgreichen Weg einer bäuerlich funktionierenden, flächendeckenden Landwirtschaft gehen? Geben Sie uns eine klare Antwort! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Wollen Sie Ihre Reform der Agrarpolitik fortsetzen? Da lautet die Formel
nämlich nur: Kürzen, kürzen und wiederum kürzen, bis für die bäuerlichen Familien
nichts mehr übrig bleibt und wir letztlich das Anforderungsprofil für die
Gesellschaft nicht mehr erfüllen können. Das muss auch einmal in aller
Deutlichkeit gesagt werden! (Beifall bei der ÖVP und
bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Herr Finanzminister! Ich begrüße es auch sehr, dass es gelungen ist, einen ersten Ansatz (neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ) zu einer Ökologisierung in diesem Budget zu verankern. Es geht nämlich darum, menschliche Arbeitskraft zu entlasten und Energie entsprechend zu belasten, sodass gerade für bäuerliche Menschen die Möglichkeit besteht, in neue Formen der Energieproduktion einzusteigen. Dies gilt aber nicht nur für die Bauern, sondern es geht darum, Wertschöpfung zu realisieren, Potentiale vor Ort zu nutzen, neue Technologien zu nutzen, Arbeit zu schaffen und die Umwelt zu schützen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ich komme zu meinem Schlusssatz, einem wirklich innigen Appell an den ÖGB: Ich komme aus einer Industrieregion und lebe dort als Bauer. (Abg. Dr. Kräuter: Das waren schon vier Sätze!) Lassen Sie mich das in aller Ernsthaftigkeit sagen! (Abg. Eder: Aber schnell!) Beenden Sie den Weg des Polarisierens! (Abg. Reheis: Den haben ja Sie begonnen mit der Ausschaltung der Sozialpartner!) Beenden Sie den Weg des Schürens von Neid! Der tut uns nicht gut, und der tut auch Ihnen nicht gut. Es kommt wieder ein Wahltag, und ich hoffe, er wird für Sie wieder ein Zahltag! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 78 |
14.15
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nürnberger zu Wort gemeldet. – Bitte.
14.15
Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme den Appell sehr ernst. Man soll im Parlament sachlich diskutieren. Ich tue dies, vor allem auch deswegen, weil der Herr Bundeskanzler, als er die Punkte der Pensionsreform aufgezählt hat, in seinem zweiten Punkt gesagt hat: Wer länger arbeitet, für den ändert sich nichts. Und Ihnen, Herr Abgeordneter Bucher, der Sie heute gesagt haben, dass wir absonderliche Beispiele hätten und Angstmacherei betreiben, stelle ich diese Fakten zur Verfügung. Ich biete Ihnen an, diese Fälle gemeinsam durchzugehen.
Vielleicht können wir uns auf die Spielregeln einigen, vielleicht können wir uns darauf verständigen, dass, wenn es eine kompetente Stelle in diesem Lande gibt, das nur jene Stelle sein kann, die den rechtsgültigen Bescheid darüber ausstellt, wie viel der Betroffene einmal an Pension erhält.
Daher sind die von uns genannten Beispiele von real existierenden Personen – ich bin gerne bereit, Ihnen Name, Versicherungsnummer und alles zu nennen – von der Pensionsversicherungsanstalt gerechnet, also von jener Institution, die einmal den Bescheid ausstellen wird.
Darüber hinaus teile ich Ihnen die Grundlagen, wie gerechnet worden ist, mit, damit es auch da keine Unterstellungen geben kann: Es ist alles zum Vorteil der Regierung gerechnet worden, nämlich unter der Annahme einer fortlaufenden Beschäftigung – also nicht etwa ein paar Monate Krankenstand oder etwas ähnlich Ergebnis Verschlechterndes eingerechnet – und einer jährlichen 1,5-prozentigen Gehalts- und Lohnsteigerung; ich garantiere Ihnen, dass wir in den nächsten Jahren mit weit mehr als 1,5 Prozent abschließen werden, denn in den letzten 20 Jahren haben wir immer mit mehr als 1,5 Prozent abgeschlossen – also auch das eine sehr seriöse Annahme.
Ein Mensch, der am 1. November 2004 60 Jahre alt wird, bekäme nach der alten Gesetzeslage – ich lasse jetzt die Cent weg, damit es schneller geht – eine Pension von 2 270 €, nach der neuen eine von 1 895 €. Das ist eine Differenz, ein Verlust von 375 € (Ruf bei der SPÖ: Wahnsinn!), immer brutto minus Krankenversicherungsbeitrag gerechnet. (Abg. Dr. Spindelegger: Wie viele Beitragsjahre?) – 540 Beitragsmonate!
Arbeitet diese Person länger und geht mit 1. Juli 2007 in Pension, kann sie 572 Beitragsmonate aufweisen. Nach derzeitiger Rechtslage bekäme sie eine Pension von 2 382 €, nach der neuen 2 127 €, Differenz: 255 €!
Arbeitet er noch länger, nämlich 600 Versicherungsmonate, und geht mit 1. November 2009 in Pension, erhält er nach derzeitiger Rechtslage 2 487 €, nach der neuen 2 326 €, Differenz: 161 €!
Nun sagen Sie mir noch einmal, dass jemand, der länger arbeitet, nicht weniger bekommt.
Jetzt kommt noch ein Sonderfall. Kollege Walch, schau dir doch die Hacklerregelung einmal an! Ich habe dir das letzte Mal schon gesagt: Rechnen muss er!
Nehmen Sie folgenden Fall
her: Es geht jemand mit 1. Dezember dieses Jahres oder erst mit
1. Jänner beziehungsweise 1. Februar nächsten Jahres in Pension,
beispielsweise ein „Hackler“ mit 550 Versicherungsmonaten wie Herr
Siegfried S., 59 Jahre, LKW-Fahrer in der Brauerei Schwechat. Dessen Pension
betrüge derzeit, nach dem alten Recht, 2 095,92 €, nach dem Entwurf,
wie er ursprünglich vorgesehen war, 1 758 €. (Abg. Dr. Brinek: Das
zählt ja nicht mehr! – Abg. Steibl: Das ist ja Schnee von gestern!) – Lassen Sie mich ausreden und hören Sie zu! Nach der Abminderung durch
den Ministerrat läge die Pensionshöhe nicht bei 1 758 €, sondern die
Differenz ist sogar größer geworden: Statt 337 € Verlust sind es dadurch
343 €! (Widerspruch
bei der ÖVP.)
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 79 |
Frau Kollegin! Ich biete Ihnen die Unterlagen an, gerechnet von der Pensionsversicherung, mit Bescheid auszustellen. Das haben nicht wir gerechnet. Ich stelle Ihnen diese Daten zur Verfügung. Gehen Sie hin, lassen Sie sie nachrechnen! (Beifall bei der SPÖ.)
Ich bin auf eine Pro/Kontra-Diskussion in einer Zeitschrift zum Thema „Sind die Giftzähne wirklich gezogen?“ aufmerksam gemacht worden. Als Verteidiger, als Pro-Redner, tritt Herr Klubobmann Molterer auf – das ist ja legitim! Ich habe mir dann gedacht, den Kontra-Part wird jemand von der Opposition, von der SPÖ oder den Grünen, von der Gewerkschaft übernehmen. Aber: Nein! Niemand von uns!
Wissen Sie, was der Kontra-Redner sagt? – Er meint, der wichtigste eitrige Giftzahn bleibe, die Ungerechtigkeit bleibe. Ich kann nicht das Ganze zitieren, zum Schluss sagt er jedenfalls: Die ASVGler zahlen jetzt drauf!
Wissen Sie, wer dieser Kontra-Redner des Herrn Molterer war? – Der von Ihnen so hoch geschätzte und oft zitierte Professor Marin! Professor Marin, den Sie dauernd zitieren, tritt als Kontra-Redner gegen Ihren Herrn Klubobmann auf.
Weiters bin ich auf ein Interview in den „Salzburger Nachrichten“
aufmerksam gemacht worden. Ich werde Ihnen dann sagen, wer das Interview
gegeben hat. Der Herr Erste Präsident ist nicht da; er würde sofort wissen, wen
ich meine. Dieser Befragte sagt zunächst: „Die Eile“ bei der Reform „macht
misstrauisch“. Das ist die Überschrift. Und dann sagt derjenige, der interviewt
wird:
„Wenn man bedenkt, wie lange man bei der Gewerbeordnung gebraucht hat,
von der nur eine Minderheit betroffen ist, muss ich sagen, das gleiche Recht
kann ich für das ASVG in Anspruch nehmen.“
Und weil Sie die zweite und dritte Säule so loben – dazu sagt der
Betroffene auf die Frage, ob das Kapitaldeckungsverfahren zu riskant ist,
Folgendes:
Diese Modelle sind nichts als „eine Sozialisierung des Börsenrisikos“.
Wissen Sie, wer der Interviewpartner war? – Ich habe schon vor
Monaten behauptet, dass er die wohl anerkannteste Fachkraft in Österreich im
Pensionsrecht ist, und Herr Abgeordneter Khol hat mir Recht gegeben. Es ist
nämlich der Generaldirektor der Pensionsversicherung Ewald Wetscherek, ein
Schulfreund des Herrn Bundeskanzlers, und angeblich wohnen sie Tür an Tür, er
ist der Nachbar. Ich kann dem Herrn Bundeskanzler nur empfehlen, sich bei Herrn
Wetscherek zu erkundigen, was wirklich dahinter steckt. (Beifall bei der
SPÖ.)
Hier habe ich noch
ein Schmankerl. Herr Fasslabend ist jetzt nicht da, aber ... (Abg.
Dr. Fasslabend: O ja!) –
Ja, da ist er. Ihr habt ja im ÖAAB einen Vortrag gehabt; schau her, die Folien
wirst du ja kennen, die bei euch an die Wand geworfen worden sind. Den
Referenten wirst du auch kennen; er ist eine Kapazität, die ihr kennen werdet.
Da steht, wenn du lesen kannst – Walch, hör jetzt zu –, bei der
„Hacklerregelung“ – und daher ist das jetzt weniger als vorher –, da
hat er euch noch den Text an die Wand geworfen und erklärt: Für Männer vor
1. Jänner 1947 habt ihr es ja verschlechtert, weil als Abschlag neu ab
1. Jänner 2004 von der Pension 3 Prozent bis höchstens
15 Prozent wegkommen.
Wenn ich mir diese
Folie anschaue, habe ich auch Verständnis dafür, dass Herr Abgeordneter
Grillitsch applaudiert und gesagt hat: Das ist ein gutes Budget. Denn da hat er
euch, nämlich dem ÖAAB, die Deckungsrate der Bundesmittel mit Folie gegeben,
und da müsst ihr es gesehen haben: Beim ASVG sinkt das im Jahre 2006 ohne
Reform auf 19,9 Prozent; ohne Reform bleibt das bei den Beamten und den
Bauern mit 76,2 gleich. Nach der Reform 2006 geht es beim ASVG noch einmal
hinunter, auf 28,2; bei den Bauern bleibt es mit 76,2 gleich. Wäre ich der Herr
Grillitsch, würde ich mich für so eine Reform auch bedanken, das ist ja gar
keine Frage! Und das nimmst du (in Richtung des Abg. Dr. Fasslabend)
als Arbeitnehmervertreter zur Kenntnis? – Meine Zeit reicht leider nicht;
ich könnte hier auch noch die anderen Folien interpretieren.
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 80 |
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin gerne bereit ... (Abg.
Dr. Fekter: Man spielt doch
nicht eine Berufsgruppe gegen die andere aus!) Was? (Abg. Dr. Fekter: Was ist denn das für eine Art,
eine Berufsgruppe gegen die andere auszuspielen? – Weitere Zwischenrufe
bei der ÖVP.) Schauen Sie, Frau Abgeordnete Fekter, es ist heute schon
einmal gesagt worden, und ich bin gerne bereit, Ihnen das gesamte
Gedächtnisprotokoll mit Ihrem Vorfall wiederzugeben. Es gibt Zeugen und
Ähnliches, die Polizei war dort, ich kann Ihnen die Namen der Inspektoren nennen.
Es ist bei Ihnen kein Schaden entstanden. Ihr Gatte ist herausgekommen und hat
zum Beispiel gesagt: Ich habe den Zement, wenn ich nicht hinausfahren darf,
wird er hart. – Sofort: Türen aufgemacht, hinausgegangen! (Abg.
Dr. Fekter: Nein, nein!) So
war es, dafür sind Zeugen vorhanden. (Abg. Dr. Fekter: Von 6 bis 10 Uhr Vormittag!)
Aber eines tut
Ihnen eben weh, und auch dafür gibt es Zeugen. Ich wiederhole es noch einmal
laut und deutlich: Per Handschlag hat Ihr Gatte angeboten, mit uns am 13. zu
demonstrieren. – Glück auf! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie
des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber.)
14.23
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort
gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. (Zwischenruf der Abg.
Dr. Fekter.)
Zu einer tatsächlichen
Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Fekter zu Wort
gemeldet. Sie kennen den § 58 Abs. 2 GOG. Bitte beginnen Sie mit der
Wiedergabe des zu berichtigenden Sachverhalts.
14.24
Abgeordnete
Mag. Dr. Maria Theresia Fekter
(ÖVP): Herr Kollege Nürnberger hat hier gemeint, mein Gatte hätte angeboten,
am 13. mitzudemonstrieren. – Das ist unrichtig! (Widerspruch bei der
SPÖ.)
Ganz im Gegenteil:
Mein Gatte hat mich gebeten, hier mit Kollegem Verzetnitsch zu sprechen, damit
eine weitere Demonstration abgewehrt werden kann. (Beifall bei der
ÖVP. – Abg. Dr. Bauer: ... nicht beweisen, ob er nicht
mitgeht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
14.24
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort
gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. Ich erteile es ihm.
14.25
Abgeordneter
Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident!
Meine Herren auf der Regierungsbank! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr
Kollege Nürnberger, die Rechnungen, die Sie hier angestellt haben, mögen ja
rechnerisch stimmen. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.) Aber Sie
können sich darauf verlassen, dass unser Max Walch diese Rechnungen auch schon
angestellt hat (ironische Heiterkeit bei der SPÖ – Abg. Nürnberger:
Dann ändern wir es ab ...!) und dass wir Freiheitliche im Rahmen der
Debatten im Ausschuss auch noch einige Vorschläge dazu einbringen werden. Sie
können uns dabei unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Meine Damen und
Herren! Ein Redner der Grünen hat heute in der Debatte beklagt, dass das Budget
für die Sicherheit, das Budget für die Landesverteidigung erhöht werde bei all
diesen Belastungen, die diese „schlimme“ Bundesregierung auf die Bevölkerung
herunterlasse. Meine Damen und Herren, das ist wiederum eine unzulässige
Verknüpfung zwischen den sozialpolitischen Maßnahmen und den
sicherheitspolitischen Schritten, die in Österreich notwendig sind.
Diese Bundesregierung
hat sich, seit wir Freiheitliche ihr im Jahre 2000 beigetreten sind, klare
Prioritäten gesetzt. (Abg. Reheis: Lasst Blau ...!) Erstens:
Sie saniert das Budget – das hat diese Bundesregierung getan, bei dem
Schuldenstand, den wir von Ihnen, meine Damen und Herren von der SPÖ,
übernehmen mussten. Zweitens: Sie sichert die Pensionen. Drittens: Sie
entlastet den Bürger. Und viertens: Sie macht die notwendigen Investitionen in
den Bereichen, in denen wir auch die Defizite von Ihnen haben übernehmen müssen.
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 81 |
Meine Damen und
Herren! So ist auch das Landesverteidigungsbudget im Rahmen dieses Budgets,
das vorgelegt wurde, zu sehen. Mit diesen 1,7 Milliarden € wird der
Stand der Landesverteidigungsbudgets der letzten Jahre im Wesentlichen
gehalten. Es wird dem Bundesheer die Möglichkeit gegeben, in den neuen
Herausforderungen, die es gibt, auch auf internationaler Ebene zu bestehen. Es
geht nicht darum, dass im Rahmen dieses Budgets und überhaupt im Rahmen dieser
Legislaturperiode auch nur ein Cent in die Beschaffung der Luftraumüberwachungsflugzeuge,
in die Beschaffung der Eurofighter hineinfließen soll. Das heißt, die in polemischer
Art und Weise erfolgte Verknüpfung des Landesverteidigungsbudgets mit dieser Beschaffung
ist unzulässig und entspricht nicht den Tatsachen. (Beifall bei den
Freiheitlichen.)
Vielmehr geht es
dabei um wichtige Investitionen, die sichergestellt werden, meine Damen und Herren:
um die Verbesserung der persönlichen Ausrüstung unserer Soldaten, um Neubauten
und Renovierungen der Unterkünfte, um Optimierung in der Ausbildung, um den
Ausbau ortsfester Funknetze, um den Nachkauf im Bereich der Kfz-Flotte, die im
Wesentlichen veraltet ist – es soll um den Nachkauf von 300 bis
400 Kfz gehen –; es soll die Einführung des Ulan-Panzers, die
Einführung von Black-Hawk-Hubschraubern und die Einführung von Hercules-Transportflugzeugen
sichergestellt werden. Black-Hawk-Hubschrauber brauchen wir notwendig für
allfällige Assistenzeinsätze im Katastrophenfall, wir waren ja in den letzten Jahren
schon oft in dieser Situation. Genauso verhält es sich mit dem Ulan-Panzer: das
ist ein Schützenpanzer, der unseren Soldaten vor allem im schwierigen
Auslandseinsatz helfen soll, dort unbeschadet den Auftrag erfüllen zu können.
Meine Damen und
Herren! Das Verteidigungsbudget, das wir in diesem Jahr auf dem Tisch liegen
haben, ist ein knappes, aber es ist im Wesentlichen doch akzeptabel, damit das
Bundesheer den Weg in die Zukunft gehen kann. (Beifall bei den
Freiheitlichen und der ÖVP.)
14.28
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächste
Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. Ich erteile es
ihr.
14.28
Abgeordnete
Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Im Anschluss an meinen Vorredner: Blättern
Sie noch einmal Seite 23 der Ausführungen des Herrn Finanzministers auf,
da ist zu lesen:
„Diese
Steuerreform wird Österreich Flügel verleihen.“
Ja, „Flügel“, und
Sie haben sie genannt: Die „Flügel“ sind im Militärhaushalt, das gehört konkret
unter „Flügel“, und auch die Steuerreform, die ja im Vorfeld eine massive
Belastungswelle auslösen wird und auslöst, wie im Budget nachzulesen ist: bei
den Beitragszahlungen, bei den Pensionsmaßnahmen et cetera. Das ist es im
Endeffekt, dass wir uns das leisten, was mein Kollege Kogler schon an den
Abschluss seiner Debattenbeiträge gestellt hat, nämlich dieses unnötige
Kriegsflugzeug. Hier haben Sie im Bereich des Verteidigungsressorts wieder eine
Vorleistung für das, was später kommen soll und wofür die Steuerreform mit
„Flügeln“ irgendwie über Österreich zieht. Was aber im Endeffekt mit „Flügeln“
über Österreich fahren und fliegen wird, das werden wahrscheinlich diese
sündteuren Militärflugzeuge sein. – Das nur aktuell im Anschluss an Ihren
Debattenbeitrag.
Heute ist die
Generaldebatte angesagt, bei der Generaldebatte geht es um generelle Feststellungen
und um eine generelle Kritik. Generelle Kritik heißt für mich – der Herr
Finanzminister ist ja nicht mehr hier, auch der Herr Staatssekretär ist weg,
deswegen: Herr Wirtschaftsminister beziehungsweise Herr Verkehrsminister, bitte
nehmen Sie sich kein Beispiel an den Marketing-Schmähs des Herrn
Finanzministers! (Beifall bei den Grünen.)
Es war an drei, vier Stellen so deutlich, dass er uns Abgeordneten Zahlenspiele zumutet, die jeglicher Substanz und jeglicher Realität entbehren, die auch dem zuwiderlaufen, was hinten im Tabellenteil vermerkt ist, und dass er das zusätzlich nicht nur uns Abgeordneten zumutet, sondern die ganze Bevölkerung schlichtweg für blöd verkauft. Das wollen wir uns einfach nicht län-
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ger bieten lassen, dass die Leute durch Marketing-Schmähs für blöd verkauft werden! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Ich sage das heute deshalb wirklich persönlich empört, weil ich mir in Gesprächen insbesondere im privaten Kreis, weil ich ja auch zu den so genannten Politikerinnen gehöre, immer wieder anhören kann, welche Lügen, welche Unwahrheiten, welche blöden Schmähs die Politiker den Leuten erzählen, wodurch sie völlig unglaubwürdig werden. Ich wehre mich persönlich massiv dagegen! Einer, der dieses Vorurteil leider immer wieder neu mit Nahrung versieht, ist der Herr Finanzminister: durch seine Schönfärberei, durch seine Floskeln, durch seine Marketing-Sprache, die immer wieder vertuscht, verschleiert und etwas hintanstellt, was eigentlich beim Namen genannt werden muss! (Beifall bei den Grünen.)
Ich glaube, die Leute würden ohne weiteres einsehen, dass wir uns in der heutigen weltwirtschaftlichen Lage verschiedene Dinge einfach nicht mehr leisten können. Aber da geht es immer um eine Verteilungsfrage, und die Diskussion um die Verteilungsfrage kommt mir, bitte, zu kurz: die kommt mir hier in diesem Haus zu kurz, und die kommt mir bei dieser Generaldebatte zu kurz. Da sollten Sie ansetzen, Herr Minister für Wirtschaft und Arbeit! Sie in sich müssten ja verteilen: hin zu den Werktätigen und auch hin zu den Klein- und Mittelunternehmen. Lesen Sie selbst im Budget nach: die Klein- und Mittelbetriebe leisten immer mehr an Steuerbeitrag, die Großen lassen immer mehr nach. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)
Genauso ist es bei der Bevölkerung, die Kleinen werden immer mehr belastet. Steuerlich werden sie zwar kurzfristig entlastet, aber durch Beiträge, durch Pensionskürzungen werden sie immer mehr belastet, durch Selbstbehalte werden sie ausgeplündert, und die Großen können sich das locker leisten. Diese ständige Umverteilung gab es schon bei Kreisky, auch bei Kreisky weitete sich die Schere zwischen den Einkommen aus Vermögen und den Einkommen aus Arbeit. Das ging selbst dort auseinander, und Sie beschleunigen beziehungsweise erweitern das noch. Diese Generaldebatte über das Verteilungsproblem müssten wir viel couragierter angehen! (Beifall bei den Grünen.)
Eine ganz klare Bemerkung noch zum Herrn Staatssekretär – Ihr Herr Kollege Dr. Finz ist ja leider nicht mehr hier, vielleicht richten Sie ihm das netterweise noch aus. (Staatssekretär Morak: Er ist hinausgegangen! Ja, ich werde es ausrichten!) Ich bin ja dafür, dass in der Verwaltung effizienter ans Werk gegangen wird, aber ich bin auch für Ehrlichkeit! Der Herr Staatssekretär hätte sagen müssen: Wir haben Staatsausgaben hinausverlagert, wir haben Ausgliederungen vorgenommen, und diese Ausgliederungen bedeuten nicht, dass die Kosten weg sind.
Es ist ja nicht so, dass die Beamten als Personen verschwinden, sie sind sozusagen nur in anderen Gesellschaftsformen. Es ist auch nicht so, dass die Beamten in diesen neuen, ausgegliederten Gesellschaftsformen von heute auf morgen nichts mehr bezahlt bekommen, nein, sie haben ihre alten Gehälter. Aber die Neueinstellungen in diesen ausgegliederten Bereichen sind teurer, weil das normale Löhne nach ASVG sind, auch mit Pensionsbeiträgen. Das ist eine teure Reform, die auch Verwaltungsaufgaben übernimmt, und sie wirkt im Endeffekt vielleicht etwas flexibler und etwas reaktionsschneller, aber nicht automatisch budgetentlastend. – Das müsste der Staatssekretär redlicherweise auch sagen.
Genauso müsste er sagen, dass, wenn man auf Finanzämter kommt, auf Grund dieser Personal-Sparpolitik dort solche Schilder zu lesen sind: „Zimmer 37 – gehen Sie zur Vertretung auf Zimmer 23“; vor Zimmer 23 finden Sie das Schild: „Gehen Sie zu Zimmer 20“; und vor Zimmer 20 steht schließlich: „Ich bin heute auf Urlaub.“ Bitte, ich habe das dreimal erlebt! Die armen Finanzbeamten sind vor lauter Schildern selbst schon völlig verwirrt.
Gehen Sie dann noch einmal aufs Finanzamt und beklagen Sie sich darüber: Einem Kollegen von mir ist es passiert, dass er jetzt schon die dritte Umsatzsteuerprüfung hat, weil der Computer wahlweise seinen Fall herausgezogen hat, da er die Umsatzsteuerbeträge nicht monatlich mit jeweils einem Erlagschein eingezahlt hatte, sondern drei Monate mit einem einzigen Erlagschein beglichen hatte. Der Computer hat das als Fehlleistung ausgewiesen. Drei Stunden brauchte eine Finanzbeamtin, um sozusagen diese Umsatzsteuer-Fehlstelle zu überprüfen. Drei
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Stunden hatte sie dort zu sitzen, und was ist nach der Steuerprüfung herausgekommen? – Ein Plus! Den Staat aber hat das drei Verwaltungsstunden gekostet, auf Grund Ihres Computersystems. – Das nur als kleines Bonmot, als realen Fakt, als konkretes Beispiel dafür, dass man mit Maß und Ziel und nicht „hollodrio“ ans Werk gehen muss.
Aber dieses „Hollodrio“ sehe ich auch bei der letzten Devise, die ich in der Generaldebatte noch ansprechen möchte, bei dem, was als großer, dicker Balken auf Seite 19 zu lesen ist: „Privat ist besser als der Staat! Privatisierung sichert Arbeitsplätze!“ Bitte differenzieren Sie! In manchen Bereichen ist es sehr wohl so, aber schauen Sie sich das auch bei den Postbussen an: Die sind noch staatlich, fahren aber jetzt einen Erfolgskurs. Bitte, es gibt staatliche Unternehmen auf Erfolgskurs! Gehen Sie in die VOEST-Alpine – der Herr Minister ist schon weg –, diese schreibt schwarze Zahlen.
Insofern ist Privatisierung nicht unbedingt der
goldene Weg zu Arbeitsplätzen. Ich bitte auch hier um Ziel und Augenmaß. –
Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)
14.36
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Klubobmann Dr. Cap zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.
14.36
Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ohne die Anwesenheit der anwesenden Regierungsmitglieder gering zu schätzen, möchte ich sagen: Es ist doch befremdlich, dass der Herr Finanzminister jetzt der weiteren Diskussion und Verhandlung nicht beiwohnt, nur weil das Fernsehen seit zirka 30 Minuten nicht mehr direkt überträgt. Das ist eine etwas seltsame Einstellung gegenüber dem Haus und vor allem gegenüber den folgenden Rednern, die auf der Rednerliste stehen, egal, von welcher Partei auch immer.
Ich fordere, dass Sie dafür sorgen, dass sich der Herr Finanzminister wieder hierher begibt und der Verhandlung beiwohnt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
14.36
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Klubobmann! Ich glaube, Sie wissen, dass es in der ersten Lesung üblich ist und dass es auch die Geschäftsordnung so vorsieht, dass das nicht notwendig ist. In der zweiten und dritten Lesung wird das stattfinden. Sie kennen die Usancen des Hauses.
Aber ich bin ganz sicher, dass der Finanzminister im Haus ist, und ich werde dafür Sorge tragen, dass er sich wieder hierher bemüht.
Im Übrigen gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Auer zu Wort. – Bitte.
14.37
Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Vorbemerkung oder, sagen wir besser, zwei: Herr Kollege Nürnberger, ich anerkenne, dass Sie zu Beginn Ihrer Ausführungen eine sehr moderate und seriöse Rede gehalten haben. Aber ich bedauere, dass Sie zum Schluss in den Klassenkampf verfallen sind, als Sie meinten, dass die bäuerliche Sozialversicherung mangels Deckungsbeitrags sozusagen eine fürchterliche Sache sei und dass dies ungerecht gegenüber dem ASVG sei. (Abg. Nürnberger: ... nicht von mir!)
Herr Kollege Nürnberger, Sie sollten auch dazusagen, dass die geringste durchschnittliche Pension in Österreich die Bauern haben. Sie sollten auch hinzufügen, Herr Kollege Nürnberger, dass gerade die bäuerliche Bevölkerung das Sozialnetz am wenigsten beansprucht. Dann sollten Sie sich einmal erkundigen, wer in welchen Pflegeheimen zu Hause ist. (Abg. Grillitsch: Herr Kollege Nürnberger, das interessiert Sie nicht, oder?) Ich halte das niemandem vor, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)
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Zum Zweiten sollte man auch hinzufügen, wohin die Kinder von bäuerlichen Familien einzahlen, wenn sie in anderen Berufen tätig sind. Diese Beiträge fehlen der Bauernsozialversicherung. Wenn schon, sollte man auf alles hinweisen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Meine Damen und Herren! Ich bitte genauso den eigenen Staatssekretär Finz, zu differenzieren, wenn man einfordert, dass Länder und Gemeinden einen entsprechenden Beitrag zur Reform in der Verwaltung einzubringen haben. (Demonstrativer Beifall des Abg. Mag. Gaßner.) Meine Damen und Herren, man sollte hinzufügen: Es gibt reiche Gemeinden, und es gibt finanzschwache Gemeinden. Wo die finanzschwachen Gemeinden noch sparen sollten, soll mir jemand sagen! (Beifall bei der ÖVP.)
Grundsätzlich sollte eine Budget-Generaldebatte der Höhepunkt der parlamentarischen Arbeit sein. (Abg. Prinz: Kollege Gaßner, jetzt hättest auch applaudieren müssen!) Es ist letztlich die in Zahlen gegossene Politik. Klar ist aber auch – und das ist bedauerlich –, es wiederholt sich dasselbe Ritual: Die Opposition verteufelt das Budget, die Regierung lobt das Budget.
Meine Damen und Herren! Wir sollten uns schön langsam überlegen, ob es wirklich sinnvoll ist, bei diesem Ritual zu bleiben, oder ob es nicht auch gelingen könnte (Ruf bei der SPÖ: Schimpft ihr einmal!), sachlich, fair und vernünftig die positiven, die schwierigen, vielleicht auch die negativen Aspekte herauszuarbeiten. Aber nicht so einseitig: Wenn die Opposition etwas sagt, ist alles schlecht; und nach dem, was von unserer Seite kommt, sei alles positiv.
Meine Damen und Herren! Österreichs Bevölkerung stellt sich unabhängig davon, welcher Farbenlehre jemand zugeordnet ist, ganz einfach die Frage: Wie schaut es mit dem Bildungsschwerpunkt in der Zukunft aus? Wie schaut es mit den Forschungsausgaben aus? Wie schaut es mit der Stabilität des Budgets aus? Wie schaut es mit Investitionen aus? Welche Chancen haben Betriebe in Österreich?
Meine Damen und Herren von der linken Seite: So
schlecht können die Chancen der Betriebe ja gar nicht sein. Da gibt es
beispielsweise die Firma AT&S, die Ihnen oder zumindest einem Ihnen nahe
stehenden, sehr hochrangigen Funktionär nicht ganz unbekannt sein dürfte: Versechsfachung des Gewinns, sehr
positive Zahlen. Ich gratuliere dazu und freue mich darüber, weil damit ein
Betrieb abgesichert ist und dadurch sehr viele Arbeitnehmer eine absolut
sichere Beschäftigung haben. Aber dann sollte man auch nicht so tun, als ob
alles so schwierig, so kompliziert, so negativ wäre. Meine Damen und Herren!
Damit sichert man keine Arbeitsplätze!
Eine nicht
unbekannte Zeitung, eine zumindest auf dieser Seite (in Richtung SPÖ)
nicht unbekannte Zeitung, wirbt mit dem Spruch:
„Für manche
Zeitungen sind Tatsachen Meinungen, und für andere wiederum sind Meinungen
Tatsache.“
Doch eine
Qualitätszeitung unterscheidet sich von solchen Blättern durch die Trennung von
Wahrheit und Meinung.
Meine Damen und
Herren! Was ist Fakt? – Wir haben die drittniedrigste Arbeitslosigkeit in
der Europäischen Union, wir haben die höchste je in Österreich gemessene
Beschäftigung, wir haben ein Pro-Kopf-Sozialprodukt, das den EU-Durchschnitt um
über 15 Prozent übersteigt, und wir haben europaweit eindeutig die
geringste Jugendarbeitslosigkeit. Daher sollten wir auch positiv zu diesem
Budget und positiv zu dieser Regierung stehen. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Meine Damen und Herren! Noch ein Wort zu den so genannten ÖGB-Aktionen. Kollegin Fekter hat ihren Problembereich bereits dargestellt. Gegen mich wird derzeit Mobbing betrieben. (Der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe.) In meiner Gemeinde hat sich der ÖGB-Ableger von Wels dazu verstiegen, ein Flugblatt an jeden Haushalt auszuschicken, es auch auszutragen und die Leute persönlich zu besuchen. Darin wird darauf hingewiesen, was katastrophal ist, und es wird auch darum ersucht, Stimmung gegen den Bürgermeister Jakob Auer zu machen. Dazu ist auch meine private Telefonnummer abgedruckt und auch die der Gemeinde. Ich sage Ihnen
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ganz offen: Ich bitte keinen ÖGB-Funktionär, dass das
abgestellt werden soll. Ich bedauere eine Organisation, die zu solchen Mitteln
greifen muss! – Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und
den Freiheitlichen.)
14.42
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete
Silhavy. – Bitte.
14.43
Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr
Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Kollege Auer, ich nehme an,
dass Sie auch als Bürgermeister zu Ihrer Verantwortung stehen, die Sie als
Mitglied dieses Hauses zu tragen haben, und diese auch gegenüber Ihren
Bürgerinnen und Bürgern wahrnehmen. Daher wird das für Sie ja kein Problem
sein, denke ich.
Meine Damen und
Herren! Der Finanzminister hat gestern mit flotten Sprüchen versucht, uns
darüber hinwegzutäuschen, dass es sich um ein unsoziales Budget nach dem Motto
„Statt Reformieren bei ArbeitnehmerInnen Abkassieren“ handelt. Meine Damen
und Herren! Vielleicht sollten Sie sich einmal vor Augen halten, dass der
Wohlfahrtsstaat die moderne Form der Solidarität ist. Es geht darum, das in
Recht umzuformen, was früher eine Gnade war. Damit gibt man den Menschen Würde
und Freiheit. (Beifall bei der SPÖ.)
Sie, meine Damen
und Herren, versuchen jetzt eine Sozialdemontage an den zuständigen Ausschüssen
vorbeizuschwindeln, indem Sie sie in ein Budgetbegleitgesetz hineinformulieren.
Der Herr Bundesminister hat gestern, wie gesagt, einige flotte Sprüche
gebracht. Einer war: „Die Steuerreform verleiht Österreich Flügel.“ –
Wahrscheinlich hat er damit gemeint, dass das Budget Österreich Flügel
verleiht, und hat damit auf die Eurofighter angespielt. Der zweite Spruch war:
„Unternehmertum ist Denkkultur.“ Meine Damen und Herren! Was, bitte, ist Arbeitnehmertum
im Sinne Karl-Heinz Grassers, wenn er so mit Arbeitnehmer- und
Arbeitnehmerinneninteressen umgeht? Das frage ich Sie. (Beifall bei der
SPÖ.)
Der nächste flotte
Spruch: „Es ist unser Ziel, in dieser Legislaturperiode allein in der Bundesverwaltung
3,2 Milliarden € einzusparen. Ich sage: Weg mit dem Speck!“ –
Meine Damen und Herren! Wer ist denn der Speck, von dem der Finanzminister
spricht? Sind es die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, sind es die
Beamtinnen und Beamten, die hier als Speck bezeichnet werden? Ich halte solche
Aussagen eines Finanzministers dieser Republik für skandalös! (Beifall bei
der SPÖ.)
Da wir gerade beim
Thema – eine Vorrednerin hat es ja bereits angesprochen – des Abbaus
im öffentlichen Dienst sind: Herr Minister Bartenstein hat es leider
vorgezogen, den Plenarsaal zu verlassen. Das tut mir sehr Leid. Ich hätte ihn
gerne auf das Bundesfinanzgesetz 2003 und 2004 angesprochen, in dem,
siehe da, auf einmal unter dem Kapitel Sicherung der Jugendausbildung
0 € vorgesehen sind, aber auf der anderen Seite an Überbrückungshilfen für
ehemalige öffentlich Bedienstete Euromillionenbeträge. Was heißt denn das,
meine Damen und Herren? – Sie vertreiben Menschen aus dem öffentlichen
Dienst in die Arbeitslosigkeit, und die Arbeitslosenversicherung zahlt. Das
ist Ihre Politik, das ist eine menschenverachtende Politik, der wir
logischerweise nicht zustimmen können. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)
Es wird hier auch
so vollmundig von Familienfreundlichkeit gesprochen. Zeitgleich mit Ihrer Politik,
mit der Sie den FLAF in ein Minus hineinmanövrieren, beschließen Sie eine
Änderung der Ladenöffnungszeiten, unsoziale Arbeitszeitformen, von denen
Tausende Beschäftigte, überwiegend auch Eltern betroffen sind. (Abg. Steibl:
Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?) Und da reden Sie in der
Budgetrede groß von Familienpolitik. Das ist unseriös, meine Damen und Herren! (Beifall
bei der SPÖ.)
Herr Klubobmann
Scheibner ist leider nicht da. Ich hätte ihn gerne gefragt, wie ernst sein Zwischenruf
zu nehmen ist. Er hat während meiner gestrigen Rede, in der ich ihm die Frage
gestellt habe, ob wir diese Pensionsreform denn nicht erst im Herbst
beschließen könnten, wenn die Maßnahmen ohnehin erst ab 2004 wirksam werden,
gesagt: „Das können wir machen!“
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 86 |
Meine Damen und
Herren von der FPÖ! Jetzt frage ich Sie, was von dieser Äußerung Ihres Klubobmannes
zu halten ist. Heißt das, dass es möglich ist, die Pensionsreform aus dem Budgetbegleitgesetz
herauszunehmen und tatsächlich seriös hier im Haus zu verhandeln, wie das ja
auch Kollege Dolinschek und Kollege Walch gegenüber dem „Standard“ gesagt haben
und auch Kollege Scheuch nicht ausgeschlossen hat? Wie kann man denn zu Ihren
Worten stehen? Was kann man denn von Ihnen verlangen? Wenn das jetzt sogar auch
Ihr Klubobmann sagt, dann müssten Sie doch mit uns einer Meinung sein, dass
diese Pensionsreform, diese Enteignungsaktion der Bundesregierung nichts im
Budgetbegleitgesetz verloren hat, sondern dass das extra verhandelt werden
müsste, dass man das Angebot der Sozialpartner annehmen sollte und auch den
Aufruf des Herrn Bundespräsidenten, der ebenfalls empfiehlt, diese Reform auf
Herbst zu vertagen und einer ordentlichen, anständigen und ausführlichen
Behandlung zuzuführen, damit es zu einer fairen und sozial gerechten Reform
kommen kann. (Beifall bei der SPÖ.)
14.47
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete
Rossmann. – Bitte.
14.48
Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Präsident!
Hohes Haus! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich
möchte kurz auf die Ausführungen von Kollegin Silhavy eingehen, die vom
Wohlfahrtsstaat gesprochen hat, der nicht antastbar sei. – Ich sage: Da
bin ich völlig Ihrer Meinung! Allerdings kann man den Wohlfahrtsstaat auch überziehen,
so wie in Deutschland, und man sieht, dass dort jetzt ein sozialdemokratischer
Bundeskanzler vehemente Einschnitte machen und beispielsweise das
Arbeitslosengeld drastisch kürzen muss. (Abg. Eder: Wir sind in
Österreich!) Das ist wohl ein Zeichen dafür, wie man auch einen
Wohlfahrtsstaat überziehen kann. Und ich sage auch, dass es in Österreich
niemandem einfallen würde, solche Maßnahmen zu setzen wie ein
sozialdemokratischer Bundeskanzler und sozialdemokratischer Finanzminister in
Deutschland. (Beifall bei den
Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Silhavy: In Deutschland
wurde davor aber jahrelang konservative Politik gemacht – und das muss
jetzt ausgelöffelt werden!)
Ich möchte aber
auf das Budget in Österreich zurückkommen. Mir ist schon klar, dass dieses Budget
Eckpunkte hat, die breit diskutiert werden sollen. Aber eines kann man nicht
wegdiskutieren, nämlich dass in ihm die größte Steuerreform der Zweiten
Republik enthalten ist. (Abg. Eder: Das ist ja der Irrtum!) Die
größte Steuerreform! Auch wenn es die Opposition nicht wahrhaben will, fragen
täglich viele Österreicherinnen und Österreicher danach. Glauben Sie mir, ich
war viel unterwegs, bei Arbeitern, bei Unternehmern, und auch meine Reputation
als ehemalige Staatssekretärin ist eng mit dieser Steuerreform verbunden, weil
auch ich den Unternehmern in Österreich, davon 45 000 Unternehmern
im Tourismus, versprochen habe, dass diese Steuerreform kommt.
Viele
Österreicherinnen und Österreicher fragen sich aber, warum das nicht schon
längst geschehen ist. Und ich antworte ihnen mit einer weiteren Frage: Warum
ist das nicht bereits vor dem EU-Beitritt geschehen? Damals haben wir
Freiheitlichen vehement gefordert, die so genannten Hausaufgaben zu machen,
nämlich Österreich EU-fit zu machen, die Betriebe EU-fit zu machen, die
Betriebe davor zu bewahren, in Billiglohnländer auslagern zu müssen, was jetzt
jedoch passiert ist. Das ist die sozialdemokratische Handschrift in
Österreich, ausgeführt durch einen sozialistischen Bundeskanzler und auch
Finanzminister, damals noch Lacina. (Beifall
bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Aber was hat der
Finanzminister damals vor dem EU-Beitritt gemacht, anstatt die Betriebe zu
unterstützen? – Er hat diesen unsäglichen 13. Umsatzsteuertermin
eingeführt, der mit dieser Reform jetzt Gott sei Dank wieder abgeschafft
wird. (Abg. Dr. Matznetter: Den hat die Wirtschaftstreuhänderkammer
gefordert!) – Das war nicht die Wirtschaftstreuhänderkammer! Ich war
Abgeordnete in diesem Haus und habe vehement dagegen gesprochen und dagegen gestimmt.
Gott sei Dank gelingt es uns jetzt, das abzuschaffen!
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 87 |
Ich möchte jedoch
auch noch darauf eingehen, dass wir Freiheitliche bereits im Regierungsübereinkommen 2000
diese Steuerreform verankert haben: die Abschaffung des 13. Umsatzsteuertermins,
die Entlastung der nicht entnommenen Gewinne, wenn sie reinvestiert werden, und
vor allem die Entlastung der untersten Einkommensgruppen. Auch da stellen sich
die Österreicher durchaus berechtigt die Frage, darunter auch wir: Warum ist
das nicht früher geschehen? Warum war das nicht schon im August des
vergangenen Jahres möglich, als sowohl der Kärntner Landeshauptmann als auch
unser Präsident Thomas Prinzhorn und unser Minister Gorbach vehement eine
Steuerreform eingefordert haben, und zwar durchaus auch um den Preis, vom Nulldefizit
abzuweichen? Damals war das aber anscheinend noch nicht opportun. Deshalb
freut es mich umso mehr, dass es dieser Regierungsmannschaft, allen voran
unserem Vizekanzler Herbert Haupt gelungen ist, die größte Steuerreform der
Zweiten Republik jetzt umzusetzen. Auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen,
ich kann es nur noch einmal sagen: Auch die Bezieher der niedrigsten Einkommen
werden dadurch entlastet. Professor Van der Bellen hat das heute
bestätigt. (Abg. Eder: Um 20 Cent!)
Ich denke, meine
Redezeit ist zu Ende, Herr Präsident. Ich bin so diszipliniert und höre daher
auf. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
14.52
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Das ist sehr liebenswürdig, Frau Abgeordnete, aber es handelt sich um
eine freiwillige Redezeitbeschränkung.
Zur
Geschäftsordnung hat sich Herr Abgeordneter Brosz zu Wort gemeldet. –
Bitte.
14.52
Abgeordneter Dieter
Brosz
(Grüne) (zur
Geschäftsbehandlung):
Herr Präsident! Klubobmann Cap hat vorhin darauf aufmerksam gemacht, dass
sowohl der Finanzminister als auch der zuständige Staatssekretär nicht
anwesend sind. Inzwischen sind bereits zwei Reden gehalten worden, aber die
beiden Herren sind immer noch nicht da.
Ich möchte daher
darauf aufmerksam machen, dass es laut Kommentar zur Geschäftsordnung üblich
ist, dass die zuständigen Minister bei der Behandlung von Regierungsvorlagen
anwesend sind, und die erste Lesung zum Bundesfinanzgesetz ist
selbstverständlich eine Regierungsvorlage.
In diesem
Zusammenhang stelle ich gemäß § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung den Antrag,
den Finanzminister zu dieser Debatte beizuziehen.
14.53
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter, es ist selbstverständlich Ihr Recht, das zu
verlangen. Ich habe gebeten, dass der Herr Finanzminister hierher kommt; er
wird in 3 bis 5 Minuten hier sein. – Ich meine, diese Zeit werden wir
überbrücken können. (Rufe bei den Grünen: Abstimmung! Abstimmung!)
Verlangen Sie eine
Abstimmung? – Selbstverständlich, bitte gerne.
Ich bitte die
Damen und Herren Abgeordneten, Platz zu nehmen. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn
gibt das Glockenzeichen.)
Haben alle Platz
genommen? – Jawohl, das ist der Fall.
Es gibt einen
Antrag betreffend die Herbeischaffung des Herrn Finanzministers
Mag. Karl-Heinz Grasser.
Wer für diesen
Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Wünschen Sie
eine Auszählung, oder sind Sie damit einverstanden, wenn ich entscheide, dass
dies die Minderheit ist? (Ruf bei den Grünen: Auszählen!) – Jawohl,
Auszählung, bitte sehr.
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 88 |
Der Herr Beisitzer
hilft mir zählen. Sie beginnen hier, ich beginne dort. – Es sind 46
stehende und 63 sitzende Abgeordnete. (Abg. Scheibner: Gusenbauer war
nicht da!) – Damit ist der Antrag abgelehnt. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Als nächste
Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. –
Bitte.
14.55
Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich stelle fest, dass heftiger
Applaus ertönte dafür, dass es von der Mehrheit als nicht notwendig erachtet
wurde, dass der Finanzminister oder der Staatssekretär für Finanzen dieser
Debatte beiwohnt. Offensichtlich scheint es also doch so zu sein, dass man
einige Kolonnen noch nachrechnen und nachzählen beziehungsweise einige
Formulierungen ausbessern muss, und das erfordert eben seine Zeit. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten
der SPÖ.)
Ich möchte mich
aber trotzdem auf die Ausführungen des Herrn Finanzministers Grasser beziehen,
der in seiner Budgetrede festgestellt hat – das klingt ja immer sehr gut
und entspricht auch bestimmten Ideologien ganz besonders –, man möge die
Unternehmen von Fesseln befreien, man möge so wenig Steuern wie möglich
verlangen – ich verkürze jetzt etwas – und man möge so viele
gesetzliche Regelungen wie möglich streichen, denn das würde einen entsprechenden
Anreiz für Investitionen darstellen.
