Stenographisches Protokoll

15. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 8. Mai 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

15. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode                   Donnerstag, 8. Mai 2003


Dauer der Sitzung

Donnerstag, 8. Mai 2003: 9.02 – 20.12 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erste Lesung der Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2003 samt Anlagen

2. Punkt: Erste Lesung der Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2004 samt Anlagen

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................. 6

Ordnungsruf .................................................................................................... 27

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfrage­be­antwortung 42/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ...................................................................................... 21

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Ge­schäfts­ordnung                     89

Redner:

Mag. Johann Maier ................................................................................... 89

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat ....................................................... 91

Günter Kößl .............................................................................................. 92

Rudolf Parnigoni ...................................................................................... 93

Mag. Eduard Mainoni ............................................................................... 94

Mag. Terezija Stoisits ............................................................................... 95

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung ........................................................................................... 22

Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer im Zusam­menhang mit den Ausführungen des Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch ................................................................. 48


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Verlangen des Abgeordneten Herbert Scheibner auf Erteilung eines Ordnungsrufes                          49

Unterbrechung der Sitzung ............................................................................. 62

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Josef Cap betreffend Anwesenheit des Bundesministers für Finanzen ...................................................................................................................... 83

Antrag des Abgeordneten Dieter Brosz im Sinne des § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Anwesenheit des Bundesministers für Finanzen – Ablehnung ...........................................  87, 87

Verlangen gemäß § 66 Abs. 3 der Geschäftsordnung, bei der Abstimmung über den Antrag auf Anwesenheit des Bundesministers für Finanzen die Zahl der „für“ und „gegen“ Stimmenden bekannt zu geben                     87

Aktuelle Stunde (4.)

Thema: „Gesundheitsreform statt Krankensteuer – Nein zur Erhöhung von Selbstbehalten“

Redner:

Dr. Kurt Grünewald ..................................................................................... 6

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat ......................................................... 8

Dr. Erwin Rasinger .................................................................................... 11

Manfred Lackner ...................................................................................... 12

Barbara Rosenkranz ................................................................................. 13

Karl Öllinger ............................................................................................. 14

Barbara Riener .......................................................................................... 15

Doris Bures ............................................................................................... 16

Elmar Lichtenegger .................................................................................. 17

Theresia Haidlmayr ................................................................................... 18

Ausschüsse

Zuweisungen ..........................................................................................  20, 163

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Erste Lesung der Regierungsvorlage betreffend das Bundes­finanz­gesetz für das Jahr 2003 samt Anlagen (60 d. B.) ........................................................................................... 22

2. Punkt: Erste Lesung der Regierungsvorlage betreffend das Bundes­finanzgesetz für das Jahr 2004 samt Anlagen (61 d. B.) ........................................................................................... 22

Redner:

Mag. Wilhelm Molterer ............................................................................. 22

Dr. Alfred Gusenbauer .............................................................................. 27

Josef Bucher ............................................................................................. 31

Dr. Alexander Van der Bellen .................................................................... 35

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..................................................... 40

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................... 43

Friedrich Verzetnitsch ............................................................................... 46

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................. 49

Mag. Werner Kogler ................................................................................. 52

Vizekanzler Mag. Herbert Haupt ............................................................... 55

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................ 56


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15. Sitzung / Seite 3

Dr. Josef Cap ............................................................................................ 58

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................. 59

Dr. Eva Glawischnig ................................................................................. 61

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser .................................................. 62

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ........................................................... ..... 64

Mag. Barbara Prammer ............................................................................. 65

Sigisbert Dolinschek ................................................................................. 66

Michaela Sburny ...................................................................................... 68

Bundesminister Hubert Gorbach ............................................................... 69

Dr. Michael Spindelegger ......................................................................... 71

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................... 72

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................. 73

Karl Öllinger ............................................................................................. 74

Staatssekretär Dr. Alfred Finz ................................................................... 75

Fritz Grillitsch ........................................................................................... 76

Rudolf Nürnberger .................................................................................... 78

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (tatsächliche Berichtigung) ......................... 80

Dr. Reinhard Eugen Bösch ........................................................................ 80

Dr. Gabriela Moser .................................................................................... 81

Jakob Auer ............................................................................................... 83

Heidrun Silhavy ........................................................................................ 85

Mares Rossmann ...................................................................................... 86

Dr. Evelin Lichtenberger ........................................................................... 88

Mag. Walter Tancsits ................................................................................ 97

Manfred Lackner ...................................................................................... 98

Dipl.-Ing. Elke Achleitner .......................................................................... 99

Mag. Terezija Stoisits .............................................................................. 100

Dr. Gertrude Brinek ................................................................................. 103

Anton Gaál ............................................................................................. 104

Mag. Eduard Mainoni ............................................................................. 105

Dr. Kurt Grünewald ................................................................................. 106

Dr. Reinhold Mitterlehner ........................................................................ 108

Kurt Eder ................................................................................................ 109

Maximilian Walch ................................................................................... 111

Mag. Brigid Weinzinger .......................................................................... 112

Fritz Neugebauer .................................................................................... 114

Doris Bures ............................................................................................. 115

Detlev Neudeck ....................................................................................... 116

Dieter Brosz ............................................................................................ 118

Silvia Fuhrmann ..................................................................................... 119

Rudolf Parnigoni ..................................................................................... 121

Silvia Fuhrmann (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 122

Klaus Wittauer ........................................................................................ 123

Sabine Mandak ....................................................................................... 124

Karl Freund ............................................................................................. 125

Ing. Kurt Gartlehner ................................................................................ 126

Elmar Lichtenegger ................................................................................ 127

Mag. Ulrike Lunacek ............................................................................... 129

Ridi Steibl ............................................................................................... 131

Dr. Günther Kräuter ................................................................................. 132

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber ................................................................ 133

Mag. Karin Hakl ...................................................................................... 135

Mag. Melitta Trunk ................................................................................. 136

Heidemarie Rest-Hinterseer ..................................................................... 138

Nikolaus Prinz ........................................................................................ 139

Mag. Hans Moser .................................................................................... 140

Mag. Dr. Josef Trinkl .............................................................................. 141


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Mag. Dietmar Hoscher ............................................................................. 143

Wolfgang Großruck ................................................................................ 144

Kai Jan Krainer ....................................................................................... 145

Dr. Andrea Wolfmayr .............................................................................. 147

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................ 148

Walter Murauer ....................................................................................... 149

Franz Riepl ............................................................................................. 150

Astrid Stadler .......................................................................................... 151

Dipl.-Ing. Werner Kummerer ................................................................... 152

Alfred Schöls .......................................................................................... 153

Dr. Caspar Einem (tatsächliche Berichtigung) ............................................ 155

Ulrike Königsberger-Ludwig ................................................................... 155

Werner Amon, MBA ............................................................................... 156

Dietmar Keck .......................................................................................... 157

Mag. Kurt Gaßner ................................................................................... 158

Peter Marizzi ........................................................................................... 160

Karl Dobnigg .......................................................................................... 161

Heinz Gradwohl ...................................................................................... 162

Zuweisung der Regierungsvorlagen 60 und 61 d. B. an den Budget­ausschuss ..... 163

Eingebracht wurden

Regierungsvorlage ....................................................................................... 20

76: Bundesgesetz, mit dem das Gefahrgutbeförderungsgesetz geändert wird (GGBG-Novelle 2003)

Bericht .......................................................................................................... 21

III-26: Bericht gemäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Umwelt­verträglichkeitsprüfung; BM f. Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anträge der Abgeordneten

Mag. Ulrike Sima, Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasche Vorlage eines Bundestierschutzgesetzes im Sinne des Volksbegehrens für ein Bundestierschutzgesetz (127/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Novelle zum Datenschutzgesetz (Gewährleistung eines Personalstandes für den Datenschutzrat und die Datenschutzkommission, der dem europäischen Standard entspricht) (128/A)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Novelle zum Bildungs­dokumentationsgesetz (129/A)

Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ratifikation des Zu­satzprotokolls zur Antifolterkonvention (Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe) (130/A) (E)

Sigisbert Dolinschek, Mag. Walter Tancsits, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz geändert wird (131/A)


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Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bezügegesetz, BGBl. Nr. 273/1972, und das Bundesbezügegesetz, BGBl. I Nr. 64/1997, geändert werden (132/A)

Anfragen der Abgeordneten

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Lärmschutzmaßnahmen an der Westbahn im Bereich der Gemeinde Prinzersdorf (386/J)

Mag. Dietmar Hoscher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verkauf von Bundeswohnungen (387/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Bildungsdokumentationsgesetz (388/J)

Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die „Sportmilliarde“ (389/J)

Dr. Ferdinand Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend eine Machbarkeitsstudie für die Überbauung der Wiener Südost-Tangente (A 23) vom Bereich Kaisermühlen bis zum Bereich Inzersdorf (390/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Engagement der Österreichischen Bundesforste in Osteuropa (391/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (194/AB zu 165/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (195/AB zu 204/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (196/AB zu 267/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen (197/AB zu 223/J)


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Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweiter Präsident Dr. Heinz Fischer, Dritter Prä­si­dent Dipl.-Ing.Thomas Prinzhorn.

*****


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße Sie alle sehr herzlich und bitte Sie, die Plätze einzunehmen.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Helga Machne und Gerhard Steier.

Aktuelle Stunde


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Gesundheitsreform statt Krankensteuer – Nein zur Erhöhung von Selbstbehalten“

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dozent Dr. Grünewald. Sie haben eine Redezeit von 10 Minuten. – Bitte.

9.03


Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Universitätsdozent, Erster Prä­sident des Nationalrates Dr. Khol! Ich habe mich erkundigt: Sie sind genauso Professor wie ich, daher: Sagen Sie in Zukunft lieber „Herr Doktor“ zu mir. (Heiterkeit bei den Grünen.)

Ich glaube, wir können uns hier darauf einigen, dass Gesundheitspolitik sicherlich zu den sen­si­belsten Politikfeldern gehört, und zwar aus folgenden Gründen: einerseits auf Grund der stei­genden Kosten – das macht viele zu Recht nervös –, andererseits aber auch auf Grund einer be­sonderen Betroffenheit der Bevölkerung, was Gesundheit angeht. Diese Betroffenheit zeich­net sich dadurch aus – und das sollten wir alle verstehen –, dass Krankheit und Leid nicht nur monetär, das heißt nicht nur in Geldwerten zu bemessen sind, sondern das wirkt sich doch aus auf ganz konkrete Personen, auf ihre Partnerschaften, auf die Familie, auf ihr Umfeld, auf die Gesellschaft – und natürlich auch auf Österreichs Wirtschaft; wenn man das gerne hört, kann man das auch selbstverständlich hören.

Nun: Wie geht man mit diesen sensiblen Politikfeldern um? – Alle haben gewusst – auch Kolle­ge Rasinger, auch Bundeskanzler Schüssel –, dass die Gesundheitskosten, und zwar aus ver­schie­denen Gründen, ansteigen. Alle, die Augen, Ohren und Gehirn haben, wussten das. Und so frage ich mich – selbstverständlich gehe ich von der Annahme aus, dass auch die Vertreter der Regierungsparteien über diese drei Organe verfügen –: Warum konnte man das so lange leug­nen, verdrängen und behaupten, es werde keine Beitragserhöhungen geben, diese kämen nicht in Betracht, weil man die Belastungen nicht weiter ausdehnen möchte?

Man wurde doch beschimpft, wenn man so etwas verlangte beziehungsweise das als notwendig bezeichnete. Und nun – nicht erst seit den Koalitionsgesprächen mit der ÖVP – hört man, dass es da ein Umdenken gibt. Aber wie denkt man um? Dieser Sache würde ich ganz gern auf die Spur kommen.

Dass die Fortschritte der Medizin die Dinge verteuern, ist klar, weil diese eben Möglichkeiten eröffnen, die vor kurzem unvorstellbar waren beziehungsweise nicht einmal angedacht werden konn­ten. Dass die zunehmende Alterung der Bevölkerung, die steigende Lebenserwartung mehr chronisch Kranke bedingt, die natürlich auch Betreuung, Diagnosen und Therapien brauchen, war immer klar.


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Kollege Rasinger von der ÖVP hat in diesem Zusammenhang aber davon gesprochen, dass mit den Selbstbehalten und mit den Belastungen der Patientinnen und Patienten bereits der „Pla­fond erreicht“ sei. – Nun aber stehen wir in einem „Haus“ eines Regierungsprogramms, in dem ich keinen Plafond mehr sehe. Ich will nicht sagen, dass der Blick auf den Himmel freigegeben wurde, das wäre zu schön, aber jedenfalls hat dieses „Haus“ keinen Plafond mehr.

Die Bevölkerung hat – und das ist auch für die Besucher auf der Galerie wichtig, zu wissen – einen gesetzlich verbrieften Anspruch auf Chancengleichheit in Diagnose und Therapie von Krank­heiten, und sie hat diese Chancengleichheit auch im Zusammenhang mit allen Fort­schrit­ten der Medizin, das heißt, einer Medizin auf dem Stand der heutigen Wissenschaft.

Das ist eine zweifellos sehr hoch gelegte Latte. Nun verfügen wir zwar im Parlament über einen Hür­denläufer, aber Stabhochspringer sind in der Bundesregierung selten – und diese Latte be­ginnt daher zu wackeln. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Pausenlos wird von der Regierung die „Unfinanzierbarkeit des Gesundheitssystems“ propagiert, und das wird verknüpft mit dem Damoklesschwert „Leistungseinschränkungen“. – Dass das Leu­te beunruhigt, verängstigt, verunsichert, ist klar, aber: Die Antworten fehlen uns noch!

Mir scheint, man ist sehr geneigt, etwas sehr schnell zum Dogma zu erheben, und ich erachte den Gedanken: „Wer krank ist, ist selber schuld!“ schon als etwas wie ein Dogma, das sich die Re­gierung so lange – perseverierend eben – vorsagt, bis auch jene daran glauben, die vorher Dog­men gegenüber noch sehr kritisch waren.

Dogmen können Wissen nicht ersetzen, auch nicht den Glauben. Sie sind lediglich verführe­risch, sind bequem, weil so Verantwortung delegiert wird – und solche Dogmen ersparen sozu­sa­gen auch eine Auseinandersetzung.

Bei diesem Gedanken an Selbstbehalte – dieses Gefühl habe ich zumindest – beginnt sofort die Assoziation damit, dass das „wunderbare“ Steuerungs- und Lenkungsinstrumente sind, aber auch „wunderbare“ Finanzierungsinstrumente, und da galoppieren Ihre Gedanken offensichtlich nur mehr in eine Richtung. Meinen Informationen nach war diese Erfindung von Selbstbehalten eine der Privatoffenbarungen, die Schüssel überfallen hat, und da habe ich schon den Ein­druck – jetzt bitte nicht böse zu sein! –, dass bei ihm dann alles in eine Richtung galoppiert ist, be­vor er zu denken angefangen, bevor er zu reflektieren begonnen hat, welche Folgen und Aus­wirkungen das hat. – Das kann es aber meiner Überzeugung nach nicht sein! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was in einem solchen Fall nämlich zurückbleibt, sind die Kranken, Patientinnen und Patienten, die solchen Dogmen relativ hilflos gegenüberstehen. Und: Allein das Wort „Selbstbehalt“ ist ja schon etwas Infames an sich. Wer behält sich etwas selbst? – Die Kranken behalten sich nichts selbst, sondern sie zahlen etwas!

Zu glauben, dass so Steuerungswirkungen entstehen, dagegen spricht eine Studie, die das Staats­sekretariat Waneck kürzlich in Auftrag gegeben hat. Darin heißt es, dass nur übermäßig hohe, sozial kaum verträgliche Selbstbehalte PatientInnen wirklich davon abhalten könnten, Leis­tungen zu beanspruchen, die sie aber – das sage jetzt ich – wohl zu einem hohen Prozent­satz tatsächlich brauchen. Da frage ich mich schon, wie gesundheitspolitisch wertvoll ist es, wenn man Leute davon abzuhalten versucht, sich in Behandlung zu begeben, wenn sie sich krank fühlen. – Ich finde das jedenfalls nicht gut!

Kranke, an deren Autonomie, also an deren Selbständigkeit und freien Willen sowie an deren Kos­tenbewusstsein man immer stärker glauben will, sind keine „normalen Konsumenten“. Deren Verhalten ist nicht nur nach den Regeln des Marktes zu bewerten, sondern sie müssen sich überlegen – und das ist doch ein Unterschied! –, ob sie zum Arzt/zur Ärztin gehen, sich operie­ren oder einen Zahn ziehen lassen. Wer macht denn das bitte freiwillig?! Das ist doch etwas anderes, als sich einen CD-Player oder eine Kinokarte zu kaufen! Das heißt: Derartiges Marktverhalten ist in diesen Bereich nicht zu übertragen. Die Kranken können nicht wählen.


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Zu all dem kommt noch – das muss man auch einmal sagen, und Frau Bundesministerin Rauch-Kallat wird das sicherlich verstehen, aber sie ist natürlich nur ein Mitglied dieser Bundes­re­gierung –, dass Patienten nur über eines entscheiden können, nämlich zum Arzt zu gehen oder nicht. Danach aber entscheidet der Arzt/die Ärztin beziehungsweise das System der Ge­sundheitsberufe, was mit diesem Patienten/dieser Patientin geschieht. Kranke haben über­haupt keinen Einfluss darauf, welche Kosten sie verursachen, denn sie sind auf Treu und Glau­ben auf die Tipps und Anweisungen der Kolleginnen und Kollegen aus den Gesundheitsberufen ange­wiesen.

Also: Welche Gefahren bestehen in den Selbstbehalten? – Diese sind vielfältiger Natur. Dass Diagno­sen verschleppt werden, macht das System sicherlich noch teurer, weil sich eben Er­kran­kungen chronifizieren, festfressen können und noch schwerer behandelbar sind. Weiters: Die Gefahr der Selbstmedikation steigt. PatientInnen werden versuchen, sich irgendetwas aus der Apotheke zu besorgen, von dem sie meinen, es könnte ihnen helfen – und das, ohne die Diagno­se zu kennen. Es entstehen soziale Härten und ein ungeheuer großes bürokratisches Chaos, wenn man diese sozialen Härten genügend abfedern will, also so ähnlich wie bei den Ambulanzgebühren.

Dass die Gesundheitskosten damit sinken, ist nicht nur eine Platitude, sondern schlicht und ein­fach falsch! Die Gesundheitskosten werden nur verschoben; sie werden nicht sinken, sondern werden vom öffentlichen Sektor in den privaten, das heißt auf die Kranken übergewälzt. Das darf nicht sein!

Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, sollten auch zur Kenntnis nehmen, dass Österreich be­reits an dritter Stelle der Welt liegt – nach den USA und den Niederlanden –, was die Ge­sund­heits­kosten betrifft, die Private anteilig an den Gesamtkosten ausgeben müssen.

Ich komme noch kurz auf unsere Koalitionsgespräche mit der ÖVP zurück. (Abg. Scheibner: Das ist interessant!) Da haben wir von Harmonisierung der Selbstbehalte auf einem einheitli­chen Niveau gesprochen, haben uns allerdings dagegen ausgesprochen, Selbstbehalte als zu­sätzliche Einnahmequelle zu deklarieren. Bartenstein hat sogar zugegeben, er fürchte dassel­be wie bei den Ambulanzgebühren; man sollte eine Pilot-Studie in einem Bundesland ma­chen. – Nichts von dem ist geschehen! Nichts davon ist geblieben!

Die neuen Belastungen der Bundesregierung betreffen, wenn man das subsumiert, zu 88 Pro­zent die Versicherten – und nur zu 12 Prozent die Dienstgeber. Das heißt, die Balance, die Pari­tät zwischen Dienstnehmern und Dienstgebern wird empfindlich und immer weiter gestört.

Dass man das jetzt noch an den Hauptverband, den Sie ja immer für unfähig halten, und an die Kas­sen delegieren will, dass sie entscheiden, wie hoch die Selbstbehalte sein sollen, ist inso­fern fatal, als wir doch eine bundesweite Regelung wollen. Die Gefahr von neun Bundesländer-Re­gelungen und einer vermehrten Ungleichheit steigt somit.

Zum Schluss: Arme Kassen werden gezwungen sein, mehr einzufordern. Aber warum sind die­se Kassen arm? – Weil ihre Versicherten arm sind: Arbeitslose, Mutterschutz et cetera. Das heißt, die Katze beißt sich doch da in den Schwanz. Die Gesundheit kommt nicht vorwärts! (Prä­sident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Ich würde einen Dialog empfehlen. Der Herr Bundeskanzler hat ja von beiden Händen gespro­chen, die ausgestreckt wären. – Mein Appell: Reichen wir uns diese zum Dialog, solange wir sie noch haben! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.14


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer einleitenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Rauch-Kallat. – Bitte, Frau Bundesministerin.

9.14


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Dr. Grünberger! (Rufe bei den Grünen: Grüne-


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wald!) Grünewald, Entschuldigung! – Herr Abgeordneter Dr. Grünewald, der Titel der Aktuellen Stun­de, deren Thema heute von den Grünen vorgegeben wurde, lautet: „Gesundheitsreform statt Krankensteuer – Nein zur Erhöhung von Selbstbehalten.“

Gesundheitsreform statt Krankensteuer – da bin ich ganz bei Ihnen, Herr Dr. Grünewald. Uns geht es darum, in Österreich ein qualitativ hochwertiges Gesundheitssystem mit einem nieder­schwelli­gen sozialen Zugang sicherzustellen. Das heißt, jeder, der in Österreich krank ist und Hilfe braucht, bekommt diese, und zwar unabhängig von Alter, Einkommen oder Wohnort. Und dieses System, das gut ist, wollen wir auch in Zukunft erhalten. Daran ist nicht zu rütteln! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir wissen aber, dass dieses System zwei ganz große Herausforderungen zu bewältigen hat: einerseits den medizinischen Fortschritt – Gott sei Dank! –, der vieles möglich macht, was noch vor zehn oder 15 Jahren undenkbar war. So zum Beispiel können Hochbetagte, über 80-Jähri­ge nach einem Schenkelhalsbruch, der vor zehn oder 15 Jahren oftmals noch einem Todes­urteil gleichkam, heute Gott sei Dank nach einer Operation, oft schon nach wenigen Tagen, wieder nach Hause gehen.

Der medizinische Fortschritt kostet aber sehr viel Geld, und daher ist das auch zu finanzieren.

Weiters, meine Damen und Herren, sind wir mit einer demographischen Entwicklung kon­fron­tiert, die es Gott sei Dank vielen Österreicherinnen und Österreichern ermöglicht, aktiv bis ins hohe Alter zu sein, aber natürlich gab und gibt es auch einen sehr hohen Pflegebedarf. Wir möch­ten, dass auch in Zukunft in Österreich keine englischen Verhältnisse eintreten, dass wo­mög­lich ein 70-Jähriger keine Hüftoperation mehr bekommt, wie das eben in England der Fall ist.

Wir möchten, dass jeder Patient/jede Patientin in Österreich auch in Hinkunft all das bekommt, was er/sie für seine/ihre Gesundheit braucht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Um diese Herausforderung im Zusammenhang mit steigenden Kosten zu bewältigen, gibt es ver­schiedene Möglichkeiten: Man könnte – beispielsweise – immer wieder die Krankenversiche­rungs­­­beiträge erhöhen. Das würde aber dazu führen, dass der Verwaltungsaufwand wahr­schein­­­lich nicht wirklich geringer wird. Das lehnen wir daher ab! Wir haben jetzt eine An­glei­chung durchgeführt. Ich danke auch sehr dafür, dass diese akzeptiert wurde. Ich danke vor allem den Pensionistinnen und Pensionisten, dass sie mit einer Beitragserhöhung von 0,5 Pro­zent im Jahre 2004 und einer von 0,5 Prozent im Jahre 2005 dazu beitragen, dass das System ge­sichert werden kann.

In unserem Krankenversicherungssystem gibt es jetzt schon eine Fülle von Selbstbehalten, die in den letzten 30 Jahren von sozialdemokratischen Gesundheitsministern eingeführt wurden. Bis 1999 gab es immer nur sozialdemokratische Gesundheitsminister. Nur die Ambulanzgebühr wurde von Herbert Haupt, einem freiheitlichen Gesundheitsminister, eingeführt.

Wir haben allerdings auch die unterschiedlichsten Beiträge, die unterschiedlichsten Formen von pro­zentuellen, pauschalierten Beiträgen für den Arztbesuch, für die Rezeptgebühr, für Heilbe­hel­fe, für Hilfsmittel. Ein Wildwuchs an Beiträgen sozusagen, der schwer durchschaubar ist und wo daher von dieser Bundesregierung, auch in der Regierungserklärung, festgehalten wurde, dass das in dieser Legislaturperiode möglichst vereinheitlicht und überschaubar gemacht wer­den soll.

Dann gab es auch die Idee, einen Selbstbehalt für den Arztbesuch ASVG-Versicherter einzu­füh­ren, der insbesondere sozial gestaltet und für chronisch Kranke oder kinderreiche Familien gedeckelt sein soll – alle anderen Krankenversicherungen haben bereits diesen Selbstbehalt beim Arztbesuch –, damit die Krankenscheingebühr, die ja als Übergangslösung gedacht ist, durch ein derart vereinheitlichtes System abgelöst werden kann.

Und genau das, was Sie, Herr Dr. Grünewald, am Schluss Ihrer Rede gefordert haben, haben wir mit dieser Regelung auch vorgesehen, dass nämlich der Hauptverband gemeinsam mit den


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Sozialversicherungsträgern ein Modell erarbeiten soll, das sozial gestaltet ist, das gedeckelt ist, auch keine Überbelastung von chronisch Kranken und kinderreichen Familien bringt und ge­meinsam mit der Selbstverwaltung der Sozialgemeinschaft in den Sozialversicherungsträgern ge­staltet werden soll. Die beiden ausgestreckten Hände, die Sie verlangt haben, sind genau die­ses Modell, und niemand versucht, irgendjemandem etwas überzustülpen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ihre Kritik daran, dass das der Hauptverband tun soll, Herr Dr. Grünewald, ist völlig unbe­rech­tigt, denn nur dieser kann garantieren, dass nicht in jedem einzelnen Bundesland eine andere Re­ge­lung geschaffen wird, sondern, dass wir zu einer gemeinsamen, überschaubaren Re­ge­lung kommen. Genau das besagt dieser Satz!

Meine Damen und Herren! Ich würde daher sehr, sehr herzlich bitten, dass Sie nicht versuchen, wie das manche in Salzburg tun, im Zusammenhang mit dieser Regelung jetzt schon Pa­tientin­nen und Patienten zu verunsichern, jetzt schon Angstmacherei zu betreiben, zu versuchen, vor allem älteren Menschen, die ja leichter zu verunsichern sind, Angst zu machen.

Wir werden sicherstellen – und das ist unser Ziel bei der Gesundheitsreform –, dass auch in Zu­kunft die Österreicherinnen und Österreicher einen fairen Zugang zu den medizinischen Leis­tungen haben.

Lassen Sie mich aber diese Aktuelle Stunde auch dazu nutzen, ganz kurz einiges zu den Zie­len, die wir in der Gesundheitsreform haben, zu sagen.

Wir haben uns vorgenommen, aus der Krankenversicherung Gesundheitsservicezentren zu ma­chen, damit Österreicherinnen und Österreicher in Hinkunft möglichst gar nicht erst krank werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Wir werden daher einen Schwerpunkt unserer Arbeit neben der Pflichtübung, nämlich der Sanierung und Finanzierung des Krankenversicherungssystems, vor allem auch in der Gesundheitsvorsorge setzen. Wir möch­­ten Gesundheitspolitik neu denken. Wir möchten, dass einfach jedem Österreicher und je­der Österreicherin bewusst wird, dass Krankheit nicht nur das höchste Gut ist, sondern dass sie auch nicht selbstverständlich ist. (Abg. Mag. Posch: Krankheit ist das „höchste Gut“?) – Bit­te um Entschuldigung! Ich wollte natürlich sagen, dass Gesundheit das höchste Gut ist, dass sie aber nicht selbstverständlich ist, sondern dass wir auch etwas dazu tun müssen. (Abg. Par­nigoni: Für die Ärzte ist Krankheit das höchste Gut!) Es ist mir daher ganz besonders wichtig, das Gesundheitsbewusstsein der Österreicherinnen und Österreicher zu heben und sicher­zustellen, dass sie auch um ihre Gesundheitsvorsorge wissen.

Ich denke, dass die Gesundheitsvorsorge fünf wichtige Säulen hat, und basierend auf diesen fünf wichtigen Säulen wird sich unsere aktive Informationsarbeit auch bewegen. Es geht dabei um gesünder leben, es geht um mehr Bewegung, es geht um Entspannung und bessere Stress­bewältigung – das gilt insbesondere am Arbeitsplatz, aber zunehmend auch in der Frei­zeit –, es geht darum, Unfallverhütung im Freizeit- und im Haushaltsbereich besser zu ver­an­kern – im Betriebsbereich ist uns das gelungen –, und es geht darum, auch medizinische Vor­sor­­ge­untersuchungen so zu implementieren, dass möglichst wenige Menschen an Volks­krank­heiten wie Bluthochdruck, Diabetes oder Krebs sterben müssen.

Ich bitte Sie, diese nationale Bewegung, die wir in den nächsten drei Jahren in allen Alters­grup­pen erreichen wollen – angefangen von den Schülern, über die Berufstätigen, bis hin zu den Pensionisten –, zu unterstützen und gemeinsam etwas zu tun, dass die Österreicherinnen und Österreicher gesund bleiben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitli­chen.)


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9.25


Präsident Dr. Andreas Khol: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein. Alle Redner haben jetzt eine Redezeit von 5 Minuten.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte.

9.25


Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Grünewald, Sie haben heute von diesem Rednerpult aus einen Vorwurf erhoben, den ich als Arzt nicht so stehen lassen möchte. Sie haben da so „locker vom Hocker“ gesagt, die ÖVP oder die Regierung würde die österrei­chi­schen Kranken nach dem Motto behandeln: Wer krank ist, ist selber schuld! – Ich glaube, als Arzt sollten Sie mit solchen Vorwürfen vorsichtiger umgehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­ge­ordneten der Freiheitlichen.) Es ist dies nämlich eine Unterstellung, die durch nichts, durch gar nichts untermauert ist.

Sie haben an Verhandlungen teilgenommen, und Sie wissen genau – ich kann Ihnen die ent­spre­chende Passage der Regierungserklärung vorlesen –, Bundeskanzler Schüssel hat sich aus­drücklich zum Weltklasse-System bekannt und zu einem Zugang zur medizinischen Ver­sor­gung unabhängig vom Einkommen, unabhängig von der Region und unabhängig von der Art der Erkrankung. (Abg. Parnigoni: ... Sonderklasse!)

Das ist ein wesentlicher Punkt, das ist österreichische Tradition. Wenn wir in Österreich aber Welt­klasse wollen – und das bescheinigt uns die WHO: Platz 9, EU-Zufriedenheit: Platz 1 –, dann müssen wir die Dinge beim Namen nennen. Dann müssen wir schauen, wo Bedarf ge­ge­ben ist. Die Frau Ministerin hat schon gesagt: Der medizinische Fortschritt und die höhere Le­bens­erwartung der Bevölkerung sind begrüßenswert, kosten aber.

Sie als Arzt wissen ganz genau, dass jährlich 20 000 Menschen einen Schlaganfall erleiden. Das würde in zwei Jahren der Bevölkerung einer Stadt in der Größe von St. Pölten entspre­chen. Die Betreuung der Patienten kostet Geld, und wir bekennen uns dazu. (Rufe bei den Grü­nen: Selber zahlen!)

Zweitens: Wenn Sie 14 000 ÖsterreicherInnen jährlich eine künstliche Hüfte einsetzen, dann heißt das Lebensqualität, aber nicht Lebensverlängerung für diese Patienten, heißt das: keine Schmerzen, nicht mehr in der Nacht aufwachen. Aber das kostet Geld!

Und wenn in Österreich 15 000 Herzeingriffe durchgeführt werden, bei denen Gefäße aufge­dehnt werden, heißt das für die betroffenen Patienten Lebensqualität, heißt das Überleben. Das ist nicht selbstverständlich, Herr Abgeordneter Grünewald, wie Sie offenbar glauben. Schauen Sie einmal nach Amerika! 40 Millionen Menschen sind dort nicht versichert, und wenn jemand dort nicht bezahlen kann, kann er noch vor dem Spital umdrehen und heimgehen, denn dann wird die Behandlung abgebrochen.

Schauen Sie nach Deutschland! (Abg. Dr. Grünewald: Wir sind in Österreich!) In Deutschland wur­de durch bürokratische Maßnahmen von Rot-Grün – bitte: Rot-Grün! – den Patienten eine gan­ze Reihe von Medikamenten verweigert. Und Sie wissen auch ganz genau, dass in Deutsch­land nur jeder zehnte Alzheimer-Patient sein Medikament bekommt, weil das von der Büro­kratie her den Ärzten „abgedreht“ wurde. Also tun Sie nicht so, als ob wir auf der Insel der Seligen wären und Sie die Solidarität erfunden hätten! (Beifall bei der ÖVP.)

Selbstbehalte sind notwendig, Selbstbehalte sollen aber Patienten nicht abhalten von Leis­tun­gen, und der Auftrag der Regierung an die Sozialversicherung ist sehr klar, sehr simpel: Selbst­behalte müssen sozial verträglich sein! Die Größenordnung, über die wir reden, ist in etwa ein Prozent der Kasseneinnahmen. (Abg. Öllinger: Das stimmt ja nicht!) Da können Sie wirklich nicht sagen, dass das eine Überbelastung ist, noch dazu, da noch keiner weiß, wie das Modell ausschaut, wie hoch dieser Betrag tatsächlich sein wird. Sie aber sind offensichtlich erleuchtet!

Ich bin so wie Sie Arzt und lasse diesen Vorwurf: Wer krank ist, ist selber schuld!, nicht so ste­hen. Ich finde diesen Vorwurf eigentlich skandalös! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Grünewald: Weil nur die Kranken zahlen!)

Sie betreiben meiner Meinung nach Realitätsverweigerung. Wenn man dem Gesundheitswesen kein Geld zuführt, was passiert denn dann? – Dann müssen Sie verdeckt rationieren! (Abg. Dr. Grü­newald: Herr Rasinger, Sie reden immer von etwas anderem!) Dann müssen Sie


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verdeckt rationieren! Und keine Leistung – wissen Sie, was das heißt? – Das heißt 100-pro­zentiger Selbstbehalt!

Wir brauchen Geld, damit wir die Vorsorge verbessern. Es wäre ein schönes Ziel, wenn Sie mit uns mitgehen und sagen würden: Wir reduzieren die Sterblichkeitsrate bei Frauen mit Brust­krebs um 50 Prozent! (Abg. Dr. Grünewald: Das ist Utopie!), wenn Sie sagen würden: Füllen wir die weißen Flecken!, wenn Sie sagen würden: Machen wir etwas bei der Kinderkrebs­rehabi­li­tation, machen wir etwas bei der Krebsrehabilitation, bauen wir die Hospize aus! (Abg. Dr. Grü­newald: Das machen Sie ja nicht!)

Wir von der ÖVP, wir von der Regierung wollen gleichen Zugang – unabhängig vom Einkom­men! Das ist unser Credo! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

9.30


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Lackner. – Bitte.

9.30


Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatsse­kretär! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich will keine Zwei-Klassen-Medizin, ich will keine Beitragserhöhungen und ich will keine neuen Selbstbehalte. (Abg. Mag. Molterer: Was wollen Sie dann?) – So weit eines der weiteren oder der vielen vordergründigen Verspre­chen des Herrn Bundeskanzlers vom 9. Juli 2002.

Die Fakten, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, sprechen jedoch eine an­dere Sprache. „Wir“ – so der Herr Bundesfinanzminister gestern in seiner Budgetrede – „ha­ben daher die Sozialversicherungsträger ermächtigt, von allen Versicherten einen sozial gestalteten Selbstbehalt einzuheben“.

Prüfen wir nunmehr diese neoliberale Ansage auf ihre Plausibilität!

Es ist nachgewiesen, meine Damen und Herren, dass die Gesundheitschancen entsprechend dem Einkommen und dem sozialen Status unterschiedlich sind. Daher ist es für mich wichtig fest­zu­halten: Die gesundheitliche Versorgung ist ein öffentliches Anliegen und nicht die Privat­sache der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die vorliegenden Erfahrungen, meine Damen und Herren, führen auch zu starken Zweifeln an der Sinnhaftigkeit von generellen Selbstbehalten, denn eines ist klar: Die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen sinkt mit steigenden Selbstbehalten. Dieser Effekt ist aber nur kurzfristig und wird durch erhöhte Intensität des Angebots mehr als nur kompensiert. Selbstbehalte wirken generell abschreckend, ohne zwischen notwendigen und weniger notwendigen Behandlungen zu unterscheiden.

Insgesamt, meine Damen und Herren, zieht die abschreckende Wirkung insbesondere für Be­zie­her niedriger Einkommen nachteilige gesundheitliche Folgen und Mehrkosten nach sich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Gesamteinnahmen aus Selbstbehalten bleiben meist hinter den Erwartungen zurück, und auch Ausnahmen können keinen tatsächlichen Schutz für einkommensschwache und chronisch kranke Menschen gewährleisten. Die hohen Administrationskosten von Ausnahmen werden von vielen unterschätzt.

Die Finanzierung ist natürlich regressiv. An Stelle eines solidarischen Risikoausgleichs werden kran­ke und sozial schwache Menschen unmittelbar belastet. Deswegen bewerten gesundheits­politische Analysen Selbstbehalte als ungeeignetes Instrument, um zu den Zielen Gerechtigkeit und Effizienz beizutragen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Vor diesem Hintergrund werden Selbstbehalte in erster Linie als politisches Instrument einge­setzt. Sie dienen als Symbol für einen liberalen, marktorientierten Politikansatz, der individuelle


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Verantwortung in den Vordergrund stellt. Ein Beitrag zur Lösung von strukturellen Problemen im Gesundheitswesen wird damit aber nicht geleistet. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Es ist gestern von Ihnen sehr viel von Glaubwürdigkeit und Vertrauen gesprochen worden. Wie würden Sie nunmehr die Aussage des Bundeskanzlers vom 9. Juli 2002 in Anbetracht der gewaltigen Belastungen für kranke und so­zial schwache Menschen in diesem Lande bewerten? – Ich kann die Antwort gerne vorweg­neh­men: Das ist, und daran gibt es nichts zu rütteln, ein massiver Vertrauensbruch des Bundes­kanzlers gegenüber den Menschen in diesem Lande, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Auch die gestrige Ankündigung des Finanzministers, dass es möglicherweise Entlastungen für die Menschen in diesem Lande geben könnte, ist in Anbetracht der Belastungen allein im Be­reich des Gesundheitswesens wohl nur als hohle Rhetorik zu bewerten.

Geschätzte Damen und Herren! Nicht Reformen im Gesundheitsbereich sind die Leitmotive Ihres politischen Handelns, sondern der Griff in die Brieftaschen kranker und sozial schwacher Men­schen. Dies wird von uns verurteilt, und diesen Weg wird man mit uns sicher nicht gehen können! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

9.35


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Rosenkranz. – Bitte.

9.35


Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Staats­se­kretär! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Grünewald, Sie haben Ihre Rede damit begonnen, dass man sich darauf einigen können sollte, dass dieses Politikfeld ein besonders sensibles ist. Selbstverständlich! Wir werden uns auch weiter darauf einigen können, dass der hohe Stand un­seres Gesundheitswesens ein Ergebnis gesamtgesellschaftlicher Anstrengungen ist und dass deshalb auch die Leistungen von allen abgerufen werden können müssen; dass es un­denkbar ist, dass es zu einer Zwei-Klassen-Medizin kommt, wie wir es in anderen europäischen Ländern sehen. Auch darauf werden wir uns selbstverständlich einigen können.

Daraus folgere ich jetzt: Eine Reform muss es geben, denn wenn nichts geschieht, wenn nicht aktiv gehandelt wird, dann wird etwas passieren. Dann wird das Niveau des öffentlichen Ge­sund­heitssystems schleichend sinken. Manche werden es bemerken, manchen wird es gar nicht so bewusst werden, und nur jene, die über genügend Kapital verfügen, die sich Privat­leistungen zukaufen können, werden dann alles ausnützen können, was zu guter Letzt alle finanzieren. Und das darf nicht passieren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es besteht zusätzlicher Finanzierungsbedarf; davor kann man nicht die Augen verschließen. Es ist schon zwei Mal gesagt worden – und es ist ja an sich erfreulich –: Die hohe Lebenser­war­tung, der hohe Stand der medizinischen Behandlungsmöglichkeiten erfordern mehr Geld. Das muss man zur Kenntnis nehmen.

So hat auch zum Beispiel gestern der Chef der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse in einer Aussendung festgehalten, dass bis 2005 ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf von 900 Millionen € auszumachen ist. Das muss kommen. Die Frage ist also nun: wie?

Da bin ich nun überrascht, dass man gleich zu Beginn einer Debatte das Mittel des Selbst­be­halts gänzlich ausschließt, denn ich kann mich daran erinnern, dass es in den neunziger Jahren unter ausschließlich sozialdemokratischen Gesundheitsministern eine Reihe von Selbstbehalten gegeben hat, aber damals wirklich nur zur reinen Geldbeschaffung. Es war eine Art Wildwuchs: manchmal die Krankenscheingebühr, die Rezeptgebühr, die hohen Selbstbehalte bei Heil­mittel­behelfen wie Brillen, Prothesen; wer Kinder hat, kennt die Geschichte mit den Zahnspangen. Es


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gab eine Reihe von Selbstbehalten, und diese gibt es noch! – Soviel zur „Redlichkeit“ der Dis­kus­sion. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Grundsätzlich ist allerdings schon zu sagen, dass das Mittel des Selbstbehalts, wenn es nicht zur reinen Geldbeschaffung und vernünftig und koordiniert eingesetzt wird, sehr wohl auch gute Effekte haben kann, denn es zwingt – nicht nur den Patienten, sondern vor allem auch jene, die im Gesundheitsbereich tätig sind – zu einem sorgsamen Umgang mit den vorhandenen Mitteln. Dinge wie Doppelbehandlungen und Dreifach-Röntgenaufnahmen werden dann, weil sich ja auch der Kunde – Klammer: Patient – wundern muss, dass er schon wieder zum Röntgen muss, an dem er kostenmäßig beteiligt sein wird, ein wenig hintangehalten werden. Ich sehe das also nicht so negativ.

Das Zweite, was mir unangenehm auffällt: Sie beklagen in anderen Bereichen der Politik, so wie gestern, dass drübergefahren wird, dass man keine Diskussion führt. Hier gibt man der Selbst­verwaltung die Möglichkeit, einen Vorschlag zu machen. Was also jetzt? Das ist nun wieder schlecht? – Ich halte es für ausgezeichnet, dass die Selbstverwaltung aufgefordert ist, einen Vor­schlag zu machen, und damit natürlich auch angehalten ist, vorher bei sich selber das Ein­spa­rungspotential auszunützen und dann eben einen vernünftigen Vorschlag darüber zu ma­chen, was noch offen ist.

Es gibt ja auch Vorbilder, von denen Sie mir nicht sagen können, dass sie unsozial sind. Ich den­­ke da zum Beispiel an die Eisenbahner-Krankenkasse. Dort funktioniert das seit 30 Jahren, und ich hoffe, dass Sie nicht die Stirn haben, das jetzt zu kritisieren.

Wir werden über die Reform der Gesundheitspolitik reden müssen. Sie können von uns mit Sicherheit annehmen, dass wir uns bewusst sind, dass das wichtigste Ziel sein muss, dass es nicht zu einer Zwei-Klassen-Medizin kommt. Darum muss es zu einer Reform kommen! Es wird notwendig sein, diese Reform auch sozial gerecht zu machen, das heißt, chronisch Kranke, Kinder und Menschen mit sehr niedrigem Einkommen werden entsprechend berücksichtigt wer­den müssen. Ich bin überzeugt davon, dass wir, wenn Sie von Polemik Abstand nehmen, hier eine Einigung finden werden.

Ich appelliere an Sie: Ein Politiker, der seine Verantwortung ernst nimmt, ist nicht aufgerufen, jeweils das zu sagen, was sich am ehesten anbietet, sondern er ist aufgerufen, das Notwendige zu erkennen und die Bürger davon zu überzeugen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.40


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

9.40


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Ich möchte nicht den Fehler machen und Sie, Frau Bundesministerin, jetzt für die Versäumnisse in der Gesundheitspolitik und auch die Erfah­run­gen mit der Gesundheitspolitik der letzten Jahre verantwortlich machen. Sie schlagen jetzt ein neues Kapitel auf und können auch noch manches anders machen. Aber dazu ist eine Voraus­setzung notwendig, Frau Bundesministerin: Sie sollten bitte aus den letzten Jahren lernen!

Ich möchte damit beginnen, dass im Jahr 2000 von der Bundesregierung im Koalitions­abkom­men eine Formulierung zu den Selbstbehalten gefunden wurde, wie sie auch jetzt wieder drin­nen steht; da hat sich nichts geändert, das ist faktisch wort-identisch: Die Koalitionsparteien wollen den Hauptverband ermächtigen, Selbstbehaltregelungen auszuarbeiten.

2000 – 2003: Dazwischen liegen drei entsetzliche Jahre der Gesundheitspolitik, Frau Bundes­mi­niste­rin. Dafür sind nicht Sie verantwortlich, und man merkt es ja auch am Resultat: Die Ge­sundheitspolitik hat eher von der FPÖ zur ÖVP gewechselt. Aber ich sage Ihnen schon eines: 2001, also nach dieser ersten Erklärung, war Ihr erstes Vorhaben, das Sie tatsächlich umge­setzt haben, den Hauptverband umzufärben. Eine katastrophale Politik! 2002 haben Sie das Chaos in der Ambulanzgebühr geerntet. Und es war tatsächlich Chaos, was Sie da verursacht


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haben. Das war Bürokratie, waren Mehrkosten ohne Einnahmen, und jeder Mensch hat sich gefragt: Wozu gibt es diese Gebühr? – Das war die Verantwortung dieser Bundesregierung.

2003 geht das Chaos weiter mit der Chipcard. Die im Hauptverband eingesetzten Geschäfts­führer, zumindest jener, der für das Chipcard-Projekt verantwortlich war, vertschüsst sich in die Pension, sagt: Ich bin nicht mehr zuständig! Der Vertrag um die Chipcard wird aufgelöst, es gibt riesige Streitigkeiten. Ja bitte sehr, wer trägt denn jetzt die Verantwortung dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren? Der Hauptverband ist umgefärbt worden. Da muss es doch auch eine politische Verantwortung dafür geben! – Aber die gibt es jetzt nicht mehr.

Eines wissen Sie genauso gut wie ich, Frau Bundesministerin: Dass bei aller Kritik, die auch wir Grü­nen an dem Projekt Chipcard übten und noch üben, die Chipcard mit Sicherheit die Voraus­setzung dafür ist, dass es bei den Selbstbehalten einigermaßen besser funktioniert, als es in den letzten Jahren funktioniert hat. Die Chipcard werden Sie aber nicht vor 2005 in etwa um­setzen können, und da müssen Sie schon froh sein, und das wissen Sie auch.

Was heißt das? – Wir werden jetzt damit konfrontiert, dass der Hauptverband gemeinsam mit den Kassen Selbstbehaltregelungen ausarbeiten soll, die er vor 2005 gar nicht in einer sinn­vollen Weise umsetzen kann. Und, Herr Rasinger, da hilft mir die Erklärung von Ihnen nichts, dass die zusätzlichen Selbstbehalte ja nur ein Prozent der Gesundheitskosten insgesamt aus­machen. Das stimmt doch nicht, und das wissen Sie auch! 250 bis 400 Millionen € betragen die zu erwartenden Einnahmen aus den Selbstbehalten. Es wurde uns immer wieder gesagt: Das erwarten wir uns zusätzlich. Das sind nicht ein Prozent der Kosten, das ist wesentlich mehr! (Abg. Dr. Rasinger: Sie sind ein Traumdeuter! Sie verunsichern die Patienten!)

Wenn Sie glauben, mit einem Prozent können Sie das Gesundheitssystem finanzieren, dann täu­schen Sie die Bevölkerung noch einmal! Es braucht wesentlich mehr, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Rasinger: Sie verun­sichern die Patienten! Finden Sie das fair?)

Ja, meine Damen und Herren, wir waren auch einverstanden und haben es auch in der letzten Le­gislaturperiode gefordert: Erhöhen wir doch die Sozialversicherungsbeiträge! Das macht nie­man­dem Freude, niemandem Spaß, aber es ist die gerechtere Lösung. Wir haben auch bei den Regierungsverhandlungen gefordert: Machen wir konkrete Vorgaben, Zielvorgaben für das Gesundheitswesen! Machen wir beispielsweise die Vorgabe, bei den Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates, dort, wo es wirklich möglich ist, bei den Erkrankungen des rheuma­ti­schen Formenkreises, bei derartigen Erkrankungen um – eine Zielvorgabe! – ein, zwei oder drei Prozent zu reduzieren! Da können Sie Kosten sparen. Daher: Machen wir die Vorgabe! Spa­ren wir bei den Berufskrankheiten – ja!, aber nicht bei den Kosten und Aufwendungen, son­dern tatsächlich bei den Berufskrankheiten.

Was aber tun Sie stattdessen? – Sie zerschlagen die einzige Anstalt, die dafür in Frage käme, dass sich das tatsächlich bessert!


Präsident Dr. Andreas Khol: Ihre Redezeit, Herr Abgeordneter! Bitte um den Schlusssatz!


Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Sie zerschlagen die einzige Anstalt, die dafür in Frage käme, nämlich die AUVA. Das ist Ihr Vorhaben.

Kehren Sie zurück zum Dialog, machen Sie Reformen – und nicht Parteipolitik! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

9.46


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Frau Abgeordnete Riener. – Bitte.