Nun gebe ich dem
Herrn Minister in einigen Bereichen durchaus Recht. Regelungen in Bereichen
der Gewerbeordnung dahin gehend, wann welches Gewerbe unter welchen Bedingungen
und, wenn nein, warum nicht tätig werden darf, sind schon längst überfällig,
aber jegliche Novellierung wird da auf Grund brancheninterner Streitereien
blockiert. Deswegen stürzt man sich ja auf andere Bereiche. Wenn wir aber davon
reden, die Unternehmen von Fesseln zu befreien oder Steuern zu senken, so muss
es denn doch auch noch darum gehen, dass zumindest die bestehenden Regelungen
eingehalten werden, und dazu wird es auch einiges an Kontrolle brauchen.
Meine Damen und
Herren! In der letzten Budgetdebatte – ich kann mich noch gut daran erinnern –
gab es noch so etwas wie eine Debatte darüber, dass man in Zukunft Sozialbetrug
verfolgen würde. Nun hat Minister Böhmdorfer in einer „Pressestunde“ eine
authentische Definition dieses Verfolgens von Sozialbetrug gegeben. Das schaut
mehr oder minder so aus, dass man jedem, der sich im Krankenstand befindet,
einen Kontrollor schickt. Die Kontrollen in anderen Bereichen sind dagegen mehr
als mangelhaft. Ich denke nur daran, wie viel an Abgabenhinterziehung
mittlerweile gerichtsnotorisch geworden ist. Es gibt Verurteilungen vor
deutschen Gerichten wegen Nichtanmeldung von Fernfahrern, von Beschäftigten im
Fernfahrergewerbe. Da wird nicht kontrolliert, meine Damen und Herren, da
entgehen dem Staat und der Allgemeinheit aber Abgaben in Millionenhöhe!
Offensichtlich tut das keinem von Ihnen weh. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Sie wollen diesen
Sozialbetrug offensichtlich nicht verfolgen, Sie wollen diese großflächigen
Abgabenhinterziehungen in bestimmten Branchen nicht verfolgen. Nein, die
Unternehmer sollen vielleicht auch noch von den Fesseln befreit werden, dass
sie ihre Angestellten und ArbeitnehmerInnen anzumelden haben. Das muss ich
vermuten, wenn ich diesen Diskussionen länger zuhöre.
Meine Damen und
Herren! Da entgehen dem Staat Abgaben in Millionenhöhe, die wir für das Sozialversicherungs-
und Pensionssystem mehr als dringend bräuchten. Dann müssten wir nämlich nicht
in die Rechte von Beziehern von Mindesteinkommen einschneiden und diese noch
weiter reduzieren.
Auch gute
Unternehmer leiden unter dem, was die schwarzen Schafe in der Branche jeweils
anstellen, auch gute Unternehmer werden dadurch in einen Wettbewerb nach unten
gezwungen. Meine Damen und Herren! Engagieren Sie sich doch einmal für Kontrollen
in diesen Bereichen, dann würden Sie wieder etwas an Glaubwürdigkeit in Bezug
auf Wirtschaftspolitik und Abgabenpolitik insgesamt zurückgewinnen! (Präsident
Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 89 |
Meine Damen und
Herren! Dazu brauchen wir ein Netz von Kontrollstellen für den Schwerverkehr
in ganz Österreich und nicht nur ein Musterprojekt und das Versprechen von
einigen mehr, das jetzt im Wahlkampf erfolgte, von denen wir aber nicht wissen,
wie viele davon am Schluss noch übrig bleiben werden.
Zum Abschluss,
meine Damen und Herren, einen Satz zum Verlauf der Debatte. Ich muss sagen,
als Mensch, der sich für Geschichte interessiert und der sich mit der
Geschichte des 20. Jahrhunderts intensiv auseinander gesetzt hat, läuft es
mir immer kalt über den Rücken, wenn auf eine ganz bestimmte Art und Weise
Gewerkschaften angeschwärzt werden und wenn gegen Gewerkschaften gehetzt wird.
Meine Damen und Herren! Gehen Sie ab von diesem sehr gefährlichen Weg! –
Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Ellmauer: Verdrehen
Sie nicht die Tatsachen, Frau Kollegin!)
15.00
Präsident Dr. Andreas Khol: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung.
Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 42/AB
Präsident
Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zu einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung
des Herrn Bundesministers für Inneres mit der Ordnungszahl 42/AB.
Die erwähnte
Anfragebeantwortung ist bereits verteilt, sodass sich eine Verlesung durch den
Schriftführer erübrigt.
Ich weise darauf
hin, dass der Herr Bundesminister für Inneres heute durch Frau Bundesministerin
Maria Rauch-Kallat vertreten ist.
Zur Einleitung der
Debatte erteile ich das Wort Herrn Abgeordnetem Mag. Maier. Sie haben dieses
für 10 Minuten. – Bitte.
15.01
Abgeordneter
Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Frau
Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen
und Herren! Ich bin etwas irritiert, dass heute nicht der zuständige
Bundesminister, der die politische Verantwortung für die Vollziehung des
Meldegesetzes trägt, hier auf der Regierungsbank sitzt, sondern Sie, Frau
Bundesministerin Rauch-Kallat. Ich ersuche Sie daher, die Ausführungen, die
von mir kommen, nicht persönlich zu nehmen, denn verantwortlich für die
Vollziehung des Meldegesetzes, und zwar für die rechtswidrige Vollziehung des Meldegesetzes, ist ausschließlich der Bundesminister für Inneres
Dr. Ernst Strasser. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Ich habe mir lange den Kopf darüber zerbrochen: Was
hat sich dieser Bundesminister Strasser eigentlich gedacht, als er zwei
Support-Verordnungen nach dem Bundeshaushaltsgesetz erlassen hat? – Die
einen haben gesagt, das war gar nicht seine Idee, das war die Idee des
Finanzministers, um durch den Verkauf von Meldedaten österreichischer Bürger
höhere Einkünfte zu erzielen! Andere wiederum haben gesagt: Das stimmt gar
nicht, denn Strasser weiß ganz genau, was er tut! Am besten konnte man das bei
dem Postenschacher, der gezielt von ihm angezettelt wurde,
nachvollziehen. – Und ich glaube ebenfalls, meine sehr verehrten Damen
und Herren, dass Bundesminister Strasser dafür ausschließlich verantwortlich
ist. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenruf bei der ÖVP.)
Worum geht es bei
der Vollziehung des Meldegesetzes? – Es geht darum, um es sehr klar zu
formulieren, dass durch die beiden Support-Verordnungen die Anzahl der Abfragen
aus dem Zentralen Melderegister erhöht werden soll; sie soll innerhalb von zwei
Jahren verdreifacht werden.
Und jetzt geht es natürlich um die Frage: Wer hat Zugriff auf diese zentralen Meldedaten? – Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt eine ganz klare Regelung im Meldegesetz: Eine Abfrageberechtigung ist nur jenen Personen zu erteilen, die regelmäßig Meldeauskünfte
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 90 |
zur
erwerbsmäßigen Geltendmachung oder Durchsetzung von Rechten oder Ansprüchen
benötigen.
Meine sehr
verehrten Damen und Herren, wir wissen ganz genau: Österreich hat eine Rechtskultur,
wir haben die ordentlichen Gerichte, die für die Durchsetzung von Rechten
zuständig sind. Aber an wen wurde nun diese Abfrageberechtigung
vergeben? – An Inkassobüros! Und jetzt soll mir einer erklären, ob
Inkassobüros in Österreich nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes,
nach der Gewerbeordnung dafür zuständig sind, Ansprüche und Rechte
durchzusetzen?
Wenn nun diese
Inkassobüros diese Abfrageberechtigungen bekommen, wissen Sie, was dann
passiert? – Sie suchen einen Schuldner. Dann haben sie seine Meldedaten,
und dann steht ein Mitarbeiter des Inkassobüros mit einem Schild vor dem Haus
dieses Schuldners, und auf diesem Schild steht: Herr Müller schuldet uns
100 000 €! – Genau das ist zu befürchten: dass mit diesen Meldedaten
Missbrauch betrieben wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der
Grünen.)
Ich sage Ihnen
noch ein anderes Beispiel: Berufsdetektive sind in Österreich nicht für die
Durchsetzung von Ansprüchen oder Rechten zuständig. Das widerspricht der
österreichischen Rechtsordnung. Stellen Sie sich nur eines vor: Ein
Berufsdetektiv bekommt, wie wir wissen, diesen Zugriff auf die
Meldedaten – rechtswidrigerweise! –, und dann bekommt er einen
Auftrag von einem Mann. Dieser Mann sucht seine Ex-Frau. Die Ex-Frau hat ihn
verlassen, weil sie von ihm geschlagen wurde – und auf einmal bekommt
dieser Ex-Mann die Meldedaten, die er sonst nicht bekommen würde, eben vom
Berufsdetektiv!
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Das sind genau die Probleme, die wir im Datenschutzrat
aufgezeigt haben, als es um die Frage des Meldegesetzes gegangen ist, die wir
in der Debatte um das neue Meldegesetz aufgezeigt haben, aber unsere Argumente
haben nicht gefruchtet. Sie haben das beschlossen, und ich halte fest:
Bundesminister Strasser vollzieht dieses Bundesgesetz rechtswidrig, weil er Abfrageberechtigungen an Personen
vergibt, die die Voraussetzungen des Meldegesetzes nicht erbringen.
(Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
In der Begründung
der diesbezüglichen parlamentarischen Anfrage meinte Bundesminister Strasser
noch, es wäre alles in Ordnung. Er meint, wenn jemand die Abfrageberechtigung
hat, dann müsse zumindest Vor- und Familienname – und jetzt kommt
es! –, das Geburtsdatum und ein zusätzliches Merkmal, ein zusätzlicher
Bestandteil der Meldedaten angegeben und schließlich das Geburtsdatum bestimmt
werden.
Meine Damen und
Herren! Was Bundesminister Strasser da mitgeteilt hat, ist unwahr! Ich halte das hier fest. Die Anfragebeantwortung
stammt vom 17. März. Bereits vorher war bekannt, dass österreichische
Unternehmen damit geworben haben, ohne Bekanntgabe des Geburtsdatums ins
Zentrale Melderegister zu kommen. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits mehrere
Verfahren in der Datenschutzkommission – und auch im Bundesministerium für
Inneres. Glauben Sie, wir lassen uns verarschen, meine sehr verehrten Damen und
Herren?! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – He-Rufe bei der ÖVP und
den Freiheitlichen.)
Da hat
Bundesminister Strasser die Unwahrheit gesagt, wider besseres Wissen, und er
hat die rechtswidrige Vergabe damit gerechtfertigt. (Rufe bei der ÖVP:
Sprache!) Die Verantwortung dafür – ich sage es noch einmal –
trägt allein Bundesminister Strasser! (Beifall bei der SPÖ.)
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Ich sage es Ihnen noch einmal: Ich bin als Abgeordneter
gewohnt, dass ich nicht angelogen werde. Wenn ich eine Frage stelle, dann
möchte ich eine korrekte Antwort haben. Diese Antwort ist unkorrekt, und ich
betone noch einmal: Nicht Sie, Frau Bundesministerin Rauch-Kallat, sind damit
gemeint, sondern hier müsste Bundesminister Strasser sitzen, um sich zu
rechtfertigen!
Wir haben noch weitere Bedenken. Derzeit ist eine Verordnung in Begutachtung, nämlich das Zentrale Vereinsregister. Frau Bundesministerin, vielleicht können Sie Herrn Bundesminister Strasser Folgendes übermitteln: Wir hoffen nicht, dass es auch hier eine derartige Verordnung
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nach dem Bundeshaushaltsgesetz gibt, nämlich
dass die Möglichkeit besteht, die Vereinsdaten entsprechend zu verkaufen und zu
verwerten. Ich halte fest: Das wäre nicht nur rechtswidrig, sondern auch
verfassungswidrig.
Ich möchte das
hier mit allem Nachdruck festhalten, denn es muss im Interesse aller Österreicherinnen
und Österreicher liegen, dass die Datensicherheit gewährleistet ist. Bei diesem Bundesminister ist die Datensicherheit nicht gewährleistet.
Wir trauen diesem Bundesminister nicht. Wir wissen von seinen
Personalversetzungen, die am Rande des Amtsmissbrauches passiert sind, und ich
halte nochmals fest: Der Herr Bundesminister hat auf Grund der Bundesgesetze
eine rechtskonforme Vollziehung zu gewährleisten. (Abg. Mag. Molterer: Das tut er!)
Wir
Sozialdemokraten lehnen Datenschacher und Datenhandel in der beschriebenen Form
mit allem Nachdruck ab! Einmal ist Zahltag – und für Bundesminister
Dr. Strasser wird spätestens am Wahltag dieser Zahltag sein. (Beifall
bei der SPÖ und den Grünen.)
15.10
Präsident
Dr. Andreas Khol: Der Herr Bundesminister für Inneres
hält sich in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union – konkret wird
Frau Bundesministerin Rauch-Kallat dazu Auskunft geben – auf. Gemäß
Art. 73 Abs. 3 der Bundesverfassung kann ein Minister den beigegebenen
Staatssekretär – einen solchen hat er aber nicht – oder einen
Bundesminister mit seiner Vertretung betrauen.
Der Herr
Bundesminister für Inneres hat gemäß Art. 73 Abs. 3 der
Bundesverfassung Frau Bundesministerin Maria Rauch-Kallat beauftragt,
ihn zu vertreten.
Diese hat sich zur
Abgabe einer Stellungnahme gemeldet. Sie erhält das Wort. Ihre Wortmeldung,
Frau Bundesministerin, soll nicht länger als 10 Minuten sein. –
Bitte.
15.11
Bundesministerin
für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes
Haus! Lassen Sie mich zuerst Herrn Bundesminister Strasser entschuldigen: Er
befindet sich in Brüssel beim ersten Ministerrat der Justiz- und Innenminister,
der gemeinsam mit den „Erweiterungsministern“ stattfindet – also den
betreffenden Ministern der zehn Erweiterungskandidaten oder jetzt auch schon
aufgenommenen Mitgliedstaaten –, wo es um sehr wichtige Anliegen geht,
unter anderem auch um die Regelung im Bereich Asyl und Migration und um das
Thema der sicheren EU-Außengrenzen. Es ist daher sehr wichtig, dass unser
Innenminister, der Innenminister eines Landes, das einen Großteil dieser
Außengrenzen hat, dort teilnimmt, und ich bitte Sie daher, mit mir und der
Beantwortung durch mich vorlieb zu nehmen.
Ganz zu Beginn
möchte ich aber entschieden Ihre Behauptung, Herr Abgeordneter Maier, zurückweisen,
dass Innenminister Strasser Ihnen in der Beantwortung Ihrer parlamentarischen
Anfrage die Unwahrheit gesagt hat. Das lasse ich sicher nicht auf ihm sitzen! (Beifall
bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Ganz kurz zur
Sache: Mit dem Bundesgesetz, mit dem das Meldegesetz 1991, das Volkszählungsgesetz 1980
und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden, wurde die
Grundlage für die Errichtung des Zentralen Melderegisters geschaffen.
Gleichzeitig erfolgte die Übertragung der meldebehördlichen Kompetenz in den
Städten, in denen Bundespolizeidirektionen bestehen, auf die Bürgermeister.
Mit der
Meldegesetz-Durchführungsverordnung wurde nach dem Probebetrieb des Zentralen
Melderegisters der Echtbetrieb dieses Registers ermöglicht. Selbstverständlich
finden sich – vor allem auch im Hinblick auf die Möglichkeit der
Online-Abfrage – all jene Bestimmungen, die bereits für den Aufbau und das
Befüllen des Zentralen Melderegisters geregelt waren, in dieser Verordnung
wieder. Insbesondere aber wurde allen datenschutzrechtlichen Bestimmungen des Datenschutzgesetzes 2000
Rechnung getragen.
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Die Erarbeitung
der Verordnung erfolgte in enger inhaltlicher Abstimmung mit dem Bundeskanzleramt/Verfassungsdienst
unter Mitbefassung der Datenschutzkommission. Speziell vorgesehen ist, dass
alle Abfragen und sonstigen Verwendungen, wie zum Beispiel Änderungen oder Übermittlungen
aus dem Zentralen Melderegister, lückenlos protokolliert werden. Für
Online-Abfragen ist überdies ein wesentlich strengeres Regime vorgesehen, als
das bislang für Meldeauskünfte jemals im Meldegesetz normiert
war. Online-Abfragen dürfen nur für bestimmte im Gesetz vorgesehene
Zwecke – nämlich für die erwerbsmäßige Geltendmachung von Rechten oder
Ansprüchen – erfolgen. Bislang – auch unter sozialistischen
Innenministern – musste für eine Meldeauskunft in keinem
Fall auch nur irgendeine Begründung oder Rechtfertigung vorgebracht werden.
Mit Stichtag
1. Jänner 2003 waren 706 Anträge für Online-Abfrageberechtigungen
genehmigt; es handelt sich dabei zum Beispiel um Rechtsanwälte, Banken,
Versicherungen oder Inkassobüros. In jedem einzelnen Fall wird bei der
Antragstellung die Glaubwürdigkeit der vorgebrachten Begründung überprüft.
Darüber hinaus wird jedem Verdacht auf eine nicht rechtskonforme Verwendung
der erteilten Abfrageberechtigung unverzüglich nachgegangen; bislang wurden
bereits zwei Zugriffsberechtigungen entzogen.
Für
Online-Abfragen sind ebenso wie für alle sonstigen Meldeauskünfte
Verwaltungsabgaben zu entrichten. Es handelt sich dabei nicht um einen
„Datenverkauf“, wie öfters behauptet wurde, sondern um einen Beitrag
zur teilweisen Deckung der Kosten der Verwaltung für diese Tätigkeit.
Verwaltungsabgaben sind keine Besonderheit des Melderechts, sondern sind auch
in jedem anderen Verwaltungsbereich schon auf Grund der allgemeinen
Verwaltungsverfahrensgesetze vorgesehen.
In der gesamten
Diskussion wird leider stets vergessen, dass es sich beim Zentralen Melderegister
um ein öffentliches Register nicht nur im Sinne des Datenschutzgesetzes,
sondern vor allem auch im Sinne der EU-Datenschutzrichtlinie handelt. Die Daten
„Hauptwohnsitz“ und „letzter Hauptwohnsitz“ sind öffentliche Daten, das heißt,
diese Daten sind zur Information der Öffentlichkeit bestimmt und sind daher
auch entsprechend zugänglich.
Durch die angeführte
Novelle und die Meldegesetz-Durchführungsverordnung wurde die Grundlage für
eine moderne, bürgerfreundliche und zugleich sparsame Verwaltung geschaffen. So
konnte nicht nur eine deutliche Reduktion des Verwaltungsaufwandes im
meldebehördlichen Bereich durch die Nutzung des One-Stop-Shop-Prinzips
erreicht werden, sondern vor allem auch eine wesentliche Verkürzung
beziehungsweise Vermeidung von Behördenwegen für Menschen, die eine
Meldeauskunft benötigen.
Das Zentrale
Melderegister wird nicht nur künftig die Drehscheibe für das gesamte E-Government
darstellen, sondern ist bereits heute ein Musterbeispiel für innovative
Verwaltung.
Lassen Sie mich
abschließend noch kurz etwas dazu sagen. Ich habe mich bei der Auseinandersetzung
mit dieser Anfrage auch damit beschäftigt, was denn eigentlich an Abfragen aus
diesem Melderegister online möglich ist. Wenn Sie Name und Geburtsdatum des
Betreffenden haben, dann erfahren Sie aus dem Melderegister nicht mehr und
nicht weniger als dessen Hauptwohnsitz oder dessen letzten Wohnsitz in
Österreich – etwas, was man bis vor kurzem in jedem amtlichen Adressbuch
in jedem Postamt auch erfahren konnte. Daher kann ich die Aufregung, die Sie
heute hier an den Tag legen, wirklich nicht nachvollziehen. (Beifall bei der
ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
15.18
Präsident
Dr. Andreas Khol: Die Redezeit der nunmehr zum Wort
gemeldeten Abgeordneten beträgt 5 Minuten.
Zu Wort gemeldet
ist Herr Abgeordneter Kößl. – Bitte.
15.18
Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! An die Adresse des Kollegen Maier: Ich
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habe 30 Jahre
SPÖ-Innenminister hinter mir (Abg. Mag. Johann Maier: Sie
haben es überlebt!), und es gibt, glaube ich, keine Epoche, in der es mehr
Parteipolitik im Innenressort gegeben hat als zu dieser Zeit. (Beifall bei
der ÖVP. – Abg. Gaál: Sie haben sie überlebt, die SPÖ!)
Kollege Maier,
gestern haben wir die erste Lesung gehabt, heute haben wir eine kurze Debatte –
und ich habe nichts Neues von dir gehört. Die von dir an Bundesminister
Dr. Strasser gerichtete Anfrage wurde punktgenau beantwortet, und ich
frage mich überhaupt, warum wir heute hier stehen und diese Kurzdebatte haben.
Es gibt überhaupt
keinen Grund, dem Meldegesetz misstrauisch gegenüberzustehen! Unser Meldegesetz –
und ich habe das auch gestern gesagt – wurde im Jahr 2001
ausgezeichnet novelliert. Es ist modern, zukunftsorientiert, bürger- und
serviceorientiert. Es gibt auch in Bezug auf den Datenschutz überhaupt nichts
daran auszusetzen. Es stimmt auch nicht – das wurde unrichtig dargestellt
und fälschlich behauptet –, dass die Datenschutzkommission in irgendeiner
Art und Weise Bedenken angemeldet hat.
Die im
Jahre 2001 gemachten Unkenrufe und vorgebrachten Bedenken wurden heute
eins zu eins übernommen. Es gibt keinen gläsernen Menschen und auch keine
Verletzung des Grundrechtes. Ich bitte euch, verunsichert nicht und malt nicht
den Teufel an die Wand! Es gibt beim Meldegesetz keinen Teufel!
Das Zentrale
Melderegister – das hat Frau Bundesminister Rauch-Kallat ganz deutlich
dargestellt – ist ein öffentliches Register. Es kann der Hauptwohnsitz
einer Person abgefragt werden.
Zu den
Online-Abfragen, auf die immer wieder eingegangen wird und auch gestern eingegangen
wurde: Erstens einmal braucht man eine Bewilligung, eine Berechtigung. Da gibt
es genaue Bestimmungen dafür, wann man eine Berechtigung, eine Bewilligung
bekommt. Es ist auch gesagt worden, man braucht den Vor- und Zunamen, das
Geburtsdatum und ein anderes Merkmal. Wenn man diese Daten hat, dann kann es
doch keine Datenschutzverletzungen im persönlichen Bereich geben! Wenn meine
Daten weitergegeben werden, dann habe ich das Recht, dass dieser Missstand
überprüft wird. Da der ganze Abfragevorgang, der Modus nachvollziehbar und
protokolliert ist, gibt es auch überhaupt keinen Grund, zu glauben, dass es,
wenn ein Missbrauch passiert, keine Maßnahmen, keine Sanktionen in diesem
Bereich gibt. Und das ist eben der Entzug der Berechtigung durch
das Bundesministerium für Inneres.
In der Unterlage
steht genau, dass es zirka 10 000 anlassbezogene Überprüfungen
gegeben hat, wobei zwei Missbräuche festgestellt wurden, und das sind genau
zwei Missbräuche zu viel, da gebe ich dir Recht. Aber diese zwei bei
10 000 sind vernachlässigbar, denn wir wissen ganz genau: Wenn jemand ein
Gesetz verletzen oder einen Missbrauch begehen möchte, dann wird er dies auch
tun. Man kann das sicherlich nicht immer verhindern.
Geschätzte Damen
und Herren! Es gibt keinen unkontrollierten Zugang für Privatpersonen zu diesen
Meldedaten. Es gibt genaue gesetzliche Grundlagen. In § 1 des
Meldegesetzes ist das bereits verankert. Sämtliche Abfragen sind protokolliert
und nachvollziehbar.
Abschließend:
Kollege Maier, du wirst wahrscheinlich im „WirtschaftsBlatt“ die Glosse „Indiskrete
AK“ gelesen haben. Diesem Artikel zufolge hat die Arbeiterkammer im Gefolge
eines Berufungsverfahrens nach einer Ausschreibung für einen neuen
Internet-Auftritt Daten des Antragstellers bekannt gegeben. – Wenn das
stimmt, dann gehören dort ebenfalls die vorgesehenen Maßnahmen gesetzt, und
zwar der Entzug dieser Berechtigung. Wenn man im Glashaus sitzt, dann sollte
man nicht mit Steinen werfen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
15.23
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist nunmehr Herr
Abgeordneter Parnigoni gemeldet. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.
15.24
Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sie haben es natürlich heute etwas schwer, weil Sie mit dieser Materie nicht vertraut sind. Aber auch wenn
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sich Bundesminister Strasser in
Brüssel befindet, bleibt es doch (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Rauch-Kallat) –
nein, nein, das bestreite ich nicht – dabei, dass er bei dieser Anfragebeantwortung
die Unwahrheit gesagt hat, denn er hat auf Frage Nummer 28 geantwortet,
dass eine derartige Abfrage nur dann möglich ist, wenn Vorname, Familienname,
das Geburtsdatum und ein zusätzliches Merkmal bekannt gegeben werden.
Faktum ist, dass
vor Beantwortung dieser Anfrage bereits Firmen, etwa die Firma PROINFORM oder
ADVOKAT, massiv geworben haben damit, dass man auch ohne Angabe des Geburtsdatums
in das Zentrale Melderegister hineinkommen kann. Daraus ergibt sich, dass in
dieser Anfragebeantwortung von Minister Strasser die Unwahrheit gesagt
wurde. Das möchte ich ein für alle Mal klar festhalten. (Beifall bei der
SPÖ. – Ruf: Stimmt ja nicht! – Abg. Dr. Trinkl: Es wird
nicht richtiger, wenn man es wiederholt!)
Meine Damen und Herren, zum Zweiten: Es ist auch ganz besonders
interessant, dass Herr Bundesminister Strasser in den Erläuterungen der
Verordnung, die er erlassen hat, festgehalten hat, dass Werbemaßnahmen gesetzt
werden sollen, damit etwa die Zahl der Abfragen aus dem Zentralen Melderegister
massiv erhöht wird, um so entsprechend Geld machen zu können. Im
Jahre 2002 – das hat er selbst in seiner Anfragebeantwortung
festgehalten – hat er immerhin schon fast 700 000 € durch
Datenhandel eingenommen. Es hat immerhin über 300 000, nämlich an die
363 000 Abfragen gegeben, und zwar nicht (Abg. Kößl:
Datenhandel hat es vorher auch gegeben! Meldeanfragen hat es immer
gegeben!) – Moment! – an Beamte, sondern eben an Anwälte und so
weiter. (Abg. Kößl: Berechtigte!)
Das Ziel, das Herr Minister Strasser damit verfolgt, ist doch in
Wirklichkeit, als Datenhändler sein Budget aufzufetten – und das zu Lasten
des Rechtsstaates und des Grundrechtes auf Datenschutz! Das lehnen wir
Sozialdemokraten natürlich massiv ab! (Beifall bei der SPÖ.)
Hohes Haus! Eines noch dazu: Da wird von Kontrolle gesprochen. Und in
der Anfragebeantwortung sagte Herr Minister Strasser, im Jahre 2002
seien 10 000 Kontrollen vorgenommen worden. – Ich will ja nicht
von den 18 Millionen Abfragen aus dem Bereich der Beamten reden (Abg. Kößl:
Die Beamten sind eine ganz andere Schiene!), aber wenn ich davon ausgehe,
dass von den 363 000 Abfragen 10 000 kontrolliert wurden, so heißt
das, dass drei Beamte – 20 Minuten braucht man für solch eine
Kontrolle – ein ganzes Jahr lang diese Abfragen hätten kontrollieren müssen.
Also das hupfen Sie mir vor, Herr Kollege Kößl oder Frau Minister! Fragen Sie
den Herrn Bundesminister, wo er diese drei Beamten hat, die diese
10 000 Kontrollen durchgeführt haben! Das schaue ich mir an, ob das
jemals stimmen konnte!
Kollege Kößl! Seit 1945 – das kann ich Ihnen sagen – hat es
noch niemals so viele rechtswidrige Personalbesetzungen gegeben – wie
haben Sie gesagt? – wie der „Teufel“, haben Sie gesagt (Abg. Kößl:
Die hast du vorher nicht gesehen bei einem SPÖ-Innenminister! Ich habe
30 Jahre sozialistische Innenminister hinter mir! Komm mir nicht
so!) – wie in der Ära Strasser. So viele rechtswidrige
Besetzungen hat es nur in der Ära Strasser gegeben! Das können
Sie sich ins Stammbuch schreiben! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei
der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Auch gegen diese Vorgangsweise werden wir uns
mit aller Kraft zur Wehr setzen und werden jeden Kollegen massiv unterstützen,
der von Herrn Minister Strasser auf diese Art und Weise behandelt wird.
Sie können sicher sein, meine Damen und Herren, dass wir alles tun
werden, damit die Vorgaben des Datenschutzrates auch in dieser Causa erfüllt
werden, denn der Rechtsstaat und das Grundrecht auf Datenschutz müssen etwas
wert sein in unserem Lande. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kößl:
Es ist auch gewahrt!)
15.28
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr
Abgeordneter Mag. Mainoni. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.
15.28
Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Abgeordnete Maier hat am Ende seiner Rede gesagt: Einmal ist Zahltag. –
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Das fasse ich doch glatt als Drohung auf. (Abg.
Dr. Partik-Pablé: Genau!) Wenn das der parlamentarische Stil
des Abgeordneter Maier und der Sozialdemokraten ist, dann, meine ich, könnte er
dazu noch einmal Stellung nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei
Abgeordneten der ÖVP.)
Aber da wir gerade
von Zahltag sprechen. Bevor ich auf den Inhalt eingehe, komme ich zu einer Spezialität
des Abgeordneten Maier. Er ist nämlich Anfragespezialist. Sehr geehrte Damen
und Herren, allein in dieser Gesetzgebungsperiode, das heißt seit
20. Dezember 2002, seit viereinhalb Monaten, hat Herr Abgeordneter Maier
71 Anfragen gestellt. (Demonstrativer Beifall und Bravo-Rufe bei der
SPÖ.) Sie werden mit dem Applaudieren noch aufhören, warten Sie nur. Bei
71 Anfragen – diese Anfrage beinhaltet zum Beispiel
30 Fragen – würde das in viereinhalb Monaten allein 2 100
Fragen bedeuten. – Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, bezeichne
ich als geradezu klassischen Fall von Missbrauch der
Nationalratsgeschäftsordnung. (Beifall bei den Freiheitlichen. –
Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Das ist nicht nur
Missbrauch, sondern es entstehen dadurch auch enorme Kosten, sehr geehrter Herr
Kollege Maier. Mit Ihrer Anfragenflut sind Sie ganz sicher der teuerste
Nationalratsabgeordnete hier im Hause. Das garantiere ich Ihnen. (Beifall
bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ sowie Gegenrufe bei
den Freiheitlichen.)
Diese Ihre
Anfragen dienen meines Erachtens hauptsächlich dem Zweck, sich in den Medien in
Szene zu setzen. Das heißt, der Steuerzahler zahlt mit Millionen die PR des
Herrn Abgeordneten Maier – sonst gar nichts! (Neuerliche Zwischenrufe
bei der SPÖ.)
Ich habe mir natürlich
auch die Mühe gemacht, mir diesbezüglich nicht nur die XXII. Gesetzgebungsperiode,
sondern auch die XXI. Gesetzgebungsperiode anzusehen. (Zwischenrufe bei
der SPÖ.) – Gemach, gemach! Wissen Sie, wie viele Anfragen Herr
Abgeordneter Maier in der XXI. Gesetzgebungsperiode gestellt hat? –
Gezählte 508 Anfragen! Immer noch gut? (Demonstrativer Beifall bei
der SPÖ.) Noch gut! Nehmen wir wieder 30 Fragen, dann sind es 15 000
Fragen, die in drei Jahren gestellt wurden. Wenn Sie, die Sie jetzt hier applaudieren,
wirklich glauben, dass das seriös ist, na dann guten Abend! Mehr kann ich dazu
nicht sagen!
Zum Inhalt: Herr
Abgeordneter Maier ebenso wie auch viele Grüne sehen beim Umgang mit
Daten natürlich sofort „Missbrauch“. – Der Datenschutz verkommt aber
mitunter zu einem Täterschutz, wenn man so vorgeht, meine sehr geehrten Damen
und Herren! Darauf weise ich in diesem Zusammenhang schon auch hin.
Und was dieses
Meldegesetz betrifft, so haben wir bereits gestern darüber gesprochen. Ein
weiterer Fall von Missbrauch der Geschäftsordnung: Gestern wurde in einer
ersten Lesung darüber gesprochen, es wird im Parlament behandelt, aber nein,
es muss heute noch eine Anfragebesprechung dazukommen – obwohl Sie
wissen, dass Herr Bundesminister Strasser gar nicht hier sein kann! Auch das
ist ein Fall von Missbrauch der Geschäftsordnung, meine Damen und Herren, weil
es nicht dem Zweck dient, den diese Norm vorsieht.
Das Meldegesetz
ist modern, gut, transparent und vor allem auch unbürokratisch. Jede Anfrage
wird protokolliert; das System speichert alles.
Mit seiner
Anfragenflut kostet Kollege Maier wahrscheinlich mehr als der Bundespräsident
von Österreich. Sie sollten sich in Zukunft überlegen, ob Sie diese
Geldverschwendung wirklich weiter fortsetzen wollen! (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
15.32
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau
Abgeordnete Mag. Stoisits. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.
15.32
Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Wissen Sie, wie viele Anfragen die 18 Abgeordneten der Freiheitlichen Partei in den letzten fünf Monaten gestellt haben – wir bekommen alle
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 96 |
gleich viel bezahlt!: rund
7 000 € brutto, damit die Zuhörerinnen und Zuhörer das wissen –:
keine einzige! Keine einzige Anfrage in fünfeinhalb Monaten! (Oh-Rufe bei
der SPÖ. – Gegenrufe bei den Freiheitlichen.)
Wenn ich mich
recht erinnere – das kann ich jetzt allerdings nicht belegt sagen, ich
schaue aber die Parlamentspost relativ genau durch –, ist auch kein
einziger Initiativantrag von Abgeordneten der FPÖ gekommen. Ab und zu, muss
ich sagen, reden manchmal noch Abgeordnete der FPÖ im Plenum. Aber jetzt könnte
ich mich fragen – anschließend an die Ausführungen des Herrn Mainoni –:
Wofür bekommen die bezahlt? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Kollegin! Weil wir Gesetze machen! Sie fragen, wir machen
Gesetze!)
Die gesetzlichen
Rechte, die Ihnen zustehen, nehmen Sie nur sehr mäßig in Anspruch. Aber, meine
sehr geehrten Damen und Herren, das ist mir nur deshalb eingefallen, weil
Kollege Mainoni hier ständig Kollegen des Nationalrates, in diesem Fall heute
Herrn Abgeordnetem Maier, „Missbrauch der Geschäftsordnung“ vorwirft. Die
Geschäftsordnung ist ein Gesetz. Der Vorwurf „Missbrauch der Geschäftsordnung“
würde bedeuten, dass es sich um den Bruch eines Gesetzes handelt, und ist
somit ein sehr schwer wiegender Vorwurf.
Ich möchte
insgesamt das, was wir heute im Zuge der Debatte vor allem auch zum Bundesfinanzgesetz,
erste Lesung, erlebt haben, etwas relativieren, was das Demokratieverständnis
einzelner Abgeordneter angeht, was Rechte von Parlamentariern betrifft, was
Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern betrifft, auch Rechte von
Mitgliedern von Vereinen – und vor allem auch das, was man in Österreich Streikrecht nennt, und das, was
über Jahrhunderte, muss man jetzt schon sagen, an Rechten erkämpft wurde. (Abg.
Kößl: Kollegin! Zur
Sache!)
Da gibt es
offensichtlich einen sehr großen Schulungsbedarf, Herr Präsident des
Nationalrates. Ich möchte hier, weil das jetzt gerade von Herrn Kollegem
Mainoni so oft gekommen ist, anregen, ob Sie, Herr Präsident, nicht vielleicht
überlegen könnten, ob es noch irgendeine Form von Information an die Kollegen
geben könnte, was ihre eigenen Rechte, aber auch Pflichten betrifft. (Beifall
bei den Grünen und der SPÖ.)
Ich komme jetzt
zur Frage der rechtswidrigen Vollziehung des Meldegesetzes. Um nicht zu wiederholen,
was schon die Vorredner und die Frau Bundesministerin gesagt haben, möchte ich
dazu Folgendes anmerken: Diese ganze Angelegenheit mit dem Meldegesetz und die
Vorgangsweise des Innenministeriums, insbesondere die von Herrn Minister
Strasser, werfen genau jenes Licht auf die Tätigkeit des Staates,
repräsentiert jetzt in dem Fall durch die Bundesregierung, das ich unter
Umständen mit dem Sprichwort, das ja sehr oft gebraucht wird, umschreiben
könnte: Geld verdirbt den Charakter!, denn es geht da immer ums Geld. Es geht
immer darum, dass man verdienen will. (Abg. Kößl: Das bleibt ja den Gemeinden! Das ist ein Verwaltungsaufwand! –
Abg. Mag. Mainoni: Sie kennen das Gesetz nicht!)
Ich fasse es jetzt
in meiner Diktion zusammen: In diesem ganzen Streben, so viel Geld wie möglich
in das Innenministerium zu holen, wird gänzlich darauf vergessen, dass es da um
hochsensible Daten geht, dass die Bürgerinnen und Bürger ein Recht haben,
ihre Schutzbedürfnisse durch den Innenminister, der ja der höchste
Datenschützer im Bereich des Zentralen Melderegisters ist, auch gewahrt zu
wissen. (Abg. Kößl: Tun Sie nicht verunsichern! Es stimmt
ja nicht, was Sie da sagen! Reden Sie nicht von Geschäften! Das ist ein
Verwaltungsaufwand!) Es sollte nicht das Gegenteil der Fall sein, indem
Geschäfte gemacht werden.
Ich hege den
Verdacht – wo ist Kollege Maier? –, dass das halt diesen banalen
Hintergrund hat. In dieser Gier nach Geld wird mit diesen sensiblen Daten des
Bürgers und der Bürgerin in einer Fahrlässigkeit umgegangen, dass parlamentarische
Initiativen und nicht nur eine Anfragebesprechung wirklich dringend geboten
sind, um das abzustellen. Und darum geht es mir! Und deshalb unterstützen wir
nicht nur die heutige Anfrage. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten
der SPÖ.)
Ich bedauere auch sehr, dass sich gerade heute Herr Bundesminister Strasser in einem anderen Mitgliedstaat der EU aufhält, nämlich gerade heute, weil ja heute auch die erste Lesung des
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 97 |
Bundesfinanzgesetzes stattfindet, wo ich eigentlich annehme – und da werde
ich dann noch einmal das Wort ergreifen, Herr Präsident, das kündige ich schon
an –, dass das ja für alle Ressortchefs
interessant ist, wenn die Volksvertretung diese erste Lesung durchführt. (Abg.
Kößl: Es ist dort auch sehr wichtig!
Dort geht es ums Asylrecht!) Da bin ich ein bisschen verwundert. Aber das
gleich folgend in meinen Ausführungen zum Bundesfinanzgesetz. – Danke. (Beifall
bei den Grünen und der SPÖ.)
15.37
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr
gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Fortsetzung der Tagesordnung
Präsident Dr. Andreas Khol: Ich nehme die
Verhandlungen über die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung wieder auf.
Zu Wort gemeldet
hat sich Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. Wunschgemäß stelle ich ihm die
Redezeit auf 5 Minuten ein. – Bitte.
15.38
Abgeordneter
Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Frau
Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich kehre wieder zurück zur
Generaldebatte über das Doppelbudget 2003 und 2004, das offensichtlich ein
gutes sein muss, denn die meisten Redner der Opposition beschäftigen sich ja
mit Dingen, die nicht unmittelbar oder überhaupt nicht im Budget vorkommen,
wie etwa mit dem Ankauf der Eurofighter, der ja bekanntlich erst im
Jahre 2007 budgetwirksam wird.
Diese Budgets
2003/2004 kehren nach 30 Jahren sozialistischer Ausgabenpolitik, ungedeckelter
Ausgabenpolitik zu den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft zurück, wo ich
zuerst Einnahmen erarbeiten muss, um sie dann unter durchaus sozialen Gesichtspunkten
wieder ausgeben zu können – und unser gutes Sozialsystem weiter
auszubauen und zu erhalten. (Beifall bei der ÖVP.)
Ich möchte das
anhand von Beispielen ausführen. Zur Einnahmenseite: Es hat ja auch Oppositionsredner
gegeben, die ihre Verwunderung darüber zum Ausdruck gebracht haben, dass
Ausgaben Einnahmen gegenüberstehen. – Das ist gut so. Zum Beispiel die
Erfolge in der Leistungsbilanz, zum Beispiel, wie auch angeführt, bei der
Lohn- und Einkommensteuer. Das ist doch selbstverständlich, wenn man am
1. Mai des Jahres 2003 den höchsten Beschäftigtenstand hat, den wir
jemals im Mai in diesem Land verzeichnet haben: Wenn diese Arbeitnehmer, wie
uns Kollege Nürnberger erklärt, jedes Mal mit mehr als 1,5 Prozent an
Lohnerhöhung abgeschlossen haben, ist es doch selbstverständlich, dass die
Einnahmen aus diesem Titel steigen.
Mit diesen
Einnahmen kann das Sozialsystem abgesichert werden. Das ist im Staat genauso
wie in jedem Betrieb. Bei der verstaatlichten Industrie, die uns ja allen noch
in Erinnerung ist, wurde auf Dauer mehr ausgegeben, und es waren dann zum
Beispiel nicht nur Zehntausende Arbeitsplätze weg, sondern über Nacht
wurden schlagartig, überfallsartig die Betriebspensionen der Stahlarbeiter
nicht nur reduziert, sondern zu 100 Prozent abgeschafft. Das ist das Ergebnis einer unsozialen
Ausgabepolitik, die auf Pump und auf Kosten kommender Generationen
lebt. – Das ist nicht
unser Ansatz! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Eder: Schaffen wir
gleich alle Pensionen ab, das ist das Einfachste!)
Wir setzen mit diesem Budget, das von dieser Bundesregierung und vom Finanzminister vorgelegt wurde, andere Schwerpunkte, wie zum Beispiel die Fortführung des Programms für Behinderte, die Erhöhung des Pflegegeldes in den höchsten Stufen. Der Herr Vizekanzler hat erwähnt, dass mit über 5 Milliarden € Ausgaben für die Familien ein klarer Schwerpunkt gesetzt wird, ebenso mit der Fortführung unserer Regierungspolitik des Jahres 2000 bezüglich des Kindergeldes. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Entlastung von Beziehern niedriger Einkommen mit einem Jahreseinkommen in der Höhe von 14 500 €. Das bedeutet, dass 200 000 Österrei-
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 98 |
cherinnen
und Österreicher mehr in die Nullbesteuerung fallen. (Zwischenruf des
Abg. Brosz.) Insgesamt
zahlen dann 2,4 Millionen Österreicherinnen und Österreicher –
70 Prozent davon sind Arbeitnehmer, 30 Prozent Pensionisten, einige
Selbständige und einige bäuerliche Kräfte fallen darunter – keine Steuern.
– Das ist eine klare Schwerpunktsetzung.
Zum Abschluss
kommend, meine Damen und Herren: Solidarität ist keine Einbahnstraße! Wenn
2,4 Millionen Österreicherinnen und Österreicher aus sozialen
Gründen – wir werden etwa mittels Mindestlohn und anderer Programme alles
daransetzen, dass sie zu einem Mehrverdienst kommen – keine Steuer
zahlen, dann frage ich: Wer zahlt die Steuer? – Ich sage noch einmal:
Solidarität ist keine Einbahnstraße! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Eder: Tancsits zahlt die Steuer!)
Wir werden dafür
sorgen, dass die Erwerbstätigen in unserem Lande nicht über Gebühr beansprucht
werden. Daher ist auch der Hinweis auf den Bundesbeitrag ein Hinweis auf die
andere Tasche. – Wir wollen echt entlasten! (Beifall bei der ÖVP.)
15.43
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Lackner. 4 Minuten
Redezeit. – Bitte.
15.44
Abgeordneter
Manfred Lackner (SPÖ): Herr Präsident! Frau
Bundesministerin! Meine Herren Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des
Hohen Hauses! Nach der bisherigen Diskussion habe ich den Eindruck gewonnen,
dass die Abgeordneten der Regierungsparteien und auch die Mitglieder der
Bundesregierung das Plenum des Hohen Hauses mit einer Bühne verwechseln, auf
der ein Stück vorgetragen wird, das nichts mit der Realität und schon gar
nichts mit der Betroffenheit der Menschen in diesem Lande zu tun hat. (Beifall
bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein.)
Deswegen trifft
das auch darauf zu, Herr Bundesminister, weil Sie an der Realität vorbeireden.
Vielleicht haben Sie das bei Ihrem Statement noch gar nicht gemerkt oder
vielleicht haben Sie das Budget noch nicht so ganz durchgeschaut, das kann
schon sein, aber die Realität ist leider eine andere. Es wird tatsächlich
versucht, mit flotten Sprüchen ein Belastungsbudget gewaltigen Ausmaßes als
Wohltat für die Menschen zu verkaufen. Stichworte: Pensionsreform und neue
Selbstbehalte für die Menschen. Darüber können noch so flotte Sprüche, wie
etwa: „Steuern senken, heißt Freiheit schenken!“, nicht hinwegtäuschen. Ein
Belastungsbudget bleibt ein Belastungsbudget – egal, ob Sie das wollen
oder nicht, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! (Beifall bei
der SPÖ.)
Es wird Ihnen dies
auch nicht gelingen, denn die Menschen in unserem Lande haben genug von dieser
Politik, die gegen sie gerichtet ist, einer Politik, die den sozialen
Zusammenhalt empfindlich und nachhaltig zerstört.
Meine Damen und
Herren! Wir haben uns heute in der Früh im Rahmen der „Aktuellen Stunde“ bereits
kurz über die Gesundheitspolitik unterhalten und das Beispiel der neuen Selbstbehalte
als Finanzierungsinstrument zu Lasten jener, die Gesundheitsleistungen in
Anspruch nehmen, erörtert. Ich habe bereits sehr deutlich angemerkt, warum
weitere Selbstbehalte weder einen Lenkungseffekt haben noch als
Finanzierungsinstrument taugen.
Meine Damen und
Herren! Wie wenig sich diese Bundesregierung offensichtlich mit dieser Problematik
beschäftigt, zeigt deutlich ein Interview vom 13. März 2003 mit Frau
Bundesministerin Rauch-Kallat auf. Sie wurde von der „Kleinen Zeitung“ zum
Thema „Selbstbehalte“ befragt, und unter anderem wurde die Frage
gestellt – ich zitiere –:
Frage der „Kleinen
Zeitung“: „Sie wollen mit Selbstbehalten das Kostenbewusstsein stärken. Ohne
provokant sein zu wollen: Sollen sich Kranke überlegen, ob sie künftig den Arzt
aufsuchen sollen?“
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Darauf sagte Frau
Bundesministerin Rauch-Kallat: „Nein, aber wenn das System transparent ist,
wird eine Röntgenaufnahme nicht sinnlos zweimal gemacht. Da wird der Patient
sagen: Hoppla, brauche ich das?“
Frau
Bundesministerin! Wenn diese Ihre Aussage stimmig sein sollte, würde das
voraussetzen, dass Arzt und Patient den gleichen Wissensstand haben. – Ich
denke, das ist sicherlich nicht gegeben, und daher
kommentiert sich diese Ihre Aussage wohl von selbst. (Zwischenruf bei der
ÖVP.)