9.46


Abgeordnete Barbara Riener (ÖVP): Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundes­minis­te­rin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Es ist mir im


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Rahmen dieser Debatte wichtig, vorab Folgendes festzuhalten: In diesem Gesetzentwurf geht es um einen ersten wesentlichen Schritt zur Harmonisierung im Bereich des bereits bestehen­den Selbstbeteiligungssystems, welches unüberschaubar geworden ist. Wir alle wissen, dass die Selbstbehalte in den letzten Jahrzehnten auf rund 800 Millionen € angewachsen sind. Ver­änderungen, um das System überschaubarer, einfacher und sozial gerechter zu machen, sollten von uns allen begrüßt werden.

Selbstbehalte abzuschaffen würde bedeuten, unser weltweit erstklassiges Gesundheitssystem zu gefährden. In Zukunft stellt aber ein Bereich in unserer Gesellschaft an unser Gesundheits­system eine besondere Herausforderung dar, nämlich jener der psychischen Belastungen mit Krankheitsfolgen.

In meiner psychotherapeutischen Praxis – und meinen Berufskollegen geht es ebenso – arbeite ich immer mehr mit Menschen, die an Depressionen leiden. Stellen Sie sich bitte Folgendes vor: Sie wären an meiner Stelle in meiner Praxis. (Abg. Parnigoni: Die FPÖ ist schon depressiv!) Eine Frau sitzt weinend vor Ihnen. Sie ist nicht mehr in der Lage, die Kinder zu betreuen. Sie kann ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen. Sie hat keine Kraft für die tagtäglichen Anforderungen des Lebens. – Dies zeigt die Dringlichkeit, solchen Menschen so gut wie möglich helfen zu können. Aber: Gerade in diesem Bereich der psychotherapeutischen Leistungen haben wir durch das Zuschusssystem eindeutig den höchsten Selbstbehalt. Es ist also ein Umbau not­wendig.

Auch als Personalvertreterin bin ich mit vermehrten psychischen Belastungen der Kolleginnen und Kollegen, wie Burn-out-Syndrom, Ängsten, Mobbing und eben Depressionen konfrontiert. Bezeichnend ist, dass die WHO dieses Jahrhundert als das der Depressionen ausgerufen hat. Seit 1991 – das sind zwölf Jahre! – sind die Krankenversicherungsträger durch die 50. ASVG-No­velle aufgerufen, eine österreichweite psychotherapeutische Versorgung sicherzustellen. Nur wenige Bundesländer – und als erstes Bundesland Tirol – haben eigene Lösungen umgesetzt. Letzt­endlich geht es darum, Menschen dabei zu unterstützen, fit fürs Leben zu bleiben und somit die Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Dies sehe ich als unser aller Pflicht an.

Besonders freut es mich, dass unsere Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat und Bundes­kanzler Wolfgang Schüssel einen Schwerpunkt im Gesundheitssystem auf die Gesundheits­vorsorge legen. Gesundheitsvorsorge im psychischen Bereich bedeutet nicht nur, Leid und lan­ge Krankenstände zu verhindern, sondern auch Stärkung der Verantwortung für das eigene Leben und die Gesundheit.

Letztendlich kann einem Patienten, der dem Arzt die Symptome nicht schildern kann, auch nicht geholfen werden.

Abschließend hätte ich noch einen Vorschlag im Sinne dieser Vorsorge: Erweitern wir die Ge­sun­den­untersuchungen um den psychischen Bereich, damit wir dem ganzheitlichen medizini­schen Ansatz im Sinne von Einheit von Geist, Seele und Körper gerecht werden! Das werden uns viele Österreicherinnen und Österreicher danken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitli­chen.)

9.51


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Bures. – Bitte.

9.51


Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh über das Thema der Aktuellen Stun­de und diese Diskussion, weil die derzeitige Diskussion über die Pensionskürzungsaktion dieser Bundesregierung natürlich alles andere überschattet. Das ist klar. Diese Pensionskürzungs­aktion ist auch der massivste Eingriff in die Lebensplanung der Menschen. Damit wird aber eine Reihe anderer unredlicher Absichten, die diese Bundesregierung in das Budgetbegleitgesetz hineingepackt hat, überschattet. Die Einführung der Selbstbehalte, die wir jetzt diskutieren, ist eine dieser weiteren unredlichen Absichten dieser Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Mit der Einführung von Selbstbehalten werden Sie in Zukunft den Menschen den Zugang zu einer optimalen medizinischen Versorgung leider erschweren. Sie werden damit den Weg wei­ter in Richtung Zwei-Klassen-Medizin gehen, wo die, die es sich nicht leisten können, eben nicht die hervorragende Gesundheitsversorgung vorfinden. Sie setzen damit den schwarz-blauen Kurs der letzten Regierungsperiode in Wirklichkeit nur fort, denn waren es in der Vergangenheit oder waren es bis jetzt die unseligen Ambulanzgebühren, mit denen Sie kran­ke Menschen gequält haben, so sind es jetzt eben Selbstbehalte, die Sie einführen werden.

Die wichtigen Fragen für die Menschen, nämlich wie hoch diese Selbstbehalte sein werden, wie die Art der Einführung dieser Selbstbehalte und die Form der Abrechnung ausschaut, diese Fra­gen, Frau Bundesministerin, haben Sie heute nicht beantwortet und haben Sie offensichtlich auch nicht vor zu beantworten. Sie versuchen es sich nämlich leicht zu machen, Sie schieben ge­n­au diese wichtigen Frage ab, nämlich auf Österreichs Krankenversicherungsträger und Ärzte. Das ist der Beweis dafür, dass Sie leider aus Fehlern nicht lernen, das ist der Beweis dafür, dass Sie aus dem Fehler Ambulanzgebühr offensichtlich nichts gelernt haben und damit in Wirklichkeit die Menschen nur verunsichern.

Ich glaube, dass es nicht Aufgabe der Politik ist, Menschen zu verunsichern, sondern ihnen Si­cherheit zu geben. Sie machen aber leider das Gegenteil.

Ein Beispiel dafür: In der Budgetdebatte hat der Finanzminister gestern gesagt, die Steuer- und Abgabenquote müsse sinken. Heute diskutieren wir Selbstbehalte – eine Steuererfindung für kranke Menschen. Der „Standard“ bewertet die gestrige Budgetrede auch so, dass man sagen könnte, das Motto dieser Regierung orientiert sich an einem Leitsatz von Konrad Adenauer, der heißt: Was schert mich mein Geschwätz von gestern?! – Der Bundeskanzler hat am 9. Juni gesagt, es werde keine neuen Selbstbehalte geben. Wir haben sie nun auf dem Tisch. Sein Motto ist: Was schert mich mein Geschwätz von gestern?

Frau Bundesministerin, Sie haben den Menschen versprochen, bei den Frühpensionen, beim Früh­pensionsantrittsalter werde es keine Veränderungen geben. Auch Ihr Motto ist offen­sichtlich: Was schert mich mein Geschwätz von gestern?

Jetzt mag schon sein, dass Sie Ihr eigenes „Geschwätz“ nicht „schert“. Traurig ist nur, dass Sie sich nicht um die Anliegen der Menschen scheren, dass Sie sich nicht darum scheren, wie es kran­ken Menschen geht und vor allem jenen Menschen, die nicht über ein Einkommen wie Sie verfügen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sie haben aus den Fehlern nichts gelernt. Wir werden mit den Selbstbehalten die Ambulanz­ge­bühr II erleben. Damit wird eine Maßnahme gesetzt, die zur Folge hat, dass nicht alle den gleichen Zugang haben, sondern dieser wird, wie gesagt, abhängig vom Einkommen sein. Ich den­ke, dass die Bevölkerung abgesehen von dieser Regierung froh ist, dass die Ambulanz­ge­bühren weg sind.

Die Bevölkerung hat es sich nicht verdient, dass Sie versuchen, in einem Budgetbegleitgesetz wei­tere Selbstbehalte und somit die Ambulanzgebühr II zu verstecken, sondern Österreich würde schon eine Gesundheitsreform brauchen, eine Gesundheitsreform, die dahin geht, unser hervorragendes Gesundheitssystem sicherzustellen und noch weiter auszubauen, damit es auf neue Erkrankungen, auf neue Herausforderungen auch reagieren kann. Österreich braucht ein Gesundheitssystem, im Rahmen dessen alle eine erstklassige Versorgung bekommen, und das un­ab­hängig vom Einkommen. Das garantieren Sie nicht. Sie gehen also den falschen Weg! (Beifall bei der SPÖ.)

9.56


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Lichtenegger. – Bitte.

9.56


Abgeordneter Elmar Lichtenegger (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr verehrte Frau Ministerin! Liebe Zuseher! Ich glaube, das, was die Menschen am meisten verunsichert,


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ist, wenn sich jemand herausstellt und sagt, wie schlecht alles sei. Ich kann Ihnen sagen – ich bin sehr oft mit Ärzten zusammen und weiß es aus verschiedenen Studien –, wir haben ein sehr gu­tes System, und das wird uns auch immer wieder konstatiert. Ich bin auch sehr zufrieden und immer noch gesund. Das, was die Menschen überhaupt nicht hören wollen beziehungsweise was sie nicht verstehen können, ist, wenn sich jemand herstellt und sagt, wie schlecht alles sei und was wir alles nicht hätten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es gibt ja Vorschläge, 5 beziehungsweise 10 € pro Arztbesuch einzuheben. Wir hingegen be­vor­zugen ein einheitliches System, eine Selbstbehaltlösung, wie wir das zum Beispiel von den ÖBB kennen, wo das eigentlich sehr gut funktioniert. Und da haben Sie eigenartigerweise nichts dagegen, weil ... (Zwischenrufe des Abg. Parnigoni. – Abg. Scheibner: Ist es unsozial bei den ÖBB?) – Zum Beispiel, dort funktioniert es auch sehr gut. (Abg. Scheibner: So ist es!) Das System be­währt sich ja, und da regt sich aber niemand auf von Ihren Herrschaften, von Hecken­schützen der Gewerkschaft zum Beispiel. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieses System finden wir recht gut, ein ähnliches könnten wir uns vorstellen. Es gibt natürlich auch Ausnahmen für sozial Schwache, das heißt für jene Menschen, die sich das nicht leisten kön­nen, oder für chronisch Kranke, die sehr viele Leistungen in Anspruch nehmen.

Es gibt auch Umfragen, aus denen hervorgeht, dass die Bevölkerung durchaus damit einver­stan­den ist und es große Zustimmung zur Einführung von Selbstbehalten gibt. Wir haben keine Angst vor einer Zwei-Klassen-Gesellschaft, denn was wir im Moment vorfinden, ist eine Mehr-Klassen-Gesellschaft. Diese hat man uns hinterlassen, und es ist nicht zu akzeptieren, dass zum Beispiel zwei Patienten für gleiche Beiträge unterschiedliche Leistungen erhalten. Der Unter­schied zwischen Wien und Vorarlberg ist riesengroß, auch in der Zahnmedizin. Ich weiß aus Vorarlberg, dass es bei den elementaren Leistungen große Unterschiede gibt und die Leute zur Kasse gebeten werden.

Mit Selbstbehalten wollen wir gewährleisten, dass jeder jede für ihn notwendige Leistung erhält, ohne dass er sozial benachteiligt wird.

Die SPÖ zum Beispiel ist im Prinzip für Selbstbehalte im Gesundheitswesen. Von 17 verschie­de­nen Selbstbehalten, die es im Moment gibt, wurden 16 von Ministern eingeführt, die aus Ihren Reihen gekommen sind. Das ist in den letzten 30 Jahren eingeführt worden, das waren Ihre Leute. Dagegen hat komischerweise keiner etwas gesagt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Scheibner: So ist es!)

Der Hauptverband wird, wie ich meine und hoffe, auch ein gerechtes Modell vorstellen, das erstens das Gesundheitsbewusstsein der österreichischen Bevölkerung etwas stärken soll und zweitens auch bewirkt, dass ein gewisses Kostenbewusstsein entsteht und auch das Be­wusstsein, dass Gesundheit keine Selbstverständlichkeit ist. Ich kenne genug Länder, wo es kei­ne Selbstverständlichkeit ist, etwa in Amerika oder in Australien, dass man zum Arzt geht, Leis­­tun­gen in Anspruch nimmt und alles bezahlt bekommt. Mit einem gewissen Kosten­be­wusst­sein kann auch eine gewisse Qualität des Gesundheitssystems gewährleistet werden.

Die Wirtschaft hält Selbstbehalte im Gesundheitssystem für ein wesentliches Mittel, zu einer bes­seren und effizienteren Steuerung im Gesundheitssystem zu gelangen. Wir, auch ich per­sön­lich, halten die Selbstbehalte für eine gute Sache, weil die Qualität unserer Gesundheit ein­fach das Wichtigste ist. Für gewisse Leistungen kann man auch einen entsprechenden Selbst­behalt bezahlen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.00


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

10.00


Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatsse­kre­tär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, Sie haben heute gesagt, jeder, der Hilfe braucht, bekommt sie auch. Das stimmt grundsätzlich. Die Frage ist allerdings, zu wel-


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chem Preis. Und die Frage ist: Kann sich jeder den Preis, den Sie dafür verlangen, auch tat­säch­lich noch leisten? So wird es bei den Selbstbehalten sein.

Frau Ministerin! Sie müssen wissen, dass es einen Unterschied macht, ob ich im Quartal 10, 15 € zah­le bei einem Einkommen von 600, 700 € oder bei jenem Einkommen, über das Frau Ministerin Gehrer verfügt. Frau Ministerin Gehrer hat vor kurzem im Fernsehen sinngemäß ge­sagt: Warum regt ihr euch denn alle so auf? Ich zahle auch Selbstbehalte. – Natürlich zahlt sie Selbstbehalte, aber bei ihrem Einkommen liegen die Selbstbehalte, die sie bezahlt, im Pro­mille­bereich. Bei jemandem, der ein Einkommen von nicht einmal 1 000 € hat, stellt die Höhe der Selbstbehalte unter Umständen einen zweistelligen Prozentsatz dar. Da liegt der Unterschied! Ich meine daher, genau dort müssen wir ansetzen, Frau Ministerin.

Wenn Sie sagen, das tun wir ja, wir machen es ohnehin einkommensabhängig oder sozial ge­staffelt, dann wissen Sie jetzt schon, dass der Verwaltungsaufwand für die Einkommens­erhe­bun­gen wesentlich höher sein wird, als die Selbstbehalte tatsächlich bringen werden. (Beifall bei den Grünen.) Das kennen wir alle, und das wissen auch Sie.

Frau Ministerin! Noch ein Punkt: Wenn Sie sagen, durch die Selbstbehalte soll die Qualität stei­g­en, dann muss ich dem entgegenhalten: Das stimmt einfach nicht! Die Qualität und der Leistungsanspruch speziell für ASVG-Versicherte werden dadurch nicht höher. Sie haben da-durch nicht mehr Leistungen, sie werden dadurch nicht angeglichen an die Leistungen zum Beispiel jener, die bei der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter versichert sind.

Wenn das Leistungsangebot automatisch mit Einführung des Selbstbehaltes gestiegen wäre, dann hätten wir unter Umständen darüber diskutieren können. Sie aber wollen nur eine Geldbe­schaffungsaktion, ohne die Qualität im Leistungsbereich für den Versicherten zu steigern, und das lehne ich ab! (Beifall bei den Grünen.)

Frau Ministerin! Nicht jeder hat denselben Zugang zur Gesundheitsversorgung. Das wissen Sie. Ich erwähne nur die baulichen Gegebenheiten. Ich habe keine freie Arztwahl, Kollege Huainigg auch nicht, sondern wir müssen zu jenen Ärzten gehen, die wir auf Grund der baulichen Gege­ben­heiten erreichen können. Jene, die ein geringes Einkommen haben, können auch nicht zum Facharzt in den nächsten Ort oder in die nächste Stadt fahren, weil sie in der Regel die Fahrt­kosten nicht bezahlen können. Also müssen sie dort bleiben, wo sie sind.

Frau Ministerin! Sie wissen es, Gesundheitsvorsorge oder Versorgung bei Krankheit ist immer eine Frage des Einkommens. Wer ein hohes Einkommen hat, der kann es sich relativ gut rich­ten. Wer ein geringes oder gar kein Einkommen hat, der muss das annehmen, was da ist, und das ist nicht mehr viel. Deshalb ist es wirklich nicht einzusehen, dass Sie jetzt von Menschen, die krank sind, auch noch Steuern verlangen – und Selbstbehalte sind ganz einfach Steuern, Sie können es nennen, wie Sie wollen, es sind Steuern –, ohne die Qualität und das Leistungs­angebot zu steigern. Sie haben auch nicht erwähnt, dass es in ganz Österreich noch immer nicht das gleiche Recht auf Rehabilitation für alle gibt, und es ist ein gewaltiger Unterschied, warum ich Rehabilitation brauche und welches Einkommen ich habe.

Reden wir über etwas anderes, reden wir nicht über Selbstbehalte! Die Einhebung kostet wieder mehr, als der Ertrag sein wird. Reden wir von gleichem Recht auf Rehabilitation und von glei­chen Chancen in der Gesundheitsversorgung für alle Menschen in Österreich! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.05


Präsident Dr. Andreas Khol: Die 60 Minuten der Aktuellen Stunde sind abgelaufen. Im Übri­gen ist auch niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungs­saal verteilte Mitteilung.


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Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 194/AB bis 197/AB.

2. Regierungsvorlage:

Bundesgesetz, mit dem das Gefahrgutbeförderungsgesetz geändert wird (GGBG-Novelle 2003) (76 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag 125/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Pensionen, die fair, sicher und gerecht sind;

Außenpolitischer Ausschuss:

Antrag 116/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzierung der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit;

Finanzausschuss:

Bundesgesetz betreffend Verwertung der Bundeswohnbaugesellschaften (78 der Beilagen),

Bundesgesetz über österreichische Beiträge zu internationalen Finanzinstitutionen (IFI-Beitrags­gesetz 2003) (79 der Beilagen),

Antrag 117/A (E) der Abgeordneten Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen betreffend So­forthilfeprogramm für die österreichischen Sportvereine;

Gesundheitsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem – in Umsetzung der Richtlinie 2001/37/EG – das Bundesgesetz über das Herstellen und das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen sowie die Werbung für Tabak­erzeugnisse und den Nichtraucherschutz (Tabakgesetz) geändert wird (52 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das EWR-Psychotherapiegesetz, BGBl. I Nr. 114/1999, geändert wird (69 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das EWR-Psychologengesetz, BGBl. I Nr. 113/1999, geändert wird (70 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz und das Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste ge­än­dert werden (GuKG-Novelle 2003) (71 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-tech­nischen Dienste geändert wird (MTD-Gesetz-Novelle 2003) (72 der Beilagen),

Antrag 120/A der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird;

Ausschuss für Sportangelegenheiten:

Antrag 118/A (E) der Abgeordneten Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen betreffend So­forthilfeprogramm für die österreichischen Sportvereine;


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Verfassungsausschuss:

Antrag 126/A der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz um Bestimmungen über einen weisungsfreien Bundesstaatsanwalt ergänzt wird;

Verkehrsausschuss:

Antrag 122/A (E) der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Masterplan Rad zur Förderung des Radverkehrs in Österreich,

Antrag 123/A (E) der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen be­treffend die Besteuerung von Flugtreibstoff/Kerosin und die Beendigung weiterer unge­recht­fertigter Steuerprivilegien der Luftfahrt,

Antrag 124/A (E) der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betref­fend § 78 StVO und vermeintliche Behinderungen des FußgängerInnenverkehrs;

Wirtschaftsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Öffnungszeitengesetz 2003 erlassen wird und die Gewerbe­ordnung 1994, das Arbeitsruhegesetz und das Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz ge­ändert werden (80 der Beilagen);

Ausschuss für Wissenschaft und Forschung:

Antrag 121/A (E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auswirkungen der Studiengebühren auf die Studienbeteiligung und das Studierverhalten;

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entschei­dung des Ausschusses):

Umweltausschuss:

Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ge­mäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Umweltverträglichkeitsprüfung (III-26 der Beilagen).

*****

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 42/AB


Präsident Dr. Andreas Khol: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beant­wor­tung 42/AB der Anfrage 56/J der Abgeordneten Mag. Maier, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Abfrageberechtigte nach dem Meldegesetz durch den Herrn Bundesminister für Inneres abzuhalten.

Diese kurze Debatte findet gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung nach Erledigung der Ta­gesordnung, jedoch spätestens um 15 Uhr statt.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Dr. Andreas Khol: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung zusammenzufassen.


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Werden dagegen Einwendungen erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen daher in diese Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der De­batte erzielt. Wir haben uns auf eine Tagesblockzeit von 9 „Wiener Stunden“ verständigt. ÖVP und SPÖ je 157,5 Minuten, Freiheitliche 108 sowie Grüne 117 Minuten.

Weiters wurde folgende Redezeitvereinbarung für die Debatte in der Zeit von 10.10 Uhr bis 14.05 Uhr, die vom ORF übertragen wird, getroffen: Zunächst je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 20 Minuten, anschließend ein Regierungsmitglied mit 12 Minuten, sodann je eine Wort­meldung pro Fraktion mit je 10 Minuten, in weiterer Folge ein Regierungsmitglied mit 6 Minuten, danach je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten, anschließend ein Regie­rungs­mit­glied mit 5 Minuten; weiters ein Regierungsmitglied mit 5 Minuten, sodann je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 5 Minuten; in weiterer Folge ein Regierungsmitglied mit 5 Minuten und ferner eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten.

Vor Beginn der letzten Runde werden allenfalls verbleibende Restzeiten gleichmäßig auf alle Fraktionen verteilt.

Weiters besteht Einvernehmen darüber, dass tatsächliche Berichtigungen nach der Fernseh­übertragungszeit aufgerufen werden.

Es besteht die Absicht, die Sitzung von 13 Uhr bis 13.15 Uhr zu unterbrechen, um dem ORF die Möglichkeit zu geben, sein normales Programm, nämlich Nachrichten, auszusenden.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag der Präsidialkonferenz zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen, und wir gehen daher so vor.

1. Punkt

Erste Lesung der Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2003 samt Anlagen (60 der Beilagen)

2. Punkt

Erste Lesung der Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2004 samt Anlagen (61 der Beilagen)


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Die Redezeiten sind nunmehr bekannt. Wir gehen in die Debatte ein.

Als erster Redner gelangt Herr Abgeordneter Mag. Molterer zu Wort. Wunschgemäß 20 Minu­ten. – Bitte, Herr Klubobmann.

10.09


Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Vor wenigen Wochen, genau vor neun Wochen, ist diese Bundesregierung angelobt wor­den. In dieser Regierungserklärung von Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel, die unter dem


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Motto „Zukunft braucht Verantwortung“ steht, sind wesentliche Eckpunkte, die wesentlichen Zukunftsprojekte dieser Bundesregierung für unser Land Österreich festgehalten worden.

In dieser Regierungserklärung, meine Damen und Herren, hat Wolfgang Schüssel festgehalten, dass es das erste und wesentliche Ziel ist, in Österreich eine offensive Standortpolitik fortzu­setzen, eine offensive Wachstumspolitik zu ermöglichen, Offensiven zu setzen, damit Be­schäf­tigung – mit dem Ziel der Vollbeschäftigung in Österreich – verwirklicht bleibt. Aufbauend auf der soliden Leistung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land, auf der soliden Leis­tung der Wirtschaft wird es gelingen, das Ziel der Vollbeschäftigung umzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es ist damals auch ganz klar herausgearbeitet worden, dass eine offensive Standortpolitik, eine offensive Wirtschaftspolitik, eine offensive Beschäftigungspolitik selbstv­erständlich auch eine dynamische, offensive Bildungspolitik, eine offensive Strategie in der Ausbildung unserer jungen Menschen braucht – vom Lehrling bis zum Universitäts­absol­ven­ten – und selbstverständlich auch eine offensive Forschungspolitik, weil Forschung und Ent­wicklung das Zukunftspotential für unser Land sind, wo wir die hellen Köpfe fördern wollen, da­mit Arbeit durch Kreativität, durch Innovation entsteht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitli­chen.)

In dieser Erklärung ist als drittes gleichrangiges Ziel festgelegt, dass wir die soziale Sicherheit aus­bauen wollen und dort, wo es notwendig ist, diesen Ausbau und die Sicherung des So­zialsystems durch den notwendigen Umbau – den notwendigen Umbau! – und die Weiterent­wicklung unseres Sozialsystems absichern wollen, und zwar durch Reformen, wo sie notwendig sind, durch Reformen, wo die Menschen diese Notwendigkeit anerkennen, und vom Grund­ge­danken getragen, dass nur dann, wenn wir zu diesen Reformen im Bereich der sozialen Sicher­heit bereit sind, langfristig das wohl wichtigste Gut in diesem Land gesichert werden kann, näm­lich der soziale Zusammenhalt zwischen den Generationen. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Genauso wichtig wie die Frage der sozialen Sicherheit ist für die Menschen in diesem Lande, für die Bürgerinnen und Bürger selbstverständlich die Sicherheit nach innen und die Sicherheit nach außen. Es ist daher kein Zweifel – und das sage ich namens der Österreichischen Volks­partei ganz klar –: Für uns ist Sicherheit nicht austauschbar, für uns gibt es in der Sicherheit kein Entweder-oder, sondern nur ein Sowohl-als auch, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Für uns ist klar: Es ist die soziale Sicherheit nicht austauschbar und auch nicht in politischen Kleinkrämereien auf dem Markt, genauso wenig wie die Verteidigung der Souveränität unseres Landes.

Meine Damen und Herren! Es ist zu wichtig, in der Perspektive für die soziale Sicherheit das ge­nau gleiche Augenmaß auf der einen Seite, aber Konsequenz auf der anderen Seite zu haben, wenn es um Sicherheitspolitik nach innen und außen geht.

In dieser Erklärung findet sich das Ziel, die Bürgerinnen und Bürger, die Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer, die Wirtschaft zu entlasten. Ermöglichen wollen wir diese Entlastung dadurch, dass wir eine umfassende Aufgabenreform im Staate vornehmen und damit ein wesentliches Ziel verwirklichen können, nämlich eine solide, verantwortliche Haushaltspolitik in diesem Lan­de, eine Budgetpolitik, die nicht zu Lasten der Jungen und nicht zu Lasten der Zukunft Schulden macht, weil das unverantwortlich und unsozial wäre und daher seitens der Österreichischen Volkspartei und dieser Bundesregierung sicher nicht gemacht würde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist daher dafür zu danken, dass es diese Bundesregierung in kürzester Zeit – in diesen neun Wochen, meine Damen und Herren! – geschafft hat, nicht nur ein umfassendes Budget­be­gleit­gesetz vorzulegen, sondern – und das ist ganz wichtig für die Zukunft unseres Landes – auch


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ein Doppelbudget für die Jahre 2003 und 2004, ein Budget, das zu Recht als Zukunftsbudget bezeichnet wird, ein Budget, das aus meiner Sicht als Budget der Verantwortung zu bezeichnen ist, als Budget, das dem Motto „Verantwortung für die Zukunft übernehmen“ gerecht wird.

Die Eckpunkte dieses Doppelbudgets, das gestern vom Herrn Finanzminister in beeindrucken­der Art und Weise präsentiert wurde, meine Damen und Herren (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), sind erstens: Wir wollen – und diese Bundesregierung wird dafür Sorge tragen –, dass der Weg der Konsolidierung, der Weg der soliden Budgetpolitik selbstverständlich konsequent auch in dieser Legislaturperiode im Kabinett und vom Kabinett Schüssel II fortgesetzt wird.

Es ist klar, meine Damen und Herren – und das gebietet einfach einerseits der politische Haus­verstand, andererseits aber der wirtschaftliche Hausverstand –, dass ein Staat nicht anders agieren kann als ein privater Unternehmer oder ein Haushalt: Man kann auf Dauer nicht mehr ausgeben, als man einnimmt, weil man sonst einen ungedeckten Wechsel auf die Zukunft zieht. Und das ist nicht unsere Politik! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Eder: Da ist ein Unterschied!)

Es bleibt daher als Ziel ganz selbstverständlich das Nulldefizit, weil ich meine, dass sich auch der Staat genau aus seiner wirtschaftspolitischen und gesellschaftspolitischen Verantwortung heraus dieses Ziel selbst setzen muss. Aber es ist notwendig, den Weg zu diesem Ziel so zu ge­hen, dass man letztendlich auch auf die wirtschaftlichen Notwendigkeiten und auf die wirt­schaftliche Situation Rücksicht nimmt. Daher ist der Weg in Richtung eines Nulldefizits so zu gehen, dass es über den Konjunkturzyklus erreicht wird, wodurch es zu einem ausgeglichenen Haushalt kommt.

Ich denke mir, dass die in diesen beiden Budgets vorgegebenen Zahlen letztendlich genau die­ser Zielsetzung gerecht werden. Und ich erinnere nur, liebe KollegInnen – hätten Sie gestern auf­merksam „Mittagsjournal“ gehört! (Widerspruch bei der SPÖ und den Grünen) –, an das, was Professor Kramer gesagt hat. Er hat seitens des Instituts für Wirtschaftsforschung ers­tens festgestellt: Das ist ein solides Budget, basierend auf den vorsichtigen Prognosen des Wirt­schaftsforschungsinstitutes. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zweitens hat er auch klar gesagt: Es ist gerade in dieser Konjunktursituation notwendig, dass vom Budget auch die richtigen Impulse ausgehen. Er hält daher ein Defizit in einem bestimmten Zeit­raum und in einer bestimmten Dimension dann für durchaus vertretbar, wenn es in guten Zeiten tatsächlich wieder zu einem Überschuss kommt, der ein langfristiges Defizit eben gar nicht erst entstehen lässt. (Abg. Dr. Fischer: Aber mit der ÖVP gibt es keine guten Zeiten!)

Der zweite Eckpunkt – Herr Präsident Fischer, vielleicht interessiert Sie das besonders – ist, dass wir im Bereich des Budgets einen konsequenten Weg auch bei der Senkung der Ver­waltungskosten fortsetzen, nach dem Motto „Besser für den Bürger und billiger für den Steu­erzahler“. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und ich sage Ihnen, dass es diese Bundesregierung war und ist, der ein ganz wesentlicher Schritt schon gelungen ist, indem etwa die Personalausgaben des Bundes, die Personalkosten des Bundes von 5,27 Prozent des BIP im Jahr 1999 auf 4,5 Prozent des BIP im Jahr 2004 zu­rückgehen werden. Wir reden nicht, wir handeln nach dem Motto „Besser für den Bürger, billiger für den Steuerzahler“! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Selbstverständlich wissen wir, dass hier nicht das Ende eines Prozesses erreicht ist, nein, ich bin allen hier im Parlament vertretenen Parteien und den Gebietskörperschaften sehr dankbar da­für, dass es in einem gesamtösterreichischen Konsens möglich ist, dass der Österreich-Kon­vent die große Staatsreform angeht, um damit letztendlich auch den Spielraum in den öffent­lichen Haushalten bei Bund und Ländern für notwendige Zukunftsinvestitionen zu erhöhen.

Apropos Zukunftsinvestitionen: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Budgets für die Jahre 2003 und 2004 geben genau die richtigen Impulse für die Zukunftsinvestitionen unseres


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Lan­des, die notwendig sind, damit wir das gemeinsame Ziel, Top III in Europa zu werden, auch tatsächlich erreichen können.

Meine Damen und Herren! Für Bildung und Wissenschaft steigen die Budgetaufwendungen bis zum Jahre 2004 auf über 9 Milliarden € an. (Abg. Mandak: Das stimmt doch gar nicht!) Das ist so viel wie noch nie in dieser Republik! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Für Forschung steigen die Budgetaufwendungen vom Jahre 1999 von 1,2 Milliarden auf 1,56 Milliarden im Jahre 2004 an. Das ist eine Dynamik in der Forschung und Entwicklung, die wir noch nie gehabt haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Brosz.)

In der Infrastruktur (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe) – einer der ganz wesentlichen In­vesti­tionen für den Standort – werden die Ausgaben von 2,1 Milliarden im Jahre 1999 auf ein All-time-high von 2,85 Milliarden € anwachsen, meine Damen und Herren. Das ist wich­tig, damit wir die Chance der Erweiterung auch mittels Infrastrukturinvestitionen wahr­neh­men können.

Meine Damen und Herren! Ich habe von der notwendigen Investition in den Bereich innere und äußere Sicherheit gesprochen. Auch da sehen Sie – das sind die Fakten und die Zahlen in die­sen Budget –, dass wir im Vergleich zum Jahre 1999, in dem 4,1 Milliarden € ausgegeben wur­den, im Jahre 2004 4,3 Milliarden für den Bereich innere und äußere Sicherheit ausgeben. Wir re­den nicht nur von Sicherheit. Wir geben Sicherheit dadurch, indem wir handeln und inves­tie­ren, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Wurm: Abfangjäger!)

Für den Bereich der Sozialpolitik möchte ich nur zwei Beispiele erwähnen. Das eine betrifft den Bereich der Familienleistungen. (Der Redner hält ein weiteres Schriftstück in die Höhe.) Es ist in diesem Land ... (Abg. Sburny: Das ist verkehrt!) – Vielleicht können Sie sich auf den Kopf stellen, Frau Abgeordnete, damit Sie es richtig sehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitli­chen.)

In diesem Land ist für die Familienleistung noch nie so viel ausgegeben worden wie durch die­se Bun­desregierung, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Fami­lien und Kinder sind uns so viel wert, dass wir auch bereit sind, im Jahre 2004 über 5 Milliar­den € für Fa­milienleistungen in diesem Budget zur Verfügung zu stellen, um damit auch die richtige Perspektive zu geben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich werden wir auch im Bereich der Pensionen und im Bereich der Pensionssicherung in diesem Budget die notwendigen Ausgaben tätigen, damit Pen­sionen für Alt und Jung sichergestellt sind. Aber – ich betone das in besonderer Weise –: Wir gehen nicht den Weg der Realitätsverweigerung (Abg. Sburny: Sondern des Risikos! Das ha­ben wir gestern schon gehört!), sondern wir gehen gleichzeitig mit den notwendigen Bud­get­ausgaben für die soziale Sicherheit auch den Weg der Reformen, weil im Bereich der sozialen Sicherheit (Abg. Sburny: Erhöhtes Risiko!) Sicherheit auf Dauer nur dann gewährleistet ist, wenn man rechtzeitig vorsorgt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Auch das gehört zu dem, was eigentlich ein Haushalt ganz selbst­verständlich tut, nämlich vorsorgen, damit die Sicherheit, die soziale Sicherheit auch in Zukunft ge­währleistet ist. (Abg. Mag. Kogler: Von welchem Budget sprechen Sie? Sprechen Sie zur Sache!)

Meine Damen und Herren von der Opposition! Betreiben Sie doch in diesem Zusammenhang ers­tens keine Realitätsverweigerung und zweitens keine Verunsicherung der Bevölkerung! (Abg. Mag. Kogler: Sie sprechen von Las Vegas!) Ich weiß nicht, ob es Ihnen neu ist, aber wenn es Ihnen neu ist, wäre es schade. Aber ich kann das nachholen: Österreich ist im Bereich der sozialen Sicherheit weltweit die Nummer eins! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! In Österreich geben wir insgesamt mit den Beiträgen der Versicher­ten und der öffentlichen Haushalte über 14 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Pen­sions­si­che­rung aus. (Abg. Dr. Fischer: Wollen Sie kaputt machen!) Kein anderes Land in der Welt hat dieses Niveau (Abg. Mag. Wurm: Sie machen es kaputt!), und kein anderes Land in der Welt wird dieses Niveau auch nach der umgesetzten Reform erreichen.

Ich appelliere nochmals an den aus meiner Sicht auch gegebenen Grundkonsens in der Bevöl­ke­rung und bei den politischen Parteien, denn die Notwendigkeit einer Pensions­sicherungs­re­form kann und darf nicht bestritten werden, weil nicht bestritten werden kann, dass die Men­schen drei Jahre länger in Ausbildung sind, sechs Jahre weniger am Arbeitsplatz verbringen und zwölf Jahre länger die Pension genießen. (Abg. Mag. Wurm: Nicht alle!) Gott sei Dank! Aber wenn das so ist, wäre es geradezu fahrlässig gegenüber der zukünftigen Generation, wenn wir nicht jetzt diese Maßnahmen setzen würden.

Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, dass ein Grundkonsens darüber gegeben ist, ein einheitliches Pensionsrecht zu schaffen. Wir werden es tun. Wir werden dieses einheitli­che Pensionsrecht vorlegen. (Abg. Dr. Fischer: Ihr fürchtet euch vor einer Volksabstimmung!)

Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, dass ein Grundkonsens etwa in der Frage der Durchrechnung besteht. Ich erinnere an die letzte Debatte hier im Haus, als Sie, Frau Kolle­gin Prammer, gesagt haben, dass Sie aus Gerechtigkeitsgründen immer schon für die lebens­lange Durchrechnung eingetreten sind. (Abg. Mag. Prammer: Aber!) Wir schlagen jetzt vor, mittels eines 25-jährigen Überganges (Abg. Mag. Wurm: Halbe Wahrheit!) diese Durch­rech­nung auf 40 Jahre anzuheben.

Ich habe den Eindruck, dass ein Konsens gegeben ist in der Frage – Kollege Gusenbauer hat das auch in seinem Modell –, dass nach 45 Beitragsjahren 80 Prozent Nettoersatzrate zu Stan­de kommen sollen. Das ergibt einen Steigerungsbetrag von 1,78 Prozent, wie wir ihn vorschla­gen (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter) und in einem dreijährigen Übergangszeitraum auch umsetzen. Genauso stelle ich aus meiner Sicht einen Konsens darüber fest, dass es notwendig ist, das tatsächliche Pensionsalter an das gesetzliche heranzuführen.

Ich appelliere daher an alle Beteiligten: Bringen wir den Weg dieses Konsenses zu einem guten Er­gebnis, damit diese Pensionsreform den Namen verdient, die Zukunft absichert und der Wahr­heit ins Auge blickt, meine Damen und Herren, und den Menschen nicht Sand in die Augen streut! Dies ist der verantwortliche Weg für die Zukunft! (Abg. Dr. Niederwieser: Ihr wisst gar nicht, was das ist, die Wahrheit!)

Ich appelliere daher auch von dieser Stelle aus: Meine Damen und Herren! Es ist nicht der Weg in Österreich, durch Streiks und den Druck der Straße etwas zu erzwingen. Ich erinnere Prä­sidenten Verzetnitsch daran, dass ein langjähriger, so würde ich sagen, Berater des ÖGB, mein Arbeits­rechtslehrer an der Universität Linz, Professor Strasser, etwa auf die Frage: Wie beur­teilen Sie die Streiks gegen die Pensionsreform?, antwortet: Die Aktion fällt unter die Kategorie politischer Streik und ist rechtswidrig. Er richtet sich gegen ein Staatsorgan. – Das ist die herrschende Meinung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich appelliere an Sie, dass Sie bei den Aktionen, die Sie offensichtlich vermeinen, machen zu müs­sen (Abg. Sburny: Das ist die herrschende Meinung!), auch die politische Dimension zu­rechtrücken. (Abg. Sburny: ... es gibt keine Opposition mehr!) Herr Präsident Verzetnitsch! Es kann nicht sein, dass eine Abgeordnete dieses Hauses auf Grund dieser Aktionen unter Druck gesetzt wird und damit offensichtlich in ihrer Ausübung des freien Mandates eingeschränkt werden sollte. (Abg. Dr. Puswald: Heben Sie doch den Klubzwang auf! – Gegenrufe bei der SPÖ.)

Herr Präsident, das ist mein letzter Satz: Es kann auch nicht sein – das entnehme ich einer Wo­chen­zeitung –, dass der Streik sich danach orientiert, wer in der Bundesregierung ist bezie­hungs­weise wer Berater des Bundeskanzlers ist. Das ist doch die Tatsache der Maske vom Gesicht ... (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.30



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15. Sitzung / Seite 27

Präsident Dr. Andreas Khol: Ihre Redezeit ist abgelaufen, Herr Klubobmann!

Klubobmann Josef Cap hat beantragt, das Stenographische Protokoll der Rede des Abge­ord­neten Lichtenegger in der „Aktuellen Stunde“ herbeizuschaffen – es liegt mir vor –, und er hat einen Ordnungsruf beantragt, den ich hiemit erteile.

Lichtenegger hat gesagt: „Zum Beispiel, dort funktioniert es auch sehr gut. Das System bewährt sich ja, und da regt sich aber niemand auf von Ihren Herrschaften, von Heckenschützen der Gewerkschaft zum Beispiel.“

Damit ist der Ordnungsruf erteilt. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: So heikel muss man nicht sein!)

Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Die Redezeit beträgt wunsch­gemäß 20 Minuten. – Bitte.

10.31


Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Wir haben gestern wieder einiges Neues gelernt (Abg. Grillitsch: Hoffentlich!), und zwar: Wenn der Herr Finanzminister Steuern und Abgaben erhöht, dann nennt er das „die größte Steuerreform aller Zeiten“. Wenn er die Pensionen kürzt, dann nennt er das „Pensions­si­che­rung“. Und wenn das Defizit, die Schulden des Bundes wachsen, dann nennt er das „Kon­solidierung“. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist unakzeptabel! (Beifall bei der SPÖ.)

Man hat überhaupt den Eindruck, dass sowohl die gestrige Rede des Herrn Finanzministers als auch die Rede des Herrn Abgeordneten und Klubobmann Molterer sehr wenig mit dem zu tun haben, was sich in diesem Zahlenwerk des Budgets tatsächlich widerspiegelt. (Abg. Scheibner: Da sind wir gespannt, was Sie bringen!)

Herr Klubobmann Scheibner! Ich verstehe Ihre Unruhe. (Abg. Scheibner: Ich bin ganz ruhig!) Wenn ich einer Regierung angehören würde, die ein solches Budget einbringt, dann wäre ich auch mit Recht beunruhigt, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Ich hoffe nur, dass Sie etwas zu den Zahlen sagen werden!)

Der schönste Satz des Herrn Finanzministers war gestern: Steuern senken, Freiheit schenken. Das war ein wunderbarer Satz! (Abg. Mag. Molterer: Bravo! Das stimmt!) Wenn man diesen Satz auf den Finanzminister anwendet und sich ansieht, was er in den letzten Jahren getan hat, dann muss man feststellen: Er war ein Finanzminister der Unfreiheit, denn er hat permanent die Steuern erhöht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Besonders interessant scheint mir aber die dahinter stehende Geisteshaltung zu sein: Freiheit schenken. Das heißt, der Finanzminister glaubt, es sei seine Aufgabe, den Österreicherinnen und Österreichern Freiheit zu schenken. Meine Damen und Herren! Ich bin davon ausge­gan­gen, dass wir in einem freien, demokratischen Land leben und keinen obrigkeitsstaatlich orien­tier­ten Finanzminister brauchen, der uns eine Freiheit schenkt! (Beifall bei der SPÖ und bei Ab­ge­ord­neten der Grünen. – Abg. Scheibner: Aber Sie könnten auch über das Zitat philo­sophie­ren!)

Aber offensichtlich hat der Finanzminister mit einzelnen Freiheiten große Probleme, weil er sich gestern mehrfach gegen die Maßnahmen, die die Gewerkschaften, die Arbeitnehmer gesetzt ha­ben, ausgesprochen hat. (Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl.) Es hätte nur mehr gefehlt, dass er gesagt hat, er sei für eine Einschränkung des Streikrechts. Das wäre die Konsequenz seiner Aus­sagen gewesen.

Aber das überhaupt Bedrückendste an seiner Rede war, dass er als Kronzeugen für seine Hal­tung den früheren ÖGB-Präsidenten Anton Benya angesprochen hat. (Abg. Dipl.-Ing. Prinz­horn: Das hat wehgetan, das verstehe ich! – Rufe bei der ÖVP: Olah!) – Er hat beide genannt.


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Und dazu möchte ich nur sagen (Abg. Scheibner: Falsche Rede!): Wenn in den vergangenen Tagen des Öfteren auf die Sozialpartnerschaft und ihre Traditionen verwiesen wurde (Abg. Scheib­ner: Benya ist gestern nicht vorgekommen!), dann möchte ich darauf hinweisen, dass der frühere ÖGB-Präsident Anton Benya in einer sehr berührenden Rede am 6. Juli des Jahres 2001 vor dem Ballhausplatz Folgendes gesagt hat (Abg. Scheibner: Aber er hat Olah zitiert und nicht Benya!):

Österreich war über viele Jahrzehnte – dank der Sozialpartnerschaft – weltweit Vorbild, und die EU baut ihre Zukunft auf dem Modell der Sozialpartnerschaft auf. (Abg. Scheibner: Sehr unge­nau vorbereitet! Das ist keine richtige Rede!) Und er ermahnte in Richtung der schwarz-blauen Koalition, dass auch im austrofaschistischen Ständestaat freie Gewerkschaften und Selbstver­waltung ausgeschaltet wurden. Anton Benya war in tiefer Sorge. Und nun, so wie es in den letzten Tagen der Fall ist, Anton Benya zum Kronzeugen (Rufe bei der ÖVP: Olah!) gegen diese Ge­werkschaftspolitik zu machen, das ist unerhört, respektlos und abzulehnen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Klubobmann Molterer hat darauf hingewiesen, dass es unverantwortlich wäre, in Zukunft Schulden zu machen. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Budget, das uns für die Jahre 2003 und 2004 vorliegt, führt dazu, dass im heurigen Jahr und im nächsten Jahr 7,3 Mil­liarden € oder 100 Milliarden Schilling neue Schulden gemacht werden. (Abg. Dr. Stummvoll: Das sind die Zinsen für die Altschulden!) Das heißt, in ihrer eigenen Diktion betreibt diese Bundesregierung eine unverantwortliche Politik, indem sie die Schulden unseres Landes weiter erhöht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Ich sage nur Kreis­ky!)

Wenn Sie sagen, in einer wirtschaftlich schlechten Situation sei es vernünftig, Defizite in Kauf zu nehmen, dann möchte ich Sie daran erinnern, dass Sie im Jahr der schlimmsten Rezession, nämlich im Jahr 2001, gesagt haben: Es muss unbedingt das Nulldefizit kommen, der Staat kann gegen die Wirtschaftskrise nichts tun. – Jetzt, wo sich die Zeiten bessern sollen, sind auf ein­mal Defizite kein Problem, auch wenn sie 100 Milliarden Schilling zusätzlich ausmachen! Das heißt, Sie machen keine gestaltende Wirtschaftspolitik, sondern Ihre Defizite sind das Er­geb­nis einer gestiegenen Arbeitslosigkeit und eines niedrigen Wirtschaftswachstums. Genau das ist der falsche Weg, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Kreisky!)

Sie haben heute – das finde ich wirklich bezeichnend, wie mit dem Hohen Haus und der Öffent­lichkeit umgegangen wird – gesagt: Das Wissenschafts- und Bildungsbudget wird im Jahr 2004 enorm erhöht. Ich selbst war davon beeindruckt! (Abg. Mag. Wurm: Vernebler!) Ich war beein­druckt und habe das in den Unterlagen, die uns das Finanzministerium zur Verfügung gestellt hat, nachgelesen, weil es in der Tat erstaunlich gewesen wäre, wenn das Wissenschaftsbudget im Jahr 2004 um nahezu 10 Milliarden Schilling, also um rund 733 Millionen € ansteigt. Aber wenn man in die Bücher blickt, dann merkt man, dass ab dem Jahr 2004 die Universitätslehrer nicht mehr direkt in das Personalbudget des Bundes fallen, sondern dass sie in Zukunft von den Universitäten bezahlt werden. (Abg. Mag. Wurm: Das sind die Tricks!)

Das führt dazu, dass auf der einen Seite die Personalausgaben des Bundes sinken und auf der anderen Seite das Bildungsbudget steigt. Das heißt, die Regierung berühmt sich dann: Wir sen­ken die Personalkosten und erhöhen das Bildungsbudget, ohne dass ein einziger zusätzlicher Euro in die Universitäten fließen würde. Meine Damen und Herren, diese Tricks sollten Sie sich ab­gewöhnen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Parnigoni: Unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Da Sie weiter über die „Bildungsoffensive“ reden: Da muss man auch die offenen Rechnungen be­achten. Im Jahr 2004 soll es nach den Berichten des Fachhochschulrates rund 4 000 zu­sätzliche Plätze an österreichischen Fachhochschulen geben. Das ist sehr begrüßenswert! Nur die Ausgaben dafür bleiben mit 107 Millionen € im Jahr 2004 genauso hoch wie im Jahr 2003. Daher lautet meine Frage: Wie soll es die zusätzlichen 4 000 Plätze geben, wenn es dafür nicht mehr Mittel gibt? Heißt das, dass in Zukunft die Gebühren für die Studenten erhöht werden,


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oder heißt das, dass im Budget nicht die richtige Vorsorge für die zusätzlichen Fachhoch­schul­studenten getroffen wurde?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Budget hat in vielen Fällen nichts mit Ihren poli­tischen Ankündigungen zu tun, es ist vielfach das Gegenteil. Sie sollten den Leuten reinen Wein einschenken und keine Unwahrheiten verbreiten! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Bandolero, Chianti, Grüner Veltliner! Welche Sorte darf es sein?)

Ich verstehe, Herr Molterer: Bei Ihnen ist der Weg von der Halbwahrheit zur Unwahrheit außer­ordent­lich kurz, das habe ich bereits zur Kenntnis genommen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Mol­terer: Was ist mit dem Wein?)

Der Herr Finanzminister hat eine großartige Steuerentlastung angekündigt. Diese Steuerentlas­tung im Jahr 2004 sieht so aus, dass, wenn man die Erhöhungen von Steuern und Abgaben ad­diert, die arbeitenden Menschen im nächsten Jahr überhaupt keine Entlastung haben wer­den, sondern, ganz im Gegenteil, mehr Steuern und Abgaben zahlen werden, als das im heu­ri­gen Jahr der Fall ist. Wenn Sie die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge, die Erhöhung der Mineralölsteuer, die Erhöhung der Energieabgaben addieren, sehen Sie, das macht mehr aus an staatlichen Abgaben und Steuern, als es auf der anderen Seite durch die Entlastungen gibt.

Meine Damen und Herren! Ich stelle mir schon die Frage: Was macht jemand, der durch Ihre Steuerreform 4 € pro Jahr Steuerentlastung bekommt, mit den zusätzlichen Energiekosten und Krankenversicherungsbeiträgen, die das deutlich übersteigen werden?