Geschätzte Damen
und Herren! Einen Siebenzeiler war dem Bundesminister für Finanzen das Thema
„Gesundheitspolitik“ wert. Konzepte sind zwar angekündigt worden, aber ich
vermisse sie, außer die sehr deutliche Ankündigung – das muss man
sagen – neuer Selbstbehalte. Das war wirklich deutlich. Das war schon am
Vormittag Diskussionsstand.
Man kann
abschließend sagen: Außer Spesen in Form von neuen Selbstbehalten nicht viel
gewesen!
Kollege Bucher hat
heute in seiner Rede betont, dass die Regierung auch die Verantwortung dafür
übernehmen müsse, was sie nicht tut. – Herr Kollege Bucher, hätte sie
diese Verantwortung nur wahrgenommen, dann wäre den Menschen in unserem Lande
viel erspart geblieben! – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei
der SPÖ.)
15.47
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich Frau
Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. Freiwillige Redezeitbeschränkung:
5 Minuten. – Bitte.
15.48
Abgeordnete
Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr
Präsident! Verehrte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Ein guter Tag im
Parlament wäre ein Tag, an dem die Opposition konstruktiv mitarbeiten und
auch den Tatsachen entsprechend agieren würde. Das ist leider nur eine Vision!
(Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Eder.)
Eine Antwort auf
die Aussage meines Vorredners, des Herrn Abgeordneten Lackner: Die Politik von
Rot und Grün ist von Angst und Panikmache geprägt – und von der
tatsächlichen Realität weit entfernt. (Beifall bei den
Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Es werden auch
viele Unwahrheiten im Bereich der Frauenpolitik verbreitet. Meine sehr verehrten
Damen und Herren, ich bin verwundert über gewisse Aussagen und Vorwürfe.
Natürlich wäre es schön, wenn wir mehr Geld für Österreichs Frauen zur Verfügung
hätten. Aber wie denn, woher denn? – Wir hatten sehr viele Altlasten auf
Grund Ihrer Versäumnisse zu übernehmen. Es sind die Versäumnisse der
SPÖ-Finanzminister, die eine Verantwortung für die jetzige finanzielle
Situation haben. (Abg. Oberhaidinger: Ihre Argumente sind schon
abgegriffen ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Eine
verantwortungsvolle Politik ist auch heute noch ein unbekanntes Wesen für Sie.
Was tun Sie denn? – Sie werfen das Geld auf die Straße! Hunderte
Millionen € kostete das Lahmlegen der Betriebe und das Lahmlegen des
öffentlichen Verkehrs vergangenen Dienstag. (Abg. Mag. Trunk:
Das ist Demokratie! – Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger.)
Der Linzer
Universitätsprofessor Schneider schätzt, dass die Streikaktion des ÖGB, die von
SPÖ und Grünen gutgeheißen und sogar unterstützt worden ist, einen
volkswirtschaftlichen Schaden in der Höhe von über 500 Millionen €
verursacht hat. Das ist geradezu eine Unmenge Geld! (Zwischenruf des
Abg. Dr. Bauer.)
500 Millionen €
am Tag bedeuten ein Durchschnittsjahresgehalt für 35 000 Frauen! Das
heißt, dass allen Alleinerzieherinnen in Wien ein ganzes Jahresgehalt übergeben
werden könnte.
Das Geld eines Streiktages könnte auch für 400 000 Alleinerzieherinnen, für Mütter mit Kindern, einen zusätzlichen Monatslohn bedeuten. – Das, meine Damen und Herren von der Op-
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position, wäre wirkliche Sozial- und Frauenpolitik! (Abg. Parnigoni:
Was sagt Neugebauer dazu?)
Zu Herrn
Präsidenten Verzetnitsch: Wissen Sie, dass man mit dem Geld eines Streiktages
200 Kindergärten bauen und eine Unmenge von Kinderbetreuungsplätzen
schaffen könnte? (Zwischenruf der Abg. Csörgits.) Wäre das
nicht eine Alternative, Herr Präsident Verzetnitsch? – Aber Sie sind ja
leider nicht hier, wahrscheinlich sind Sie gerade bei Kaffee und Kuchen.
Auch für die Aus-
und Weiterbildung sowie für die Förderung von Frauenprojekten könnte mit einem
Bruchteil der Streikkosten sehr viel erreicht werden. (Abg. Dr. Bauer:
Neuwahlen kosten mehr!)
Aber Sie, meine
Damen und Herren von der Opposition, führen lieber einen Klassenkampf. Sie verunsichern
bewusst die Österreicherinnen mit Unwahrheiten, anstatt konstruktive Frauenpolitik
zu leisten. Ich könnte lange über Erreichtes referieren, und Sie wissen
ohnehin, welche Verbesserungen wir von dieser Regierung im Frauenbereich
erreicht haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Auch in den
Budgetbegleitgesetzen sehen wir Impulse für Frauen vor. Bei der Kindererziehungszeit
werden die pensionsbegründenden Zeiten von 18 auf 24 Monate angehoben. Das
heißt, dass Frauen statt 180 Monate nur mehr 132 Monate erwerbstätig
sein müssen. Das bietet einen großen Vorteil für Frauen, die keine
durchgehende Erwerbskarriere haben, und das ist auch ein wichtiger Schritt in
Richtung Absicherung und Eigenvorsorge für Frauen im Alter. (Beifall bei
den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Hagenhofer.)
Durch Entfall der Arbeitslosenversicherung und durch
Senkung der Lohnnebenkosten gibt es auch auf dem Arbeitsmarkt eine große Chance
für ältere Arbeitnehmerinnen. Diese Maßnahmen können Sie wirklich nicht
totreden! (Abg. Hagenhofer: Wo denn bitte?)
Lassen Sie mich mit einem Kommentar aus den „Vorarlberger Nachrichten“ schließen:
Man kann längerfristig nicht mehr ausgeben, als man
einnimmt. Dies gilt für jeden Haushalt, für Pensionsversicherungen und den
Staat. Diese Weisheiten wollen viele nicht zur Kenntnis nehmen. – So wie
Sie, verehrte Kollegen von Rot und Grün! (Abg. Hagenhofer: Es ist nur eine
Frage, wo wir sparen!)
Wir von den Freiheitlichen haben das erkannt und werden sicherlich auch in Zukunft danach handeln. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
15.52
Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Wunschgemäß ist die Uhr auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.
15.53
Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister Grasser, es freut mich, dass ich die Ehre habe, dass Sie anwesend sind, wenn ich rede, denn wir haben Sie nämlich eine Stunde lang vermisst. Herzlich willkommen zurück im Plenum! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Gestern, als Sie zu uns gesprochen haben, habe ich
natürlich sehr aufmerksam zugehört – ich gestehe, dass ich das nicht immer
tue, aber wenn Sie Ihre Budgetrede halten, höre ich ganz aufmerksam zu. (Abg. Eder:
Das ist eine Budgetlesung!) Da ist mir eine der Formulierungen besonders
aufgefallen, die noch niemand erwähnt hat. Es geht jetzt nicht um Bemerkungen
wie „der Speck muss weg“, sondern es war etwas ganz Bemerkenswertes. (Abg. Dr. Brinek:
Das war die Telefongesellschaft!)
Sie, Herr Bundesminister Grasser, haben nämlich gestern eine neue Formulierung, oder Variante oder Diktion für „Kürzung“ gebraucht, Sie haben nämlich davon gesprochen, dass das
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eine „Schwächung der zusätzlichen Ausgaben“ sei. (Allgemeine Heiterkeit.) Dieses Sprachbild ist während dieser 80 Minuten, die Sie gestern zu uns gesprochen haben, schon bemerkenswert, denn es drückt wirklich sehr viel aus.
Ich gebe zu, meine Damen und Herren, dass – obwohl ich schon lange Mitglied des Nationalrates bin – Budgetdebatten für mich immer anstrengend sind, weil da viel gesprochen wird und man ein hohes SpezialistInnenwissen haben muss, um dem folgen zu können, vor allem, wenn dann die Zahlen zitiert werden. Jetzt gestehe ich auch noch, dass es für mich mit dem Euro noch ein bisschen komplizierter ist, weil ich auch noch manchmal geneigt bin, umzurechnen.
Gott sei Dank gibt es dieses geschriebene Exemplar, von dem Sie, Herr Finanzminister, gestern ja nicht sehr abgewichen sind, und darin stehen ganz bemerkenswerte Sätze, die ja dann sozusagen auch in der „Ewigkeit des Protokolls“ gesprochen nachzulesen sind. Beispielsweise steht da der Satz – jetzt zitiere ich aus dem Stenographischen Protokoll –:
„Uns geht es hier auch um die Glaubwürdigkeit der Politik. ... Schon viel zu oft hat man gerade in dieser sensiblen Frage“ – bezogen jetzt auf die Pensionsdebatte – „das Vertrauen der Bevölkerung missbraucht. Es geht um die Aufrechterhaltung des Generationsvertrages. Es geht ...“ und so weiter.
Es ist wahrlich eine sensible Frage, um die es da
geht; da haben Sie völlig Recht. Und es mag auch sein, dass Sie zum
Teil Recht haben mit der Bemerkung, dass schon viel zu oft „in dieser sensiblen
Frage das Vertrauen der Bevölkerung missbraucht“ wurde, obwohl ich das jetzt
nicht so drastisch sagen würde. Aber ich bin ja von der Opposition, und Sie
sind Bundesminister, Sie können das auch anders sehen. (Abg. Oberhaidinger:
Nein, er ist der Finanzsprecher des Bundeskanzlers!)
Herr Bundesminister Grasser, wenn es so ist, dass Sie Recht haben, dann, muss ich sagen, sind die Pläne aus dem Budgetbegleitgesetz zur Pensionsreform, also das, was Sie gestern in Ihrer Rede zum Bundesfinanzgesetz gesagt haben, also in der Budgetrede, genau das Gegenteil von einer sensiblen Vorgangsweise und einer sensiblen Handlungsweise. – Ich kenne mich jetzt nicht wirklich aus.
Was ist jetzt das Sensible? – Bezeichnen Sie Kürzungen, Einschränkungen, die in der Vergangenheit passiert sind und bei denen das Vertrauen missbraucht wurde, als eine sensible Angelegenheit oder das, was jetzt droht, nämlich Pensionskürzungen von – ich sage es jetzt wirklich ganz pauschal – bis zu 40 Prozent für Menschen, die ihre Berechnungen schon angestellt haben?
Ich kenne genug Leute, die fünf Mal zum Pensionsamt und zur Pensionsversicherungsanstalt gehen – egal, ob jetzt für Arbeiter oder Angestellte, diese gibt es ja jetzt nicht mehr – und sich ausrechnen lassen, wie es sein wird. Das sind in der Regel Leute, die keinen so „klassen“ Job wie Sie und ich haben, einen Job, bei dem man ziemlich viel erlebt, viel in der Welt herumkommt, Neues dazulernt, sich persönlich fortbildet und richtig Spaß an der Arbeit hat. Ich habe ihn – und ich gehe davon aus, dass auch Sie Spaß an Ihrer Arbeit haben.
In der Regel machen sich Menschen, die eine Arbeit haben, um ihre Pensionen und um die Zukunft Gedanken. Sie machen diese Arbeit in erster Linie deshalb, weil sie ihren Lebensunterhalt und auch den Lebensunterhalt von Familienangehörigen bestreiten müssen. Sie können sich nicht jeden Tag den Kopf darüber zerbrechen, ob sie sich in ihrer Arbeit irgendwie wiederfinden und sich einbringen können.
Deshalb gibt es Leute – Sie werden es nicht glauben, Herr Bundesminister; ich schätze, Sie sind rund 15 Jahre jünger als ich –, die sich auf die Pension freuen, weil sie nämlich Arbeitsleid als Leben vor der Pension kennen!
Ich hoffe, dass diese Gruppe von Menschen nicht so groß ist, wie es eigentlich meiner punktuellen Erfahrung, wenn ich das hochrechne, entsprechen würde. Ich komme aus einem Milieu, in dem es viele Leute gibt, die – ich sage jetzt nicht, dass sie alle arm sind – nicht so reich sind
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wie ich – ich zähle mich zu diesen Privilegierten – und sich jeden Tag überlegen müssen: Wie wird das in Zukunft sein, kann ich mir das leisten, kann ich Diesel-Jeans und Sweater für meine Kinder kaufen? All das ist für mich kein Umstand, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, aber für diese Leute schon, und diese Menschen sind besorgt.
Daher bitte ich Sie, Herr Bundesminister Grasser, dass Sie das, was Sie schreiben und sagen, nämlich dass das eine sensible Sache sei, auch wirklich so meinen. Sie sind nämlich der Einzige in der Bundesregierung, der parteilos ist – und deshalb setze ich auf Sie. Ich habe in den letzten Wochen gelernt, dass man auf die ÖVP – mit einigen Ausnahmen – nicht zählen kann. In der Regierung gibt es überhaupt keine Ausnahmen, aber da hoffe ich noch auf welche. In der freiheitlichen Regierungsmann- und -frauschaft – es gibt auch eine Staatssekretärin – gibt es auch niemanden. Sie, Herr Bundesminister Grasser, sind der Einzige, von dem ich hoffe, dass Sie diese Sensibilität aufbringen und diese irgendwann einmal auch zum Ausdruck bringen werden.
Jetzt noch zwei Bemerkungen zum Inhaltlichen: Die eine Bemerkung, Herr Bundesminister Grasser – vielleicht sage ich Ihnen etwas Neues; wenn nicht, betrachten Sie es als Unterstützung Ihres Wissens –, betrifft die Frage der prekären finanziellen Situation der Israelitischen Kultusgemeinde und des Verbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Österreich.
Heute hat eine
Pressekonferenz mit dem Präsidenten des Bundesverbandes der Israelitischen
Kultusgemeinden stattgefunden, in der er angekündigt hat, sich in der
finanziellen Not, in der er sich befindet, nicht mehr anders helfen zu können,
als die Arbeit der Kultusgemeinde ab ersten Juni in bestimmten Bereichen
einzustellen (Abg. Neudeck:
Juli!), weil diese Frage immer noch ungeklärt ist. Es hat wahrscheinlich
nichts mit Ihnen persönlich zu tun, aber sehr viel mit dem Herrn Bundeskanzler,
dass die Kommunikation zwischen den höchsten kirchlichen Würdenträgern –
in dem Fall nicht der römisch-katholischen oder der protestantischen Kirche,
sondern des österreichischen Judentums – und dem zweithöchsten Repräsentanten
dieses Staates, nämlich dem Bundeskanzler,
nicht existiert. Null! Da gibt es keinen Kontakt.
Herr
Bundesminister, meine Meinung dazu: Ich halte es für einen Affront erster Kategorie, dass das Bitten, das Ersuchen und
die Forderung nach Dialog oder Kommunikation zwischen dem höchsten
Repräsentanten einer Religionsgemeinschaft – ich rede jetzt nicht von der
Last der Geschichte und davon, wie man damit umgeht, sondern schlicht von
dieser Tatsache – und dem österreichischen Bundeskanzler keinen Erfolg haben. (Abg. Neudeck: Man muss einmal klären, ob die Kultusgemeinde für die
Religionsgemeinschaft spricht!)
Das sind meiner
höchstpersönlichen Einschätzung nach die Ursachen dafür, warum so manches in
der Vergangenheit schief gelaufen ist. Aber davon rede ich jetzt nicht, denn
Sie sind für das zukünftige Budget zuständig.
Herr
Bundesminister Grasser, es kann doch für Sie kein Problem sein,
2,7 Millionen € jährlich – das war die Summe, die der Präsident
des Bundesverbandes der Israelischen Kultusgemeinden heute genannt hat –
aus dem Staatsbudget zur Verfügung zu stellen, um jene Leistungen, die die
Israelitische Kultusgemeinde braucht und die andere Kirchen in dieser Form
nicht haben – Stichwort Sicherheitsfrage – zu gewährleisten und das
Überleben dieser nur rund 6 700 Mitglieder umfassenden
Religionsgemeinschaft zu sichern. (Abg. Neudeck:
Aber wo nehmen wir es weg?)
Für diese Gruppe
ist es eine Überlebensfrage. – Es war schon einmal eine Überlebensfrage.
Das sind Zeiten, die Jahrzehnte zurückliegen. Wir dürfen es nicht
zulassen – ich bitte Sie da wirklich um Unterstützung – und können
es nicht verantworten, in einem Land zu leben, in dem es wieder eine
Überlebensfrage für eine jüdische Gemeinde gibt. Wenn es so wäre – ich
rede jetzt im Konjunktiv, weil ich immer noch glaube, dass es demnächst eine
Lösung geben wird –, dann wäre das eine europäische Schande, und ich
möchte mich nicht schämen müssen, Herr Bundesminister! Helfen Sie hier! (Beifall
bei den Grünen und der SPÖ.)
16.02
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 103 |
Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Wunschgemäße Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.
16.02
Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus!
Eine kurze historische Aufklärung: Meine Vorrednerin, Terezija Stoisits, sagt,
sie kann sich gar nicht daran erinnern, wann je so kreative Wortschöpfungen im
Zusammenhang mit „budget wording“ vorgelegen sind. – Ich kann mich schon
erinnern: Es hat Minister aus SPÖ-Regierungen gegeben – Androsch, Lacina,
Klima –, die von „Nullwachstum“ gesprochen haben. Ich habe mich immer
gefragt, wie so ein Nullwachstum ausschaut. (Abg. Großruck: Minuswachstum! –
Ruf bei der SPÖ: Das haben wir ja!) Je nach Laune oder Brauchbarkeit hat
man von einer „roten Null“ oder von einer „schwarzen Null“ gesprochen. Ich habe
auch immer geschaut, welche Farbe die Null denn hat. (Abg. Eder: Die
schwarze Null kennen wir ja! Das ist eine farblose Null!)
Ich schätze den
Herrn Minister als jemanden, der sehr kreativ ist, aber es hat auch zuvor schon
„Kreativitäten“ gegeben, die sich sehen lassen konnten! (Abg. Eder:
Die schwarze Doppelnull!)
Wissen Sie
übrigens noch, warum damals Finanzminister Lacina zurückgetreten ist und dem
Kurzzeitminister Staribacher Platz gemacht hat? – Weil er die überzogene
Haltung der Gewerkschaft gegenüber seinen maßvollen Reformen für überzogen,
unerhört und beleidigend befunden hat und daher das Feld geräumt hat. Das ist
alles in den Protokollen nachzulesen, ich habe schon ein „paar“ Tage damit
verbracht.
Glorifizieren wir
also nicht die Zeiten der „idealen“ Sozialpartnerschaft und der „Zusammenarbeit“
zwischen Gewerkschaft und Regierung. – Es gab auch damals Risse, Sprünge
und so manche Kränkung und Beleidigung. Arbeiten wir lieber an der Verbesserung
der Kooperation. (Abg. Mag. Gaßner: Sprünge gibt es jetzt auch
bei Ihnen!)
Ich bringe Ihnen
nun ein Beispiel, das zeigt, wie das mit den Abschlägen, Zuschlägen und den
Pensionsansprüchen in der Vergangenheit war. Eine Frau hat mir geschrieben: Ich
bin vor mehr als zehn Jahren mit 55 Jahren – vorzeitige
Alterspension – in Pension gegangen.
Was glauben Sie, wie viel Prozent Pension diese Frau damals bekommen
hat? – 60 Prozent.
Sie schreibt weiter: Also auch ich habe Abschläge in Kauf nehmen müssen,
weil damals schon klar war: Wir werden unseren Generationenvertrag nicht halten
können, wenn wir meinen, mit vorzeitiger Alterspension den höchsten
Pensionsanspruch erreichen zu können.
Sie plädiert dafür und bittet mich und uns, zwar maßvoll zu sein bei den
Abschlägen, aber die Dinge im Lot zu lassen und an die Jungen zu denken.
Ich habe vielleicht nicht das Recht, als Anwältin der Jungen zu
sprechen, aber ich tue es trotzdem, weil für mich der Zusammenhalt der
Generationen wesentlich ist. (Abg. Eder: Oja! Sie sehen gut aus,
warum nicht?) – Danke, lieber Kollege! (Beifall bei der ÖVP.)
Ich komme nun zu ein paar Bemerkungen, die im Zusammenhang mit
Wissenschaft und Forschung gefallen sind. Ich bin sehr froh darüber, dass sich
diese Bundesregierung zu einer Verstärkung des Bereichs Bildung, Ausbildung,
Forschung und Entwicklung entschlossen hat. Darin liegt in der Tat die Chance
und die Entwicklungsmöglichkeit für die Jugend, und darin liegt auch unser
Potential für die wirtschaftliche Weiterentwicklung.
Es wird nicht mehr vermeidbar sein, und alle Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer werden einsehen müssen, dass Investitionen in Forschung und
Entwicklung Arbeitsplätze schaffen und nicht – wie man noch vor Jahren
gedacht hat – dass Entwicklung und Innovation Arbeitsplätze
verhindern. – Darüber bin ich sehr froh.
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 104 |
Die Zahlen sind
schon genannt worden: Gegenüber 1999 verdoppelt diese Bundesregierung, verdoppeln
wir durch Gesetzesbeschluss den entsprechenden Budgetposten. – Das kann
sich sehen lassen! (Abg. Gaál: Nein! – Zwischenruf des Abg.
Dr. Grünewald.)
Das können Sie
nachlesen, ich zitiere daher nicht weiter. Herr Kollege Grünewald! Ich möchte
nur Missverständnisse, die auch von Ihrer Fraktion aufgebracht wurden,
zurückweisen. Auch ich weiß, dass die Universitäten 2003 nicht im Luxus leben.
Das zu behaupten, wäre geschönt. Aber wer kann sich schon Luxus leisten? –
Das wäre den anderen Sparten und Segmenten gegenüber ungerecht.
Wir können aber
mit Fug und Recht behaupten: Wenn die Universitäten 2004 in die Vollrechtsfähigkeit
eintreten, dann werden sie das Geld, das wir versprochen haben –
einschließlich der Gehaltssteigerungen, einschließlich der Personalkosten und
einschließlich der damit verbundenen Implementierungskosten beziehungsweise
Aufwendungen dafür –, haben. Weiters haben sie dann die Möglichkeit,
umzuschichten, ohne – so wie jetzt – die zwingenden Vorschriften des
Bundeshaushaltsgesetzes berücksichtigen zu müssen.
Und seien wir doch
ehrlich: Organisationsgewinne aus der neuen Form, der Selbständigkeit, sind da
noch nicht eingerechnet. Ich war auch sehr verwundert darüber, dass
Wissenschaftssprecher Broukal in der „Kleinen Zeitung“ vor gar nicht allzu
langer Zeit gesagt hat, er könne sich aus seiner ORF-Erfahrung sogar
vorstellen, dass 10 Prozent Einsparung sowieso niemand spürt.
Wenn also
einerseits Organisationsgewinne zu erwarten sind und die Einsparungen, die hier
angesprochen sind, sowieso keiner spürt – ich meine, man spürt sie
schon, wenn man gut haushaltet, und das tun die Unis, das nehme ich für sie in
Anspruch –, dann kann das schon so geschehen.
Auch Herrn
Kollegen Gusenbauer kann ich abschließend sagen: Er muss sich um die Finanzierung
der Fachhochschulen keine Gedanken und Sorgen machen. Wir haben das Plansoll gemäß
Entwicklungsplan schon erreicht. Wir waren schon im Herbst dieses Jahres
weiter, als es der Entwicklungsplan vorgesehen hat.
Hinzuzufügen ist: Erstens erreichen wir die Relation drei zu eins bei
den Universitäts- und FachhochschulabgängerInnen, und zweitens geht die hohe
Zahl der Bewerber, die wegen Platzmangels abgewiesen werden mussten, zurück.
Manche der geplanten Studiengänge konnten nicht eingerichtet werden, weil die
notwendige Anzahl an geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern nicht vorhanden
war. Bedenken Sie auch, dass die Studiengänge in regelmäßigen Abständen
evaluiert werden müssen und wir daher gar nicht davon ausgehen können, dass
alle einmal eingerichteten Studiengänge auch auf Dauer eingerichtet bleiben.
Für die Finanzierung ist also gesorgt. Vergleichen Sie bitte
Voranschläge mit Voranschlägen und nicht Voranschläge mit Verwirklichung, dann
schaut das Budget im Bereich Wissenschaft, Bildung und Forschung zufrieden
stellend aus!
Ich bedanke mich für das Engagement des Herrn Bundesministers, des Bundeskanzlers, der Frau
Bundesministerin und der gesamten Bundesregierung! (Beifall bei der ÖVP und
den Freiheitlichen.)
16.09
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu Wort gemeldet
ist nunmehr Herr Abgeordneter Gaál. Die Redezeit beträgt wunschgemäß
4 Minuten. – Bitte.
16.09
Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Kollegin Achleitner – sie ist nicht mehr anwesend – hat vorhin den Streik angesprochen. (Abg. Eder: Sie ist zu Kaffee und Kuchen gegangen!) Es mag schon sein, dass es an diesem 6. Mai da und dort zu kleinen Unannehmlichkeiten gekommen ist. Aber das war sicher nicht so negativ wie die Pensionsreform der Bundesregierung, die uns immerhin ein Leben lang begleiten wird, meine Damen und Herren! (Abg. Murauer: Positiv, Anton! Positiv begleiten!) – Du hast leider wieder ein-
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 105 |
mal nicht Recht,
Kollege Murauer, aber das bin ich bei dir ja schon gewohnt. (Beifall bei der
SPÖ. – Abg. Murauer: Nein, nein!)
Herr
Bundesminister! Ich meine, mit diesem Budget laufen Sie Gefahr, den letzten
Rest an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Das gilt in besonderem Maße für die
Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Daher kann man nicht wie Kollege Bösch
mit der Entwicklung des Budgets zufrieden sein, sondern das Budget und die
damit verbundenen Aussichten für das österreichische Bundesheer sind meiner
Meinung nach sehr negativ.
Herr Bundesminister! Es herrscht daher bei uns keine Zufriedenheit, denn
Faktum ist, dass das Heeresbudget seit Antritt dieser Bundesregierung, seit
Ihrer Ministerschaft Jahr für Jahr immer kleiner wurde. Der vorliegende
Budgetentwurf bestätigt diese negative Entwicklung, die wir Ihnen
bei den Budgetberatungen im Detail beweisen werden.
All die vom Kollegen Dr. Bösch genannten
Beschaffungen sind bis dato nicht ausfinanziert! Die Finanzierung ist offen,
es gibt noch keinen Beschaffungsvorgang. Zu den von ihm zitierten
Mannschaftstransportern „Pandur“ gibt es beispielsweise keine Gespräche, kein
Pflichtenheft, keine Leistungsbeschreibung, es gibt überhaupt keine Kontakte.
Obwohl wir das 1996 im Rahmen des Mech-Paketes in diesem Haus beschlossen
haben, ist die Finanzierung bis heute offen. Das gilt auch für viele andere von
ihm genannte Beschaffungsvorhaben, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Brinek:
Herr Kollege Gaál, das ist manchen noch zu viel!)
Der vorliegende Budgetentwurf bestätigt die rückläufige Entwicklung
insbesondere in der Sicherheitspolitik, im Verteidigungsbereich. Für uns
bedeutet das, dass sich das Budget bei 0,7 Prozent einpendeln
wird. – Herr Bundesminister, das ist das geringste Budget seit Bestehen
des österreichischen Bundesheeres!
Da sind aber seit Jahren die „bösen Sozialisten“ nicht mehr dabei, die
angeblich immer wieder den Geldhahn zugedreht haben. Dieses ist das vierte
Budget ohne Mitwirkung von Sozialdemokraten und gleichzeitig das niedrigste
Budget seit Bestehen des österreichischen Bundesheeres. Ich darf daran
erinnern, dass wir unter Kreisky und Sinowatz die höchste Budgetrate
in diesem Bereich aufzuweisen hatten. – Das ist nachzulesen.
Herr Bundesminister, Sie haben sehr wenig übrig für das österreichische
Bundesheer und sehr wenig übrig für eine leistungsfähige und
zukunftsorientierte Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Für Sie besteht
die Sicherheits- und Verteidigungspolitik nur im Ankauf dieser sündteuren
Abfangjäger, dieser Kampfflugzeuge, die Sie früher einmal richtigerweise als
„Kriegsgerät“ bezeichnet haben.
Meine Damen und Herren! Unser Nein zu diesen Kampfflugzeugen ist kein
Nein zum österreichischen Bundesheer. – Im Gegenteil: Wir sagen Nein aus
Sorge um die Zukunft des österreichischen Bundesheeres, weil dann keine
finanziellen Mittel mehr für sinnvolle, notwendige Beschaffungen im Interesse
und der Sicherheit unserer Soldaten im Ausland zur Verfügung stehen, wenn
diese im Dienste des Friedens unterwegs sind. – Daher ein entschiedenes
Nein zu diesem Budgetentwurf! (Beifall bei der SPÖ.)
16.12
Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter
Mag. Mainoni. Die Redezeit beträgt wunschgemäß 5 Minuten. – Bitte. (Abg.
Brosz – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg.
Mag. Mainoni –: Haben Sie jetzt schon einen Antrag eingebracht?)
16.13
Abgeordneter
Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr
Präsident! Herr Bundesminister! Eine der wichtigen Aufgaben der Politik –
da werden mir sicherlich auch Sie von der Opposition Recht geben – ist es
doch, soziale Gerechtigkeit herzustellen.
Unser Bemühen ist es, soziale Gerechtigkeit herzustellen, und deshalb ist es uns auch gelungen, ab kommendem Jahr gerade die Bezieher kleiner Einkommen steuerfrei zu setzen. Das ist ein wichtiger Schritt – ein erster Schritt zur sozialen Gerechtigkeit in diesem Staat. Unser Ziel ist
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es, die
Armut in Österreich zu bekämpfen, und deshalb ist diese Maßnahme für uns
notwendig geworden.
Wir drängen
deshalb auch darauf, dass zum Beispiel bei Unternehmen nicht entnommene Gewinne
nicht besteuert werden. Wir drängen darauf, dass unnötige und somit auch teure
Bürokratie möglichst abgebaut wird. – Das ist keine Generalkampfansage an
die Bürokratie, ganz im Gegenteil: Die Bürokratie ist ein sehr wichtiger
Bestandteil dieses Staates.
Wenn man jedoch
die Verwaltungsbehörden in Österreich zählt, dann stellt man fest, dass es
mittlerweile fünf Stufen gibt: die Gemeinde, die Bezirksverwaltungsbehörde, die
Ämter der Landesregierungen, die Bundesverwaltung und zu guter Letzt noch die
Verwaltung der Europäischen Union, die für das österreichische Leben natürlich
immer mehr an Bedeutung gewinnt. – Das sind insgesamt fünf Stufen, und
ich erwarte mir in diesem Zusammenhang auch wesentliche Reformen im
Verfassungskonvent, der seine Tätigkeit bald aufnehmen wird – Reformen
nicht nur der Reformen wegen, sondern natürlich der Entbürokratisierung und vor
allem auch der Einsparungen wegen.
Meine Damen und
Herren! In meiner Funktion als Verkehrssprecher meiner Fraktion freut es mich
natürlich besonders, dass in diesem Budget zum Beispiel wesentliche Mittel für
das hochrangige Straßennetz zur Verfügung gestellt wurden. Ein Vergleich: Im
Jahr 1999 waren es noch umgerechnet 650 Millionen €, die dafür
zur Verfügung standen. Heuer sind es 1,2 Milliarden € und für
kommendes Jahr gar 1,3 Milliarden €.
Sehr geehrte Damen
und Herren! Es ist aber nicht nur der Individualverkehr, sondern vor allem auch
die Schieneninvestition, die in diesen Budgets der Jahre 2003 und 2004
zunimmt. Statt 900 Millionen € im Jahre 1999 – um wieder
einen Vergleich zu bringen – werden heuer und nächstes Jahr bereits
jeweils 1,1 Milliarden € für Schieneninvestitionen zur Verfügung
stehen. Noch nie wurde für den Bereich Infrastruktur so viel geleistet wie in
diesen beiden Budgets. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Meine Damen und
Herren! Das sind eben Investitionen für die Zukunft unseres Landes, für Wachstum
in diesem Staat, für mehr Beschäftigung, vor allem aber für bessere
Lebensqualität.
Lassen Sie mich
noch zu einem weiteren Bereich kommen, den Kollegin Brinek bereits angesprochen
hat: Forschung und Entwicklung. – Ein Offensivprogramm, dotiert mit 600 Millionen €
für die Jahre 2004 bis 2006, ist ein wichtiger Hinweis auf die zukünftige
Politik in diesem Lande, für eine moderne Politik, die – wie gesagt –
zukunftweisend ist und wichtig für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Staat. (Beifall
bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
16.16
Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Die Redezeit beträgt wunschgemäß 5 Minuten. – Bitte.
16.17
Abgeordneter
Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr
Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Bundesminister, Sie haben
sich über die Rede und die Kritik des Kollegen Van der Bellen sehr
erregt. Man kann sich nun vorstellen: Man kann sich einerseits über Wahrheiten
erregen, weil sie nicht gerne gehört werden. Wir aber können uns über Unwahrheiten
erregen! – Ich meine, beides ist legitim – Zweiteres sogar noch mehr,
wenn ich das so formulieren darf. (Abg. Dr. Brinek: Was ist die
Wahrheit?)
Es ist auch nicht
notwendig, um Erlaubnis zu fragen, wenn man sich über etwas erregt. Es war
schon ein einmaliges Ereignis: Dass Präsident Khol diese Rede, wie
protokolliert wurde, mit den Worten „Karl-Heinz! Das war eine brillante Rede!“
als Erster Präsident des Nationalrates von seinem Sitz aus kommentiert, war auf
jeden Fall eine Neuerung – aber die ÖVP ist ja für Neues – und zumindest
interessant. (Abg. Dr. Brinek: Er hat auch die Meinung gesagt!)
Als ich die Rede hörte, dachte ich mir aber: Da ist weniger von Brillanz die Rede, sondern Brillantine zu riechen. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.) Sie war mir etwas zu ge-
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schmeidig und zu geschniegelt und letztlich eine Summe von Phrasen und
Überschriften. (Abg. Dr. Brinek: Hätten Sie es lieber spröder
gehabt?) – Lieber spröder und lieber ehrlicher und mit mehr
Argumenten, denn es war ein Eintopf oder ein Potpourri aus Beweihräucherung,
Halbwahrheiten und Ankündigungen. (Abg. Dr. Brinek: Das ist
jetzt Ihre Interpretation!) Da purzelten nur mehr „Meilensteine“,
„Zukunftschancen“, „Großartigkeit“ durcheinander und ergaben einen relativ
unverdaulichen Eintopf. – Das ist stilistisch nicht wirklich erträglich! (Beifall
bei den Grünen und der SPÖ.)
Bilder sind ja
schön, und man lernt es wahrscheinlich für Präsentationen, aber es war die Rede
von „Fischen ohne Wasser“, dann von einem „Wasser“, das verödet „ohne
Fische“. – Jetzt weiß ich nicht, kommt das aus einem Werbetext für
Angelruten oder Swimmingpools? (Abg. Dr. Brinek: Auch die
Medizin arbeitet mit Bildern!) – Es ist wahr, aber ich kann damit
relativ wenig anfangen.
Vor einiger Zeit haben wir von Ihnen gehört: Ein guter Tag beginnt mit einem hervorragenden Budget. – Ich weiß nicht, ob Sie „hervorragend“ gesagt haben, aber irgendetwas in dieser Richtung. (Bundesminister Mag. Grasser: Saniert!) – Mit einem „sanierten“ Budget – na das ist ja hervorragend.
Gorbach sagt dann,
es sei ein guter Tag, wenn Forschung und Innovation sich so richtig im Budget
abzeichnen. – Da muss ich sagen, dass mir nach wie vor eine resche Semmel
und ein weiches Ei an Wahrheitsgehalt relevanter und sicherer in der Prognose
sind, denn – und jetzt kommen wir schon zum Punkt:
Sie sagen, Sie
sind verpflichtet, bestimmte Zahlen so zu schreiben. – Wenn daraus aber
ein Nullsummenspiel resultiert, dürfen Sie das nicht als Zuwachs verkaufen!
Das ist wirklich in höchstem Maße unseriös!
Die Ausgliederung
der Universitäten – das nur für die Zuhörerinnen und Zuhörer – hat
prognostizierte Mehrkosten beziehungsweise wird – sagen wir es
freundlicher – prognostizierte Mehrkosten von 10 oder
20 Prozent – manche sagen sogar 30 Prozent – verursachen.
Das hat seine Gründe; die könnte man erklären. Die Universitäten haben früher
nicht über autonome Budgets für das Personal verfügt, denn diese kamen aus dem
Bundeskanzleramt. Jetzt bekommen die Universitäten das Personal – so schön
heißt es, oder so furchtbar heißt es – sozusagen als lebende Leihgabe
vom Bund zugewiesen, müssen aber das Personal, das sie ja früher schon hatten,
selber zahlen.
Und siehe da:
Bundesminister Grasser budgetiert das mit 733 Millionen € und sagt:
Schaut, ihr habt 733 Millionen € dazubekommen, aber für das, was
ohnehin früher der Bund zahlen musste, weil es nicht Angelegenheit der
Universität war. – Und das nenne ich eine gefährliche Täuschung. Übrig
bleibt nämlich ein Plus von knapp 30 Millionen €! Und das ist ein
Unterschied!
Frau Brinek, Sie
als Wissenschaftssprecherin und Karl-Heinz Grasser als Zahlenkenner beziehungsweise
-jongleur, Sie haben (Abg. Brosz: Trickrechner!) – ja, wie
auch immer – behauptet, das universitäre Budget und die Mittel für die
Forschung verdoppelt zu haben. (Abg. Dr. Brinek: 1999!) –
Ja! Von 1999: Die Zahl ist 1 Milliarde 278 Millionen für 1999, das
mal zwei – so geht ja verdoppeln, außer Sie erklären mir jetzt eine andere
Grundrechnungsart, Frau Brinek – ergäbe 2 Milliarden
556 Millionen. Im Budget steht aber 2 013 000 000. Das ist
verdoppelt, Frau Brinek? Das heißt, es fehlen 543 Millionen €.
„Toll“, und das ist verdoppelt worden! Und dann heißt es, wir seien kleinlich,
wir seien Kritiker. Ich finde, das ist ein Wahnsinn.
Die Universitäten
haben ein natürliches Turn-over des Personals, vor allem an Kliniken. Wissen
Sie, was ein Klinikforscher an der Uniklinik Innsbruck tun musste? – Er
hat Forschung in der Dienstzeit verboten, weil die Mediziner
sonst in der Patientenversorgung und in der Lehre abgehen. Und das ist die
Innovation in der Forschung? Da kann ich nur sagen: Bravo! (Abg. Dr. Brinek:
Aus einzelnen Maßnahmen kann man nicht ...!)
Und genauso ist es bei der Orientalistik, wo Leute so „sinnlose“ Sachen lernen wie die Sitten des Orients, die Rechtsprechung des Orients und die Sprache des Orients, was, wie Ihnen ja
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nicht entgangen sein dürfte, inzwischen eine gewisse Bedeutung erlangt
hat. Stellen können nicht nachbesetzt werden, weil ein Planstellenstopp
vorgegeben ist. 5 Prozent minus haben Sie im Jahr 2003 verordnet. Die
Virementfähigkeit, das heißt, die flexiblen Budgets, die nicht durch
gesetzliche Verpflichtungen gebunden sind, betragen an der Universität weniger
als 3 Prozent. Sie haben also kein Budget, um das zu machen, was Sie im
Regierungsprogramm stehen haben: Schwerpunktsetzung, Profilbildung,
Innovation.
Lesen Sie sich die
Briefe und Mails der Rektoren durch, was diese Ihnen über die „Steigerungen“
sagen! (Abg. Dr. Brinek: Ich habe gesagt, kein ...!) –
Und wenn Sie, Frau Brinek, meinen, als Abgeordnete müssen Sie immer nur dort
klatschen, wo die Unwahrheit am Tisch liegt, so finde ich das für eine
Wissenschaftssprecherin beschämend. Genauso finde ich es von Rasinger
beschämend, wenn er hier von mir Sachen gehört haben will, die ich nicht gesagt
habe. Es könnte dann nämlich auch sein, dass er Sachen zitiert, die er nie
gelesen hat – und das ist schlecht! (Beifall bei den Grünen. –
Abg. Dr. Brinek: Es stimmt nicht, was Sie sagen!)
16.23
Präsident Dr. Andreas Khol:
Das Wort ergreift
nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. Wunschgemäß stelle ich die Uhr
auf 5 Minuten ein. – Bitte. (Abg. Dr. Niederwieser – in Richtung des auf der
Regierungsbank sitzenden Bundesministers Mag. Grasser –: Besser wäre
doch gewesen, er hätte eine Powerpoint-Präsentation gemacht!)
16.23
Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen
und Herren! Ich will zwar an sich zum Themenbereich Wirtschaft sprechen, da
aber heute auch sehr oft das Thema Pension angesprochen wurde, möchte ich schon
eine Bemerkung dazu machen – nicht zum Inhalt, sondern zum Prozess –:
Als Sozialpartner bin ich selbstverständlich nach wie vor dafür, dass die
Sozialpartner auch entsprechend eingebunden werden. Das Angebot der
Sozialpartner an die Bundesregierung, bis zum 30. September einen
entsprechenden Entwurf auszuarbeiten, hat meine volle Unterstützung.
Warum? – Nicht damit die ganze Reform verschoben wird, sondern eine Reform
muss auch entsprechend gelebt werden. Und damit sie von Arbeitgebern und
Arbeitnehmern gelebt wird, muss die entsprechende Einbindung gegeben sein.
Das ist ein
Angebot, meine Damen und Herren, und ein Angebot kann man annehmen oder nicht
annehmen. Es ist eine freiwillige Sache, und das Annehmen eines Angebots kann
man nicht erzwingen. Wenn Sie Streiks machen, die gegen die Betriebe gerichtet
sind, dann ist das ein solches Erzwingen beziehungsweise der Versuch
dazu – noch dazu bei der falschen Adresse. Und diese Vorgangsweise lehne
ich ab! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Das lehne ich
deswegen ab, weil wir eigentlich – das sollte auch das Interesse von Ihnen
von der linken Seite sein – einen Wirtschaftsstandort Österreich wollen,
der funktionsfähig ist und der nicht selbst durch irgendwelche
Auseinandersetzungen Arbeitsplätze gefährdet.
Ich möchte in diesem
Zusammenhang auf die letzten beiden Jahre zurückblicken. Wir hatten eine sehr
schwierige Konjunktursituation, auch heute noch. Da hat die Regierung die
richtigen Maßnahmen ergriffen – das wurde dazumal sehr kritisiert –,
aber das Konjunkturpaket, das wir 2001 und 2002 beschlossen haben, war
richtig, weil es kein Nachfragepaket war, sondern ein angebotsorientiertes
Paket, das strukturpolitisch richtig gewirkt hat.
Wir sehen auch die
entsprechenden Konsequenzen, meine Damen und Herren: Wir haben mit Prämien, mit
Abschreibungsmöglichkeiten im Baubereich, eben mit den richtigen Maßnahmen
gearbeitet, die dazu geführt haben, dass sich Jungunternehmer und potentielle
Unternehmer entsprechend angeregt gefühlt haben, Gründungen vorzunehmen.
Wir hatten im Jahr 2002
in Österreich 28 000 Gründungen in einer ausgesprochen schwierigen
Konjunkturphase. Deutschland hat den einfachen Weg gewählt: minus
4,5 Prozent bei den Gründungen – wir hatten plus 10 Prozent. Das ist
meines Erachtens ein gravierender Unterschied! (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
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Damit bin ich auch
schon beim Ausblick, bei den Maßnahmen, die im Wirtschaftsbereich für die Jahre 2003
und 2004 gesetzt werden. Die Konjunktur hat sich ja noch nicht wesentlich verbessert.
Ich glaube, dass wir an sich die richtigen Maßnahmen treffen – die
richtigen Maßnahmen, was die Steuerfreistellung bis zu 14 500 €
Jahreseinkommen anbelangt.
Warum? – Weil
hier natürlich erstens auch die Einkommensteuer entsprechend betroffen ist, die
die Unternehmen zahlen. Und es sind die ganz kleinen Unternehmen, die hier frei
gestellt werden, nicht diejenigen, die sich das Geld einstecken, sondern die,
die teilweise Mindestbeitragsgrundlagen zahlen. Gerade in diesem Bereich
zahlen 60 Prozent der Unternehmen Mindestbeitragsgrundlagen. Daher ist
das eine ganz richtige Maßnahme, die hier gesetzt wird.
Zweitens: Es
werden die nicht entnommenen Gewinne günstiger gestellt. Das halte ich auch für
eine richtige Maßnahme, Herr Minister, die aber noch nicht richtig durchgeführt
wurde. Jetzt haben wir die Problematik, dass die Freiberufler im Entwurf
ausgeschlossen sind. Das halte ich nicht für richtig im Sinne der
Gleichberechtigung. Auch da brauchen wir die gleichen Möglichkeiten. (Beifall
bei der ÖVP.)
Drittens: Wir
sollten uns auch anschauen, wo wir jetzt mit der Mindestbesteuerung ansetzen.
Meines Erachtens kann man es nicht so machen, dass man eben erst bei
20 000 € Jahresgewinn Vorteile hat, sondern wenn das für Klein- und
Mittelbetriebe wirksam sein soll, dann muss man weiter unten ansetzen: Daher
muss dieser Mindeststeuersatz weg. Ich hoffe, dass das in den Verhandlungen zum
Budgetbegleitgesetz noch passieren wird. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg.
Bucher.)
Damit bin ich bei
dem Punkt, der immer relativ positiv hervorgehoben wird: Das ist die
13. Umsatzsteuervorauszahlung. Das Jahr hat zwölf Monate, wie wir wissen.
Ich möchte da in Bezug auf Ex-Finanzminister Lacina der Wahrheit insofern die
Ehre erweisen – er hat das auch gewusst –, dass das eine
Kompensationsmaßnahme war, die wir dazumal eingeführt haben, als die
Gewerbesteuer abgeschafft worden ist. Der Staat hat Einnahmen verloren, durch
die Umsatzsteuervorauszahlung hat er wieder Einnahmen gewonnen, aber er hat
den Betrieben schon eines gegeben: Er hat nämlich den Umsatzsteuertermin, die
Fälligkeit, vom 10. auf den 15. hinaufgesetzt. Rechnet man das auf zwölf Monate
um, hat man eigentlich sogar einen kleinen Vorteil. Psychologisch war es aber
kein Vorteil, daher müssen wir das jetzt auch als positive Umsetzung erklären.
Aber, Herr Minister, 1,7 Milliarden € ist sie natürlich nicht wert.
Man muss eine
Gesamtbetrachtung anstellen. Die Gesamtbetrachtung muss man auch dann anstellen,
wenn man zum Beispiel die Straßenbenützungsabgabe nicht mehr budgetrelevant
hat. Da muss ich aber sagen, Herr Minister, das Road Pricing betrifft die
Gesamtwirtschaft, den Standort mit 600 Millionen €. Daher bitte ich
darum, dass man das auch gesamthaft sieht.
Damit bin ich
schon beim Schluss. Der Punkt Exportoffensive ist vielleicht der bedeutendste.
Hier machen wir, Regierung und Wirtschaftskammer, eine gemeinsame Aktion. Das
ist die Maßgabe und die Grundlage für eine Stärkung des Standorts Österreich
mit Konjunkturbelebung. International, so glaube ich, sind wir auf dem
richtigen Weg. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
16.29
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu Wort gemeldet
ist Herr Abgeordneter Eder. Wunschgemäß stelle ich die Uhr auf
5 Minuten. – Bitte.
16.29
Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr
Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf vielleicht gleich an
die Ausführungen des Kollegen Mitterlehner anschließen. Es gibt einige Dinge,
die er gesagt hat, die man durchaus unterstreichen kann, aber es muss uns schon
klar sein: Ihr Präsident unterscheidet sich doch etwas von dem, was Sie gesagt
haben. Im „WirtschaftsBlatt“ vom 26. April wird Leitl mit den Worten
zitiert: „Schüssel schädigt den Wirtschaftsstandort Österreich“. (Abg. Kopf:
Diesen Satz hat Leitl nicht gesagt!)
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Ja, da kann man
zwar mit der Hand deuten, Kollege Kopf, aber das steht im „WirtschaftsBlatt“.
Das sage nicht ich, das steht hier so. (Abg. Kopf: Lies
einmal ...!) Wenn man jetzt von dem ausgeht (neuerlicher
Zwischenruf des Abg. Kopf), dann möchte ich hier einmal klarstellen,
dass der Wirtschaftsstandort Österreich natürlich dann gefährdet wird, wenn
man über die österreichische Bevölkerung mit einem neuen Pensionsrecht so
drüberfährt, wie das jetzt gerade geschieht. Das wollen Sie nicht,
Kollege Mitterlehner, und das wollen wir nicht! (Beifall bei
der SPÖ.) Anscheinend will es nur derjenige, der hier zitiert ist. Das muss
man einmal zur Kenntnis nehmen! – Das zum einen. (Abg. Dr. Mitterlehner:
Zitieren Sie einmal ordentlich!)
Zum Zweiten, meine
sehr geehrten Damen und Herren: Der Herr Finanzminister hat gestern in seiner
Budgetrede sehr viel von Zukunft, Solidarität, Sicherheit, Forschung und
Infrastruktur, von Abheben und Flügeln und so weiter geredet. Ich habe mir nach
dieser Rede, die ich sehr genau verfolgt habe, natürlich auch die einzelnen
Budgetzahlen genauer angesehen. Und da schaut die Welt aber ein bisschen anders
aus.
Wie ich vorhin
bemerkt habe – Kollege Mainoni ist momentan nicht anwesend –, sind da
selbst Experten wie der Verkehrssprecher der Freiheitlichen Partei ein
bisschen „eingefahren“, nämlich folgendermaßen: Er hat hier zwar richtig
gesagt, dass jetzt zum Beispiel für den Straßenbau wesentlich mehr Geld
aufgewendet wird als 1999, nämlich statt 658 Millionen €
1 194 Millionen € – das stimmt schon –, aber das hat
nichts mit dem Budget zu tun. Es gibt eine ausgegliederte Gesellschaft, die
ASFINAG, und die ASFINAG hat den Auftrag, das Straßennetz entsprechend zu
erweitern und zu sanieren. Aber: Die ASFINAG hat diese
1 194 Millionen € nicht!
Wenn er mit dem
ASFINAG-Management spricht, dann weiß auch der Herr Finanzminister sehr genau,
dass dieses natürlich Kredite aufnehmen muss, um das Ganze zu finanzieren.
Kredite aufnehmen ist aber gleich Schulden machen. Das heißt, der Trick, der
uns da vorgeführt wird, ist: Man versucht zwar im Budget, die Ausgaben nach
unten zu drücken, aber über die Gesellschaften, die man gründet, werden die
Schulden erneuert. Und das sind Maßnahmen, meine Damen und Herren, die auch bezahlt
werden müssen! Diese Maßnahmen müssen genau von jenen bezahlt werden, wobei
Herr Mitterlehner gerade gejammert hat. (Zwischenruf des Abg. Mag. Regler.)
Aber wenn wir über
Road Pricing reden, dann muss man auch wissen – Kollege Regler, Sie sind
ja überhaupt der Spezialist in der Bundeswirtschaftskammer für diese
Dingen –, dass die Bundeswirtschaftskammer Pamphlets herausgibt, in denen
sie eindeutig feststellt, dass das alles viel zu hoch sei, dass man das nicht
finanzieren könne und dass das den Wirtschaftsstandort schädige, wie wir
gerade gehört haben. – Auf irgendetwas muss man sich aber schon einigen.
Man kann nicht sagen, im Budget wollen wir das nicht haben, die ASFINAG soll
Kredite aufnehmen – und zahlen sollen es die Autofahrer, und zwar die PKW-Fahrer.
Da sind wir von
der SPÖ dagegen! Es müssen auch die Lkw einmal zur Kasse gebeten werden. In
diesem Bereich muss man auch einmal zu Kostenwahrheit kommen, meine sehr
geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)
Da heute schon
sehr viel über die Steuerreform diskutiert worden ist: Unter dem Deckmantel
„Steuerreform“ kommt in Wirklichkeit neben all dem, was heute hier bereits
debattiert wurde, eine riesige zusätzliche Belastungswelle auf die Bevölkerung
zu. Und die größten Belastungen haben wieder einmal die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer sowie die Pensionisten mit zu tragen. Diese sind von massiven
Pensionskürzungen, Selbstbehalten in der Krankenversicherung, neuen Gebühren,
die bei Ärzten zu zahlen sind, Energiesteuern, die man neu eingeführt hat,
Gebührenerhöhungen und Belastungen, die weit über geplante Steuersenkungen
hinaus-gehen, betroffen. Wenn man all das zusammenrechnet, kommt man summa
summarum auf eine wesentlich höhere Mehrbelastung der Bevölkerung, als diese
große, „tolle“ Steuerreform, von der da die Rede ist, die Steuerzahler
überhaupt je entlasten kann.
Wenn ich alleine an die Autofahrer denke: Da wird wieder einmal ganz gezielt abkassiert. So wird die Mineralölsteuer nun um 1 bis 2,5 Cent pro Liter Benzin und um 2 bis 3,5 Cent pro Liter Diesel erhöht. Da kann man sich nicht auf die Europäische Union ausreden, denn diese hat die
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Dieselbesteuerung erst für das Jahr 2007
vorgesehen. Diese eine Maßnahme allein bedeutet jedoch eine Verteuerung von
rund 335 Millionen € für alle Autofahrer – davon sind Lkw kaum
betroffen –, und das steigend! (Abg. Mag. Regler:
Kostenwahrheit!)
Vorhin wurde über
die Lkw-Maut geredet. Hier gibt es dieses Pamphlet von der Bundeswirtschaftskammer
mit folgendem Wortlaut: Road Pricing ja, aber wenn es geht, ganz niedrig, ganz
moderat. – Natürlich verstehe ich diese Haltung der Interessenvertreter,
aber wir brauchen auch im Straßenverkehr ein wenig Kostenwahrheit. Wir wollen
den Autofahrern mit ihren Privat-Pkws nicht zumuten, dass sie die
ganze Latte zu zahlen haben und die Frächter mit einem blauen Auge
davonkommen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
16.34
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu Wort gelangt
nunmehr Herr Abgeordneter Walch. Wunschgemäß stelle ich die Uhr auf
5 Minuten. – Bitte.
16.35
Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr
Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ein Wort zu den Ausführungen
meines Vorredners. Kollege Eder, wenn du von Belastungen sprichst (Abg. Eder:
Wieso sind wir per du?), sage ich Folgendes: Ich bin jetzt 50 Jahre
alt. Als die SPÖ an der Regierung war, hat sie so viele Belastungen geschaffen,
dass man, glaube ich, ein 500 Seiten-Buch damit füllen könnte. (Beifall
bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Es ärgert die Opposition
natürlich, wenn ein Doppelbudget vorgeschlagen wird, das Ecken und Kanten hat.
Das hat man trotz wirtschaftlich schwieriger Lage in gemeinsamer Zusammenarbeit –
FPÖ und ÖVP mit dem Finanzminister, der ein Budget erstellt hat, das herzeigbar
ist – geschafft. Und noch dazu für zwei Jahre! Ich glaube, das haben seine
Vorgänger aus den Reihen der SPÖ, die ja meistens den Finanzminister gestellt
hat, selbst in guten Zeiten nicht zusammengebracht.
Zum Kollegen
Nürnberger noch eine Bemerkung, weil er mich heute darauf angesprochen hat,
dass ich bei der letzten Plenarsitzung gesagt haben soll: Lesen –
denken – sprechen! Er hat gesagt: Rechnen. – Ich würde ihn darum
ersuchen: Wenn man etwas berechnet, dann soll man vorher die Formel wissen.
Wenn etwas in Verhandlung ist, dann ist noch keine Formel ausgemacht. Daher
finde ich es unseriös und unfair, wenn man die Bevölkerung mit Rechenbeispielen
irritiert und sagt: So viele Abschläge wirst du haben!, wenn man noch gar nicht
weiß, wie hoch die Abschläge sein werden. – So viel dazu. (Beifall bei
den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Österreich
ist – Gott sei Dank! – trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten in der
glücklichen Lage, dass es mit 1. Mai 2003 nur 4,1 Prozent Arbeitslose
aufweist. Wenn man sich die Lage in anderen Ländern in Europa anschaut, können
wir noch von Glück reden.
Ich sage aber:
Jeder Arbeitslose ist einer zu viel. Trotzdem haben wir eine
Rekordbeschäftigung im Mai von über 3 155 000 Beschäftigten. Das ist
ja auch wichtig. Wenn man schaut, was in diesem Budget steht, muss ich sagen,
dass trotz der schwierigen finanziellen Lage in Österreich mehr Geld für
Bildung, Ausbildung, Wissenschaft, Forschung und vieles mehr ausgegeben wird.
Das wird in den nächsten zwei Jahren über 17 Milliarden € ausmachen;
damit investiert man in die Zukunft! Auch aus diesem Grund ist das ein
entsprechend gutes Budget.
Was mich, da ich
vom Baugewerbe komme, besonders freut, ist, dass in die Bautätigkeit investiert
wird. Der Wirtschaftsmotor in Österreich ist die Bauwirtschaft; wenn die
Bauwirtschaft lebt, dann leben alle damit in Verbindung stehenden Betriebe
auch. Dann wird dementsprechend investiert (Beifall bei den Freiheitlichen
und bei Abgeordneten der ÖVP) – ob das in Straßen, in die Bahn, in den
Hausbau oder in vieles andere mehr ist. Und das ist, so meine ich, sehr
positiv.
Aber auf eines bin ich schon besonders neugierig: Es wird ja nur von der Pensionsreform geredet. Ich bin schon neugierig auf die Sozialversicherungsreform (Abg. Eder: Habt ihr eh schon ruiniert!), denn in den Selbstverwaltungskörpern sitzen sehr viele Obmänner von den Sozialdemokraten und man hat ja gesehen, wie sie in den letzten Jahrzehnten gewirtschaftet ha-
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ben. (Abg. Reheis: Ihr habt
es ruiniert!) Die haben vom Wirtschaften nicht sehr viel Ahnung,
muss ich ganz ehrlich sagen, denn sonst würde nicht ein so hohes Defizit
aufscheinen. (Abg. Reheis: Die haben gut gewirtschaftet!)
Die
Bundesregierung hat jetzt den Selbstverwaltungskörpern den Auftrag erteilt,
einen Vorschlag zu machen, wie sie besser, effizienter und günstiger bei
gleich bleibender Leistung wirtschaften können. Jetzt bin ich schon neugierig:
Wer hat diese 16 Selbstbehalte in Österreich geschaffen? Ihr werdet doch
nicht sagen, die Freiheitlichen, oder? Das könnt ihr ja doch nicht behaupten! (Beifall
bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Niederwieser: Das war der
Gaugg!)
Ich bin außerdem
neugierig darauf zu sehen, wie viel Macht und wie viel Willen diese Leute dort
haben, denn sie sind ja die Geschäftsführer dieser Organisation beziehungsweise
dieser Versicherung und dazu verpflichtet, etwas zu tun. Ich möchte wissen,
welche Fähigkeiten sie aufweisen – so wie es jeden Tag in der
Privatwirtschaft passiert –, damit sie durchforsten, reformieren, auf
dem Markt konkurrieren können zu Gunsten der Mitarbeiter beziehungsweise der
Versicherten.
Dann schauen wir
einmal, wie viele Selbstbehalte abgeschafft werden, wie viel das dann weniger
kostet und wie sie dieses System retten können. Und wenn sie es nicht können,
dann muss halt wieder die Regierung von Schwarz und Blau eingreifen und wieder
einen entsprechenden Vorschlag machen.
Ganz zum Schluss.
Was ist geschafft worden? – Für Familien das Kindergeld, die „Abfertigung
neu“ und jetzt kommt die erste Etappe der Steuerreform. Ich habe von der SPÖ
noch nichts von einem Programm dazu gehört. Die erste Etappe der Steuerreform
erfolgt 2004. (Abg. Eder: Das spürt doch keiner!) Weiters ist die Angleichung von
Arbeitern und Angestellten wieder ein wichtiger Schritt.
Was die
1 000 € Mindestlohn betrifft, muss ich euch sagen: Hätten die
Sozialdemokraten, die Gewerkschaften besser verhandelt, dann wäre nicht ein so
geringer Kollektivvertrag für die Leute herausgekommen, dann gäbe es auch nicht
so viele Mindestpensionisten. Hätten Sie sich etwas mehr bemüht, dann würden
auch die Pensionen in Österreich anders ausschauen. – Danke. (Beifall
bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
16.40
Präsident Dr. Andreas Khol:
Als Nächste ist
Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger zu Wort gemeldet. Freiwillige
Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.
16.40
Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzter Herr Minister!
Vielleicht darf ich gleich eingangs mit einem leichten Missverständnis, das
offenbar beim Entwerfen der Budgetrede vorherrschte, aufräumen. Herr
Finanzminister, Gender Mainstreaming bedeutet nicht nur geschlechtsneutrale
Formulierung, und bei der geschlechtsneutralen Formulierung gibt es keine
Quotenregelung. Man darf nicht nur, sondern man soll sogar zu 100 Prozent
geschlechtsneutral formulieren, und nicht so wie es in Ihrer Rede nur am Anfang
der Fall ist. Gegen Ende hin überwiegen immer mehr die männlichen
Formulierungen. (Beifall bei den Grünen.)
Ich habe anfangs
angenommen: Das ist eben passiert, das war ein Versehen! – so wie es offensichtlich
in der Pensionsreform auf Grund der Sparregelungen, die man sich in der Regierung
vorgenommen hat, auch ist, bei der „zufällig“ – unter
Anführungszeichen – die Frauen ganz besonders draufzahlen. Wenn ich
allerdings die Budgetrede, die in schön gedruckter Form vorliegt und fast nicht
abweichend davon gehalten wurde, analysiere, so muss ich sagen: Es ist nicht
uninteressant, zu sehen, in welchem Kontext es weibliche Formulierungen gibt
und in welchem Kontext es nur männliche Formulierungen gibt.
Da gibt es natürlich einmal die Damen bei der Anrede „Meine Damen und Herren!“ – ganz korrekt! Dann gibt es die Formulierung „Österreicherinnen und Österreicher“, und zwar bevorzugt dann, wenn man sich bedankt, zum Beispiel für die Hochwasserhilfe. Im Bereich des Karitativen
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sind in den Formulierungen auch die
Frauen präsent. (Abg. Dr. Partik-Pablé:
Ihre Sorgen möchte ich haben!)
Spannend wird es
allerdings dann, wenn von den Bürgern die Rede ist. (Abg. Neudeck: Sind Sie Deutschlehrerin?) Da gibt es gerade
noch einmal die Bürgerin, allerdings nicht mehr in den Bereichen,
in welchen es auch darum geht, dass sie etwas bekommen. Zum Beispiel bekommen
nur die Bürger mehr Kaufkraft, die Bürgerinnen leider
nicht.
Arbeitnehmer,
Sozialpartner,
Bauern, Unternehmer,
die gibt es alle nur in der männlichen Form. Ältere Arbeitnehmer,
die von der Pensionsreform zum Beispiel betroffen sind, gibt es nur in der
männlichen Form, und vielleicht ist das die Erklärung dafür, dass Sie
behaupten, ältere Arbeitnehmer sind bei der Pensionsreform gar nicht so
schlimm betroffen – ganz klar, weil Arbeitnehmerinnen deutlich mehr
betroffen werden! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Großruck: Was sagen Sie zur Reform? Es heißt: die Reform!)
Offensichtlich ist
noch nicht einmal hier im Hohen Haus klar, was Gender Mainstreaming mit dem
Budget zu tun hat. Ich darf Sie aufklären, meine Damen und Herren von der
Freiheitlichen Partei und von der ÖVP: Wir sind – Nummer 1! – in
der EU, daher gibt es – Nummer 2! – eine Verpflichtung zum
Gender Mainstreaming. Und Gender Mainstreaming heißt: Bei allen Maßnahmen, die
eine Auswirkung auf die Bevölkerung haben, getrennt bei Männern und Frauen
darauf zu schauen und sicherzustellen, dass es zu einer Gleichbehandlung kommt.
(Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Das wäre auch
dringend erforderlich, denn dieses Budget – und die Budgetrede beschreibt
die Maßnahmen ja umfangreich – hat natürlich massive Auswirkungen auf
Männer und auf Frauen, und zwar unterschiedliche
Auswirkungen auf Männer und auf Frauen. Ich werde Ihnen das gerne
an einigen Beispielen erläutern.
Erstes
Beispiel – das haben wir schon des Längeren und Breiteren
diskutiert –: Die Pensionsreform mit dem Durchrechnungszeitraum von
40 Jahren wirkt sich natürlich absolut unterschiedlich auf Männer und auf
Frauen aus. Das wurde hier schon mehrmals deutlich ausgeführt.
Ein anderes
Beispiel: Arbeitsmarkt. – Es ist ja die neueste Mode, dass man nicht mehr
in relativen Zahlen, sondern in absoluten Zahlen ein Budget diskutiert und
Plus und Minus auch nicht immer ganz haarscharf trifft. Wir haben heute schon
oft gehört, dass die Beschäftigung in absoluten Zahlen gestiegen ist. Mich
würde einmal interessieren, was der relative Anteil der Teilzeitbeschäftigungen
ist. Ich weiß, dass Teilzeitbeschäftigte zum deutlich überwiegenden Teil Frauen
sind.
Mich würde
interessieren, ob Sie sich angeschaut haben, dass die Lohnsteuersenkungen natürlich
vor allem jenen mehr bringen, die mehr verdienen und daher mehr Lohnsteuer
zahlen. Diese werden mehr von einer Senkung profitieren. Und da
kann man plötzlich prozentuell rechnen, da wird nicht in absoluten Zahlen
gerechnet. Die Einkommensschere, die jetzt schon auseinander klafft, geht noch
weiter auseinander auf Grund der Maßnahmen, die diese Regierung trifft, obwohl
wir doch – der Herr Finanzminister müsste das eigentlich wissen, auch der
Herr Bundeskanzler – eine Verpflichtung zum Gender Mainstreaming haben,
und zwar im Rahmen der EU, und obwohl es auch eine Arbeitsgruppe gibt, die die
Regierung einsetzt und die sich anschauen müsste, wie sich das auswirkt. (Beifall
bei den Grünen.)
Detto kann man
sich das anschauen im Straßenbaubereich, auf dem Arbeitsmarkt, und gar nicht
direkt die klassische Frauenförderung.
Ich komme nun zum
Schluss meiner Rede. (Abg. Großruck:
Gott sei Dank!) – Dass die Männer das manchmal nicht so gerne hören,
wenn die „mittelalterliche Männerpolitik“ kritisiert wird, das verstehe ich
schon, da kann ich Ihnen aber nicht helfen, denn zuhören müssen Sie mir! (Beifall
bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Es wird entspannend,
wenn Sie aufhören!) So viele Rechte haben sich die Frauen zum Glück
erkämpft, zumindest in manchen Parteien.
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Die allgemeine
Annahme in diesem Budget ist: Es gibt nur ein Modell, es gibt nur eine Form von
Auswirkung – das ist das, was meine Kollegin Sburny heute schon treffend
als „mittelalterlich“ und männlich bezeichnet hat –, und für die Frauen
kann ich daher nur sagen, um in der Diktion des Herrn Finanzministers zu
bleiben: Dieses Budget ist ein großes Wasser – ganz ohne Fische! (Beifall
bei den Grünen.)
16.46
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu Wort gelangt nun
Herr Abgeordneter Neugebauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung:
5 Minuten. – Bitte.
16.46
Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr
Bundeskanzler! Herr Finanzminister! Meine geschätzten Kolleginnen und
Kollegen! Ich möchte nicht ins Detail gehen, sondern Grundsätzliches sagen:
Ich denke, dass wir alle der Auffassung sein können, dass dauerhafte Defizite
nicht nur schädlich für den Wirtschaftsstandort Österreich sind, sondern dass
auch die öffentlich Bediensteten als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma
Österreich an einem ausgewogenen Budget Interesse haben, denn sie haben in den
letzten Jahren und Jahrzehnten unter dem budgetären Druck nicht den
angemessenen Kuchen anschneiden können.
Der Herr
Finanzminister hat in seinem Bericht auch dem Kapitel „Verwaltungsreform“
wichtige Passagen gewidmet. Eine Verwaltungsreform stellt einen permanenten
Prozess dar. Ich erinnere an die inhaltliche Verknüpfung, die auch der Herr
Präsident des Rechnungshofes vorgenommen hat, nämlich, dass Verwaltungsreform
zunächst Aufgabenreform bedeutet. Ich wünsche dem Konvent alles Gute. Ich glaube,
dass er einmal gut starten kann, weil er überparteilich eingerichtet ist, mit
dem Ziel, Mehrgleisigkeiten zu verhindern.
Nachdem die
Bundesregierung nicht zufällig auch Arbeitgeber ist und wir in der
Sozialpartnerschaft mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienst die Verhandlungen
führen, dränge ich darauf, Herr Bundeskanzler, Herr Finanzminister, dass die
Fragen der Verwaltungsreform in den einzelnen Ressorts in Abstimmung, im
Gedankenaustausch mit den zuständigen Personalvertretungen behandelt werden.
Sie haben darauf
hingewiesen, dass beabsichtigt ist, 10 000 Bundesbedienstete
einzusparen. Als gelernter Österreicher weiß ich, wie das am Ende des Tages
aussieht. (Abg. Dr. Niederwieser:
Frühpension!) Ich möchte aber, meine Damen und Herren, die Aufmerksamkeit
darauf hinlenken, dass wir heute in vielen Bereichen am Ende der Fahnenstange
der personellen Ressourcen angelangt sind. (Beifall bei der SPÖ und bei
Abgeordneten der Grünen.)
Sie, Herr
Finanzminister, wissen selbst aus Ihrem Haus, wie notwendig es wäre,
qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusätzlich gewinnen zu können.
Auch die Kollegen aus dem Justizbereich, ob sie in der Verwaltung, im Bereich
der Wache oder im richterlichen Dienst tätig sind, sind am Ende der
Belastbarkeit. Es muss zu denken geben, wenn man etwa hört, dass heute der
Verwaltungsgerichtshof einen Aufarbeitungsstand des Jahres 1997 hat, weil
die personellen Ressourcen nicht ausreichend gegeben sind. Das ist nicht
allein die Schuld der Bundesregierung. Wir alle, liebe Kolleginnen und
Kollegen hier im Hohen Haus und in den Landtagen, produzieren Gesetze in einer
Flut, die in Wirklichkeit nicht mehr oder nur noch schwer bewältigbar ist. Wir
haben eine Regelungsdichte erreicht, die dem Rechtsstaat den Atem ausgehen
lässt.
Ich bitte, sich
all das auch dann bewusst zu machen, wenn wir zwar sagen, wir müssen großzügiger
sein, aber dann noch ein Thema entdecken, das wir gesetzlich abgedeckt haben
wollen. Da braucht es eine andere Kultur, die wir gemeinsam angehen sollten! (Beifall
bei der ÖVP.)
Ich bin ein leidenschaftlicher Sozialpartner, und das schließt aus, dass ich Sozialgegner bin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in der Sozialpartnerschaft in dieser Zweiten Republik, wenn auch von unterschiedlichen Positionen ausgehend, immer die schwierigsten Themen geschafft, und ich bin einigermaßen betroffen, dass die Bundesregierung das Angebot der großen Sozialpartnerschaft in der Causa prima nicht angenommen hat. Aber ich denke, jeder Tag
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beginnt neu (demonstrativer Beifall bei der SPÖ und den Grünen),
und man kann mit jedem Tag die Diskussion neu eröffnen.
Ich bin auch
Gewerkschafter aus Leidenschaft, und Leidenschaft impliziert, dass man seine
Sache deutlich artikuliert und auch deutlich vertritt. Gewerkschaftliche
Maßnahmen, wenn sie als notwendig erachtet werden – und die Geschichte der
Gewerkschaftsbewegung, da im Speziellen die gemessenen Streiksekunden in den
letzten Jahren, beweist, dass wir sehr verantwortungsbewusst damit umgegangen
sind –, können nicht im keimfreien Raum passieren. Das ist doch wohl
selbstverständlich.
Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Ich pflege eine Sprache, in der die Formulierung „Österreich
brennt“ nicht vorkommt. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Ich weiß auch,
liebe Freunde, dass es grundsätzlich nicht die Sprachkultur meines Kollegen
Fritz – Fritz zu Fritz – ist, was ihm heute hier „ausgekommen“ ist.
Er hätte eigentlich die Korrektur etwas rascher durchführen sollen. Aber
betroffen hat mich gemacht, dass Kollege Heinzl nach der sehr maßvollen
Korrektur des Vorsitz führenden Präsidenten Dr. Heinz Fischer am Schluss
gemeint hat: Aber eigentlich hat Verzetnitsch Recht gehabt! – Das habe ich
mit Bedauern registriert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
16.51
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist als Nächste
Frau Abgeordnete Bures. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.
16.51
Abgeordnete
Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr
Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr
Bundesminister Grasser, gestern nach Ihrer Budgetrede habe ich einen Anruf
bekommen, und da hat ein Herr, der ursprünglich einmal auch Ihr Wähler war, zu
mir gesagt: Herr Stronach hat sich sicher etwas dabei gedacht, als er KHG für
Marketing angestellt und ihm nicht die Konzernfinanzen anvertraut hat. –
Ich glaube auch, es ist gestern bei Ihrer Budgetrede deutlich geworden: Herr
Stronach hat Recht gehabt! Geld kann man Ihnen nicht anvertrauen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister
Mag. Grasser: Das glaube ich nicht!)
Sie haben nämlich
gestern kein Zukunftsbudget präsentiert – darüber haben wir heute schon
sehr viel diskutiert –, Sie haben hier ein unsoziales Schröpfbudget
präsentiert. Sie haben das mit sehr viel Schmäh vorgebracht – Sie sind ja
für Marketing zuständig –, aber ich kann Ihnen sagen: Von Ihrem Schmäh
können die Leute in Österreich leider nicht leben, davon haben sie nichts. (Beifall bei der SPÖ.)
Sie haben, wie bei
Ihrer letzten Budgetrede, zwar ein Budget vorgelegt, das wir jetzt in Händen
halten, aber in Ihrer Rede haben Sie von ganz anderen Dingen gesprochen, und
darin sind Sie ja Experte: Ihre Rede hat überhaupt nichts mit dem zu tun, was
wir an „kalten“ Zahlen und Fakten erhalten haben.
Schwarz auf weiß
steht, dass von 2004 bis 2007 rund 2 Milliarden € an Mehrbelastungen
auf die Menschen zukommen werden. Faktum ist, dass Sie zwar davon gesprochen
haben, dass Sie die größte Steuerreform der Zweiten Republik – wieder mit
sehr wohlgesetzten Worten formuliert – machen werden, eine Steuersenkung
für 2,4 Millionen Menschen erreichen werden, dass Sie aber verschwiegen
haben, dass Sie mehr als der Hälfte, nämlich weit mehr als einer Million
Menschen, „großzügig“ eine Steuerentlastung von weniger als 4 € pro Jahr
zubilligen. Das haben Sie verschwiegen!
Sie haben diesen
Menschen gegenüber auch verschwiegen, dass sie jetzt nicht einmal 40 Cent
im Monat – und das soll großzügig sein? – von Ihnen bekommen,
gleichzeitig aber höhere Benzinpreise und höhere Energieabgaben haben,
während gleichzeitig auch die Wohnkosten täglich steigen. Angesichts dessen
stellen Sie sich her und sagen: Steuersenkung: 4 € im Jahr! – Das ist
schäbig, Herr Bundesminister! (Beifall
bei der SPÖ. – Bundesminister Mag. Grasser: Ich habe nicht
gesagt 4 € pro Jahr!)
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Ich habe heute
anlässlich der Debatte um die Selbstbehalte schon gesagt: Sie sagen das eine,
tun aber das andere. Sie handeln nach dem Motto: Was interessiert mich mein
Geschwätz von gestern? Das sieht man: Sie kündigen an, dass es keine
zusätzlichen Schulden geben wird, aber das Gegenteil ist der Fall. Die Zahlen
zeigen es: 2003 plus 3,9 Milliarden €, 2004 plus 3,4 Milliarden €,
also insgesamt 7,3 Milliarden € mehr Defizit – und das Ganze
ohne Reformen, ohne Sicherung der Pensionen, ohne Sicherung unseres
Gesundheitssystems, ausschließlich mit Belastungen.
Wissen Sie, was
ich besonders peinlich gefunden habe, Herr Bundesminister? – Dass Sie gestern
gesagt haben: „Der Speck muss weg!“ – Sie richten den Österreicherinnen
und Österreichern aus: Benzin wird teurer, die Wohnungskosten steigen, ich
senke eure Steuern um 4 € im Jahr – bravo! –, aber der Speck
muss weg! (Bundesminister Mag. Grasser: Im Zusammenhang mit
der Verwaltungsreform habe ich das gesagt!) Doch der einzige Ort, wo Speck
vorhanden ist, ist diese Bundesregierung: Wir haben die größte Bundesregierung
aller Zeiten – da spielt es keine Rolle! –, und Abfangjäger sind
Ihnen auch nicht zu teuer. Da
ist der Speck, Herr Bundesminister! (Beifall
bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: So wie alles ist auch das falsch in
Ihrer Rede! – Abg. Murauer: Laut, aber falsch!)
Herr
Bundesminister! Sie haben gestern in Ihrer Rede auch gesagt – und wie
gesagt, das, was Sie gesagt haben, hat nichts mit dem Budget zu tun –,
diese Steuerreform werde Österreich „Flügel verleihen“. Sie werde den privaten
Konsum beflügeln, sie werde die Investitionen beflügeln und sie werde das Innovations-
und Wachstumstempo unserer Wirtschaft beflügeln.
Herr
Bundesminister, ich habe irgendwie den Eindruck, es gibt überhaupt nur einen,
der in dieser Bundesregierung Flügel hat, und das sind Sie. Diese
Bundesregierung insgesamt hat auch Flügel bekommen, sie hat die Bodenhaftung
verloren, denn sie hat keine Ahnung, was die Probleme und Anliegen der
österreichischen Bevölkerung sind. Sie haben die Bodenhaftung verloren und
Flügel bekommen, denn es wird leider weder etwas zur Belebung des Wirtschaftswachstums
gemacht noch werden Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gesetzt. Es
findet sich keine derartige Initiative in Ihrem Budget. (Beifall bei der SPÖ.)
Also alles in
allem kann man sagen: In Ihrem Budget, das ja die in Zahlen gegossene Politik
der Regierung ist, kommen keine Initiativen für mehr Beschäftigung und zur
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vor. Das wird nur schöngeredet. Es finden
sich darin keine Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur und zur Ankurbelung des
Wirtschaftswachstums. Wir vermissen wirkliche Reformen. Unter dem Strich kann
man sagen: Dieses Budget ist unsozial, verantwortungslos und
wirtschaftsfeindlich – und das haben Sie und diese Regierung zu
verantworten!
Abschließend ein
Appell an diese Regierung, vor allem an Sie, Herr Bundesminister und Herr Bundeskanzler –
auch Kollege Neugebauer hat das soeben hier formuliert –: Ich fordere Sie
auf, das Dialogangebot anzunehmen, das Gespräch wieder aufzunehmen, und zwar
mit allen Parteien, mit den Gewerkschaften, mit den Sozialpartnern, mit Herrn
Kollegen Neugebauer, mit der Kirche bis hin zum Bundespräsidenten, der schon
einen Appell an Sie gerichtet hat! (Bundesminister Mag. Grasser:
Glaubwürdigkeit fehlt Ihrer Rede!) Nehmen Sie den Dialog wieder auf, setzen
Sie den sozialen Frieden und den sozialen Zusammenhalt, mit dem Österreich groß
geworden ist, einen erfolgreichen österreichischen Weg, nicht mutwillig aufs
Spiel! (Beifall bei der SPÖ.)
16.57
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist als Nächster
Herr Abgeordneter Neudeck. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.
16.57
Abgeordneter
Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident!
Meine Herren Minister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wenn Kollegin Bures
so von gemeinsamem Vorgehen spricht und appelliert, miteinander zu sprechen,
dann muss man ihr schon ins Stammbuch schreiben: Streik ist nicht
das richtige Mittel, um mit jemandem zu sprechen oder zu
verhandeln! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Streik setzt man dann ein,
wenn man zu schwache Argumente hat.
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 117 |
Meine Damen und
Herren! Im Jahre 2000 präsentierte Finanzminister Grasser erstmals für das
Jahr 2002 ein ausgeglichenes Budget – damals für defizitgewohnte
SPÖ-Abgeordnete und Ex-Minister eine unerreichbare Utopie. (Abg. Eder: Er war einmal in eurer
Partei!)
Kollege! Er war
einmal in unserer Partei, er ist es jetzt nicht mehr. Er ist parteilos, aber
deswegen nicht farblos, wie Ihr es vielleicht glaubt. (Beifall bei den
Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Eder.) – Ich habe
gesagt, er ist nicht farblos, er ist parteilos. Du hörst schlecht, Kollege
Eder! Darf ich dich mit „Du“ anreden? Ich frage dich deshalb, weil du es Walch
verboten hast, obwohl er sagt, er ist bei der Gewerkschaft. Er hat gesagt,
unter Kollegen ist das bei der Gewerkschaft so üblich. Ich weiß nicht, wie
das bei euch ist. (Abg. Eder: Ich
bin nicht bei der Gewerkschaft!) – Ach so! Gut. Das ist kein Fehler.
Als dieses
Nulldefizit früher als vorgesehen eingetreten ist – man muss ehrlich
dazusagen: mit Hilfe der Bundesländer, der Wirtschaft, der Arbeitnehmer und auf
Grund positiver Wirtschaftsdaten –, ist dieser Erfolg der Opposition
auch nicht recht gewesen, obwohl gleichzeitig ihr Parteivorsitzender Gusenbauer
das Nulldefizit in den Verfassungsrang erheben wollte, aber das war anscheinend
nur eine kurzfristige Idee, zumindest hat er es damals in den Raum gestellt.
Damals wurde dem
Nulldefizit von den Oppositionsrednern sogar der weltweite Wirtschaftsabschwung
zugeordnet: Weil Österreich spart, weil Österreichs Bürger sparen, ginge
weltweit die Wirtschaft zurück. – Das war damals Ihren Reden zu entnehmen,
meine Damen und Herren von der Opposition.
Das für 2003 und
2004 vorgelegte Doppelbudget weist ein geringes Defizit auf, das den sich abzeichnenden
Wirtschaftsaufschwung unterstützen soll. – Plötzlich ist auch das wieder
nicht recht. Zuerst war das Nulldefizit nicht recht, jetzt ein leichtes
Defizit, um die Wirtschaft anzukurbeln, auch nicht. (Präsident Dr. Fischer
übernimmt wieder den Vorsitz.)
Österreich liegt
im europäischen, aber auch im internationalen Vergleich in den Statistiken entweder
im guten Mittelfeld oder in Top-Positionen. Dort, wo andere Länder besser sind
als Österreich, sind die Ursachen schnell geortet: Es wurde in guten
Wirtschaftsjahren gespart, und es wurde Geld in Forschung und Technologie
investiert. Nicht so in Österreich: Bei uns haben in guten Jahren
sozialdemokratische Kanzler und Minister über Jahrzehnte hinweg Defizite zu verantworten
gehabt. (Abg. Eder: Vizekanzler? Wer war denn das?) – Da hat
es keinen sozialdemokratischen gegeben. (Abg. Eder: Der
Schüssel! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Schüssel war sozialdemokratischer
Vizekanzler? – Ich habe gesagt, sozialdemokratische Kanzler und
Finanzminister. – Kollege Eder, lies nicht Zeitung, hör’ mir zu, dann
brauchst du nicht dazwischenzurufen! Hören, dann zwischenrufen!, hat heute
jemand gesagt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Von
sozialdemokratischen Kanzlern und Finanzministern waren über Jahrzehnte
Defizite zu verantworten; Geld, das in die verstaatlichte Industrie gepumpt
wurde, um jedenfalls vordergründig – und ich sage, nur
vordergründig – Arbeitsplätze zu sichern. Nachhaltig war das damals
nicht. (Zwischenruf des Abg. Eder.)
Milliarden
Schulden aus dieser Zeit engen das Budget von heute ein. Trotzdem macht zum
Beispiel der Vergleich mit Deutschland, einem unserer größten Handelspartner,
sicher: Rot-Grün ist keine Alternative, sondern eine Gefahr für
die Wirtschaft, den sozialen Frieden und den Wohlstand für alle Altersgruppen!
Meine Damen und
Herren von der SPÖ! Diese Regierung entlastet die Wirtschaft zum Beispiel durch
die Abschaffung des 13. Umsatzsteuertermins. Sie setzen alles daran, um
diese Entlastung für die Wirtschaft mit Streiks wieder zunichte zu machen. (Beifall
bei den Freiheitlichen. – Abg. Marizzi: Stimmt ja gar nicht! Das
ist komplett falsch, was du sagst! Du hast gar nicht begriffen, worum es geht!)
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 118 |
17.03
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr
Abgeordneter Brosz. – Bitte.
17.03
Abgeordneter
Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr
Finanzminister! Herr Wirtschaftsminister! Ich habe mir bei der gestrigen
Budgetrede – abgesehen von den mittlerweile schon mehrfach erwähnten,
interessanten und trickreichen Berechnungen, insbesondere was das Wissenschafts-
und Bildungsbudget betroffen hat – einige Male gedacht: Ja, da kommt jetzt
die Ideologie doch ganz gut durch. – Darauf wurde in der Debatte ein
bisschen zu wenig hingewiesen.
Ich habe zum
Beispiel mit Interesse gelesen, dass Sie Ihre Dissertation zum Thema Senkung
der Abgabenquote bis 2010 auf 40 Prozent oder auf unter 40 Prozent
schreiben.
Oder: Auf
Seite 6 im schriftlichen Exemplar Ihrer Budgetrede schreiben Sie, und Sie
haben es hier auch tatsächlich gesagt – ich zitiere –:
„Wer Armut wirksam
bekämpfen will, ... der muss unsere Unternehmen von Fesseln und Belastungen
befreien und ein Klima schaffen, in dem sich Leistung für den Einzelnen wieder
lohnt. Wir wollen daher weniger Staatseinfluss und mehr Markt.“
Ich meine, das
kennt man aus der aktuellen Diskussion. Man weiß, wo das ideologisch zuzuordnen
ist. Aber insbesondere im Zusammenhang mit Armutsbekämpfung hat das schon eine
neue Qualität. Als Gesamtausrichtung habe ich das schon öfter gehört, aber bei
der Armutsbekämpfung ist das ungewohnt, weil wir genau wissen, wo Armut
auftritt.
Wenn ich mir
anschaue, wie sich etwa diese Pensionsreform insbesondere bei den Mindestpensionisten
auswirken wird, dann muss ich sagen, wir wissen doch genau, dass dort die
Armutsfalle immer mehr aufgeht.
Die Antwort, dass
quasi die Unternehmen für die dann 65- oder 70-Jährigen offenbar
den Ausgleich schaffen sollen, die ist, so denke ich, schon mehr als
neoliberal, oder wie immer man das bezeichnen mag. So ist diese Ideologie in
meinen Augen zu werten. Daher meine ich, in den nächsten Jahren, solange Sie am
Ruder sind, kann ja noch einiges an Merkwürdigem in unserem Land passieren.
Auf Seite 20
gibt es eine ähnliche Passage. Darin heißt es: „Hohe Steuern sind ein Zeichen
des Wohlfahrtsstaates alter Prägung.“ – Und weiter: „Steuern senken heißt
Freiheit schenken!“
Ich habe von Ihnen
auch wörtlich gehört, dass Sie im Gesundheitssystem auch deshalb für
Selbstbehalte eintreten, weil Selbstbehalte nicht der Abgabenquote unterworfen
sind und sich das somit steuerlich einfach besser auswirkt.
Aber wenn man sich
die Realität anschaut, dann sieht man eben, wie unterschiedlich sich Beiträge
und Abgaben beziehungsweise Selbstbehalte auswirken. Selbstbehalte werden nur
von jenen bezahlt, die krank sind, die betroffen sind, während eine
solidarische Finanzierung immer bedeutet, dass es eine Risikoverteilung
gibt. Und von dieser halten Sie, glaube ich, in der Budgetpolitik relativ
wenig.
Ich muss sagen,
ich sehe das doch mit sehr gemischten Gefühlen. Ihre ersten Budgetreden haben
zwar mehr plakative Sätze enthalten, aber Ihre Ideologie, die jetzt
durchbricht, war so deutlich noch nie spürbar. Ich glaube, dass sich dieses
Land auf einiges gefasst machen kann, wenn Sie hier noch lange Zeit fuhrwerken
dürfen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenbemerkung von
Bundesminister Mag. Grasser.)
Aber kommen wir
zum Bildungsbudget zurück, zu dem Sie in meinem Rücken jetzt gemeint haben,
dass dies schon dem Haushaltsrecht entspricht. – Es hat bestimmt niemand
behauptet, dass Sie hier in den Budgetteilen falsch verbuchen. Das mag schon so
sein. Dass Ihre Äußerung dazu dem Haushaltsrecht entspricht, dass nämlich die
Ausgaben auf über 9 Milliarden € steigen werden, ist formal auch noch
korrekt.
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 119 |
Aber ich stelle
Ihnen schon die Frage: Wissen Sie, wie die OECD die Bildungsausgaben bemisst? –
Da werden nämlich auch nur die Ausgaben bemessen. Ich frage mich jetzt: Welche
Daten übermittelt Österreich der OECD? Werden der OECD in Zukunft ebenfalls
diese plus 800 Millionen € übermittelt, und heißt es dann auf einmal,
dass Österreich seine Bildungsausgaben im Vergleich drastisch gesteigert hat,
weil nämlich die Universitäten dort mit einem massiven Anstieg ausgewiesen
sind?
In diesem Fall
kann ich mir schon vorstellen, was der nächste OECD-Bericht 2004 ergeben wird,
ohne dass sich substanziell etwas geändert hat. Wenn Sie von der Bereinigung
durch die OECD reden, dann wissen Sie so gut wie ich, dass die Daten von den
Ländern übermittelt werden, und zwar nach den Kriterien, die vorgegeben sind.
Im Übrigen hieß es
doch, die Studiengebühren kommen zur Gänze den Universitäten zugute. 2001, im
Jahr der Einführung der Studiengebühren: 1,656 Milliarden € Budget. Dann,
2002, gab es eine Steigerung um 81 Millionen €, und jetzt, 2003, eine Senkung
um 107 Millionen €.
Das heißt, wir
haben jetzt eine Universitätsfinanzierung, die unter dem Niveau
der Zeit vor der Einführung der Studiengebühren liegt. Das heißt also, dass
das, was auch gesetzlich vorgesehen ist, nämlich dass diese Mittel komplett
einfließen, einfach nicht eingehalten wird, weil nämlich auf der anderen Seite
das Budget gekürzt wird. Das ist eine Form einer Finanzpolitik, die schon sehr
„interessant“ und „kreativ“ erscheint. (Beifall bei den Grünen.)
Letzter Punkt,
ähnliche Qualität: Stundenkürzungen im Schulbereich. Da muss ich sagen, ich habe
mich lange Zeit davon blenden lassen, dass ich mir gedacht habe, okay, wenn das
Ministerium die Daten liefert und die OECD vergleicht, dann wird da schon
einiges dran sein.
Man kommt dann,
wenn diese Maßnahmen geplant sind, auch dazu, dass man sich das im Detail
näher anschaut. Wenn man das nachrechnet, dann sieht man, leicht errechenbar,
dass Österreich einfach falsche Daten geliefert hat und wir bei den Stunden de
facto geringfügig über dem OECD-Durchschnitt liegen, mit dieser Kürzung
mittlerweile darunter.
Über all das
könnte man noch diskutieren, wenn es eine pädagogisch sinnvolle Reform wäre,
wenn es darum gehen würde, sinnvollerweise endlich davon wegzukommen, dass es
in Österreich sehr wenig an Fördermaßnahmen gibt, dass es sehr wenig an
zusätzlichen Angeboten gibt, dass insbesondere schwächere SchülerInnen zu
wenige Angebote bekommen. – Aber all das passiert nicht. Es soll eine
strikte Kürzung, eine strikte Streichung sein.
Schauen wir uns im
internationalen Vergleich an, wie sich das auswirkt! Das ist auch etwas konkreter,
denn die PISA-Studie ist bei weitem nicht so leicht fälschbar wie das, was an
Daten vom Ministerium bei den Finanzdaten geliefert worden ist. Da werden wir dann
sehen, ob das insbesondere in den Bereichen Fremdsprachen, in den Bereichen
Naturwissenschaften – nächster Schwerpunkt der PISA-Studie –
Auswirkungen haben wird.
Ich bin schon
gespannt, was die Bildungsministerin dann sagen wird. Dann wird Österreich nicht
mehr „Weltklasse“ und „Europaklasse“ sein, und vielleicht ist das endlich
einmal die Chance, dass man in Österreich davon wegkommt, die Bildungspolitik
in erster Linie als Sparverein anzusehen! (Beifall bei den Grünen.)
17.09
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau
Abgeordnete Fuhrmann. Ich erteile ihr das Wort.
17.09
Abgeordnete
Silvia Fuhrmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Mein Redebeitrag
betrifft – wie kann es anders sein? – auch die Frage der
Pensionssicherung. Ich als junge Abgeordnete unterstütze diese Reform aus einem
einzigen Grund: weil mir weniger Pension noch immer lieber ist
als gar keine. Und wenn wir nichts unternehmen würden, dann
wäre das der Fall. (Beifall bei der ÖVP.)
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 120 |
Mit dem Bekenntnis
von uns jungen Menschen zum Drei-Säulen-Modell, das heißt, auch privat vorzusorgen,
ist ein großer Schritt in Richtung Solidarität unsererseits getan. (Abg.
Dipl.-Ing. Pirklhuber: Wer hat das Geld dafür?!) Privatvorsorge
im Sinne der dritten Säule ist auch Kapital, das man sich selber auf die Seite
legt, was bisher nicht notwendig gewesen ist. (Abg. Dr. Puswald:
Das haben wir schon so oft gehört! Das wird nicht besser!)