Meine Damen und Herren! Sie senken die Steuern nicht, Sie erhöhen die Steuern und Abgaben und setzen damit konsequent Ihren Kurs fort, nämlich die Steuer- und Abgabenlast zu erhöhen, ohne wirkliche wirtschaftspolitische Impulse zu setzen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ord­neten der Grünen.)

Nach Ihren eigenen Unterlagen führt Ihre Wirtschaftspolitik dazu, dass im nächsten Jahr das wirt­schaftliche Wachstum in Österreich bedauerlicherweise um 0,5 Prozent geringer sein wird als der Durchschnitt der Europäischen Union. Ich finde, das ist kein besonderes Ruhmesblatt an­gesichts der Situation, dass Österreich in den letzten 20 Jahren in der Mehrheit der Fälle ein Wirtschaftswachstum hatte, das über dem Durchschnitt der Europäischen Union gelegen ist. Wenn Sie sich schon auf die international schwierige Situation ausreden und sagen, es gebe nur einen geringen Spielraum, dann, würde ich sagen, muss zumindest die Zielsetzung die sein, dass Österreich jene Vermehrung des Wirtschaftsreichtums erreicht wie der Durchschnitt der EU-Staaten. Mit 0,5 Prozent weniger werden wir und die österreichischen Arbeitnehmer uns im nächsten Jahr nicht zufrieden geben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Kernstück dieses Budgets sind offensichtlich die Maß­nahmen, die im Pensionsbereich getroffen werden. Es ist kein Zweifel, Herr Klubobmann Molterer, dass wir zur lang- und mittelfristigen Sicherung der Pensionen etwas unternehmen müssen, und dazu stehe ich. (Rufe bei der ÖVP: Aber!) Tun Sie nicht so überrascht, wenn er es schon vorher positiv zitiert hat. Diese künstlichen Aufregungen entbehren jeglicher Glaub­würdig­keit. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es ist auch völlig richtig, dass wir ein System anstreben müssen, wonach jemand nach 45 Bei­tragsjahren 80 Prozent Nettoersatzrate bekommt. Auch das ist völlig richtig, Herr Abgeordneter Molterer! Das Problem besteht nur darin, dass es in Ihrem Vorschlag zur Pensionsreform drei gravierende Probleme gibt.

Das erste Problem ist: Nach dem, was Sie hier im Haus vorgelegt haben, wird die Nettoersatz­rate der heute Unter-40-Jährigen selbst nach 45 Beitragsjahren nicht 80 Prozent betragen, weil es keine korrekte Aufwertung der eingezahlten Beiträge gibt. (Abg. Öllinger: So ist es!) Ich rede jetzt nicht über die Gestaltung, die in Zukunft kommen kann, sondern ich rede über jene Bei­träge, die die Menschen in den letzten Jahren bereits einbezahlt haben. Solange es keine or­dentli­che Aufwertung der Versicherungsbeiträge gibt, wird es nicht 80 Prozent Pension ge­ben.


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Herr Klubobmann Molterer, ein gravierender Punkt, der geändert werden muss, ist, dafür zu sor­gen, dass wirklich 80 Prozent am Ende herauskommen – und nicht 55 Prozent. Das ist zu­mindest das Ziel von uns Sozialdemokraten. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Der zweite gravierende Mangel ist: Wenn zwei Menschen heute in einem Betrieb arbeiten und der eine geht heuer in Pension und der andere nächstes Jahr, dann frage ich Sie: Wie können Sie es rechtfertigen, dass derjenige, der nächstes Jahr in Pension geht, mit genau den gleichen Versicherungszeiten um 15 Prozent weniger bekommt als derjenige, der heuer in Pension geht?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt kein einziges sozialpolitisches Argument (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Das stimmt einfach nicht! Das ist das Problem!), das diese Vor­gangsweise rechtfertigen würde. Das ist eine Enteignungsaktion, die korrigiert werden muss. (Bei­fall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Scheibner: Es ist ungeheuerlich, was Sie da sagen!)

Der dritte Punkt ist: Die letzten Jahre der schwarz-blauen Regierung haben dazu geführt, dass die Arbeitslosenzahl in Österreich im Jahresdurchschnitt um 45 000 höher war als davor. In einer Zeit mit robust hoher Arbeitslosigkeit (Abg. Scheibner: Wann davor?) kann es nicht Aufgabe des Staates sein, die Arbeitslosigkeit zum Beispiel durch diese Pensionskürzungs­re­form noch künstlich zu erhöhen, sondern ganz im Gegenteil: Aufgabe des Staates muss es sein, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass die Arbeitslosigkeit sinkt und nicht weiter steigt, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grü­nen.)

Ich habe mit großem Interesse verfolgt, dass der Finanzminister gestern gesagt hat: Heute er­ben wir die Probleme der Frühpensionierungsaktionen der achtziger und neunziger Jahre. Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Wissen Sie, welcher Arbeitgeber in Österreich derzeit die Arbeitnehmer am frühesten entlässt und in Pension schickt? – Es ist der Staat, und es sind die staatsnahen Unternehmungen, die die Arbeitnehmer mit 55 Jahren oder weniger in Pension schicken, während dem Rest gesagt wird, ihr sollt bis 65 Jahre arbeiten. Das ist kein guter Ar­beitgeber, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Scheibner: Ihre Eisenbahner, Ihre ÖBB!)

Daher sollte eine Regierung zumindest imstande sein (Abg. Scheibner: Wieso droht dann die ÖBB-Gewerkschaft mit Streik, wenn man dort das Pensionsalter erhöhen möchte? Was ist mit den Eisenbahnern?), im Staat und bei der Regierung dasselbe zu tun, was man auch von den an­d­eren Unternehmungen tatsächlich verlangt. (Abg. Scheibner: Wieso will man dort streiken?)

Im Übrigen ist auch die These des Herrn Finanzministers interessant gewesen, dass wir eine grö­ßere Risikobereitschaft brauchen und das Risiko in unserem Land ansteigen muss. Ich fin­de, das ist eine kühne These, vor allem wenn sie vom Finanzminister kommt. Das Risiko der Ar­beitnehmer in Österreich, die ASVG-versichert sind, ist entweder, dass sie eine Arbeit haben oder arbeitslos sind oder in Pension gehen. Das Risiko des Herrn Finanzministers ist: Sollte er nicht mehr dieser Tätigkeit nachkommen, kann er in seinen früheren Betrieb zurückkehren. Solch eine Risikoabdeckung würden sich viele Österreicherinnen und Österreicher wünschen. (Zwischenruf des Abg. Großruck.) Wenn man im gemachten Bett liegt, kann man leicht über Risikobereitschaft anderer reden, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ihre gestrige Rede, Herr Finanzminister, ist eindeutig bewertet worden, wie ich heute in einem Kom­mentar von Michael Moravec nachlesen kann. (Abg. Großruck: Wissen Sie eigentlich, was eine Firma ist, Herr Gusenbauer?) So ziemlich alles, was in der Regierung Schüssel I noch mit missionarischem Feuereifer verkündet und erfunden wurde, ist nun nicht mehr wahr, wurde so nie gesagt, ist leider nicht mehr möglich. Die Bilanz, die Sie vorgelegt haben, und das, was Sie in Zukunft vorhaben, ist: Steuern erhöhen, Wachstum reduzieren, Defizit erhöhen, Pensionen re­duzieren, Schulden erhöhen, Zukunftsinvestitionen reduzieren, Arbeitslosigkeit erhöhen und Bil­dung reduzieren.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist kein Zukunftsbudget! Sie bleiben bei all dem dort, wo Sie über Zukunftsaufgaben reden, im Unklaren, wenden Schmähs und Tricks im Bud­get an. Sie sind nur dort präzise, wo es um das Abkassieren der Bevölkerung geht!

Daher hat Herr Moravec auch Ihre gestrige Rede mit Ihren eigenen Worten zusammengefasst, indem er schreibt: „Denn wie sagte Grasser gestern: Gewinnen werden die Schnellen und Gu­ten. Und nicht die Langsamen und Konzeptlosen. Keine gute Prognose für ihn – und Öster­reich.“ – Treffender könnte man es nicht ausdrücken, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Aus diesem Grund können auch die nettesten Reime nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit diesem Budget nichts unternommen wird, um die Wirtschaft zu stimulieren, dass mit diesem Bud­get keine zukunftsorientierten Investitionen gesetzt werden, dass dieses Budget alles schuldig bleibt, was Strukturreformen betrifft, und dass dieses Budget in Wirklichkeit ein Defizit aus Mangel an wirtschaftlicher und politischer Phantasie erleidet. Präzise ist es nur bei den Kürzungen für die Bevölkerung – wahrlich ein Armutszeugnis, meine Damen und Herren! (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ und Beifall bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Silhavy: Das war eine brillante Rede!)

10.51


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Bucher. Redezeit: 20 Minuten. – Bitte.

10.52


Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­kanz­ler! Herr Vizekanzler! Hohe Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Partei­chef Gusenbauer hat es mir sehr leicht gemacht: Wenn Sie heute hier herauskommen und sagen, Sie hätten gestern etwas gelernt (Zwischenrufe bei der SPÖ), dann muss ich dazu sagen, dass das reichlich spät ist (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), denn wir haben 30 Jahre sozialdemokratischer Politik über unser Land ergehen lassen müssen. (Abg. Reheis: Fällt dir was Neues auch einmal ein?) Ich verspreche Ihnen aber, dass wir die­sen Lernprozess heute fortsetzen wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir wollen Ihnen auch weiterhin willig einige Informationen geben. Es ist ja geradezu unum­gänglich, Herr Parteichef Gusenbauer, einen kurzen Rückblick in die Vergangenheit zu machen, damit Sie die künftige Entwicklung des Staatshaushaltes besser verstehen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Ziel der Budgetpolitik in Österreich in den letzten Jahren stand ganz im Zeichen der Konsolidierung, das heißt, den gesamtstaatlichen Haushalt zu­erst in Ordnung zu bringen, nur das auszugeben, was man auch einnimmt, und die Richt­linien des europäischen Wachstums- und Stabilitätspaktes einzuhalten. Das ist eine Ziel­setzung, die ganz im Gleichklang mit der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion getrof­fen wurde, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedstaaten der EU zu gewähr­leis­ten.

Dies wurde bei Regierungsantritt der FPÖ im Jahr 2000 zwar von den meisten Mitgliedstaaten der EU erreicht, doch das galt nicht für das bis dahin unter sozialdemokratischer Führung re­gierte Österreich. Zwischen 1997 und 1999 hat sich das gesamtstaatliche Defizit unter sozial­demokratischen Finanzministern in nur zwei Jahren von 1,9 Prozent auf 2,3 Prozent des Brutto­inlands­produkts erhöht. Das war das zweitschlechteste Ergebnis in der gesamten Europäischen Union. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: Das hat er vergessen, der Kollege Gu­sen­bauer!)

Meine Damen und Herren! Die Budgetkonsolidierung in Österreich wurde trotz hervorragender Konjunktur zur damaligen Zeit verabsäumt, nicht rechtzeitig eingeleitet, während alle EU-Mit­glieds­länder darauf reagiert, Konsolidierungen eingeleitet haben und enorme Fortschritte in der Haushaltsführung erreichen konnten.


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Ab dem Jahr 2000 war Schluss mit der planlosen SPÖ-Schuldenpolitik, mit den Panikbudgets eines Herrn Klima, mit dem Schummelbudget eines Herrn Edlinger. Die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ haben erkannt, dass es auf diesem Weg zu keiner Konsolidierung kommen kann und dass gewisse Änderungen notwendig sind, um Österreich in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Halten wir uns vor Augen, was das Kabinett Schüssel I an Erbe übernommen hat! Ich darf das noch einmal wiederholen: 165 Milliarden € Schulden (Ruf bei den Freiheitlichen: Wahnsinn!), 7 Mil­li­arden € Zinsen jährlich. (Neuerlicher Ruf bei den Freiheitlichen: Wahnsinn!) Inzwischen spricht ja niemand mehr von Tilgung, von einem Tilgungskonzept, wir sprechen nur von einer Zins­last, die wir jährlich zu berappen haben. 7 Milliarden € – das sind umgerechnet 100 000 Woh­nun­gen, die wir an sozial bedürftige Österreicherinnen und Österreicher verschenken könn­ten!

Die neue Bundesregierung beschloss im Jahr 2000, den Konsolidierungskurs mit dem Ziel ein­zu­leiten, innerhalb von zwei Jahren einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Das Defizit konnte mit großem Erfolg reduziert werden. Das Nulldefizit wurde bereits im Jahr 2001 er­reicht – ein Jahr früher als geplant. Im Jahr 2001 konnte erstmals nach fast 30 Jahren SPÖ-Re­gie­rung ein gesamtstaatlicher Überschuss in der Höhe von 0,3 Prozent des BIP erzielt werden. Die Schwerpunktsetzung auf Forschung und Entwicklung, auf Innovation sicherte Beschäfti-gung und förderte den Wirtschaftsstandort Österreich nachhaltig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ausbildungs- und Höherqualifizierungsoffensiven führten zu mehr Unternehmensgründungen. Das zweite Konjunkturpaket 2002 erzielte in einer sehr schwierigen konjunkturellen Phase ver­stärkte Investitionen, Wachstums- und Beschäftigungsimpulse sowie Jugendbeschäftigung. Bei­de Konjunkturpakete entlasteten die Wirtschaft nachhaltig mit mehr als 500 Millionen €. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Im Jahr 2002 betrug das Defizit des Gesamtstaates 0,6 Prozent des BIP. Das ist deutlich weni­ger, als noch im Herbst letzten Jahres angenommen wurde, als die Prognose noch bei 1,3 Pro­zent des BIP lag. Unter dem Strich, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das eine ganz gute Zwischenbilanz, auf die man in Anbetracht der schwierigen gesamtökonomischen Situation Euro­pas und der ganzen Welt stolz sein darf. Österreich gilt heute als ein stabiles und sicheres Land in Europa! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben mit Stichtag 1. Mai eine Rekordbeschäftigung. Es waren niemals zuvor so viele Men­schen in Arbeit. Österreich hat mit 4,1 Prozent die niedrigste Arbeitslosenrate in der Euro­päischen Union, mit 1,7 Prozent die drittniedrigste Inflationsrate, ein Exportwachstum von über 4 Prozent – doppelt so hoch wie in den übrigen Ländern der Europäischen Union. Und Öster­reich weist eine Handelsbilanz auf, womit erstmals seit Bestehen der Zweiten Republik ein Über­schuss erwirtschaftet werden konnte – und das trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situa­tion und den Problemen unseres wichtigsten Handelspartners Deutschland. (Beifall bei den Frei­­heitli­chen.)

Meine Damen und Herren! Reformen sind wichtig, wichtig auch in wirtschaftlich sehr schwie­rigen Phasen. Es ist wesentlich, dass wir Reformen setzen. Nur wer sich traut, dem wird auch vertraut!

Diese Bundesregierung stellt mit dem Doppelbudget 2003/2004 einen weiteren Baustein sicher. Das ist ein Weg, der ganz deutlich auch die freiheitliche Handschrift trägt. Der erklärte Wille, Öster­reich zu einem der Top-3-Wirtschaftsstandorte in Europa aufsteigen zu lassen, wird für mehr Investitionen sorgen und wird die Arbeitsplätze sichern. Beschäftigung sichert Einkom­men, Wohlstand und sozialer Friede werden damit weiter gewährleistet.

Dies alles schaffen wir aber nur mit weiteren tiefer gehenden Reformen – Reformen wie in der öffentli­chen Verwaltung durch die Einsparung von Dienstposten, durch die Abschaffung von Parallelstrukturen und durch den Einsatz moderner Managementmethoden und Controlling-Instrumente in allen Selbstverwaltungskörperschaften und Sozialversicherungsträgern.


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Im Gesundheitsbereich schaffen wir das, wie wir heute schon diskutiert haben, durch eine ver­nünftige Lösung bei den Selbstbehalten, bei den ÖBB durch eine betriebswirtschaftliche Aus­richtung und Erhöhung des Selbstfinanzierungsgrades, durch die Kürzung gestaltbarer Ermes­sensausgaben und die Sicherung der Pensionen auf Dauer. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Wir wollen den Weg der Konsolidierung weitergehen, und wir wollen nicht zulassen, dass bei der Pensionssicherungsreform dem Druck der Straße nachgegeben wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Es wäre grotesk, jetzt nachzugeben (Abg. Öllinger: Was sagt Haider dazu?) und den Bock, der den Garten verwüstet hat, zum Gärtner zu machen. Das werden wir nicht zulassen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir wollen nicht nur eine Pensionsreform, sondern wir wollen eine Pensionssicherungsreform auf Dauer. Das ist der entscheidende Unterschied! Österreich hat zwar eines der verläss­lichsten Pensionssysteme der Welt, hat aber zugleich auch eines der teuersten Pensions­sys­te­me. Wir sind uns darüber einig, dass das Pensionssystem in Österreich – wie wir es heute auch schon diskutiert haben – geändert gehört.

Wir leben immer länger trotz (Abg. Brosz: Trotz Ihrer Gesundheitspolitik!) beziehungsweise auf Grund einer hervorragenden Gesundheitspolitik. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist in den letzten 30 Jahren um 8,3 Jahre gestiegen. Die in Anspruch genommenen Pensionsjahre ha­ben sich in diesem Zeitraum verdoppelt. Vor 30 Jahren haben die Menschen in Österreich noch 43 Jahre lang gearbeitet, heute arbeiten sie im Durchschnitt nur noch 37 Jahre lang. Die­se Entwicklung wird sich auch künftig weiter fortsetzen. Um das Pensionssystem finanzieren zu können, müssen wir Änderungen vornehmen. (Abg. Öllinger: Aber viel Zustimmung erhalten Sie nicht von Ihrer Fraktion! – Abg. Scheibner – in Richtung des Abg. Öllinger –: Kümmern Sie sich um Ihre eigene Fraktion!)

Handeln ist also angesagt, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind nicht nur ver­antwortlich für das, was wir tun, sondern wir sind auch verantwortlich für das, was wir nicht tun! Das sollten wir auch im Zuge der Pensionsreform berücksichtigen. (Beifall bei den Frei­heitli­chen.)

Was passiert, wenn im Zuge dieser Pensionsreform wieder nichts herauskommt und es wieder nur zu einem Reförmchen kommt, wie es in der Vergangenheit unter sozialdemokratischer Füh­rung der Fall war, ein Flickwerk entsteht, das wieder nicht gewährleistet, dass die Pen­sionen in Zukunft gesichert bleiben?

Ich habe diese Broschüre der Arbeiterkammer Vorarlberg durchgelesen. (Abg. Mandak: Das ist die schwarze Arbeiterkammer!) Darin kommt zum Ausdruck, dass wir, wenn wir nichts täten, die Beitrags­sätze um 53 Prozent erhöhen, die Pensionen um 45 Prozent kürzen, das Pensions­an­tritts­alter um elf Jahre erhöhen oder Maßnahmen setzen müssten, die die Zuschüsse aus den Steuergeldern an die Pensionsversicherung im Jahre 2006 bereits auf 15 Milliarden € anwach­sen ließen. (Abg. Öllinger: Das ist doch ein Schmäh von gestern!)

Das sind Maßnahmen, die wir nicht wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Diese Maßnahmen wären unsinnig und unsozial und sind daher mit uns nicht zu machen. Jedes Monat, das verstreicht, meine sehr geehrten Damen und Herren der Opposition, kostet uns mehrere Millionen Euro. (Abg. Öllinger: Aber das stimmt doch nicht!)

All diese Probleme sind auf eine verfehlte Familienpolitik der letzten Jahrzehnte zurückzuführen (Abg. Öllinger: Was soll das wieder heißen?) und auf eine von der SPÖ in den achtziger und neunziger Jahren geduldete Frühpensionierungswelle zur Verschönerung der Arbeitslosen­sta­tis­tik (Abg. Hagenhofer: Was macht denn ihr?) in der verstaatlichten Industrie. All das belastet das Pensionssystem auf Dauer, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das können wir nicht zulassen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Ich darf noch einmal das SPÖ-Mitglied und den Ex-ÖGB-Chef Franz Olah zitieren, da das heute der Parteivorsitzende der Sozialdemokraten schon so strapazierend gemacht hat. (Abg. Öllin­ger: Strapazieren Sie uns nicht so!) Franz Olah sagt richtigerweise:

„Streiks dürfen sein in einer Demokratie, aber sie lösen das Problem nicht, und das Problem lau­tet: zu wenig Kinder, zu wenig Einzahler, zu viel Herausnehmer. Die Ursünde wurde in den achtziger und neunziger Jahren begangen, als die Politiker die Schleusen geöffnet haben und die Krise der Verstaatlichten beheben wollten, indem sie Massen in die Frühpension geschickt haben. Eine Narretei!“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ex-ÖGB-Chef Franz Olah muss das wissen, er war damals mit dabei. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der Freiheitlichen Partei ist es gelungen, in Sachen Pensionssicherungsreform gegenüber dem ver­sendeten Entwurf der Bundesregierung schon einige Verbesserungen herbeizuführen. Die unrichtige Propaganda der Sozialdemokraten führt nicht zu einer Versachlichung oder zu einer Aufklärung, sondern sie stiftet Verwirrung bei den Menschen und bei den Pensionsbeziehern. Das ist im Interesse des Landes nicht sinnvoll. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Witt­mann: Riess-Passer hat alle mit 55 in Pension geschickt! „Großartige“ Leistung!)

Sie behaupten, auch in Pension befindliche Menschen müssen um ihre Pension fürchten. – Das ist falsch! (Abg. Öllinger: Nein! Das behaupten Sie, dass das behauptet wird!) In bestehende Pensionen wird nicht eingegriffen!

Sie behaupten, alle länger Arbeitenden werden weniger Pension erhalten. – Das ist ebenfalls falsch! Wer jetzt schon gehen könnte, aber länger bleibt (Abg. Öllinger: Lesen Sie doch nicht Ihre Broschürchen vor!), für den ändert sich auch künftig nichts.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich könnte diese Argumentation jetzt weiter fort­setzen. (Abg. Öllinger: Nein, bitte!) Sie haben die Menschen extrem verunsichert mit Berech­nun­gen, die nicht stimmen, Sie haben brutto mit netto verwechselt. Das sind verfälschte Fak­ten – eine Vorgangsweise, die die Menschen nicht schätzen. (Abg. Dr. Cap: Ist der Text von Ih­nen? – Abg. Dr. Wittmann: Vom Schüssel! – Abg. Scheibner – in Richtung SPÖ –: Ihr habt es notwendig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition! Ihre Dialogverweigerung in Sa­chen Pensionsreform reiht sich nahtlos in das Szenario des Jahres 2000 mit der Anzettelung der EU-Sanktionen und allen Folgen, die wir kennen.

Sie wittern Morgenluft, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, und Sie ha­ben es sich mit dieser Pensionsreform-Debatte zum Ziel gesetzt, die Regierung auszuhebeln. Das ist der eigentliche Grund für Ihre Ablehnung! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Scheib­ner: So ist es! Auf dem Rücken der Bevölkerung!)

Sie haben die Donnerstagsdemonstranten in abwehrstreikende Berufsdemonstranten um­funktio­niert, sogar Volks- und Hauptschüler bemüht, zu streiken. (Abg. Dr. Niederwieser: Wo war das?) Sie haben sie für eine Sache instrumentalisiert, die Schüler nicht verstehen können. Sie machen sich verantwortlich für einen volkswirtschaftlichen Schaden, der in Hunderte Milli­onen Euro geht. Sie riskieren mit dieser Maßnahme Arbeitsplätze in Österreich. Sie arbeiten nicht konstruktiv, Sie verweigern die Gespräche am Verhandlungstisch, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition!

Mir geht – und das ist ein offenes Geständnis – der Pensionssicherungsentwurf auch ein wenig zu weit. Die gröbsten Kanten konnten zwar abgeschliffen werden, aber es gibt noch einige Spitzen, an denen wir feilen müssen, wie beispielsweise die Zusammenlegung der Sozialversi­che­rungs­anstalten. Sie muss zügiger erfolgen, sie muss effizienter erfolgen. Bei den Politikerbe­zügen muss eine Einschleifregelung her, eine wirkungsvolle Einschleifregelung, die auch weh­tut. Und es muss eine Absicherung für die untersten Pensionsbezieher kommen. Dann ist die Freiheitliche Partei mit im Boot! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Wittmann: Da klatscht


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nicht einmal die ÖVP! – Abg. Scheibner – in Richtung des Abg. Dr. Wittmann –: Schau mal, wer bei dir klatscht!)

Herr Kollege, eines muss ich Ihnen schon sagen: Mit geballten Fäusten kann man keine Hände ausstrecken! – Damit haben Sie sich demaskiert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kehren Sie an den Verhandlungstisch zurück, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition! (Abg. Dr. Wittmann: Angeblich der Koalitionspartner!) Diskutieren wir über eine sinn­volle, ehrliche Zukunftssicherung der Pensionen! Als junger Abgeordneter, der erst seit fünf Mo­naten in der Politik ist (Abg. Dr. Wittmann: Das merkt man!), wünsche ich mir das. Ich habe es mir zum Ziel gesetzt, dass es möglich sein muss, eine so wichtige Reformmaßnahme, die uns alle betreffen wird, in einem Vier-Parteien-Konsens zu beschließen. (Abg. Dr. Cap: Was sagt die ÖVP dazu? – Abg. Öllinger: Zurück an den Start! Dann ist es okay!)

Was passiert, wenn das nicht gelingt? – Von der nächsten Regierung wird dann wieder herum­ge­bastelt, kommt es wieder zu einem Flickwerk, und die Menschen werden neuerlich verun­sichert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung setzt im vorliegenden Budget­ent­wurf auf die größte Steuerreform der Zweiten Republik, damit sich Arbeit und Leistung in unserem Land wieder lohnen. Das sind Maßnahmen und Ziele, die auch wir Freiheitliche in vie­len Debatten seit vielen Jahren eingefordert haben. Besonders wichtig ist uns dabei die Ent­las­tung der kleinen und mittleren Einkommensbezieher. Für diese Grundsatzhaltung haben gerade wir Freiheitliche in den letzten Monaten sehr viel riskiert.

Steuerpflichtige mit einem Bruttojahreseinkommen von bis zu 14 500 € werden künftig von den Steu­ern befreit. (Abg. Brosz: Was ist mit denen, die jetzt schon keine Steuer zahlen?) Damit wer­den in etwa 200 000 Österreicherinnen und Österreicher, die heute noch Steuern zahlen, mor­gen jeden Euro ihres Einkommens behalten können. Das ist eine große Entlastung der öster­reichischen Steuerzahler. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dieses Budget sieht eine gezielte Förderung der Eigenkapitalbildung durch eine Halbierung des Steuersatzes auf nicht entnommene Gewinne vor. Betriebe bekommen wieder mehr finanziellen Spiel­raum. Dies verstärkt die Investitionsanreize, die wir gerade jetzt, in dieser schwierigen konjunkturellen Situation, brauchen.

Wir machen endlich Schluss mit der 13. Umsatzsteuervorauszahlung, einem Relikt der SPÖ-Fi­nanz­minister. Wir werden nicht zulassen, dass diese 13. Umsatzsteuervorauszahlung in Öster­reich ihr zehnjähriges Jubiläum feiert. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wohin uns die sozialdemokratische Regierungspolitik führen kann, sehen wir am Beispiel Deutschlands: geringes Wachstum! Deutschland war früher eine Wirtschaftslokomotive, Deutschland ist heute der Wirtschaftswachstumsbremser Europas. Es besteht Handlungsbedarf und die Gefahr, dass Deutschland heuer wieder einen „blauen Brief“ aus Brüssel erwarten darf.

Das wollen wir Österreich ersparen. Rot-Grün ist nicht die Antwort auf die Probleme der Zeit. Wir wollen eine Politik, die die Wirtschaft in Österreich stimuliert, die den Menschen in unserem Land mehr Einkommen sichert. Ich bin davon überzeugt, dass die Bundesregierung diese ehr­gei­zigen Ziele erreichen kann, und ich wünsche der Bundesregierung bei der Umsetzung alles Gute. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.12


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte.

11.12


Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Her­ren! „Karl-Heinz! Das war eine brillante Rede!“ – Das stammt aus dem Stenographischen Proto-


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koll von gestern. Das sagte Präsident Dr. Khol zur Rede von Finanzminister Grasser. (De­monstra­tiver Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundeskanzler Dr. Schüssel: Stimmt ja auch, war ja wirklich so! Wirklich wahr! – Abg. Scheibner: Das wird er jetzt nicht sagen!)

Eine „brillante Rede“. Ich sage, brillant vielleicht im Schmähführen. Vielleicht, denn auch zu einem brillanten – oder sagen wir –, zu einem eleganten Schmähführen gehört mindestens eine Voraus­setzung, nämlich dass man den simplen Hausverstand des Ansprechpartners einiger­maßen realistisch einschätzt. Zum Beispiel traut man ihm oder ihr zu, zwei und zwei zu­sam­menzuzählen und anschließend zu entscheiden, ob das + 4 oder – 4 oder null ist, je nachdem, welches Vorzeichen die beiden Zweier haben.

In dieser Hinsicht finde ich die Zumutungen des Finanzministers nicht brillant, sondern gerade­zu beleidigend für Abgeordnete dieses Hauses, Herr Präsident Khol. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Diese Diagnose möchte ich ausgerechnet – leider ausgerechnet – anhand zweier Kernstücke aus der Budgetrede des Finanzministers belegen, nämlich anhand seiner Ausführungen zur so ge­nannten Nettosteuerentlastung und seiner Ausführungen zum angeblichen Schwerpunkt Bil­dung, Wissenschaft und Forschung.

In der vom Finanzministerium herausgegebenen Budgetrede heißt es – leicht gekürzt, ich zitie­re –:

„Diese erste Etappe der Steuerreform wird ... zu einer Nettoentlastung von 500 Mio. Euro füh­ren. ... Das sind substantielle erste Schritte. Die Entlastung kommt! Informieren wir die Bevöl­kerung! Umfassend und gemeinsam! Das sind wichtige Impulse, um die Stimmung zu heben.“

Wie ist jetzt meine Stimmung, anknüpfend an diese Aussage? (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.) – Meine Stimmung wird nicht gehoben, wenn ich entdecken muss, selbst entdecken muss durch mehr oder weniger detektivische Recherchen, dass diese Nettoentlastung von 500 Milli­onen € in Wirklichkeit eine Belastung von 200 Millionen € darstellt und von einer Netto­entlastung überhaupt keine Rede sein kann.

Heute habe ich das wieder gehört von, so glaube ich, Herrn Klubobmann Molterer. Gestern kam von Bundeskanzler Schüssel dieselbe Aussage. Davon kann überhaupt keine Rede sein – nicht bei den steuerlichen Maßnahmen und bei den Abgaben insgesamt schon gar nicht! (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Naiv, wie ich bin – nur zwei Sätze zu meinem persönlichen Weg in diesem Labyrinth –, naiv, wie ich bin, schaue ich zuerst in das Budgetbegleitgesetz. Darin gibt es, so muss ich sagen, gute Daten – wenigstens in bestimmten Teilbereichen – über die fiskalischen Auswirkungen. Das war nicht immer so, das kann man einmal positiv hervorheben. Allerdings: Die fiskalischen Maß­nahmen auf der rein steuerlichen Seite – Einkommensteuer, Energieabgaben und so wei­ter – werden in den Erläuterungen im Effekt mit minus 221 Millionen € im Jahre 2004 ange­geben. Und ich Depp, muss ich sagen, ...


Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Kollege, ich muss Sie vor sich selber in Schutz neh­men! (Heiterkeit.)


Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (fortsetzend): Danke! – Ich Naivling sage in mei­ner ersten Stellungnahme: Schön, steuerliche Maßnahmen minus 221 Millionen, überkom­pen­siert durch Maßnahmen bei der Krankenversicherung und so weiter. Am Abend schaue ich mir das noch einmal an und traue meinen Augen nicht, zähle die Zahlen noch einmal zusammen: Es sind nicht minus 221 Millionen € bei den Abgaben. Ist Ihnen schon aufgefallen, Herr Kollege Molterer, dass das plus 221 Millionen € allein bei den steuerlichen Maßnahmen sind?

Jetzt bin ich ja gar nicht so brutal wie offenbar das Finanzministerium selbst, das nur das Vor­zeichen vertauscht hat (Heiterkeit bei den Grünen); eine Entlastung von 221 Millionen ist in Wirk­lichkeit eine Belastung von 221 Millionen. Da sage ich, das kann jedem passieren, ist


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vielleicht nur ein Druckfehler. Ein Problem entsteht aber, wenn der Finanzminister glaubt, es sind minus 221 Millionen, obwohl es plus 221 Millionen sind. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Dabei bin ich persönlich gar nicht so hart wie das Finanzministerium selbst. Ich würde zum Bei­spiel die Einfuhrumsatzsteuern von plus 250 Millionen € – einmaliger Effekt, reiner Liquiditäts­effekt – im Jahr 2004 einfach ignorieren. Das rechne ich gar nicht ein. Lassen wir das weg! Da­für lassen wir aber auch den Entfall der Straßenbenützungsabgabe weg, denn diese wird ent­setzt, ersetzt – vielleicht auch entsetzt – durch die LKW-Maut, durch das Road-Pricing. Es ist völlig unsinnig, das hier anzuführen. Selbst wenn man so großzügig ist, kommt bei den rein steu­erlichen Maßnahmen, bei den Steuern im engsten Sinn – das sind im Wesentlichen die Lohn- und Einkommensteuermaßnahmen beziehungsweise die Energieabgaben –, ein Plus von 50 Millionen € im Jahre 2004 heraus – nach den Angaben des Finanzministeriums selbst.

Wir reden hier vom Budget 2003/2004 und nicht darüber, was sich vielleicht im Jahr 2012 ir­gend­wie auswirken wird. Wenn der Finanzminister von 500 Millionen € minus ausgeht, dann muss er irgendetwas kumulieren, wenn er überhaupt eine Vorstellung von dem hat, was er sagt. Über Jahre und Jahre, irgendwann vielleicht, ja, wenn man das kumuliert, aber nicht jetzt für das Budget 2004.

Das sind keine eigenen Daten, meine Damen und Herren! Ich verlasse mich darauf, dass das, was das Finanzministerium hier vorlegt, einigermaßen stimmt. Da streiten wir uns nicht um eine Million auf oder ab. Sagen wir 50 Millionen plus bei den rein steuerlichen Maßnahmen, rund 300 Millionen plus bei der Krankenversicherung! Das ist ordentlich, meine Damen und Herren.

Zu den so genannten strukturellen Maßnahmen, von denen Sie früher immer geredet haben, zu den Maßnahmen bei den Medikamenten, da finde ich übrigens nichts. Erhöhung der Kran­ken­versicherungsbeiträge: 300 Milliarden. (Abg. Dr. Stummvoll: 300 „Milliarden“?) – Rund 300 Mil­li­arden, 317, wenn Sie es genau wissen wollen. (Rufe: Millionen!) 300 Millionen. Sorry! Milli­onen, schlimm genug! – Minus der rund 150 Millionen € bei den entfallenden Beiträgen für Ar­beit­nehmer über 60 beziehungsweise über 56. Da kommen wir auf einen Betrag von plus 200 Milli­onen € im Jahre 2004.

Und jetzt habe ich noch kein Wort über die Pensionsversicherung verloren. Ich werde das auch nicht tun in dieser Rede heute, sondern ich konzentriere mich auf die ganz „normalen“ – unter Anführungszeichen – budgetären Maßnahmen. Zur Pensionsversicherung kein Wort!

Ich habe auch noch nicht die Änderungen bei den Selbstbehalten, die Erhöhungen bei den Selbst­behalten in der Krankenversicherung berücksichtigt, aus dem schlichten Grund, weil ja we­der in der Budgetrede noch im Budget selbst dazu Zahlen zu finden sind, weil Sie selber noch nicht wissen, was Sie diesbezüglich eigentlich machen wollen und können.

Schauen wir: Was ist jetzt das Ergebnis? Versuchen wir einmal, dieses Ergebnis auf das Jahr 2005, wenn die nächste Reform kommt, fortzuschreiben. Ich versuche immer, etwas zu ler­nen. Es ist uns gesagt worden: minus 500, aber in Wahrheit sind es plus 200. Das heißt: Man neh­me den Betrag, der behauptet wird, davon 40 Prozent – von 500 sind das 200 –, vertausche das Vorzeichen, und das ist das echte Ergebnis.

Also: Nach dieser Rechnung sind es 2,5 Milliarden € im Jahre 2005. Nicht wahr, Herr Kollege Mol­terer? (Der Redner lacht bei diesem Satz. – Abg. Mag. Molterer: Sie müssen ja selber la­chen!) 40 Prozent sind 1 Milliarde €. Dann werden die Vorzeichen vertauscht. Also 1 Milliarde plus im Jahre 2005 ist das, was der Finanzminister in Wahrheit meint. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Das natürlich with tongue in cheek, das ist schon klar, aber diese Art von Um­gang mit Daten wird uns heute zugemutet.

Dabei muss ich nachschicken: Die Strukturreform bei den Steuern und Abgaben finde ich im Prin­zip nicht verkehrt. Im Gegenteil! Darüber kann man durchaus reden. Die Steuern auf die Arbeit bei den Arbeitnehmern und bei den Arbeitgebern senken, im Gegenzug die Steuern auf nicht erneuerbare Ressourcen erhöhen, das ist im Prinzip der richtige Weg. Im Detail hätten wir


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zwar einiges anders gemacht, aber darüber hätte man reden können. Aber das kann man nicht, wenn man vorher vom Finanzminister – wie heißt es? – „genasführt“, also an der Nase herum­geführt wird, wenn er uns am Schmäh gehalten hat.

Was soll das? Ist das brillant? Wenn man Daten verwendet, die der budgetären Wahrheit dia­metral widersprechen, das ist brillant? – Mir fallen, um das zu charakterisieren, schon Worte ein, aber diese Worte haben eine bedauerliche Ähnlichkeit mit jenen, für die gestern ein Ab­ge­ord­neter einen Ordnungsruf erhalten hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber mindestens genauso schlimm finde ich das, was uns im Bereich Forschung und Entwick­lung, Bildung und Wissenschaft zugemutet wird. Kollege Gusenbauer hat es schon angedeutet, ich möchte es jetzt noch, wenn Sie es so wollen, auswalzen.

Ich war zunächst wirklich beeindruckt von dem, was der Herr Finanzminister sagte, nämlich: kla­re Prioritäten für den Zukunftsbereich Bildung und Wissenschaft, 8,2 Milliarden € 2003, 9 Mil­li­arden € 2004. – Da denkst du dir: Wumm! 800 Millionen € plus! Endlich! So oft enttäuscht, aber jetzt endlich! Dann schaust du im Tabellenteil der Budgetrede unter „funktionelle Glie­de­rung der Ausgaben“ nach, und da denkst du dir: Wow! Der Anstieg von 2003 auf 2004 be­trägt ja noch mehr als 800 Millionen €! Da fragst du dich ja schon, ob das die Absorptions­fähigkeit des Sektors nicht schon erschüttert. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Naiv, kann ich nur sagen! Dann gehst du ein bissel ins Detail, lässt dir von Kollegen, die sich da aus­kennen, helfen, schaust nach unter Titel 149 und siehst: 734 Millionen € auf der Ausgaben­sei­te und auf der Einnahmenseite neu, zusätzlich. – Ich komme darauf gleich zurück.

Tatsächlich erhalten die Unis 2004 einen Betrag, der fast gleich hoch, der etwas höher ist als jener von 2002. Dabei muss man aber schon berücksichtigen, dass die Unis inzwischen Stu­dien­bei­träge im Ausmaß von rund 150 Millionen erhalten und sie eigentlich mindestens um die­sen Be­trag mehr erhalten müssten, sodass man jetzt daraus schließen muss: Im Gegenteil, die öffentli­chen Mittel wurden durch die Studienbeiträge substituiert statt erhöht, wie seinerzeit verspro­chen wurde. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Jetzt frage ich Sie, Herr Kollege Stummvoll, und alle anderen Wirtschaftstreibenden oder jene, die sich in diesem Bereich halbwegs auskennen, im Gegensatz zu mir: Wie beurteilen Sie schlich­te Maßnahmen der Bilanzverlängerung, wenn die auf eine Weise interpretiert werden, wie es Finanzminister Grasser gestern getan hat?

Nehmen wir folgendes Beispiel: Ein Unternehmer, ein Kaufmann, findet, er hat 1 Million € zu we­nig in der Kasse oder auf der Bank. Er geht zur Bank, nimmt einen Kredit auf und kriegt die Million, hat diese jetzt auf seinem Bankguthaben, sozusagen links in der Bilanz, und rechts steht natürlich die 1 Million an zusätzlichen Verbindlichkeiten. An seinem Vermögen ändert sich nichts. Jeder weiß das. Seine Netto-Vermögensposition ist völlig unverändert. Dann geht dieser Unternehmer, dieser Kaufmann, her und behauptet – nehmen wir das nur einmal an! –, er stün­de jetzt um 1 Million € besser da als zuvor. Er verwendet dafür nur die linke Seite seiner Bilanz, die Aktivseite. (Abg. Öllinger: Das ist ein Buchhaltungsskandal, haben wir gestern gehört!) Wenn dieser Kaufmann – und da werden Sie mir zustimmen, Herr Stummvoll – anderen gegen­über argumentativ so vorgeht, dann steht er unter dringendem Betrugsverdacht.

Wenn er das selbst glaubt, wie würden Sie ihn dann bezeichnen? Als brillant? (Heiter­keit und Bei­fall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich muss dem hinzufügen: Ich kenne keine solchen Unternehmer, wohl aber kenne ich einen Fi­nanz­minister, der uns so etwas zumutet. Er bucht 734 Millionen € links zu, auf der Ausga­ben­seite, und gleichzeitig bucht er 734 Millionen € auf der Einnahmenseite neu, zusätzlich. In der Summe ändert sich nichts. – Erster Schritt.

Zweiter Schritt: Dann schaut er nur auf die Ausgabenseite, auf die linke Seite, und sagt: Wow, 734 Millionen € plus! Um so viel sind die Ausgaben rein optisch gestiegen. Da hat er Recht!


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Doch er sagt nicht dazu – dritter Schritt –, dass rechts durch eine reine Umbuchungsmaßnahme der gleiche Betrag wieder aufscheint, sodass sich in der Summe null ändert. (Abg. Dr. Witt­mann: Das ist ein Skandal! – Abg. Mag. Posch: Das ist ein Künstler!)

Diese Art von Zukunftssicherung, diese Art von Prioritätensetzung, diese Art von Superprioritä­ten­setzung, diese Interpretation, das nennen Sie brillant?! Dabei muss ich dazusagen: Der Vor­gang als solcher, die budgetäre Vorgangsweise als solche ist vollkommen korrekt. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das hängt zusammen – aber ich will Sie damit nicht aufhalten – mit der Ausgliederung der Universitäten. Das ist vollkommen korrekt. Aber die Interpretation des Fi­nanz­ministers, anschließend die des Bundeskanzlers Schüssel gestern und die des Kollegen Mol­terer heute, glaube ich – ich kann mich jetzt nicht mehr genau erinnern –, die ist ein Witz! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Die Universitäten bekommen deswegen nicht mehr. Von diesen 800 Millionen € zusätzlich sind 734 Millionen € non-existent. Es ist, finde ich, eine Zumutung für Abgeordnete dieses Hauses, selber herausfinden zu müssen, was sich hinter solchen Zahlen verbirgt. Es ist keine brillante Zumutung, sondern das ist eine unverschämte Zumutung! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich meine, angesichts dieser Täuschungsmanöver, die ich nur als skandalös bezeichnen kann, ist man natürlich versucht, allen anderen Angaben, seien es Daten, seien es inhaltliche Aussa­gen, mit einer, sagen wir einmal, angemessenen Skepsis zu begegnen. Das will ich jetzt gar nicht tun, ich habe auch keine Zeit dazu. Aber die zwei Sachen allein – das habe ich bisher in einer Budgetrede nicht erlebt! Ich will mich jetzt gar nicht aufregen und anführen, was alles aus der Vergangenheit und von gestern man noch kritisieren könnte, aber diese Art der Vorgangs­weise ist absolut inakzeptabel. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Ein Abgeordneter ist kein Detektiv, er wird nicht dafür bezahlt, detektivische Kleinarbeit zu leisten, um herauszu­fin­den, ob das, was der Minister oder die Ministerin gerade sagt, der Wahrheit entspricht, halb­wegs der Wahrheit entspricht oder die glatte Unwahrheit darstellt. Dafür werden wir nicht be­zahlt, Herr Klubobmann Molterer! (Neuerlicher Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Wir werden Ihnen das Budget nicht vorkauen!)

Nun ganz kurz zur Wachstumsbeeinflussung durch das Budget: Das Budget 2003 wirkt meiner Ein­schätzung nach leicht expansiv, das ist daher korrekt in dieser Konjunkturentwicklung. Für das Jahr 2004 kann man das leider nicht sagen. Da wird es vor allem auf Grund der Abgaben­er­höhungen leicht kontraktiv wirken, und angesichts der jetzigen Konjunktursituation – zugege­ben, es vergeht noch ein halbes Jahr – ist das sehr problematisch. Wir würden es richtiger fin­den, angesichts der Risken, die es da gibt – gestern haben wir viele Sachen über die Risken und den Umgang damit gehört –, einen Teil der Steuerentlastung 2005 – nehmen wir einmal an, es ist wahr! – auf 2004 angesichts dieser Konjunkturlage vorzuziehen.

In diesem Zusammenhang möchte ich sagen, meine Damen und Herren von den Regierungs­par­teien: Wenn ich das mit den Arbeitsmarktdaten und dem Handelsbilanzüberschuss und dem Leistungsbilanzüberschuss noch zehnmal höre, dann werde ich schon relativ grantig. Wir alle wissen doch, dass die Globalzahl über die Beschäftigten auf dem Arbeitsmarkt relativ wenig, um nicht zu sagen, sehr wenig aussagt. Sie müssen immer dazusagen, wie viel von dem Zu­wachs die KarenzgeldbezieherInnen beziehungsweise die KindergeldbezieherInnen ausma­chen, wie viel davon teilzeitbeschäftigt sind, wie viel geringfügig beschäftigt sind und so weiter. Wenn Sie immer nur sagen, das sei um 10 000 oder 30 000 gewachsen, dann muss ich Ihnen sa­gen: Das sagt ja nichts über die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt aus! (Beifall bei den Grü­nen und der SPÖ.)

Was die Leistungsbilanz und den Handelsbilanzüberschuss betrifft, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, muss ich sagen: Wenn Sie sich einmal nur halbwegs für Ökono­mie interessiert haben, dann werden Sie feststellen: Das ist ein typisches Phänomen für ... (Zwi­schen­rufe bei der ÖVP.) Ich bin kein Experte. Ich tue gar nicht so. Das ist eine Trivialität. Das ist ein typisches ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll.) Herr Stummvoll, das wissen Sie doch bes­ser als ich! Das ist ein typisches Charakteristikum für Staaten, denen es konjunkturell,


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wachstumsmäßig um einiges schlechter geht als anderen. Die erzielen einen Leistungsbilanz­über­schuss beziehungsweise Handelsbilanzüberschuss. Damals, in den siebziger Jahren oder ir­gend­wann später, haben wir genau das entgegengesetzte Problem gehabt. Sie werden sich daran noch erinnern können, Herr Stummvoll! Damals haben wir den dritten Mehrwert­steuer­satz, den so genannten Luxussteuersatz eingeführt, um das umgekehrte Problem zu bewälti­gen: den Importüberschuss angesichts der genau umgekehrten Konjunkturlage. Also bitte schön, das sind keine Verdienste, dieser Handelsbilanz-, dieser Leistungsbilanzüberschuss weist eher auf Versäumnisse der Regierung hin. (Abg. Dr. Fasslabend: Dürftig ist das! Das ist dürftig!)

Zur Verteilung werde ich mich fast ausschweigen, weil ich fürchte, dass ich nur noch eine Minu­te Redezeit habe.

Wir begrüßen die Steuerfreistellung bis zu 14 000 € pro Jahr, aber ich möchte auch auf eines hinweisen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien: Die untersten Einkommens­schich­ten treffen Sie damit nicht positiv, denn die zahlen ohnehin keine Lohn- und Einkom­men­steuer, sondern die Begünstigung konzentriert sich auf Bezieher von Einkommen in der Höhe von etwa 900 € bis 1 100 € pro Monat. Die Bezieher der untersten Einkommen, darunter vie­le Pensionisten, Mindestpensionisten, werden aber sehr wohl von erhöhten Krankenversi­che­rungs­beiträgen und von den Maßnahmen bei der Energiebesteuerung betroffen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Daher würden wir Grüne dringend dafür plädie­ren, durch Maßnahmen im Bereich der so genannten negativen Lohn- und Einkommensteuer auch die Bezieher der untersten Einkommen zu begünstigen. Ich glaube, mit einem Betrag von rund 200 Millionen € kann man da sehr viel zugunsten der Bezieher der alleruntersten Einkom­men bewegen, die nach Ihren Vorschlägen netto belastet statt entlastet werden. (Abg. Dr. Fassl­abend: Der Präsident hat gesagt, man müs­se Sie vor sich selbst schützen! Das ist rich­tig! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glocken­zeichen.)

Mein Schlusssatz, Herr Präsident, ein Postskriptum: Die Israelitische Kultusgemeinde in Öster­reich steht seit Jahren vor ernsthaften finanziellen Problemen, und ich meine, es stünde der Republik gut an, diese Frage endlich einvernehmlich zu lösen; es geht dabei nicht um sehr viel Geld. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.33


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundeskanzler Dr. Schüssel. Un­sere Vereinbarung über die Redezeiten sieht in diesem Fall 12 Minuten vor. – Bitte, Herr Bun­deskanzler.