Wenn ich mir
anschaue, dass die durchschnittliche Ausbildungsdauer um drei Jahre angestiegen
ist – wir haben es heute schon einmal gehört –, die Erwerbstätigkeit
um sechs Jahre kürzer und die Zeit der Pension um zwölf Jahre länger dauert,
dann ist es eigentlich seitens der älteren Generation nicht solidarisch, das muss ich festhalten, wenn nur
3 Prozent der älteren Bevölkerung tatsächlich im gesetzlichen
Pensionsantrittsalter in Pension gehen. Und wenn der Anteil der 55- bis
64-jährigen Beschäftigten bei nur 28,6 Prozent liegt, dann ist das
eigentlich auch nicht sonderlich fair. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Wenn ich mir
ausrechne, was passieren würde, wenn wir in diesem Bereich nichts verändern würden,
dann stelle ich fest, dass im Jahr 2030 ein Vertreter meiner Generation
einen Pensionisten erhalten müsste und dies zirka 30 bis 40 Prozent des
durchschnittlichen Einkommens ausmachen würde. Wenn ich dann noch die
Krankenversicherung, Steuern und sonstige Abgaben, den öffentlichen Dienst et
cetera dazurechne, dann stelle ich fest, es würden zwei Drittel des Einkommens
sozusagen verjausnet werden, das heißt, mir bliebe nur ein Drittel
übrig, und spätestens dann würden der Generationenvertrag und die
Generationensolidarität kippen. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Generation
würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und zur jetzigen Debatte hinzufügen,
dass wir uns viel höhere und sogar von manchen vielleicht als gravierend
empfundene – was ich verstehen kann – Solidarbeiträge der derzeitigen Pensionisten
erwarten würden! Das möchte ich hier auch betonen.
Ein weiterer
Punkt, der mir Sorge bereitet, ist nicht, ob ich in Zukunft eine Pension
erhalten werde oder nicht, sondern vielmehr auch die Frage, welche
Auswirkungen diese Situation auf Österreich hat.
Man muss
feststellen, dass Nachbarstaaten und nordische Staaten die Reformen, die wir
jetzt machen, bereits vor zehn Jahren durchgeführt haben, was zur Folge
hatte, dass dort vom Staat viel weniger Geld in die Pensionen fließt. Daher
gibt es dort auch viel mehr Freiraum, um in andere Dinge zu investieren, etwa
in Forschung und Entwicklung. Das ist auf lange Sicht auch eine Frage des
Arbeitsmarktes, eine Frage des Wettbewerbs, der Konkurrenzfähigkeit, und letztendlich
auch eine Frage der Arbeitsplätze. Darum mache ich mir als junger Mensch
derzeit Sorgen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Marizzi: Ja, ja! 40 Prozent weniger Pension!)
Das heißt, diese
Reformen sind zu unterstützen, verbunden mit einem Punkt, der Gott sei Dank
auch im Regierungsprogramm festgehalten ist; ich darf sagen, dass er auch von
meiner Seite eingebracht wurde. – Es geht um die Forderung nach einer
Umverteilung der LebensverdienstSumme, denn aus zwei Gründen ist das
entscheidend:
Auf der einen
Seite ist das Senioritätsprinzip im Gehaltschema generell nicht passend, weil
hohe Investitionen zu Beginn
des Erwerbslebens getätigt werden: In dieser Zeit wird Eigentum geschaffen,
werden Familien gegründet, und nicht
kurz vor der Pension!
Das derzeitige
Gehaltschema zeigt aber, dass die höchsten Gehaltsprünge vor der Pension passieren,
und nicht zu Beginn des Erwerbslebens. Das ist eine völlig falsche Einschätzung
der Lebenssituation. Eine Umverteilung der Lebensverdienstsumme ist deshalb
mehr als notwendig, auch aus dem Grund, weil, wenn man privat vorsorgen muss,
auch etwas vorhanden sein muss, das man auf die Seite legen kann, um es
anzusparen.
Ich fordere hier
auch die Sozialpartner auf, in der Privatwirtschaft – im öffentlichen
Dienst ist es ja einfach zu lösen –, im Sinne einer neuen
Kollektivvertragsregelung Verhandlungen aufzunehmen.
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 121 |
Abschließend
möchte ich noch etwas anmerken, auch gerichtet an die Gewerkschaften in Bezug
auf den Streik. Ich habe sehr viele E-Mails von Schülern bekommen, die besorgt
darüber sind, Probleme mit der Matura zu bekommen, und zwar aus einem einzigen
Grund:
In einem E-Mail
heißt es – ich zitiere –: Ich persönlich hatte das Glück, mit den ÖBB
von Tulln aus bis nach Heiligenstadt zu kommen, von dort aus zu Fuß weiter in
die Schule. Meine Wiener Klassenkollegen hatten es nicht so leicht. Drei
Kollegen, die in der Nähe von Perchtoldsdorf wohnen und normalerweise über die
Haupteinfallstrecke nach Wien kommen, haben die Lösung des Problems, der
Streiks, darin gesehen, vor dem Schulgebäude zu campieren und auf Parkbänken
zu schlafen. – Zitatende.
Ich glaube nicht, dass das die
geeignete Vorbereitung auf eine Matura ist! Ich glaube, dass man den Jungen
keine Steine in den Weg legen sollte. (Beifall bei der ÖVP.)
17.15
Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Parnigoni. Gleiche Redezeit. –
Bitte.
17.15
Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Mit Glück hat sich jetzt noch Herr Minister Bartenstein aus der
Ecke hervorgeschwindelt, sonst hätte man ja sagen müssen: Wir haben die
zweitgrößte Regierungsmannschaft seit vielen, vielen Jahrzehnten – und
kein einziger Regierungsvertreter findet es der Mühe wert, auf der Regierungsbank
zu sitzen. Das ist die „Achtung“, die Sie diesem Parlament
entgegenbringen! (Beifall bei der SPÖ.)
Dass nicht einmal
der Herr Staatssekretär oder der Herr Finanzminister Zeit finden, diese Debatte
hier mitzuverfolgen, ist schon eine gewaltige Missachtung dieses Parlaments. (Unruhe
im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)
Meine Damen und
Herren! Zu den Ausführungen meiner Vorrednerin, der Kollegin Fuhrmann, möchte
ich nur anmerken, dass sie leicht reden kann. Sie kommt ja aus einem begüterten
Fami-lienverband, es gibt ein großes Weingut bei ihr zu Hause. Das ist kein
Vorwurf – aber da kann man leicht über die Privatvorsorge reden. (Widerspruch
und Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Da kann man leicht
über die Privatvorsorge reden. Da kann man leicht darüber reden, wie man sich
die dritte Säule leisten kann, meine Damen und Herren. Die große Masse der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist nicht in der Lage, große
finanzielle Mittel aufzubringen, um sich diesem unsicheren Instrument
anzunähern.
Wir alle
wissen – auch Sie wissen das, meine Damen und Herren von der ÖVP –,
dass gerade die Erträge der Zusatzpensionen aus diesem Bereich der so genannten
dritten Säule von den schwankenden Aktienmärkten abhängig sind. Und wir haben
ja heute viele Beispiele dafür gehört, wie diese Erträge dramatisch
zurückgehen können.
Daher kann ich nur
hoffen, dass Kollegin Fuhrmann für eine Minderheit der jungen Generation gesprochen
hat und dass die anderen Menschen darauf setzen, dass der Staat seine Verpflichtung
in diesem Bereich wahrnimmt.
Meine Damen und
Herren! Kollege Neudeck hat gemeint, Streik, das sei so eine Sache, das stehe
den Arbeitnehmern in dieser Frage nicht zu. Der Herr Finanzminister hat
gemeint, er werde „Freiheit schenken“. – Ich kann Ihnen versichern, die
Arbeitnehmer in dieser Republik werden sich die Freiheit nehmen
und sich diese nicht schenken lassen! Sie werden sich die Freiheit
nehmen und für ihre Anliegen demonstrieren, wann immer sie glauben, dass es
notwendig ist! (Beifall bei der SPÖ.)
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 122 |
Dritter Punkt: Der
Herr Finanzminister hat den Begriff der Glaubwürdigkeit in der Politik sehr
stark strapaziert. – Ich möchte auch die Glaubwürdigkeit der betroffenen
Politiker, nämlich des Herrn Finanzministers und des Herrn Staatssekretärs,
näher beleuchten und hinterfragen.
Der Herr
Finanzminister hat im Juni 2000 einen Brief geschrieben, der wie folgt
beginnt – ich zitiere –:
Sehr geehrter Herr
Oberst! Wie ich wiederholt Gelegenheit hatte, zu versichern, besteht keine
Veranlassung, die Zollwache in das Innenressort zu verlagern. Vielmehr halte
ich es auf Grund der auf Österreich zukommenden Veränderungen mit dem Beitritt
der osteuropäischen Länder zur Europäischen Union für geboten, sie auch
vermehrt in die Bekämpfung des allgemeinen Steuerbetrugs unterstützend
einzubinden und die Zollwache zu einer Zoll- und Finanzwache weiter zu
entwickeln. – Zitatende.
Hoch interessant
diese Aussage, kann ich Ihnen nur sagen!
Es folgte etwas
später eine Stellungnahme des Herrn Staatssekretärs Finz; den Zeitpunkt dieses
Schreibens werden Sie gleich erraten können.
Finz
schreibt – ich zitiere –: Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der
Zollwache! Eine moderne Zoll- und Finanzwache ist neben der Steuer- und der
Zollverwaltung eine der drei wichtigen Säulen im Bundesministerium für
Finanzen, und sie ist daher als eigenständiger Wachkörper unverzichtbar. Eine
Verlagerung dieses modernen und effizienten Instruments in ein anderes Ressort
ist weder beabsichtigt noch Bestandteil eines Programms der ÖVP. –
Zitatende. (Abg. Dr. Niederwieser: Wann war das?)
Meine Damen und
Herren! Wie wird er das erfüllen, der Herr Staatssekretär Finz? – Seit
1. Mai, also seit ein paar Tagen, ist dieser gesamte Bereich mit über
2 000 Beamten nämlich Bestandteil des Innenministeriums.
(Ruf bei der SPÖ: Öha!)
Meine Damen und
Herren! Was haben der Herr Staatssekretär und der Herr Finanzminister in
Wirklichkeit getan? Sie haben – wie sagt man? – eine Unwahrheit
gesagt. Sie haben bewusst die Unwahrheit gesagt. Und im Duden
steht: Eine bewusste Unwahrheit ist eine Lüge.
Meine Damen und
Herren! Sie selbst können sich also ein Bild davon machen, wie die Glaubwürdigkeit
des Finanzministers sowie des Staatssekretärs in diesem Bereich aussieht. Diese
„Glaubwürdigkeit“ zieht sich durch viele Maßnahmen in diesem Budget, und ich
bin davon überzeugt, dass sich die Bevölkerung diese Dinge sehr klar in
Erinnerung rufen wird.
Ich brauche gar
nicht mehr zu sagen, denn es bröckelt schon gewaltig in der ÖVP. Herr Halbmayr,
Vorstandsdirektor der Post AG, zieht sich zurück – ein sehr tüchtiger
Manager, möchte ich sagen – mit der Bemerkung, er könne diese Politik, den
Verkauf der Post AG nicht mehr mittragen. Der Chef der
Lehrergewerkschaft, vom ÖAAB, zieht sich zurück, weil er diese Politik der ÖVP
nicht mehr mittragen kann. – Meine Damen und Herren von der ÖVP! Sie sind
auf dem besten Weg! Glück auf für die nächsten Wahlen, da werden Ihnen nämlich
die Wähler davonlaufen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der
Grünen.)
17.21
Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Wort
zu einer tatsächlichen Berichtigung
wünscht Frau Abgeordnete Fuhrmann. Redezeit: 2 Minuten. Ich bitte, den zu
berichtigenden Sachverhalt und den tatsächlichen Sachverhalt präzise
wiederzugeben. – Bitte.
17.21
Abgeordnete Silvia Fuhrmann (ÖVP): Ich zitiere Abgeordneten
Parnigoni, der in seinen Ausführungen behauptet hat, ich komme aus einer
begüterten Familie und meine Eltern haben ein großes Weingut. – Das ist
falsch!
Richtig ist, dass
mein Vater Angestellter ist und meine Mutter Hausfrau.
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 123 |
Aber darüber
hinaus: Die Eigenvorsorge soll nicht eine Frage der Klassen sein. Ich verbitte
mir diesen Klassenkampf, der hier initiiert wird. (Beifall bei der ÖVP und
den Freiheitlichen.)
17.22
Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Fuhrmann, der
erste Teil war völlig in Ordnung, ein zweiter Teil wird in der Form nächstes
Mal nicht mehr vorkommen.
Nächster Redner
ist Herr Abgeordneter Wittauer. – Bitte.
17.22
Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident!
Herr Minister! Hohes Haus! Kollegin Weinzinger macht sich in Bezug auf das
Budget Gedanken darüber, ob Weiblichkeit darin enthalten ist, ob es „Beamter“
oder „Beamtin“ heißt. – Ich möchte Ihnen sagen, auch in der Bundeshymne
heißt es „Heimat bist du großer Söhne“ – schreiben wir da auch „Schwestern“
dazu? (Beifall bei den Freiheitlichen.) „Einig laß in Bruderchören“ –
schreiben wir da auch „Schwester“ dazu? Ich bin durchaus dazu bereit, mit
Ihnen eine Diskussion darüber zu führen, aber heute reden wir über das Budget,
also bleiben wir beim Budget. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Der
Budgetvoranschlag dieser Regierung für die Jahre 2003 und 2004 zeigt, dass
es für uns ein wesentlicher Faktor ist, den Wohlstand in Österreich zu sichern
und damit zukunftsorientiert und verantwortungsvoll auch für die nächsten
Generationen umzugehen. Soziale Standards, die Sicherung des
Gesundheitssystems und auch der soziale Frieden für die Zukunft stehen für uns
im Mittelpunkt. (Zwischenruf bei der
SPÖ.) – Wo Ihr Mittelpunkt ist, wissen wir: auf der Straße und nicht
hier herinnen im Parlament. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Auch in
schwierigen Zeiten wie diesen, in denen die Konjunktur angeschlagen ist, wird
diese Bundesregierung zeigen, wie verantwortungsvoll sie Politik umsetzt. Wir
stellen die Menschen in diesem Land, die uns gewählt haben, in den Mittelpunkt,
und wir gehen mit ihnen so um, wie es ihnen zusteht: verantwortungsvoll,
zukunftsorientiert – sowohl für die Menschen als auch für unser Land.
Für die
Landwirtschaft wird das 3-Milliarden-€-Paket voll umgesetzt. Vor allem für
unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft und für den Konsumenten ist dies eine
unglaublich wichtige Maßnahme. Die Qualitätssicherung unserer Produkte bleibt
erhalten, das umweltbewusste Vorgehen in unserer Landwirtschaft wird
gesichert. Auch das ist eine Leistung für die Menschen und unsere
Lebensqualität.
Auch für
Umweltmaßnahmen werden die vorgesehenen Budgetmittel von 2004 bis 2006 von
30 Millionen € auf 90 Millionen € aufgestockt, um die
Erreichung des Kyoto-Ziels anzustrengen. Eine intakte Umwelt ist auch eine
Voraussetzung dafür, die Lebensqualität in unserem Land sicherzustellen.
Der Erfolg der
bisherigen Politik dieser Regierung gibt uns Recht: Wir haben die drittniedrigste
Arbeitslosenrate in Europa, die Jugendarbeitslosenrate ist niedriger als im
restlichen Europa. Die Gefahr für ältere Arbeitnehmer, arbeitslos zu werden,
wird durch spezielle Maßnahmen so gering wie möglich gehalten. In diese
Maßnahmen werden heuer 4 Millionen € investiert. – Auch dafür
können wir dieser Regierung ein Dankeschön sagen.
Meine Damen und
Herren! Die Menschen erwarten sich von uns – und dafür sind wir
schließlich gewählt worden –, dass wir nicht nur Visionen haben, sondern
sie auch umsetzen. Trotz des Zieles eines Nulldefizits, das auch weiterhin
unser Ziel bleiben wird, kann in einer weltwirtschaftlich schwierigen Lage,
eben um der Wirtschaft zu helfen, ein kleines Budgetdefizit in Kauf genommen
werden. Das Ziel, bis 2006 wieder ein Nulldefizit zu erreichen, wollen wir
natürlich nicht aus den Augen verlieren.
Ich habe die Ausführungen des Herrn Kollegen Cap heute Vormittag sehr genau verfolgt. Ich hatte den Eindruck, sein Auftritt glich mehr dem eines Marktschreiers und war mit Halbwahrheiten gespickt. – Verschonen Sie die Zuschauer und uns damit! Wahr ist: Die Sozialdemokraten haben es geschafft, in 30-jähriger Regierungszeit sage und schreibe 162 Milliarden € an
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Schulden
anzuhäufen. Das bedeutet pro Jahr 7 Milliarden € an Zinsbelastung.
Sie haben es geschafft, bis in die neunziger Jahre jedes Jahr ein
Budgetdefizit von über 5 Prozent zu beschließen.
Ich vermisse bei
der Opposition die Verantwortung für die Menschen in unserem Land. Dialogbereitschaft
ist bei Ihnen nicht gefragt, Mitarbeit wird boykottiert – Schlechtreden
führt aber nicht zum Erfolg! Nehmen Sie Ihre Verantwortung für Österreich und
die Menschen in diesem Land wahr! Angstmacherei und Verunsicherung sind nicht
die Grundlagen für eine gute Politik.
Ich persönlich bedanke
mich im Namen vieler Menschen vor allem bei unseren freiheitlichen
Regierungsmitgliedern unter der Führung von Vizekanzler Herbert Haupt dafür,
dass in diesem Doppelbudget 2003/2004 die Qualität der freiheitlichen
Politik für die Menschen in unserem Land umgesetzt wurde. (Beifall bei den
Freiheitlichen und der övp.)
17.26
Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete
Mandak. – Bitte.
17.27
Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Herr Präsident! Hohes
Haus! Frau Kollegin Fuhrmann, Sie sagen, lieber diese Pensionsreform als gar
keine. Ich möchte Sie dazu ermuntern, nicht schon jetzt zu resignieren. (Beifall
bei den Grünen und der SPÖ.)
Wenn man nach
30 Jahren politischer Arbeit resigniert, dann ist das nachvollziehbar.
Resignieren Sie nicht, setzen Sie sich für die bestmögliche Variante ein, das
aber ist diese Pensionsreform nicht! Sie wissen das, ich weiß es, wir wissen
es. Setzen Sie sich für das Bessere ein! (Beifall bei den Grünen.)
Heute war schon
viel von Angstmacherei die Rede. (Abg. Steibl: Das machen Sie auch, das ist
die Arbeit der Opposition!) Nun, Angst machen muss man überhaupt nicht,
aber man kann feststellen, und ich als Familiensprecherin der Grünen stelle
fest, dass auch im kommenden Jahr in Österreich weiterhin Familiensilber
verscherbelt werden wird. Die größte Verscherbelungsaktion hat ja leider schon
stattgefunden. Die wertvollsten Stücke – ich erinnere an Pretiosen wie
etwa die Austria Tabak, ein Goldesel – hat man schon verkauft. (Abg. Schweisgut:
Was hat das mit einer Familiensprecherin zu tun?) Jetzt geht es darum,
61 000 Bundeswohnungen zu verkaufen, und das weit unter ihrem Wert. (Bundesminister Mag. Grasser: Nein, nicht unter ihrem Wert!)
Es geht nur darum, dass Sie, Herr Minister, Geld in Ihre Kassa bekommen. Da
geht es um jeden Cent, und das ist genau das Geld, das den Wohnungsuchenden
beziehungsweise für den Wohnungsbau in Österreich in Zukunft fehlen wird.
Sie sagen, der
Staat – ein schlechter Unternehmer, wie Sie ihn sehen – soll sich
ganz aus dem Wohnungsbereich zurückziehen. Das ist Ihre Ideologie, die
dahinter steht. Was ist die Alternative? – Die Alternative ist, dass der
Wohnungsmarkt Immobiliengesellschaften überlassen wird, die natürlich unter
Gewinnmaximierung versuchen, diese Wohnungen zu vermieten. Und das ist nicht
das, was wir uns unter einer Sozialpolitik in Österreich vorstellen, meine
Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)
Wir stehen dazu,
dass der Staat auch im Wohnungsbereich Verantwortung übernimmt, sich auch um
jene kümmert, die sich keine Eigentumswohnungen leisten können, die keine hohen
Mietbeiträge zahlen können und die bisher immer im Bereich der gemeinnützigen
oder staatlichen Wohnungen günstige Wohnungsmöglichkeiten gefunden haben.
Entziehen Sie nicht diese Wohnungsmöglichkeiten, Herr Minister!
Der zweite Teil des Familiensilbers ist der Wohlfahrtsstaat Österreich. Der Wohlfahrtsstaat Österreich war immer ein Qualitätsmerkmal für diesen Staat, aber auch hier wollen Sie radikal abräumen. Sie haben in Ihrer Budgetrede gestern gesagt, dass der Wohlfahrtsstaat abgeschafft werden soll, haben sich ganz klar dazu bekannt. (Bundesminister Mag. Grasser: Ich habe gesagt: der Wohlfahrtsstaat alter Prägung!) Der Wohlfahrtsstaat alter Prägung – das ist der Wohlfahrtsstaat, wie wir ihn kennen. Ich stehe zu diesem Wohlfahrtsstaat, aber ich weiß, Sie haben andere Ziele. Sie glauben, wenn Sie Steuern senken, dann heißt das, Freiheit schenken. Das
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klingt irrsinnig gut und
reimt sich sogar. Wir fragen uns aber: Freiheit für wen? Wem bringt denn das
die viel gelobte Freiheit? Den BezieherInnen niedriger und niedrigster
Einkommen bringt das sicher nicht die Freiheit; dessen können Sie sich sicher
sein.
Diese kleine
Entlastung der Steuern, die Sie die ganze Zeit ansprechen – Sie wissen das
genau, und das ist wirklich ärgerlich –, wird durch die Belastungen, die
Sie im Bereich der Energiebesteuerung und im Bereich der Selbstbehalte
planen, mehr als aufgefressen. Das heißt, unterm Strich werden die Menschen,
gerade die Bezieherinnen und Bezieher niedriger Einkommen, mehr zahlen als
bisher.
Das Risiko der
Armutsgefährdung ist in den letzten Jahren gestiegen, besonders für Frauen und
auch Pensionisten. Ihre Pensionsreform, die Sie umzusetzen planen, wird diese
Tendenz weiter verstärken, wird die Schere noch weiter aufmachen.
Sie haben gestern
ein ganz klares Bekenntnis zu Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung
abgegeben. Ich glaube, dass vielen, die hier in diesem Saal sitzen, noch gar
nicht klar ist, was dieses Bekenntnis bedeutet, nämlich: die Verabschiedung des
Staates aus seiner sozialen Verantwortung, die Freigabe von sozialen
Leistungen! Ich habe auf Grund Ihrer Ausführungen die schlimmsten Befürchtungen
im Zusammenhang mit den GATS-Verhandlungen, die derzeit im Gange und abzuschließen
sind.
Herr Minister! Mit
dieser Politik können wir sicher nicht mitgehen. (Beifall bei den Grünen.)
17.31
Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr
Abgeordneter Freund. – Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.
17.32
Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Herr
Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Finanzminister
Karl-Heinz Grasser hat in seiner Budgetrede gestern umfassend die Situation
unseres Staates dargestellt. Wir alle wissen, dass die Weltwirtschaft im Moment
mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Kriege und Terroranschläge haben zu
Einbrüchen der Wirtschaft und ansteigender Arbeitslosigkeit in ganz Europa
geführt. Österreich wurde im vergangenen Jahr außerdem von einer
Hochwasserkatastrophe getroffen.
Viele Menschen in
unserem Land sind daher verunsichert. Ich brauche Ihnen sicher auch nicht zu
sagen: Wenn wenig investiert und konsumiert wird, bedeutet das Einbrüche für
die Wirtschaft, wodurch auch Arbeitsplätze und Steuern verloren gehen. Überall
in Europa gibt es diese Probleme, und Österreich ist mittendrin. Trotzdem
möchte ich sagen, dass es uns hier in Österreich dank der hervorragenden
Politik unserer Bundesregierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel gelungen
ist, gravierende Einbrüche zu verhindern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten
der Freiheitlichen.)
Ich denke da vor
allem an unser Nachbarland Deutschland; ich wohne ja nur wenige Kilometer davon
entfernt. Mit Deutschland waren wir wirtschaftlich immer stark verbunden, aber
unter der rot-grünen Regierung, die eine falsche Politik macht, ist die Zahl
der Arbeitslosen in Deutschland im April 2003 gegenüber April 2002
wieder um etwa 750 000 angestiegen. Die Stimmung ist sehr bedrückend; ich
weiß das, ich rede viel mit den Menschen dort.
In Österreich
hingegen ist die Zahl der Beschäftigten im April 2003 gegenüber dem April
des vergangenen Jahres um etwa 38 000 oder 1,22 Prozent angestiegen.
3 160 000 Beschäftigte in Österreich – die Zahl war noch
nie so hoch wie heute, das muss doch auch die Opposition anerkennen!
Gehen Ihnen etwa die Argumente aus? Herr Abgeordneter Parnigoni musste vorhin unsere jüngste Abgeordnete diffamieren – da, glaube ich, fehlt es wirklich an Gegenargumenten sowohl bei der SPÖ als auch bei den Grünen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 126 |
Meine sehr
geschätzten Damen und Herren! Diese Daten zeigen mir, dass die Reformen, die
unter der Regierung unseres Bundeskanzlers Schüssel gemacht wurden, sehr gut
waren. Unsere Regierung wird auch weiterhin eine gute und vorausschauende
Politik machen. Wir haben mit 4,1 Prozent die niedrigste Arbeitslosenrate
in der EU. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten, wie ich meine, können sich
diese Zahlen sehen lassen.
Was wir aber auch
brauchen, ist eine umfassende Steuerreform. Die erste Etappe erfolgt bereits
im Jänner 2004. Die Bürger und Unternehmer werden entlastet, und
Einkommensbezieher mit weniger als 14 500 € pro Jahr werden überhaupt
keine Steuern mehr zahlen. Das wiederum bedeutet für Österreich eine
Verbesserung als Konsum- und Wirtschaftsstandort.
Auch unser
Pensionssystem gehört angepasst. Demographische Veränderungen machen dies
notwendig. Die durchschnittliche Zahl der Pensionsbezugsjahre ist in den
letzten 30 Jahren von neun auf 20 Jahre gestiegen. Ohne Reform wird
dieses System einfach nicht mehr finanzierbar sein.
Meine sehr
geschätzten Damen und Herren! Ich möchte unserem Landwirtschaftsminister Sepp
Pröll dafür danken, dass er die Budgetzahlen für die Landwirtschaft halten
konnte. Die Einkommen der Bauern auf dem Markt sind im vergangenen Jahr
wiederum um 5 Prozent gesunken. Die Ausgleichszahlungen und das
3-Milliarden-€-Paket für Umwelt und Landwirtschaft aus dem Bundesbudget begrüße
ich deshalb sehr. Sie sind unbedingt notwendig, um die Einkommen der Bauern und
auch die Bewirtschaftung zu sichern.
Besonders wichtig
ist meiner Ansicht nach die Förderung der ländlichen Entwicklung. Zirka
120 Millionen € fließen heuer in die Anpassung und die Entwicklung
von ländlichen Gebieten: in die Berufsausbildung, in die Niederlassung von
Junglandwirten, in Forstmaßnahmen und landwirtschaftliche Investitionen. 2004
werden es sogar zirka 140 Millionen € sein. Insgesamt beträgt das
Budget für die Landwirtschaft zirka 2 Milliarden €.
Als nächster
Schritt – ich habe es schon betont – muss auch für die Landwirtschaft
die Steuerreform kommen, denn es ist wichtig, dass wir unter den gleichen
Bedingungen wie andere Landwirte in den EU-Ländern produzieren können. Nur so
können unsere Bauern auch in Zukunft gesunde Lebensmittel erzeugen und
wichtige Investitionen tätigen.
Mit dem
vorliegenden Budget zeigt die österreichische Bundesregierung Verantwortung und
Kompetenz. Das wird für Österreich und seine Bürger eine weitere positive Entwicklung
bringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
17.37
Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr
Abgeordneter Ing. Gartlehner. – Bitte.
17.37
Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass man nach der Präsentation
dieses Doppelbudgets – das übrigens historisch gesehen nicht das erste
ist, wie Kollege Walch, glaube ich, sich das eingebildet hat – wirklich (Abg. Dr. Trinkl: Zufrieden sein kann! Sehr zufrieden sein kann!) sagen
kann, dass der Lack von dieser Reformregierung ab ist und dass sich diese
Regierung mit ihren Ansprüchen, die sie uns im Jahr 2000 vermittelt hat,
auf Grund ihrer konkreten Politik inzwischen selbst ad absurdum führt. (Beifall
bei der SPÖ.)
Es ist natürlich
ein weiterer Gipfel eines missglückten Marketing-Gags, dass die größte Steuerreform
der Zweiten Republik angekündigt wird, das dann aber konkret für rund
1,3 Millionen Menschen so aussieht, dass sie mit 40 Cent
Steuerersparnis pro Monat rechnen können.
Ich will gar nicht weiter zurückblicken, schauen wir nur auf die letzten neun Monate. Es hat Nationalratswahlen gegeben, und es hat relativ lange gedauert, bis ein Budgetentwurf vorgelegt werden konnte. Das war allerdings nicht zum Schaden des Staates, weil ja der Bundesregierung auf Grund bestehender Regulierungen diese restriktive und sparsame Politik aufgezwun-
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 127 |
gen gewesen war, und auf Grund diverser Maßnahmen die Finanzierbarkeit
auch tatsächlich gefährdet war.
Ich glaube, dass
von Ihrer Freiheit, von der Sie hier reden, Herr Bundesminister, die Masse der
Österreicher nicht wirklich wird profitieren können, denn ich meine, dass die
Freiheit, die Sie meinen, ungerecht ist gegenüber den ASVG-Arbeitnehmern,
ungerecht gegenüber den Jugendlichen und Kindern im weitesten Sinne und dass
sie natürlich auch sehr entsolidarisierend innerhalb der gesellschaftlichen
Gruppierungen wirken wird.
Man merkt das
heute schon am Beispiel der Bauern, die ja ihren Wohlstand im Wesentlichen aus
der Solidarverteilung der letzten 30 Jahre lukriert haben, weil deren
Förderungen von den Arbeitnehmern finanziert werden. Die heutigen
Stellungnahmen der Bauern hier zu diesen Warnstreiks haben schon sehr
eigenartig geklungen. Sie wissen anscheinend nicht, wo der Bartl den Most holt.
(Beifall bei der SPÖ. – Abg. Murauer:
Weißt eh, wo du daheim bist?) –
Lieber Walter (in Richtung des Abg. Murauer), ich weiß schon, wo ich daheim bin. (Abg. Dr. Trinkl: Wissen Sie, wo der Bartl den Most holt? Oder war das eine
Drohung? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Man redet ja nur, was
Sache ist. (Ruf bei der ÖVP: Leider
nicht!)
Ich glaube, dass
diese „Rette sich, wer kann!“-Regierung – ich glaube, Josef Broukal hat
sie so bezeichnet – wirklich schon auf der Flucht ist. Die Argumente, mit
denen man noch über die Runden zu kommen versucht – wie zum Beispiel jenes
der gesunkenen Kaufkraft in Österreich oder auch die Art und Weise, wie Sie die
positive Handelsbilanz hier interpretiert haben –, sind, so würde ich
sagen, wirklich Notargumente. Ich glaube, dass die positive Handelsbilanz
ebenso wie die höchste Beschäftigungsrate hier nur einseitig dargestellt
wurden; denn es ist zwar richtig, dass wir in Österreich historisch gesehen die
höchste Beschäftigungsrate haben, aber wir haben auch die höchste
Arbeitslosenrate in der Zweiten Republik, meine Damen und Herren! Und das wird
hier wohlweislich ignoriert.
Was die
Beschäftigungsstruktur betrifft, lieber Kollege Trinkl, so sollte man über
diese wirklich auch einmal diskutieren. Woher kommen denn die vielen
Beschäftigten, und wie sieht die Struktur der Beschäftigungspolitik in
Österreich aus?
Kollege Bucher war
es, der gesagt hat: „damit sich Arbeit und Leistung in unserem Land wieder
lohnen“. – Kollege Bucher, Sie sind zwar neu in diesem Haus, und ich möchte
Ihnen persönlich auch keineswegs das Recht absprechen, so zu argumentieren,
sehr wohl aber Ihrer Fraktion. Und als Vertreter der FPÖ ist Ihnen dieses Recht
wirklich verwehrt, denn die blau-schwarze Bundesregierung hat Österreich in
den letzten drei Jahren die höchste Steuerquote in der Zweiten Republik
beschert – sie hat wirklich Rekordabgaben produziert! –, es gibt in
Österreich das geringste Einkommenswachstum in der Geschichte, und wir haben
die höchste Staatsverschuldung, die es in der Zweiten Republik jemals
gegeben hat, und sie steigt weiterhin. (Abg.
Dr. Partik-Pablé: Sie reden
von der Zeit bis 1999, nicht wahr? Sie sind ein bisschen Ihrer Zeit hinten nach!)
Mein
abschließender Satz: Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie
sichern im Wesentlichen den Luftraum, aber Sie schaffen Unsicherheit in
Österreichs gesellschaftlichem Gefüge. (Beifall bei der SPÖ.)
17.42
Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr
Abgeordneter Lichtenegger. – Bitte.
17.42
Abgeordneter Elmar Lichtenegger (Freiheitliche): Herr Präsident!
Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich werde mich ein wenig mit dem Sportbudget
auseinander setzen, damit das nicht in Vergessenheit gerät.
Wir haben mehrere Projekte auf der Tagesordnung beziehungsweise auf unserer Agenda. Das ist erstens die Fußball-Challenge 2008. Dabei geht es darum, dass man eine österreichische Nationalmannschaft fördert, die uns im Jahr 2008 bei der Heim-EM möglichst gut vertreten
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 128 |
kann. Dafür ist ein Budget in der Höhe von
363 000 € vorgesehen. Dazu muss ich sagen: Das ist eine gute Sache!
Wir werden es dann im Jahr 2008 hoffentlich alle sehen.
Es gibt eine
weitere Challenge, die sich „Athen 2004“ nennt. Auch da werden Sportler
großzügig gefördert, und zwar solche, die an den Olympischen
Sommerspielen 2004 teilnehmen und möglichst viele gute Leistungen
erbringen sollen.
Hiefür wird jedes
Jahr jeweils noch 1 Million € veranschlagt. Ich muss sagen, das ist
ein sehr großzügiges Angebot, und ich bin sehr froh darüber, dass das bestehen
geblieben ist.
Weiters wird es
die Fußball-EM 2008 mit insgesamt vier Austragungsorten geben, nämlich
Innsbruck, Salzburg, Klagenfurt und Wien. Das wird auch sehr großzügig vom
Bund mitgetragen, was den Bau beziehungsweise die Erneuerung und Adaptierungen
von Stadien betrifft.
Im Grunde genommen
erfolgt durch das Bundes-Sportförderungsgesetz die Basisförderung der Vereine,
es wird damit aber auch die Entwicklung der Sportstrukturen gefördert. Es wird
der Mädchen- und Frauensport gefördert. Es gibt immer wieder innovative
Sportprojekte, die da zum Tragen kommen. Auch bietet es eine Starthilfe für
neue Fachverbände, die in die BSO eintreten wollen. Und: Wir fördern auch zum
ersten Mal den Behindertensport.
Was dieses Thema
betrifft, so stimmt es mich schon ein wenig nachdenklich, dass mich – ausgerechnet
im Jahr der Behinderten! – heute ein Schreiben der Sportverantwortlichen
der Wiener Landesregierung erreicht hat, in dem es heißt – ich
zitiere –:
Eine
Gleichstellung des ÖBSV – also des Österreichischen
Behindertensportverbandes – mit den im Bundes-Sportförderungsgesetz
genannten Dachverbänden würde somit zu einer verringerten Förderung von mehr
als 40 Prozent aller anerkannten Sportarten in Wien führen. Dies hätte im
Bereich der Bundesförderung eine Bevorzugung der vom ÖBSV geförderten
Sportarten zur Folge. Es wird daher angeregt, die Änderung des Entwurfes zur
Gänze entfallen zu lassen. – Zitatende.
Das ist schon ein
etwas starkes Stück, wenn man sich im Jahr der Behinderten der Behinderten
annimmt und dann ein solches Schreiben von den Wiener Kollegen bekommt! (Beifall
bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Weiters darf ich
festhalten, dass wir heuer um 1,5 Millionen € mehr an besonderen
Sportförderungsmitteln zur Verfügung haben als im Vorjahr. Dies gilt ebenso
für das Jahr 2004 – im Gegensatz zur Darstellung des Kollegen
Wittmann, der ja, wie ich feststellen muss, schon eine etwas eigenartige Art
und Weise hat, Politik zu betreiben: Während des Sportausschusses hat Staatssekretär
Karl Schweitzer die soeben genannten Beträge verlautbart – und noch
während dieses Sportausschusses ist eine Presseaussendung des Kollegen Wittmann
eingetroffen, in der behauptet wurde, dass es in den nächsten Jahren für den
österreichischen Sport weniger Geld geben werde, nämlich um
20 Millionen € weniger! – Also das ist nicht mein Verständnis
von konstruktiver Politik und auch nicht meine Art, Politik zu betreiben. Da
möchte ich schon gerne bei der Wahrheit bleiben.
Kollege Wittmann
hat mir übrigens auch einmal über eine Presseaussendung ausrichten lassen,
dass er immer noch für die Sportmilliarde ist. Dazu muss ich sagen: Es ist
nicht so einfach, und ich bin froh darüber, dass wir das Budget haben, das wir
jetzt haben. Wir sollten daran gehen, das Geld, das wir haben, möglichst
effizient und sinnvoll einzusetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei
Abgeordneten der ÖVP.)
Im Übrigen war er
selbst lange genug Staatssekretär und hätte als solcher lange genug die Möglichkeit
gehabt, das zu verwirklichen. Er war damals mit seinem Budget noch weit
entfernt von dem Budget, das wir heute haben.
Insofern muss ich mich beim Herrn Finanzminister dafür bedanken, dass er auch die Sportler nicht vergessen hat. Ich kann Ihnen versichern: Wir werden alles daransetzen, dass wir auch
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 129 |
mit entsprechenden Leistungen antworten werden. – Danke schön. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
17.46
Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete
Mag. Lunacek. – Bitte.
17.46
Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär!
Meine Damen und Herren! Da Kollege Lichtenegger jetzt über den Sport und auch
von der Wahrheit gesprochen hat und weil auch Herr Staatssekretär Schweitzer
anwesend ist, muss ich noch kurz auf die gestrige Debatte eingehen.
Herr
Staatssekretär Schweitzer, es ist so, dass in London und in New York die
Eliteläuferinnen etwa 30 Minuten vor dem restlichen Feld starten. Wenn Sie
es nicht glauben, dann zeige ich es Ihnen. – Das wollte ich hier nur
anmerken. (Beifall bei den Grünen.)
Ich komme damit
auf das Budget zu sprechen. Herr Finanzminister, Ihre gestrige Budgetrede hat
nur so gestrotzt vor Worten wie „Zukunft“ und „Nachhaltigkeit“ – lauter
Begriffe, die natürlich wichtig sind, keine Frage. Interessant habe ich nur
gefunden, dass globale Themen – zumal es ja nicht nur in Österreich,
sondern auch in anderen Teilen der Welt um Zukunft und Nachhaltigkeit
geht – in Ihrer Budgetrede nicht vorgekommen sind, und wenn, dann nur in
Bezug auf die Weltwirtschaft und die Auswirkungen, die diese auf Österreich
hat.
Aber ob das, was
in Österreich passiert, vielleicht auch irgendeine Auswirkung auf andere Teile
der Welt hat, davon war keine Rede. Das vermisse ich, denn schließlich und
endlich hat das, was in Österreich geschieht, sowohl im Bereich der
Entwicklungszusammenarbeit als auch im Bereich der Wirtschaftsförderung, sehr
wohl auch Auswirkungen auf andere Teil der Welt, auf die Nachhaltigkeit dort.
Und das sollte auch in einer Budgetrede vorkommen! (Beifall bei den Grünen.)
Aber das wundert
mich nicht wirklich, denn auch in der Regierungserklärung war von Außenpolitik
insgesamt äußerst wenig zu lesen, und insofern zeigt das natürlich eine
gemeinsame Linie dieser Regierung auf: Wichtig ist, was in Österreich passiert!
Alles andere auf der Welt zählt nicht wirklich.
Herr Minister!
Zukunft und Nachhaltigkeit spielen sich nicht nur auf der „Insel
Österreich“ – wir leben auch auf keiner Insel mehr, schon lange nicht
mehr! – oder nur auf dem europäischen Kontinent ab. Österreich hat
auch – sowohl als Staat als auch, was die Art und Weise betrifft, wie das
Budget verteilt und ausgegeben wird – eine Mitverantwortung für Zukunft
und Nachhaltigkeit weltweit.
Ich muss Ihnen
aber zugestehen, dass in diesem Budget zumindest in einem Punkt einmal ein
erster Schritt getan wird, um etwas zu verbessern, nachdem es diesbezüglich,
sowohl von uns als auch von verschiedenen Organisationen in Österreich, seit
Jahren und Jahrzehnten Kritik gegeben hat, nämlich im Punkt der
Entwicklungszusammenarbeit:
Zum ersten Mal
seit vielen Jahren wird es eine Erhöhung, um etwa 30 Millionen €,
geben, und zwar in jenem Bereich, der im Außenamt angesiedelt ist. Dazu kann
ich wirklich sagen: Das ist endlich einmal ein erster Schritt! Ich hoffe, Herr
Minister, dass Sie das nicht nur, wie Sie es gestern in Ihrer Budgetrede
gesagt haben, als ein wichtiges Anliegen der Außenministerin sehen – wir
wissen, dass es das ist –, sondern dass Sie das auch für sich und für die
restliche Bundesregierung als ein wichtiges Anliegen wahrnehmen, denn die
Außenministerin alleine macht das Budget nicht. Es ist schon notwendig, dass
auch Sie und die gesamte Bundesregierung das wichtig nehmen, auch in Zukunft! (Beifall
bei den Grünen. – Bundesminister Mag. Grasser: Deswegen habe ich es in die Budgetrede ...!)
Ich freue mich, dass Sie das gesagt haben, nur hat mich der Vermerk, es sei so wichtig für die Außenministerin, ein bisschen zweifeln lassen hinsichtlich der Frage, wie wichtig es für die gesamte Bundesregierung ist. Wenn Sie jetzt sagen, Sie haben es deshalb in die Budgetrede
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hinein genommen, gut, dann nehme ich das ernst und
warte nur darauf und hoffe, dass es in den Budgets 2005 und 2006 – sollten
Sie dann noch dafür zuständig sein, woran ich durchaus zweifle (Beifall bei
den Grünen – Abg. Öllinger: Wir
hoffen es nicht!) – die Erhöhung auf die 0,33 Prozent
EU-Durchschnitt – das ist ja eine Verpflichtung auf EU-Ebene! – dann
tatsächlich geben wird und dieser Betrag nicht wieder gesenkt wird. –
Diesbezüglich gebe ich meinem Kollegen natürlich Recht: Wir hoffen nicht
wirklich, dass Sie dann noch für das Budget zuständig sein werden. Aber das
werden andere entscheiden. Vielleicht werden es Ihre früheren Parteikollegen
entscheiden. Das werden wir ja sehen. (Heiterkeit
bei den Grünen.)
In diesem Punkt
gebe ich Ihnen also Recht: Hier hat es eine Verbesserung gegeben. – Aber
ich möchte noch einen anderen Aspekt erwähnen, der auch Österreichs
internationale Verantwortung betrifft und bei dem Sie auch nur über die
Auswirkungen in Österreich sprechen, nämlich die Exportförderung!
Sie sagen richtig:
Der Exportförderung kommt im Rahmen der Standortpolitik eine weiterhin große
Bedeutung zu. Sie wollen diesen für die österreichische Volkswirtschaft
erfolgreichen Weg fortsetzen. Sie wollen in den beiden Budgets
25 Millionen € mehr für eine weitere Exportoffensive dotieren –
beziehungsweise Sie haben das dotiert – und mit der Wirtschaftskammer umsetzen. –
Dagegen habe ich und haben die Grünen nichts einzuwenden. Die Frage ist nur:
Nach welchen Kriterien werden diese Gelder vergeben, und wie sieht es dabei mit
der Transparenz aus?
Und da wissen
wir – wir haben darüber auch schon mit Staatssekretär Finz in einigen Ausschüssen
diskutiert –: Hier hapert es noch ziemlich! Es gibt in anderen Ländern
viel bessere Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Exportgarantien, dass
Projekte, die österreichische Wirtschaftsunternehmen im Ausland
durchführen – und da handelt es sich vor allem um Länder Asiens, um die
Nachfolgeländer der Sowjetunion, um Länder Afrikas und Lateinamerikas –,
keine für die dortige Bevölkerung oder für die dortige Umwelt schädlichen
Auswirkungen haben.
Umweltkriterien
werden in gewissem Ausmaß mittlerweile schon beachtet, aber genügend ist das
noch nicht. Und vor allem: Niemand bekommt es mit. Es wird nicht
veröffentlicht. Es gibt diesbezüglich zwar mittlerweile erste Schritte auf
Seiten der Kontrollbank, aber ich erwarte mir von einem österreichischen
Finanzminister, dass dieser in seiner Budgetrede nicht nur sagt: So können wir
die Arbeitsplätze in Österreich nachhaltig sichern. – Ich habe nichts
dagegen, dass er das sagt, aber es müsste wohl auch erwähnt werden: So können
wir zum Beispiel einen Beitrag leisten zu ökologischer und sozial nachhaltiger
Entwicklung in den Ländern Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und in den
Nachfolgestaaten der Sowjetunion. – Auch das ist Verantwortung
Österreichs! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Mag. Trunk.)
Da wäre es schön,
wenn einer dieser Superlative, die in Ihrer Budgetrede ständig vorgekommen
sind – das ist das Beste dies und das Beste das, und so viel hat es noch
nie für die Forschung und für die Familien und für die Bildung und für die
Infrastruktur und so weiter gegeben –, auch einmal in diesem Zusammenhang
vorkommt und wenn es heißen würde: Wir haben jetzt endlich etwas umgesetzt,
damit diese Ausgaben Österreichs in den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas
auch wirklich etwas Positives bewirken und damit niemand mehr Zweifel dahin
gehend haben muss, dass da vielleicht ökologisch etwas nicht in Ordnung ist
oder dass die Bevölkerung dort vielleicht wegen eines Staudammprojektes die
Gegend verlassen muss, ohne dass nur in irgendeiner Weise von Entschädigung
gesprochen worden wäre.
Das erwarte ich
mir also in Zukunft von Ihnen, und ich hoffe, dass Sie darauf achten werden. (Beifall
bei den Grünen.)
Diese vielen
Superlative haben mich nämlich schon stutzig gemacht (Abg. Öllinger: Die stimmen
ja auch nicht! Die stimmen ja nicht!) – ich komme gerade darauf zu
sprechen. Die vielen Superlative in Ihrer Budgetrede, Herr Minister, lassen
allein schon deshalb, weil sie ständig mit Rufzeichen versehen werden und weil
Sie so „superlativ“ dastehen, Zweifel daran entstehen, wie ernst das Gesagte
denn eigentlich gemeint ist!
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 131 |
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Ich muss die
Interessen Ihrer Fraktion wahrnehmen – ich kann das am Mienenspiel ein
bisschen ablesen. (Heiterkeit bei den
Grünen.)
Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (fortsetzend): Ich weiß, Herr
Präsident. Auch ich habe das schon mitbekommen, ich kenne ja die Zeichen meiner
Kolleginnen und Kollegen. – Ich bin auch schon beim Schlusssatz, meine lieben
Kolleginnen und Kollegen!
Herr Minister:
Noch nie – um den Superlativ, der eigentlich in die Budgetrede
hineingehört, der Vollständigkeit halber auch hier anzuwenden – hat eine
Budgetrede so gestrotzt vor inhaltsleeren Worten und falschen Versprechungen! (Beifall
bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
17.54
Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau
Abgeordnete Steibl. – Muss ich bei Ihrer Rede auch einen Blick auf die
Mienen werfen, oder ist das bei Ihnen nicht notwendig? – Nein. Gut. –
Bitte.
17.54
Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr
Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die spanische
Tageszeitung „El País“ in Madrid schrieb am 6. Mai:
„Der erste Streik
nach einem halben Jahrhundert sozialen Friedens markiert einen abrupten Wandel
für die an den Konsens gewöhnten acht Millionen Österreicher ...“
Meine Damen und
Herren! Spätestens seit derartigen Pressemeldungen müssen wir zum Nachdenken
kommen (Abg. Öllinger: Ja, ja!), denn die Stärke der Österreicherinnen und
Österreicher war immer die Tatsache, dass wir über etwas reden können und
auch immer eine vernünftige Lösung gefunden haben. (Beifall bei der
ÖVP. – Abg. Öllinger: Warum tun
Sie das dann nicht?)
Herr Kollege! In
einem Land der gelebten Solidarität wie Österreich wird am Verhandlungstisch
diskutiert (Abg. Öllinger: Richtig! – Es gibt keinen!), und es ist für mich
nicht vertretbar (Abg. Öllinger: Wo ist er denn, der
Verhandlungstisch?), die parlamentarische Demokratie durch Streiks zu
unterlaufen. (Abg. Öllinger: Oh! Das ist jenseitig! – Abg. Silhavy: Im Parlament ist nicht gestreikt worden!) – Ich
habe gesagt: die parlamentarische Demokratie! (Abg. Öllinger: Sie wissen ja gar nicht, wie parlamentarische Demokratie
funktioniert!)
Ich denke, dass
Sie an den Verhandlungstisch kommen sollen, und das tun Sie nicht (Beifall bei der ÖVP): weil Sie keine
Lösungen haben, weil Sie nur in der Opposition sind und Angst machen! (Neuerlicher
Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und
Herren! Zukunft braucht Verantwortung. Damit wir die Pensionen für alle, insbesondere
für die Jungen (Abg. Silhavy: Hat der Klestil noch eine Bedeutung? Hat der Herr Bundespräsident
noch eine Bedeutung für Sie?), wie dies auch von meiner Kollegin Fuhrmann
heute schon gesagt wurde, in Zukunft absichern, müssen wir jetzt die
notwendigen Schritte einleiten und gleichzeitig den Generationenvertrag
aufrechterhalten. Das heißt, liebe Kollegin Sil-havy: soziale Sicherheit
ausbauen und diese soziale Sicherheit auch absichern! (Beifall bei der
ÖVP. – Abg. Silhavy:
... der Herr Bundespräsident?)
Werte Kolleginnen
und Kollegen! Frauen leisten durch Kindererziehung und die Pflege naher Angehöriger
unumstritten den wichtigsten Beitrag zur Generationensolidarität. Genau hier haken
wir seitens der Regierung durch familienpolitische Maßnahmen auch in dieser
Pensionssicherungsreform ein und setzen neue Maßstäbe.
Ich möchte einige davon kurz nennen: So werden zum Beispiel ab jetzt 24 Monate Kindererziehungszeiten als pensionsbegründend angerechnet. Es gibt jetzt noch zusätzlich Zuschläge von 50 Prozent zum Kinderbetreuungsgeld für Zwillinge und Drillinge beziehungsweise Mehrlingsgeburten. Bis zu drei Jahre Kindererziehungszeiten werden bei der Durchrechnung berücksich-
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 132 |
tigt. Das heißt – und das wird
von euch immer wieder verwässert –, dass eine Frau mit zwei Kindern
beispielsweise bis 2010 von der Anhebung des Durchrechnungszeitraumes nicht betroffen
ist. (Abg. Sburny: ... genau im Drei-Jahres-Abstand ...!) –
Es gibt also keine Nachteile für Frauen, wie sie zum Beispiel Abgeordnete
Csörgits in einer Pressemeldung behauptet hat.
Werte Kolleginnen
und Kollegen! 340 Millionen € mehr für österreichische Familien! Wir
werden auch heuer die familienpolitischen Leistungen insgesamt mit
4,8 Milliarden € dotieren, und Österreich wird daher auch in
Zukunft das familienfreundlichste Land Europas bleiben, denn Kinder
repräsentieren zwar nur 20 Prozent der Bevölkerung, aber sie
repräsentieren 100 Prozent der Zukunft unseres Landes.
Ich komme zum
Schluss meiner Rede und möchte abschließend noch ein Zitat anbringen, welches
hoffentlich zum Nachdenken anregt:
„Die Menschen sind
sehr offen für neue Dinge – solange sie nur genau den alten
gleichen.“ – Charles F. Kettering (1876 – 1958), amerikanischer
Industrieller.
Ich denke, dem ist
nichts hinzuzufügen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Ach, das ist gar nicht vom Grasser? Ich hab’ geglaubt,
das ist vom Grasser!)
17.59
Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter
Dr. Kräuter. – Bitte.
17.59
Abgeordneter
Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr
Präsident! Herr Vertreter des Finanzministers! Meine Damen und Herren! Hohes
Haus! Es ist schon einigermaßen lustig: Frau Kollegin Steibl flüchtet sich
schon in vergangene Jahrhunderte und zu spanischen Zeitungen. (Abg. Steibl:
Herr Kollege, du flüchtest auch! Dich sehe ich nirgends!) Ich verstehe
das auch bis zu einem gewissen Grad: Die österreichischen Zeitungen, Frau
Kollegin Steibl, sind offenbar nicht ganz nach Ihrem Geschmack.
Die „Kleine
Zeitung“, die Sie sonst täglich sehr schätzen, schreibt nämlich:
„Ein
Verpackungskünstler verblüfft mit Werbesprüchen“, „Karl-Heinz Grasser
liefert zur Budgetrede eine schlechte Premiere“.
Wenn Sie mich
fragen, meine Damen und Herren, dann muss ich sagen: Es ist keine schlechte
Premiere – insofern stimmt diese Unterschlagzeile nicht –, es ist
eigentlich ein schlechter Abgesang. Ich glaube nämlich nicht,
dass dieser Finanzminister noch jemals hier eine Budgetrede halten wird! (Beifall
bei der SPÖ.)
Bis gestern,
Kollege Trinkl, wurde ja behauptet, Karl-Heinz Grasser sei ein
Darstellungstalent, multimedial. Eigentlich wollte er auch seine Budgetrede
visualisieren – es ist schade, dass es nicht dazu gekommen ist, es wäre
sicher sehr interessant gewesen, die Fische und das Wasser zu sehen und dieses
peinliche Lob, das er über die Ministerkollegen ausgeschüttet hat – dargestellt
in Tortendiagrammen, Kurven und Balken.
In den Medien ist
der Herr Finanzminister ja sehr präsent, im Parlament jedoch macht er sich
rar – das wird jetzt eindrucksvoll bewiesen, da uns nur mehr der Herr
Staatssekretär die Ehre gibt. (Abg.
Dr. Trinkl: Was heißt „nur
mehr“?) So ist das auch im Rechnungshofausschuss Usus. (Abg. Dr. Partik-Pablé:
Bei Ihrer Rede ist es besser, er ist nicht da! Das ist so uninteressant für
ihn!)
Meine Damen und Herren! Im „kleinen Untersuchungsausschuss“, Frau Kollegin Partik-Pablé – dieser ist ja nach dem Untersuchungsausschuss, wie Sie genau wissen, das stärkste Kontrollinstrument hier im Parlament –, wird jetzt die Gebarung des Finanzministers im Zusammenhang mit der ÖIAG überprüft. Und der Finanzminister sagte in seiner Budgetrede, dass er eben diese ÖIAG auflösen werde. In diesem Ausschuss wollen wir einmal mit ihm über die Entwicklung der ÖIAG diskutieren – es geht ja da um 100 000 Arbeitsplätze, um Milliardenwerte des Steuerzah-
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 133 |
lers, die voestalpine, die Post, bei der es
drunter und drüber geht, wie wir tagesaktuell wissen, um Böhler Uddeholm und
viele andere mehr.
In den Zeitungskommentaren
wird Grasser die Kombination vorgeworfen, nämlich 300 Millionen €
Dividende zu verlangen, eine Wertsteigerung zu fordern und eine Terminsetzung
bei den Verkäufen vorzunehmen. Es wird das als „stümperhaft“ und als
„Frotzelei“ bezeichnet – soweit „Der Standard“.
Wir wollen mit dem
Herrn Finanzminister dort auch über die 4,3 Millionen € diskutieren,
die für eine Nulldefizit-Studie ausgegeben und damit sinnlos verschleudert
wurden, wie wir wissen, denn von einem Nulldefizit kann überhaupt nicht die
Rede sein.
Meine Damen und
Herren! Ich habe in diesem „kleinen Untersuchungsausschuss“ den Antrag
gestellt, der Finanzminister möge uns irgendwann vor dem Sommer die Ehre
erweisen und mit uns diskutieren – ganz harmlos als Auskunftsperson. Es sind
in diesem Ausschuss zehn ÖVP-Abgeordnete, acht SPÖ-Abgeordnete, zwei von der
FPÖ und zwei von den Grünen, den Vorsitz führt die ÖVP, die Verhandlungen sind
vertraulich – und die ÖVP und die FPÖ haben diesen Antrag abgelehnt!
Bis zum Sommer hat
der Finanzminister keine Minute Zeit, hier im Parlament zum Thema ÖIAG zu
diskutieren. (Ruf bei der SPÖ: Schlechtes
Gewissen!) Meine Damen und Herren! Das hat überhaupt nichts mehr mit
Dialog, ausgestreckten Händen und diesen Sachen zu tun, sondern da geht es schon
längst um den Respekt vor dem Parlament, um die Achtung von demokratischen
Prozessen und um verfassungsrechtliche Aufgaben der Abgeordneten. (Beifall
bei der SPÖ.)
Eigentlich gibt es
zwei Möglichkeiten: eine Fortsetzung der erbärmlichen Vorgangsweise wie damals
bei Frau Ministerin Forstinger oder der Herr Finanzminister stellt seine
Präsenz sicher, und zwar noch vor dem Sommer. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.)
Ich hoffe – Herr Staatssekretär, Sie werden ihm das
ausrichten –, er wird sich nicht auf dieses Niveau begeben und sagen, dass
er ja kommen möchte, die Mehrheit dies aber verhindere. Ich glaube, auf dieses
niedrige Niveau wird sich selbst der Herr Finanzminister nicht begeben. Also:
Entweder kommt der Finanzminister und stellt sich der Diskussion im dazu
zuständigen Gremium des Nationalrates, oder die Vorgangsweise ist so
erbärmlich wie in der Vergangenheit und so erbärmlich wie die gestrige
Budgetrede des Ministers. (Beifall bei der SPÖ.)
18.03
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr
Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. – Bitte.
18.03
Abgeordneter
Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber
(Grüne): Herr
Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es sind heute wirklich schon
eine Fülle an umfangreichen Besprechungen erfolgt, Details aus diesem
Budgetentwurf, aber auch die rhetorischen Floskeln und Oberflächlichkeiten
der gestrigen Rede von Finanzminister Grasser intensiv analysiert und
diskutiert worden. Ich möchte ein bisschen auf den gedanklichen Hintergrund
dieser Texte und der Budgetentwürfe eingehen, noch einmal stärker darauf
schauen, welche Botschaft uns Finanzminister Grasser hier übermitteln möchte,
was der Kern dieser Botschaft ist.
Ich möchte dort
beginnen, wo diese Bundesregierung fortgesetzt hat, nämlich schon 1999/2000,
als sie ganz klar versucht hat, ein neues Konzept für Österreich
vorzustellen – damals unter dem Slogan „Österreich neu regieren“. Dort
hat der Finanzminister wieder eine Anleihe genommen mit seinem Slogan
„Österreich neu denken“.
Was heißt das in
seinem Kontext? – Mit „Österreich neu denken“ sei, meint er, der Schlüssel
für eine steuerliche Entlastung und die Belebung der Wirtschaft gefunden.
Was ist der Kern dieses neuen Denkens? – „Unternehmertum ist Denkkultur und bringt Wohlstand und Beschäftigung“. Unternehmertum ist Denkkultur! Also: Unternehmer denken – und
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 134 |
andere Leute arbeiten! Mann denkt und irgendjemand arbeitet,
das ist offensichtlich die Vorstellung, die Grasser zu vermitteln versucht.
Wir brauchen mehr davon, sagt er.
Damit zusammenhängend,
und das ist klar: „Privat ist besser als der Staat“ – ein neoliberaler,
selbstverständlicher Anspruch und Ansatz. „Privatisierung sichert
Arbeitsplätze“, heißt die Botschaft.
Vom Standpunkt des
Unternehmertums aus zu denken bedeutet natürlich auch: Stiftungen nicht zu
besteuern, bei ArbeitnehmerInnen, PensionistInnen, SteuerzahlerInnen verstärkt
abzuschöpfen. (Abg. Silhavy: In
die Tasche zu greifen!) In die Tasche zu greifen – korrekt, so ist es,
Kollegin Silhavy. (Abg. Dr. Partik-Pablé:
Gott sei Dank hat sie Ihnen etwas eingesagt!)
„Der Beweis für
die soziale Kompetenz“ ist ja auch ein ganz schöner Passus dieser
Budget-rede – da komme ich zurück auf das, was Kollege Wittauer, der
momentan leider nicht im Saal ist, nicht verstanden hat, nämlich die Frage, was
Gender Mainstreaming bedeutet. Es bedeutet einfach, Gesetze daraufhin zu
analysieren, wie sie sich auf Männer und Frauen auswirken.
Dort heißt es
wörtlich – ein Beweis für „soziale Kompetenz“; ich zitiere –: „Keiner
der mehr als 2 Millionen ... Pensionisten hat irgendetwas zu
befürchten: ob ... Arbeiter, Angestellter, Bauer oder Gewerbetreibender ...“
Es ist alles nur
eine Frage der Männerpensionen, es geht nicht auch darum, was mit den Frauen in diesem Prozess
geschieht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Kollege Wittauer
sollte sich das wirklich einmal zu Gemüte führen! Gender Mainstreaming ist
eine Selbstverständlichkeit für uns Grüne, ist ein EU-Konzept: Bitte, richten
Sie ihm das aus, Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ!
Was bedeutet
dieses neue Denken für die Landwirtschaft?– Ich habe hier von den Landwirtschaftsvertretern
nur gehört: Wunderbar, das Agrarbudget ist gesichert; Kollege Donabauer,
3 Milliarden – ich war auch immer dafür, dass dieses Paket für die
Landwirtschaft gesichert sein muss. (Abg.
Donabauer: Uns geht es nicht um den Betrag allein, uns geht es um die
Agrarpolitik insgesamt!)
Aber was heißt das
im Kontext dieses neoliberalen Wirtschaftskonzeptes? Was bedeutet das, wenn man
es durchdenkt, für die Landwirtschaft? Was bedeutet „mehr privat“ für die
Landwirtschaft? – Massives Bauernsterben, keine Ausgleichszahlungen für
Bergbauern und Berg-bäuerinnen mehr, das wäre die Konsequenz von „mehr
privat“, keine ausreichenden bäuerli-chen Pensionen, weil auf Grund der
Alterspyramide selbstverständlich höhere Zuschüsse notwendig sind. (Abg. Donabauer: Das steht ja nicht
in Frage!)
Es würde weiters
bedeuten: weniger Bürokratie – diese wird immer wieder angegriffen; aber
das würde es auch bedeuten, keine Frage. Es würde zudem auch bedeuten: weniger
Umweltbewusstsein, weniger Umweltförderung, Kollege Donabauer, und weniger
Beratung und weniger Innovation für die Bäuerinnen und Bauern. (Abg. Donabauer: Das haben wir alles
gesichert! Das ist ja das Positive an dem Budget!) – Das sollten
gerade Sie als Agrarvertreter verstärkt in die Debatte einbringen. (Beifall
bei den Grünen.)
Darüber sollten
Sie diskutieren, statt der Deregulierung das Wort zu reden oder zu
schweigen – das ist nämlich eigentlich das Unglaubliche: Sie schweigen
dazu, kassieren ab und lassen die anderen Bevölkerungsgruppen im Regen stehen!
(Abg. Donabauer: Mäßigen Sie
sich!) Das zeugt nicht von einem sozialen Gewissen, das ist keine soziale
Vorgangsweise! (Beifall bei den Grünen.) Dazu können wir nur sagen:
Falsch gedacht und falsch gegangen, Kollege Donabauer! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Donabauer.)
Nicht immer nur die Solidarität der Gesellschaft für die berechtigten Anliegen der bäuerlichen Landwirtschaft verbal fordern, sondern auch echt, solidarisch für die ArbeiterInnen, BäuerInnen, die benachteiligten Gruppen dieser Gesellschaft eintreten, das sollten Sie machen, werte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP. (Abg. Donabauer: Da können Sie sich ein Beispiel nehmen
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 135 |
an uns, da sind wir gut unterwegs!) Daher sollten
Sie diese Pensionsreform bis zum Herbst zurückstellen. Und Sie werden sehen,
sie wird dann gelingen, Kollege
Donabauer. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der
SPÖ.)
18.09
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete
Hakl. – Bitte.
18.09
Abgeordnete
Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr
Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss
zugeben, dass mich die heutige Debatte richtig erschüttert hat. Sie hat mich
erschüttert, denn als ich etwa 20 Jahre alt war, also noch während des
Studiums, haben Kolleginnen, Kollegen und ich nicht nur einmal, sondern oft
darüber diskutiert, wann denn die Politiker da oben endlich verstehen würden, dass
man bei den Pensionen etwas tun müsse. Und wir waren uns eigentlich ziemlich
einig darin: Sie werden immer zu feig sein, das zu machen, denn da müssten sie
an übermorgen denken und nicht nur an die nächste Wahl, und das machen die nie!
Ich bin irrsinnig
stolz darauf, dass wir es sind, die ÖVP, diese Bundesregierung und jeder Einzelne
von unseren Abgeordneten – wir stehen jeden Tag draußen und reden mit den Menschen,
erklären ihnen Dinge, klären sie auf (Abg.
Reheis: Das tun sie eben nicht, Karin! Sie verweigern die Diskussion!) –,
die dieser Verantwortung endlich gerecht werden! (Beifall bei der ÖVP.)
Ich bin stolz auf
die ÖVP, auf diese Bundesregierung! Und ich kann Ihnen sagen: Diese „Brösel“ ...
(Abg. Reheis: Aber wirklich, das kann ich beweisen! Alle
Fraktionen waren da, die ÖVP nicht! – Abg. Donabauer: Herr Kollege! Ich war überall, wo ich eingeladen
war!) – Lieber Gerhard
Reheis, ich weiß auch, dass es nicht leicht ist, hinauszugehen und zu sagen:
Wir brauchen das!, jeden Tag mit den Menschen zu reden, ihnen zu erklären und
zu sagen, warum das wichtig ist, nämlich weil es sich anders nicht ausgeht. Das
Schöne daran ist, zu sehen, dass die Menschen das einsehen, begreifen und
verstehen, dass wir uns – auf gut Deutsch – diese „Brösel“ auch nicht
antäten, wenn es nicht notwendig wäre! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Reheis:
Die FPÖ geht hin, aber ihr nicht!)
Was wir darüber
hinaus tun, ist, in vielen Bereichen noch mehr an Verantwortung zu übernehmen
und eine nachhaltige Politik in vielerlei Hinsicht zu betreiben: im Hinblick
auf die Pensionsreform etwa, bei der nicht nur – wie das bei den
Oppositionsparteien der Fall ist – an den nächsten Wahltag, sondern auch
an kommende Generationen gedacht wird. (Zwischenruf
der Abg. Silhavy.)
Weiters: eine
nachhaltige und grundlegende Politik beispielsweise in Bezug auf eine gesunde
Umwelt beziehungsweise eine nachhaltige Entwicklung, um eben endlich die
notwendigen Mittel zur Erreichung des Kyoto-Ziels zu haben (Abg. Silhavy:
Das ist kabaretthaft!): 30 Millionen € im nächsten,
60 Millionen € im übernächsten Jahr. (Zwischenruf der Abg. Mag. Lunacek.)
Das ist auch mir noch nicht genug, aber das ist wesentlich mehr an Mitteln,
als dafür in den letzten zehn Jahren zur Verfügung stand, und darüber freue ich
mich wirklich sehr. (Beifall bei der ÖVP.)
Was den
entwicklungspolitischen Bereich anlangt – das sei Ihnen gesagt, Frau
Kollegin Lunacek, da Sie das nicht gefunden haben (Abg. Mag. Lunacek: Aber die letzte Bundesregierung
hat ...!) –, gibt es zwar heuer keine Steigerung der Budgets,
nächstes Jahr stehen jedoch – endlich! – 0,33 Prozent des
Bruttoinlandsproduktes zur Verfügung.
Es freut mich,
hier aus einer Studie des Zentrums für globale Entwicklung zitieren zu können,
wonach Österreich an der neunten Stelle von 25 Industrieländern liegt,
was die Entwicklungshilfe betrifft. In dieser Studie wird nämlich nicht nur
die unmittelbare staatliche Finanzhilfe als Index herangezogen, bei der wir
endlich aufholen – das ist schon überfällig gewesen, Frau Lunacek, da
sind wir uns einig –, sondern eben auch noch andere Kriterien.
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 136 |
Interessant finde
ich, dass Österreich diesbezüglich auch auf Grund der Migrationspolitik so gut
liegt. Berechnet wird darin: Wie viele Migranten aus Entwicklungsländern nimmt
ein Land pro Kopf bei sich auf? – Eine solche Aufnahme ist insofern
wichtig, als diese bei uns lebenden Menschen aus den ärmsten Ländern der Welt
ja auch ihre Familien in ihren Heimatländern unterstützen. Und wenn sie die
Möglichkeit haben, zurückzukehren, so tun sie das auch, um eben in ihren
Heimatländern selbst sehr viel an Entwicklungsleistung beizutragen. Diesbezüglich
liegt Österreich auf dem exzellenten vierten Platz, hinter der Schweiz,
Neuseeland und Deutschland, das jedoch in den anderen Bereichen in der Statistik
fast überall hinter uns liegt.
Meine Damen und
Herren, ich glaube, auch darauf können wir stolz sein (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP) – und das zeigt schon
auch, dass die Asylpolitik dieser Bundesregierung ganz offensichtlich eine
ist, die sich sehen lassen kann. Und das muss auch so bleiben! (Beifall bei
der ÖVP.)
Deswegen hat sich
diese Bundesregierung bei Pensionen, bei der Bildung, bei Investitionen in die
Infrastruktur, bei der Erreichung der Kyoto-Ziele, bei einer Umstellung in der
Umweltpolitik dem Ziel Nachhaltigkeit verschrieben, und auf diesem Weg werden
wir weitergehen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)
18.14
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau
Abgeordnete Mag. Trunk. – Bitte.
18.14
Abgeordnete
Mag. Melitta Trunk (SPÖ): Wirklich geschätzter Herr
Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Als aufmerksamer Zuhörerin der
heutigen Vielzahl von Debattenbeiträgen sei mir erlaubt, eine kurze Replik zu
formulieren.
Ich meine, es ist
äußerst bedenklich für den Zustand und die Qualität des Parlamentarismus in
diesem Hause, dass heute hier während dieser Debatte öfter als
46 Mal – ich wiederhole: öfter als 46 Mal! – von
Abgeordneten der FPÖ und ÖVP ein demokratisches Grundrecht in Frage, ein
demokratisches Grundrecht in Abrede gestellt wird, nämlich das Grundrecht, Kritik
zu äußern (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen), weiters
das demokratische Grundrecht, zu streiken, sowie das demokratische Grundrecht,
zu demonstrieren. (Abg. Dr. Rasinger: Bei welcher Debatte war
das?)
Nicht
geschätzte Kollegen mit dem eingeschränkten Verhältnis zu einer sehr
beschränkten Form und Interpretation von Demokratie! Sie sollten doch genauso
wissen, dass die Qualität einer Demokratie nicht daran gemessen werden kann,
was Sie anordnen, unterdrücken, verhindern oder verbieten (Abg. Großruck:
Seien Sie nicht so böse, seien Sie ein bisschen lustiger!), sondern die
Qualität von Demokratie wird daran gemessen, was ermöglicht, gefördert, unterstützt
und zugelassen wird. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich denke, es ist
wichtig, Sie von ÖVP und FPÖ darauf hinzuweisen, denn eines Tages könnte es
andere Menschen, andere Gruppen in unserer Republik Österreich treffen,
Menschen beispielsweise, die der ÖVP oder der FPÖ angehören – und
selbstverständlich haben auch diese Menschen das Recht, Kritik zu üben, zu
demonstrieren und zu streiken. (Abg. Scheibner:
Wir werden Sie daran erinnern! Wir wissen, mit welchen Methoden Sie arbeiten!) Dieses
Grundrecht steht allen zu: allen Menschen in der Republik Österreich, allen
Österreicherinnen und Österreichern sowie allen Menschen aus anderen Ländern,
die bei uns eine Heimat gefunden haben. (Beifall bei der SPÖ und den
Grünen.)
Nun zu einem
Teilbereich dieses Budgets und der Budgetbegleitgesetze, und zwar werde ich
mich in meinen Ausführungen auf das Verhältnis Bundesbudget und Beiträge von
Ländern und Kommunen konzentrieren.
Die „größte Steuerreform in der Geschichte der Zweiten Republik“ hat der – nun abwesende – Herr Finanzminister Karl-Heinz Grasser vor einem Monat vollmundig via TV und ebenso gestern hier bei seiner Budgetrede angekündigt. Allerdings hat er ziemlich kleinlaut verschwiegen, wie diese – unter Anführungszeichen – „größte Steuerreform der Zweiten Republik“ über die Bühne
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gehen soll. Das hat der Herr Finanzminister kleinlaut verschwiegen, aber
Gott sei Dank finden sich Tatsachen und Wirklichkeit im Kleingedruckten der
Gesetzesparagraphen.
Wie will der Herr
Finanzminister das gestalten? – Dabei greift er zurück auf – die
einen würden sagen: Trick, aber das ist, wie ich meine, eine zu liebevolle
Bezeichnung –, sagen wir es so: eine sehr bedenkliche Methode.
Im Jahre 2001
gab es das so genannte Nulldefizit; mit Lorbeeren hat sich der Herr
Finanzminis-ter ja selbst geschmückt. Unbestritten – und das wurde auch
das letzte Mal vom Herrn Finanzminister nicht bestritten – ist die
Tatsache, dass diese Null-Neuverschuldung aus dem Jahre 2001
ausschließlich die Länder und Kommunen getragen haben – und nicht der Bund! (Beifall bei der SPÖ.)
Dieselbe Methode
soll jetzt wieder angewendet werden. Und wie? – In noch unverschämterer
Form als damals, dass nämlich den Gesetzentwürfen des Finanzministeriums
entsprechend der Bund alle neuen Einnahmen kassiert,
und zwar zu 100 Prozent (Zwischenruf bei der ÖVP), alle neuen und
erhöhten Steuern! In diesem Zusammenhang erwähne ich nur die Erhöhung der Mineralölsteuer
und, als Kärntnerin und doch auch für die Wiener sprechend (Abg. Scheibner: Nein! Nein!), die neuen Altlastenbeiträge
für die Müllverbrennung. (Abg. Scheibner:
Für die Wiener dürfen Sie nicht sprechen! Wissen Sie, wie viele Gebühren
angehoben wurden in letzter Zeit?!)
Ich darf Ihnen,
Herr Staatssekretär Finz, den Brief aller Kärntner Bürgermeister, insbesondere
von ÖVP und FPÖ, zu dieser Abgabe überreichen – in der Hoffnung, dass Sie
diesen dem Herrn Finanzminister geben werden. (Die Rednerin übergibt dem auf
der Regierungsbank sitzenden Staatssekretär Dr. Finz ein Schriftstück.)
All diese
Mehreinnahmen und „natürlich“ auch die Selbstbehalte kassiert der Bund. Und was
passiert mit den Ländern? – Alle Kürzungen, beispielsweise die
Lohnsteuerkürzung, betreffen gemeinschaftliche Steuern, und zwar auf Basis von
Ländern und Gemeinden. Das heißt, dort fehlen
die Einnahmen. Diese Einnahmen nehmen Sie den Ländern und Gemeinden weg, und
das ist eine große Summe: In den Jahren 2004 bis 2006 werden das rund 200 Millionen €
sein!
Für meine
Oppositionskritik führe ich hier nun einen ziemlich unverdächtigen Zeugen an,
und zwar möchte ich ein Zitat des Tiroler ÖVP-Landeshauptmannes
bringen, der in seiner Stellungnahme, wie das übrigens in allen Stellungnahmen
aller Länder getan wurde, Folgendes formuliert – ich zitiere – :
Dieser Ansatz,
Länder und Gemeinden an Mindereinnahmen, nicht aber an den Mehreinnahmen zu
beteiligen, widerspricht dem Geist des Finanzausgleichs. Im Übrigen – ich
zitiere immer noch van Staa! – wurden auch keinerlei Verhandlungen auf
politischer Ebene geführt. – Zitatende.
Meine Damen und Herren, was heißt das? – Sie sprechen nicht mit den ÖVP-Landeshauptleuten, Sie sprechen nicht mit den FPÖ-Finanzreferenten etwa in Kärnten, Sie sprechen nicht mit dem ÖGB und Sie haben nicht einmal ein Ohr, Kollegen der ÖVP und Herr Bundeskanzler Schüssel (Abg. Großruck: Wer sagt denn das?), wenn Wirtschaftskammerpräsident Leitl täglich sehr demütig um einen Gesprächstermin fleht und Gesprächskultur fordert.
Sie sprechen mit niemandem! Das ist Gesprächsverweigerung, und daher steht es jedem Menschen in Österreich zu, dagegen und auch gegen diese politischen Methoden des Diktierens statt kreativ partnerschaftlichen Regierens auf die Straße zu gehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Herr abwesender Bundeskanzler und Herr abwesender Finanzminister, ein letzter Punkt: Karl-Heinz Grasser hat im Jahr 2001 gesagt (Abg. Großruck: Das ist ein Landsmann!), er habe keine Leidenschaft dafür, dieses Kriegsgerät anzukaufen. Und weiter, O-Ton Grasser von 2001: Ich werde dagegen sein, mich dagegen aussprechen, und ich werde Anwalt der Steuerzahler sein. – Zitatende.
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Herr Finanzminister, Herr Bundeskanzler und restliches Team dieser Bundesregierung! Wie, mit welchen Argumenten hat es die Waffenlobby geschafft, Sie davon zu überzeugen, dass dieser bedenkliche Text mit den „xx Millionen €“ – es sind nicht drei X, sondern nur zwei – im Budgetbegleitgesetz steht? Und: Mit welchen Methoden haben sie Sie unter derartigen Zeitdruck gebracht? Denn politisch sehr klug ist es nicht, Pensionen zu kürzen, Selbstbehalte einzuführen und gleichzeitig die XX-large-Kriegsgeräte anzukaufen! (Beifall bei der SPÖ.)
18.22
Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste in der Rednerliste ist Frau Abgeordnete Rest-Hinterseer. – Bitte.
18.22
Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte KollegInnen des Hohen Hauses! Ich ersuche die geschätzten Kollegen, sich mit angesprochen zu fühlen, so wie wir Frauen uns oft mit angesprochen fühlen, wenn wir nur mit der männlichen Form apostrophiert werden. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Großruck: Schon wieder ...!) – Schon wieder dasselbe Thema – aber ich setze dort fort, wo Kollegin Trunk aufgehört hat.
Mir ist nämlich auch aufgefallen, woher diese Bundesregierung immer wieder ihre Finanzmittel lukriert. Ich zitiere ebenfalls aus einer unverdächtigen Quelle, nämlich von der Internetseite des Österreichischen Städte- und Gemeindebundes. (Abg. Großruck: Auf welcher Internetseite? Städte- oder Gemeindebund?) Bei der Budgetsanierung 2001 hat der Bund mehr als 2 Milliarden € für sich allein behalten, beim aktuellen Budget ist der Bund allerdings schon wieder bereit, mit den Ländern und Gemeinden zu teilen, und zwar die Verluste bei der Lohn- und Einkommensteuer. 2004 werden auf die Gemeinden 32 Millionen € Verluste, auf die Länder 29 Millionen € Verluste entfallen. Aber auch die Studiengebühren lässt sich der Bund von den Gemeinden mitfinanzieren. Über den Umweg der Absetzbarkeit der Studiengebühren von der Lohn- und Einkommensteuer finanzieren die Gemeinden 13,1 Prozent mit.
Ähnliches gilt für die Familienpolitik: Die Familien
werden über das Kinderbetreuungsgeld und erhöhte Familienbeihilfen gefördert,
allerdings mit dem sehr altbackenen Rezept „Frauen, zurück an den Herd!“. Laut
einer aktuellen Wifo-Studie hat dieses Konzept den längeren Rückzug von Frauen
aus ihren Berufen zur Folge (Abg. Großruck: Steht das auch auf der
Homepage?), ohne eine
verstärkte Beteiligung der Väter an der Kinderbetreuung zu bewirken. Das führt
auch dazu, dass weniger Frauen im Umweg über ihre Erwerbstätigkeit wiederum in
die gemeinschaftlichen Töpfe einzahlen. Das ist also ein dummes Konzept! (Beifall
bei den Grünen.)
Zudem sollte man nicht verschweigen, dass der Familienlastenausgleichsfonds ausgeräumt wird. 35 Millionen € entnimmt der Bund! Wussten Sie, dass er für die administrative Führung des Familienlastenausgleichsfonds 20 Millionen € an Verwaltungskosten verrechnet? Zur Verdeutlichung: Das sind 280 Millionen Schilling! Die Landeshauptleutekonferenz hat das offensichtlich auch nicht besonders lustig gefunden und hat den Konsultationsmechanismus in Gang gesetzt.
Wie Kollegin Trunk schon mit einem Zitat des Herrn Landeshauptmannes van Staa ausgeführt hat, wurden die Länder nicht in die Beratungen mit einbezogen. Trotzdem tun sie mir nicht allzu Leid.
Ein guter früher Abend nach einem langen Tag mit Budgetdiskussionen beginnt mit einem Rätsel: Wer stellt hierzulande den Bundespräsidenten, den Ersten Präsidenten des Nationalrates, den Bundeskanzler, den österreichischen EU-Kommissar, den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes, den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, den Präsidenten des Rechnungshofes, sechs von neun Landeshauptleuten – davon eine Frau! –, 64 von 84 Bezirkshauptleuten, 1 600 von 2 360 Bürgermeistern (Ruf bei der ÖVP: Gute Leute!), die Generaldirektorin des ORF, die Mehrheit im Stiftungsrat des ORF (Abg. Eder: Lauter Schwarze!), den Präsidenten der Wirtschaftskammer, den Präsidenten der Industriellenvereinigung, den Präsidenten der Landwirtschaftskammern, den Generaldirektor der Nationalbank, nahezu den gesamten Füh-
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rungsstab des
Bankensektors und nahezu alle wichtigen politischen Funktionen in sechs von
neun Bundesländern?
Sehr geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Dieser ungeheure Machtapparat (Abg. Schöls: Warum beschimpfen Sie den Wähler?), der auf alle politischen Ressourcen der Republik Österreich zugreifen kann (Abg. Dr. Partik-Pablé: Schreien Sie nicht so am Ende des Abends!), dieser riesige Apparat bringt keine anderen Entwürfe zusammen als die nun vorliegenden: Langweiliges, Phantasieloses, Altbackenes aus der Requisitenkammer der Politik, Wiederaufgetautes, das schon längst – und zu Recht – tief gefroren war. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Ich verstehe die KollegInnen von der Freiheitlichen Partei, dass sie grantig werden, da sie da überhaupt keine Erwähnung finden. Sie müssen sich halt mit parlamentarischer Arbeit wieder in Erinnerung bringen. (Abg. Mag. Posch: Die tun ja nichts!) Es scheint aber so zu sein, dass gute Ideen weniger aus der Sattheit als aus dem Hunger entstehen. Und das scheint auch der Herr Finanzminister gemeint zu haben, als er vom angesetzten Speck gesprochen hat, der die Regierung an der Bewegung hindert. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)
Noch ein Rätsel zum Abschluss: Warum nur um alles in der Welt schlagen so viele Menschen die ausgestreckten Hände des Herrn Bundeskanzlers aus? (Abg. Dr. Partik-Pablé: ... Warum quälen Sie uns so am Abend?) – Ich kann nur vermuten. Ich selbst habe erlebt, dass ausgestreckte Hände von ÖVP-Machtträgern meistens bedeuten, dass sie vorher lange bei guten Ideen abgewachelt haben. (Abg. Scheibner: Wo sind die guten Ideen?) Wenn sie es dann nicht mehr verhindern konnten, haben sie die Ideen an sich gerissen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
18.28
Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte.
18.28
Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Rest-Hinterseer, ich verstehe Ihre Aufgeregtheit und Ihren Neid eigentlich nicht. In einer Demokratie werden politische Funktionen nach den Wahlergebnissen vergeben, oder wollen Sie es vielleicht anders? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Eder: Das sind lauter politische Funktionen!? ... alles Schwarze!)
Meine Damen und Herren! Das gestern im Parlament präsentierte Doppelbudget für die Jahre 2003 und 2004 ist für den ländlichen Raum und die bäuerlich strukturierte Landwirtschaft eine sehr gute Grundlage. Mit dem 3-Milliarden-€-Paket garantieren wir den bäuerlichen Familien Sicherheit bezüglich der öffentlichen Mittel. Diese Sicherheit ist gerade jetzt wichtig, um neue und zukunftsorientierte Schwerpunkte in der Investitionsförderung setzen zu können. Schließlich stehen wir kurz vor der EU-Erweiterung, und unsere bäuerliche Landwirtschaft muss sich rüsten, um im ständig härter werdenden Wettbewerb bestehen zu können.
Unsere Bauern können diese Herausforderung aber nur dann annehmen, wenn sie von der Gesellschaft, also von uns allen, dabei entsprechend unterstützt werden, denn letztendlich profitieren wir alle davon, dass unsere bäuerlichen Produkte von höchster Qualität sind.
Aber es ist nicht nur die Markenqualität, die unsere
bäuerliche Produktion auszeichnet, es sind auch das gute Wasser und die gute
Luft. Unsere Kulturlandschaft wird von den Bauern geschützt und umsichtig
gepflegt. Unsere Bauern wissen um ihre Verantwortung (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber:
Und Bäuerinnen!), daher müssen auch wir in diesem
Haus unsere Verantwortung, für die oft mühsame Arbeit der Bauern ein
angemessenes Einkommen sicherzustellen, wahrnehmen. Es ist meiner Meinung nach
billig und polemisch, öffentliche Zuwendungen für die Landwirtschaft zu
kritisieren. Wir würden es uns zu einfach machen, die Ausgleichszahlungen in
Bausch und Bogen zu verurteilen. Das ist kurzsichtig und hat mit der Realität
in der bäuerlichen Welt nichts zu tun! (Beifall bei der ÖVP und bei
Abgeordneten der Freiheitlichen.)
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Die
österreichischen Bauern (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber:
Und Bäuerinnen!) mussten mit dem Beitritt zur
Europäischen Union erhebliche Einkommensverluste, Erlösverluste bis zu einem
Drittel hinnehmen. Umso wichtiger ist es daher, dafür zu sorgen, dass jeder
Euro aus Brüssel, der uns zusteht, dort auch abgeholt wird – und unser
Landwirtschaftsminister, Dipl.-Ing. Josef Pröll, ist Garant dafür, dass
dies auch geschieht!
Die
Ausgleichszahlungen sind weiters eine gewisse Abgeltung für die niedrigeren
Produktpreise, die wir Bauern nun bekommen – mir als Bauern wäre ein
gerechterer und damit höherer Produktpreis wesentlich lieber (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Und Bäuerinnen!), weil er auch unserem bäuerlichen Denken entspricht. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sagen Sie doch: „Mir als Bäuerin“!) Der Weg über
die Ausgleichszahlungen ist zwar nur der zweitbeste, aber der derzeit einzig
gangbare Weg.
In einem
durchschnittlichen österreichischen Betrieb werden nicht einmal 20 Hektar
bewirtschaftet, auch wenn uns gestern von den Grünen hier im Hohen Haus ein
Betrieb mit rund 2 500 Hektar als Muster und Vorbild vorgegaukelt
wurde. Ich rate diesen Kolleginnen und Kollegen, sich einmal intensiv mit der
Struktur unserer bäuerlichen Landwirtschaft auseinander zu setzen! Oder schlägt
ihr Herz vielleicht für jene Großbetriebe, die in den ehemaligen kommunistischen
Ländern übrig geblieben sind?
Für mich drängt
sich da schon die Frage auf, ob Sie sich dessen bewusst sind, wie der Lebensunterhalt
aus bäuerlicher Arbeit verdient werden kann. – Sie haben wohl noch nie in
der Landwirtschaft gedient, sondern höchstens an der Landwirtschaft verdient.
(Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Meine Damen und
Herren! Diese Geisteshaltung erklärt auch, warum beide Oppositionsparteien in
den Gesprächen über eine eventuelle Regierungsbeteiligung die öffentlichen
Mittel für die Landwirtschaft nicht sicherstellen wollten, sondern vielmehr
wesentlich höhere und schärfere Auflagen gefordert haben. Wohin das im
ländlichen Raum führt, sehen wir im rot-grünen Deutschland.
So nicht, meine
Damen und Herren von den Oppositionsparteien! Wir werden den positiven Weg
unserer Bundesregierung konsequent unterstützen und fortsetzen. (Beifall bei
der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
18.32
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr
Abgeordneter Mag. Moser. Ich erteile ihm das Wort.
18.33
Abgeordneter
Mag. Hans Moser (SPÖ): Herr Präsident! Herr
Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich halte es für ein wichtiges
Ziel, dass Österreich den dritten Rang in Bezug auf Wirtschaft und
Arbeitsplätze in Europa zu erreichen anstrebt. Aber noch viel wichtiger ist
es, dass wir jenes soziale Klima und jene Lebensqualität erhalten, die wir in
den letzten 30 Jahren für Österreich schaffen konnten. (Beifall bei der
SPÖ.)
Wenn gestern
Finanzminister Grasser wieder eine internationale Ranking-Agentur zitiert hat,
derzufolge sich der Wirtschaftsstandort Österreich massiv verbessert habe, dann
ist das nur ein Hinweis. Es gibt aber auch viele andere Rankings, in denen
es umgekehrt gesehen wird. Bei Michael Porters Ranking für das „World Economic
Forum“ zum Beispiel stagniert Österreich, in anderen wie dem „European
Innovation Scoreboard“ fällt Österreich sogar zurück.
Viel wichtiger als
derartige Einschätzungen ist aber die Realität. Ich habe mir die Erfolge der österreichischen
Ansiedlungsgesellschaft Austrian Business Agency angeschaut. Da ist festzustellen,
dass sich innerhalb der letzten drei Jahre – von 2000 auf 2002 – die
Fälle halbiert haben, ebenso die Investitionen beziehungsweise die Zahl der
Arbeitsplätze, die damit geschaffen wurden. Und das ist für mich neben dem
Konjunktureinfluss ein wesentlicher Indikator dafür, dass das Ausland das
Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Österreich verloren hat, was wiederum für
die Bewertung ein wichtiger Punkt ist.
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Zu einem zweiten
Punkt: Der Herr Finanzminister, der nun nicht mehr anwesend ist, hat gestern in
seiner Rede sehr ausführlich dargestellt, dass der Staat ein schlechter
Unternehmer sei. Wenn man sich anschaut, was in den letzten drei Jahren (Ruf bei der ÖVP: 30 Jahren!) passiert
ist, welche Spitzenmanager vorzeitig aus ihren Funktionen entfernt wurden,
Manager, die jetzt, aber auch schon vorher in der Privatwirtschaft sehr
erfolgreich waren und sind – etwa Draxler von der ÖBB, ich könnte aber
auch viele andere nennen –, dann ist das natürlich ein Signal! Solche
Leute werden abgelöst, schlechtere beziehungsweise nicht so ausgewiesene eingesetzt,
und dann wird der Staat als schlechter Eigentümer dargestellt!
Das ist rein ideologisch orientierte Politik! Die Situation wird so
ausgenützt, dass der Staat als schlechter Eigentümer dargestellt werden kann. (Beifall
bei der SPÖ.)
Wir halten fest: Das ist nicht professionelle Corporate Governance, das
ist ein ideologisch orientiertes Zerschlagen von Unternehmen!
Für uns Sozialdemokraten ist die Eigentumsfrage keine ideologische
Frage, für uns ist es immer eine Frage der Zweckmäßigkeit. (Abg. Großruck: Seit wann?) –
Zumindest seit 1986! Und das sollte man, glaube ich, auch so beibehalten.
Mit der Änderung des ÖIAG-Gesetzes will man nun wieder eine Vielzahl
unterschiedlicher Ziele erreichen, überfordert das Ganze aber. Ein Ziel ist mir
besonders aufgefallen – und ich kann es trotz immerhin zehnjähriger
Erfahrung in der Industrie überhaupt nicht verstehen! –, nämlich das Vorhaben,
durch einen Unternehmensverkauf den Unternehmenswert zu steigern. Jeder
Vernünftige würde den Unternehmenswert vorher steigern und erst dann
verkaufen, damit höhere Erlöse für das Unternehmen und für den Staat
Österreich erzielbar sind. (Abg. Amon: Das stimmt aber nicht immer!)
Was aber macht Bundesminister Grasser? – Er holt sich in den
nächsten zwei Jahren von der ÖIAG 300 Millionen € an Dividende. Das
ist an sich nichts Schlechtes, aber in diesem Fall bedeutet das eine
Veränderung der Schuldenstruktur: Die ÖIAG muss nämlich diese 300 Millionen €
aufnehmen, damit sie die Dividende abführen kann! In Wirklichkeit ist das also
eine versteckte Kreditaufnahme des Bundes und dient eigentlich nur zur
Kosmetik des Budgets. (Beifall bei der SPÖ.)
Leider ist der Herr Finanzminister nicht mehr anwesend! (Abg. Mag. Posch: Gott sei Dank!) Wenn man ein börsenotiertes Unternehmen
zum Verkauf ankündigt, dann hat das dramatische Auswirkungen auf die
Kursentwicklung. Im Bereich US-amerikanischer Firmen kann das, wenn es
gleichzeitig zu einer Beeinflussung durch den Eigentümer oder zu mangelnder
Information der anderen Aktionäre kommt, zu strafrechtlicher Verfolgung führen!
In Österreich führt es dazu, dass der Kurs verfällt, dass Spekulanten Tür und
Tor geöffnet wird.
Angeblich hat der Herr Minister – und das wollte ich ihn hier
persönlich fragen – angeordnet, schnell zu verkaufen, bringe es, was es
wolle. (Staatssekretär Dr. Finz: Stimmt nicht!) – Wenn
dem so ist, dann würde das gemäß einer einfachen Berechnung bedeuten, dass wir
damit mindestens 2 Milliarden € praktisch in den Sand setzen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute viele Werbeslogans
aus der gestrigen Budgetrede gehört, sie wurden auch schon ausreichend
kommentiert. Ich werde versuchen, einen etwas anderen Ausstieg zu machen, ich
möchte Albert Einstein zitieren (Abg.
Mag. Posch: Was hat der mit der
Regierung zu tun?), der gesagt hat – ich zitiere –:
„Kein Ziel ist so hoch, dass es unwürdige Methoden rechtfertige.“ –
Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ellmauer: Der hat einen längeren Bart gehabt, der Einstein!)
18.38
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr
Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte. (Abg.
Mag. Posch: Einstein und die
Regierung, das ist ein gewagter Vergleich!)
18.39
Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Lack ist ab!, hat Herr Kollege Gartlehner vor kurzem hier ...