11.33


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass ich Ihnen als Vorsitzender dieser Bundesregierung neun Wochen nach unserer Angelo­bung die Budgets für 2003 und 2004 sowie eine langfristige Pensionssicherungsreform, eine nachhaltige Reform der Krankenkassen und einen ersten wichtigen großen Entlastungs­schritt präsentieren kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dazu kommen einige massive Impulse für die Familien. Überlegen Sie, dass wir allein in diesem Jahr 340 Millionen € oder 5 Milliarden Schilling mehr für die österreichischen Familien, für Eltern und Kinder zur Verfügung stellen, und darauf sind wir gemeinsam stolz, meine Damen und Her­ren! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben in diesem Budget massive Ausbildungsimpulse vorgesehen. Es wird für 5 000 ar­beits­lose Jugendliche zwischen 19 und 25 Jahren ein 18-monatiges Weiterbildungsprogramm geben. Auch das ist in dieser Zeit wichtig. (Abg. Reheis: Wahlrede!) Das ist keine Wahlrede, sondern das ist die Darstellung gelebter Praxis, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Reheis: Das ist eine Wahlrede!)


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Natürlich ist es ein absoluter prioritärer Schwerpunkt, dass wir im Bereich der Infrastruktur – die­se Zahlen sind übrigens von den Sprechern der Opposition gar nicht dementiert worden – 50 Pro­zent mehr für Schiene und Straße ausgeben, als dies im Jahre 1999 der Fall war. Das ist ein besonderer Schwerpunkt in der Vorbereitung auf die EU-Erweiterung für Österreich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Natürlich stellen Bildung und Forschung einen besonderen Schwerpunkt dar.

Erlauben Sie mir aber jetzt, auch einige Punkte zur Oppositionskritik zu sagen. Zunächst einmal komme ich zur Kla­ge von Alfred Gusenbauer, wir würden Defizite machen. – Richtig, wir gehen in einer schwie­rigen Zeit, in welcher es falsch wäre, die wirtschaftliche Lage durch Sparmaß­nah­men zu ver­schlech­tern (heftige Zwischenrufe bei der SPÖ), einen eher expansiven Kurs, wie es auch Pro­fes­sor Van der Bellen richtigerweise gesagt hat. Nur: Unsere Defizite in der Höhe von rund 1,5 Pro­zent liegen meilenweit unter allen Defiziten, die sozialdemokratische Kanzler oder Finanzminister je gemacht haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich darf Ihnen die Zahlen hier nennen: In den ersten fünf Jahren hat Bruno Kreisky noch von der guten Substanz der Politik der ÖVP-Kanzler und der ÖVP-Finanzminister gelebt (neuerliche hefti­ge Zwischenrufe bei der SPÖ), aber seit 1976 haben sozialdemokratische Kanzler und Finanz­minister immer zwischen 2 und 5 Prozent Defizit gemacht. Dagegen ist das, was Karl-Heinz Grasser hier vorgelegt hat, brillant, Herr Professor Van der Bellen! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Noch etwas: Ich bin ja auf die Detaildiskussion im Rahmen des Budgets sehr gespannt. Soweit ich es verstanden habe, kritisieren Sie die Pensionssicherungsreform: Sie wollen in diesem Be­reich alles verschieben. Ich habe bisher keinen Vorschlag gehört, wie Sie die Defizite bei den Kran­kenkassen beheben wollen. Ich bin überzeugt davon, dass Sie bei jedem einzelnen Bud­getkapitel kritisieren werden, dass zu wenig Geld eingesetzt wird, aber Sie scheuen sich nicht, sich hierher zu stellen und zu sagen, das Defizit sei zu hoch. Diesen „Stein der Weisen“, bitte, einmal in Ruhe und sachlich zu erklären, wie Sie das machen wollen: Defizite kritisieren und immer mehr verlangen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun zu den Unis, lieber Herr Professor: Wenn Sie ganz genau die Unterlagen lesen und wenn Sie dann bei den Detaildiskussionen alles mit uns in Ruhe diskutieren werden, dann werden Sie drauf­kommen, dass in Österreich für die Bildung noch nie so viel ausgegeben wurde wie in die­sen Jahren. (Abg. Reheis: Das glaubt Ihnen niemand!) Sie werden draufkommen, dass selbst nach der Ausgliederung die Steigerung fast 2 Milliarden Schilling für die Universitäten aus­ma­chen wird. Darauf sollte man sich, glaube ich, einigen!

Bitte, Herr Professor, wenn Sie sich jetzt herstellen und sagen, da gibt es eine Ausgliederung und das Ganze sei ein Plus/Minus-Geschäft oder praktisch nichts anderes als eine Bilanzver­län­gerung, dann muss ich sagen: Das stimmt ganz einfach nicht, denn der große Unterschied ist, dass damit die Universitäten die volle Verantwortung, die Kontrolle und auch die Souveräni­tät haben, Geld auszugeben, das nicht mehr vom Finanzminister gekürzt werden kann. Das ist der „Witz“ dabei! Das ist der Charme dieser Ausgliederung, und deswegen ist sie wichtig, Herr Professor! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich hätte ja nichts dagegen, wenn es die erste Ausgliederung wäre, die wir in diesen drei Jahren gemacht haben, aber es ist, lieber Herr Professor, die vierzigste Ausgliederung – und dass Sie jetzt erst draufkommen, dass der Effekt der ist, dass der ausgegliederte Betrieb dann über das ge­samte Geld frei verfügen kann, das ist mir neu, aber das ist wahrscheinlich auch ein Beitrag zur Sachlichkeit in diesem Hohen Hause! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwi­schen­rufe bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Was den Arbeitsmarkt betrifft – auch wenn Sie grantig werden; ich will Sie nicht grantig machen, das wissen Sie, ich schätze Sie außerordentlich, aber selbst dann, wenn Sie noch einmal grantig werden, muss ich darauf hinweisen, Herr Professor –: Was denn sonst ist das entscheidende Kriterium für die Qualität des Arbeitsmarktes als die Statistik,


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als die Zahl je­ner Menschen, die Arbeit in Österreich haben?! Das ist Herbert Haupt und mir wichtig – und nicht irgendeine virtuelle Statistik! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Natürlich wissen Sie, dass geringfügig Beschäftigte gar nicht in der Arbeitsmarktstatistik auf­schei­nen, und natürlich wissen Sie, dass die Präsenzdiener und die Kindergeldbezieher offen aus­gewiesen werden, und natürlich wissen Sie, dass wir heute gegenüber dem Vorjahr um 38 000 Menschen mehr in Beschäftigung haben. (Abg. Dr. Matznetter: Das glauben Sie selber nicht!) Und wenn Sie alle Karenzgeldbezieher und Präsenzdiener herausrechnen, sind es im­mer noch um 8 000 mehr! Und darauf sind wir gemeinsam stolz, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der große Unterschied zur rot-grünen Koalition in Deutschland ist der, dass wir in Österreich am 1. Mai, am Tag der Arbeit, eine Rekordbeschäftigung zu verzeichnen hatten und die Zahl der Ar­beitslosen gleich geblieben war, während Deutschland 470 000 Arbeitslose mehr auswies. Jetzt werden Sie nicht mehr grantig, Herr Professor, wenn ich sage: Darauf können wir ge­mein­sam stolz sein, dass wir hier besser dastehen als andere Länder, mit denen wir einen sehr star­ken Handelsverkehr haben und von deren Situation wir daher nicht unberührt sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aus Zeitmangel werde ich heute nur wenig über die Pensionsreform sagen, aber doch erwäh­nen, dass mittlerweile das geheimnisvolle Pensionskonzept des ÖGB aufgetaucht ist. Es wurde vom Präsidenten des Oberösterreichischen ÖGB an unseren Klubobmann Willi Molterer ver­schickt, und es ist natürlich nicht uninteressant, sich einmal anzusehen, wie denn dieses ge­heimnisvolle Konzept, von dem alle reden, ausschaut.

Ich darf es Ihnen hier sagen: Es sieht ein einheitliches Pensionssystem vor – das wollen wir alle! (Abg. Öllinger: Aber Sie machen es nicht!) Ich habe Sie eingeladen, Herr Präsident Ver­zet­nitsch: Arbeiten Sie mit uns mit, damit wir im Herbst ein solches einheitliches Konzept präsentieren können! Das ist wichtig und steht für mich außer Streit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Als zweiter Punkt wird hier angeführt: Reform der Verteilung des Bundesbeitrages, denn der sinkt ohnehin, auch ohne Reform. – Also: Wenn das das Konzept des Gewerkschaftsbundes ist, dass entgegen der Realität, dass jedes Jahr der Bundesbeitrag in absoluten Zahlen, im Budget nachlesbar, steigt, gar nichts gemacht werden muss, dann wundere ich mich schon.

Der dritte Punkt lautet: Vereinheitlichung der Beitragssätze – das heißt natürlich Beitragser­höhun­gen. Weiters: Verbreiterung der Finanzierungsbasis der Pensionen – das heißt natürlich wieder Beitragserhöhungen. Weiters: Berücksichtigung der gesamten Wertschöpfung – das heißt Wertschöpfungsabgabe, die 1991 noch der Beirat beziehungsweise alle Sozialpartner ab­ge­lehnt haben. Dann heißt es hinten noch, die private Altersvorsorge sei teuer und unsicher. Man polemisiert gegen die zweite und dritte Säule der Pensionsvorsorge. – Das ist das Alter­nativ­konzept.

Jetzt sage ich Ihnen ganz offen: Dann weiß hoffentlich die Bevölkerung, warum es wichtig ist, dass wir jetzt eine nachhaltige, sinnvolle und sozial ausgewogene Reform gemeinsam beschlie­ßen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Präsident Verzetnitsch, ich schätze Sie sehr, und ich schätze Sie als einen Politiker, der sei­ne Meinung sagt, klar und offen vertritt, der zugleich aber auch einen Stil wahrt. Ich bitte Sie da­her, gerade auch in diesen schwierigen Tagen darauf zu drängen ... (Zwischenruf des Abg. Gradwohl.) – Ich versuche es auch! Entschuldigen Sie, Sie können mir viel nachsagen, aber ich bemühe mich sehr um einen anständigen, ordentlichen Stil im Umgang miteinander. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Gradwohl: Wo? Wo?)

Ich nenne Ihnen drei kurze Beispiele, wo ich Sie wirklich bitte, Ihren Einfluss geltend zu ma­chen, dass solches nicht geschehen möge. Ich habe hier ein Flugblatt der Ge­meinde­be­dienste­ten, auf welchem Folgendes steht: Wenn die Bundesregierung ihre Absichten durch­peitscht, wird das Essen in den Spitälern und Pflegeheimen schlechter werden, die Qualität der ge-


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samten Gesundheitsversorgung steht auf dem Spiel. – Bitte, Herr Präsident, versuchen Sie, Ih­ren Einfluss geltend zu machen, dass diese Angstmache aufhört! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zweites Beispiel: Ich habe hier einen Brief des oberösterreichischen ÖGB-Vorsitzenden und Arbei­ter­kammer-Vorsitzenden – ich sage das, damit Sie nicht glauben, dass das von mir erfun­den ist; dieser Brief ging übrigens an alle Bürgermeister –, in welchem steht: Die Strei­chung der Notstandshilfe kommt nicht nur arbeitslose Menschen teuer zu stehen, sondern wird auch viele Gemeinden ins finanzielle Chaos stürzen. Helfen Sie mit, die Abschaffung der Not­stands­hilfe zu verhindern!

Herr Präsident Verzetnitsch! Wahr ist – und ich ersuche Sie, da genau den Stil zu wahren, den wir bisher eigentlich gewohnt waren –, und das steht so im Regierungsprogramm, dass wir zu­sam­­men mit den Ländern überlegen, den Aufgabenbereich betreffend die jetzige Notstandshilfe vom AMS an die Länder zu übertragen (anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ) und damit eigent­­lich eine gemeinsame Auszahlung und Prüfung zu ermöglichen. Helfen Sie mit, diesen schlech­ten Stil mancher Ihrer Funktionäre zu beenden! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitli­chen.)

Letzter Punkt: In einer Wochenzeitung steht, dass jetzt die Firmen von Ministern, die die­­ser Regierung angehören, Abgeordnete unserer Fraktionen und Freunde, die uns ihren Sach­­ver­stand, ihren Rat geben, ins Visier genommen werden sollen. Angeführt werden unter an­de­rem Böhler-Uddeholm und weitere Firmen.

Ich bitte Sie sehr, Herr Präsident Verzetnitsch, dagegen etwas zu unternehmen, denn das ist kein Stil, den wir einreißen lassen dürfen! Gemeinsam müssen wir da vorgehen, und ich werde auch meinen Beitrag dazu liefern. Es darf kein frei gewählter Abgeordneter des Nationalrates unter Druck gesetzt werden! Es darf kein Minister, dessen Familie – er selbst darf gar nicht mehr in der Firma arbeiten – den Betrieb führt, unter Druck gesetzt werden! Es dürfen nicht Be­rater einer demokratisch gewählten Regierung quasi an den Pranger gestellt werden! Ich bitte Sie, mit allem Ernst: Helfen Sie mit, dass dieser Stil nicht Wirklichkeit wird! Es wäre absolut notwendig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein allerletzter Satz: In Deutschland hat Gerhard Schröder in Wahrheit ganz genau die gleichen Probleme. Es ist richtig: Reformen sind notwendig! Der Unterschied ist der: Dort gibt es eine ver­antwortungsvolle Opposition, die bereit ist, mitzuarbeiten. Ich ersuche Sie: Helfen auch Sie mit bei einer so verantwortungsvollen Arbeit für Österreich! (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Matznetter: Schröder führt einen Dialog!)

11.46


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte.

11.47


Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vize­kanzler! Meine Herren auf der Regierungsbank! Ich möchte ganz kurz auf die bisherige Debatte eingehen und davon als überaus positiv hervorheben, dass beide Oppositionsführer, sowohl Dr. Gusenbauer als auch Professor Van der Bellen, eine Stelle in ihrer Rede hatten, wo sie gemeint haben: Wir haben gelernt! (Abg. Brosz: Wir haben gelernt, dass das Budget ge­fälscht ist!)

Herr Professor Van der Bellen! Ich halte das wirklich für menschlich sympathisch, wenn man das zugibt, aber Ihr Problem wird eben sein – das gilt auch für den Kollegen Gusenbauer –, dass Sie das, was Sie hier lernen, in absehbarer Zeit nicht in Regierungsverantwortung um­setzen können, weil der Platz des Bundeskanzlers für den Meister bestimmt ist und nicht für den Lehrling, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Lassen Sie mich nun zu diesem Doppelbudget 2003/2004 kommen. (Abg. Brosz: Sie sollten über Ihre Pension reden!) Meine Damen und Herren! Es ist eine alte Erfahrung: Je schwächer Ihre Argumente, desto lauter Ihre Zwischenrufe! Merken Sie sich das! Finden Sie bessere


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Argumente, dann brauchen Sie keine so lauten Zwischenrufe! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen. – Abg. Brosz: Sie haben eine Doppelpension!)

Meine Damen und Herren! Nun aber zurück zum Doppelbudget. Dieses Budget 2003/2004 ist erstens ein Budget der Stabilität, es ist ein Budget der Verantwortung, es ist ein Budget der Zu­kunfts­­gestaltung. (Abg. Öllinger: Sprechen Sie zu den Pensionen!) Diese Bundesregierung be­greift Politik nicht als Tages-Hickhack, sondern als Zukunftsgestaltung, als Verantwortung für die Zukunft. (Abg. Dr. Wittmann: Wie viel Pensionen beziehen Sie? Drei Pensionen!) Diese Re­gie­rung hätte ein viel leichteres Leben, wenn sie diese Reformen nicht machen würde, aber die übernächste Regierung würde dann wahrscheinlich vor dem Zusammenbruch des Pen­sions­systems stehen. Das ist gelebte Verantwortung für die Zukunft, meine Damen und Herren! Genau das ist der Unterschied zwischen Regierung und Opposition.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eines sehr deutlich sagen: Ich glaube, das Wert­volle dieses Doppelbudgets besteht aus meiner Sicht darin (Abg. Öllinger: Das glaube ich: Aus Ihrer Sicht ist das wertvoll!), dass diese Budgets nicht erratisch isoliert in der Landschaft stehen, sondern sich nahtlos einfügen in eine Strategie mit der Zielsetzung: Wo soll Österreich 2010 stehen? Diese Regierung ist die erste Regierung, die über Legislaturperioden hinaus denkt, und die Zielsetzung des Bundeskanzlers: Wir wollen Top 3 in Europa werden!, ist eine langfristige strategische Ausrichtung.

Da gibt es drei strategische Ziele wirtschaftspolitischer Art:

Erstens: Stabilität im Staatshaushalt. – Das Nulldefizit ist – und das haben wir immer gesagt – der Startschuss für eine über den Konjunkturzyklus ausgewogene, ausgeglichene Budgetpolitik. Es wäre absurd zu sagen: Jedes Jahr muss unter dem Strich genau null Komma null heraus­kom­men – beim Bundesbudget, bei den neun Landesbudgets und bei weit über 1 000 Gemein­de­budgets! Es geht um Stabilität, gesehen über den Konjunkturzyklus. Dieses Budget ist ein Beitrag zur Erreichung des strategischen Zieles, das da heißt: Stabilität im Staatshaushalt.

Zweite Zielsetzung: Investitionen in die Zukunft. Wir werden bei den Budgetberatungen die Zah­len, die Sie in Frage stellen, Herr Kollege Van der Bellen, noch sehr ausführlich diskutieren. Nur: Ich bitte um Verständnis, aber ich glaube den Zahlen, die die Experten des Finanzministe­riums zusammengestellt haben, natürlich schon mehr als Ihren Zahlen (Abg. Dr. Van der Bel­len: Das sind die Zahlen des Finanzministeriums!), zumal Sie selbst gesagt haben, Sie seien kein Experte. Ich glaube den Experten des Ressorts mehr als Ihren Angaben.

Es lässt sich halt nicht abstreiten, wenn man einen Vergleich zwischen 1999 – alte Regierung – und dem Budget 2004 zieht (Abg. Dr. Van der Bellen: Warum nicht 1951?): Wir haben hier Zu­kunftsinvestitionen, bei denen es gewaltige Steigerungen gibt.

Herr Kollege, Sie können noch so viel lächeln: Es ist eine Steigerung, wenn man für Bildung und Wissenschaft im Jahr 1999 7,5 Milliarden € ausgegeben hat und im nächsten Jahr 9 Milli­arden € ausgibt. Das ist eine Steigerung um 20 Prozent! (Abg. Dr. Van der Bellen: Nein! Er hat es immer noch nicht verstanden!)

Es ist ein Unterschied, Herr Kollege Van der Bellen, ob ich für das hochrangige Straßennetz – das liegt mir auch als Abgeordnetem meines Wahlkreises sehr am Herzen – wie im Jahr 1999 650 Millionen € einsetze oder das Doppelte, nämlich 1,3 Milliarden €.

Es ist ein Unterschied, ob ich für Forschung und Entwicklung – und das ist letztlich die Zukunft eines Wirtschaftsstandortes: Innovation, Forschung, Entwicklung, Technologie – 1,2 Milliarden € wie im Jahr 1999 ausgebe oder wie jetzt 1,6 Milliarden €. Das ist eine Steigerung um 35 Pro­zent.

Herr Kollege Van der Bellen! Wir können vielleicht darüber streiten, ob es 35 oder nur 33 Pro­zent sind, aber das sind gewaltige Steigerungen für die Zukunft dieses Landes, und ich finde, das sollte man bei diesem Budget der Zukunftsgestaltung und der Verantwortung für die Zu­kunft hervorheben. (Beifall bei der ÖVP.)


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Dritte Zielsetzung: Entlastung der Bürger und der Betriebe. Herr Kollege Van der Bellen! Also so leicht sollte man es sich nicht machen und auf einen Rechenfehler in den Beilagen hinweisen (Abg. Dr. Van der Bellen: Die Aussagen sind das Problem!), wenn hier Maßnahmen gesetzt wer­den, durch welche 200 000 Steuerpflichtige – ich wiederhole: 200 000 Steuerpflichtige! – aus der Steuerpflicht herausfallen werden. (Abg. Dr. Van der Bellen: Ich bin eh dafür!)

Damit wird ein Schritt gesetzt – er wird im Rahmen der Budgetberatungen noch zu verbessern sein –, der das Eigenkapital der Klein- und Mittelbetriebe wieder stärken wird. Das wird den Wirtschaftsstandort attraktiver machen, und Sie wissen, Wirtschaftsstandort bedeutet Arbeits­plätze, Einkommenschancen und soziale Sicherheit.

Zu allen diesen drei Zielen bekennt sich diese Bundesregierung, und sie hat dabei die Unter­stützung der Mehrheit dieses Hohen Hauses.

Meine Damen und Herren! Wir sagen immer, der Vergleich macht uns sicher: Österreich steht heute besser da als im Jahr 1999. Wenn wir heute die internationalen Rankings anschauen, dann stellen wir fest: Wir sind weltweit die Nummer 1, was die Lebensqualität betrifft, weltweit die Nummer 1, was die medizinische Versorgung betrifft, und weltweit die Nummer 1 im Bereich Sicher­heit. Wir sind auch weltweit die Nummer 1 in der Frage der Familienfreundlichkeit.

Was die Wirtschaftskraft betrifft, so haben wir uns in den drei Jahren dieser Regierung vom 18. Platz auf den 13. Platz vorgearbeitet. In der EU sind wir an dritter Stelle, was die Ent­wicklung der Verbraucherpreise betrifft, und an dritter Stelle, was die Arbeitsmarktdaten betrifft.

Herr Kollege Van der Bellen, ich muss ehrlich sagen, ich war enttäuscht, wie Sie einfach die Ar­beitsmarktdaten so vom Tisch gewischt haben. Dass wir heute 90 000 Arbeitsplätze mehr haben als im Jahr 1999, das kann man nicht mit einer Handbewegung abtun, auch wenn man Hoch­schulprofessor ist. Uns geht es um die Arbeitsplätze für die Menschen in diesem Land, und das kann man nicht sozusagen wirtschaftstheoretisch mit einer Handbewegung wegwi­schen, Herr Kollege Van der Bellen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Van der Bellen: Weil ich es differenziert sehe!)

Dass wir nicht nur am 1. Mai den vom Herrn Bundeskanzler erwähnten Beschäftigungsrekord von 3 166 000 Beschäftigten hatten, sondern dass wir vor allem in der sensiblen Kategorie der über 55-Jährigen 26 000 Beschäftigte mehr zu verzeichnen hatten als im Jahr 1999, das ist letztlich ein Erfolg auch dieser Bundesregierung, obwohl ich zu jenen gehöre, die sagen: Wenn wir hier über wirtschaftliche Erfolge reden, dann muss man feststellen: Das sind primär die Erfol­ge der arbeitenden Menschen in diesem Land.

Diese Regierung setzt die Rahmenbedingungen dafür, dass fleißige und tüchtige Menschen eine faire Chance haben, in diesem Land Arbeitsplätze, Einkommenschancen und soziale Si­cher­heit vorzufinden. Und das sollte man anerkennen, bei aller Kritik der Opposition! Das sind ein­fach strategische Ziele, bei denen ich froh bin, dass dieses Land bei dieser Regierung in guten Händen ist. Wir stehen besser da, als das 1999 der Fall war. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Krainer hält ein Schriftstück in die Höhe, auf dem steht: „Der teuerste Redner“.)

Lassen Sie mich auch eines sagen: Wir werden in den kommenden Wochen im Budgetaus­schuss und im Finanzausschuss dieses Doppelbudget sehr intensiv beraten. Als Vertreter einer Regierungspartei und als Obmann des Finanzausschusses sage ich Ihnen: Wir sind, wenn es konstruktive Vorschläge der Opposition gibt, bereit, darauf einzugehen. Aber nur zu erklären, Herr Kollege, wie es nicht geht, das ist für eine parlamentarische Diskussion einfach zu wenig. (Abg. Krainer: Der teuerste Redner!)

Herr Kollege, ich kann gerne auf das, was Sie hier sagen, eingehen, denn ich war jener Abge­ordnete, der als Finanzstaatssekretär sein Mandat unentgeltlich ausgeübt hat. Ich habe mein Mandat als Generalsekretär der Wirtschaftskammer unentgeltlich ausgeübt, und ich werde es ein drittes Mal ab 1. Juli unentgeltlich ausüben. Nehmen Sie sich daran ein Beispiel, Herr Kol­le­ge! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Wittmann: Vier Pensionen! – Weitere Rufe bei der SPÖ: Vier Pensionen!)

11.55



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Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch. – Bitte.

11.56


Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vize­kanz­ler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Herr Bundeskanzler, Sie haben vor wenigen Minuten gesagt, es sei unrichtig, dass die Notstandshilfe in die Sozialhilfe überge­führt wird. Ich zitiere: „Überführung der Notstandshilfe in eine Sozialhilfe-neu“ – Ihr Regierungs­programm 2002/2003.

Man muss aber auch da, wie bei vielen Dingen, die Sie uns heute hier auf den Tisch legen und zur Diskussion stellen, immer wieder auch das Kleingedruckte lesen. (Abg. Dr. Brinek: Sozial­hil­fe-neu!)

Was bedeutet denn „Sozialhilfe-neu“? – Das heißt in Wirklichkeit, dass die Menschen aus der Ar­beits­marktverwaltung herauskommen und keine Maßnahmen mehr aus diesem Bereich er­hal­ten. Das heißt, dass Regressansprüche gegen Kinder erhoben werden können, und das heißt, dass das eigene Auto zur Bezahlung herangezogen werden kann. Ihr Landeshauptmann Schaus­berger hat vor wenigen Wochen erklärt, 16 Millionen € würde das das Bundesland Salz­burg kosten. Er verlangt einen Regress vom Bund.

Ich sage Ihnen darauf: Wenn Sie Pensionen kürzen, dann soll der Bund diesen Ausfall genauso er­setzen wie den von Landeshauptmann Schausberger geforderten Betrag, wenn es um die So­zialhilfe geht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Brinek: Häupl!)

Wir haben heute die Budgetrede zu diskutieren. Es wäre ja reizvoll, umfassend über das Budget zu debattieren. Faktum ist aber, dass zum ersten Mal in der Geschichte dieser Republik 91 Ge­setze als Budgetbegleitgesetze in ein Budgetgesetz eingebunden werden, die Auswirkungen ha­ben, bei denen normalerweise jahrelang über die einzelnen Maßnahmen diskutiert wird.

Und wenn Sie mir vorhalten, Herr Finanzminister – Sie haben ja nicht nur gestern Franz Olah zitiert, sondern vorgestern auch Anton Benya –, unter Anton Benya und Franz Olah hätte es das nicht gegeben, dann antworte ich Ihnen darauf: Recht haben Sie! Recht haben Sie deswe­gen, weil es weder unter Franz Olah noch unter Anton Benya eine solche Regierung gegeben hat, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Pensionsrecht für alle, also die Harmonisierung der unterschiedlichen Systeme in Öster­reich, das muss unser Ziel sein. Hiezu werden wir den konstruktiven Dialog mit der Gewerk­schaft aufnehmen. – Wissen Sie, wer das gesagt hat? Der hinter mir sitzende Finanzminister im März 2001. Und was hat hier stattgefunden zu einer umfassenden Pensionsreform?!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehen Sie sich die Internet-Seiten Ihrer eigenen Par­teien an! Finden Sie dort irgendeinen Vorschlag zu einer umfassenden Pensionsreform? – Sie finden etwas, was eine Pensionskürzung ist und sich „Pensionssicherung“ nennt, aber keine Vorschläge zu einer umfassenden Pensionsreform, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Stummvoll: Wo sind Ihre Konzepte?)

Es geht darum, dass die Emanzipation des Bürgers vorangetrieben wird, die Einbin­dung in die Po­li­tik­for­mulierung und -durchführung und die Förderung ihrer aktiven Mitarbeit bei der Lösung unserer gemeinsamen Probleme. – Wieder derselbe Finanzminister im Jahr 2001.

Und wenn sich dann Bürgerinnen und Bürger einbringen in die Diskussion, dann hören wir von die­ser Regierung: Wir weichen nicht dem Druck der Straße! – Es handelt sich hier nicht um einen Mob, um einen Aufruhr, es handelt sich um Ihre Wählerinnen und Wähler – neben ande­ren Menschen –, die ihre Meinung zum Ausdruck bringen wollen! Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesminister Dr. Bartenstein: „Mob“ ist Ihr Aus­druck! – Abg. Mag. Molterer: Professor Strasser!)


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Herr Klubobmann Molterer, ein Professor kann durchaus eine Meinung haben. Faktum ist, dass wir nicht gegen eine Regierung antreten. Wir treten auch nicht gegen das Gesetzgebungs­mono­pol dieses Hauses an. Aber wir werden es uns nicht nehmen lassen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn es um Existenzfragen der arbeitenden Bevölkerung in ihrer Ge­samt­heit geht – denn nicht nur Arbeitnehmer, auch Arbeitgeber sind von den Pensionskürzungen be­troffen –, als Gewerkschaft, die wir das ganze Berufsleben für eine Verbesserung der Arbeits- und Einkommensbedingungen kämpfen, auch für jene einzutreten, deren Sicherung im Alter ge­nauso wichtig für ihre Existenz ist.

Machen Sie doch keinen „politischen Streik“ daraus, wenn es in Wirklichkeit um Kürzungen von Pensionen geht! Sie verwenden diese Diktion immer wieder – nicht wir! Wir halten klar und deutlich fest, dass wir für die Einkommenssicherung der Jungen, auch in ihrer zukünftigen Pension, sind – und nicht für eine Kürzung! Nehmen Sie das doch einmal zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: Deshalb be­streiken Sie die Volksschulen! Bei den Siebenjährigen fangen Sie an!)

Sie von den Regierungsparteien stoßen sich an manchen Tönen. – Dazu kann ich nur sagen: Diese Töne gibt es überall! Sie werfen es jemandem vor, wenn er von „Pensionsraub“ spricht. Sprechen Sie beim Überfall auf eine Sparkasse, wenn man 10 oder 15 Prozent des dort vorhan­denen Geldvolumens wegnehmen möchte, von einer Sparkassensicherung – oder ist das eine Beraubung der Sparkasse, meine sehr geehrten Damen und Herren? (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Lebhafter Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: Nehmen Sie diesen Vergleich zurück! Das ist eine Ungeheuerlichkeit! Nehmen Sie diesen Vergleich zurück! Eine Pensionssicherung mit einem Bankraub zu vergleichen, das ist unterstes Niveau! Primitiv! – Weitere anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitli­chen. – Gegenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Abgeordnete von den Freiheitlichen! Herr Klubobmann Scheibner! ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen so­wie Gegenrufe bei der SPÖ.)


Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich möchte Folgendes sagen: Herr Kollege Verzetnitsch, stellen Sie bitte klar, dass Sie einen Gesetzesbeschluss nicht mit dem ver­gleichen, was Sie in Ihrem Beispiel dargestellt haben, damit es keine Missverständnisse gibt und wir diese Diskussion ordentlich fortsetzen können! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Frei­­heitlichen.)


Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (fortsetzend): Herr Präsident! Ich habe klar und deut­lich – soweit ich mich zumindest an meine Worte erinnern kann – nicht über den Gesetzentwurf gespro­chen. (Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Wenn Sie von den Regierungs­parteien die Sprache kritisieren, dann sollten Sie den Vergleich auch für zulässig erachten.

Ich komme aber jetzt auf diesen Gesetzentwurf zu sprechen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Freiheitlichen Par­tei, wenn Sie hier antreten und immer wieder den Gewerkschaften vorwerfen ... (Abg. Scheib­ner: Das ist keine Zurücknahme! – Abg. Lentsch: Das war keine Klarstellung! – Abg. Dr. Fassl­abend: Das ist nicht akzeptabel! – Abg. Scheibner: Solche Vergleiche lassen wir nicht zu! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Argument wird dadurch nicht besser! Ich habe klar und deutlich gesagt: Wenn Sie solche Ver­g­leiche nicht zulassen, dann setzen Sie sich doch mit uns gemeinsam an einen Tisch und erar­beiten wir eine wirklich faire Pensionssicherung! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Zur Geschäftsbehandlung!)

Sehr geehrte Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Sie sind hier schon öfters ange­treten und haben gesagt, dass Sie es waren, die dafür gesorgt haben, dass die ärgsten Zer­würf­nis­se aus dem vorliegenden Gesetzentwurf, aus dieser Regierungsvorlage also, heraus­ge­nommen wurden. – Folgende Frage müssen Sie sich aber schon gefallen lassen: Wer hat denn


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diesen Gesetzentwurf entwickelt? War es nicht Vizekanzler Haupt, Ihr Parteiobmann, der das eingebracht hat? (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) War es nicht Ihr Parteiobmann, der das eingebracht hat?! – Daher meine ich: Rühmen Sie sich nicht, sondern suchen Sie den Dialog! (Der Redner stellt eine Tafel mit der Überschrift „Dichtung und Wahrheit“ auf das Rednerpult. Die Frage „Warum, glauben Sie, ist diese Frau über Nacht um zwei Jahre gealtert?“, ist in Rot quer über den Text gedruckt.)

Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP, haben uns, haben ÖGB-Experten, und zwar im Rahmen der Diskussion über die Einführung der e-Card, vorgeworfen, „moderne Märchen­erzähler“ zu sein, als sie ein Beispiel zitiert haben. – Seltsamerweise ist es so, dass Ihre Ant­wort auf dieses eine Beispiel dazu führt, dass die hier erwähnte 35-jährige Frau sozusagen über Nacht auf einmal 37 Jahre alt war.

Solche Vergleiche, meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, zeugen nicht gerade von Seriosität, wenn es um anschauliche Beispiele gehen soll. (Beifall bei der SPÖ und bei Ab­geordneten der Grünen.)

Auch heute wieder wurde von Ihnen die Frage gestellt: Was sind denn die Vorschläge der Ge­werkschaften? – Dazu, sehr geehrte Damen und Herren von ÖVP und Freiheitlichen: Wir haben be­reits im Memorandum 2000 der damals auch schwarz-blauen Bundesregierung unsere Vor­schläge unterbreitet, und wir haben zu diesem Zeitpunkt bereits vorgeschlagen, dass wir uns gemeinsam an einen Tisch setzen, um dabei die bestmögliche Lösung herauszuholen.

Sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsparteien, werfen Sie doch nicht uns dauernd vor, wir würden verhindern, verzögern oder verwässern! – Wir wollen verhandeln, wir wol­len Verbesserungen – und vor allem auch eine entsprechende Vereinheitlichung der Pen­sionssysteme! Nehmen Sie die Aufforderung der Sozialpartner ernst! Betrachten Sie diese Ihre Vorlage als Ideenansatz – und stellen Sie ihn zurück (Abg. Scheibner: Nehmen Sie den Ver­gleich zurück! Stellen Sie Ihre Streiks zurück!), damit die Sozialpartner gemeinsam mit allen hier im Hause vertretenen Parteien eine entsprechende und akzeptable Lösung finden können!

Nehmen Sie die Erklärungen der Sozialpartner, der Kirche sowie die des Herrn Bundes­präsi­den­ten, die dieser heute dazu abgegeben hat, ernst! Suchen wir gemeinsam nach besseren Lö­sungen – anstatt uns hier immer wieder Wortgefechte zu liefern, die in der Sache selbst zu keiner­lei Verbesserungen für die Menschen unseres Landes führen! (Lang anhaltender, lebhaf­ter Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei den Grünen. – Bundeskanzler Dr. Schüssel: Keine Ant­worten ...! – Gegenrufe bei der SPÖ.)

12.06


Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine solche Debatte zu einer so heiklen Sache kann sehr leicht schwierig und oft nur sehr schwer in vernünftigen Formen gehalten werden. Ich stelle daher fest, dass jeder auch nur sprachliche Vergleich eines – auch noch so umstrittenen! – Gesetzesprojektes mit einem Über­fall absolut unakzeptabel ist und von mir auf das Schärfste zurückgewiesen wird! (Demonstra­tiver Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

*****

Herr Abgeordneter Molterer hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet, wobei dieses erst nach Schluss eines Debattenbeitrages erteilt werden kann. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.07


Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident, ich dan­ke Ihnen für diese Klarstellung, eine Klarstellung, die Herr Präsident Verzetnitsch leider nicht vorgenommen hat. Ich danke Ihnen, Herr Präsident Fischer, namens des Hauses dafür, dass Sie diese Entgleisung zurechtgerückt haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.07



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15. Sitzung / Seite 49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege Molterer, es gibt den alten Usus, dass wir Versuche des Präsidenten, die Sache so gut es irgendwie geht zu machen, weder mit Lob noch mit Tadel kommentieren.

Kollege Scheibner hat sich ebenfalls zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.

12.07


Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident Fischer, Sie sagten, man soll das nicht kommentieren. – Man kann hier aber Anträge stellen, und ich stelle daher den Antrag – auch im Hinblick darauf, für welche Aussagen heute schon Ordnungsrufe erteilt wurden –, Abgeordnetem Verzetnitsch für diesen Vergleich, nämlich dass er einen Gesetzentwurf, den wir hier im demokratischen Rahmen beraten, mit einer strafbaren Handlung verglichen hat, einen Ordnungsruf zu erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Rufe bei der SPÖ: Das Protokoll vorlegen! – Abg. Schieder: Das Protokoll anschauen!)

12.08


Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Ich habe so gehandelt, wie ich glaube, dass ich es am besten verantworten kann – und möchte es dabei belassen. (Abg. Scheibner: Für „Heckenschütze“ kriegt man einen Ordnungsruf und ...!)

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

12.08


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident Verzetnitsch, ich wollte es Ihnen eigentlich ersparen, persönlich zu wer­den. Aber ich nehme das ernst, was Sie gesagt haben. Sie haben gemeint: Harmonisieren wir die Pensionssysteme! (Die Rednerin stellt eine Tafel auf das Rednerpult, auf der zu lesen steht: „ÖGB-Präsident Verzetnitsch Pension 10 000 Euro monatlich – durchschnittlicher Ver­dienst einer Handelsangestellten 1 000 Euro monatlich“.)

Ihre Pension, Herr Präsident Verzetnitsch, wird einmal 10 000 € monatlich betragen. (Zwischen­rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Gegenrufe bei der SPÖ.) – Das Einkommen einer Han­delsangestellten beträgt 1 000 €. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich nehme das auch sehr ernst! (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ. – Unruhe im Saal.)

Sie, Herr Präsident Verzetnitsch, haben gesagt, Sie wollen eine Existenzsicherung für arme Men­­­schen. – Ich auch, aber: Gehen wir doch gemeinsam vor und ändern wir die Politiker­pen­sionen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Aussage vom „typischen sozialen Klima in Ös­ter­reich“ ist doch nicht nur so dahergeredet, sondern das ist doch tatsächlich ein besonderer Wert, etwas, was letzten Endes auch dazu geführt hat, dass es in Österreich doch noch immer Wohlstand gibt, während es in unseren Nachbarländern bereits ganz große Schwierigkeiten sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch auf dem Wirtschaftssektor gibt.

Ich meine daher, es ist nicht übertrieben, wenn man sagt, dass dieses typische soziale Klima Ös­terreichs, dieses Konsensklima, geradezu einen Eckpfeiler der österreichischen Politik dar­stellt. – Ich weiß nicht, ob Ihnen von der SPÖ klar ist – Ihnen, Herr Präsident Verzetnitsch, und auch anderen in Ihrer Partei –, dass Sie mit Ihrer Vorgangsweise der vergangenen Wochen und Tage dazu beitragen, dieses österreichische Konsensklima zu demolieren! Generalstreiks hat es in Österreich noch nie gegeben! (Abg. Gradwohl: Von welchem Generalstreik sprechen Sie, Frau Kollegin?)

Mit diesem Generalstreik – das haben auch Journalisten geschrieben – und mit dem Aufruf zu weiteren Streiks (Abg. Gradwohl: Bleiben Sie bei der Wahrheit! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) haben Sie bereits begonnen, diese Konsenspolitik in Österreich zu zerstören, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! (Abg. Gradwohl: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht einmal mit Kieselsteinen werfen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Schauen Sie doch einmal an, welche Berufsgruppen Sie alle zu streiken aufgefordert haben! Und Sie haben auch angekündigt, wer aller in den nächsten Tagen noch streiken wird, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! (Abg. Gradwohl: Bleiben Sie bei der Wahr­heit! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Verharmlosen Sie das doch jetzt nicht!

Dieses Konsensklima in Österreich bringen Sie aber auch mit solchen Wortmeldungen und Aus­sa­gen in Gefahr, wie sie eben heute von Ihnen gemacht wurden, Herr Präsident Verzetnitsch! (Abg. Gradwohl: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen!) Eine solche Radikalität ist hier ganz einfach nicht am Platz, Herr Abgeordneter Verzetnitsch, sondern hier im Parlament sollten wir diskutieren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ob eine Zerstörung des politischen Klimas im Interesse Österreichs, im Interesse der Österrei­che­rin­nen und Österreicher ist, das werden Sie zu beantworten haben! Und Sie werden die Ver­ant­­wor­tung tragen für diese Ihre Vorgangsweise, meine sehr geehrten Damen und Herren von SPÖ und ÖGB!

Ich habe eigentlich den Eindruck, Sie von den Oppositionsparteien führen – leider Gottes!, muss ich sagen – diese Debatte genauso, wie Sie das auch bei der gestrigen Debatte über den Dring­lichen Antrag gemacht haben: in einer beispiellosen Weise der Verunsicherung und Pole­misierung! Wir haben ja gesehen: Der Hauptzweck des Antragstellers gestern war, alle Vorha­ben der Regierung durch Fehl- und Falschinformationen zu untergraben!

Frau Abgeordnete Silhavy beispielsweise hat gestern – und das allen Ernstes! – behauptet, die Not­standshilfe werde abgeschafft. – Heute hingegen haben wir gehört, dass die Notstandshilfe le­dig­lich in die Sozialhilfe übergeführt wird. (Zwischenruf des Abg. Mag. Johann Maier.) Also kei­ne Rede von einer Abschaffung!

Herr Abgeordneter Cap hat sich gestern sogar dazu verstiegen, der Regierung vorzuwerfen, im Zu­sam­menhang mit den Abfangjägern gäbe es „Schummelgeschäfte“, Luftgeschäfte. – Es gibt doch wirklich keine ärgeren Verdächtigungen, als der Regierung ein „Schummelgeschäft“ vorzu­wer­fen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! (Zwischenruf der Abg. Mag. Trunk.)

Aber all das liegt auf Ihrer Linie der Falschinformationen! Sie von der SPÖ wollen lediglich falsch informieren, wollen verunsichern! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ihre Falschinformationen gehen sogar so weit – das muss man ja fast schon als lächerlich be­zeich­nen –, dass Herr Abgeordneter Gusenbauer heute Zitate von Franz Olah gebracht hat, die Gusenbauer aber Anton Benya zuschreibt! – Ich weiß nicht, Herr Abgeordneter Gusenbauer: Wollen Sie sich von Olah distanzieren? War das der Zweck? Oder ist das alles wirklich auf Ihrer Li­nie: Egal was, nur falsch muss es sein!, dann ist es sozusagen schon richtig für Sie?! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Art der Auseinandersetzung sollten Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, ein­stel­len – genauso wie die Auseinandersetzung auf der Straße! (Abg. Mag. Trunk: Jörg Haider!) In einer parlamentarischen Demokratie ist der Ort der Auseinandersetzung nicht die Straße, son­dern das Parlament! Herr Jörg Haider geht nicht auf die Straße, um zu demonstrieren (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), sondern er führt die Diskussionen dort, wo sie hingehören. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich wollte Sie heute wirklich nicht provozieren (Zwischenruf des Abg. Reheis), sondern Sie da­zu auffordern ... (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie reagieren doch total nervös – ich würde fast sagen: hysterisch, wenn das nicht neuerlich Öl ins Feuer gießen würde –, wenn man Ihnen die Wahrheit vorhält, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ!

Heute wollte ich die Aufforderung beziehungsweise die Frage an Sie richten, warum die Opposi­tion nicht das Positive an der Regierungsarbeit anerkennen kann. Warum ist das so? (Abg. Re­heis: Weil es nichts Positives gibt!) – Aber das stimmt doch überhaupt nicht! Trotz weltweit


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schwie­­riger wirtschaftlicher Bedingungen ist es in Österreich in den letzten Jahren gelungen, die Ar­beits­losigkeit zu vermindern. Österreich hat die drittniedrigste Arbeitslosenrate der EU! Das ist doch etwas, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei den Freiheitli­chen.)

In Österreich gibt es einen Beschäftigungsrekord: 3 155 000 Menschen befinden sich bei uns in Arbeit! Das ist ein Rekord! Im Verhältnis zum Vorjahr beziehungsweise im heurigen Jahr ist es gelungen, die Zahl der Arbeitsplätze um 38 000 zu erhöhen.

Natürlich sollen Sie auch Ihre Kritik und Ihre Bedenken vorbringen. Aber Sie sollten doch auch anerkennen ... (Abg. Mandak: Danke! Danke, dass Sie uns das zugestehen!) – Das darf ich wohl noch sagen! Oder stoßen Sie sich auch schon daran?!

Sie sollten doch auch anerkennen, was alles in Österreich an Positivem geschieht. Es sind ja schließlich alle Arbeitnehmer, alle Arbeitgeber und alle Österreicher, die daran mitwirken, dass es in Österreich einen gewissen Wohlstand gibt, dass die Arbeitslosigkeit nicht so katastrophal ist, wie das in unseren Nachbarländern der Fall ist. (Abg. Silhavy: Aber Sie wollen den Men­schen den Wohlstand nehmen!)

Die Regierung hat die Rahmenbedingungen dafür geschaffen, damit es in Österreich so gut geht, und das müssen wir doch anerkennen – auch Sie von der Opposition, meine sehr geehr­ten Damen und Herren! (Abg. Mandak: Auch sozialdemokratische Regierungen haben den Wohlstand geschaffen! Bedanken Sie sich bei den Sozialdemokraten!) Schließlich sind ja auch „Ihre“ Arbeitnehmer und „Ihre“ Unternehmer dabei, wenn es darum geht, den Wohlstand und die Sicher­heit Österreichs zu erhöhen.

Warum, meine Damen und Herren von der Opposition, können Sie nicht hier im Parlament mit uns allen diese positiven Aspekte gutheißen?! Es ist ganz einfach nicht alles zu verteufeln, wie Sie von der SPÖ das machen! Sie sagen doch stets: Alles ist schlecht, wir täten alles anders ma­chen! – In Wirklichkeit wäre es doch anders. Schauen Sie doch nur nach Deutschland: Dort kämpft die rot-grüne Regierung Schröder bereits seit fünf Jahren einen hoffnungslosen Kampf ge­gen die Arbeitslosigkeit, gegen die Wirtschaftsflaute, und sie kann nichts und nichts errei­chen!

Schauen Sie nach Deutschland – und dann schauen Sie, wie es hier bei uns in Österreich ist! Dann werden Sie sehen: Der Vergleich macht uns sicher! In Österreich haben wir – Gott sei Dank! – mit diesen Problemen nicht zu kämpfen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Warum wollen Sie beispielsweise auch diesen Erfolg nicht anerkennen? – Auch in den Jah­ren 2003/2004 wird Österreich, was das Budgetdefizit anlangt, unter den Maastricht-Kriterien lie­gen. Deutschland beziehungsweise Frankreich haben von der EU-Kommission bereits den „blau­en Brief“ erhalten beziehungsweise steht das bevor, ebenso drohen Strafsanktionen. – Das ist doch für Österreich als positiv zu sehen, was wir uns durch unsere Budgetpolitik erspart ha­ben!

In Deutschland beispielsweise ist jeder Zehnte arbeitslos! Eine furchtbare Situation! (Zwischen­ruf der Abg. Silhavy.) Und, wie gesagt: Der rot-grünen Regierung in Deutschland gelingt es nicht, eine Reduktion der hohen Arbeitslosenrate herbeizuführen – ja ganz im Gegenteil! Frau Ab­ge­ordnete Silhavy, was sagen Sie dazu? – Die rot-grüne Regierung in Deutschland möchte so­gar die Zinsen von Sparguthaben der Sozialversicherungspflicht unterziehen! – Also so weit geht man schon seitens der rot-grünen Regierung in Deutschland, um zu Einnahmen zu kom­men!

Nochmals: Österreich hat mit der drittniedrigsten Arbeitslosenquote in der EU einen wirklich schö­nen Erfolg erzielt!

Gewundert habe ich mich gestern über das, was ich hier gehört habe, als der Herr Finanz­mi­nister seine Budgetrede gehalten hat. Von SPÖ-Seite konnte man vernehmen: „bla-bla!“, höhni-


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sches Gelächter, et cetera. Darüber habe ich mich wirklich gewundert! Was gab es bitte zu lachen, was gab es „bla-bla!“ zu sagen, als der Herr Finanzminister beispielsweise sagte, dass es bezüglich der Leistungsbilanz, und zwar erstmals seit 1990, einen Überschuss gibt?! Das ist doch etwas Positives! Da braucht man doch nicht höhnisch zu lachen oder „bla-bla!“ zu rufen!

Ich habe wirklich den Eindruck, dass von Ihnen alles, in das Sie auch nur irgendetwas Nega­tives hineininterpretieren können, geradezu hochgejubelt wird. Sie wollen Österreich schlecht machen, und Sie wollen unbedingt diese Regierung schlecht machen! (Abg. Mandak: Das ist eine Unterstellung von Ihnen!) Sie freuen sich über alle schlechten Nachrichten – und da können Sie gar nicht genug übertreiben.

Ich möchte Ihnen etwas sagen: Diese Angstmache verdienen ...


Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz, Frau Abgeordnete!


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (fortsetzend): Diese Angstmache haben sich die Men­schen in Österreich nicht verdient! – Das war schon der Schlusssatz. Sie hätten nur warten müs­sen, Herr Präsident. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.18


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kogler. Gleiche Rede­zeit. – Bitte.

12.18


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als wohlmeinender Abgeordneter wird man ja schier daran gehindert, eine sachliche Rede zum Budget zu halten. Wenn man sich die Er­klärun­gen des Finanzministers von gestern – gepaart mit den Ergänzungen des Bundeskanz­lers von heute – anschaut, kann man nur sagen: Leicht machen Sie es einem nicht!

Als Erstes muss ich konstatieren – obwohl das eigentlich ein Fall für den Kollegen Grünewald wäre –, dass nach dem „Vergesslichkeits-Virus“, der offensichtlich auf der ÖVP-Hälfte der Re­gie­­rung Platz gegriffen hat, nun auch noch der „Las Vegas-Virus“ dazukommt. Was ist damit ge­meint? – Sie, Herr Bundeskanzler, tun so, als ob Sie all die Jahre zuvor nicht in der Regie­rung ge­wesen wären – und reden von „Finanzministern der SPÖ“ und von „Bundeskanzlern der SPÖ“. Es gibt ja offensichtlich überhaupt niemanden auf der Regierungsbank, der live dabei war, was diese Schuldenzunahme betrifft, die Sie jetzt ständig so sehr kritisieren – ich tue das ja gar nicht in dieser Form; das ist Ihr „Kaffee“!

Es gibt niemanden, der in dieser Frage so viel mitzuverantworten hat wie Sie. Deshalb halte ich das einfach nicht für seriös, wie Sie sich immer hier herstellen und über alles drüberwischen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Aber viel schlimmer ist diese „Las-Vegas-Mentalität“, die hier Einzug gehalten hat. Der Herr Finanzminister hat Sie offensichtlich schon angesteckt. Die gestrige Budgetrede war wieder der Versuch einer typischen Grasser-Show. War es eine angebliche oder eine tatsächliche Budget­rede? Ich würde eher auf „angeblich“ tippen, denn mit dem Budget 2003 beziehungsweise 2004 hat sie nichts zu tun gehabt. Eine tatsächliche kann sie nur gewesen sein, wenn er von einem an­deren Budget geredet hat, vielleicht von jenem in Las Vegas, wo Schmähführen und Schwind­­lertricks auf offener Bühne durchaus geschätzt werden. – Das ist Ihr Konzept, und es ist – Kollege Van der Bellen hat es erwähnt – wirklich unerträglich, wie hier mit Zahlen getrickst wird. Das muss man leider eingangs festhalten. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Le­dol­ter: Die Vergleiche sind unerträglich, die Sie anstellen!)

Herr Kollege, Sie sollten versuchen, sich ein bisschen zu informieren. Es ist zwar eine alte Tra­di­tion in Österreich – und wir brechen ja gerade mit vielen Traditionen! –, dass die Abgeord­ne­ten von den Regierungsparteien immer das tun, was die Parteizentralen sagen, und das ist synchronisiert mit der jeweiligen Regierungsfraktion, aber Sie sollten Ihre Verantwortung als Ab-


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ge­ordneter wahrnehmen und einmal ein bisschen nachlesen – erst nachlesen, dann nachden­ken und dann sprechen und zwischenrufen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Zuerst in aller Kürze zur Pensionsreform. Niemand von den Grünen – ich jedenfalls sicher nicht – wird bezweifeln, dass wir bei den Frühpensionen Änderungen herbeiführen sollen und müs­sen. Die Frage ist nur, wie! So, wie Sie das vorschlagen, wirkt sich das negativ auf den Ar­beitsmarkt aus. Wir haben einen anderen Vorschlag, der eben so angelegt ist, dass die Ar­beits­marktdaten nicht negativ beeinflusst werden. – Das ist, glauben wir, der bessere Weg. Mag sein, dass der andere für das Budget eine Spur billiger ist. Gesellschaftspolitisch, sozialpolitisch und – ich sage sogar – wirtschaftspolitisch vernünftiger wäre ein anderer. Sie erhöhen nur die Arbeitslosigkeit, und das ohne Not. Und das ist der Vorwurf! – Erstes Minus in dieser Sache; wir hätten einen anderen Vorschlag.

Das Problem ist allerdings – und das hat gerade der Herr Finanzminister ständig strapaziert, auch gestern –, dass man sich verwundert darüber gibt, dass es Streiks gibt. Also so geht es nicht, meine Herren auf der Regierungsbank: dass man zunächst die zitierte Konsensdemo­kratie mit Absicht und Anlauf und mit Wucht aufkündigt – das kann man noch machen, das ist halt ein anderes politisches Modell in der Praxis – und sich dann wundert – da ist der Weg von heilig zu scheinheilig nicht mehr sehr weit, so wie die heutige Etappe beschrieben worden ist –, dass es Streiks gibt, und diese Streiks dann noch diskreditieren oder gar kriminalisieren will. So weit kann es nicht gehen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es ist schlicht und ergreifend der Versuch, nach dem Kabinett Schüssel I, nach dem Versuch – Gott sei Dank ist nicht alles gelungen, dank der Opposition! – der autoritären Wende im gesell­schaftspolitischen Bereich auch noch eine im wirtschafts- und sozialpolitischen Bereich hinzuzu­fü­gen, zumindest was die Entscheidungsfindungen betrifft. Entweder – oder, alles auf einmal kann man nicht haben! Deshalb würde ich dazu aufrufen, von diesen – ich würde fast sagen – Krimi­na­li­sierungen der Streikbewegung doch wieder ernsthaft Abstand zu nehmen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Was ist mit der Kriminalisierung der Gesetz­ge­bung?)

Bleiben wir kurz beim Problem Arbeitslosigkeit, und damit, Herr Kollege Molterer, bin ich dabei, darauf einzugehen, dass die Regierung auch einmal für etwas gelobt werden kann. Es ist rich­tig, dass die Arbeitslosenquoten in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern relativ niedrig sind. Das ist nicht nur das Verdienst dieser Bundesregierung, sondern dahinter steht eine lange Tra­dition der Wirtschafts- und Sozialpolitik in Österreich. Möglicherweise hat es auch etwas da­mit zu tun, dass wir zu viele Frühpensionisten haben, wie Sie sagen. Man muss die einzelnen Posten halt zusammenzählen.

Wie dem auch sei: In der Veränderung der Arbeitslosenquote – und das ist entscheidend –, in der Zunahme der Zahl der Arbeitslosen gemessen an den Beschäftigten sind wir in Österreich seit dem Jahr 2000 massiv auf der Überholspur. Und das ist nicht beruhigend. Das hat etwas da­mit zu tun, dass auch das Wirtschaftswachstum in Österreich seit den Jahren 1998, 1999, aber massiv seit 2000 hinter der europäischen Entwicklung zurückbleibt; wenn wir schon die EU und die globalen Daten zitieren wollen. – So schaut es aus, okay. Das mache ich auch nicht nur oder nur zu einem kleineren Teil dieser Bundesregierung zum Vorwurf, wir sind schließlich im inter­nationalen Wettbewerb. Aber es geht nicht an, dass Sie sich mit dem Hinweis auf diese Um­stände auch von den nationalen Spielräumen der Wirtschaftspolitik verabschieden wollen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das ist nämlich der nächste Schmäh an dieser Geschichte. Sie sagen: Wir brauchen nichts zu tun, wir sollen nichts tun, wir warten auf den Aufschwung, und dann können wir irgendwann einmal die Steuern senken. – Das ist Ihr Konzept. Wir sagen: Das ist falsch! Wenn schon ein Spielraum für Steuersenkungen da sein soll, unserer Meinung nach auch ist, dann sollte es heißen: vor­ziehen – zum Teil, nicht in dieser großen Dimension, weil wir auch das Budgetdefizit im Auge haben müssen –, vorziehen und ausgabenseitig und einnahmenseitig gezielt und nicht irgend­wie vorgehen!


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Darauf möchte ich jetzt eingehen, das sind die nächsten Gegenvorschläge. Tun Sie bitte nicht so, als ob man ohnehin nicht viel tun könnte, nach dem Motto: Wir warten auf den Aufschwung, der kommt irgendwann von irgendwo her, und dann dürfen wir alle beglücken. – In Wahrheit hat das nichts mit Wirtschaftspolitik zu tun, sondern das ist ein rein wahlpolitisch motivierter Budget­zyklus, den Sie hier veranstalten. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Im Jahr 2005 – „2006“ haben Sie sich nicht zu schreiben getraut, weil Ihnen letztes Mal die Re­gie­rung ein Jahr früher flöten gegangen ist; man lernt ja, auch in Las Vegas! –, dann, wenn der Aufschwung kommt, den Sie mit Ihren Budgetdaten in Aussicht stellen, wollen Sie großartig senken. Entweder ist das die erwähnte Show oder blanke Ideologie, die da herausspricht, dann sollten Sie sich aber dazu bekennen: Der Staat darf nichts mehr tun, der Staat soll nichts mehr tun, wird mitdiskreditiert, aus, Pause, nichts; wir haben abgedankt! – Dazu brauchen wir uns aber nicht diese langen Showveranstaltungen anzuhören. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Also bekennen Sie sich dazu, dass es wirklich irgendwo Schwerpunkte gibt, dann schauen wir uns diese auch näher an.

Gehen wir auf die angebliche Steuersenkung ein. Professor Van der Bellen hat die Globaldaten schon erwähnt. Das ist wirklich so. Sie haben das dementiert – aber rechnen Sie nach! In den Jah­ren 2004 und 2005, aber speziell im Jahr 2004, über das wir heute reden, gibt es eine massive Mehr­belastung. Wenn man die Abgabenbelastung dazuzählt, wird sie noch höher. Und wen trifft das? Wir können doch nicht so tun, als ob das alle gleich treffen würde: 8 Millionen Öster­rei­cher, alle haben ein bisschen mehr oder ein bisschen weniger. – Nein! Es trifft einige besonders schlimm, und es sind einige ganz wenige, bei denen es sich vielleicht auf null ausgeht, nämlich bei denen, für die Sie dankenswerter- oder sinnvollerweise wirklich ein paar Verbesserungen bei der Lohn- und Einkommensteuer schaffen.

Das sind aber nicht einmal 300 000 Erwerbstätige; das sollten Sie einmal dazusagen. Über 600 000, die jetzt schon keine Steuern zahlen, weil sie nämlich ein zu geringes Einkommen haben – Stichwort Leistungsträger –, werden massiv belastet, bekommen aber keinen Cent mehr. – So schaut Ihre Rechnung aus! Deshalb sollten wir hier mit ein paar Instrumenten ein­grei­f­en. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) – Nächster Vorschlag der Grünen. Wir haben uns das ausgerechnet, es würde 220 Millionen € kosten.

Insgesamt gesehen sollten wir bei diesem vorgezogenen Teil der Steuerreform die Bezieher nied­ri­ger Einkommen, die in letzter Zeit ohnehin genug geschröpft worden sind, entlasten. Das würde auch die Konsumneigung, wie jeder nachvollziehen kann, erhöhen.

Im Unternehmenssektor soll auch etwas passieren – das wird Sie vielleicht wundern, wenn ich das sage –, jawohl, aber bitte treffsicher! Mit Ihrer Maßnahme wird doch keine einzige Investi­tion angeregt. Wir brauchen in Zeiten der Unsicherheit wieder die klassischen Instrumente: In­ves­ti­tions­prämien und Freibeträge, die zeitlich befristet sind, damit sie auch treffsicher, zur rich­ti­gen Zeit, nämlich jetzt, wirken und nicht dann, wenn Ihr angeblicher Aufschwung um die Kurve kommt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Nächster Punkt: Schwerpunktsetzungen. Der einzige Schwerpunkt, den ich erkennen kann, ist Ihre Klientelpolitik – Landwirtschaft und Landesverteidigung/Militär. Die Ausgaben insgesamt im Budget sinken, wie Sie stolz verkünden, nur beim Bundesheer dürfen sie steigen, und das hat einen guten Grund: weil die finanziellen Vorbelastungen für Ihre aberwitzigen Rüstungsbe­schaf­fungen, die noch dazu meistens Fehlinvestitionen sind, das Budget bereits auffressen, und mit der Anschaffung der Abfangjäger droht Ihnen das Gleiche! (Präsident Dr. Fischer gibt das Glocken­zeichen.)

Ich darf zu meinem Schlusssatz kommen: Wir dürfen künftig nicht die größte Steuersenkung er­warten, wir dürfen nur mit der größten Verschwendungsaktion in der Republik rechnen, näm­lich mit dem unsinnigen Kauf der Abfangjäger – ein Riesenschwindel im Zentrum ...

12.29



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Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege, gleiches Recht für alle.

(Beifall bei den Grünen und der SPÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Mag. Kogler.)

Nächster Redner ist der Herr Vizekanzler. Die Vereinbarung ist auf 6 Minuten orientiert. – Bitte.

12.29


Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Vize­kanz­ler Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Die Steuerreform kommt, Herr Kollege Kogler, und die erste Etappe dieser Steuerreform kommt, wie wir versprochen haben, mit 1. Jänner 2004. Das, was noch vor einem Jahr in diesem Parla­ment von drei Parteien bezweifelt worden ist, ist Grundlage dieses Budgets: die Entlastung der jährlichen Einkommen bis 14 500 € von jeder Steuer!

Ich gebe Ihnen Recht, Herr Kollege Kogler, schon derzeit haben viele Österreicherinnen und Österreicher auf Grund der Politik dieser Bundesregierung keine Steuern zu zahlen, aber dieses Ent­lastungspaket wird dafür sorgen, dass noch 200 000 Österreicherinnen und Österreicher mehr in den Genuss der Steuerersparnis kommen, und das sind die Bezieher niedriger und nied­rigster Einkommen, auf die wir besonderes Augenmerk legen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es kommt auch endlich – ein Jahr früher, als in der Regie­rungs­erklärung verlautbart – die Abschaffung des 13. Umsatzsteuertermins. Und es kommt auch die Entlastung der nicht entnommenen Gewinne für die kleinen Betriebe in dieser Re­publik; fast ausschließlich für die kleinen Betriebe in dieser Republik. Eine Gesamtsteuerreform in einer nächsten Etappe wird die gesamte Volkswirtschaft entlasten, aber in einem ersten Schritt sind zunächst einmal die Klein- und Mittelbetriebe an der Reihe. (Beifall bei den Frei­heitli­chen und der övp.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Auch Sie von den Sozialdemokraten sprechen immer davon, dass die Zukunft in der Forschung und im Investitions- und Infrastrukturbereich liegt. Wir haben heute bereits darüber gesprochen, dass wir erstmals in der Außenhandelsbilanz eine positive und erfreuliche Entwicklung zu verzeichnen haben. Ich möchte mich bei den Österreicherinnen und Österreichern, bei den Betriebsinhabern, bei den Mitarbeitern ausdrücklich dafür bedanken, dass sie in einer Zeit, in der die Disparität zwischen Euro und Dollar die österreichischen Expor­te belastet, diese gute Leistung für Österreich erbracht haben. Das hat nicht die Politik, sondern das haben die österreichische Wirtschaft und ihre Mitarbeiter erreicht. – Ein herzliches Danke­schön dafür! (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

Ich bin auch sehr zufrieden damit, dass die Forschungsausgaben für 2003 auf 1 471 Millionen € und für 2004 auf 1 559 Millionen € steigen werden. Ich bin sehr zufrieden damit, dass die Aus­ga­­ben für Infrastrukturmaßnahmen gegenüber dem Jahre 1999, als die Sozialdemokratie die Ver­antwortung getragen hat, von 2 107 Millionen € auf 2 783 Millionen € im Jahr 2003 und dann auf 2 848 Millionen € im Jahr 2004 steigen werden. – Eine wichtige Leistung für eine zukunfts­trächtige Infrastruktur.

Ich bin sehr zufrieden damit, dass in einem Pensionssystem, das auf dem Generationenvertrag ba­siert, die Ausgaben für Familienleistungen auf 5 026 Millionen € steigen werden. – Das höchste Ausmaß an Familienleistungen überhaupt! Es ist das erste Mal, dass ein Finanz­minis­ter den Familien 90 Millionen € zuschießen kann, weil nicht die Österreichischen Bundesbahnen und andere Betriebe auf Kosten der Familienleistungen gefördert worden sind. Ein guter Tag für die österreichischen Familien! (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren über die Beschäftigungssituation in Öster­reich. Wir diskutieren über die Pensionsreform. – Herr Präsident Verzetnitsch! Wenn Sie so wie ich bei der Wahrheit bleiben, werden Sie bestätigen, dass Sie von mir das Angebot erhalten ha­ben, jene Dinge, die in der Pensionsreform budgetnotwendig sind, jetzt anzugehen und dann ge­meinsam bis 30. September über die Harmonisierung und die weiteren Schritte zu disku­tie-


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ren. Am 28. April habe ich, in der Begutachtungsfrist zum jetzigen Regierungsvorschlag, der das Parlament erreicht hat, mit meinen Freunden nachverhandelt, während Sie – das weiß man, wenn man sich die Broschüren, die zum 1. Mai und zu den Streiktagen herausgekommen sind, ansieht – schon damals den Streik vorbereitet haben. Ich würde meinen, jemand, der für die Sozial­part­ner­schaft in Österreich ist, darf es nicht so machen wie Kollege Nürnberger, der stolz darauf war, sich aus der Verantwortung für die Pensionsreform und für die Modernisierung dieses Staates genommen zu haben, sondern der muss in der Verantwortung des Parlaments, in der Verant­wortung der Sozialpartnerschaft gemeinsam den guten österreichischen Weg gehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.) – Ich, sehr geehrter Herr Kollege Verzetnitsch, bin bereit dazu.

Sie wissen ganz genau, dass ich in den letzten drei Tagen mit Gewerkschaftern wichtige Fra­gen, die die Gewerkschafter offensichtlich nur mehr auf der mittleren und unteren Ebene in­teres­sieren, diskutiert habe; Fragen über Verbesserungen im Behindertenbereich und bei den atypisch Beschäftigten.

Ich glaube, dass wir gut damit beraten sind, die Verhandlungen am Verhandlungstisch, die Ver­handlungen im Parlament fortzusetzen, anstatt auf der Straße tätig zu werden, denn wir wissen, wo­hin das oftmals führen kann. Kein österreichischer Arbeitnehmer würde auf die Straße gehen, um am Ende des Streiks Pensionsregelungen wie in Griechenland zu haben: arbeiten bis 67, eine jährliche durchschnittliche Pensionshöhe von 2 378 €. Ich denke, sehr geehrte Da­men und Herren, die österreichischen Pensionisten würden sich höflichst dafür bedanken, für ein derartiges Pensionssystem mobilisiert worden zu sein.

Wir sollten nicht vergessen, dass die Aufwendungen für die Pensionen auch nach diesem Bud­get steigen werden. Wir werden sie einbremsen, aber sie werden weiterhin und laufend steigen.

Ich darf auch darauf hinweisen, dass es für mich schon bezeichnend war, dass die Vertreter von Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund in der Reformkommission drei Jahre lang mitge­ar­bei­tet haben und zu der letzten Sitzung nicht mehr erschienen sind. Ich würde meinen, wenn man A sagt und in einer Reformkommission mitarbeitet, dann sollte man auch B sagen und bei der Umsetzung der Beschlüsse der Reformkommission dabei sein. (Beifall bei den Freiheitli­chen und der övp.)

Wer es mit Österreich ernst meint, wer es mit allen Generationen in Österreich ernst meint und wer es damit ernst meint, dass die Belastungen der Reform nicht auf Kosten einer Generation erfol­gen sollen, der muss die Pensionsreform jetzt durchführen und darf sie nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben! (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

12.36


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir beginnen jetzt vereinbarungsgemäß mit einer Rednerrunde mit einer Redezeit von je 5 Minuten. Erster Redner ist Herr Abgeordneter Lopatka. – Bitte.

12.36


Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Da­men und Herren von der Regierungsbank! Lassen Sie mich mit zwei Anmerkungen beginnen; Präsident Verzetnitsch ist ja nicht irgendein Abgeordneter, daher soll das von ihm Gesagte auch nicht unwidersprochen bleiben.

Präsident Verzetnitsch hat im Zusammenhang mit der Überführung der Notstandshilfe in die „So­zialhilfe neu“ davon gesprochen, dass diesbezüglich vom Herrn Bundeskanzler nicht die Wahr­heit gesagt worden sei. Ich habe sieben Jahre lang in diesem Bereich gearbeitet, und ich darf sagen: Diese „Sozialhilfe neu“ ist nicht vergleichbar mit der jetzigen Sozialhilfe der Länder. Um sie zu bekommen, brauchen wir ein Sozialhilfegrundsatzgesetz und mit allen Ländern (Zwi­schenruf der Abg. Mag. Wurm) – auch mit Wien und mit dem Burgenland, Frau Kollegin – Arti­kel-15a-Vereinbarungen. Die Länder und Gemeinden sollen auch stärker eingebunden werden. Das ist der richtige Weg! (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)


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Das Zweite, das mir wirklich Sorgen macht, ist die sprachliche Radikalisierung. Ich bin diesbe­züg­lich ja auch manchmal gefährdet (Abg. Öllinger: Da sind Sie Experte!), aber der Präsident des Gewerkschaftsbundes sollte sich wirklich überlegen, uns Abgeordnete, weil wir der festen Über­zeugung sind, notwendige Gesetze zu beschließen, als Kriminelle zu diskreditieren. (Abg. Sil­havy: Das hat er nicht getan!) Herr Präsident Verzetnitsch, damit sind Sie entschieden zu weit gegangen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Das hat er gar nicht getan!) – Raub ist ein strafrechtlicher Tatbestand, Kollegin Silhavy!

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass das vorliegende Doppelbudget für die Jahre 2003 und 2004 das Gegenteil dessen ist, was von SPÖ-Vorsitzendem Gusenbauer und auch von Ihnen, Herr Prä­sident Verzetnitsch, hier behauptet worden ist. Natürlich ist es eine konsequente Umsetzung des Stabilitätsprogramms der Bundesregierung und somit eine Fortsetzung der Politik der Regierung Schüssel I. Das war das Markenzeichen dieser Regierung und wird selbstver­ständ­lich auch in dieser Legislaturperiode seine Fortsetzung finden.

Meine Damen und Herren! Dieses Budget steht natürlich in großem Gegensatz zu dem, was SPÖ-Bundeskanzler und SPÖ-Finanzminister 30 Jahre hindurch an Finanzpolitik betrieben ha­ben. Ich muss Ihnen sagen – ich sage es Ihnen noch in Schilling, denn die Schulden sind von Ihnen zu einer Zeit angehäuft worden, wo noch in Schilling gerechnet worden ist –: Allein der Zin­­sen­dienst beträgt täglich 270 Millionen Schilling! Am 4. Februar 2000, als die Regierung Schüs­sel I ihre Arbeit aufgenommen hat, hat sie einen Rucksack, gefüllt mit 270 Millionen Schil­ling an täglichem Zinsendienst, erhalten. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das sind pro wahlberechtigter Österreicherin/pro wahlberechtigtem Österreicher 1 258 € oder 17 000 S nur an Zinsendienst. – Das ist das Erbe, das die Regierung Schüssel I angetreten hat, und das ist das, was uns natürlich belastet. (Abg. Mandak: Sie waren ja mit verantwortlich! – Abg. Öllinger: Ihre Partei war in der Regierung!) Das mag Sie aufregen – für uns ist es auch nicht angenehm, aber wir gehen daran, eine andere Budgetpolitik zu machen. (Beifall bei der ÖVP.)

Dieses Budget 2003/2004 ist ein gutes Budget, ein gutes Budget in mehrfacher Hinsicht:

Erstens – und das hätten auch Sie schon machen können – werden Niedrigsteinkommensbe­zieher bis zu einem Jahreseinkommen von 14 500 € brutto steuerfrei gestellt. Das ist gelebte christdemokratische Politik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen.)

Es ist zweitens ein Budget, in dessen Rahmen große Reformen Berücksichtigung finden – Re­for­men, zu denen Sie leider nicht bereit sind.

Drittens ist es ein Budget im Interesse der Jugend, und das ist für mich das Wichtigste. Daher blickt auch Deutschland voll Anerkennung auf uns. (Abg. Dr. Glawischnig: Das stimmt nicht!) Der Chefökonom der Deutschen Bank, Norbert Walter, hat erklärt: Einen Finanzminister wie Gras­ser hätten wir auch gerne! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Man höre und staune: Einen Finanzminister wie Grasser hätten sie auch gerne!

Umso unverständlicher sind Ihre persönlichen Angriffe. Sie sind nicht sachlich begründet. Soll ich Ihnen den Grund für Ihre Angriffe nennen? – Die SPÖ hat für 145 000 € eine Studie in Auf­trag gegeben. Manche von Ihnen werden sie kennen, sie heißt „Netzwerk Rot:Weiß:Rot“. Und die­se Studie ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Karl-Heinz Grasser jener Politiker in Öster­reich ist, der bei zentralen Wähler- und Wählerinnengruppen der SPÖ eine sehr positive Rolle spielt. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Was empfehlen daher die Autoren der Studie der SPÖ? Sie empfehlen, Finanzminister Karl-Heinz Grasser nachhaltig politisch zu desavouieren. (Abg. Parnigoni: Haben Sie die Studie in Auf­trag gegeben?) Nein, sie ist von Bures bezahlt worden, Herr Kollege!


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte Sie – so, wie ich das bei allen anderen auch tue – um den Schlusssatz!



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Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (fortsetzend): Ich komme schon zum Schlusssatz. – Was immer Sie unternehmen, es wird ein untauglicher Versuch sein. Wenn es auch Ihr Auftrag ist, Karl-Heinz Grasser nachhaltig politisch zu desavouieren – es wird Ihnen nicht gelingen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.42


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Gleiche Rede­zeit. – Bitte.

12.42


Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Es ist zumindest interessant, dass der Generalsekretär der ÖVP den so genannten parteilosen Finanzminister hier mit so viel Vehemenz und Einsatz ver­teidigt. Vielleicht denkt er, Grasser wird der nächste Parteiobmann der ÖVP. Ich weiß es nicht, aber irgendeinen Grund wird er schon dafür haben, der Generalsekretär der ÖVP, den so genannten unabhängigen Finanzminister hier wie einen ÖVP-Minister zu verteidigen.

Aber das ist nicht das Thema. Thema heute ist die Budgetdebatte, die Budgetrede des Finanz­mi­nisters, die er gestern gehalten hat und die im „Standard“ von einem Kommentator als „Die Wen­den des Theatermachers“ betitelt wurde. (Abg. Dr. Brinek: Hat er da den Cap gemeint?) – Ein interessanter Titel, beschreibt er doch – ich glaube, mich erinnern zu können, dass auch Jörg Haider das einmal im Fernsehen gesagt hat – diese Beliebigkeit der Politik des Finanz­mi­nis­ters – ein Kennzeichen, ein Markenzeichen.

Es war interessant, sich den Verlauf seiner Meinungen bei den diversen Budgetdiskussionen und öffentlichen Aussendungen anzusehen. Sie wissen natürlich selbst, wie es begonnen hat, näm­­lich mit: Nulldefizit ist Nulldefizit! Dann hat es geheißen: ein ausgeglichenes Budget über den Konjunkturzyklus. Es wurde hinterfragt, ob 0,5 oder 0,7 Prozent Defizit nicht ohnehin schon einem Nulldefizit gleichkämen. Zum Schluss hat es geheißen: Irgendwann, wenn die Schul­denjahre vorbei sind, wollen wir uns dann möglichst nahe an die Null heranarbeiten! – Das ist die Sprache, die man einmal kritisieren sollte: Es wird versucht, den Menschen etwas vorzu­ma­chen, zu vernebeln, ihnen nicht wirklich zu sagen, worum es geht. Das muss einmal von uns aufgezeigt werden, und das tun wir auch! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Im Jahr 2000 ist der berühmte Satz gefallen: „Ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Bud­get.“ – Im Regierungsprogramm am 28. Februar 2003 ist aufgezählt worden, in welchen Jahren es das Budgetdefizit geben wird.

Oder: die Ankündigung der größten Steuerreform; fast hört man: „aller Zeiten“, aber gemeint ist die größte Steuerreform der Zweiten Republik. – Dann kommt sie nicht und kommt sie nicht und kommt sie nicht! Sie wird verschoben, und dann gibt es nur mehr die Zielansage: vielleicht 2005.

Oder, Aussage von Grasser: Das, was wir den Bürgern geben, müssen wir ihnen vorher neh­men. – Das ist das, was wir so kritisieren! Es wird permanent versucht, den Bürger und die Bür­ge­­rin an der Nase herumzuführen, sie für dumm zu verkaufen! Der Steuerzahler hat aber ein Recht darauf, zu wissen, worum es geht. Es geht um ihn, es geht um unser Land, es geht um die Zukunft. Da kann man nicht diese Art von Politik verfolgen, da kann man nicht derartige Bud­getreden halten – mit dem Sanktus desjenigen, der, wie es in der Zeitung steht, in Wirk­lichkeit Grasser als Marionette verwendet, nämlich des Bundeskanzlers!

Wir haben gesehen, wie eng die Bindung zwischen den beiden ist (Abg. Dr. Fekter: Das ist euch ein Dorn im Auge, dass das so gut funktioniert!), als der Bundeskanzler sich vorhin für den Finanz­minister so sehr ins Zeug gelegt und versucht hat, ihn gegen seine Kritiker hier zu vertei­di­gen. Hier liegt eine enge Geistesverwandtschaft vor.

Jeder muss wissen: Wer Grasser und seine Schuldenpolitik und seine Defizitpolitik und seine Belastungspolitik kritisiert, der muss in Wirklichkeit die ganze Regierung kritisieren, vor allem


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den Bundeskanzler an der Spitze, der letztendlich die Verantwortung für diese unsoziale Politik trägt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Beispiel Abfangjäger: Zuerst waren gebrauchte Abfangjäger im Gespräch. Dann hat es ge­hei­ßen: Wir müssen erst einmal abwarten, wie die Sicherheitspolitik in Europa läuft! Dann hat es geheißen: Abfangjäger sind gar nicht finanzierbar! Dann hat es geheißen: Das Nulldefizit ist wich­­tiger als die Abfangjäger! Und dann ist die Anschaffung der teuersten Abfangjäger be­schlos­sen worden. – Finanzminister Grasser hat gesagt: Ich trage diese Entscheidung vollin­haltlich mit! Dann hat er gesagt – damit sich alle fürchten –, es sei ein Kriegsflugzeug. In der Dis­kussion gestern war es nur mehr ein Luftraumüberwachungsflugzeug.

Das ist die Sprache Grassers, das ist das KHG-Markenzeichen: etwas sagen, aber den Bürger ra­ten lassen, was man damit meint; am schönsten ist es, wenn er nie draufkommt. – Das ist Ihre Geisteshaltung, Herr Finanzminister, und diese verurteilen wir! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber dem Generalsekretär der ÖVP scheint das zu gefallen. Er sitzt hier interessiert dabei und will dieses Phänomen Grasser, dieses Medienphänomen Grasser als Studienobjekt verteidigen.

Ich sehe das anders. Wir haben nämlich auch eine wichtige Verantwortung, eine Verantwortung ge­genüber den Bürgerinnen und Bürgern, die uns heute zusehen und zuhören, und diese kön­nen mit Recht erwarten, dass wir hier vernünftig miteinander umgehen, dass wir Konflikte offen und ehrlich und deutlich austragen und dass demokratische Einrichtungen nicht diffamiert werden, indem man hier etwa die Frage aufwirft: Dürfen die denn überhaupt Betriebs­ver­sammlungen und Streiks abhalten?

Wieso gibt es derartige Maßnahmen? – Weil die Bürgerinnen und Bürger sich um ihren ge­sicher­ten Lebensabend sorgen. Wenn man sich ein Leben lang auf etwas vorbereitet und dafür auch einzahlt, dann will man auch gesicherte Pensionen haben. – Dieses Herumfummeln einer verantwortungslosen Regierung mit dem Lebensabend vieler Menschen in Österreich ist ein Skandal, und deswegen regen wir uns so auf! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.47


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. Glei­che Redezeit von 5 Minuten. – Bitte.

12.48


Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Da­men und Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Immer wieder erstaunlich und immer wiederkehrend ist die Argumentations­weise des Kollegen Cap, der beispielsweise davon spricht, dass die große Steuerreform, die größte der Zweiten Republik, nur mehr als Zielvorgabe angekündigt wird. – Natürlich ist es ein Ziel, im Jahr 2005 diese Steuerreform durchzubringen, diese Steuerreform zu realisieren. Ich stelle fest, dass in den vergangenen 30 Jahren sozialistischer Finanzpolitik keine Ziele vorhan­den gewesen sind, ansonsten wäre es nicht möglich gewesen, diesen Schuldenberg, gemes­sen am Bruttoinlandsprodukt, so anzuhäufen, wie Sie das gemacht haben, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Insofern ist es für mich unverständlich, dass ein Budgetdefizit, das – zugegeben – bei diesen bei­den Budgets ausgewiesen ist, gerade von der SPÖ, vom Kollegen Cap, so sehr kritisiert wird. Wie war denn die Budgetpolitik der vergangenen Jahre unter sozialistischen Finanz­mi­nistern?

Die vorherige ÖVP/FPÖ-Regierung hat Folgendes gemacht: Sie hat sich der Konsolidierung des Staatshaushaltes gewidmet, und zwar auf Grund des Erfordernisses, das sich daraus ergab, dass Sie einen entsprechenden Schuldenberg ohne Perspektiven hinterlassen haben! Sie hat also etwas getan, was Sie offensichtlich nie realisieren konnten, nämlich diesen Staats­h­aushalt zu sanieren. In den 30 Jahren, in denen das Finanzressort unter sozialistischer Füh­rung war, gab es Aufbauarbeit nur im Bereich des Schuldenaufbauens, sehr geehrte Damen und Herren!


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Sie haben gesagt, der Finanzminister hat gleichsam im Jahr 2001, beziehungsweise ursprüng­lich für das Jahr 2002, das Nulldefizit zum Dogma erhoben. Ich sage Ihnen: Es war richtig, das Nulldefizit der Bevölkerung einmal auch vor Augen zu führen, denn nach Ihrer Finanzpolitik hat ohne­dies niemand geglaubt, dass es in diesem Staate möglich sein kann, solch ein Nulldefizit überhaupt zu erreichen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwi­schenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Selbstverständlich ist es so, dass eine Konsolidierung, ein aus­geglichener Haushalt so zu betrachten ist, dass er über den Konjunkturzyklus zu erreichen ist. Das macht Sinn, das ist sinnvoll! Es geht um ein ausgeglichenes Budget nicht auf ein oder auf zwei Jahre bezogen (Abg. Dr. Matznetter: Das hat aber der Dr. Gusenbauer Ihnen erst sa­gen müssen, Herr Kollege! ...!), sondern unter Berücksichtigung der weltwirtschaftlichen Situa­tion und der konjunkturellen Entwicklung. Defizite sind sehr wohl dann in Kauf zu nehmen, wenn es auf Grund der konjunkturellen Situation erforderlich ist, wirtschafts- und arbeits­politi­sche Impulse zu setzen.

Und das, sehr geehrte Damen und Herren, geschieht auch. Das ist in der letzten Legislatur­pe­riode geschehen, und das geschieht auch in dieser Legislaturperiode. Es sind Pakete ge­schnürt worden, die es sehr wohl ermöglicht haben, wirtschaftlich einen Weg zu beschreiten, der es in Anbetracht der angespannten finanziellen Situation – für die Sie die Basis geschaffen haben – den Wirtschaftstreibenden möglich gemacht hat, ihre Unternehmungen erfolgreich weiterzu­führen: das Konjunkturpaket I und das Konjunkturpaket II.

Ich begrüße es auch ausdrücklich, dass dieses Austriacum, der 13. Umsatzsteuertermin, den jeder in diesem Land als äußerst ungerecht empfunden hat, nun endgültig abgeschafft ist und heuer auch nicht mehr zum Tragen kommt.

Ich begrüße es auch, dass eine Steuerreform als Zielsetzung definiert und in Angriff genommen wird, und ich bin auch sehr zuversichtlich, was deren Realisierung betrifft.

Weiters begrüße ich es ausdrücklich, dass seitens der Budget- und Finanzpolitik eine Verbesse­rung der Eigenkapitalsituation unserer österreichischen Betriebe ermöglicht wird, nämlich durch eine Halbierung des Höchststeuersatzes von 50 auf 25 Prozent.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt viele Maßnahmen und viele Impulse, die in dieser Le­gislaturperiode im wirtschaftspolitischen Bereich gesetzt werden und die, so glaube ich, nötig sind, um auch in Zukunft die Arbeitsplätze (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) und den wirtschaftlichen Fortbestand unserer österreichischen Unternehmungen zu sichern.


Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!


Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (fortsetzend): Lassen Sie mich noch eine Anmer­kung machen: Auf großes Unverständnis stößt die derzeitige Aktion des ÖGB im Zusam­menhang mit ...


Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege Hofmann, alle müssen gleich behandelt werden! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er ist ja schon dabei, beim Schlusssatz!) Ich habe auch Kollegin Partik-Pablé unterbrochen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ja, zu Unrecht! Zu Unrecht!) Ihre Redezeit ist auf 5 Minuten beschränkt.


Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (fortsetzend): ... der Pensionsreform, zumal Sie, meine Damen und Herren, damit jemanden bestrafen, der in diesem Bereich, nämlich der Pen­sionsreform, gar keinen Einfluss hat, nämlich die österreichischen Unternehmungen, durch Ihre Aktionen und durch Ihre ...

12.54


Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Redezeit ist abgelaufen!

(Beifall bei den Freiheitlichen für den das Rednerpult verlassenden Abg. Dipl.-Ing. Hofmann.)


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15. Sitzung / Seite 61

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

12.54


Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch auf einige Verteilungsaspekte und damit Gerechtigkeitsaspekte des Budgets und auch der Pensionsreform eingehen, vor allem aus dem Blickwinkel von jungen Leuten und von Frauen.

Es wird im Moment ein Spiel gespielt, bei dem Pensionsanwärter und -anwärterinnen, also jun­ge Leute einerseits und Pensionsbezieher, Pensionisten und Pensionistinnen andererseits ge­geneinander ausgespielt werden, und zwar mittels einer als solcher dargestellten großen demo­­graphischen Bombe, die angeblich diese unvermeidbaren tiefen Einschnitte in das Pensions­system notwendig macht.

In Wirklichkeit geht es aber um etwas ganz anderes. Ich würde mich sehr gut mit diesem System abfinden können, wenn man sich darauf einigen könnte, zu sagen: Der Staat, die Re­publik wird in den nächsten Jahren einen so und so großen Anteil des BIP, so und so viele Prozent davon, für die Pensionen ausgeben. – Das ist aber nicht der Fall!

Wenn die Zahlen, die die Oberösterreichische Landesregierung vorgelegt hat, stimmen, dann wird es im Jahr 2015 so weit kommen, dass der Bundeszuschuss für die ASVG-Pensionierten unter null sinkt! Das bedeutet, dass es bei dieser Pensionsreform um etwas ganz anderes geht, nämlich um die Abschaffung der Verantwortung des Staates und der Republik für die Pen­sionen und um deren sukzessive Befreiung von dieser Verantwortung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die jungen Leute werden in ein amerikanisches System hineingedrängt, das im Wesentlichen sehr viel risikoreicher ist, wobei das fiskalische Endziel dieser Reform dann darin besteht, dass der Staat für die zukünftigen staatlichen Pensionen nicht mehr ausgeben wird als für einen So­zialhilfeempfänger. Das sollten sich die jungen Leute einmal überlegen: ob man das bewährte System aufgibt – darum geht es nämlich – und in solch ein risikoreiches System umwechseln soll. Die Nutznießer davon sind nicht die jungen Leute – das muss gesagt sein. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wenn man schon über die Ungerechtigkeiten spricht, dann muss auch auf ein Thema einge­gan­gen werden, das völlig vergessen worden ist, das immer wieder in irgendeiner Form ange­schnitten wird, aber bis jetzt noch nicht ernsthaft angegangen worden ist, nämlich auf die Politi­ker­pensionen.

Bis zum jetzigen Zeitpunkt sind die Vorschläge, die vorliegen, nicht mehr als Kosmetik. Wir ha­ben leider hier im Saal immer noch ein lebendes Beispiel dafür sitzen: 12 800 € Gehalt und Pen­sion! – Herr Stummvoll, ich möchte Sie fragen, ob Sie wissen, wie hoch die durch­schnittli­che Pension einer Frau ist. (Abg. Sburny begibt sich zum Platz von Abg. Dr. Stummvoll und platziert eine mit Euro-Scheinen gefüllte Schachtel mit einer auf seine Pension bezogenen Auf­schrift neben ihm, die dieser sodann an die Abgeordneten der Grünen retourniert.) – Diese be­trägti 680 €. Wenn man diesen Betrag mit der vorher genannten Zahl vergleicht, dann beträgt diese das Achtzehnfache!

Ich frage mich, warum es nicht möglich war, bis zum heutigen Zeitpunkt, bis zu dieser Reform und der sie kennzeichnenden raschen Durchpeitschungsmechanik durch das Parlament eine ernsthafte Politikerpensionsreform vorzulegen. Es tut mir sehr Leid, dass ein Vorschlag für eine solche Reform bis jetzt noch nicht von Ihnen gekommen ist. (Beifall bei den Grünen.)

Eine der weiteren Ungerechtigkeiten betrifft wieder einmal die Frage: Wie wirkt sich diese Bud­getreform, die Struktur des neuen Budgets auf die Einkommenssituation, auf die Einkommens­ver­hältnisse von Frauen aus? – Die Zahlen sind bekannt. Wir wissen, dass eine immense Sche­re zwischen Männer- und Fraueneinkommen existiert, und die Frage ist durchaus berechtigt: Wie wirkt sich das vorgelegte Budget auf die Frauen aus, und wie wirkt sich die Steuerreform auf die Fraueneinkommen aus? – Das ist eine sehr ernste Situation.


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Es hat im Regierungsübereinkommen einen Passus gegeben, wonach alle Gesetze auf ihre Aus­wirkungen auf die Situation der Frauen überprüft werden. Bei diesem Gesetz ist das offen­sichtlich nicht geschehen und vergessen worden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Einige Zahlen dazu: Die angebliche Entlastung betrifft Einkommen in der Höhe von 14 500 € brutto im Jahr. Diese werden steuerfrei gestellt; alle höheren Einkommen werden noch leicht ent­lastet.

Wie hoch ist nun das durchschnittliche Fraueneinkommen in Österreich brutto über ein Jahr? – Es liegt darunter, nämlich bei 14 000 €. Das bedeutet, dass Frauen durch diese angeblichen Ent­lastungsmaßnahmen im Durchschnitt überhaupt nicht entlastet werden und viele Frauen natürlich noch viel weniger verdienen als diese angebliche Entlastungsgrenze. Das bedeutet, dass diese Reform überproportional Frauen benachteiligt – und das, obwohl es Ihr erklärtes Ziel war, bei den Gesetzen in Zukunft solche Dinge einmal zu überprüfen, damit das, was Sie hier anr­ichten, überhaupt ins Bewusstsein gelangt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Tatsächlich werden die Frauen, die unterdurchschnittlich verdienen, zusätzlich belastet: durch die höheren Selbstbehalte, durch die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge und durch die Steuererhöhung im Energiebereich. Das ist nicht gerecht!

Noch zwei Sätze betreffend die Situation der jungen Menschen: Wenn Sie durch diese Pen­sions­reform sehr viele Menschen mehr auf dem Arbeitsmarkt haben werden und versuchen, vor allem die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu halten, dann geht das nur zu Lasten des Zugangs von jüngeren Menschen zum Arbeitsmarkt. Diese Maß­nah­men erfolgen in Kombination mit dem Abbau von Stellen im öffentlichen Dienst – minus 35 000 Stellen! –, mit dem Abbau von Bildungsinvestitionen im universitären Bereich und im Schulbereich. – Man kann gerne über Qualität und über Strukturmaßnahmen diskutieren, aber Stundenkürzungen vorzunehmen und nicht im Bildungsbereich zu investieren, ...


Präsident Dr. Heinz Fischer: Schlusssatz, bitte!


Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (fortsetzend): ..., das bedeutet eine zusätzliche extreme Ungleichbehandlung von jungen Leuten.

Dieses Budget ist daher nicht zukunftssicher, sondern das Gegenteil davon! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.59


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich unterbreche jetzt vereinbarungsgemäß die Sitzung für 15 Mi­nu­ten. Wir setzen um 13.15 Uhr fort. Erster Redner nach der Mittagspause wird der Herr Bundesminister für Finanzen mit einer Redezeit von 5 Minuten sein; den Vorsitz wird Herr Präsi­dent Prinzhorn führen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 13.00 Uhr unterbrochen und um 13.16 Uhr wieder aufgenommen.)


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unterbro­chene Sitzung wieder auf.

Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Mag. Grasser. – Bitte.

13.16


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Werte Kolleginnen und Kollegen auf der Re­gie­rungsbank! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Ich möchte versuchen, vier kurze Klar­stellungen zu treffen, was die Diskussion heute am Vormittag betrifft.


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15. Sitzung / Seite 63

Erster Punkt: Es ist uns vorgeworfen worden, ein Defizit von 1,3 Prozent beziehungsweise von 0,7 Prozent zu machen. – Ich möchte nochmals festhalten: In den letzten 30 Jahren ist es kei­nem Finanzminister, keinem Bundeskanzler, keiner Regierung vor uns gelungen, ein niedri­geres Defizit zu erreichen. Im Gegenteil: Bis in die neunziger Jahre lag das Defizit in Österreich über 5 Prozent! Wir erzielen die besten Ergebnisse, die es in den letzten 30 Jahren gegeben hat. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Walch.)

Zweiter Punkt, meine Damen und Herren: Abgeordneter Gusenbauer hat gesagt, wir erhöhen die Steuern und Abgaben, immer mehr sei an Steuern und Abgaben zu zahlen. Wenn ich Sie, Herr Professor Van der Bellen, richtig verstanden habe, dann haben Sie gesagt, es sei nicht eine Nettoentlastung von 500 Millionen €, sondern eine Belastung von 200 Millionen €, die heraus­kommt. Sie haben mir ferner vorgeworfen, dass ich in meiner Budgetrede unrichtige An­gaben gemacht habe, und dies in einem Ton, den ich bedauere; ich möchte darauf auch nicht in der gleichen Form erwidern.

Herr Professor, ich habe in meiner Budgetrede gesagt:

„Diese erste Etappe der Steuerreform wird ein Volumen von etwa 950 Millionen € bewegen. Sie wird zu einer Nettoentlastung von 500 Millionen € führen. Zusammen mit den beiden Kon­junktur­belebungspaketen belaufen sich die Entlastungseffekte sogar auf 1 Milliarde €.“ – Zitat aus meiner Budgetrede.

Tatsächlich sind die Auswirkungen der Abgaben- und Steuerreform, die mit 1. Jänner 2004 in Kraft tritt, im Jahr 2004 eine Nettoentlastung in der Höhe von 169 Millionen €, im Jahr 2005 431 Millionen € und im Jahr 2006 623 Millionen € – dort haben wir die volle Wirkung.

Zusammen mit den Konjunkturbelebungspaketen der Jahre 2001 und 2002, die jetzt zu Entlas­tungen führen, haben wir daher in Summe Entlastungen in folgender Höhe: im Jahr 2004 731 Millionen €, im Jahr 2005 968 Millionen €, im Jahr 2006 1 310 Millionen € an Entlastung.

Ich habe in der Budgetrede Durchschnittswerte angegeben. Ich halte das für fair und seriös, und noch wichtiger: Es entspricht den Tatsachen, meine Damen und Herren! Wir entlasten die Be­völkerung substantiell und sind stolz darauf! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Walch.)

Damit Sie das auch anhand von Beispielen sehen: Ein Pensionist, monatliches Bruttoein­kom­men: 1 000 €. Erhöhungen durch die Krankenversicherungsbeitragserhöhungen, durch Belas­tungen im Bereich Treibstoff, auch im Bereich Heizung. – Nettovorteil, der diesem Pensionisten bleibt: 100 € netto mehr im Jahr!

Zwei Verdiener, Arbeiter/Angestellte, der Mann verdient 2 500 €, die Frau verdient 1 000 €. Einige Belastungen im Bereich Heizung und im Bereich Treibstoff. – Nettoentlastung für diese Fa­milie: 297 € im Jahr!

Meine Damen und Herren! Das lässt sich sehen! Das sind nicht mehr Steuern, das sind weniger Steuern. Das ist die Entlastung, die wir gestern dargelegt haben, zu der wir stehen und die wir um­setzen werden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Dritter Punkt: Herr Professor Van der Bellen hat von „dringendem Betrugsverdacht“. gespro­chen, er hat dabei ein kaufmännisches Beispiel herangezogen – ich bedauere auch, dass Sie die­se Wortwahl vorgenommen haben, denn Sie haben da, Herr Professor, die Universitäten an­ge­sprochen. Mein Zitat von gestern im Zusammenhang mit den Universitäten lautet:

„Wir sehen im Bundesvoranschlag 2003 über 8,2 Milliarden € für Bildung und Wissenschaft vor; 2004 werden diese Ausgaben sogar auf über 9 Milliarden € ansteigen.“

 Das sind genau die Zahlen, die im Bundesvoranschlag stehen. Sie kennen das österreichische Haus­haltsrecht, Sie kennen das Bruttoprinzip des Haushaltsrechtes, wir müssen die Bilanzver­längerungen so darstellen, wie sie dargestellt sind (Abg. Dr. Van der Bellen: Eh, aber korrekt


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interpretieren! Habe ich ja gesagt!), andernfalls wären meine Handlungen rechtswidrig, Herr Professor. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Professor! Weil Sie sagten „unverschämte Zumutung“, lege ich Wert darauf, zu sagen, dass wir diese Darstellungen nicht verschweigen, sondern dass das in einem Budgetbericht, der auf dem Weg ins Hohe Haus ist, den wir im Ministerrat gleichzeitig mit den Bundesfinanz­ge­setzen beschlossen haben, ganz transparent und offen dargelegt ist – ganz offen. Ich bin mir zwar sicher, Sie würden selbst draufkommen, aber wir verstecken es nicht, wir verschleiern es nicht, sondern stellen es ganz transparent dar und sind unter dem Strich stolz darauf, dass wir den Universitäten im Jahr 2004 um 128 Millionen € mehr zur Verfügung stellen – mehr für die For­schung, mehr für die Wissenschaft als jemals zuvor in Österreich. Ein guter Weg für unser Land. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Letzter Punkt: Alfred Gusenbauer hat mir schlecht zugehört, ich habe gestern nicht Anton Ben­ya zitiert, sondern Franz Olah. Damit bin ich bei dem Thema „Streiks“ angelangt.

Meine Damen und Herren! Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ von gestern hat geschrieben: „Generalstreik in Österreich“.