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(Abg. Mag. Posch: Das
stimmt!) – Das stimmt! Der Lack ist ab, und zwar von der sozialistischen
Budgetpolitik des letzten Jahrhunderts (ironische
Heiterkeit bei der SPÖ),
denn wir stehen heute wesentlich besser da als 1999, meine Damen und Herren
von der SPÖ! Das sollten Sie anerkennen! (Beifall bei der ÖVP und bei
Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Noch nie gab es so
viele Beschäftigte wie an diesem 1. Mai – sie haben wirklich Grund zu
feiern, meine Damen und Herren. Erstmals in der Zweiten Republik haben wir ein
positives Handelsbilanzergebnis – wir können mit Recht stolz darauf
sein. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) 28 000 neue Unternehmer konnten wir im letzten Jahr
verzeichnen – es gab noch nie so viele Betriebsgründungen in diesem Land!
Tatsache ist: Der
Lack ist ab! Es hat eine andere Politik in diesem Lande begonnen.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Wir sollten gemeinsam auf diese erfolgreiche Wirtschaftspolitik,
auf diese erfolgreiche Regierungspolitik des Kabinetts Schüssel I, dem wir
unsere heutige Position verdanken, stolz sein. (Beifall bei der ÖVP.)
Mein Vorredner hat
Zeugen für die Situation der österreichischen Wirtschaft angeführt – er
hat nur die falschen genannt. Nennen Sie den Währungsfonds, nennen Sie die
OECD, nennen Sie die Europäische Kommission: Sie alle stellen Österreich ein
hervorragendes Zeugnis aus, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall
bei der ÖVP.)
Der vorliegende
Budgetentwurf ist tatsächlich die Garantie für eine weitere gute Entwicklung
des Wirtschaftsstandortes Österreich. Ich weiß, die Wirtschaft ist nicht alles,
aber ohne eine erfolgreiche Wirtschaft ist vieles in diesem Land nicht
möglich. (Zwischenruf des Abg. Eder.)
Meine Damen und
Herren, ich begrüße daher die Ansätze, die die Wirtschaft betreffen, wie etwa
die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik, wobei wir uns bemühen werden,
das Arbeitsmarktservice zu einem leistungsfähigen Dienstleistungsunternehmen
umzubauen. Ich begrüße die Steuerreform, die vor allem Klein- und
Mittelbetrieben zugute kommt, weil diese Klein- und Mittelbetriebe einen
direkten Nutzen aus dem Konsum werden ziehen können. Diese Steuerreform, die
heuer beginnt und im nächsten Jahr in entsprechendem Umfang auch Wirkung zeigen
wird, ist der erste Schritt zu einer Senkung der Abgabenquote, die wir, die
diese Regierung bis 2010 auf 40 Prozent fortführen wird.
Herr Kollege
Mitterlehner hat gemeint, die Maßnahmen bezüglich der nicht entnommenen Gewinne
seien ein wesentliches Signal für die Wirtschaft. Wir haben 20, 30 Jahre
gegen die Diskriminierung des Eigenkapitals in den Betrieben gekämpft. Diese
Regierung setzt die Entdiskriminierung des nicht entnommenen Gewinnes um.
Das sind vielleicht keine gewaltigen Auswirkungen, aber es ist ein Signal für
die Wirtschaft.
Ich könnte die
Liste dieser Leistungen für die Wirtschaft fortsetzen. Es ist die Fortsetzung
eines gelungenen Erfolgmodells. Sie sollten das anerkennen, und Sie sollten es
auch unterstützen, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist zum Wohle von
uns allen! (Beifall bei der ÖVP.)
Was aber macht die
Opposition? – Sie betet die Leistungen krank, sie betet das Land krank,
weil das, was nicht sein kann, auch nicht sein darf, da es Ihnen nicht
entgegenkommt. Ich sage Ihnen Folgendes: Wenn hier mehrere Redner der SPÖ die
zweite und die dritte Säule öffentlich in Misskredit bringen, so wird es diese
Instrumente nicht stärken, da kann ich Ihnen Recht geben. Aber es ist
unverantwortlich, wenn Sie das hier tun! (Beifall bei der ÖVP. –
Zwischenrufe bei der SPÖ.) Diese Ihre Ausführungen hier werden den
Wirtschaftsstandort Österreich nicht schwächen, das gebe ich zu. So wichtig
sind sie nämlich nicht.
Dramatische Auswirkungen aber können tatsächlich die Streikaufrufe des ÖGB für die österreichische Wirtschaft haben, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir leben heute in einer arbeitsteiligen Wirtschaft, und wir wissen von Unternehmen, die bereits ihre Standortpolitik überdenken. Wenn nämlich ein Standort, der ganz Europa beliefert, mehrere Tage lahm gelegt ist, so ist die Verlässlichkeit des Wirtschaftsstandortes Österreich ernsthaft in Frage gestellt. Diese Aktionen – Herr Präsident Verzetnitsch, das wissen Sie – gehen an die falsche Adresse.
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 143 |
(Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch.) Als überzeugter
Anhänger der Sozialpartnerschaft bitte ich Sie: Nehmen Sie den Sozialpartner
nicht in Geiselhaft, er kann nichts dafür! (Abg. Gaál: Sagen Sie das
dem Herrn Schüssel!)
Herrn Gusenbauer
hätte ich gerne gesagt: Olah – und nicht Benya – hat gesagt, es wird
nur Verlierer geben, mit Streiks kann man eine Pension nicht erhöhen.
Aber all das ist
noch nicht der Höhepunkt. Betroffen gemacht hat mich als Wirtschaftsvertreter
wirklich eines: die Heiterkeit, ja die Fröhlichkeit, die heute hier von der
SPÖ-Fraktion ausgegangen ist, wenn über die Schäden, die Firmen durch diesen
Streik erleiden, berichtet wird. Für diese Heiterkeit sollten Sie sich schämen,
meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Marizzi: ... die
Menschen betrifft!) Das stärkt den Wirtschaftsstandort nicht, das ist nicht
in Ordnung. Es ist Ihnen 46-mal gesagt worden, und ich sage es Ihnen ein
47. Mal: Diese Heiterkeit ist nicht in Ordnung! (Abg. Eder:
... Heiterkeit von Grasser!)
Frau Kollegin
Bures hat vom erfolgreichen Weg Österreichs gesprochen. Es zeigt, dass Ihnen
dieser erfolgreiche Weg Österreichs nicht am Herzen liegt. Er bedeutet Ihnen
gar nichts.
Denn: Zukunft
braucht Verantwortung, und Sie sind nicht in der Lage, diese Verantwortung zu
tragen! (Beifall bei der ÖVP.)
18.44
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr
Abgeordneter Mag. Hoscher. Ich erteile ihm das Wort.
18.45
Abgeordneter
Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Sehr geehrter Herr
Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Einige Anmerkungen zur
gestrigen Budgetrede des Herrn Finanzministers, weil es doch, glaube ich,
wert ist, ein bisschen zu beleuchten, welche ideologische Haltung dahinter
steckt.
Unter anderem hat
der Finanzminister den Nobelpreisträger Hayek zitiert, und zwar ausgerechnet
mit dessen Aussage, dass sich Armut nicht durch Umverteilung des vorhandenen
Wohlstands beseitigen lässt. Ich glaube, gerade dieses Zitat – sozusagen
ideologisch – der Opposition entgegenzuhalten ist ein äußerst starkes Stück.
Wenn Sie Hayek lesen oder Hayek gelesen hätten – als Nationalökonom tut
man das eben –, dann wüssten Sie, dass im Mittelpunkt der Systemkritik von
Hayek planwirtschaftliche kommunistische Systeme stehen, aber nicht die soziale
Marktwirtschaft, wie sie Kollege Tancsits heute dankenswerterweise erwähnt hat.
Bezüglich dieser sozialen Marktwirtschaft darf ich daran erinnern, dass
derselbe Hayek bereits Mitte der fünfziger Jahre wörtlich erklärt hat, dass
diese soziale Marktwirtschaft eine eindrucksvolle Wiederbelebung des
Wirtschaftsliberalismus ist. (Abg. Amon: ... nicht verstanden!)
Wenn aber
tatsächlich Armut nicht durch Umverteilung von vorhandenem Wohlstand beseitigt
werden soll – und ich glaube, das ist die Geisteshaltung, die hinter all
dem steckt –, dann frage ich mich, warum wenige Minuten später derselbe
Finanzminister in derselben Budgetrede die ohne Zweifel hervorragenden
Leistungen der Österreicherinnen und Österreicher bei der Spendenbereitschaft
im Zuge der Hochwasserkatastrophe lobt. Diese Spendenbereitschaft ist doch ein
Musterbeispiel für Umverteilung von vorhandenem Wohlstand! Aber genau darin
liegt offensichtlich der ideologische Unterschied zwischen uns: Worum es uns
geht, ist nicht die Umverteilung primär durch private Spendenleistungen,
sondern Umverteilung so, dass ein Rechtsanspruch darauf besteht. Wir wollen
doch nicht sozial Schwache zu Bittstellern und Almosenempfängern machen! (Beifall
bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.)
Vollste Zustimmung hingegen zu einer anderen Aussage des Herrn Finanzministers, nämlich zu jener, dass in konjunkturschwachen Zeiten Defizite sinnvoll sind: Jawohl! Ich gratuliere zu dieser Erkenntnis, weil dies erstmals ein öffentliches Bekenntnis der Bundesregierung zu einer antizyklischen Budgetpolitik ist! Ich frage mich nur: Wo war genau diese antizyklische Budgetpolitik in den letzten drei Jahren? In den letzten Jahren hatten wir nämlich eine extrem schwache Konjunkturentwicklung, doch im Mittelpunkt der Budgetpolitik stand das Nulldefizit – das
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wird jetzt ersetzt durch ein anderes Schlagwort, nämlich
„die größte Steuerreform aller Zeiten“. Vom Gegensteuern war in den letzten
drei Jahren nichts zu bemerken. (Beifall bei der SPÖ.)
Da schließt sich
der Kreis zur ebenfalls zitierten EU, denn durch diese Budgetpolitik wird auch
die große Chance vergeben, die EU beispielsweise jetzt im Zuge der Diskussion
um den Lissabon-Prozess zu stärken, wo Vollbeschäftigung im Mittelpunkt steht,
wo nachhaltiges Wachstum im Mittelpunkt steht und wo sozialer Zusammenhalt im
Mittelpunkt steht. Von all dem haben wir weder in den letzten drei Budgets noch
in den vorliegenden beiden Budgets etwas bemerkt.
Weil das rote
Licht bereits leuchtet, noch ein letztes Wort zu einer ebenfalls gestern
gefallenen Bemerkung, nämlich „Der Speck muss weg!“ In Richtung Bahn ist diese
Äußerung gefallen, und dazu ein Satz, der ein bisschen zum Nachdenken anregen
soll: Dieses angebliche „Der Speck muss weg!“ hat in den letzten zehn Jahren in
der Europäischen Union rund 500 000 Arbeitsplätze gekostet! (Beifall
bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.)
18.48
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr
Abgeordneter Großruck. Ich erteile ihm das Wort. (Abg. Öllinger: Das
geht jetzt wahrscheinlich zur Brau-AG-Fusion!)
18.49
Abgeordneter
Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr
Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Vorerst erlaube ich mir, ein
persönliches Versprechen einzulösen, das ich Frau Kollegin Moser von den Grünen
gegeben habe. Sie ist jetzt leider nicht anwesend, aber sie wird es im
Protokoll nachlesen können. (Abg. Öllinger: Wir sagen es ihr sofort!)
Sie hat sich bei meinem letzten Redebeitrag sehr betroffen gefühlt, in dem ich,
da ich anscheinend falsche Zahlen von ihr gehört habe, ihr mathematisches
Unverständnis vorgeworfen habe. Ich wollte sie natürlich nicht persönlich
beleidigen und ziehe das mit Bedauern zurück, damit das auch öffentlich
erledigt ist. (Allgemeiner Beifall.) Ich habe ihr versprochen, dass ich
das tun werde.
Meine Damen und
Herren! Den ganzen Tag verfolgt uns heute ein Thema, das ist die Pensionsdiskussion.
Mein Zugang dazu ist in den achtziger Jahren begründet. Mitte der achtziger
Jahre hat ein österreichischer Unternehmer – ein Kettenfabrikant, Franz
Kohmaier hat er geheißen – ein Buch herausgegeben, in dem das
dringestanden ist, und zwar unter dem Titel „Adam Riese schlägt zurück“. Er hat
darin bereits vor mehr als 15 Jahren die Pensionsproblematik aufgerollt
und in seinem Buch genau das recherchiert und vorhergesagt, worüber wir heute
diskutieren.
Ich war damals
noch nicht im Parlament, habe aber die Diskussion verfolgt. Ich habe verfolgt,
wie es geheißen hat: Das ist ein Spinner, der da gewisse Utopien hat, das ist
skurril, was er sagt. Heute hat uns die Realität eingeholt. Ich habe auch
verfolgt, wie die damaligen Sozialminister reagiert haben. Sie haben gesagt,
dass seien Träume, soziale Träume, die der Herr hat. Kein Dallinger, kein
Geppert, kein Hesoun und kein Hums haben dieses Problem aufgegriffen, alle
haben gesagt: Unser Pensionssystem ist in Ordnung (Abg. Eder: Ist es
ja auch!), alles paletti, und das Umlageverfahren, das wir haben, löst
alles. (Abg. Gaál: Falsch!) Da habe ich ihnen Recht gegeben: wenn
auch die Parameter passen, die dazugehören – wenn wir genug Beitragszahler
haben, wenn wir entsprechend lange Zeiten der Erwerbstätigkeit haben –,
dann stimmt das!
Das System kommt
aber zum Kippen, wenn die Parameter nicht mehr passen, nämlich: mehr Schüler,
mehr Jugendliche in Ausbildung, weniger Beitragszahler, mehr Pensionisten durch
längere Lebenszeit und mehr Pensionisten durch ein früheres
Pensionsantrittsalter. Dann kann diese Rechnung nicht mehr aufgehen, das weiß
jeder. Ich halte es Frau Sozialministerin Hostasch zugute, dass sie die Erste
herinnen im Hohen Haus war, die diese Problematik aufgegriffen und zugegeben
hat, dass hier etwas passieren muss – um 10, vielleicht um 15 Jahre
zu spät!
Deshalb führen wir heute die Diskussion, die notwendig ist. Wenn wir nämlich heute nichts tun, wenn wir heute keine Maßnahmen treffen, dann wird sich diese Schere immer mehr verschärfen, wird sie immer weiter auseinander klaffen, und dann werden wir deutsche Verhältnisse bekommen: dass die Gewerkschaft gegen den eigenen sozialistischen Kanzler vorgeht, weil sie
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seine notwendigen Sozialmaßnahmen
nicht mehr mitträgt, die für Deutschland notwendig sind. Dabei beneiden sie uns
in Österreich darum, dass wir diese Pensionsreformen noch in einer relativ
guten Phase machen. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und
Herren von der Opposition! Deshalb finde ich es unverantwortlich, wenn Sie hier
die Österreicher mit ihrer Werbung in Geiselhaft nehmen. Sie laden sie zur
Geisterbahnfahrt ein, Sie sagen: „Kommen Sie zu mir in die Geisterbahn, in der
ersten Reihe sitzen Herr Gusenbauer und der Gewerkschaftsboss“, dann geht es in
das Loch hinein, und dort fürchten sich alle.
Das ist ein
falscher Zugang! Wir sind hier, um Probleme zu lösen und um der Jugend zu sagen –
und ich appelliere, das auch zu tun –: Liebe Jugend, nur diese Reformen,
die wir beschließen werden und denen in der Debatte vielleicht noch der eine
oder andere Zahn gezogen wird, garantieren auch der heutigen Jugend, dass sie
später einmal eine Pension bekommen wird. Das ist der Zugang, den wir haben. (Beifall
bei der ÖVP.)
Ein heutiger
Pensionist braucht überhaupt keine Angst zu haben! Deshalb verstehe ich auch
die Beschwerdebriefe der Pensionistenverbände überhaupt nicht, die reihenweise
eingehen. Sie beschweren sich über die Pensionsreform. Deren Pension ist
gesichert, das möchte ich auch feststellen! Worum es aber geht, ist, dass die
Pensionen der heutigen Jugend bis 30, 35, 40 gesichert sind. Darum geht es, und
das ist verantwortungsvolle Politik, nicht jedoch Politik wie bei Gusenbauer:
Länger studieren, kürzer arbeiten, früher in Pension gehen, längere Pension:
das heißt höhere Pension. Diese Rechnung geht nicht auf, meine Damen und
Herren!
Deshalb ist diese
Regierung sehr verantwortungsvoll. Es wäre hier leichter, Almosen zu verteilen,
Pensionistenbriefe hinauszuschicken und die Jugend zu beruhigen, aber das ist
der falsche Zugang. Wir schenken reinen Wein ein! Herr Gusenbauer ist angeblich
ein Spezialist für reinen Wein: Er weiß, dass der reine Wein vielleicht nicht
immer so gut schmeckt wie ein Cuvée, wie ein Verschnitt, bei dem man nicht
weiß, was drinnen ist, aber bei einem reinen Wein ist wahrscheinlich
garantiert, dass ich am nächsten Tag nicht Kopfweh habe. Bei einem anderen, bei
dem ich nicht weiß, was drinnen ist, bekomme ich Kopfweh, und das wollen wir
nicht. Wir wollen, dass die Österreicher einen klaren Kopf haben und nicht
wegen Verwässerung mit irgendwelchen anderen Dingen schließlich nicht mehr
wissen, wo es langgeht. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und
Herren! Ich komme mit einem Vierzeiler zum Schluss:
Sorgen von der
Früh bis spät
plagen den Kanzler
und Herrn Fred,
dem einen geht es
um die Pension,
dem anderen um den
Côtes du Rhône.
(Beifall und
Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
18.55
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu Wort gelangt
Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte.
18.55
Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Kollege Großruck, Sie
schenken den jungen Leuten nicht reinen Wein ein, sondern Sie wollen die jungen
Leute bei Wasser und Brot darben lassen in der Pension! (Beifall bei der
SPÖ. – Abg. Dr. Brinek: Mein Gott! – Weitere Zwischenrufe
bei der ÖVP.)
Schön reden,
schönreden – es war gestern eine „schöne“ Rede. (Abg. Dr. Trinkl:
Und Sie tun krankbeten!) Wenn man so zugehört hat, hat man den Eindruck
gehabt, es ist alles schön, alles wird immer schöner: mehr Geld für die
Ausbildung, mehr Geld für die Pensionen, mehr Geld für die Infrastruktur, mehr
Geld für die Umwelt, mehr Geld für alles! Er hat auch brav alle Ressortchefs
aufgezählt und sich bedankt, er hat eine ganz artige, schöne Rede gehalten.
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Aber in
Wirklichkeit hat er die Lage schöngeredet, nämlich im zweiten Sinne des
schön Redens. Diese Zahlenspielereien, die hier aufgeführt werden ... (Abg.
Dr. Rasinger: Das müssen Sie uns erklären!) Kanzler Schüssel
hat vollkommen zu Recht gesagt: Wenn ich die Defizite vergleiche, kann ich
nicht absolute Zahlen vergleichen. Nämlich heuer noch umgerechnet über
50 Milliarden Schilling kann man natürlich nicht mit den siebziger oder
achtziger Jahren vergleichen, sondern so etwas kann man nur in Prozent des
Bruttoinlandsprodukts vergleichen. Damit hat er Recht, es wäre sicher ganz
falsch von uns, wenn wir die absoluten Zahlen vergleichen würden.
Aber im nächsten Atemzug sagt er dann: man kann den Bundeszuschuss für
die Pensionen nur in absoluten Zahlen vergleichen – was natürlich auch
ein Schwachsinn ist. Ich kann genauso ... (Abg. Mag. Mainoni:
Hallo! Das darf man nicht einreißen lassen!)
Präsident Dr. Heinz Fischer: Ein bisschen höflicher, hoffe ich,
ja?
Abgeordneter Kai Jan Krainer (fortsetzend): Das Wort
„Schwachsinn“ – eigenartig oder genauso unfair und genauso ungerecht,
wie er das bei den Schulden zu Recht beklagt. Ich kann natürlich auch nur den Bundeszuschuss
des Jahres 2003 oder 2004 mit den Jahren davor in Prozent des BIP
vergleichen. Wenn wir diesen Vergleich anstellen, dann sinkt dieser Bundeszuschuss,
und alle anderen Zahlenspielereien mit den absoluten Zahlen gehen ins Leere,
weil sie falsch sind! (Ruf bei der ÖVP: Stimmt auch nicht! – Weitere
Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
„Sand in die Augen
streuen“: Klubobmann Molterer hat gemeint, wir würden „Sand in die Augen streuen“. –
Was wir machen, ist nicht, Sand in die Augen zu streuen, sondern den Nebel
Ihrer Propagandamaschinerie ein bisschen zur Seite zu räumen. Das stört Sie
vielleicht, denn all die Zahlen, die in den Zeitungen stehen, all die
Beispiele, die wir berechnen, berechnen wir ausschließlich auf Grund der Zahlen,
die vorher im Begutachtungsentwurf standen und die jetzt in der
Regierungsvorlage stehen. Das ist die Grundlage all dieser Berechnungen. (Abg.
Dr. Rasinger: Wer hat Ihnen diese Rede geschrieben?)
Diese Berechnungen
sind richtig, und Sie haben noch keine einzige dieser Berechnungen korrigieren
können, weil sie nämlich alle richtig sind. Das stimmt schon, dass da
Horrorzahlen drinstehen. Aber die Horrorzahlen stehen nicht drin, weil wir
nicht rechnen können, sondern die Horrorzahlen stehen drin, weil diese
Regierungsvorlage einfach ein Horror ist und Horrorzahlen ergibt, wenn man es
nachrechnet! (Beifall bei der SPÖ.)
Wenn Sie sagen, gerade für die 30-, 35-Jährigen – in dem Alter
befinde ich mich – ist das eine sichere Pension. Wenn man sie um 25, 30
und teilweise über 40 Prozent kürzt, dann weiß ich nicht, was das mit
einer sicheren Pension zu tun hat. Das hat etwas damit zu tun, dass ich in der
Pension sicher zu wenig Geld haben werde, um davon zu leben. (Abg. Amon:
Und wenn wir länger warten, verlieren Sie noch mehr!)
Sie kommen immer mit dem Drei-Säulen-Modell daher. Schauen wir uns das
Drei-Säulen-Modell einmal an! Fangen wir an bei der ersten Säule, die Sie
immer als „staatliche Säule“ titulieren und etikettieren. Das vergleiche ich
jetzt mit dem ASVG, das 80 Prozent der Österreicher betrifft. Was ist denn
das anderes als ein Drei-Säulen-Modell?! Da zahlt jeder Arbeitnehmer einen
Beitrag, es zahlt sein Betrieb einen Beitrag, und es gibt einen Zuschuss vom
Staat. Das ist ein Drei-Säulen-Modell! (Abg. Amon: Wer ist denn der
Staat?) Die Steuerzahler, Sie und ich, natürlich! (Abg. Amon: Ach
so, noch einmal?)
Aber Entschuldigung, das ist ein Drei-Säulen-Modell: der Arbeitnehmer
leistet nämlich einen Beitrag von 40 Prozent, der Arbeitgeber einen von
40 Prozent, und der Staat einen ganz kleinen Anteil von 20 Prozent.
Wie Sie das zu einer staatlichen Säule umfunktionieren können, ist mir ein
Rätsel.
Die zweite Säule, die so genannte betriebliche Vorsorge, ist die
Abfertigung. Ich war immer der Meinung, die Abfertigung gehört dem
Arbeitnehmer – jetzt ist es plötzlich eine betriebliche Pension. Das ist
eine absolute Enteignung! Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. (Abg. Kopf:
Wer zahlt sie denn?) Das ist die Abfertigung, und die gehört dem Arbeitnehmer.
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Die dritte Säule
ist die einzige Säule, bei der wenigstens der Name stimmt, den Sie dem Ganzen
geben. (Abg. Kopf: Wer zahlt sie denn?) Das zahlt sich nämlich
wirklich jeder selbst.
Wenn Sie nach Konzepten fragen, dann kann ich sagen: Es gibt bessere Konzepte! – Unser Konzept hat in vier Punkten ganz entscheidende Vorteile gegenüber Ihrem Konzept.
Erstens: Es beinhaltet die Harmonisierung, die Sie auf irgendwann verschieben wollen, bereits ab 1. Jänner 2004.
Zweitens: Die Aufwertungsfaktoren werden ehrlich berechnet und gewährleisten eine ehrliche Aufwertung, damit nämlich nicht das geschieht, was gemäß Ihrem Modell geschieht, nämlich die kalte Enteignung, wie es der von Ihnen gern zitierte Pensionsexperte Bernd Marin bezeichnet hat. – Das ist bei uns auch nicht der Fall.
Der dritte große Vorteil ist, dass die Kindererziehungszeiten der Frauen und auch der Männer – denn es gibt auch Männer, die ihre Kinder erziehen – wesentlich ehrlicher und besser bewertet werden als in Ihrem Modell. Bei Ihnen ist es nämlich im Gegensatz zu uns so, dass die Zeiten für Präsenzdiener wesentlich höher bewertet werden als Kindererziehungszeiten. Das ist bei unserem Modell nicht der Fall. Bei unserem Modell werden die Kindererziehungszeiten danach bewertet, wie die Einzahlungen vorher waren, und nicht mit dem Eineinhalbfachen des Ausgleichszulagenrichtsatzes.
Der vierte große Unterschied ist, dass unser Modell sozial gerechter ist. Etwas konnten Sie uns nämlich bis heute nicht erklären, und zwar, wieso es bei jemandem, der in einem Jahr in Pension gehen und eine sehr kleine Pension beziehen wird, in Ordnung ist, dass dieser durch eine 10-prozentige beziehungsweise 15-prozentige Pensionskürzung einen Beitrag leisten kann, damit dieses Pensionssystem finanzierbar bleibt, hingegen aber jemand, der bereits vor einem Jahr in Pension gegangen ist und eine sehr hohe Pension genießt, keinen Beitrag leisten kann. – Unser Konzept weist auch diesbezüglich eine soziale Komponente auf, die Ihr Konzept vollkommen vermissen lässt. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)
Deswegen möchte ich Sie auffordern, dass Sie Ihren eigenen Entwurf zurückstellen – vielleicht kommen Sie doch noch darauf, dass es eine vernünftigere Möglichkeit einer Pensionsreform gibt –, damit wir bis 30. September auf Grundlage auch unseres Vorschlages ein vernünftiges Konzept gemeinsam mit den Sozialpartnern erarbeiten können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
19.02
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Wolfmayr. – Bitte.
19.02
Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Das Budget für Kunst beträgt für die Jahre 2003 und 2004 rund 220 Millionen €, wobei der Anteil der Bundestheater mit rund 138 Millionen € mit eingerechnet ist. Das operative Budget beträgt somit rund 82 Millionen €. Eine zahlenmäßige Verringerung gegenüber dem Voranschlag aus dem Jahr 2002 von etwa 200 000 € ergibt sich durch auslaufende Sonderzahlungen zum Beispiel für Musikverein und Konzerthaus.
Das Ergebnis der Kunstbudgetverhandlungen ist somit insbesondere in Anbetracht der generellen Lage, welche ausgabenseitige Stabilisierungsbestrebungen im Bundesbereich für alle notwendig macht, sicherlich zufrieden stellend. Das Kunstbudget bleibt aber gleich, wir haben einen Stand wie 2002, freilich gedeckelt für die Bundestheater, was sicherlich nicht einfach ist, denn sie müssen auf gewohnt hohem Niveau im Vergleich mit anderen Weltbühnen weiterarbeiten, was bestimmt eine Herausforderung ist. Es wird Einsparungen und Synergien im Bereich Administration und Verwaltung und diverse weitere wirtschaftliche Maßnahmen geben müssen.
Wenn wir uns jedoch die Lage in Deutschland anschauen, zum Beispiel in Berlin oder München, wo es zu drastischen Kürzungen kommt und Überlegungen angestellt werden, ob man sich manche, auch große Bühnen überhaupt noch leisten kann, dann wird klar, dass wir im Vergleich
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dazu mit unserem Budget gut dastehen, und zwar auch deshalb, weil Staatssekretär Morak nach Maßgabe der vorhandenen Ressourcen vernünftig und umsichtig disponiert, vor allem aber auch, weil er neue Finanzierungsmöglichkeiten zusätzlich zu den Budgetmitteln aufspürt und die Rahmenbedingungen für die österreichischen Kunstschaffenden damit verbessert und ausweitet. Ich verweise in diesem Zusammenhang nur auf den Künstlersozialversicherungsfonds, der zusätzlich zu den Bundesmitteln aus Beiträgen der Kabel-Sat-Betreiber gespeist wird. Und entgegen allen Unkenrufen waren unsere Bewertungen richtig: Das Künstlersozialversicherungsfondsgesetz hält verfassungsrechtlich, und es ist ein Erfolg. Es wurden bis jetzt mehr als 1 000 Anträge von Künstlern gestellt, und weitere werden folgen. Man sieht also: Eine große Zahl der österreichischen Künstler und Künstlerinnen hat die Gelegenheit genützt.
Weiters weise ich auf viele Initiativen in wichtigen Bereichen hin: Darunter befindet sich etwa der Austausch mit den osteuropäischen Beitrittskandidatenländern, es gibt Initiativen für Kunst und Kultur in den Regionen, eine Förderung der Kinder- und Jugendliteratur, ganz abgesehen von Aufstockungen der direkten Kunstförderung und dem Ausbau von Preisen und Stipendien.
Jetzt noch einen Nebensatz zu einem aktuellen Thema, nämlich zu den Wiener Festwochen.
Erstens ist es mir nicht nachvollziehbar, wenn behauptet wird, dass eine Streichung der Bundesförderung von 2,7 Prozent die Existenz der Wiener Festwochen gefährden soll! Eine gezielte Projektförderung ist in diesem Bereich mindestens ebenso sinnvoll.
Zweitens bin ich absolut und vehement auf der Seite des Staatssekretärs, wenn es um eine Umverteilung der Förderungsmittel zwischen den Städten beziehungsweise Ländern geht. Ich bin herzlich froh darüber, dass es eine klare Absichtserklärung gibt, dass in Zukunft vermehrt Förderungen an die Bundesländer fließen sollen. Langfristig muss es nämlich unbedingt einen Ausstieg aus einer Förderungspolitik geben, bei der immer noch sage und schreibe an die 80 Prozent der gesamten Bundesförderungen nach Wien fließen. Das ist eine unglaubliche Ungerechtigkeit! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Mag. Muttonen.)
Ich möchte noch zwei angekündigte Schwerpunkte für die Zukunft, von denen ich mir viel erwarte, begrüßen: Gespeist aus Teilen der Rundfunkgebühr werden nämlich in Zukunft 7,5 Millionen €, die bis jetzt ins allgemeine Budget geflossen sind, zweckgewidmet dem Digitalisierungsfonds und dem Filmförderungsfonds einverleibt werden.
Ich stehe hinter Moraks Kulturpolitik und betone: Er macht es gut. Wir haben ein gutes Budget für Kunst und Kultur! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
19.07
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte.
19.07
Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Bei den Ausführungen der Redner und Rednerinnen der Regierungsfraktionen hat man oft den Eindruck, dass es irgendwo versteckt ein Geheimbudget geben muss, das ganz anders aussieht als das, welches Sie uns vorgelegt haben, denn in der Debatte erwecken Sie wirklich den Eindruck, dass Sie über ein ganz anderes Budget reden als über das, das Sie uns vorgelegt haben.
Kurz ein paar Worte zum Kunstbudget. Der Stand von 1999 wird natürlich nicht erreicht. (Abg. Mag. Muttonen: So ist es!) Im Gegenteil: Bis 2004 wird es im Kunstbudget eine Kürzung von sage und schreibe minus 30 Prozent geben. Das ist schon schlimm genug! (Abg. Dr. Wolfmayr: 2,7 Prozent!) Aber die von Ihnen angesprochene Kürzung der Subventionen der Wiener Festwochen ist wirklich der Gipfelpunkt in dieser Entwicklung, und diese Kürzungen, die in ihrer Größenordnung wirklich sehr dramatisch sind, haben Sie geschmackvollerweise auch noch als Überraschungsgeschenk zur Eröffnung der Wiener Festwochen hingelegt. Meine Damen und Herren! Das ist wirklich ein Schritt, der nicht nur kulturpolitisch schädlich ist, sondern der in Wirklichkeit auch wirtschaftspolitisch absolut schädlich und offensichtlich nur parteipolitisch mo-
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tiviert ist. (Beifall bei der SPÖ.) Es ist dies ein Schritt der Parteipolitik der blindwütigsten und allerübelsten Art, die man sich vorstellen kann!
Was soll gezielte Projektförderung bedeuten? Das kann offensichtlich, wenn man Ihre Handlungen in der letzten Zeit verfolgt, nichts anderes bedeuten als: Gefördert wird nur mehr das, was Ihnen ideologisch passt. – Und so kann man Kunst- und Kulturpolitik wirklich nicht betreiben! (Beifall bei der SPÖ.)
Sie sagen – der Finanzminister hat das gestern gesagt –, dass Österreich auch in Zukunft das familienfreundlichste Land bleiben soll. – Ja! Im Ziel sind wir uns, wie ich glaube, einig. Über den Weg werden wir aber noch öfter heftig diskutieren. Diesbezüglich gibt es immer wieder unterschiedliche Ansätze. Die Grundlagen dafür, dass Österreich ein familienfreundliches Land ist, wurden bereits in den letzten Jahrzehnten gelegt. Die Frage ist: Wie gehen wir diesen Weg weiter?
Ganz abgesehen davon, dass die Pensionsreform, die Sie hier vorlegen, alles andere als familienfreundlich ist, hat der Finanzminister zu meiner großen Überraschung gestern den Pensionsexperten Christopher Prinz als Zeugen dafür präsentiert, dass diese Pensionsreform richtig und gut sei. Wie das Leben so spielt, hat Herr Prinz heute in einer Wochenzeitung allerdings einen Kommentar unter dem Titel „Frauen bleiben über“ geschrieben. – Er schreibt:
„Das wesentlichste Versäumnis der Reform ist die weit gehende Ausblendung der Situation von Frauen. Die geplanten Entschärfungen der Reform reichen keineswegs aus, um die Absenkungen des ohnehin geringen Einkommensniveaus zu kompensieren.“
Da haben wir es! Ihre Zeugen entpuppen sich bei
näherem Hinsehen als Zeugen dafür, dass Sie den falschen Weg in dieser
Pensionsreform beschreiten, Ihre eigenen Zeugen, sehr geehrte Damen und Herren!
(Beifall bei der SPÖ.)
Werfen wir noch einen kurzen Blick auf die Entwicklung des Familienlastenausgleichsfonds: Da klafft ein immer größeres Loch, das beachtlicherweise wesentlich größer ist, als es der Finanzminister noch vor eineinhalb Jahren in einer Anfragebeantwortung prognostiziert hat. Und interessanterweise ist es nicht nur größer geworden, sondern es hat sich auch die Entwicklung gänzlich geändert: Damals hat man prognostiziert, dass es kleiner wird, im Gegensatz dazu wuchs es jedoch um ein Vielfaches.
Was allerdings fehlt, ist das Konzept, wie der Familienlastenausgleichsfonds gespeist werden soll. Es ist völlig offen, wie Familienleistungen wie Familienbeihilfe, Mutter-Kind-Pass, Schüler- und Lehrlingsfreifahrt und Schulbuchaktion in Zukunft finanziert werden sollen. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder es wird schleunigst ein Konzept erarbeitet, oder es wird – und das ist unsere Befürchtung – am Ende des Tages nur mehr das Kindergeld überbleiben und eine der vorher genannten Leistungen nach der anderen gestrichen und gekürzt wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Pendl: Hört! Hört!)
19.11
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gelangt Abgeordneter Murauer. – Bitte.
19.11
Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Regierung ist angetreten und hat gemeint: Die Zukunft braucht Verantwortung. – Diese Verantwortung zeigt sie sowohl in der Ausarbeitung und Durchführung eines sozial gerechten Pensionssystems als auch bei der Landesverteidigung.
Lassen Sie mich einige Sätze zur Landesverteidigung sagen. – Der Bundeskanzler und Minister Platter haben im Rahmen dieses Budgets eine Erhöhung des Verteidigungsbudgets auf 1,740 Milliarden € vorgesehen, was einem Plus von 70 Millionen € entspricht. Das ist natürlich nicht das Füllhorn, aber ein deutliches Mehr, das man zur Kenntnis nehmen sollte und ein deut-
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licher Beweis dafür ist, dass man hinter dem Bundesheer steht und dass man, wenn man zum Bundesheer ja sagt, auch zu den Beschaffungen steht.
Meine Damen und Herren von der SPÖ und von den Grünen, zum Entweder-oder, nämlich entweder Bundesheer oder etwas anderes: Bitte bekennen Sie sich und sagen Sie, wenn Sie das Bundesheer nicht wollen, nicht: Wir wollen zwar ein wenig Bundesheer, aber die nötigen Geräte wollen wir nicht! Sagen Sie den Menschen, wenn Sie nicht wollen, dass es dieses Bundesheer gibt, dass es aus der Verfassung genommen werden soll. Sagen Sie: Wir schützen unser Land nicht! Seien Sie ehrlich, treten Sie hin und sagen Sie den Leuten die Wahrheit: Wir wollen das so nicht, und deswegen lehnen wir das Bundesheer ab.
Etwas Bundesheer zum Schneeschaufeln bei Olympischen Spielen, der Ruf nach dem Bundesheer bei Hochwasser oder der Applaus für das Bundesheer am Staatsfeiertag, am 26. Oktober, wie tüchtig und brav es ist, das ist zu wenig, meine Damen und Herren! Das lehnen wir ab! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Diese Bundesregierung und die ÖVP stehen hinter dem Bundesheer, hinter professioneller Ausrüstung und auch hinter den entsprechenden Finanzen. Natürlich ist es auch für Grundwehrdiener und Berufssoldaten ein Sicherheits- und motivatorisches Element, wenn entsprechendes Gerät zur Verfügung steht, und zwar nicht nur am Boden, sondern auch zur Luftsicherung in Form von entsprechenden Flugzeugen und Flugüberwachungsgeräten. Meine Damen und Herren, das ist notwendig.
Bundesminister Platter unterstreicht die Auflistung dessen, was der Truppe zugehen wird, und hier soll in erster Linie Unterstützung gewährt werden. Einen zweiten Schwerpunkt bilden die internationalen Einsätze, weil wir diesbezüglich Verpflichtungen eingegangen sind und weil wir uns auf diesem Gebiet in der Vergangenheit bewährt haben und auch weiterhin bewähren wollen. Es geht auch darum, dass man für die Grundwehrdiener eine entsprechende Ausbildung in Sprache, Sport und Modulen gewährleistet, damit diese auch in Zukunft von ihrem Dienst für Österreich, für die Landesverteidigung und für die geistige Landesverteidigung überzeugt sein können, und dass wir endlich mit der Diskussion aufhören können, ob wir überhaupt eine Überwachung unseres Luftraumes brauchen oder nicht. Wir sind der einzige Staat, der eine diesbezügliche Diskussion überhaupt führt.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es liegt uns ein Budget vor, das von dem Bemühen gekennzeichnet ist, allen Sicherheitsbedürfnissen unserer Mitbürger gerecht zu werden. Dieses Bemühen muss hervorgehoben werden. Es geht um die Sicherheit der Pensionen, es geht aber auch um die Sicherheit der Bürger in unserem Staat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
19.15
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.
19.15
Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich meine, die Regierungsideologie wird durch dieses Budget und durch dessen Präsentation im Besonderen einmal mehr deutlich. Es geht der Regierung dabei um Entlastungen für die Wirtschaft und um Belastungen für die Arbeitnehmer. Man kann das in einem Satz zusammenfassen: Ich meine, es ist dies ein reines Umverteilungsbudget, bei welchem von unten nach oben neu verteilt wird.
Mein Konzept und das Konzept der Sozialdemokraten in diesem Haus ist – ich sage das bildlich –, dass jene mit breiten Schultern mehr dazu beitragen, den Sozialstaat zu erhalten und zu entwickeln, als jene mit schmalen Schultern. – Das ist ein völlig anderes Konzept als das der Regierung, wie wir es derzeit diskutieren.
Sehr verehrte Damen und Herren! Soziale Gerechtigkeit kann nur politisch erfolgen, davon bin ich zutiefst überzeugt, und nicht durch mehr Markt. Betreffend mehr Markt und entsprechende
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Förderungen hat der Herr Finanzminister gestern in seiner Rede deutliche Worte gesprochen. Herr Abgeordneter Murauer, mein Vorredner, hat jetzt gerade gesagt, dass das, was wir diskutieren, ein sozial gerechtes Pensionssystem ist. – Ich frage Sie: Wo gibt es bei diesem Vorschlag, den Sie vorgelegt haben, soziale Gerechtigkeit? Ich finde sie bei Gott nicht!
Sehr geehrte Damen und Herren! Der Markt war nie sozial gerecht, und er wird es auch nie sein. Der Markt kennt keine soziale Gerechtigkeit! (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Soziale Gerechtigkeit muss täglich neu errungen werden, nicht zuletzt auch durch Gewerkschaften und Betriebsräte und notfalls auch durch Streik, wenn die soziale Gerechtigkeit gefährdet ist, und wir erleben gerade eine solche Zeit, sehr verehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)
Wir erleben jetzt aber auch finanzielle Entlastungen für Kleinunternehmer und für Betriebsgründer. Ich möchte mich jetzt gar nicht kritisch darüber äußern, sondern nur festhalten: Es gibt zum Beispiel eine Reduzierung der Mindestbeitragsgrundlage bei der Krankenversicherung für Kleinunternehmer. Die Ersparnis beträgt bis zu 527 € im Jahr bei gleichen Leistungen. Ferner gibt es eine Pauschalierung der Krankenversicherungsbeiträge für Jungunternehmer mit einer Ersparnis bis zu 3 500 € im Jahr und eine Erhöhung der Unfallrenten bei nahezu gleich bleibenden Beiträgen um bis zu 60 Prozent für Gewerbetreibende. – Hiebei handelt es sich um sozialpolitische Verbesserungen für die Personengruppe Betriebsgründer und Kleinunternehmer.
Ich frage: Wer zahlt das? – Das zahlen die Arbeitnehmer! Hier besteht Ungleichheit und ist die soziale Gerechtigkeit arg im Verzug, sehr verehrte Damen und Herren!
Andererseits gibt es beispielsweise Unfallrentenkürzung für Arbeitnehmer und höhere Sozialversicherungsbeiträge für Angestellte, und die Regierung schaut zu, wie Betriebe der Marktwirtschaft, also Privatbetriebe, den Krankenkassen immer mehr Sozialversicherungsbeiträge schuldig bleiben.
Sehr verehrte Damen und Herren! Die Arbeitgeberschulden bei den Gebietskrankenkassen betragen bereits 845,5 Millionen €. Das sind unglaubliche 11,6 Milliarden Schilling! In diesen 11,6 Milliarden Schilling stecken aber auch 5,2 Milliarden Schilling an Arbeitnehmerbeiträgen, die den Arbeitnehmern abgezogen und nicht ordnungsgemäß an die Kassen weitergeleitet wurden. – Wie nennt man das, wenn man treuhänderisch Geld weiterleiten soll und es nicht tut, sehr verehrte Damen und Herren? Ich erspare uns die Antwort! Jeder weiß, wie man solches Vorgehen nennt! (Abg. Silhavy: Das ist ein echter Skandal!)
Die Tendenz des Eingehens solcher Schulden ist nach oben stark steigend. Das war jedoch für die Regierung, Herr Staatssekretär, leider bisher kein Thema. Es war ihr kein Wort wert!
Für diese Regierung steht leider die Kritik an den
Krankenkassen im Vordergrund, nicht aber die Hilfe für die Krankenkassen. Man
schaut zu, wie sich Dinge entwickeln, und tut nichts. Man verweigert Hilfe, auch gesetzliche Hilfe, wenn diese notwendig wäre, um diesen Schuldenstand zu reduzieren, und wirft dann den
Krankenkassen Unfähigkeit vor. Das wurde uns jetzt gerade von Herrn
Abgeordneten Walch von der Freiheitlichen Partei vorgeführt. Und wenn man damit
fertig ist, dann sagt man: Jetzt müssen wir die Strukturen ändern.
Sehr verehrte
Damen und Herren! Würden alle in unserem Land die Steuern so pünktlich zahlen
wie die Arbeitnehmer in Österreich, dann würden die Budgets Überschüsse
ausweisen, und wir würden uns in vielen Dingen leichter tun! – Danke
schön. (Beifall bei der SPÖ.)
19.20
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete
Stadler. – Bitte.
19.21
Abgeordnete Astrid Stadler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Das vorliegende Doppelbudget
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 152 |
2003 und 2004 ist ein Zukunftsbudget,
das mit Reformen die nachhaltige Sicherung unserer Sozialsysteme umsetzt und
gleichzeitig Steuerbelastungen senkt.
Durch langfristige
Steuerentlastung wird unsere heimische Wirtschaft gestärkt und die Basis für
einen sozialen Zusammenhalt auf Dauer gebildet, denn nur wer erwirtschaftet,
kann langfristig sozial sein. Dieser soziale Zusammenhalt war in der
Vergangenheit eine Tugend, auf die wir in Österreich sehr stolz waren.
Gelebte Sozialpartnerschaft, auch wenn es sachpolitische Gegensätze gegeben
hat, hatte in Österreich oberste Priorität.
Umso
überraschender ist es jetzt, dass gerade die SPÖ, die ihre demokratische
Aufgabe von ihren Wählerinnen und Wählern erhalten hat, diese Aufgabe nur mehr
auf der Straße wahrnimmt. Die SPÖ befürwortet Streiks gegen die Wirtschaft, ja
eigentlich gegen die Menschen in unserem Lande und organisiert diese mit. (Abg. Heinisch-Hosek:
Sie haben keine Ahnung!)
Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Jetzt beginnen wir die parlamentarische Debatte. Bringen Sie sich
ein! (Zwischenruf des Abg. Eder.) Ich habe heute in all Ihren
Reden nicht einen einzigen Vorschlag zur Umsetzung Ihrer Ziele gehört, nicht
einen einzigen Vorschlag! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der
Freiheitlichen.)
Ich meine, es ist
eigentlich sehr schade, dass eine staatstragende Partei wie die SPÖ, die
30 Jahre lang dieses Land regiert hat, jetzt die Sünden der Vergangenheit
mit Streikbekundungen überdecken will! Es ist schade für die Menschen in
unserem Lande, dass eine Partei wie die SPÖ ihre Verantwortung gänzlich und
endgültig abgibt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der
Freiheitlichen.)
Geschätzte
KollegInnen im Hohen Haus! Unsere ÖVP/FPÖ-Regierung ist bereit, Verantwortung
für die Menschen, Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen. Nachhaltigkeit,
Zukunftsfestigkeit und Gerechtigkeit sind die Eckpfeiler des
Regierungsprogramms und auch dieses Budgets. (Abg. Dr. Einem: Können Sie diese einmal beschreiben?) Ein ausgeglichener Haushalt einerseits,
Prioritäten andererseits, das sind die Chancen für unsere gemeinsame Zukunft! (Beifall
bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Das ist ja wohl ein Scherz!)
19.23
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter
Dipl.-Ing. Kummerer. – Bitte.
19.23
Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren!
Hohes Haus! Es ist schon eigenartig, welche Geisteshaltung man im österreichischen
Parlament wieder hört! Weiter möchte ich die Ausführungen meiner Vorrednerin
gar nicht kommentieren. (Beifall bei der SPÖ.)