Sie schreibt weiters – ich zitiere den letzten Satz (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glocken­zeichen – Rufe bei der SPÖ: Redezeit!); das, was hier gesagt wird, muss uns allen bewusst sein! –:

„So gesehen allerdings war dies sehr wohl ein politischer Generalstreik, und die Regierung Schüssel täte gut daran, sich nicht einschüchtern und erpressen zu lassen, denn Politik gehört ins Parlament, nicht auf die Straße.“

Genau das werden wir tun, meine Damen und Herren! Zur Gemeinsamkeit sind Sie eingeladen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.22


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte.

13.22


Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Her­ren auf der Regierungsbank! Ich bedauere zutiefst, dass keiner der Herren von der Ge­werk­schaft mehr im Saal ist. (Abg. Mag. Mainoni: Die sind mit dem Mittagessen nicht fertig!) Ich ersu­che Sie von der SPÖ, den Inhalt meiner Rede Herrn Präsidenten Verzetnitsch mitzu­teilen. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Lange Zeit war ich überzeugt davon, dass alle hier im Hohen Haus Demokraten sind und sich un­eingeschränkt zum Rechtsstaat bekennen. Die ersten Zweifel, dass die Sozialisten es mit ihrem Demokratieverständnis nicht so genau nehmen, habe ich zum Zeitpunkt der Sanktionen gegen Österreich bekommen.

Ich habe nicht mehr bloß Zweifel, sondern seit Dienstag weiß ich, dass die SPÖ demokratische Prinzipien und ihr Bekenntnis zum Rechtsstaat locker über Bord wirft, wenn es um ihre Macht­spektakel geht. (Abg. Gaál: Dann kennen Sie unsere Geschichte nicht!) Die heutige Rede von Herrn Präsidenten Verzetnitsch war entlarvend (Ruf bei der SPÖ: Wer hat Ihnen das aufge­schrieben?): Habe ich am Dienstag in der Früh den Vergleich mit dem Sparkassenraub noch einer Entgleisung eines Bezirksfunktionärs zugeschrieben, der nämlich wörtlich dasselbe ge­sagt hat, weiß ich heute, dass das die neue ÖGB-Diktion ist, die flächendeckend in Österreich aus­ge­streut wird. (Abg. Mag. Kogler: Zwei sind ja noch keine Fläche!)

Am Dienstag wurde wegen der Pensionsreform gestreikt. Auch mein Betrieb in Redlham war da­von betroffen. Es war dies aber kein Streik, weil nämlich kein einziger Mitarbeiter von mir ge­streikt hat, sondern Betriebsfremde haben eine illegale Blockade bei unserer Werkszufahrt durch­geführt. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Wohlgemerkt: kein Streik, sondern eine Blocka­de!


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Auf einem Transparent war auch der Zweck dieser illegalen Besetzung zu lesen, nämlich: Streik – oder nein zum Pensionsraub, Frau Fekter.

Um auf mich Druck auszuüben, wurde unserem Betrieb erheblicher Schaden zugefügt. (Abg. Scheib­ner: Skandalös!) Über mehrere Stunden konnten der Transportbeton und das Heiß­mischgut nicht ausgeliefert werden – wohlgemerkt: beides „verderbliche“ Produkte, die man nicht einfach beiseite stellen kann, weil beide innerhalb von Stunden hart werden. (Abg. Gaál: Re­den Sie da als Unternehmerin?)

Es war somit die Werksproduktion blockiert, es gab gleichzeitig aber auch Stillstand auf unseren Bau­stellen, weil dort das Mischgut, der Asphalt, nicht angeliefert werden konnte, aber Straßen­walzen, Fertiger und Baupartien darauf gewartet haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gleichzeitig wurde angedroht, nächsten Dienstag derartige Blockaden und den wirtschaftlichen Druck auf mich weiter fortzusetzen, wenn ich nicht im Nationalrat gegen die Pensionsreform stimme. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Scheib­ner: Ungeheuerlich!)

Ich habe hier das Strafgesetzbuch (die Rednerin hält dieses in die Höhe), und darin findet sich der Paragraph „Nötigung von Mitgliedern eines verfassungsmäßigen Vertretungskörpers“, näm­lich § 251 StGB:

„Wer ein Mitglied des Nationalrats, des Bundesrats, der Bundesversammlung ... mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung nötigt oder hindert, seine Befugnisse überhaupt oder in einem be­stimmten Sinn auszuüben, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ... zu bestrafen.“ (Abg. Gaál: Sind Sie Unternehmerin oder Abgeordnete?!)

Das ist kein Kavaliersdelikt, das ist auch kein Vergehen, sondern das ist ein Verbrechen nach un­serer Strafordnung!

„Nötigung von Mitgliedern eines verfassungsmäßigen Vertretungskörpers“. – Meine werten Herren Kollegen von der Gewerkschaft und von der SPÖ, da ist eine kriminelle Vorgangsweise ge­setzt worden, durch Ihre Angestellten und Funktionäre. Welches Demokratieverständnis ha­ben Sie eigentlich, wenn Sie wirtschaftlich auf mich Druck ausüben, um ein bestimmtes Abstim­mungsverhalten hier zu provozieren?

Ich ersuche daher dringend, das abzustellen und mir zu versichern, dass das nächste Woche nicht mehr passiert, sonst müsste ich gegen die Pensionsreform stimmen und gleichzeitig für die­ses kriminelle Verhalten eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft einbringen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.27


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Prammer. – Bitte.

13.27


Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Trinkl: Was sagen Sie, Frau Prammer?) Im Gegensatz zu Ihnen werde ich hier nicht über mehr oder weniger bedauernswerte Abgeordnete in diesem Haus reden (Abg. Dr. Fekter: Kriminelle Handlungen der Funktionäre aus Ihrem Bezirk! ... Ihr Be­zirks­sekretär!), sondern über die vielen Tausenden Frauen, die Ihre Maßnahmen ganz mas­siv treffen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie legen ein unsoziales „Schröpfbudget“ vor und haben vor allem wieder einmal auf die Frauen restlos vergessen. Wir haben schon vorige Woche darüber diskutiert, was Sie im Rahmen des Bud­getbegleitgesetzes auf die Frauen zukommen lassen, heute liegen nun auch die Budgets für 2003 und 2004 vor. Unabhängig davon, dass natürlich beide Budgets nicht hinsichtlich Be­troffenheiten von Frauen durchleuchtet wurden – Frau Kollegin Glawischnig hat schon einige Beispie­le gebracht –, habe ich mir die Mühe gemacht, zu schauen, wie es mit dem Frauen-Bud-


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get ausschaut. Das Frauen-Budget hat im Jahr 1999 immerhin noch fast 80 Millionen Schilling ausgemacht – 2003 und 2004 wird es rapid nach unten gehen. (Abg. Silhavy: Das ist ein Skan­dal!)

Die Frauen-Projekte werden kein Geld mehr zur Verfügung haben, um jene Arbeit zu leisten, die die Frauen vor Ort, die Beratung brauchen, auch wirklich in Anspruch nehmen. – Das ist Ihre Politik, auch das verstecken Sie in diesem Budget! Es sind kleine Beträge, es sind auch viele wichtige große Beträge drinnen, aber wir dürfen auf die Frauen-Projekte nicht vergessen, denn diesen steht das Aus bevor. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Finanzminister! Ich habe Ihnen gestern natürlich bei Ihrer Rede sehr aufmerksam zugehört und habe mir zunächst gedacht, ich hätte es vielleicht nur überhört: Es kamen die Frauen darin nicht vor. Ich habe mir dann zu Hause die Mühe gemacht und habe mit dem elektronischen Sucher Ihre Rede durchsucht: Ein einziges Mal kam das Wort „Frauen“ vor, nämlich dort, wo es darum geht, dass sie länger arbeiten müssen, um in Pension gehen zu können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) – Das ist Ihre gestrige Budgetrede, Herr Finanzminis­ter, und sie ist bezeichnend!

Das, was Sie den Frauen in der nächsten Zeit aufbürden, ist unglaublich. Sie reden von „Abfe­de­rungen“, einem „längeren Übergang“. – Bitte, was ist mit dem längeren Übergang bei der vor­zeitigen Pension nach Arbeitslosigkeit? Das ist eine Pensionsform, die zu 80 Prozent Frauen in An­spruch nehmen, und diese wird am 1. Juli 2004, nächstes Jahr, abgeschafft sein, und die Frau­en werden diese Pensionsform, die heute oft angewendet wird, nicht mehr in Anspruch neh­men können. (Abg. Steibl: Es wird nicht abgeschafft, sondern ...!) Sie werden damit leben müs­sen, dass sie ein Übergangsgeld erhalten, das um vieles niedriger ist als das, was sie heute an Anspruch hätten.

Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, reden vom „Eingreifen in be­stehen­de Pensionen“ – ich weiß ja gar nicht, woher Sie das immer nehmen. Eingreifen in bestehende Pensionen tun schon Sie! Sie schaffen einen zusätzlichen Pensionssicherungsbeitrag bei den öffentlich Bediensteten – aber nicht nur bei jenen, die die hohen Pensionen haben, sondern bei allen, auch bei der kleinen D-Beamtin und beim kleinen P-Beamten, und das ist ein Eingreifen bei den Schwächsten und wirklich auch Enteignung, anders kann man es hier nicht nennen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie sagen, Sie stärken die dritte Säule. – Haben Sie sich einmal die Einkommen der Frauen in die­sem Lande angeschaut? – Gerade heute hat die Arbeiterkammer Oberösterreich wieder die Brut­to­beträge der Einkommen veröffentlicht: 17 Prozent aller Frauen verdienen unter 1 000 € brutto monatlich. Wie, bitte, wollen Sie diesen Frauen erklären, dass sie noch Geld zur Seite legen sollen, um die dritte Säule aufzubauen?

Von der Steuerreform mag ich gar nicht reden, auch nicht von der Milchmädchenrechnung, die Sie immer wieder anstellen. (Abg. Scheibner: Reden Sie doch von der Steuerreform – weil die ge­nau wieder den kleinen Verdienern zugute kommt!)

Herr Finanzminister! Sie werden heute in den Zeitungen sehr oft unter der Abkürzung „KHG“ zitiert. Ich habe mir auch meinen Reim darauf gemacht: kalt, herzlos und glatt – genau so wie Ihre beiden Budgets und Ihr Budgetbegleitgesetz aussehen. – Die Menschen werden es Ih­nen – unter Anführungszeichen – „danken“. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grü­nen.)

13.32


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

13.32


Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Zuhörer! Frau Kollegin Prammer, Sie haben am Schluss Ihrer Rede gesagt, dass 17 Prozent der Frauen weniger als


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1 000 € verdienen würden. – Eigentlich müssten Sie sich bei uns dafür bedanken, dass wir jetzt einen Mindestlohn von 1 000 € einführen (Rufe bei der SPÖ: Wo denn?), denn das wird diesen Frau­en zugute kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Selbst­verständlich! Das ist doch im Budgetbegleitgesetz enthalten. (Abg. Mag. Prammer: Wir würden mitstimmen mit Ihrem Antrag! Wo ist der Antrag?) Genauso wie, dass 14 500 € Jahresein­kom­men steuerfrei sein sollten.

Das ist doch eine wesentliche Verbesserung! Wir haben Ihnen ein Hölzl geworfen, das auch die Ge­werkschaft auffangen könnte (Beifall bei den Freiheitlichen), dass man eben diese 1 000 € einführt. (Abg. Mag. Prammer: Wo ist der Gesetzesantrag?) – Das kommt alles noch! (Abg. Schie­der: Wann kommt der Antrag?) Alles zur rechten Zeit! (Abg. Mag. Wurm: Am Sankt-Nim­merleins-Tag!)

Wir beschließen das Budgetbegleitgesetz am 4. Juni und danach das Budget. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Wir werden schauen, was herauskommt.

Frau Kollegin Prammer, Sie haben weiters gesagt, auf die Frauen sei in diesem Budget und beim Budgetbegleitgesetz vergessen worden. (Abg. Mag. Prammer: Ja!) – Ich sage Ihnen: Wir haben festgeschrieben, dass pro Kind drei Jahre Kindererziehungszeit als Verkürzung der Durchrechnungszeit herangezogen wird. Auch das ist eine wesentliche Verbesserung! (Abg. Mag. Prammer: Milchmädchenrechnung! Bringt den Frauen nichts!)

Eine weitere Verbesserung für Frauen gibt es bei der Berücksichtigung der Kinderbetreuungs­zeit, nämlich eine Aufstockung von 18 auf 24 Monate. (Abg. Mag. Prammer: Milchmädchen­rech­nung! Bringt den Frauen nichts!)

Weiters wird der Faktor, der für die pensionsbegründenden Zeiten während der Kinderer­ziehung herangezogen wird – die Basis ist die Ausgleichszulage –, auf 150 Prozent erhöht. Das ist eine wesentliche Verbesserung! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer.)

Frau Kollegin Prammer, von Ihnen wird oft kritisiert und gesagt, dass die längere Durchrech­nung so schlecht sei. (Abg. Scheibner – in Richtung SPÖ –: Die haben Sie selbst gefordert!) – Wir wollen die diesbezüglichen Aufwertungsfaktoren so verbessern, dass länger zurück liegen­de Zeiten besser bewertet werden. (Abg. Mag. Wurm: Wissen das der Bundeskanzler und der Finanzminister?) Das ist ein gemeinsames Versäumnis der Sozialdemokraten und der ÖVP aus der Vergangenheit. Man hat auf diese Aufwertungsfaktoren vergessen. (Beifall bei den Freiheit­li­chen.) Sie liegen zum Teil nur bei 60 Prozent!

Wenn man diese Faktoren nach dem Tariflohn-Index anpassen würde, dann wäre damit vor allem Frauen und Arbeitern sehr geholfen. – Ganau das wollen wir in Verhandlungen umsetzen, ge­schätzte Frau Prammer! (Abg. Mag. Wurm: Wo steht das? – Abg. Mag. Prammer: Wo denn?)

Auf jeden Fall wissen wir alle, dass bei den Pensionen etwas geschehen muss. Das Schlimmste wäre, dass dort nichts geschieht. Herr Präsident Fischer, Sie nicken – wir alle sind der Meinung, dass dort etwas geschehen muss. Die einen sagen: Man muss ja nicht alles auf ein­mal machen!, die anderen sagen: Alles auf einmal, das ist das einzig Wahre! Auch ich bin dieser Meinung: Man sollte Nägel mit Köpfen machen, und man sollte es bald machen. Von einem Durchpeitschen ist keine Rede, aber Eile ist geboten.

Die Pensionsreformkommission hat drei Jahre lang gearbeitet – unter der Leitung von Professor To­mandl –, und meines Wissens waren die Sozialpartner dort mit eingebunden, auch die Se­niorenvertreter, und diese Pensionsreformkommission hat Folgendes gefordert: Eine längere Durchrechnung – ich habe ja schon erläutert, was noch vorgesehen ist und so weiter – ist ein Thema, das andere ist, das faktische Pensionsalter an das Regelpensionsalter heranzu­füh­ren. Da muss man dann eben irgendwo ansetzen.

Wenn mich jemand fragt, wo man dabei ansetzen solle (Abg. Mag. Wurm: Stummvoll, da müs­sen Sie ansetzen!), dann sage ich, man müsse bei jenen ansetzen, die den Durchschnitt


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drücken, und nicht bei jenen, die ohnehin schon länger arbeiten. Das ist auch klar, und das wird jetzt auch gemacht.

Eine Harmonisierung der Pensionssysteme wurde von der Pensionsreformkommission eben­falls ausgearbeitet.

Ich erinnere Sie an Folgendes: Im Jahre 1997, als die ... (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) – Kol­le­gin Silhavy, 1997 waren Sie auch schon hier, und damals wurde die Bezügeregelung ge­macht. Es gab seinerzeit einen Vier-Parteien-Antrag: von den Sozialdemokraten, der Öster­rei­chi­schen Volkspartei, den Grünen und dem Liberalen Forum. Die FPÖ hat seinerzeit eine An­gleichung an die Privatwirtschaft gefordert: Wenn jemand ASVG-versichert, GSVG-versichert oder Bauer oder Beamter ist, dann sollte er weiterhin so versichert sein. Ich meine, das hätte Sinn gemacht.

Heute, ein paar Jahre später, gibt es weiterhin das Zwei-Klassen-System: Es gibt Privilegierte und weniger Privilegierte. Es gibt unterschiedliche Beitragsleistungen in diesem Bereich – auch in den anderen Bereichen des Pensionssystems gibt es das –, es gibt ein unterschiedliches Zu­gangsalter, und es gibt unterschiedliche Pensionshöhen, und das muss beseitigt werden. Wir wollen das jetzt angehen, und das muss auch in Ihrem Interesse sein.

Wir sollten zum Wohle aller Österreicherinnen und Österreicher daran arbeiten, denn daran wer­den wir alle gemessen. Wir sollten schleunigst Nägel mit Köpfen machen (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen), und diejenigen, die heute Doppelbezüge kassieren in diesem Bereich, sollten sich selbst an der Nase nehmen – auch wenn man in diesem Hause sitzt – und ein Vorbild sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.37


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Sburny. – Bitte.

13.38


Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte zuerst auf die immer wieder kommende Debatte darüber, was im Hinblick auf den Streik demokratisch ist und was nicht, eingehen und möchte gerne das Demokratieverständnis der Regierungsparteien ein bisschen näher unter die Lupe nehmen.

Ich gehe ein paar Jahre zurück, in die letzte Legislaturperiode, in der es Überlegungen des Lan­deshauptmanns Haider gab, eine strafrechtliche Verfolgung von Abgeordneten ins Auge zu fas­sen, die „Österreich vernadern“, wie er das genannt hat, und einen Minister Böhmdorfer, der das damals als „zumindest eine verfolgenswerte Idee“ gefunden hat. – Das war damals Ihr Ver­ständnis von Demokratie.

Gestern hat Herr Abgeordneter Kopf in Richtung Opposition gesagt: Lassen Sie uns arbeiten!, als ob die Opposition die Regierung behindern würde, als ob allein dadurch, dass die Oppo­si­tion da ist und sozusagen ihre Anmerkungen macht, die Regierung schon behindert würde. – Die Opposition behindert nicht die Regierung, sondern hat bei dem, was Sie vorhaben, hier eine sehr wesentliche Aufgabe! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Heute hieß es: „... Politik gehört ins Parlament, nicht auf die Straße.“ – Das ist auch eine sehr in­­teres­sante Sichtweise von Demokratie. Natürlich gehören Demokratie und parteipolitische Ent­schei­dungen ins Parlament und ist das Parlament der Ort, wo das ausgetragen wird, wenn Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen und von der Regierung, aber davon ausgehen, dass die anderen Menschen kein Recht haben, politisch tätig zu sein, dann, glau­be ich, kann man an Ihrem Demokratieverständnis wirklich zweifeln. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Scheibner: Wer sagt das?) – Das war ein wörtliches Zi­tat! Das hat heute Herr Minister Grasser gesagt – wörtlich: „... Politik gehört ins Parlament, nicht auf die Straße.“ – Sie können es nachprüfen. (Bundesminister Mag. Grasser: Ich habe die „FAZ“ zitiert!)


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Die gestrige Rede von Minister Grasser war in mehrerer Hinsicht eine Werbeveranstaltung: Nicht nur, dass er Werbeslogans aus irgendwie nahe stehenden Firmen verbreitet hat, ist er selbst sozusagen auch ein Prototyp für eine Gruppe von Menschen, die derzeit von der Re­gie­rungs­politik profitieren: Er ist einigermaßen jung, er ist männlich, und er hat genügend Geld, sodass er sich einiges an Risiko leisten kann. (Abg. Dr. Trinkl: „Männlich“ ist aber kein Vorwurf, oder?) – Das ist eine Feststellung. Genau diese Gruppe von Menschen profitiert in der Regel von der Art von Politik, die derzeit gemacht wird (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ): „mittelalterliche“ Männer, die genügend Geld haben, sich Risiko leisten zu können.

Dass die ÖVP Minister Grasser sehr gut gebrauchen kann, kann ich verstehen, denn die ÖVP ihrerseits hat ein bisschen ein Problem, wenn sie an ihre Zielgruppen denkt, die hin und wie­der doch noch so etwas wie ein soziales Gewissen zeigen. Da tut sich die ÖVP natürlich schwer, so klar und direkt Dinge anzusprechen wie Minister Grasser, der sich mit so etwas wie Partei überhaupt nicht belasten muss. (Abg. Eder: O ja, mit der FPÖ!)

Die ÖVP kann Herrn Minister Grasser für so etwas natürlich gut brauchen, und ich verstehe auch, dass Sie ihn dann loben, stützen und ganz euphorisch sind über die Worte, die er hier sagt.

Eines muss man allerdings auch sagen: Sie sind in Ihrer Politik sehr konsequent. Ihre Art von Um­verteilung innerhalb des Budgets ist absolut konsequent, nämlich immer von unten nach oben – egal, um welchen Bereich es sich handelt.

Herr Finanzminister, Sie haben gestern gesagt, dass es knappe Ressourcen gibt. – Faktum ist, dass Österreichs Reichtum, der Wohlstand immer noch wächst. Faktum ist aber auch, dass es darum geht, wie Sie diese Ressourcen verteilen – darum geht es. Wie Sie diese Ressourcen ver­teilen, kann man zum Beispiel im Bericht über die soziale Lage nachlesen, wo aufgezeigt ist, dass die Schere zwischen den Einkommen der Frauen und der Männer immer weiter auseinan­der geht, aber auch zwischen ArbeitnehmerInnen und Selbständigen. Das wirklich Überra­schen­de ist, dass Sie sogar innerhalb der Wirtschaftstreibenden von den Kleinen zu den Gro­ßen umverteilen; das bestätigt sogar die Niederösterreichische Wirtschaftskammer.

Sie setzen eine Maßnahme zur Steuerentlastung der Betriebe (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen) für nicht entnommene Gewinne, die eindeutig und ausschließlich den größten Betrieben zugute kommt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.43


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Gorbach. – Bitte.

13.43


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Hubert Gorbach: Geschätzter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Das Ziel für Österreich, als Wissens- und Wirtschaftsstandort die Position auszubauen, nicht nur zu festigen, ist im Re­gierungsprogramm festgeschrieben. Es ist das natürlich auch ein Ziel – ein ehrgeiziges Ziel – des zuständigen Ministers für Technologie und Infrastruktur.

Aus budgetärer Sicht – und darum geht es heute – sind natürlich Schwerpunkte zu setzen. Im Wesentli­chen sind es meiner Meinung nach zwei Schwerpunkte: erstens der Generalverkehrs­plan, die darin enthaltenen Projekte weiterzuführen und auch die Finanzierung für möglichst lan­ge Zeit zu sichern, und zweitens der Bereich Forschung und Entwicklung, die Effizienz­stei­gerung der Forschungsförderung.

Wir haben heute in mehreren Reden gehört – und das ist bisher unwidersprochen geblieben –, dass gerade im Infrastrukturbereich und im Forschungsbereich mit diesen beiden Budgets so viele Mittel eingesetzt werden wie nie zuvor. Das ist natürlich erfreulich.

Gut ausgebaute Verkehrsnetze, funktionierende Infrastrukturen, Zugang zu modernen Kommu­nikationstechnologien, optimale Rahmenbedingungen für Forschung und Technologie: Das sind


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wich­tige Faktoren für einen Vorteil des Wirtschaftsstandortes Österreich im internationalen Wett­b­e­werb.

Ich wiederhole es: Noch nie sind so viele Mittel für Infrastruktur und Technologie zur Verfügung gestanden wie 2003 und 2004. Auch das sollte eine Opposition als sehr positiv anerkennen, denn Technologie, Entwicklung, Forschung sind etwas, das bis weit in die nächsten Genera­tionen wirkt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Verkehrsbereich nur ganz kurz: Der zu erwartende Anstieg des Verkehrsaufkommens, ins­be­sondere auf Grund der EU-Osterweiterung, wird eine Herausforderung darstellen, und die Finan­zie­rungskonzepte werden alternative sein müssen. Da ich Frau Dr. Lichtenberger sehe, sa­ge ich gleich dazu: vor allem aber umweltfreundliche. Eine ordnungsgemäße Abwicklung muss gesichert sein, und auch die Sicherheit spielt eine Rolle. Wir haben das erst zuletzt in der EU ausführlich diskutiert.

Ich sage auch klar dazu, weil gerade heute wieder eine Diskussion im Zusammenhang mit einem wichtigen Straßen- und einem Bahnprojekt beziehungsweise überhaupt mit den Trans­europäischen Netzen stattfindet, dass Änderungen im Generalverkehrsplan nur dann vorge­nom­men werden, wenn auch das Finanzierungkonzept mitgeliefert wird beziehungsweise wenn die Finanzierung geklärt ist, sonst bin ich nicht bereit, daran zu rütteln.

Meine Damen und Herren! Die ASFINAG wird einen Beitrag leisten müssen. Wir brauchen die Ein­nahmen aus den Vignettenverkäufen ebenso wie jene aus dem Road-Pricing, das auf gutem Wege ist – im wahrsten Sinne des Wortes –, ab 1. Jänner 2004, wie geplant, eingeführt zu wer­den; vielleicht sogar funktionierender und noch früher als bei unseren deutschen Kollegen. Die Einnahmen daraus brauchen wir.

Die Asfinag hatte Ende letzten Jahres einen Schuldenstand von 7,41 Milliarden €, und es sind daher diese finanziellen Mittel erforderlich, obwohl es mir recht wäre, wenn wir 2005 eine Öko­lo­gisierung des Road-Pricing-Systems hätten; ich werde das im Auge behalten. (Abg. Mag. Wurm: Fünf Jahre zu spät!)

Die tief greifenden und notwendigen Reformen bei den ÖBB sind hoffentlich auch unbestritten. Die ÖBB sollen wettbewerbsfähiger werden, um ihre wichtige – die wichtigste – verkehrspoli­tische Rolle im Land, insbesondere wieder vor dem Hintergrund der Osterweiterung, auch wirk­lich wahrnehmen zu können, und das, ohne dass die Kosten bis in unvertretbare Dimensionen wachsen, wie das in der Vergangenheit der Fall war.

Ziel muss also sein: Erhöhung des Selbstfinanzierungsgrades der ÖBB und Senkung des Bun­deszuschussbedarfs. Der Schuldenstand betrug dort Ende letzten Jahres 4,88 Milliarden €. Ich darf auch noch die SCHIG-Schulden nennen: Das waren 4,7 Milliarden €. Es besteht also Hand­lungsbedarf. Wir haben wirksame Maßnahmen im Regierungsprogramm vorgesehen und werden da rasch voranschreiten.

Nun aber zum wichtigsten Bereich: Forschung und Innovation. Lassen Sie mich das so formu­lie­ren – gerade, wenn ich neben dem Herrn Finanzminister stehe –: Ein guter Tag beginnt mit einer gesicherten Forschungsförderung. Ich sehe das so! (Abg. Öllinger: Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben!)

Meine Damen und Herren! Freude über festgehaltene Ziele im Bereich Forschung und Entwick­lung ist angesagt, denn wenn wir uns vorgenommen haben – und das nicht nur niederschrei­ben, sondern auch mit Budgetmitteln bedienen –, dass wir die F&E-Quote bis 2006 auf 2,5 Pro­zent des BIP und bis zum Jahre 2010 auf 3 Prozent erhöhen (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen), dann ist das eine tolle Sache, um Österreich auch in diesem wichti­gen Bereich an eine Topstelle in Europa zu brin­gen, nämlich unter die ersten drei. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt neuerlich das Glocken­zeichen.)


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Zum Schluss darf ich feststellen (Rufe bei den Grünen: Redezeit! – Abg. Dr. Van der Bellen: Das ist unsere Redezeit!), dass weitere große Reformen, auch die heute diskutierten, notwen­dig sein werden. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Herr Prä­si­dent! Wir brauchen Einsparungspotential. Ich werde mich nicht scheuen, gemeinsam mit die­ser Regierung diese Reformen zu vertreten, voranzutreiben, weil sie für die Zukunft unserer Ju­gend wichtig sein werden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.49


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Meine Damen und Herren! Entsprechend einer Verein­barung in der Präsidiale wird die restliche Zeit der Fernsehübertragung bis 14.15 Uhr auf die Fraktionen gleich aufgeteilt, und zwar mit je 4 Minuten.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. – Bitte.

13.49


Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mit­glieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Das, was mir an dieser Debatte seitens der Opposition so sehr im Magen liegt, ist, dass Sie um den heißen Brei herumreden. (Abg. Reheis: Das sagen Sie, Herr Kollege!? Sie reden darum herum! Sie haben den Brei erfun­den! Sie haben den Brei produziert!)

Sie alle haben nicht den Mut, vor die Bevölkerung zu treten und zu sagen, wie die Faktenlage ist, meine Damen und Herren von der Opposition! Das werfe ich Ihnen wirklich vor. Sie reden so, als müsste nichts geschehen. In Ihren Redebeiträgen sagen Sie: Irgendwann in der Zukunft, in 20 Jahren, werden wir in Fragen der Pensionen etwas ändern.

Geschätzte Damen und Herren! Sie wissen so gut wie wir alle: Sinkende Geburtenraten bedeu­ten, dass Sie über 20 Jahre keine höhere Zahl an Beitragszahlern aufbieten können. Ein viel höheres Lebensalter – worüber wir uns ja freuen – bedeutet viel mehr Pensionsbezieher.

Sie sprechen davon, dass man über das Umlageverfahren den Bundeszuschuss erhöhen muss. Wer bezahlt denn den? – Wir alle miteinander! (Abg. Dr. Glawischnig: Sogar ohne Pen­sions­reform wäre der Bundeszuschuss gesunken!) Wir sitzen alle in einem Boot, in dem es heißt: Der Steuerzahler muss dafür geradestehen, wenn es irgendwo eine Finanzierungslücke gibt. Genau das werfe ich Ihnen vor, dass Sie nämlich versuchen, den Menschen Sand in die Augen zu streuen. Das ist nicht in Ordnung, meine Damen und Herren von der Opposition! (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir gehen den Weg über das Parlament, den Weg des Feinschliffs der parlamentarischen Bera­tungen, werden aber nicht über die Grundsätze reden, denn dass es um längeres Arbeiten geht und darum, dass die Pensionshöhe eher sinken als steigen muss, ist uns doch allen klar! Wir geh­en beim Feinschliff davon aus, dass wir dort etwas verändern müssen, wo es unbillige Här­ten gibt. Da sind Sie eingeladen, dazu Ihre Beiträge zu leisten. (Abg. Mag. Prammer: Genau das tun, was die Regierungsparteien wollen! So etwas nennt man dann Demokratie!)

Meine Damen und Herren! Dazu ist es auch notwendig, dass man mittels Konsenskultur in die­sem Hohen Haus und im Ausschuss versucht, auf die Spuren dieser unbilligen Härten zu kom­men, und nicht wie Herr Präsident Verzetnitsch mit Hilfe von Funktionären und Betriebs­räten den ÖGB in eine Richtung zu treiben zu versuchen, wo ihn die Bürger nicht haben wollen! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Arbeitsniederlegung herausfordern, Streiks in die Betriebe hineintragen (Abg. Mag. Wurm: Streik ist in ...?) und Misstrauen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern hervorrufen: Das wollen die Bürger in diesem Land nicht! Sie wollen, dass Sie sich hinsetzen und Alternativen vorschlagen (Abg. Dr. Fischer: Durchpeitschen! 91 Gesetze!), und dazu möchte ich Sie noch ein­mal in aller Form einladen, meine Damen und Herren von der Opposition! (Beifall bei Abge­ordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Reheis.)


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Ich mache mir als ÖVP-Arbeitnehmer Sorgen darüber, wohin Sie mit Ihrer Linie steuern, Herr Präsident Verzetnitsch. Sie tragen die Verantwortung dafür! Sie treiben den ÖGB in eine Rich­tung, wo ihn die Mitglieder dieses ÖGB, von denen es in Österreich sehr viele gibt, eigentlich nicht haben wollen. Aus vielen Gesprächen und Nachrichten, die mir zukommen, weiß ich, dass es Sorgen bezüglich Einzelregelungen gibt, und da müssen wir auch etwas tun, gar keine Frage, aber den ÖGB in eine Richtung zu treiben, wo er dann mit Streiks, mit einer Bewegung von der Straße versucht, sich in eine neue Dimension aufzuschwingen (Abg. Dr. Gusenbauer: Was sagt der Kollege Neugebauer dazu?), das ist nicht Österreich, und das ist auch nicht der Gewerkschaftsbund, wie wir ihn kennen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Wurm: War das ein einstimmiger Beschluss?)

Herrn Präsidenten Verzetnitsch möchte ich abschließend noch Folgendes mit auf den Weg geben: Der ÖGB vertritt alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Abg. Mag. Wurm: Das war ein ein­stim­miger Beschluss!), also nicht nur diejenigen, die über 55 Jahre alt sind, sondern alle, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Fischer: Im Unterschied zu der Regierung!) Es gibt viele junge Bür­ger in diesem Land, die sich darüber Sorgen machen, dass Sie mit Ihrer Politik nur versu­chen, hinauszuschieben und für die Zukunft nicht vorzusorgen. Dafür stehen wir nicht zur Verfü­gung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.53


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Matz­netter zu Wort gemeldet. – Bitte. (Oje-Rufe bei der ÖVP.)

13.53


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Präsident! Meine Damen auf der Regierungsbank – damit es einmal umgekehrt ist! Ich möchte ganz kurz etwas zu Kollegin Fekter sagen: Sofern ich richtig informiert bin, war es so, dass es ein Gespräch mit Ihrem Gatten gegeben hat, der die Reform selbst als ungerecht empfindet und zur Demonstration kommen will. Ich glaube, man sollte bei der Realität bleiben! (Heiterkeit, Bei­fall und Bravorufe bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Dr. Fekter: ... damit der Schaden minimiert wird! Drehen Sie das doch um!) – Frau Kollegin, bitte!

Wenn Sie am Dienstag auf Ihrem Weg zur Nationalratssitzung, die am Mittwoch begonnen hat, behindert wurden, dann ist das natürlich zu verfolgen. (Abg. Dr. Fekter: Wirtschaftlicher Druck wird auf mich ausgeübt!) Wenn Sie hier öffentlich behaupten, dass das bestimmte Personen ge­tan haben, dann müssen Sie damit rechnen, dass diese Personen sich dagegen wehren. (Abg. Dr. Fekter: Ich bin Geschäftsführerin dieses Unternehmens, und ich habe Schaden von diesem Unternehmen abzuwenden!) Ich war nicht dort, Frau Kollegin, Sie auch nicht! Daher würde ich vor­schlagen, dass wir zum eigentlichen Thema kommen. Danke! (Beifall bei der SPÖ und bei Ab­geordneten der Grünen.)

Ich möchte diese Gelegenheit dazu nützen – da unter den Regierungsparteien noch etwas Auf­re­gung herrscht, wahrscheinlich mehr wegen der Ereignisse im Rathauskeller oder woanders –, hier ein paar banale Punkte anzusprechen, Punkte, die jedoch von großer Wichtigkeit sind.

Der erste Punkt ist: Sie haben der großen Koalition mit sozialdemokratischen Kanzlern und Fi­nanzministern vorgeworfen, die große Schuldenpolitik betrieben zu haben. Abgesehen davon, dass die daran beteiligten Regierungsmitglieder natürlich auch der ÖVP angehört haben, war der damalige Schuldenkaiser der heutige, jetzt nicht mehr anwesende Bundeskanzler, denn er war das längstdienende Mitglied dieser Regierungen mit dem höchsten Zuwachs an Schulden, mei­ne Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Mag. Grasser: Besonders „glaub­würdig“!)

Sie sprechen von der Wende, die im Jahre 2000 eingetreten sei. Na dann sagen wir einmal, wann die Wende war – unter Rudi Edlinger und vor Viktor Klima. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Rufe bei der ÖVP: Schulden-Rudi!) Sie lachen bei der Erwäh­nung einer Reduktion des Budgetdefizits? Das ist typisch! Er, Edlinger, hat das Defizit von 5 auf 2 Prozent reduziert – und er (auf Bundesminister Mag. Grasser weisend) erhöht von null Pro­zent und ist bereits bei einem Defizit von 3,9 Milliarden €. Das ist die Wahrheit, meine Damen


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und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Staatssekretär Dr. Finz zeigt dem Redner eine Graphik.)

Die Wende hat also stattgefunden, Herr Magister, aber Ihre „Wende“ war eine Wende mit einem überraschenden Nulldefizit – weil man nicht kalkulieren konnte! Professor Van der Bellen wird mir Recht geben, wenn ich sage: Man kann sich bei der Einnahmenseite einmal irren!, aber dann, 2002, wurde hier in diesem Hohen Haus ein Nulldefizit beschlossen, doch er (auf Bun­desminister Mag. Grasser weisend) hat die Ausgaben nicht im Griff gehabt!

2,4 Milliarden € an Ausgabenüberschreitung – das ist die Wahrheit über 2002! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Gras­ser.)

Herr Minister Grasser, die anderen Finanzminister in Europa haben die Ausgaben in ihren Budgets etwas besser einschätzen können als Sie. Sie haben nämlich den Budgetvoranschlag erstellt, aber nachher die Ausgaben nicht im Griff gehabt – nicht die anderen Finanzminister! (Ruf bei der ÖVP: Schröder hat ...!)

Ich komme jetzt zum Hauptpunkt. Wir haben nun ein Doppelbudget vorliegen, in dem keinerlei Maß­nahmen konjunkturpolitischer Natur gesetzt werden, in dem jetzt, im Jahr 2003, einem Jahr, in dem wir eine Entlastung bräuchten, nichts getan wird – Kollege Kogler hat zu Recht dar­auf hingewiesen –, aber noch viel schlimmer ist, dass er (auf Bundesminister Mag. Grasser weisend) die Ausgaben nicht im Griff hat und von Ländern und Gemeinden 0,5 Prozent und dann 0,7 Prozent des BIP als Zuschuss erwartet (Bundesminister Mag. Grasser: Das gibt es ja nicht!), was nichts anderes heißt, als dass die nachgeordneten Gebietskörperschaften, die sich zurzeit noch bemühen, in der Infrastruktur und anderen Bereichen Impulse zu setzen, diese nicht mehr werden setzen können. – Danke, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.57


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Ab­ge­ordneter Dipl.-Ing. Scheuch. – Bitte. (Abg. Dr. Gusenbauer: Wie war das bei den Fekters zu Hause? – Abg. Dr. Fekter – in Richtung SPÖ –: ... kriminelles Verhalten! Stellt das ab!)

13.57


Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Geschätzte Damen und Herren! Nach der Polemik von der SPÖ – und ich muss ehrlich sagen, es ist doch vollkommen egal, ob man von „Schulden-Rudi“, „Schulden-Karli“ oder von wem auch immer rede – sollten wir dazu übergehen, über das Bud­get zu sprechen. Ich bin heute an dieses Rednerpult getreten, um mich – wahrscheinlich als einer der ersten Redner – mit dem Budget zu beschäftigen (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), denn dieses Budget hat für die Bauern und für die Landwirtschaft sehr viel Gutes gebracht. (Abg. Mag. Kogler: Das glaube ich!)

Wir haben in diesem Bereich sehr viel erreicht, wir haben wichtige Punkte umsetzen können. Wir konnten dazu beitragen, dass die Landwirtschaft in den mittel- und kleinstrukturierten Fa­milienbetrieben erhalten bleibt und dass diese gestärkt werden. Wir konnten außerdem dazu beitragen, dass auch in Zukunft weiter an guten Voraussetzungen gearbeitet wird, die eine Landwirtschaft erhalten können. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

Durch den Beschluss des 3-Milliarden-€-Paketes wurde erreicht, dass wir die Ausgleichs­zahlun­gen sichern sowie die Mittel für die Kofinanzierung der Brüsseler Zahlungen bereitstellen kön­nen, damit wird in die Ausbildung der ländlichen Jugend investiert und der Agrardiesel, der seit Jahren von der FPÖ gefordert wird, eingeführt. Wir werden auch bei den Investitionen in erneu­er­bare Energien einiges weiterbringen. (Beifall des Abg. Jakob Auer. – Heiterkeit bei der SPÖ an­gesichts dieses Einzelbeifalls. – Abg. Dr. Cap – in Richtung des Redners –: Haben Sie das ge­sehen? War das gut! Ein einziger ÖVPler! Finden Sie auch, dass das gut war?)


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Ich bin, meine geschätzten Damen und Herren, davon überzeugt, dass diese Mittel wichtig sind, denn ohne diese Mittel ist der Fortbestand der heimischen Landwirtschaft in Gefahr und ohne die­se Mittel können wir viele dieser Vorhaben nicht umsetzen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Schauen Sie, Herr Kollege Cap, da können es auch mehrere!

Immerhin können wir damit über 200 000 Arbeitsplätze in der Landwirtschaft sichern! (Ruf bei der SPÖ: Wo?) Immerhin können wir damit gewährleisten, dass in unserer Heimat Nahrungs­mittel erzeugt werden! Immerhin können wir damit für die heimische Bevölkerung, aber auch für die Touristen, eine gesunde Natur bereitstellen. (Abg. Mag. Gaßner: Wo sind die 200 000 Ar­beits­plätze in der Landwirtschaft?)

Noch ein Wort zu der heute schon sehr oft erwähnten Pensionsreform, den Politi­ker­privilegien und dergleichen mehr. – Frau Kollegin Glawischnig, würden Sie kurz die Zeitung weg­le­gen?! Ihre Ausführungen waren wirklich interessant, das muss ich ehrlich sagen.

Ihre Ausführungen wären im Sport ein aufgelegter Elfmeter ohne Tormann. (Abg. Mag. Wurm: Wie stimmen Sie jetzt ab?) Sie beschweren sich über die Privilegien der Politiker! Also ent­schul­digen Sie bitte: Natürlich ist es auch für die FPÖ nicht o.k., dass wir Mandatare hier im Plenum sitzen haben, die zwei Bezüge kassieren. Natürlich ist es nicht o.k., dass es quasi keine Veränderungen gibt. Wir Freiheitlichen werden aber dafür kämpfen, dass die Politikerprivilegien abgebaut werden. Nur: Wir Freiheitlichen haben immer dafür gekämpft. (Abg. Dr. Glawischnig: „Großartig“ gekämpft!) Der grüne Klub hat – wenn ich richtig nachgelesen habe und mich richtig erinnere – damals nicht zugestimmt, dass es zu einer rigorosen Änderung der Bezüge (Abg. Öllin­ger: Oja!) und einer Gleichbehandlung der Politiker mit den Leuten in der Privatwirtschaft kommt. (Abg. Dr. Glawischnig: Lernen Sie Geschichte, Herr Scheuch!)

Abschließend möchte ich – das ist mir wirklich ein Anliegen – noch Folgendes festhalten: Wenn ich so in die Reihen schaue, meine geschätzten Damen und Herren, so erinnert mich dieses Ver­­halten einiger oder vieler Privilegienritter, von Funktionären verschiedenster Couleurs (Abg. Reheis: Schauen Sie in die richtige Richtung!) ein bisschen an ein Zitat aus George Orwell’s „Animal Farm“. (Abg. Reheis: Das ist kein gutes Beispiel!) Darin steht: „Alle Tiere sind gleich, aber manche Tiere sind gleicher.“ – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abge­ord­neten der ÖVP.)

14.01


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.01


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Begrüßung halte ich mich kurz, weil ich gern vom Kollegen Scheuch den aufgelegten Elfmeter übernehme – diesmal nicht nur ohne Tormann, sondern auch ohne Tor: Ich brauche nur nach vorne zu schießen, Herr Kollege Scheuch. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ohne Tor treffen Sie wenigstens!)

Um das klarzustellen, Herr Kollege Scheuch: Der grüne Klub hat 1997 für die neuen Bezüge und für die Bezügebegrenzung gestimmt. Er hat gleichzeitig einen Antrag eingebracht – der auch abgestimmt wurde –, in dem gefordert wurde, dass im Übergangsrecht sofort mit den Alt­Po­­li­ti­ker­pensionen Schluss gemacht wird. (Abg. Scheibner: Aber Sie haben für die Gesamt­reform gestimmt!) Wir haben diese Forderung im Jahr 2000, als zwischen den Parteien neuer­lich über die Politikerpensionen verhandelt wurde, erneuert. (Abg. Scheibner: Sie haben mit SPÖ, ÖVP und Liberalen für diese Pensionsreform gestimmt! – Weitere Zwischenrufe bei den Frei­heitlichen.)

Und jetzt hören Sie bitte wirklich gut zu, denn es ist nicht nur an Ihre Adresse gerichtet, sondern auch an die der anderen freiheitlichen Abgeordneten! Wir stehen dazu: Eine Reform bei den Alt-Politikerbezügen, die nicht mit den Alt-Politikerbezügen Schluss macht, sondern wieder ein neu­es Übergangsrecht für die Alt-Politikerbezüge konstruiert, ist eine kosmetische Reform! Wenn Sie sich daran beteiligen wollen, ist das Ihre Verantwortung. Wir machen da sicher nicht


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mit, Herr Kollege Scheuch! Das ist der entscheidende Punkt. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheib­ner: Wir haben als Erste die ..., dass man das abschafft!)

Wenn Frau Abgeordnete Partik-Pablé sich hier an dieses Rednerpult stellt, ein Taferl präsentiert und verkündet, dass Herr Abgeordneter Verzetnitsch einen Anspruch auf eine Politikerpension von, was weiß ich, wie viel, vielleicht 10 000 € oder so hat, dann ist das ihre Sache. Ich mache es nicht so! Ich kritisiere das System und diejenigen Politiker, die zwar Alt-Politikerbezüge kas­sie­ren, aber sich gleichzeitig scheinheilig hier herstellen und sagen: Das Pensionssystem insge­samt frisst so viel Geld, das muss reformiert werden, die Leute kriegen zu viel! – Das ist schein­heilig! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Dass jemand im alten System verbleiben konnte, ist Ergebnis eines Beschlusses, von dem ich glau­be, dass er reformiert gehört. Aber ich mache es dieser Person so lange nicht persönlich zum Vorwurf, solange sie sich nicht gleichzeitig ans Rednerpult stellt und über die „Privilegien“ der ASVG-Pensionisten spricht. Das regt, gelinde gesagt – ich will mir jetzt nicht wieder einen Ord­nungsruf holen –, die Peristaltik an. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und bei Abge­ord­ne­ten der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Kollegin Sburny hat davon gesprochen, dass – und damit komme ich zu etwas, was Sie auch alle wissen, wissen müssen – sich nur „mittel­alter­liche“ Männer die zweite und dritte Säule überhaupt leisten können. Ich bin einer dieser Män­ner, weil ich ja für das neue System optiert habe und eine Pension aus der Pensionskasse erhalten werde.

Nun frage ich, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien: Warum be­schließen Sie jetzt gleichzeitig mit der Pensionsreform eine Reform bei den Pensionskassen, mit der der garantierte Mindestzins aufgehoben wird? Wenn Sie Ihre Pensionskassenbescheide aus dem Jahr 2002 oder 2001 sehen, können Sie erkennen ... (Zwischenbemerkung von Bun­desminister Dr. Bartenstein.)

Kommen Sie nicht damit, Herr Minister Bartenstein! Sie kassieren ja noch eine Pension nach dem (Rufe bei der SPÖ: Uralten System!) Übergang, Sie haben nicht für die Pensionskasse optiert! (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein.) Ich kann Ihnen sagen, Herr Minister Bartenstein, dass die Pensionen nach dem Pensionskassensystem von Jahr zu Jahr, trotz Einzahlungen in dieses System, niedriger werden. (Rufe bei der SPÖ: Ge­nau!)

Das ist eine Botschaft, die ich allen Leuten vermitteln will: Hüten Sie sich vor den Verspre­chun­gen, die Ihnen diese Bundesregierung in Bezug auf die zweite und dritte Säule macht! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Scheibner: Ist ja fein, dass man die Leute weiter verun­sichert!) Da sind Sie echt verloren, vor allem, wenn diese Versprechungen damit gekoppelt sind, dass die Anspruchsvoraussetzungen in der zweiten und dritte Säule von Jahr zu Jahr, von einem Mal zum anderen Mal, verschlechtert werden, genauso wie in der ersten Säule. Das ist Ihre Politik, und damit sollte Schluss sein! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.06


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus hat sich Herr Staatsse­kretär Dr. Finz zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.06


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Prä­­sident! Sehr verehrte Minister! Hohes Haus! Der Grundsatz der bisher geltenden Finanz­politik lautete: Ständig mehr ausgeben, als man einnimmt! Jeder kleine Kreditnehmer in diesem Lan­de weiß, dass das schief gehen muss, denn eines Tages bekommt man von der Bank kein Geld mehr. (Abg. Mag. Wurm: Warum machen Sie das dann?) Trotzdem wurde das nie ge­ändert.

Herr Bundesparteivorsitzender Gusenbauer – leider geht er jetzt hinaus – hat im Wahlkampf ge­sagt, er werde 25 Prozent der Verwaltungskosten einsparen. (Ruf bei der SPÖ: Ja!) Es gab vier


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SPÖ-Staats­sekretäre für den öffentlichen Dienst: Kostelka, Schlögl, Einem und Ruttenstorfer. Trotz­dem sind die Verwaltungskosten ständig gestiegen. Warum zeigen Sie uns nicht, wie das gehen soll? Wir zeigen es Ihnen jetzt! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir werden – und da spreche ich Herrn Professor Van der Bellen an – die Zahl der Planstellen bis zum Ende dieser Budgetperiode, 2004, um 34 709 reduzieren. Allerdings muss ich die Aus­glie­derung der Universitäten dazurechnen, 19 000 sind diesem Konto anzurechnen – macht aber immerhin noch über 10 000, ein toller Rekord in dieser Zeit!

Trotzdem ist der öffentliche Dienst nicht schlechter geworden, sondern qualitativ besser (Abg. Eder: Wo ist er besser geworden?), weil wir gezielt Reformprojekte gestartet haben. Wir haben nun IT-Government, probieren Sie es aus! Sie können heute Ihre Arbeitnehmerveranlagung über das Internet eingeben, in ein paar Tagen haben Sie den Bescheid. (Abg. Dr. Nie­der­wie­ser: Zahlt man dann weniger Steuern?) SAP – eine intelligente Software, papierloses Büro – kann man heute in der öffentlichen Verwaltung einsetzen, und es wird auch eingesetzt. Glei­ches gilt für das Firmenbuch.

Wir haben die Organisationen verändert. Es wurden in der Zeit dieser Regierung in den Bun­des­ministerien allein 13 Sektionen geschlossen – wir haben also „oben“, in den Zentralstellen, be­gonnen –, 54 Gruppen wurden aufgelöst, 121 Abteilungen und 225 Referate. (Abg. Dr. Mo­ser: Und die Sektionschefs in die Frühpension geschickt!) Die Gemeinde Wien beispielsweise hat in dieser Zeit nichts gemacht, sie hat ihren Personalstand beibehalten.

Da die Sektionschefs angesprochen wurden: Ein Sektionschef beim Bund verdient nur ungefähr zwei Drittel des Gehalts eines Spitzenbeamten der Gemeinde Wien. Das sind also die „armen“ Gemeinden, Herr Abgeordneter Matznetter, die wir angeblich abkassieren (Abg. Eder: Die Sie abkassieren!) be­ziehungsweise von denen wir im Finanzausgleich einen Beitrag verlangen. Wir haben eine Vereinbarung, dass gewisse Beiträge im Rahmen des Finanzausgleichs geleistet werden (Abg. Gaál: An Wien können Sie sich ein Beispiel nehmen! – Abg. Eder: Ich bin froh, dass Sie Wiener ÖVP-Ob­mann sind!), und wir warten noch immer darauf, dass in der Um­setzung der Verwal­tungs­reform bestimmte Beiträge auch von den Ländern und Gemeinden ge­leistet werden. (Ruf: Sie wissen ja nicht einmal, wie eine schwarze Zahl ausschaut!)

Das Ziel, den OECD-Durchschnitt zu erreichen, ist nicht zu hoch, das wäre nämlich eine Re­duktion um 6 Prozent, also etwa 30 000 Bedienstete der 462 000 Bediensteten in ganz Öster­reich, bis zum Jahr 2006. Dieses Ansinnen ist machbar.

Wir zeigen, wie wir bei den Ausgaben sparen. Nochmals ein Vergleich (Abg. Eder: Sie sind ja wie der Kabas!): Im Jahre 1999 betrug die Staatsquote für Ausgaben 54,1 Prozent, mit dem En­de dieser Budgetperiode 2004 wird sie 51,7 Prozent betragen.

Wir gehen es dort an, wo es wichtig ist: Wir sparen bei den Ausgaben, damit wir in den wich­tigen Bereichen wie Bildung, Forschung und Wissenschaft und selbstverständlich auch für die Fa­milienförderung die nötigen Mittel zur Verfügung haben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.10


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Grillitsch zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Dr. Cap – in Richtung des auf der Regierungsbank sitzenden Staats­sekretärs Dr. Finz –: Bitte, bleiben Sie Wiener ÖVP-Obmann!)

14.10


Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Herr Staatsse­kre­tär! Ich gratuliere zu diesem Budget! Es ist dies ein nachhaltiges (Abg. Dr. Cap: Halleluja!), ein so­zial gerechtes, Herr Klubobmann Cap, aber vor allem ein nachhaltiges Budget – wenn Sie wis­sen, was das ist –, nämlich mit langfristiger Absicherung für die Men­schen in Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischen­rufe bei der SPÖ.) Als


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Bauer weiß ich, wovon ich spreche, wenn ich von Nachhaltigkeit rede. (Abg. Eder: Das glaube ich ihm sofort!)

Ich sage es auch ganz offen in diesem Kreis: Ich bedanke mich als Vertreter der bäuerlichen Fa­milien dafür, dass es gelungen ist, ein Budget zu erstellen, das gleichsam unter dem Motto „Le­der­hose und Laptop“ steht, also Traditionelles bewahrt, aber auch den Fortschritt weiter aus­baut. Es ist mit diesem Budget gelungen, die Leistungszahlungen für unsere Bergbauern abzu­si­chern und ebenso das Umweltprogramm, an dem mehr als 70 Prozent der österreichischen Bau­ern mit 90 Prozent der Fläche freiwillig teilnehmen, um das Anforderungsprofil, das letztlich die Gesellschaft an uns stellt, zu erfüllen, nämlich in Österreich nachvollziehbar sichere Lebens­mit­tel zu produzieren, umweltgerecht zu produzieren und die Landschaft offen zu halten. Dafür bedanke ich mich. (Abg. Dr. Kräuter: Den Tierschutz haben Sie vergessen!) Herr Kollege Kräuter, ich komme schon noch dazu.

Herr Kollege Kräuter, das ist alles mit eingebaut, das werden Sie wissen, wenn Sie es sich an­ge­sehen haben. Schauen Sie sich das Budget einmal genauer an, wenn Sie das noch nicht ge­macht haben. Wir brauchen das für die Erfüllung dieses Anforderungsprofils, dazu bekenne ich mich.

Und wir werden auch in Zukunft klar und deutlich sagen: Ja, meine lieben Damen und Herren Ös­terreicher, wir werden gerne dieses Anforderungsprofil erfüllen, wenn es auch weiterhin gelingt, nicht nur zu polarisieren und aufzurechnen, dass die Bauern die großen Profiteure wä­ren, wie es die Gewerkschaft jetzt tut, sondern wenn wir langfristig kalkulierbare Rahmenbe­din­gun­gen haben. Nur dann können wir das, gerade auch im Zuge der großen Herausforde­run­gen, vor denen die Land- und Forstwirtschaft in Österreich steht, erfüllen. (Abg. Silhavy: 3 Milli­ar­den €!) – Frau Kollegin Silhavy! (Abg. Silhavy: Ist aber so!) Die WTO-Verhandlungen stehen vor der Tür (Abg. Silhavy: Ja, GATS auch!), die EU-Erweiterung steht vor der Tür, die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik steht vor der Tür. (Abg. Wittauer: Mit dem beschäftigen sich die So­­zial­demokraten ...!) Welchen Weg wollen Sie haben? Wollen Sie in Österreich eine indus­triali­sierte Landwirtschaft oder wollen Sie weiterhin diesen erfolgreichen Weg einer bäuerlich funktionierenden, flächendeckenden Landwirtschaft gehen? Geben Sie uns eine klare Antwort! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wollen Sie Ihre Reform der Agrarpolitik fortsetzen? Da lautet die Formel nämlich nur: Kürzen, kür­zen und wiederum kürzen, bis für die bäuerlichen Familien nichts mehr übrig bleibt und wir letztlich das Anforderungsprofil für die Gesellschaft nicht mehr erfüllen können. Das muss auch einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Finanzminister! Ich begrüße es auch sehr, dass es gelungen ist, einen ersten Ansatz (neu­er­li­che Zwischenrufe bei der SPÖ) zu einer Ökologisierung in diesem Budget zu verankern. Es geht nämlich darum, menschliche Arbeitskraft zu entlasten und Energie entsprechend zu belas­ten, sodass gerade für bäuerliche Menschen die Möglichkeit besteht, in neue Formen der Ener­gie­­pro­duktion einzusteigen. Dies gilt aber nicht nur für die Bauern, sondern es geht darum, Wert­schöp­fung zu realisieren, Potentiale vor Ort zu nutzen, neue Technologien zu nutzen, Ar­beit zu schaffen und die Umwelt zu schützen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich komme zu meinem Schlusssatz, einem wirklich innigen Appell an den ÖGB: Ich komme aus einer Industrieregion und lebe dort als Bauer. (Abg. Dr. Kräuter: Das waren schon vier Sätze!) Las­sen Sie mich das in aller Ernsthaftigkeit sagen! (Abg. Eder: Aber schnell!) Beenden Sie den Weg des Polarisierens! (Abg. Reheis: Den haben ja Sie begonnen mit der Ausschaltung der Sozialpartner!) Beenden Sie den Weg des Schürens von Neid! Der tut uns nicht gut, und der tut auch Ihnen nicht gut. Es kommt wieder ein Wahltag, und ich hoffe, er wird für Sie wieder ein Zah­ltag! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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15. Sitzung / Seite 78

14.15


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nürnber­ger zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.15


Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren auf der Regie­rungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme den Appell sehr ernst. Man soll im Parlament sachlich diskutieren. Ich tue dies, vor allem auch deswegen, weil der Herr Bun­des­kanzler, als er die Punkte der Pensionsreform aufgezählt hat, in seinem zweiten Punkt ge­sagt hat: Wer länger arbeitet, für den ändert sich nichts. Und Ihnen, Herr Abgeordneter Bucher, der Sie heute gesagt haben, dass wir absonderliche Beispiele hätten und Angstmacherei betrei­ben, stelle ich diese Fakten zur Verfügung. Ich biete Ihnen an, diese Fälle gemeinsam durchzu­gehen.

Vielleicht können wir uns auf die Spielregeln einigen, vielleicht können wir uns darauf verstän­di­gen, dass, wenn es eine kompetente Stelle in diesem Lande gibt, das nur jene Stelle sein kann, die den rechtsgültigen Bescheid darüber ausstellt, wie viel der Betroffene einmal an Pension erhält.

Daher sind die von uns genannten Beispiele von real existierenden Personen – ich bin gerne bereit, Ihnen Name, Versicherungsnummer und alles zu nennen – von der Pensionsversiche­rungs­anstalt gerechnet, also von jener Institution, die einmal den Bescheid ausstellen wird.

Darüber hinaus teile ich Ihnen die Grundlagen, wie gerechnet worden ist, mit, damit es auch da kei­ne Unterstellungen geben kann: Es ist alles zum Vorteil der Regierung gerechnet worden, näm­lich unter der Annahme einer fortlaufenden Beschäftigung – also nicht etwa ein paar Mona­te Krankenstand oder etwas ähnlich Ergebnis Verschlechterndes eingerechnet – und einer jähr­lichen 1,5-prozentigen Gehalts- und Lohnsteigerung; ich garantiere Ihnen, dass wir in den nächsten Jahren mit weit mehr als 1,5 Prozent abschließen werden, denn in den letzten 20 Jah­ren haben wir immer mit mehr als 1,5 Prozent abgeschlossen – also auch das eine sehr seriöse Annahme.

Ein Mensch, der am 1. November 2004 60 Jahre alt wird, bekäme nach der alten Gesetzes­lage – ich lasse jetzt die Cent weg, damit es schneller geht – eine Pension von 2 270 €, nach der neuen eine von 1 895 €. Das ist eine Differenz, ein Verlust von 375 € (Ruf bei der SPÖ: Wahnsinn!), immer brutto minus Krankenversicherungsbeitrag gerechnet. (Abg. Dr. Spin­delegger: Wie viele Beitragsjahre?) – 540 Beitragsmonate!

Arbeitet diese Person länger und geht mit 1. Juli 2007 in Pension, kann sie 572 Beitragsmonate aufweisen. Nach derzeitiger Rechtslage bekäme sie eine Pension von 2 382 €, nach der neuen 2 127 €, Differenz: 255 €!

Arbeitet er noch länger, nämlich 600 Versicherungsmonate, und geht mit 1. November 2009 in Pen­sion, erhält er nach derzeitiger Rechtslage 2 487 €, nach der neuen 2 326 €, Differenz: 161 €!

Nun sagen Sie mir noch einmal, dass jemand, der länger arbeitet, nicht weniger bekommt.

Jetzt kommt noch ein Sonderfall. Kollege Walch, schau dir doch die Hacklerregelung einmal an! Ich habe dir das letzte Mal schon gesagt: Rechnen muss er!

Nehmen Sie folgenden Fall her: Es geht jemand mit 1. Dezember dieses Jahres oder erst mit 1. Jän­ner beziehungsweise 1. Februar nächsten Jahres in Pension, beispielsweise ein „Hackler“ mit 550 Versicherungsmonaten wie Herr Siegfried S., 59 Jahre, LKW-Fahrer in der Brauerei Schwe­chat. Dessen Pension betrüge derzeit, nach dem alten Recht, 2 095,92 €, nach dem Entwurf, wie er ursprünglich vorgesehen war, 1 758 €. (Abg. Dr. Brinek: Das zählt ja nicht mehr! – Abg. Steibl: Das ist ja Schnee von gestern!) – Lassen Sie mich ausreden und hören Sie zu! Nach der Abminderung durch den Ministerrat läge die Pensionshöhe nicht bei 1 758 €, sondern die Differenz ist sogar größer geworden: Statt 337 € Verlust sind es dadurch 343 €! (Widerspruch bei der ÖVP.)


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15. Sitzung / Seite 79

Frau Kollegin! Ich biete Ihnen die Unterlagen an, gerechnet von der Pensionsversicherung, mit Be­scheid auszustellen. Das haben nicht wir gerechnet. Ich stelle Ihnen diese Daten zur Verfü­gung. Gehen Sie hin, lassen Sie sie nachrechnen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin auf eine Pro/Kontra-Diskussion in einer Zeitschrift zum Thema „Sind die Giftzähne wirk­lich gezogen?“ aufmerksam gemacht worden. Als Verteidiger, als Pro-Redner, tritt Herr Klubob­mann Molterer auf – das ist ja legitim! Ich habe mir dann gedacht, den Kontra-Part wird jemand von der Opposition, von der SPÖ oder den Grünen, von der Gewerkschaft übernehmen. Aber: Nein! Niemand von uns!

Wissen Sie, was der Kontra-Redner sagt? – Er meint, der wichtigste eitrige Giftzahn bleibe, die Ungerechtigkeit bleibe. Ich kann nicht das Ganze zitieren, zum Schluss sagt er jedenfalls: Die ASVGler zahlen jetzt drauf!

Wissen Sie, wer dieser Kontra-Redner des Herrn Molterer war? – Der von Ihnen so hoch ge­schätzte und oft zitierte Professor Marin! Professor Marin, den Sie dauernd zitieren, tritt als Kontra-Redner gegen Ihren Herrn Klubobmann auf.

Weiters bin ich auf ein Interview in den „Salzburger Nachrichten“ aufmerksam gemacht worden. Ich werde Ihnen dann sagen, wer das Interview gegeben hat. Der Herr Erste Präsident ist nicht da; er würde sofort wissen, wen ich meine. Dieser Befragte sagt zunächst: „Die Eile“ bei der Re­form „macht misstrauisch“. Das ist die Überschrift. Und dann sagt derjenige, der interviewt wird:

„Wenn man bedenkt, wie lange man bei der Gewerbeordnung gebraucht hat, von der nur eine Min­derheit betroffen ist, muss ich sagen, das gleiche Recht kann ich für das ASVG in Anspruch nehmen.“

Und weil Sie die zweite und dritte Säule so loben – dazu sagt der Betroffene auf die Frage, ob das Kapitaldeckungsverfahren zu riskant ist, Folgendes:

Diese Modelle sind nichts als „eine Sozialisierung des Börsenrisikos“.

Wissen Sie, wer der Interviewpartner war? – Ich habe schon vor Monaten behauptet, dass er die wohl anerkannteste Fachkraft in Österreich im Pensionsrecht ist, und Herr Abgeordneter Khol hat mir Recht gegeben. Es ist nämlich der Generaldirektor der Pensionsversicherung Ewald Wetscherek, ein Schulfreund des Herrn Bundeskanzlers, und angeblich wohnen sie Tür an Tür, er ist der Nachbar. Ich kann dem Herrn Bundeskanzler nur empfehlen, sich bei Herrn Wet­scherek zu erkundigen, was wirklich dahinter steckt. (Beifall bei der SPÖ.)

Hier habe ich noch ein Schmankerl. Herr Fasslabend ist jetzt nicht da, aber ... (Abg. Dr. Fassl­abend: O ja!) – Ja, da ist er. Ihr habt ja im ÖAAB einen Vortrag gehabt; schau her, die Folien wirst du ja kennen, die bei euch an die Wand geworfen worden sind. Den Referenten wirst du auch kennen; er ist eine Kapazität, die ihr kennen werdet. Da steht, wenn du lesen kannst – Walch, hör jetzt zu –, bei der „Hacklerregelung“ – und daher ist das jetzt weniger als vorher –, da hat er euch noch den Text an die Wand geworfen und erklärt: Für Männer vor 1. Jänner 1947 habt ihr es ja verschlechtert, weil als Abschlag neu ab 1. Jänner 2004 von der Pension 3 Pro­zent bis höchstens 15 Prozent wegkommen.

Wenn ich mir diese Folie anschaue, habe ich auch Verständnis dafür, dass Herr Abgeordneter Grillitsch applaudiert und gesagt hat: Das ist ein gutes Budget. Denn da hat er euch, nämlich dem ÖAAB, die Deckungsrate der Bundesmittel mit Folie gegeben, und da müsst ihr es ge­sehen haben: Beim ASVG sinkt das im Jahre 2006 ohne Reform auf 19,9 Prozent; ohne Reform bleibt das bei den Beamten und den Bauern mit 76,2 gleich. Nach der Reform 2006 geht es beim ASVG noch einmal hinunter, auf 28,2; bei den Bauern bleibt es mit 76,2 gleich. Wäre ich der Herr Grillitsch, würde ich mich für so eine Reform auch bedanken, das ist ja gar keine Frage! Und das nimmst du (in Richtung des Abg. Dr. Fasslabend) als Arbeitnehmervertreter zur Kenntnis? – Meine Zeit reicht leider nicht; ich könnte hier auch noch die anderen Folien inter­pretieren.


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15. Sitzung / Seite 80

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin gerne bereit ... (Abg. Dr. Fekter: Man spielt doch nicht eine Berufsgruppe gegen die andere aus!) Was? (Abg. Dr. Fekter: Was ist denn das für eine Art, eine Berufsgruppe gegen die andere auszuspielen? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Schauen Sie, Frau Abgeordnete Fekter, es ist heute schon einmal gesagt worden, und ich bin gerne bereit, Ihnen das gesamte Gedächtnisprotokoll mit Ihrem Vorfall wiederzugeben. Es gibt Zeugen und Ähnliches, die Polizei war dort, ich kann Ihnen die Namen der Inspektoren nen­nen. Es ist bei Ihnen kein Schaden entstanden. Ihr Gatte ist herausgekommen und hat zum Beispiel gesagt: Ich habe den Zement, wenn ich nicht hinausfahren darf, wird er hart. – Sofort: Tü­ren aufgemacht, hinausgegangen! (Abg. Dr. Fekter: Nein, nein!) So war es, dafür sind Zeu­gen vorhanden. (Abg. Dr. Fekter: Von 6 bis 10 Uhr Vormittag!)

Aber eines tut Ihnen eben weh, und auch dafür gibt es Zeugen. Ich wiederhole es noch einmal laut und deutlich: Per Handschlag hat Ihr Gatte angeboten, mit uns am 13. zu demonstrieren. – Glück auf! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber.)

14.23


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Dr. Bösch. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.)

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Fekter zu Wort gemeldet. Sie kennen den § 58 Abs. 2 GOG. Bitte beginnen Sie mit der Wiedergabe des zu berichtigen­den Sachverhalts.

14.24


Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Kollege Nürnberger hat hier ge­meint, mein Gatte hätte angeboten, am 13. mitzudemonstrieren. – Das ist unrichtig! (Wider­spruch bei der SPÖ.)

Ganz im Gegenteil: Mein Gatte hat mich gebeten, hier mit Kollegem Verzetnitsch zu sprechen, da­mit eine weitere Demonstration abgewehrt werden kann. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Bau­er: ... nicht beweisen, ob er nicht mitgeht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

14.24


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ord­neter Dr. Bösch. Ich erteile es ihm.

14.25


Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Nürnberger, die Rech­nungen, die Sie hier angestellt haben, mögen ja rechnerisch stimmen. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.) Aber Sie können sich darauf verlassen, dass unser Max Walch diese Rechnun­gen auch schon angestellt hat (ironische Heiterkeit bei der SPÖ – Abg. Nürnberger: Dann än­dern wir es ab ...!) und dass wir Freiheitliche im Rahmen der Debatten im Ausschuss auch noch einige Vorschläge dazu einbringen werden. Sie können uns dabei unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ein Redner der Grünen hat heute in der Debatte beklagt, dass das Bud­get für die Sicherheit, das Budget für die Landesverteidigung erhöht werde bei all diesen Belas­tungen, die diese „schlimme“ Bundesregierung auf die Bevölkerung herunterlasse. Meine Damen und Herren, das ist wiederum eine unzulässige Verknüpfung zwischen den sozialpoliti­schen Maßnahmen und den sicherheitspolitischen Schritten, die in Österreich notwendig sind.

Diese Bundesregierung hat sich, seit wir Freiheitliche ihr im Jahre 2000 beigetreten sind, klare Prioritäten gesetzt. (Abg. Reheis: Lasst Blau ...!) Erstens: Sie saniert das Budget – das hat diese Bundesregierung getan, bei dem Schuldenstand, den wir von Ihnen, meine Damen und Her­ren von der SPÖ, übernehmen mussten. Zweitens: Sie sichert die Pensionen. Drittens: Sie entlastet den Bürger. Und viertens: Sie macht die notwendigen Investitionen in den Bereichen, in denen wir auch die Defizite von Ihnen haben übernehmen müssen.


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Meine Damen und Herren! So ist auch das Landesverteidigungsbudget im Rahmen dieses Bud­gets, das vorgelegt wurde, zu sehen. Mit diesen 1,7 Milliarden € wird der Stand der Landesver­tei­digungsbudgets der letzten Jahre im Wesentlichen gehalten. Es wird dem Bundesheer die Möglichkeit gegeben, in den neuen Herausforderungen, die es gibt, auch auf internationaler Ebene zu bestehen. Es geht nicht darum, dass im Rahmen dieses Budgets und überhaupt im Rah­men dieser Legislaturperiode auch nur ein Cent in die Beschaffung der Luftraum­überwa­chungs­flugzeuge, in die Beschaffung der Eurofighter hineinfließen soll. Das heißt, die in polemi­scher Art und Weise erfolgte Verknüpfung des Landesverteidigungsbudgets mit dieser Be­schaffung ist unzulässig und entspricht nicht den Tatsachen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vielmehr geht es dabei um wichtige Investitionen, die sichergestellt werden, meine Damen und Her­ren: um die Verbesserung der persönlichen Ausrüstung unserer Soldaten, um Neubauten und Renovierungen der Unterkünfte, um Optimierung in der Ausbildung, um den Ausbau orts­fester Funknetze, um den Nachkauf im Bereich der Kfz-Flotte, die im Wesentlichen veraltet ist – es soll um den Nachkauf von 300 bis 400 Kfz gehen –; es soll die Einführung des Ulan-Pan­zers, die Einführung von Black-Hawk-Hubschraubern und die Einführung von Hercules-Trans­portflugzeugen sichergestellt werden. Black-Hawk-Hubschrauber brauchen wir notwendig für allfällige Assistenzeinsätze im Katastrophenfall, wir waren ja in den letzten Jahren schon oft in dieser Situation. Genauso verhält es sich mit dem Ulan-Panzer: das ist ein Schützenpanzer, der unseren Soldaten vor allem im schwierigen Auslandseinsatz helfen soll, dort unbeschadet den Auftrag erfüllen zu können.

Meine Damen und Herren! Das Verteidigungsbudget, das wir in diesem Jahr auf dem Tisch lie­gen haben, ist ein knappes, aber es ist im Wesentlichen doch akzeptabel, damit das Bundes­heer den Weg in die Zukunft gehen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.28


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Ab­ge­ordnete Dr. Moser. Ich erteile es ihr.

14.28


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her­­ren! Im Anschluss an meinen Vorredner: Blättern Sie noch einmal Seite 23 der Ausführun­gen des Herrn Finanzministers auf, da ist zu lesen:

„Diese Steuerreform wird Österreich Flügel verleihen.“

Ja, „Flügel“, und Sie haben sie genannt: Die „Flügel“ sind im Militärhaushalt, das gehört konkret unter „Flügel“, und auch die Steuerreform, die ja im Vorfeld eine massive Belastungswelle aus­lö­sen wird und auslöst, wie im Budget nachzulesen ist: bei den Beitragszahlungen, bei den Pen­­sionsmaßnahmen et cetera. Das ist es im Endeffekt, dass wir uns das leisten, was mein Kollege Kogler schon an den Abschluss seiner Debattenbeiträge gestellt hat, nämlich dieses un­­nötige Kriegsflugzeug. Hier haben Sie im Bereich des Verteidigungsressorts wieder eine Vor­leistung für das, was später kommen soll und wofür die Steuerreform mit „Flügeln“ irgendwie über Österreich zieht. Was aber im Endeffekt mit „Flügeln“ über Österreich fahren und fliegen wird, das werden wahrscheinlich diese sündteuren Militärflugzeuge sein. – Das nur aktuell im An­schluss an Ihren Debattenbeitrag.

Heute ist die Generaldebatte angesagt, bei der Generaldebatte geht es um generelle Fest­stellun­gen und um eine generelle Kritik. Generelle Kritik heißt für mich – der Herr Finanzminister ist ja nicht mehr hier, auch der Herr Staatssekretär ist weg, deswegen: Herr Wirtschaftsminister beziehungsweise Herr Verkehrsminister, bitte nehmen Sie sich kein Beispiel an den Marketing-Schmähs des Herrn Finanzministers! (Beifall bei den Grünen.)

Es war an drei, vier Stellen so deutlich, dass er uns Abgeordneten Zahlenspiele zumutet, die jegli­cher Substanz und jeglicher Realität entbehren, die auch dem zuwiderlaufen, was hinten im Tabellenteil vermerkt ist, und dass er das zusätzlich nicht nur uns Abgeordneten zumutet, son­dern die ganze Bevölkerung schlichtweg für blöd verkauft. Das wollen wir uns einfach nicht län-


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ger bieten lassen, dass die Leute durch Marketing-Schmähs für blöd verkauft werden! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich sage das heute deshalb wirklich persönlich empört, weil ich mir in Gesprächen insbeson­de­re im privaten Kreis, weil ich ja auch zu den so genannten Politikerinnen gehöre, immer wie­der anhören kann, welche Lügen, welche Unwahrheiten, welche blöden Schmähs die Politiker den Leuten erzählen, wodurch sie völlig unglaubwürdig werden. Ich wehre mich persönlich massiv da­ge­gen! Einer, der dieses Vorurteil leider immer wieder neu mit Nahrung versieht, ist der Herr Finanz­minister: durch seine Schönfärberei, durch seine Floskeln, durch seine Marketing-Spra­che, die immer wieder vertuscht, verschleiert und etwas hintanstellt, was eigentlich beim Namen genannt werden muss! (Beifall bei den Grünen.)

Ich glaube, die Leute würden ohne weiteres einsehen, dass wir uns in der heutigen weltwirt­schaft­li­chen Lage verschiedene Dinge einfach nicht mehr leisten können. Aber da geht es im­mer um eine Verteilungsfrage, und die Diskussion um die Verteilungsfrage kommt mir, bitte, zu kurz: die kommt mir hier in diesem Haus zu kurz, und die kommt mir bei dieser Generaldebatte zu kurz. Da sollten Sie ansetzen, Herr Minister für Wirtschaft und Arbeit! Sie in sich müssten ja verteilen: hin zu den Werktätigen und auch hin zu den Klein- und Mittelunternehmen. Lesen Sie selbst im Budget nach: die Klein- und Mittelbetriebe leisten immer mehr an Steuerbeitrag, die Großen lassen immer mehr nach. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Genauso ist es bei der Bevölkerung, die Kleinen werden immer mehr belastet. Steuerlich wer­den sie zwar kurzfristig entlastet, aber durch Beiträge, durch Pensionskürzungen werden sie im­mer mehr belastet, durch Selbstbehalte werden sie ausgeplündert, und die Großen können sich das locker leisten. Diese ständige Umverteilung gab es schon bei Kreisky, auch bei Kreisky weitete sich die Schere zwischen den Einkommen aus Vermögen und den Einkommen aus Ar­beit. Das ging selbst dort auseinander, und Sie beschleunigen beziehungsweise erweitern das noch. Diese Generaldebatte über das Verteilungsproblem müssten wir viel couragierter an­gehen! (Beifall bei den Grünen.)

Eine ganz klare Bemerkung noch zum Herrn Staatssekretär – Ihr Herr Kollege Dr. Finz ist ja lei­der nicht mehr hier, vielleicht richten Sie ihm das netterweise noch aus. (Staatssekretär Morak: Er ist hinausgegangen! Ja, ich werde es ausrichten!) Ich bin ja dafür, dass in der Verwaltung effizienter ans Werk gegangen wird, aber ich bin auch für Ehrlichkeit! Der Herr Staatssekretär hätte sagen müssen: Wir haben Staatsausgaben hinausverlagert, wir haben Ausgliederungen vorgenommen, und diese Ausgliederungen bedeuten nicht, dass die Kosten weg sind.

Es ist ja nicht so, dass die Beamten als Personen verschwinden, sie sind sozusagen nur in ande­ren Gesellschaftsformen. Es ist auch nicht so, dass die Beamten in diesen neuen, ausge­glie­derten Gesellschaftsformen von heute auf morgen nichts mehr bezahlt bekommen, nein, sie haben ihre alten Gehälter. Aber die Neueinstellungen in diesen ausgegliederten Bereichen sind teurer, weil das normale Löhne nach ASVG sind, auch mit Pensionsbeiträgen. Das ist eine teure Reform, die auch Verwaltungsaufgaben übernimmt, und sie wirkt im Endeffekt vielleicht etwas flexibler und etwas reaktionsschneller, aber nicht automatisch budgetentlastend. – Das müsste der Staatssekretär redlicherweise auch sagen.

Genauso müsste er sagen, dass, wenn man auf Finanzämter kommt, auf Grund dieser Perso­nal-Sparpolitik dort solche Schilder zu lesen sind: „Zimmer 37 – gehen Sie zur Vertretung auf Zim­mer 23“; vor Zimmer 23 finden Sie das Schild: „Gehen Sie zu Zimmer 20“; und vor Zim­mer 20 steht schließlich: „Ich bin heute auf Urlaub.“ Bitte, ich habe das dreimal erlebt! Die ar­men Finanzbeamten sind vor lauter Schildern selbst schon völlig verwirrt.

Gehen Sie dann noch einmal aufs Finanzamt und beklagen Sie sich darüber: Einem Kollegen von mir ist es passiert, dass er jetzt schon die dritte Umsatzsteuerprüfung hat, weil der Com­puter wahlweise seinen Fall herausgezogen hat, da er die Umsatzsteuerbeträge nicht monatlich mit jeweils einem Erlagschein eingezahlt hatte, sondern drei Monate mit einem einzigen Erlagschein beglichen hatte. Der Computer hat das als Fehlleistung ausgewiesen. Drei Stunden brauchte eine Finanzbeamtin, um sozusagen diese Umsatzsteuer-Fehlstelle zu überprüfen. Drei


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Stunden hatte sie dort zu sitzen, und was ist nach der Steuerprüfung herausgekommen? – Ein Plus! Den Staat aber hat das drei Verwaltungsstunden gekostet, auf Grund Ihres Compu­ter­systems. – Das nur als kleines Bonmot, als realen Fakt, als konkretes Beispiel dafür, dass man mit Maß und Ziel und nicht „hollodrio“ ans Werk gehen muss.

Aber dieses „Hollodrio“ sehe ich auch bei der letzten Devise, die ich in der Generaldebatte noch an­sprechen möchte, bei dem, was als großer, dicker Balken auf Seite 19 zu lesen ist: „Privat ist besser als der Staat! Privatisierung sichert Arbeitsplätze!“ Bitte differenzieren Sie! In manchen Bereichen ist es sehr wohl so, aber schauen Sie sich das auch bei den Postbussen an: Die sind noch staatlich, fahren aber jetzt einen Erfolgskurs. Bitte, es gibt staatliche Unternehmen auf Erfolgskurs! Gehen Sie in die VOEST-Alpine – der Herr Minister ist schon weg –, diese schreibt schwarze Zahlen.

Insofern ist Privatisierung nicht unbedingt der goldene Weg zu Arbeitsplätzen. Ich bitte auch hier um Ziel und Augenmaß. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

14.36


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Klubob­mann Dr. Cap zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

14.36


Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ohne die An­we­senheit der anwesenden Regierungsmitglieder gering zu schätzen, möchte ich sagen: Es ist doch befremdlich, dass der Herr Finanzminister jetzt der weiteren Diskussion und Verhand­lung nicht beiwohnt, nur weil das Fernsehen seit zirka 30 Minuten nicht mehr direkt überträgt. Das ist eine etwas seltsame Einstellung gegenüber dem Haus und vor allem gegenüber den folgenden Rednern, die auf der Rednerliste stehen, egal, von welcher Partei auch immer.

Ich fordere, dass Sie dafür sorgen, dass sich der Herr Finanzminister wieder hierher begibt und der Verhandlung beiwohnt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.36


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Klubobmann! Ich glaube, Sie wissen, dass es in der ersten Lesung üblich ist und dass es auch die Geschäftsordnung so vorsieht, dass das nicht notwendig ist. In der zweiten und dritten Lesung wird das stattfinden. Sie kennen die Usancen des Hauses.

Aber ich bin ganz sicher, dass der Finanzminister im Haus ist, und ich werde dafür Sorge tra­gen, dass er sich wieder hierher bemüht.

Im Übrigen gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Auer zu Wort. – Bitte.

14.37


Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Vorbemerkung oder, sagen wir besser, zwei: Herr Kollege Nürnber­ger, ich anerkenne, dass Sie zu Beginn Ihrer Ausführungen eine sehr moderate und seriöse Rede gehalten haben. Aber ich bedauere, dass Sie zum Schluss in den Klassenkampf verfallen sind, als Sie meinten, dass die bäuerliche Sozialversicherung mangels Deckungsbeitrags sozu­sagen eine fürchterliche Sache sei und dass dies ungerecht gegenüber dem ASVG sei. (Abg. Nürnberger: ... nicht von mir!)

Herr Kollege Nürnberger, Sie sollten auch dazusagen, dass die geringste durchschnittliche Pen­sion in Österreich die Bauern haben. Sie sollten auch hinzufügen, Herr Kollege Nürnberger, dass gerade die bäuerliche Bevölkerung das Sozialnetz am wenigsten beansprucht. Dann soll­ten Sie sich einmal erkundigen, wer in welchen Pflegeheimen zu Hause ist. (Abg. Grillitsch: Herr Kollege Nürnberger, das interessiert Sie nicht, oder?) Ich halte das niemandem vor, meine Da­men und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)


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Zum Zweiten sollte man auch hinzufügen, wohin die Kinder von bäuerlichen Familien einzahlen, wenn sie in anderen Berufen tätig sind. Diese Beiträge fehlen der Bauernsozialversicherung. Wenn schon, sollte man auf alles hinweisen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich bitte genauso den eigenen Staatssekretär Finz, zu differenzie­ren, wenn man einfordert, dass Länder und Gemeinden einen entsprechenden Beitrag zur Re­form in der Verwaltung einzubringen haben. (Demonstrativer Beifall des Abg. Mag. Gaßner.) Mei­ne Damen und Herren, man sollte hinzufügen: Es gibt reiche Gemeinden, und es gibt finanz­schwache Gemeinden. Wo die finanzschwachen Gemeinden noch sparen sollten, soll mir jemand sagen! (Beifall bei der ÖVP.)

Grundsätzlich sollte eine Budget-Generaldebatte der Höhepunkt der parlamentarischen Arbeit sein. (Abg. Prinz: Kollege Gaßner, jetzt hättest auch applaudieren müssen!) Es ist letztlich die in Zahlen gegossene Politik. Klar ist aber auch – und das ist bedauerlich –, es wiederholt sich dasselbe Ritual: Die Opposition verteufelt das Budget, die Regierung lobt das Budget.

Meine Damen und Herren! Wir sollten uns schön langsam überlegen, ob es wirklich sinnvoll ist, bei diesem Ritual zu bleiben, oder ob es nicht auch gelingen könnte (Ruf bei der SPÖ: Schimpft ihr einmal!), sachlich, fair und vernünftig die positiven, die schwierigen, vielleicht auch die nega­tiven Aspekte herauszuarbeiten. Aber nicht so einseitig: Wenn die Opposition etwas sagt, ist alles schlecht; und nach dem, was von unserer Seite kommt, sei alles positiv.

Meine Damen und Herren! Österreichs Bevölkerung stellt sich unabhängig davon, welcher Far­ben­lehre jemand zugeordnet ist, ganz einfach die Frage: Wie schaut es mit dem Bil­dungs­schwer­punkt in der Zukunft aus? Wie schaut es mit den Forschungsausgaben aus? Wie schaut es mit der Stabilität des Budgets aus? Wie schaut es mit Investitionen aus? Welche Chancen ha­ben Betriebe in Österreich?

Meine Damen und Herren von der linken Seite: So schlecht können die Chancen der Betriebe ja gar nicht sein. Da gibt es beispielsweise die Firma AT&S, die Ihnen oder zumindest einem Ihnen nahe stehenden, sehr hochrangigen Funktionär nicht ganz unbekannt sein dürfte: Ver­sechsfachung des Gewinns, sehr positive Zahlen. Ich gratuliere dazu und freue mich darüber, weil damit ein Betrieb abgesichert ist und dadurch sehr viele Arbeitnehmer eine absolut sichere Be­schäftigung haben. Aber dann sollte man auch nicht so tun, als ob alles so schwierig, so kompliziert, so negativ wäre. Meine Damen und Herren! Damit sichert man keine Arbeitsplätze!

Eine nicht unbekannte Zeitung, eine zumindest auf dieser Seite (in Richtung SPÖ) nicht unbe­kannte Zeitung, wirbt mit dem Spruch:

„Für manche Zeitungen sind Tatsachen Meinungen, und für andere wiederum sind Meinungen Tatsache.“

Doch eine Qualitätszeitung unterscheidet sich von solchen Blättern durch die Trennung von Wahrheit und Meinung.

Meine Damen und Herren! Was ist Fakt? – Wir haben die drittniedrigste Arbeitslosigkeit in der Europäischen Union, wir haben die höchste je in Österreich gemessene Beschäftigung, wir haben ein Pro-Kopf-Sozialprodukt, das den EU-Durchschnitt um über 15 Prozent übersteigt, und wir haben europaweit eindeutig die geringste Jugendarbeitslosigkeit. Daher sollten wir auch po­sitiv zu diesem Budget und positiv zu dieser Regierung stehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Noch ein Wort zu den so genannten ÖGB-Aktionen. Kollegin Fekter hat ihren Problembereich bereits dargestellt. Gegen mich wird derzeit Mobbing betrieben. (Der Red­ner hält ein Schriftstück in die Höhe.) In meiner Gemeinde hat sich der ÖGB-Ableger von Wels dazu verstiegen, ein Flugblatt an jeden Haushalt auszuschicken, es auch auszutragen und die Leute persönlich zu besuchen. Darin wird darauf hingewiesen, was katastrophal ist, und es wird auch darum ersucht, Stimmung gegen den Bürgermeister Jakob Auer zu machen. Dazu ist auch meine private Telefonnummer abgedruckt und auch die der Gemeinde. Ich sage Ihnen


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ganz offen: Ich bitte keinen ÖGB-Funktionär, dass das abgestellt werden soll. Ich be­dauere eine Organisation, die zu solchen Mitteln greifen muss! – Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.42


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Ab­geordnete Silhavy. – Bitte.

14.43


Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatsse­kre­tär! Hohes Haus! Kollege Auer, ich nehme an, dass Sie auch als Bürgermeister zu Ihrer Ver­ant­wortung stehen, die Sie als Mitglied dieses Hauses zu tragen haben, und diese auch gegenüber Ihren Bürgerinnen und Bürgern wahrnehmen. Daher wird das für Sie ja kein Problem sein, denke ich.

Meine Damen und Herren! Der Finanzminister hat gestern mit flotten Sprüchen versucht, uns darüber hinwegzutäuschen, dass es sich um ein unsoziales Budget nach dem Motto „Statt Re­for­mieren bei ArbeitnehmerInnen Abkassieren“ handelt. Meine Damen und Herren! Vielleicht sollten Sie sich einmal vor Augen halten, dass der Wohlfahrtsstaat die moderne Form der Soli­darität ist. Es geht darum, das in Recht umzuformen, was früher eine Gnade war. Damit gibt man den Menschen Würde und Freiheit. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie, meine Damen und Herren, versuchen jetzt eine Sozialdemontage an den zuständigen Aus­schüssen vorbeizuschwindeln, indem Sie sie in ein Budgetbegleitgesetz hineinformulieren. Der Herr Bundesminister hat gestern, wie gesagt, einige flotte Sprüche gebracht. Einer war: „Die Steu­er­reform verleiht Österreich Flügel.“ – Wahrscheinlich hat er damit gemeint, dass das Bud­get Österreich Flügel verleiht, und hat damit auf die Eurofighter angespielt. Der zweite Spruch war: „Unternehmertum ist Denkkultur.“ Meine Damen und Herren! Was, bitte, ist Arbeit­nehmer­tum im Sinne Karl-Heinz Grassers, wenn er so mit Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenin­teres­sen umgeht? Das frage ich Sie. (Beifall bei der SPÖ.)

Der nächste flotte Spruch: „Es ist unser Ziel, in dieser Legislaturperiode allein in der Bundes­ver­waltung 3,2 Milliarden € einzusparen. Ich sage: Weg mit dem Speck!“ – Meine Damen und Her­ren! Wer ist denn der Speck, von dem der Finanzminister spricht? Sind es die Beschäftigten im öf­fentli­chen Dienst, sind es die Beamtinnen und Beamten, die hier als Speck bezeichnet wer­den? Ich halte solche Aussagen eines Finanzministers dieser Republik für skandalös! (Beifall bei der SPÖ.)

Da wir gerade beim Thema – eine Vorrednerin hat es ja bereits angesprochen – des Abbaus im öffentlichen Dienst sind: Herr Minister Bartenstein hat es leider vorgezogen, den Plenarsaal zu verlas­sen. Das tut mir sehr Leid. Ich hätte ihn gerne auf das Bundesfinanzgesetz 2003 und 2004 an­gesprochen, in dem, siehe da, auf einmal unter dem Kapitel Sicherung der Jugend­aus­bildung 0 € vorgesehen sind, aber auf der anderen Seite an Überbrückungshilfen für ehemalige öffentlich Bedienstete Euromillionenbeträge. Was heißt denn das, meine Damen und Herren? – Sie vertreiben Menschen aus dem öffentlichen Dienst in die Arbeitslosigkeit, und die Arbeitslo­sen­versicherung zahlt. Das ist Ihre Politik, das ist eine menschenverachtende Politik, der wir logischerweise nicht zustimmen können. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Es wird hier auch so vollmundig von Familienfreundlichkeit gesprochen. Zeitgleich mit Ihrer Poli­tik, mit der Sie den FLAF in ein Minus hineinmanövrieren, beschließen Sie eine Änderung der La­den­öffnungszeiten, unsoziale Arbeitszeitformen, von denen Tausende Beschäftigte, überwie­gend auch Eltern betroffen sind. (Abg. Steibl: Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?) Und da reden Sie in der Budgetrede groß von Familienpolitik. Das ist unseriös, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Klubobmann Scheibner ist leider nicht da. Ich hätte ihn gerne gefragt, wie ernst sein Zwi­schenruf zu nehmen ist. Er hat während meiner gestrigen Rede, in der ich ihm die Frage gestellt habe, ob wir diese Pensionsreform denn nicht erst im Herbst beschließen könnten, wenn die Maßnahmen ohnehin erst ab 2004 wirksam werden, gesagt: „Das können wir machen!“


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Meine Damen und Herren von der FPÖ! Jetzt frage ich Sie, was von dieser Äußerung Ihres Klub­ob­mannes zu halten ist. Heißt das, dass es möglich ist, die Pensionsreform aus dem Bud­getbegleitgesetz herauszunehmen und tatsächlich seriös hier im Haus zu verhandeln, wie das ja auch Kollege Dolinschek und Kollege Walch gegenüber dem „Standard“ gesagt haben und auch Kollege Scheuch nicht ausgeschlossen hat? Wie kann man denn zu Ihren Worten stehen? Was kann man denn von Ihnen verlangen? Wenn das jetzt sogar auch Ihr Klubobmann sagt, dann müssten Sie doch mit uns einer Meinung sein, dass diese Pensionsreform, diese Ent­eignungsaktion der Bundesregierung nichts im Budgetbegleitgesetz verloren hat, sondern dass das extra verhandelt werden müsste, dass man das Angebot der Sozialpartner annehmen sollte und auch den Aufruf des Herrn Bundespräsidenten, der ebenfalls empfiehlt, diese Reform auf Herbst zu vertagen und einer ordentlichen, anständigen und ausführlichen Behandlung zuzu­führen, damit es zu einer fairen und sozial gerechten Reform kommen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

14.47


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Ab­ge­ord­nete Rossmann. – Bitte.

14.48


Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundes­mi­nis­ter! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte kurz auf die Ausführungen von Kol­legin Silhavy eingehen, die vom Wohlfahrtsstaat gesprochen hat, der nicht antastbar sei. – Ich sage: Da bin ich völlig Ihrer Meinung! Allerdings kann man den Wohlfahrtsstaat auch über­ziehen, so wie in Deutschland, und man sieht, dass dort jetzt ein sozialdemokratischer Bun­des­kanzler vehemente Einschnitte machen und beispielsweise das Arbeitslosengeld drastisch kürzen muss. (Abg. Eder: Wir sind in Österreich!) Das ist wohl ein Zeichen dafür, wie man auch einen Wohlfahrtsstaat überziehen kann. Und ich sage auch, dass es in Österreich niemandem einfallen würde, solche Maßnahmen zu setzen wie ein sozialdemokratischer Bundeskanzler und sozialdemokratischer Finanzminister in Deutschland. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Silhavy: In Deutschland wurde davor aber jahrelang konservative Politik ge­macht – und das muss jetzt ausgelöffelt werden!)

Ich möchte aber auf das Budget in Österreich zurückkommen. Mir ist schon klar, dass dieses Bud­get Eckpunkte hat, die breit diskutiert werden sollen. Aber eines kann man nicht wegdis­kutieren, nämlich dass in ihm die größte Steuerreform der Zweiten Republik enthalten ist. (Abg. Eder: Das ist ja der Irrtum!) Die größte Steuerreform! Auch wenn es die Opposition nicht wahr­ha­ben will, fragen täglich viele Österreicherinnen und Österreicher danach. Glauben Sie mir, ich war viel unterwegs, bei Arbeitern, bei Unternehmern, und auch meine Reputation als ehemalige Staatssekretärin ist eng mit dieser Steuerreform verbunden, weil auch ich den Unternehmern in Ös­terreich, davon 45 000 Unternehmern im Tourismus, versprochen habe, dass diese Steuer­reform kommt.

Viele Österreicherinnen und Österreicher fragen sich aber, warum das nicht schon längst ge­schehen ist. Und ich antworte ihnen mit einer weiteren Frage: Warum ist das nicht bereits vor dem EU-Beitritt geschehen? Damals haben wir Freiheitlichen vehement gefordert, die so ge­nannten Hausaufgaben zu machen, nämlich Österreich EU-fit zu machen, die Betriebe EU-fit zu ma­chen, die Betriebe davor zu bewahren, in Billiglohnländer auslagern zu müssen, was jetzt je­doch passiert ist. Das ist die sozialdemokratische Handschrift in Österreich, ausgeführt durch einen sozialistischen Bundeskanzler und auch Finanzminister, damals noch Lacina. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber was hat der Finanzminister damals vor dem EU-Beitritt gemacht, anstatt die Betriebe zu unter­stützen? – Er hat diesen unsäglichen 13. Umsatzsteuertermin eingeführt, der mit dieser Re­­form jetzt Gott sei Dank wieder abgeschafft wird. (Abg. Dr. Matznetter: Den hat die Wirt­schaftstreuhänderkammer gefordert!) – Das war nicht die Wirtschaftstreuhänderkammer! Ich war Abgeordnete in diesem Haus und habe vehement dagegen gesprochen und dagegen ge­stimmt. Gott sei Dank gelingt es uns jetzt, das abzuschaffen!


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Ich möchte jedoch auch noch darauf eingehen, dass wir Freiheitliche bereits im Regierungs­überein­kommen 2000 diese Steuerreform verankert haben: die Abschaffung des 13. Umsatz­steu­er­termins, die Entlastung der nicht entnommenen Gewinne, wenn sie reinvestiert werden, und vor allem die Entlastung der untersten Einkommensgruppen. Auch da stellen sich die Ös­terr­eicher durchaus berechtigt die Frage, darunter auch wir: Warum ist das nicht früher ge­sche­hen? Warum war das nicht schon im August des vergangenen Jahres möglich, als sowohl der Kärnt­ner Landeshauptmann als auch unser Präsident Thomas Prinzhorn und unser Minister Gor­bach vehement eine Steuerreform eingefordert haben, und zwar durchaus auch um den Preis, vom Nulldefizit abzuweichen? Damals war das aber anscheinend noch nicht opportun. Des­­halb freut es mich umso mehr, dass es dieser Regierungsmannschaft, allen voran unserem Vize­kanzler Herbert Haupt gelungen ist, die größte Steuerreform der Zweiten Republik jetzt um­zusetzen. Auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen, ich kann es nur noch einmal sagen: Auch die Bezieher der niedrigsten Einkommen werden dadurch entlastet. Professor Van der Bellen hat das heute bestätigt. (Abg. Eder: Um 20 Cent!)

Ich denke, meine Redezeit ist zu Ende, Herr Präsident. Ich bin so diszipliniert und höre daher auf. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.52


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Das ist sehr liebenswürdig, Frau Abgeordnete, aber es handelt sich um eine freiwillige Redezeitbeschränkung.

Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Abgeordneter Brosz zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.52


Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Klubobmann Cap hat vorhin darauf aufmerksam gemacht, dass sowohl der Finanzminister als auch der zu­ständige Staatssekretär nicht anwesend sind. Inzwischen sind bereits zwei Reden gehalten worden, aber die beiden Herren sind immer noch nicht da.

Ich möchte daher darauf aufmerksam machen, dass es laut Kommentar zur Geschäftsordnung üblich ist, dass die zuständigen Minister bei der Behandlung von Regierungsvorlagen anwe­send sind, und die erste Lesung zum Bundesfinanzgesetz ist selbstverständlich eine Regie­rungsvorlage.

In diesem Zusammenhang stelle ich gemäß § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung den Antrag, den Finanzminister zu dieser Debatte beizuziehen.