Da fällt mir
etliches ein, aber ich würde mir wahrscheinlich einen Ordnungsruf einhandeln,
wenn ich sage, was mir dazu einfällt. Aber wenn natürlich auch der Erste
Präsident des Nationalrates Ständestaatbeschwörungen hier im Hohen Haus
betreibt, dann darf einen nichts mehr wundern! (Beifall bei der SPÖ sowie
des Abg. Öllinger.)
Meine Damen und
Herren! Realitätsverweigerung stelle ich bei diesen Regierungen der letzten
zwei Perioden fest. Sie können sich an nichts erinnern, Sie waren nie irgendwo
dabei. Die Warnungen, die die Sozialdemokratie 2001 ausgesprochen hat, wurden
ignoriert. „Stabil auf hohem Niveau“ habe ich gehört, „Schwarzmalerei“ und so
weiter.
Herr
Staatssekretär! Sie haben es mit Ihrem Finanzminister und Ihrer Regierung
verabsäumt, rechtzeitig gegenzusteuern! (Zwischenruf
des Abg. Wittauer.) Sie haben
die Erfolge dieser Fehleinschätzung geerntet. Sie haben Österreich betreffend
Wirtschaftswachstum an die letzte Stelle der Europäischen Union gebracht, und
Sie haben die negativen Trends verstärkt! (Rufe
und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 153 |
Jetzt haben Sie
die Rechnung: Es geht sich vorne und hinten nicht mehr aus! Sie sind beim Defizit.
Und hier setzt sich wieder einmal die Geschwindigkeit durch, die Ihnen bei den
Belastungen einfällt. Bei den Entlastungen schaut es jedoch anders aus!
Weil ich gerade
Kollegen Stummvoll sehe, der einer der „besten Rhetoriker“ des Hohen Hauses
ist: Herr Kollege Stummvoll, wie werden Sie es denn rhetorisch anlegen in der
Zukunft? Sie haben gesagt: Mit uns gibt es nie wieder Schulden. Mit uns gibt
es keine Steuerreform auf Pump. Kollege Stummvoll! Was machen Sie mit diesen
Budgets 2003/2004? (Abg. Dr. Stummvoll: Die Zinsen für die
alten Schulden müssen wir trotzdem zahlen!) Wie werden Sie diese Kurve kratzen? (Beifall
bei der SPÖ.)
Ich möchte auch
noch ganz kurz auf Kollegen Murauer und auf das Bundesheer eingehen. – Du kannst dich noch so bemühen, es
wird dir nicht gelingen, die Verdienste der Sozialdemokratie für das
österreichische Bundesheer ins schlechte Licht zu rücken! Ich darf nur an
Walter Mondl erinnern, der vorigen Sonntag seinen 80. Geburtstag gefeiert
hat. Ich darf nur daran erinnern, was die sozialdemokratischen
Verteidigungsminister und sozialdemokratische Bundeskanzler für dieses Heer getan haben. (Abg. Murauer: D’accord!
Leider hat sich das geändert, lieber Freund! Die Zeiten sind vorbei!) Da
hängt ihr sehr, sehr weit nach, lieber Kollege! (Beifall bei der SPÖ.)
Ich erinnere nur
an Gelder, die vorhanden waren. Wie habt ihr diese eingesetzt? Um viel Geld wurden
die M60 nachgerüstet, dann wurden sie verscherbelt. Um viel Geld wurden die SAURER-SPz
nachgerüstet – jetzt werden sie ausgeschieden. Artilleriebataillone habt
ihr modernisiert, dann habt ihr sie aufgelöst.
Ihr habt
55-Jährige mit 80 Prozent in die Pension getrieben. Ihr habt 60-Jährige um
Posten überhaupt nicht mehr bewerben lassen. Und heute stellt ihr euch her und
sagt, was ihr alles für die älteren Menschen tun werdet! Man braucht nur zu
schauen, was ihr das letzte Mal gemacht habt, dann wird euch das kein Mensch
mehr glauben! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Murauer.)
Noch etwas, Kollege
Murauer: Ich geniere mich nicht für die Defizite der Sozialdemokratie, denn mit
diesen Defiziten wurden Werte geschaffen – mit euren Defiziten werden
jedoch Werte vernichtet! (Beifall bei der SPÖ.)
19.27
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schöls. –
Bitte.
19.28
Abgeordneter Alfred Schöls (ÖVP): Herr Präsident! Herr
Staatssekretär! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin einer jener
Mandatare, der auf Grund des Wahlergebnisses vom 24. November heute als
Nationalratsabgeordneter hier seine erste Rede hält.
Als mich meine
Fraktion auf Platz 78 der Rednerliste gesetzt hat, habe ich mir ehrlich
gedacht: Eigentlich ist das mühsam! Auf der anderen Seite bin ich aber dankbar
dafür, denn so hatte ich die Möglichkeit, bei 35 Wortmeldungen der
Oppositionsparteien mitzuerleben, dass nicht sein kann, was nicht sein darf,
und dass der Standort den Standpunkt bestimmt. (Beifall bei der ÖVP und bei
Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Eder.)
Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Da kann Kollege Kummerer hier noch so viel behaupten und kann
Kollege Gaál sich noch so bemühen und schön reden (Zwischenruf des Abg. Eder), Tatsache ist: Als die Sozialdemokratie unter Bundeskanzler Kreisky für die
militärische Landesverteidigung verantwortlich war, hat Kreisky
bagatellisiert und im Zusammenhang mit Panzern von „Kettenfahrzeugen“
gesprochen, weil er sich gefürchtet hat, vor seinen Linken zuzugeben, dass es
Panzer gibt. Heute jedoch sprechen Sie, weil es Ihrer Oppositionsstrategie
entspricht, im Hinblick auf Abfangjägern von Kampfflugzeugen. (Abg.
Gaál: Das sind sie auch: Kampfflugzeuge!) Der Standort bestimmt also
den Standpunkt! (Beifall bei der ÖVP.)
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 154 |
Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Ich stehe zwar als Nationalratsabgeordneter heute zum ersten Mal
an dieser Stelle, ein ganz Neuer in diesem Geschäft bin ich aber nicht mehr. – Wenn junge Mandatare auf Grund
verschiedener Positionen frisch in die Politik kommen und hier als Oppositionsabgeordnete
irgendetwas verzapfen, von dem sie nichts wissen, dann kann man das noch als
lässliche Sünde nachsehen. Es tut mir aber sehr Leid, wenn alt gediente
Funktionäre nicht verstehen wollen, dass wir heute in der europäischen
Entwicklung andere Rahmenbedingungen vorfinden als noch vor einigen Jahren
und wir uns – Politik ist die Kunst des Möglichen – nach diesen
Rahmenbedingungen auch zu richten haben. Damit, dass man sich als Globalisierungsgegner,
wie dieses Modewort heute lautet, bezeichnet und sich ganz einfach gegen all
diese Dinge verschließt, ist es nicht abgetan. Wir müssen zur Kenntnis nehmen,
dass wir vor geänderten Rahmenbedingungen stehen.
Ich erinnere nur
daran: Die schlimmsten Einschnitte hat es unter Sozialminister Häuser gegeben,
für die 33. ASVG-Novelle war der Begriff „Räubernovelle“ im Gebrauch. Die
Krankenscheingebühr wurde von Sozialministerin Hostasch eingeführt.
Herr Kollege
Einem, weil Sie mich gerade so anschauen: Vielleicht erinnern Sie sich nicht
mehr daran, aber ich weiß noch, was Sie, als wir als Gewerkschafter des
öffentlichen Dienstes bei Ihnen als Staatssekretär für den öffentlichen Dienst
waren, so wie heute auch, dem öffentlichen Dienst zugemutet haben, wie Sie uns
verhöhnt haben. Ich könnte Ihnen den Platz in Ihrem Büro zeigen, wo wir
gestanden sind. Sich heute als Opposition hinzustellen und so zu tun, als ob
man damit nichts zu tun hätte, das ist sicherlich zu wenig. (Beifall bei der
ÖVP.)
Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Ich bin Gewerkschaftsmitglied, ich bin Gewerkschaftsfunktionär,
und für mich bricht die Welt nicht zusammen, wenn wir als Gewerkschafter und
als Arbeitnehmervertreter in den verschiedensten Protestformen unsere
Positionen darlegen. Allerdings macht der Ton die Musik, und das war das,
lieber Fritz, was uns eigentlich schon von Jugend an immer miteinander
verbunden hat, dass wir nämlich versucht haben, den richtigen Ton zu finden. (Zwischenruf
des Abg. Gradwohl.) Und wenn der Bezirksvorsitzende des ÖGB Höckner
einen Brief versendet, in dem er Kollegen Jakob Auer persönlich verunglimpft,
dann bin ich froh, dass ich in Niederösterreich Gewerkschaftsfunktionär bin,
denn wir haben in Niederösterreich Gott sei Dank ein besseres Klima. (Abg.
Eder: Ja, im ÖAAB! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Liebe Kolleginnen
und Kollegen! (Abg. Verzetnitsch: Und was für Meldungen kommen aus
der ÖVP?) Fritz, ich verurteile das genauso, und ich habe auch gesagt: Ich
bekenne mich zu den berechtigten Maßnahmen, die Gewerkschafter setzen. Ich weiß
auch noch, wie es bei der Pensionsreform 1997 war – Otto Pendl sitzt auch
hier –, als wir bis zum Schluss verhandelt haben und Ilse Mertel, die
heute nicht mehr im Hohen Haus sitzt, bis zum Schluss versucht hat, für uns das
Bestmögliche herauszuverhandeln. Ich bin daher auch nicht bereit, zu
akzeptieren, dass ich heute von der Kollegin Bachner und von dir einen Brief
bekomme, in dem ich dazu aufgefordert werde, heute mich als Abgeordneter zu
deklarieren, wie ich bei der Pensionsreform abstimmen werde.
Meine Position ist
bekannt: Ich bin der Meinung und ich bin fest davon überzeugt, dass wir so wie
bei jeder anderen Regierungsvorlage, wenn wir ernsthaft daran arbeiten, auch
die für diese Reform nötigen Maßnahmen setzen werden, und zwar in gemeinsamer
Verantwortung. Lieber Fritz, eine solche Entwicklung wird aber nicht gestärkt,
wenn an Mandatare Briefe verschickt werden. Manche müssten dazuschreiben: Ich
weiß nicht. Ich weiß es aber schon, weil ich davon überzeugt bin, dass die
Sozialpartnerschaft in meiner ÖVP funktioniert und dass wir günstige
Regelungen bekommen werden.
Weil manche von unserem Koalitionspartner jetzt so tun, als hätten sie damit überhaupt nichts zu tun, möchte ich aber auch noch daran erinnern, dass es einmal eine SPÖ-FPÖ-Koalition gegeben hat und der ihr angehörende Verteidigungsminister Frischenschlager den größten Eingriff im Bereich der Berufssoldaten mit spürbaren Verschlechterungen für die Zeitsoldaten zu verantworten hatte. (Abg. Murauer: So ist es!) Für die zeitverpflichteten Soldaten hat es früher eine andere Pensionsregelung gegeben, aber ein sozialistischer Bundeskanzler und ein frei-
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 155 |
heitlicher Verteidigungsminister haben diesen Eingriff gegen den
Widerspruch und gegen den Widerstand der zuständigen Gewerkschaftssektion
durchgeführt, und sozialistische Mandatare haben dem dann schlussendlich
zugestimmt.
Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Nach dem Grundsatz: Herr, gib mir den Mut, zu akzeptieren, was
man nicht verändern kann! Gib mir die Kraft, zu verändern, was verändert werden
muss, und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden!, bin ich
zuversichtlich, dass wir auch hier eine gute Lösung finden werden. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Amen!)
19.35
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen
Berichtigung hat sich Abgeordneter Dr. Einem zu Wort
gemeldet. – Bitte.
19.35
Abgeordneter
Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus!
Herr Staatssekretär! Herr Abgeordneter Schöls war so freundlich, mich eines
Blickes zu würdigen und auch gleich zu apostrophieren. Er hat in seinen
Ausführungen festgestellt, ich hätte seinerzeit als Dienstgebervertreter und
Staatssekretär ihn oder die Gewerkschaft öffentlicher Dienst, die dort
verhandelt hat, verhöhnt. – Das ist falsch!
Herr Kollege
Schöls, ich habe den Gewerkschaftern der öffentlich Bediensteten als Dienstgebervertreter
einiges zuzumuten gehabt, verhöhnt habe ich meine
Verhandlungspartner nie! (Beifall bei der SPÖ. – Abg.
Mag. Prammer: Bravo!)
19.36
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort
gemeldet ist Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig. – Bitte.
19.36
Abgeordnete
Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Herr
Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Nationalrates! Auf
Grund der vielen Argumente, die in dieser doch schon sehr fortgeschrittenen
Debatte bereits gefallen sind, erübrigt es sich, noch einmal im Detail auf
inhaltliche Positionen einzugehen. Ich möchte stattdessen den bisherigen
Verlauf der Debatte ein wenig reflektieren. (Zwischenrufe bei den
Freiheitlichen.)
Als neue
Nationalratsabgeordnete – und das ist heute auch meine erste Rede –
habe ich diese Debatte und auch die gestrige Budgetrede von Herrn
Finanzminister Grasser mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Ich war auch sehr
gespannt, wie der parlamentarische Diskussionsprozess, der ja vom
Bundeskanzler, vom Vizekanzler und gestern auch vom Finanzminister immer wieder
angesprochen worden ist, heute denn wohl aussehen wird.
Sehr geehrte Damen
und Herren! Ich muss sagen, ich bin zutiefst enttäuscht, denn mir ist klar
geworden, dass die Rede vom parlamentarischen Diskussionsprozess bei
Schwarz-Blau offensichtlich nur ein Bluff und eine Wortphrase mehr ist. Und
Wortphrasen gibt es viele. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der
Grünen.)
Es findet hier
kein Diskussionsprozess statt, denn zu einer Diskussion gehört meiner Meinung
nach erstens Zuhörenkönnen und zweitens die Bereitschaft, sich inhaltlich zu
bewegen, umso mehr, als es sehr wohl bessere Vorschläge gibt. (Beifall bei
der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Bei den
Rednerinnen und Rednern der Regierungsparteien ist aber keinerlei Bewegung, keinerlei
Einsehen und keinerlei Abrücken von ihren Positionen bemerkbar. Stattdessen
wurden auch heute, wie bereits gestern bei der Budgetrede von Finanzminister
Grasser, PR-Phrasen bis zum Überdruss wiederholt und breit getreten.
Phrase eins: Es gebe keine Alternative zum Pensionskürzungsprogramm der Regierung und keine Dialogbereitschaft. – Als ob es nicht schon Alternativen gäbe. Sie müssten nur bereit sein,
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sehr verehrte Damen und Herren von der ÖVP und von der FPÖ,
diese auch anzuhören. (Abg. Dr. Spindelegger: Bitte!)
Phrase zwei: Man
werde dem so genannten Druck der Straße nicht nachgeben. Der ÖGB manipuliere
die Menschen, und der soziale Friede würde durch die Warnstreiks
gefährdet. – Als ob nicht der Bundeskanzler für die Verunsicherung in der
Bevölkerung verantwortlich wäre. Als ob man es nicht mit Bürgerinnen und
Bürgern, mit Menschen zu tun hätte, die ihre Rechte in Anspruch nehmen und
ihren Ängsten und Sorgen Ausdruck verleihen. Als ob nicht mit den Schröpfaktionen,
die in die Budgetbegleitgesetze verpackt sind, der soziale Friede gefährdet würde.
Als ob nicht eindeutig ersichtlich wäre, wohin der Weg der
Regierungsmannschaft geht: Weg von der Solidarität, hin zu einer Gesellschaft,
in der der Stärkere gewinnen soll. Ob das zum sozialen Frieden beiträgt, möchte
ich bezweifeln. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)
Sehr geehrte Damen
und Herren! Ich bin überzeugt davon, dass sich die Stärke einer Gesellschaft
vor allem am Umgang mit den Schwächeren in dieser Gesellschaft am allerbesten
messen lässt.
Phrase drei: das
oft strapazierte Vertrauen. Als ob nicht gerade das Vertrauen in den letzten Wochen
zutiefst erschüttert worden wäre, aber nicht von uns, und nur um die
Pensionskürzungsreform, um den Umbau des Staates möglichst schnell
durchzupeitschen. „Speed kills“ auch im Kabinett Schüssel II. Es ist
allerdings fraglich, ob diese Methode wirklich Vertrauen schafft.
Zu all diesen
Phrasen kommt noch hinzu – und das ist noch viel schlimmer –, dass
die Damen und Herren der Regierungsparteien in ihren Ausführungen auch immer
wieder brav Unrichtigkeiten und Irreführungen vor allem in Bezug auf die
Pensionsreform vertreten. Nur eine davon möchte ich hier beispielhaft anführen,
und zwar die krasseste Irreführung von allen: Man sichere die Pensionen der
zukünftigen Generation. Als ob nicht gerade meine Generation und die Generation
nach mir, meine Kinder, durch diese Pensionskürzungsreform existenziell
gefährdet würden. (Beifall bei der SPÖ.)
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Es gäbe zur derzeitigen parlamentarischen Kultur
und zum Verständnis von Diskussion und Dialog noch viel zu sagen, und viel
wurde auch schon gesagt. Ich sage zum Abschluss allerdings nur mehr eines:
Statt Diskussion und Beratung gab es also auch heute nur Betonieren,
Drüberfahren und Schönreden. Schade um eine vertane Chance mehr! (Beifall
bei der SPÖ.)
19.41
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter
Amon. – Bitte.
19.41
Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr
Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe
die ganze heutige Debatte sehr aufmerksam verfolgt, und ich kann eigentlich
nahtlos bei meiner Kollegin Astrid Stadler anschließen, die vollkommen zu
Recht gesagt hat, dass in den meisten Oppositionsreden, insbesondere von den Sozialdemokraten,
kein einziger Gegenvorschlag zu unseren Konzepten gebracht worden ist. Alles,
was Sie tun, ist, Kritik zu üben und alles, was von uns vorgeschlagen wird, in
Bausch und Bogen abzulehnen. Es kommt kein einziger Gegenvorschlag. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dipl.-Ing. Kummerer:
Geh hör auf! – Abg. Öllinger: Machen Sie doch einen Vorschlag!)
Was mich an der Debatte und auch an der allgemeinen Situation wirklich stört, ist, dass Sie es so empörend finden, dass eine Reform wie diese Pensionsreform hier auf parlamentarischer Ebene behandelt wird, parlamentarisch behandelt wird, dass es davor ein Begutachtungsverfahren gibt, wie es das bei vielen anderen Gesetzesmaterien auch gibt. Es ist Legion, bei wie vielen Gesetzesvorhaben frühere Regierungen solche Begutachtungsverfahren überhaupt nicht durchgeführt haben. Sie erinnern sich daran, vor allem passierte das unter sozialdemokrati-
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 157 |
scher
Führung. Ich bin ganz einfach der Meinung, dass die Auseinandersetzung über
eine so wichtige Materie selbstverständlich hier im Haus Platz greifen muss.
Es ist legitim und
überhaupt keine Frage, dass auch die Sozialpartner sich mit einer derartigen
Thematik auseinander setzen. Es ist legitim, wenn die Sozialpartner den Wunsch
äußern, eine solche Maßnahme zu verschieben. Aber ebenso legitim
ist es, wenn die Bundesregierung und die Mehrheit des Parlaments zur Auffassung
gelangen, es zum gegebenen Zeitpunkt zu entscheiden und zu beschließen. In
einer Demokratie hat man das dann zu akzeptieren. (Beifall bei der ÖVP und
den Freiheitlichen.)
Herr Präsident
Verzetnitsch! Ich möchte Ihnen persönlich die Frage stellen, was denn mit diesem
Schreiben, das auch ich so wie alle Angehörigen des Hauses, nehme ich an,
erhalten habe, bezweckt werden soll. Sie setzen darin quasi eine Frist und
sagen, Sie wollen von jedem Mandatar des Hauses bis zum Abend des 12. Mai
2003 wissen, wie er sich bei der Abstimmung verhalten wird. Als Begründung
dafür wird angeführt: Wir wollen Ihre Meinung zusammen mit den Antworten der
anderen Mitglieder des Parlaments der Öffentlichkeit zugänglich machen. Jetzt
muss ich Ihnen ehrlich sagen: Bisher war ich der Meinung, dass nach einer
Abstimmung hier im Haus die Parlamentsdirektion dafür verantwortlich ist, dass
sie das Abstimmungsergebnis über das Stenographische Protokoll den Menschen
zugänglich macht und nicht der Österreichische Gewerkschaftsbund. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Molterer: Das
ist ein Ultimatum!)
Vor allem, Herr
Präsident Verzetnitsch, wollen Sie das bereits drei Wochen vor der Abstimmung
von den Abgeordneten wissen. Und ich muss ehrlich sagen, damit würden Sie ja
jede Behandlung der Materie von vornherein ad absurdum führen, wenn Sie den
Abgeordneten des Hauses nicht einmal mehr die Gelegenheit lassen, sich mit der
Materie auseinander zu setzen, ehe sie dem Gewerkschaftsbund mitteilen, wie sie
ihr Abstimmungsverhalten gestalten wollen. Das halte ich nicht für in Ordnung. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Ich möchte Sie
wirklich ersuchen – und damit komme ich auch schon zum Schluss –,
davon Abstand zu nehmen, einzelne Mandatare unter Druck zu setzen. Es ist
legitim, dass es in demokratischen Staaten Streiks gibt und dass es
Demonstrationen gibt. Da kann man unterschiedlicher Meinung sein. Ich sehe
aber nicht ein, dass einzelne Abgeordnete wirtschaftlich unter Druck gesetzt
werden oder dass sie öffentlich diffamiert werden. (Abg. Kopf: So
geht das wirklich nicht!) Ich meine, wir müssen zu einem anderen Diskurs
zurückfinden, zu einer anderen Diskussionskultur, und dazu hat der
Österreichische Gewerkschaftsbund meiner Meinung nach einen kräftigen Beitrag
zu leisten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
19.45
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Keck zu Wort. –
Bitte.
19.46
Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus!
Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin seit
1978 Stahlarbeiter und habe in dieser Zeit eineinhalb Jahrzehnte
Schichtarbeit verrichtet. Ich stehe heute hier für eine sehr, sehr große Anzahl
von Menschen, die sich Sorgen machen, Sorgen machen, weil mit den
Ministerratsbeschlüssen und der gestrigen Rede des Herrn Finanzministers der
Grundstein für die gewaltigste Pensionskürzung in der Geschichte Österreichs
und somit für den massivsten Anschlag auf unser Sozialsystem gelegt wurde. (Beifall
bei der SPÖ und den Grünen.)
Minister Grasser
hat gestern in seiner Rede im Zusammenhang mit den Streikaktionen gesagt, dass
es unverantwortlich sei, den Arbeitnehmern unseres Landes in einer schwierigen
Situation zu schaden. Darauf kann ich ihm nur antworten, dass der Schaden für
die Arbeitnehmer durch seine Budgetpolitik und die Pensionskürzung der
Regierung angerichtet wird. Die Schuld hat immer noch der Täter und nicht das
Opfer, das sich wehrt und schreit! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 158 |
Meine Damen und
Herren! Die Regierung behauptet stur, sie wolle nicht nachgeben und sie habe
kein Verständnis für politische Streiks. Natürlich sind politische Streiks
problematisch, doch die Gewerkschaft veranstaltete am Dienstag keine
politischen Streiks, sondern von allen Gewerkschaftsfraktionen abgesegnete
und daher legitime Abwehrstreiks gegen Angriffe auf die Lebensstandardsicherung
und das Einkommen der Arbeitnehmerschaft im Alter. Nehmen Sie das doch endlich
zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Meine Damen und
Herren! Ein Bundeskanzler, ein Finanzminister, die derartige Ziele verfolgen,
haben vom wirklichen Arbeitsleben nicht die geringste Ahnung. (Beifall bei
der SPÖ und den Grünen.) Ich werde Ihnen das anhand jener Menschen
erläutern, die in unserer Gesellschaft die schwerste Arbeit verrichten, nämlich
anhand der Schichtarbeiter. Es sind dies meine Kollegen, für die ich heute hier
eintrete.
Arbeitsmediziner
haben festgestellt, dass pro Jahr geleisteter Schichtarbeit die Lebenserwartung
im Durchschnitt um drei bis vier Monate sinkt. Das hat zur Folge, dass
Schichtarbeiter eine durchschnittliche Lebenserwartung von erschreckend
niedrigen 63 Jahren haben, meine Damen und Herren von den
Regierungsparteien! Nach den Pensionsplänen der Regierung bedeutet das nichts
anderes, als dass Sie die Menschen, die ihr Leben lang härtest und unter schwierigsten
Bedingungen gearbeitet haben, bis in den Tod hinein schuften lassen wollen,
denn diese Menschen erleben das Pensionsantrittsalter von 65 Jahren im
Durchschnitt gar nicht. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Meine Damen und
Herren! Ich lade Sie deshalb ein, an einem Hochofen der VOEST Alpine zu arbeiten,
und zwar unter den gleichen Bedingungen und mit der gleichen Bezahlung wie ein
richtiger Arbeiter am Hochofen. Dann würden Sie erfahren, was es heißt,
wirklich unter schwersten Bedingungen Schichtarbeit zu leisten. Sie würden
erkennen, dass Sie keine Ahnung von der wirklichen Arbeitssituation der
Menschen in Österreich haben, und Sie würden vielleicht eher von Ihrem hohen
Ross heruntersteigen. Als Christlich-Soziale, als welche sich manche in der
Bundesregierung ausgeben, müssten Sie sich für Ihren Entwurf schämen und in
Reue umkehren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Der Herr
Bundeskanzler hat sich gestern hier im Hohen Haus gegen die Verwendung des Wortes
„Pensionsraub“ ausgesprochen. – Ich frage Sie: Wie sonst wollen Sie die
Tatsache bezeichnen, wenn ein Schichtarbeiter jahrzehntelang in die
Pensionsversicherung einzahlt und dann durch Ihr brutales Hinaufsetzen des
Pensionsantrittsalters auf 65 Jahre die Pension gar nicht mehr genießen
kann, weil seine Gesundheit durch unglaublich harte Schichtarbeit vorzeitig
ruiniert wurde? Das ist und bleibt für diese Menschen Pensionsraub, den Sie
hier begehen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Meine Damen und
Herren! Auch Wolfgang Schüssel wird von mir und meinen Kollegen in unserem
Betrieb recht herzlich eingeladen, das Angebot eines Ferialpraktikums am
Hochofen anzunehmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Ich bin nämlich
wie meine Kollegen davon überzeugt, dass er diese kaltschnäuzige und brutale Vorgangsweise
nach diesem „Berufsschnuppern“ am Hochofen überdenken wird (Zwischenrufe bei
der ÖVP und den Freiheitlichen) und stattdessen einer umfassenden und
modernen Pensionsreform gemeinsam mit den Sozialpartnern und den betroffenen
Menschen in den Betrieben zustimmen wird. Der Schlüssel zur Bereinigung der
Situation liegt bei Schüssel, bei niemandem sonst! (Beifall bei der SPÖ
und den Grünen. – Abg. Wittauer:
Vorschläge machen!)
19.51
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. – Bitte.
19.51
Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Lieber (in Richtung des auf der Regierungsbank sitzenden Staaatssekretärs Dr. Finz) – einsamer – Herr Staatssekretär! (Abg. Wittauer: Der Herr Bürgermeister wird hoffentlich nicht über den Hochofen reden, weil den hat er auch noch nie gesehen!) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt könnt ihr wieder
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 159 |
herausschreien. Sie haben offensichtlich schon die gute Usance
vergessen, dass bei einer Erstrede niemand dazwischenruft. Jetzt könnt ihr
wieder! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Wittauer: Ich habe mich dafür entschuldigt!)
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Ich habe dieser sehr langen Debatte heute aufmerksam
zugehört und habe aufgepasst, wer von den Regierungsparteien denn eigentlich
einmal eine Silbe zu den Gemeinden und zu dem, was der Finanzminister dazu
gemeint hat, sagt. – Ein Einziger war es! (Rufe bei der ÖVP: Der Auer
war es! – Abg. Mag. Molterer: Jakob Auer!) – Lasst
mich ausreden, ich weiß es ohnehin: Der Kollege Auer hat sehr kritisch zu den
Ausführungen des Herrn Finanzministers Stellung genommen.
Ich habe
allerdings auch am 6. Mai im „Report“ eine zweite kritische Stellungnahme
gehört, und zwar von einem Parteifreund – nein, Entschuldigung, nicht von
einem Parteifreund des Finanzministers, der hat keine Parteifreunde mehr, er
hat nur mehr einen Ziehvater, so glaube ich. (Ruf bei der SPÖ: Er hat
überhaupt keine Freunde mehr!) Der Vorarlberger Landeshauptmann Sausgruber
hat auf die Frage, was er denn von Grasser hält, gemeint, er tue sich sehr
schwer, die Bedeutung und auch die Dynamik von Aufgaben von Ländern und
Gemeinden zu sehen und sie entsprechend zu werten. – Das ist wahr!
Ich nehme noch ein
Zitat aus den vielen Schönredereien der Budgetrede heraus. Bei den Gemeinden
ist der Herr Finanzminister nämlich sehr konkret geworden. Er hat gemeint: „Bei
Ländern, Städten und Gemeinden gehen wir“ – pluralis majestatis –
„im Sinne des innerösterreichischen Stabilitätspaktes 2003 von
Gebarungsüberschüssen von 0,5 Prozent beziehungsweise 2004 von
0,7 Prozent aus.“
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Das sind knapp 3 Milliarden €, die den
Gemeinden und Ländern einfach entzogen werden. Länder und Gemeinden, das sind
genau die Orte, wo die Bürgerinnen und Bürger, die Wählerinnen und Wähler
wohnen und wo sie die Politik spüren! (Beifall bei der SPÖ
und den Grünen. – Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.)
Herr
Staatssekretär! Da Sie hinter mir dazwischenreden, möchte ich Sie fragen: Was
ist denn der „innerösterreichische Stabilitätspakt 2003“? – Den kennt
niemand! Haben Sie den irgendwo im Geheimen verhandelt? Ich habe herumgefragt:
Es gibt keinen Stabilitätspakt 2003. (Staatssekretär Dr. Finz:
Den gibt es bis Ende 2004!) – Nein! Den haben wir, bitte schön,
schon 2001 verhandelt. Sie haben jetzt wahrscheinlich einen neuen, damit die
Länder und Gemeinden ordentlich zur Kasse gebeten werden. (Abg. Wittauer:
Er ist ja nie erfüllt worden von den Ländern und Gemeinden! Auf
Bundesebene haben wir ihn erfüllt!)
Wer zahlt denn
das? – Da habe ich wieder ein Zitat für Sie: Gemeindebund-Präsident
Mödlhammer hat auf die Frage, wer denn das zahlen werde, gemeint: Die
Gemeinden können nicht als Zahler mitspielen; würden sie dazu gezwungen,
müssten die Gebühren erhöht werden. Na wen trifft denn das? – Wieder ein
Griff in die Taschen der Bürgerinnen und Bürger! Meine sehr geehrten Damen
und Herren! Das sollten Sie beachten, wenn Sie diese Beschlüsse fassen. (Beifall
bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Ich bin schon sehr gespannt,
wie sich die Kommunalpolitiker und Kommunalpolitikerinnen der
Regierungsparteien dann bei der Abstimmung verhalten werden. (Abg. Öllinger:
Immer für den Menschen! Immer für den Bürger!)
Bei jeder
Politshow, die heute veranstaltet wird, ist natürlich das Hochwasser
dabei – so auch gestern in einer sehr mittelmäßigen Show des
Finanzministers. (Abg. Wittauer: Das war keine Show, gerade Sie als
Bürgermeister aus dieser Region sollten es wissen!) – Es war sicher
eine Show. (Abg. Wittauer: Gerade du solltest es wissen!) Er hat
gemeint, bedanken möchte er sich auch bei den Ländern und Gemeinden für die
gute Zusammenarbeit.
Herr Finanzminister! Ich bedanke mich auch als Bürgermeister einer Gemeinde, die sehr stark betroffen war, und zwar dafür, dass zurzeit vom Bund keine Mittel mehr für die Wiederherstellung der Infrastruktur der Gemeinden fließen. Die Bürgerinnen und Bürger in diesen Gemeinden haben ein Recht auf die Wiederherstellung der Normalität. Als ich mich beim Land aufgeregt habe, warum kein Geld mehr kommt, habe ich die lapidare Antwort bekommen: Der
Nationalrat, XXII.GP | 15. Sitzung / Seite 160 |
Bund
zahlt nicht! – So schaut es aus, meine Damen und Herren! (He-Rufe und
Beifall bei der SPÖ.)
Insgesamt und
abschließend kann man eine sehr klare Linie in der Budgetpolitik dieser Regierung
aufzeigen: Die Belastungen setzen immer bei den Schwächsten an. Im
Pensionsbereich und im Sozialbereich trifft es die sozial Schwachen, im
Verwaltungsbereich sind das letzte Glied die Gemeinden. Wenn man aber so manche
Redebeiträge hört, hat man den Eindruck, mit den Gemeinden haben Sie eh nicht
mehr sehr viel am Hut. Sie brauchen nicht so viele Ebenen und die Gemeinden
wahrscheinlich schon gar nicht, vor allem dann, wenn Sie sie finanziell aushungern. –
Das ist der erste Schritt dazu, dass man eine Ebene einsparen kann, meine Damen
und Herren!
Ich sage es Ihnen
noch einmal: Dort aber sind die Menschen, die die Politik spüren, meine sehr geehrten
Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg.
Wittauer: Das wäre eine gute Idee, den Bürgermeister, der gerade geredet
hat ...!) – Herr Kollege, ich habe dir schon gesagt, du
solltest eigentlich schon im Rathauskeller sein, und du rufst da noch immer
herein! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der
Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Sehr häufig war in diesen letzten Stunden davon die
Rede, wie ausgestreckt denn die Hände des Herrn Bundeskanzlers, der Regierung
und des Finanzministers seien. Sie strecken alle die Hände aus. Wenn ich mir
anschaue, wie Sie abzocken, dann weiß ich, warum die Bürgerinnen und Bürger
nicht auf Sie zugehen: Sie fürchten den Würgegriff dieser ausgestreckten Hände!
(Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Öllinger:
Taschlzieher!)
Ich halte es da
mit einer Aussage aus dem „Report“, die ich gehört habe, als ich einmal Zeit
hatte, fernzusehen. Da hat interessanterweise die Frau Bleckmann etwas über
den Herrn Finanzminister gesagt. Sie wurde gefragt, was denn für Grasser das
Wichtigste sei, und hat daraufhin gemeint: Für ihn – Grasser – ist
Karl-Heinz das Wichtigste. – Danke, meine Damen und Herren! (Beifall
bei der SPÖ und den Grünen.)
19.58
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Marizzi. – Bitte.
19.58
Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Herr
Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Keck hat
sehr eindrucksvoll darauf hingewiesen, wie es Schichtarbeitern und
Schwerstarbeitern geht. Der Kollege Nürnberger hat heute Nachmittag in seiner
Rede mit Beispielen aus der Pensionsversicherungsanstalt gezeigt, was die Leute
tatsächlich durch Ihre Maßnahmen verlieren: Der Unterschied beträgt 300 bis
400 € monatlich. (Abg. Grillitsch: Wie rechnet ihr das?)
Meine sehr
geehrten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Wenn Sie immer wieder
sagen, wir müssen diese Pensionsreform für die Jungen durchführen, dann haben
Sie das heutige „NEWS“ nicht gelesen. (Abg. Kopf: Das
Propagandablatt können Sie nicht als Beweismittel nehmen!) Da steht heute
zur Causa prima Pensionsreform: die Rentenklauopfer – bis zu minus
44 Prozent! Ein junger Facharbeiter verliert durch Ihre Reform
44 Prozent. Eine Hotelangestellte, Herr Wirtschaftskämmerer, verliert
43 Prozent. Sie brauchen das nur zu überprüfen. (Ruf bei der ÖVP: Das
hat aber der Marizzi ausgerechnet!) – Das hat nicht der Marizzi ausgerechnet,
sondern das hat „NEWS“ ausgerechnet. (Abg. Kopf: Und das soll besser
sein?) Die haben das sehr wohl ganz genau
recherchiert, aber genau das ist Ihnen peinlich! (Beifall bei der SPÖ.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was mich – und viele Österreicherinnen und Österreicher – besonders stört, ist Folgendes: Der Herr Bundespräsident meint, das sei das Ende der Konsenspolitik, statt Dialog gebe es Streit. (Abg. Kopf: Wer macht denn den Streit?) Der Herr Bundespräsident bemüht sich, in dieser Causa zu vermitteln, und will Frieden stiften. Und was sagt der Bundespräsident? – Ich trete für einen Dialog ein, verschieben wir doch die Reform,
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weil wir alle
demokratischen Kräfte in diesem Land einbinden wollen. Er holt Präsident Verzetnitsch,
er holt den Wirtschaftskammerpräsidenten, er versucht, einen Konsens herzustellen.
Was sagt ihm aber diese Koalition? – Die schwarz-blaue Koalition lässt
Bundespräsident Klestil abblitzen und sagt, er habe überhaupt nichts damit zu
tun, es sei nicht seine Aufgabe, er könne sich nicht in Terminvorgaben
einmischen.
Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Diese ÖVP, die lange von einem Grundkonsens gelebt hat,
nimmt nicht einmal die ausgestreckte Hand des Bundespräsidenten
entgegen. – Das finden wir auch verwerflich! (Beifall bei der SPÖ.)
Jetzt noch ein
paar Sätze zu den Budgetvoranschlägen. Sie erhöhen das Defizit 2003 um
3,9 Milliarden €, 2004 um 3,4 Milliarden €. Sie erhöhen
die Steuern nächstes Jahr um 221 Millionen €. Sie kürzen die Pensionen.
Sie bestrafen die Frauen mit zirka 100 Millionen €, und Sie investieren
nichts in die Bildung. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der nächste
Wahltag ist Zahltag! (Beifall bei der SPÖ.)
20.02
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dobnigg. – Bitte.
20.02
Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär!
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! In einer weiteren
Husch-Pfusch-Aktion, wie bei der Einführung der Ambulanzgebühr oder der
Unfallrentenbesteuerung, wurde diese unsoziale, unfaire und ungerechte
Pensionskürzungsreform vom Ministerrat beschlossen und soll nun bis
4. Juni durchgepeitscht werden.
Ein so sensibles
Thema wie die langfristige Absicherung der Pensionen soll man nicht in Kürze,
sondern in Verhandlungen lösen, und zwar zur Zufriedenheit aller Menschen in
Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)
Sie kommen wieder
auf das Schlagwort zurück, das Sie in den letzten Jahren verwendet haben: die
soziale Treffsicherheit. (Abg. Grillitsch: Und Gerechtigkeit!) Jawohl,
Sie haben genau die Schwächeren, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die
Familien, Pensionistinnen und Pensionisten getroffen. Anscheinend soll dieses
Schlagwort auch in Zukunft wieder Geltung und Wirkung haben. (Beifall bei
der SPÖ.)
Ich zitiere aus
der „Kleinen Zeitung“ den Leitartikel vom 14. April, und zwar von Reinhold
Dottolo:
„Der ÖVP fehlt auf
Bundesebene eine gewichtige Stimme, die das christlich-soziale Potenzial der
Partei glaubhaft verkörpert – ein Gegengewicht zu den Ministern
Bartenstein und Grasser, die sozial gesehen eher flach wurzeln und im Agieren
der Stahlhelmfraktion zugeordnet werden können.“
Dem ist wohl
nichts mehr hinzuzufügen!
Werte Damen und
Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es geht hier um die Verhinderung
der größten und brutalsten Pensionskürzung in der Geschichte. Es geht um die
Verhinderung der Explosion der Arbeitslosigkeit, und es geht um die
Verhinderung der Zertrümmerung des Sozialstaates Österreich.
Geschätzte
Kolleginnen und Kollegen! Mit ihrer Drüberfahr-Methode hat diese
Bundesregierung fast die gesamte Bevölkerung verunsichert und in Schrecken
versetzt. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich hatte heute hier im Parlament Besuch von 50 Pensionistinnen und Pensionisten aus dem obersteirischen Raum. Ich habe mit ihnen diskutiert, aber auch mit Personen in den Betrieben oder auf offener Straße wird diskutiert. Die Menschen verstehen Folgendes nicht: Bundeskanzler Schüssel hat 100 Tage gebraucht, um eine Regierung zu Stande zu bringen, aber bei die-
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sem sensiblen Thema will er nun
drüberfahren über die Menschen, die jahrzehntelang fleißig und brav an ihrem
Arbeitsplatz gearbeitet haben. (Beifall bei der SPÖ.)
Sie von der ÖVP
und der FPÖ wollen anscheinend, dass das jahrzehntelang gut aufgebaute soziale
Netz noch löchriger wird, dass noch mehr Menschen durch die Maschen fallen und
es vielleicht in Zukunft keine Mittelschicht in Österreich mehr gibt. –
Die Armen werden ärmer und mehr, und die Reichen werden reicher.
Einen Satz noch
zur so genannten Hackler-Regelung: Ich lehne dieses Wort mit großer Entschiedenheit
ab. Es ist dies eine Diskriminierung aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
denn alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich müssen
an ihrem Arbeitsplatz ihre volle Leistung zur Zufriedenheit ihres Vorgesetzten
erbringen. (Beifall bei der SPÖ.)
Werte Kolleginnen
und Kollegen! Abschließend noch einen Titel aus der „Kronen Zeitung“ vom
29. März dieses Jahres (Abg. Wattaul: Nichts ist wahr!):
Diese Regierung tritt am Stand. – Ich behaupte, diese Regierung tritt
nicht am Stand, diese Regierung hat den Retourgang eingelegt. (Beifall
bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Abtreten!) Sie überfährt dabei
schonungslos alle sozialen Errungenschaften und auch die jahrzehntelang
vorbildlich wirkende und funktionierende Sozialpartnerschaft. (Beifall bei
der SPÖ.)
20.06
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gradwohl. – Bitte.
20.07
Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Herr
Staatssekretär! Hohes Haus! Die heutige Diskussion war ein bunter Strauß von
Wünschen und Plattitüden seitens der Regierungsparteien, aber es sind auch
einige Fragen gestellt worden, beispielsweise vom Abgeordneten Grillitsch.
Der Abgeordnete
Grillitsch hat in seiner Rede gefragt, welchen Weg wir bei der gemeinsamen
Agrarpolitik haben wollen. Welchen Weg soll Österreich beschreiten? Den zur
industriellen Landwirtschaft oder den zur bäuerlichen, kleinstrukturierten
Landwirtschaft? Die SPÖ solle sich doch endlich outen.
Lieber Kollege
Grillitsch! Du hast mir gestern auf einen Zwischenruf geantwortet, ich möge zuhören,
dann würde ich es wissen. Heute kann auch ich dir sagen: Du musst nicht nur
zuhören, du könntest es auch nachlesen, denn es gibt – und ich werde es
dir nach meiner Rede überreichen – ein umfangreiches Programm und Konzept
der Sozialdemokratie aus dem Juni 2001 mit dem Titel „Unsere Landwirtschaft
geht uns alle an“, aus dem hervorgeht, dass wir nicht die industrielle
Landwirtschaft, sondern die kleinstrukturierte Landwirtschaft haben wollen.
Herr Kollege
Grillitsch! Jetzt stelle ich eine Gegenfrage. (Abg. Wattaul: Haben
sie euch gewählt? – Zwischenruf des Abg. Grillitsch.)
Der Landwirt aus
der Freiheitlichen Partei hat sein Aussehen geändert. Es freut mich, Kollege
Wattaul, dass du dich auch für Landwirtschaft interessierst! Kollege
Grillitsch, du musst mir eine Gegenfrage beantworten: Warum bekämpft der
Österreichische Bauernbund, warum bekämpft die Österreichische Volkspartei eine
Veränderung der gemeinsamen Agrarpolitik im Hinblick auf die Erweiterung? Warum
bekämpfen die Österreichische Volkspartei und der Österreichische Bauernbund
eine gerechtere Verteilung der Agrarmittel, und warum habt ihr
seit drei Jahren den Weg des Konsenses in der Landwirtschaftspolitik und des
inneragrarischen sozialen Ausgleiches verlassen, Kollege Grillitsch? Warum? (Beifall
bei der SPÖ. – Abg. Mag. Wurm: Gegen den Fischler! – Abg. Grillitsch: Falsch! Das ist falsch!)
Weil ihr für eine industrielle Landwirtschaft eintretet! Weil ihr weiterhin 80 Prozent der Mittel für 20 Prozent der bäuerlichen Betriebe haben wollt! (Abg. Mag. Wurm: Weil Sie Großbauern sind!) Weil ihr weiterhin die Kleinen am liebsten knechtet, und zwar so lange knechtet, bis es sie nicht mehr gibt! (Beifall bei der SPÖ.) Weil ihr am liebsten die biologisch arbeitenden Betriebe abschaffen würdet! Denn sonst hätten der ehemalige Bundesminister Molterer und jetzt auch
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sein Nachfolger im Budget erhöhte Mittel
zur Förderung und Unterstützung der biologischen Landwirtschaft in Österreich
vorgesehen – eine der Marktchancen für unsere österreichische
Landwirtschaft, Kollege Grillitsch!
Dass du das
lächerlich findest, ist mir völlig klar, denn dein Vertretungsauftrag als
Bauernbundpräsident gilt ja nicht den Kleinen, sondern den Großen, und das
ist ungerecht! (Beifall bei der SPÖ.)
Lieber Kollege
Grillitsch! Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Österreichischen
Volkspartei! Ich möchte Ihnen für die nächsten Wochen der Budgetberatungen eine
Broschüre ans Herz legen – keine Broschüre der SPÖ, sondern eine Studie
aus der Bundesanstalt für Bergbauernfragen aus dem Jahr 2000, den
Forschungsbericht 46: „Die vielen Gesichter der ländlichen Armut“. (Abg. Grillitsch:
Wo hast du das versteckt gehabt bis jetzt?)
Ein Blick in die
Kernbereiche dieser Studie würde euch nämlich zeigen, dass der budgetäre Weg,
den ihr eingeschlagen habt, auch im Agrarbereich der absolut falsche ist. (Abg.
Grillitsch: Es wird das Anforderungsprofil ...!)
Lieber Kollege
Grillitsch, ich rufe dir auch in Erinnerung, was Agrarkommissar Fischler in der
„Pressestunde“ gesagt hat: Wir haben in Österreich noch Gott sei Dank eine
sehr hohe Akzeptanz und einen sehr hohen sozialen Stellenwert der bäuerlichen
Bevölkerung, das ist nicht in allen europäischen Staaten so. (Abg. Grillitsch:
... die Veränderungen unserer bäuerlichen Familien!) – Aber mit eurer
Politik, mit eurer verfehlten angeblichen Interessenpolitik für die Bauern
setzt ihr diese gesellschaftliche Akzeptanz aufs Spiel, und das ist gefährlich.
Weicht ab davon! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
20.11
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet.
Die Debatte ist geschlossen.
Gemäß § 69
Abs. 6 der Geschäftsordnung weise ich die
Regierungsvorlagen 60 und 61 der Beilagen dem Budgetausschuss zu.
Die Tagesordnung
ist erschöpft.
Einlauf
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen
Anträge 127/A bis 132/A eingebracht wurden.
Ferner sind die
Anfragen 386/J bis 391/J eingelangt.
*****
Die nächste
Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen
betreffen wird, berufe ich für 20.12 Uhr, das ist gleich im Anschluss an
diese Sitzung, ein.
Diese Sitzung ist geschlossen.
Schluss der
Sitzung: 20.12 Uhr
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