14.53


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter, es ist selbstverständlich Ihr Recht, das zu verlangen. Ich habe gebeten, dass der Herr Finanzminister hierher kommt; er wird in 3 bis 5 Minuten hier sein. – Ich meine, diese Zeit werden wir überbrücken können. (Rufe bei den Grünen: Abstimmung! Abstimmung!)

Verlangen Sie eine Abstimmung? – Selbstverständlich, bitte gerne.

Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, Platz zu nehmen. (Präsident Dipl.-Ing. Prinz­horn gibt das Glockenzeichen.)

Haben alle Platz genommen? – Jawohl, das ist der Fall.

Es gibt einen Antrag betreffend die Herbeischaffung des Herrn Finanzministers Mag. Karl-Heinz Gras­ser.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Wünschen Sie eine Aus­zählung, oder sind Sie damit einverstanden, wenn ich entscheide, dass dies die Minderheit ist? (Ruf bei den Grünen: Auszählen!) – Jawohl, Auszählung, bitte sehr.


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Der Herr Beisitzer hilft mir zählen. Sie beginnen hier, ich beginne dort. – Es sind 46 stehende und 63 sitzende Abgeordnete. (Abg. Scheibner: Gusenbauer war nicht da!) – Damit ist der An­trag abgelehnt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. – Bitte.

14.55


Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich stelle fest, dass heftiger Applaus ertönte dafür, dass es von der Mehrheit als nicht notwendig erachtet wurde, dass der Finanzminister oder der Staatssekretär für Finanzen dieser Debatte beiwohnt. Offensichtlich scheint es also doch so zu sein, dass man einige Kolonnen noch nachrechnen und nachzählen beziehungsweise einige Formulierungen ausbessern muss, und das erfordert eben seine Zeit. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte mich aber trotzdem auf die Ausführungen des Herrn Finanzministers Grasser be­ziehen, der in seiner Budgetrede festgestellt hat – das klingt ja immer sehr gut und entspricht auch bestimmten Ideologien ganz besonders –, man möge die Unternehmen von Fesseln be­freien, man möge so wenig Steuern wie möglich verlangen – ich verkürze jetzt etwas – und man mö­ge so viele gesetzliche Regelungen wie möglich streichen, denn das würde einen entspre­chenden Anreiz für Investitionen darstellen.

Nun gebe ich dem Herrn Minister in einigen Bereichen durchaus Recht. Regelungen in Berei­chen der Gewerbeordnung dahin gehend, wann welches Gewerbe unter welchen Bedingungen und, wenn nein, warum nicht tätig werden darf, sind schon längst überfällig, aber jegliche No­vellierung wird da auf Grund brancheninterner Streitereien blockiert. Deswegen stürzt man sich ja auf andere Bereiche. Wenn wir aber davon reden, die Unternehmen von Fesseln zu befreien oder Steuern zu senken, so muss es denn doch auch noch darum gehen, dass zumindest die be­stehenden Regelungen eingehalten werden, und dazu wird es auch einiges an Kontrolle brau­­chen.

Meine Damen und Herren! In der letzten Budgetdebatte – ich kann mich noch gut daran erin­nern – gab es noch so etwas wie eine Debatte darüber, dass man in Zukunft Sozialbetrug ver­fol­gen würde. Nun hat Minister Böhmdorfer in einer „Pressestunde“ eine authentische Definition dieses Verfolgens von Sozialbetrug gegeben. Das schaut mehr oder minder so aus, dass man jedem, der sich im Krankenstand befindet, einen Kontrollor schickt. Die Kontrollen in anderen Bereichen sind dagegen mehr als mangelhaft. Ich denke nur daran, wie viel an Abgabenhinter­zie­hung mittlerweile gerichtsnotorisch geworden ist. Es gibt Verurteilungen vor deutschen Ge­richten wegen Nichtanmeldung von Fernfahrern, von Beschäftigten im Fernfahrergewerbe. Da wird nicht kontrolliert, meine Damen und Herren, da entgehen dem Staat und der Allge­meinheit aber Abgaben in Millionenhöhe! Offensichtlich tut das keinem von Ihnen weh. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie wollen diesen Sozialbetrug offensichtlich nicht verfolgen, Sie wollen diese großflächigen Abgabenhinterziehungen in bestimmten Branchen nicht verfolgen. Nein, die Unternehmer sollen vielleicht auch noch von den Fesseln befreit werden, dass sie ihre Angestellten und Arbeitneh­mer­Innen anzumelden haben. Das muss ich vermuten, wenn ich diesen Diskussionen länger zuhöre.

Meine Damen und Herren! Da entgehen dem Staat Abgaben in Millionenhöhe, die wir für das So­­zialversicherungs- und Pensionssystem mehr als dringend bräuchten. Dann müssten wir näm­lich nicht in die Rechte von Beziehern von Mindesteinkommen einschneiden und diese noch weiter reduzieren.

Auch gute Unternehmer leiden unter dem, was die schwarzen Scha­fe in der Branche jeweils anstellen, auch gute Unternehmer werden dadurch in einen Wettbe­werb nach unten gezwun­gen. Meine Damen und Herren! Engagieren Sie sich doch einmal für Kontrol­len in diesen Be­reichen, dann würden Sie wieder etwas an Glaubwürdigkeit in Bezug auf Wirt­schafts­politik und Abgabenpolitik insgesamt zurückgewinnen! (Präsident Dr. Khol über­nimmt wieder den Vorsitz.)


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Meine Damen und Herren! Dazu brauchen wir ein Netz von Kontrollstellen für den Schwerver­kehr in ganz Österreich und nicht nur ein Musterprojekt und das Versprechen von einigen mehr, das jetzt im Wahlkampf erfolgte, von denen wir aber nicht wissen, wie viele davon am Schluss noch übrig bleiben werden.

Zum Abschluss, meine Damen und Herren, einen Satz zum Verlauf der Debatte. Ich muss sa­gen, als Mensch, der sich für Geschichte interessiert und der sich mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts intensiv auseinander gesetzt hat, läuft es mir immer kalt über den Rücken, wenn auf eine ganz bestimmte Art und Weise Gewerkschaften angeschwärzt werden und wenn gegen Gewerkschaften gehetzt wird. Meine Damen und Herren! Gehen Sie ab von diesem sehr gefährlichen Weg! – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Ellmauer: Verdrehen Sie nicht die Tatsachen, Frau Kollegin!)

15.00


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 42/AB


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zu einer kurzen Debatte über die Anfragebeant­wortung des Herrn Bundesministers für Inneres mit der Ordnungszahl 42/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt, sodass sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Ich weise darauf hin, dass der Herr Bundesminister für Inneres heute durch Frau Bundes­ministerin Maria Rauch-Kallat vertreten ist.

Zur Einleitung der Debatte erteile ich das Wort Herrn Abgeordnetem Mag. Maier. Sie haben die­ses für 10 Minuten. – Bitte.

15.01


Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bun­des­minister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin etwas irritiert, dass heute nicht der zuständige Bundesminister, der die politische Verantwortung für die Vollziehung des Meldegesetzes trägt, hier auf der Regierungsbank sitzt, sondern Sie, Frau Bundesministe­rin Rauch-Kallat. Ich ersuche Sie daher, die Ausführungen, die von mir kommen, nicht persön­lich zu nehmen, denn verantwortlich für die Vollziehung des Meldegesetzes, und zwar für die rechts­widrige Vollziehung des Meldegesetzes, ist ausschließlich der Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mir lange den Kopf darüber zerbrochen: Was hat sich dieser Bundesminister Strasser eigentlich gedacht, als er zwei Support-Verord­nungen nach dem Bundeshaushaltsgesetz erlassen hat? – Die einen haben gesagt, das war gar nicht seine Idee, das war die Idee des Finanzministers, um durch den Verkauf von Melde­da­ten österreichischer Bürger höhere Einkünfte zu erzielen! Andere wiederum haben gesagt: Das stimmt gar nicht, denn Strasser weiß ganz genau, was er tut! Am besten konnte man das bei dem Postenschacher, der gezielt von ihm angezettelt wurde, nachvollziehen. – Und ich glau­be ebenfalls, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass Bundesminister Strasser dafür aus­schließ­­lich verantwortlich ist. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Worum geht es bei der Vollziehung des Meldegesetzes? – Es geht darum, um es sehr klar zu formulieren, dass durch die beiden Support-Verordnungen die Anzahl der Abfragen aus dem Zentralen Melderegister erhöht werden soll; sie soll innerhalb von zwei Jahren verdreifacht wer­den.

Und jetzt geht es natürlich um die Frage: Wer hat Zugriff auf diese zentralen Meldedaten? – Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt eine ganz klare Regelung im Meldegesetz: Eine Abfrageberechtigung ist nur jenen Personen zu erteilen, die regelmäßig Meldeauskünfte


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zur erwerbsmäßigen Geltendmachung oder Durchsetzung von Rechten oder Ansprüchen benö­ti­gen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen ganz genau: Österreich hat eine Rechts­kultur, wir haben die ordentlichen Gerichte, die für die Durchsetzung von Rechten zuständig sind. Aber an wen wurde nun diese Abfrageberechtigung vergeben? – An Inkassobüros! Und jetzt soll mir einer erklären, ob Inkassobüros in Österreich nach der Rechtsprechung des Obers­ten Gerichtshofes, nach der Gewerbeordnung dafür zuständig sind, Ansprüche und Rechte durchzusetzen?

Wenn nun diese Inkassobüros diese Abfrageberechtigungen bekommen, wissen Sie, was dann passiert? – Sie suchen einen Schuldner. Dann haben sie seine Meldedaten, und dann steht ein Mitarbeiter des Inkassobüros mit einem Schild vor dem Haus dieses Schuldners, und auf diesem Schild steht: Herr Müller schuldet uns 100 000 €! – Genau das ist zu befürchten: dass mit diesen Meldedaten Missbrauch betrieben wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich sage Ihnen noch ein anderes Beispiel: Berufsdetektive sind in Österreich nicht für die Durch­setzung von Ansprüchen oder Rechten zuständig. Das widerspricht der österreichischen Rechts­­ordnung. Stellen Sie sich nur eines vor: Ein Berufsdetektiv bekommt, wie wir wissen, die­sen Zugriff auf die Meldedaten – rechtswidrigerweise! –, und dann bekommt er einen Auftrag von einem Mann. Dieser Mann sucht seine Ex-Frau. Die Ex-Frau hat ihn verlassen, weil sie von ihm geschlagen wurde – und auf einmal bekommt dieser Ex-Mann die Meldedaten, die er sonst nicht bekommen würde, eben vom Berufsdetektiv!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das sind genau die Probleme, die wir im Daten­schutzrat aufgezeigt haben, als es um die Frage des Meldegesetzes gegangen ist, die wir in der Debatte um das neue Meldegesetz aufgezeigt haben, aber unsere Argumente haben nicht ge­fruchtet. Sie haben das beschlossen, und ich halte fest: Bundesminister Strasser vollzieht die­ses Bundesgesetz rechtswidrig, weil er Abfrageberechtigungen an Personen vergibt, die die Voraussetzungen des Meldegesetzes nicht erbringen. (Beifall bei der SPÖ und den Grü­nen.)

In der Begründung der diesbezüglichen parlamentarischen Anfrage meinte Bundesminister Stras­ser noch, es wäre alles in Ordnung. Er meint, wenn jemand die Abfrageberechtigung hat, dann müsse zumindest Vor- und Familienname – und jetzt kommt es! –, das Geburtsdatum und ein zusätzliches Merkmal, ein zusätzlicher Bestandteil der Meldedaten angegeben und schließ­lich das Geburtsdatum bestimmt werden.

Meine Damen und Herren! Was Bundesminister Strasser da mitgeteilt hat, ist unwahr! Ich halte das hier fest. Die Anfragebeantwortung stammt vom 17. März. Bereits vorher war bekannt, dass ös­terreichische Unternehmen damit geworben haben, ohne Bekanntgabe des Geburtsdatums ins Zentrale Melderegister zu kommen. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits mehrere Verfahren in der Datenschutzkommission – und auch im Bundesministerium für Inneres. Glauben Sie, wir lassen uns verarschen, meine sehr verehrten Damen und Herren?! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – He-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Da hat Bundesminister Strasser die Unwahrheit gesagt, wider besseres Wissen, und er hat die rechtswidrige Vergabe damit gerechtfertigt. (Rufe bei der ÖVP: Sprache!) Die Verantwortung da­für – ich sage es noch einmal – trägt allein Bundesminister Strasser! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sage es Ihnen noch einmal: Ich bin als Abge­ord­neter gewohnt, dass ich nicht angelogen werde. Wenn ich eine Frage stelle, dann möchte ich eine korrekte Antwort haben. Diese Antwort ist unkorrekt, und ich betone noch einmal: Nicht Sie, Frau Bundesministerin Rauch-Kallat, sind damit gemeint, sondern hier müsste Bundes­minister Strasser sitzen, um sich zu rechtfertigen!

Wir haben noch weitere Bedenken. Derzeit ist eine Verordnung in Begutachtung, nämlich das Zentrale Vereinsregister. Frau Bundesministerin, vielleicht können Sie Herrn Bundesminister Strasser Folgendes übermitteln: Wir hoffen nicht, dass es auch hier eine derartige Verordnung


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nach dem Bundeshaushaltsgesetz gibt, nämlich dass die Möglichkeit besteht, die Vereinsdaten entsprechend zu verkaufen und zu verwerten. Ich halte fest: Das wäre nicht nur rechtswidrig, sondern auch verfassungswidrig.

Ich möchte das hier mit allem Nachdruck festhalten, denn es muss im Interesse aller Österrei­cherinnen und Österreicher liegen, dass die Datensicherheit gewährleistet ist. Bei diesem Bun­desminister ist die Datensicherheit nicht gewährleistet. Wir trauen diesem Bundesminister nicht. Wir wissen von seinen Personalversetzungen, die am Rande des Amtsmissbrauches pas­siert sind, und ich halte nochmals fest: Der Herr Bundesminister hat auf Grund der Bundes­gesetze eine rechtskonforme Vollziehung zu gewährleisten. (Abg. Mag. Molterer: Das tut er!)

Wir Sozialdemokraten lehnen Datenschacher und Datenhandel in der beschriebenen Form mit allem Nachdruck ab! Einmal ist Zahltag – und für Bundesminister Dr. Strasser wird spätestens am Wahltag dieser Zahltag sein. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.10


Präsident Dr. Andreas Khol: Der Herr Bundesminister für Inneres hält sich in einem Mitglied­staat der Europäischen Union – konkret wird Frau Bundesministerin Rauch-Kallat dazu Aus­kunft geben – auf. Gemäß Art. 73 Abs. 3 der Bundesverfassung kann ein Minister den beige­ge­benen Staatssekretär – einen solchen hat er aber nicht – oder einen Bundesminister mit seiner Vertretung betrauen.

Der Herr Bundesminister für Inneres hat gemäß Art. 73 Abs. 3 der Bundesverfassung Frau Bun­desministerin Maria Rauch-Kallat beauftragt, ihn zu vertreten.

Diese hat sich zur Abgabe einer Stellungnahme gemeldet. Sie erhält das Wort. Ihre Wortmel­dung, Frau Bundesministerin, soll nicht länger als 10 Minuten sein. – Bitte.

15.11


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Lassen Sie mich zuerst Herrn Bundesminister Stras­ser entschuldigen: Er befindet sich in Brüssel beim ersten Ministerrat der Justiz- und In­nen­minister, der gemeinsam mit den „Erweiterungsministern“ stattfindet – also den betreffenden Ministern der zehn Erweiterungskandidaten oder jetzt auch schon aufgenommenen Mitglied­staaten –, wo es um sehr wichtige Anliegen geht, unter anderem auch um die Regelung im Be­reich Asyl und Migration und um das Thema der sicheren EU-Außengrenzen. Es ist daher sehr wichtig, dass unser Innenminister, der Innenminister eines Landes, das einen Großteil dieser Außengrenzen hat, dort teilnimmt, und ich bitte Sie daher, mit mir und der Beantwortung durch mich vorlieb zu nehmen.

Ganz zu Beginn möchte ich aber entschieden Ihre Behauptung, Herr Abgeordneter Maier, zu­rückweisen, dass Innenminister Strasser Ihnen in der Beantwortung Ihrer parlamentarischen Anfrage die Unwahrheit gesagt hat. Das lasse ich sicher nicht auf ihm sitzen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ganz kurz zur Sache: Mit dem Bundesgesetz, mit dem das Meldegesetz 1991, das Volkszäh­lungs­gesetz 1980 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden, wurde die Grundlage für die Errichtung des Zentralen Melderegisters geschaffen. Gleichzeitig erfolgte die Übertragung der meldebehördlichen Kompetenz in den Städten, in denen Bundespolizei­direktionen bestehen, auf die Bürgermeister.

Mit der Meldegesetz-Durchführungsverordnung wurde nach dem Probebetrieb des Zentralen Melderegisters der Echtbetrieb dieses Registers ermöglicht. Selbstverständlich finden sich – vor allem auch im Hinblick auf die Möglichkeit der Online-Abfrage – all jene Bestimmungen, die bereits für den Aufbau und das Befüllen des Zentralen Melderegisters geregelt waren, in dieser Verordnung wieder. Insbesondere aber wurde allen datenschutzrechtlichen Bestimmungen des Datenschutzgesetzes 2000 Rechnung getragen.


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Die Erarbeitung der Verordnung erfolgte in enger inhaltlicher Abstimmung mit dem Bundeskanz­ler­amt/Verfassungsdienst unter Mitbefassung der Datenschutzkommission. Speziell vorgesehen ist, dass alle Abfragen und sonstigen Verwendungen, wie zum Beispiel Änderungen oder Über­mittlungen aus dem Zentralen Melderegister, lückenlos protokolliert werden. Für Online-Abfra­gen ist überdies ein wesentlich strengeres Regime vorgesehen, als das bislang für Meldeaus­künf­te jemals im Meldegesetz normiert war. Online-Abfragen dürfen nur für bestimmte im Ge­setz vorgesehene Zwecke – nämlich für die erwerbsmäßige Geltendmachung von Rechten oder Ansprüchen – erfolgen. Bislang – auch unter sozialistischen Innenministern – musste für eine Mel­de­auskunft in keinem Fall auch nur irgendeine Begründung oder Rechtfertigung vorge­bracht werden.

Mit Stichtag 1. Jänner 2003 waren 706 Anträge für Online-Abfrageberechtigungen genehmigt; es handelt sich dabei zum Beispiel um Rechtsanwälte, Banken, Versicherungen oder Inkasso­büros. In jedem einzelnen Fall wird bei der Antragstellung die Glaubwürdigkeit der vorge­brach­ten Begründung überprüft. Darüber hinaus wird jedem Verdacht auf eine nicht rechts­kon­forme Verwendung der erteilten Abfrageberechtigung unverzüglich nachgegangen; bislang wurden bereits zwei Zugriffsberechtigungen entzogen.

Für Online-Abfragen sind ebenso wie für alle sonstigen Meldeauskünfte Verwaltungsabgaben zu entrichten. Es handelt sich dabei nicht um einen „Datenverkauf“, wie öfters behauptet wurde, son­dern um einen Beitrag zur teilweisen Deckung der Kosten der Verwaltung für diese Tätig­keit. Verwaltungsabgaben sind keine Besonderheit des Melderechts, sondern sind auch in je­dem anderen Verwaltungsbereich schon auf Grund der allgemeinen Verwaltungsverfahrens­­gesetze vorgesehen.

In der gesamten Diskussion wird leider stets vergessen, dass es sich beim Zentralen Meldere­gis­ter um ein öffentliches Register nicht nur im Sinne des Datenschutzgesetzes, sondern vor allem auch im Sinne der EU-Datenschutzrichtlinie handelt. Die Daten „Hauptwohnsitz“ und „letzter Hauptwohnsitz“ sind öffentliche Daten, das heißt, diese Daten sind zur Information der Öffentlichkeit bestimmt und sind daher auch entsprechend zugänglich.

Durch die angeführte Novelle und die Meldegesetz-Durchführungsverordnung wurde die Grund­la­ge für eine moderne, bürgerfreundliche und zugleich sparsame Verwaltung geschaffen. So konnte nicht nur eine deutliche Reduktion des Verwaltungsaufwandes im meldebehördlichen Be­reich durch die Nutzung des One-Stop-Shop-Prinzips erreicht werden, sondern vor allem auch eine wesentliche Verkürzung beziehungsweise Vermeidung von Behördenwegen für Menschen, die eine Meldeauskunft benötigen.

Das Zentrale Melderegister wird nicht nur künftig die Drehscheibe für das gesamte E-Govern­ment darstellen, sondern ist bereits heute ein Musterbeispiel für innovative Verwaltung.

Lassen Sie mich abschließend noch kurz etwas dazu sagen. Ich habe mich bei der Auseinan­der­setzung mit dieser Anfrage auch damit beschäftigt, was denn eigentlich an Abfragen aus diesem Melderegister online möglich ist. Wenn Sie Name und Geburtsdatum des Betreffenden haben, dann erfahren Sie aus dem Melderegister nicht mehr und nicht weniger als dessen Hauptwohnsitz oder dessen letzten Wohnsitz in Österreich – etwas, was man bis vor kurzem in jedem amtlichen Adressbuch in jedem Postamt auch erfahren konnte. Daher kann ich die Aufregung, die Sie heute hier an den Tag legen, wirklich nicht nachvollziehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

15.18


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Redezeit der nunmehr zum Wort gemeldeten Abgeordneten beträgt 5 Minuten.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kößl. – Bitte.

15.18


Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminis­ter! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! An die Adresse des Kollegen Maier: Ich


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habe 30 Jahre SPÖ-Innenminister hinter mir (Abg. Mag. Johann  Maier: Sie haben es über­lebt!), und es gibt, glaube ich, keine Epoche, in der es mehr Parteipolitik im Innenressort gege­ben hat als zu dieser Zeit. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Gaál: Sie haben sie überlebt, die SPÖ!)

Kollege Maier, gestern haben wir die erste Lesung gehabt, heute haben wir eine kurze Debat­te – und ich habe nichts Neues von dir gehört. Die von dir an Bundesminister Dr. Strasser ge­rich­te­te Anfrage wurde punktgenau beantwortet, und ich frage mich überhaupt, warum wir heute hier stehen und diese Kurzdebatte haben.

Es gibt überhaupt keinen Grund, dem Meldegesetz misstrauisch gegenüberzustehen! Unser Mel­degesetz – und ich habe das auch gestern gesagt – wurde im Jahr 2001 ausgezeichnet no­velliert. Es ist modern, zukunftsorientiert, bürger- und serviceorientiert. Es gibt auch in Bezug auf den Datenschutz überhaupt nichts daran auszusetzen. Es stimmt auch nicht – das wurde un­richtig dargestellt und fälschlich behauptet –, dass die Datenschutzkommission in irgendeiner Art und Weise Bedenken angemeldet hat.

Die im Jahre 2001 gemachten Unkenrufe und vorgebrachten Bedenken wurden heute eins zu eins übernommen. Es gibt keinen gläsernen Menschen und auch keine Verletzung des Grund­rechtes. Ich bitte euch, verunsichert nicht und malt nicht den Teufel an die Wand! Es gibt beim Meldegesetz keinen Teufel!

Das Zentrale Melderegister – das hat Frau Bundesminister Rauch-Kallat ganz deutlich darge­stellt – ist ein öffentliches Register. Es kann der Hauptwohnsitz einer Person abgefragt werden.

Zu den Online-Abfragen, auf die immer wieder eingegangen wird und auch gestern einge­gangen wurde: Erstens einmal braucht man eine Bewilligung, eine Berechtigung. Da gibt es gen­aue Bestimmungen dafür, wann man eine Berechtigung, eine Bewilligung bekommt. Es ist auch gesagt worden, man braucht den Vor- und Zunamen, das Geburtsdatum und ein anderes Merkmal. Wenn man diese Daten hat, dann kann es doch keine Datenschutzverletzungen im persönlichen Bereich geben! Wenn meine Daten weitergegeben werden, dann habe ich das Recht, dass dieser Missstand überprüft wird. Da der ganze Abfragevorgang, der Modus nach­vollziehbar und protokolliert ist, gibt es auch überhaupt keinen Grund, zu glauben, dass es, wenn ein Missbrauch passiert, keine Maßnahmen, keine Sanktionen in diesem Bereich gibt. Und das ist eben der Entzug der Berechtigung durch das Bundesministerium für Inneres.

In der Unterlage steht genau, dass es zirka 10 000 anlassbezogene Überprüfungen gegeben hat, wobei zwei Missbräuche festgestellt wurden, und das sind genau zwei Missbräuche zu viel, da gebe ich dir Recht. Aber diese zwei bei 10 000 sind vernachlässigbar, denn wir wissen ganz genau: Wenn jemand ein Gesetz verletzen oder einen Missbrauch begehen möchte, dann wird er dies auch tun. Man kann das sicherlich nicht immer verhindern.

Geschätzte Damen und Herren! Es gibt keinen unkontrollierten Zugang für Privatpersonen zu diesen Meldedaten. Es gibt genaue gesetzliche Grundlagen. In § 1 des Meldegesetzes ist das bereits verankert. Sämtliche Abfragen sind protokolliert und nachvollziehbar.

Abschließend: Kollege Maier, du wirst wahrscheinlich im „WirtschaftsBlatt“ die Glosse „Indis­krete AK“ gelesen haben. Diesem Artikel zufolge hat die Arbeiterkammer im Gefolge eines Beru­fungs­verfahrens nach einer Ausschreibung für einen neuen Internet-Auftritt Daten des An­trag­stellers bekannt gegeben. – Wenn das stimmt, dann gehören dort ebenfalls die vorge­se­henen Maßnahmen gesetzt, und zwar der Entzug dieser Berechtigung. Wenn man im Glas­haus sitzt, dann sollte man nicht mit Steinen werfen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitli­chen.)

15.23


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist nunmehr Herr Abgeordneter Parnigoni gemeldet. 5 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

15.24


Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sie haben es na­türlich heute etwas schwer, weil Sie mit dieser Materie nicht vertraut sind. Aber auch wenn


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sich Bundesminister Strasser in Brüssel befindet, bleibt es doch (Zwischenbemerkung von Bundes­mi­nisterin Rauch-Kallat) – nein, nein, das bestreite ich nicht – dabei, dass er bei dieser Anfra­ge­be­antwortung die Unwahrheit gesagt hat, denn er hat auf Frage Nummer 28 geant­wortet, dass eine derartige Abfrage nur dann möglich ist, wenn Vorname, Familienname, das Geburtsdatum und ein zusätzliches Merkmal bekannt gegeben werden.

Faktum ist, dass vor Beantwortung dieser Anfrage bereits Firmen, etwa die Firma PROINFORM oder ADVOKAT, massiv geworben haben damit, dass man auch ohne Angabe des Geburts­da­tums in das Zentrale Melderegister hineinkommen kann. Daraus ergibt sich, dass in dieser An­frage­be­antwortung von Minister Strasser die Unwahrheit gesagt wurde. Das möchte ich ein für alle Mal klar festhalten. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf: Stimmt ja nicht! – Abg. Dr. Trinkl: Es wird nicht richtiger, wenn man es wiederholt!)

Meine Damen und Herren, zum Zweiten: Es ist auch ganz besonders interessant, dass Herr Bun­desminister Strasser in den Erläuterungen der Verordnung, die er erlassen hat, festge­halten hat, dass Werbemaßnahmen gesetzt werden sollen, damit etwa die Zahl der Abfragen aus dem Zentralen Melderegister massiv erhöht wird, um so entsprechend Geld machen zu können. Im Jahre 2002 – das hat er selbst in seiner Anfragebeantwortung festgehalten – hat er immerhin schon fast 700 000 € durch Datenhandel eingenommen. Es hat immerhin über 300 000, näm­lich an die 363 000 Abfragen gegeben, und zwar nicht (Abg. Kößl: Datenhandel hat es vorher auch gegeben! Meldeanfragen hat es immer gegeben!) – Moment! – an Beamte, son­dern eben an Anwälte und so weiter. (Abg. Kößl: Berechtigte!)

Das Ziel, das Herr Minister Strasser damit verfolgt, ist doch in Wirklichkeit, als Datenhändler sein Budget aufzufetten – und das zu Lasten des Rechtsstaates und des Grundrechtes auf Da­ten­schutz! Das lehnen wir Sozialdemokraten natürlich massiv ab! (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Eines noch dazu: Da wird von Kontrolle gesprochen. Und in der Anfragebe­ant­wortung sagte Herr Minister Strasser, im Jahre 2002 seien 10 000 Kontrollen vorgenommen worden. – Ich will ja nicht von den 18 Millionen Abfragen aus dem Bereich der Beamten reden (Abg. Kößl: Die Beamten sind eine ganz andere Schiene!), aber wenn ich davon ausgehe, dass von den 363 000 Abfragen 10 000 kontrolliert wurden, so heißt das, dass drei Beamte – 20 Mi­nuten braucht man für solch eine Kontrolle – ein ganzes Jahr lang diese Abfragen hätten kontrol­lieren müssen. Also das hupfen Sie mir vor, Herr Kollege Kößl oder Frau Minister! Fra­gen Sie den Herrn Bundesminister, wo er diese drei Beamten hat, die diese 10 000 Kontrollen durchgeführt haben! Das schaue ich mir an, ob das jemals stimmen konnte!

Kollege Kößl! Seit 1945 – das kann ich Ihnen sagen – hat es noch niemals so viele rechts­widri­ge Personalbesetzungen gegeben – wie haben Sie gesagt? – wie der „Teufel“, haben Sie ge­sagt (Abg. Kößl: Die hast du vorher nicht gesehen bei einem SPÖ-Innenminister! Ich habe 30 Jah­re sozialistische Innenminister hinter mir! Komm mir nicht so!) – wie in der Ära Strasser. So viele rechtswidrige Besetzungen hat es nur in der Ära Strasser gegeben! Das können Sie sich ins Stammbuch schreiben! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Auch gegen diese Vorgangsweise werden wir uns mit aller Kraft zur Wehr setzen und werden jeden Kollegen massiv unterstützen, der von Herrn Minister Strasser auf diese Art und Weise behandelt wird.

Sie können sicher sein, meine Damen und Herren, dass wir alles tun werden, damit die Vorga­ben des Datenschutzrates auch in dieser Causa erfüllt werden, denn der Rechtsstaat und das Grundrecht auf Datenschutz müssen etwas wert sein in unserem Lande. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kößl: Es ist auch gewahrt!)

15.28


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

15.28


Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Herr Abgeordnete Maier hat am Ende seiner Rede gesagt: Einmal ist Zahltag. –


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Das fasse ich doch glatt als Drohung auf. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Genau!) Wenn das der parla­men­tarische Stil des Abgeordneter Maier und der Sozialdemokraten ist, dann, meine ich, könnte er dazu noch einmal Stellung nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Aber da wir gerade von Zahltag sprechen. Bevor ich auf den Inhalt eingehe, komme ich zu einer Spe­zialität des Abgeordneten Maier. Er ist nämlich Anfragespezialist. Sehr geehrte Damen und Herren, allein in dieser Gesetzgebungsperiode, das heißt seit 20. Dezember 2002, seit vier­einhalb Monaten, hat Herr Abgeordneter Maier 71 Anfragen gestellt. (Demonstrativer Beifall und Bravo-Rufe bei der SPÖ.) Sie werden mit dem Applaudieren noch aufhören, warten Sie nur. Bei 71 Anfragen – diese Anfrage beinhaltet zum Beispiel 30 Fragen – würde das in viereinhalb Mo­na­ten allein 2 100 Fragen bedeuten. – Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, be­zeich­ne ich als geradezu klassischen Fall von Missbrauch der Nationalratsgeschäftsordnung. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das ist nicht nur Missbrauch, sondern es entstehen dadurch auch enorme Kosten, sehr geehr­ter Herr Kollege Maier. Mit Ihrer Anfragenflut sind Sie ganz sicher der teuerste Nationalrats­abge­ordnete hier im Hause. Das garantiere ich Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwi­schenrufe bei der SPÖ sowie Gegenrufe bei den Freiheitlichen.)

Diese Ihre Anfragen dienen meines Erachtens hauptsächlich dem Zweck, sich in den Medien in Szene zu setzen. Das heißt, der Steuerzahler zahlt mit Millionen die PR des Herrn Abgeord­neten Maier – sonst gar nichts! (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich habe mir natürlich auch die Mühe gemacht, mir diesbezüglich nicht nur die XXII. Gesetz­gebungsperiode, sondern auch die XXI. Gesetzgebungsperiode anzusehen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Gemach, gemach! Wissen Sie, wie viele Anfragen Herr Abgeordneter Maier in der XXI. Gesetzgebungsperiode gestellt hat? – Gezählte 508 Anfragen! Immer noch gut? (Demon­stra­tiver Beifall bei der SPÖ.) Noch gut! Nehmen wir wieder 30 Fragen, dann sind es 15 000 Fragen, die in drei Jahren gestellt wurden. Wenn Sie, die Sie jetzt hier applaudieren, wirklich glauben, dass das seriös ist, na dann guten Abend! Mehr kann ich dazu nicht sagen!

Zum Inhalt: Herr Abgeordneter Maier ebenso wie auch viele Grüne sehen beim Umgang mit Daten na­türlich sofort „Missbrauch“. – Der Datenschutz verkommt aber mitunter zu einem Täterschutz, wenn man so vorgeht, meine sehr geehrten Damen und Herren! Darauf weise ich in diesem Zu­sammenhang schon auch hin.

Und was dieses Meldegesetz betrifft, so haben wir bereits gestern darüber gesprochen. Ein weiterer Fall von Missbrauch der Geschäftsordnung: Gestern wurde in einer ersten Lesung darüber gespro­chen, es wird im Parlament behandelt, aber nein, es muss heute noch eine Anfragebesprechung da­zu­kommen – obwohl Sie wissen, dass Herr Bundesminister Strasser gar nicht hier sein kann! Auch das ist ein Fall von Missbrauch der Geschäftsordnung, meine Damen und Herren, weil es nicht dem Zweck dient, den diese Norm vorsieht.

Das Meldegesetz ist modern, gut, transparent und vor allem auch unbürokratisch. Jede Anfrage wird protokolliert; das System speichert alles.

Mit seiner Anfragenflut kostet Kollege Maier wahrscheinlich mehr als der Bundespräsident von Österreich. Sie sollten sich in Zukunft überlegen, ob Sie diese Geldverschwendung wirklich wei­ter fortsetzen wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.32


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. 5 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

15.32


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzte Frau Bundesministerin! Wissen Sie, wie viele Anfragen die 18 Abge­ord­neten der Freiheitlichen Partei in den letzten fünf Monaten gestellt haben – wir bekommen alle


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gleich viel bezahlt!: rund 7 000 € brutto, damit die Zuhörerinnen und Zuhörer das wissen –: kei­ne einzige! Keine einzige Anfrage in fünfeinhalb Monaten! (Oh-Rufe bei der SPÖ. – Gegen­rufe bei den Freiheitlichen.)

Wenn ich mich recht erinnere – das kann ich jetzt allerdings nicht belegt sagen, ich schaue aber die Parlamentspost relativ genau durch –, ist auch kein einziger Initiativantrag von Abgeordne­ten der FPÖ gekommen. Ab und zu, muss ich sagen, reden manchmal noch Abgeordnete der FPÖ im Plenum. Aber jetzt könnte ich mich fragen – anschließend an die Ausführungen des Herrn Mai­noni –: Wofür bekommen die bezahlt? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Kollegin! Weil wir Gesetze machen! Sie fragen, wir machen Gesetze!)

Die gesetzlichen Rechte, die Ihnen zustehen, nehmen Sie nur sehr mäßig in Anspruch. Aber, mei­ne sehr geehrten Damen und Herren, das ist mir nur deshalb eingefallen, weil Kollege Mai­noni hier ständig Kollegen des Nationalrates, in diesem Fall heute Herrn Abgeordnetem Maier, „Missbrauch der Geschäftsordnung“ vorwirft. Die Geschäftsordnung ist ein Gesetz. Der Vorwurf „Miss­brauch der Geschäftsordnung“ würde bedeuten, dass es sich um den Bruch eines Ge­setzes handelt, und ist somit ein sehr schwer wiegender Vorwurf.

Ich möchte insgesamt das, was wir heute im Zuge der Debatte vor allem auch zum Bundesfi­nanz­gesetz, erste Lesung, erlebt haben, etwas relativieren, was das Demokratieverständnis ein­­zel­ner Abgeordneter angeht, was Rechte von Parlamentariern betrifft, was Rechte von Ar­beit­nehmerinnen und Arbeitnehmern betrifft, auch Rechte von Mitgliedern von Vereinen – und vor allem auch das, was man in Österreich Streikrecht nennt, und das, was über Jahrhunderte, muss man jetzt schon sagen, an Rechten erkämpft wurde. (Abg. Kößl: Kollegin! Zur Sache!)

Da gibt es offensichtlich einen sehr großen Schulungsbedarf, Herr Präsident des Nationalrates. Ich möchte hier, weil das jetzt gerade von Herrn Kollegem Mainoni so oft gekommen ist, anregen, ob Sie, Herr Präsident, nicht vielleicht überlegen könnten, ob es noch irgendeine Form von Information an die Kollegen geben könnte, was ihre eigenen Rechte, aber auch Pflichten betrifft. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich komme jetzt zur Frage der rechtswidrigen Vollziehung des Meldegesetzes. Um nicht zu wie­derholen, was schon die Vorredner und die Frau Bundesministerin gesagt haben, möchte ich dazu Folgendes anmerken: Diese ganze An­gelegenheit mit dem Meldegesetz und die Vor­gangs­weise des Innenministeriums, insbeson­dere die von Herrn Minister Strasser, werfen ge­nau jenes Licht auf die Tätigkeit des Staates, repräsentiert jetzt in dem Fall durch die Bun­des­regierung, das ich unter Umständen mit dem Sprichwort, das ja sehr oft gebraucht wird, um­schrei­ben könnte: Geld verdirbt den Charakter!, denn es geht da immer ums Geld. Es geht im­mer darum, dass man verdienen will. (Abg. Kößl: Das bleibt ja den Gemeinden! Das ist ein Ver­waltungsaufwand! – Abg. Mag. Mainoni: Sie ken­nen das Gesetz nicht!)

Ich fasse es jetzt in meiner Diktion zusammen: In diesem ganzen Streben, so viel Geld wie mög­lich in das Innenministerium zu holen, wird gänzlich darauf vergessen, dass es da um hoch­sen­sible Daten geht, dass die Bürgerinnen und Bürger ein Recht haben, ihre Schutzbedürfnisse durch den Innenminister, der ja der höchste Datenschützer im Bereich des Zentralen Melde­re­gisters ist, auch gewahrt zu wissen. (Abg. Kößl: Tun Sie nicht verunsichern! Es stimmt ja nicht, was Sie da sagen! Reden Sie nicht von Geschäften! Das ist ein Verwaltungsaufwand!) Es sollte nicht das Gegenteil der Fall sein, indem Geschäfte gemacht werden.

Ich hege den Verdacht – wo ist Kollege Maier? –, dass das halt diesen banalen Hintergrund hat. In dieser Gier nach Geld wird mit diesen sensiblen Daten des Bürgers und der Bürgerin in einer Fahr­lässigkeit umgegangen, dass parlamentarische Initiativen und nicht nur eine Anfragebe­spre­chung wirklich dringend geboten sind, um das abzustellen. Und darum geht es mir! Und des­halb unterstützen wir nicht nur die heutige Anfrage. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

Ich bedauere auch sehr, dass sich gerade heute Herr Bundesminister Strasser in einem ande­ren Mit­gliedstaat der EU aufhält, nämlich gerade heute, weil ja heute auch die erste Lesung des


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Bundesfinanzgesetzes stattfindet, wo ich eigentlich annehme – und da werde ich dann noch ein­mal das Wort ergreifen, Herr Präsident, das kündige ich schon an –, dass das ja für alle Res­sort­chefs interessant ist, wenn die Volksvertretung diese erste Lesung durchführt. (Abg. Kößl: Es ist dort auch sehr wichtig! Dort geht es ums Asylrecht!) Da bin ich ein bisschen verwundert. Aber das gleich folgend in meinen Ausführungen zum Bundesfinanzgesetz. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

15.37


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist ge­schlos­sen.

Fortsetzung der Tagesordnung


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 1 und 2 der Ta­ges­ordnung wieder auf.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. Wunschgemäß stelle ich ihm die Re­dezeit auf 5 Minuten ein. – Bitte.

15.38


Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich kehre wieder zurück zur Generaldebatte über das Doppel­budget 2003 und 2004, das offensichtlich ein gutes sein muss, denn die meisten Redner der Oppo­sition beschäftigen sich ja mit Dingen, die nicht unmittelbar oder überhaupt nicht im Bud­get vorkommen, wie etwa mit dem Ankauf der Eurofighter, der ja bekanntlich erst im Jahre 2007 budgetwirksam wird.

Diese Budgets 2003/2004 kehren nach 30 Jahren sozialistischer Ausgabenpolitik, unge­deckelter Ausgabenpolitik zu den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft zurück, wo ich zuerst Ein­nahmen erarbeiten muss, um sie dann unter durchaus sozialen Gesichtspunkten wieder aus­geben zu können – und unser gutes Sozialsystem weiter auszubauen und zu erhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte das anhand von Beispielen ausführen. Zur Einnahmenseite: Es hat ja auch Opposi­tions­redner gegeben, die ihre Verwunderung darüber zum Ausdruck gebracht haben, dass Ausgaben Einnahmen gegenüberstehen. – Das ist gut so. Zum Beispiel die Erfolge in der Leis­tungsbilanz, zum Beispiel, wie auch angeführt, bei der Lohn- und Einkommensteuer. Das ist doch selbstverständlich, wenn man am 1. Mai des Jahres 2003 den höchsten Beschäftigten­stand hat, den wir jemals im Mai in diesem Land verzeichnet haben: Wenn diese Arbeitnehmer, wie uns Kollege Nürnberger erklärt, jedes Mal mit mehr als 1,5 Prozent an Lohnerhöhung abge­schlossen haben, ist es doch selbstverständlich, dass die Einnahmen aus diesem Titel steigen.

Mit diesen Einnahmen kann das Sozialsystem abgesichert werden. Das ist im Staat genauso wie in jedem Betrieb. Bei der verstaatlichten Industrie, die uns ja allen noch in Erinnerung ist, wur­de auf Dauer mehr ausgegeben, und es waren dann zum Beispiel nicht nur Zehntausen­de Ar­beits­plätze weg, sondern über Nacht wurden schlagartig, überfallsartig die Betriebspen­sio­nen der Stahl­ar­beiter nicht nur reduziert, sondern zu 100 Prozent abgeschafft. Das ist das Er­geb­nis einer unsozialen Ausgabepolitik, die auf Pump und auf Kosten kommender Genera­tio­nen lebt. – Das ist nicht unser Ansatz! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Eder: Schaffen wir gleich alle Pen­sionen ab, das ist das Einfachste!)

Wir setzen mit diesem Budget, das von dieser Bundesregierung und vom Finanzminister vor­ge­legt wurde, andere Schwerpunkte, wie zum Beispiel die Fortführung des Programms für Behin­derte, die Erhöhung des Pflegegeldes in den höchsten Stufen. Der Herr Vizekanzler hat er­wähnt, dass mit über 5 Milliarden € Ausgaben für die Familien ein klarer Schwerpunkt gesetzt wird, ebenso mit der Fortführung unserer Regierungspolitik des Jahres 2000 bezüglich des Kin­der­geldes. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Entlastung von Beziehern niedriger Einkommen mit einem Jahreseinkommen in der Höhe von 14 500 €. Das bedeutet, dass 200 000 Ös­terrei-


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cherin­­nen und Österreicher mehr in die Nullbesteuerung fallen. (Zwischenruf des Abg. Brosz.) Ins­gesamt zahlen dann 2,4 Millionen Österreicherinnen und Österreicher – 70 Prozent davon sind Arbeitnehmer, 30 Prozent Pensionisten, einige Selbständige und einige bäuerliche Kräfte fallen darunter – keine Steuern. – Das ist eine klare Schwerpunktsetzung.

Zum Abschluss kommend, meine Damen und Herren: Solidarität ist keine Einbahnstraße! Wenn 2,4 Millionen Österreicherinnen und Österreicher aus sozialen Gründen – wir werden etwa mit­tels Mindestlohn und anderer Programme alles daransetzen, dass sie zu einem Mehr­ver­dienst kommen – keine Steuer zahlen, dann frage ich: Wer zahlt die Steuer? – Ich sage noch einmal: Solidarität ist keine Einbahnstraße! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Eder: Tancsits zahlt die Steu­er!)

Wir werden dafür sorgen, dass die Erwerbstätigen in unserem Lande nicht über Gebühr bean­sprucht werden. Daher ist auch der Hinweis auf den Bundesbeitrag ein Hinweis auf die andere Tasche. – Wir wollen echt entlasten! (Beifall bei der ÖVP.)

15.43


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Lackner. 4 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

15.44


Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Herren Bun­desminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Nach der bisherigen Dis­kus­sion habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Abgeordneten der Regierungsparteien und auch die Mitglieder der Bundesregierung das Plenum des Hohen Hauses mit einer Bühne ver­wechseln, auf der ein Stück vorgetragen wird, das nichts mit der Realität und schon gar nichts mit der Betroffenheit der Menschen in diesem Lande zu tun hat. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­sche­nbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein.)

Deswegen trifft das auch darauf zu, Herr Bundesminister, weil Sie an der Realität vorbeireden. Viel­leicht haben Sie das bei Ihrem Statement noch gar nicht gemerkt oder vielleicht haben Sie das Budget noch nicht so ganz durchgeschaut, das kann schon sein, aber die Realität ist leider eine andere. Es wird tatsächlich versucht, mit flotten Sprüchen ein Belastungsbudget gewal­tigen Ausmaßes als Wohltat für die Menschen zu verkaufen. Stichworte: Pensionsreform und neue Selbstbehalte für die Menschen. Darüber können noch so flotte Sprüche, wie etwa: „Steu­ern senken, heißt Freiheit schenken!“, nicht hinwegtäuschen. Ein Belastungsbudget bleibt ein Be­las­tungsbudget – egal, ob Sie das wollen oder nicht, meine Damen und Herren von den Re­gierungsparteien! (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird Ihnen dies auch nicht gelingen, denn die Menschen in unserem Lande haben genug von dieser Politik, die gegen sie gerichtet ist, einer Politik, die den sozialen Zusammenhalt empfind­­lich und nachhaltig zerstört.

Meine Damen und Herren! Wir haben uns heute in der Früh im Rahmen der „Aktuellen Stunde“ be­reits kurz über die Gesundheitspolitik unterhalten und das Beispiel der neuen Selbstbehalte als Finanzierungsinstrument zu Lasten jener, die Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen, er­örtert. Ich habe bereits sehr deutlich angemerkt, warum weitere Selbstbehalte weder einen Len­kungseffekt haben noch als Finanzierungsinstrument taugen.

Meine Damen und Herren! Wie wenig sich diese Bundesregierung offensichtlich mit dieser Proble­matik beschäftigt, zeigt deutlich ein Interview vom 13. März 2003 mit Frau Bundes­minis­terin Rauch-Kallat auf. Sie wurde von der „Kleinen Zeitung“ zum Thema „Selbstbehalte“ befragt, und unter anderem wurde die Frage gestellt – ich zitiere –:

Frage der „Kleinen Zeitung“: „Sie wollen mit Selbstbehalten das Kostenbewusstsein stärken. Oh­ne provokant sein zu wollen: Sollen sich Kranke überlegen, ob sie künftig den Arzt aufsu­chen sollen?“


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Darauf sagte Frau Bundesministerin Rauch-Kallat: „Nein, aber wenn das System transparent ist, wird eine Röntgenaufnahme nicht sinnlos zweimal gemacht. Da wird der Patient sagen: Hoppla, brauche ich das?“

Frau Bundesministerin! Wenn diese Ihre Aussage stimmig sein sollte, würde das voraussetzen, dass Arzt und Patient den gleichen Wissensstand haben. – Ich denke, das ist sicherlich nicht ge­ge­ben, und daher kommentiert sich diese Ihre Aussage wohl von selbst. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Einen Siebenzeiler war dem Bundesminister für Finanzen das The­ma „Gesundheitspolitik“ wert. Konzepte sind zwar angekündigt worden, aber ich vermisse sie, außer die sehr deutliche Ankündigung – das muss man sagen – neuer Selbstbehalte. Das war wirklich deutlich. Das war schon am Vormittag Diskussionsstand.

Man kann abschließend sagen: Außer Spesen in Form von neuen Selbstbehalten nicht viel gewesen!

Kollege Bucher hat heute in seiner Rede betont, dass die Regierung auch die Verantwortung da­für übernehmen müsse, was sie nicht tut. – Herr Kollege Bucher, hätte sie diese Verant­wortung nur wahrgenommen, dann wäre den Menschen in unserem Lande viel erspart geblie­ben! – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.47


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Ach­leitner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

15.48


Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Re­gierungsmitglieder! Hohes Haus! Ein guter Tag im Parlament wäre ein Tag, an dem die Op­po­sition konstruktiv mitarbeiten und auch den Tatsachen entsprechend agieren würde. Das ist leider nur eine Vision! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Eder.)

Eine Antwort auf die Aussage meines Vorredners, des Herrn Abgeordneten Lackner: Die Politik von Rot und Grün ist von Angst und Panikmache geprägt – und von der tatsächlichen Realität weit entfernt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es werden auch viele Unwahrheiten im Bereich der Frauenpolitik verbreitet. Meine sehr ver­ehrten Damen und Herren, ich bin verwundert über gewisse Aussagen und Vorwürfe. Natürlich wäre es schön, wenn wir mehr Geld für Österreichs Frauen zur Verfügung hätten. Aber wie denn, woher denn? – Wir hatten sehr viele Altlasten auf Grund Ihrer Versäumnisse zu über­nehmen. Es sind die Versäumnisse der SPÖ-Finanzminister, die eine Verantwortung für die jetzi­ge finanzielle Situation haben. (Abg. Oberhaidinger: Ihre Argumente sind schon abge­grif­fen ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Eine verantwortungsvolle Politik ist auch heute noch ein unbekanntes Wesen für Sie. Was tun Sie denn? – Sie werfen das Geld auf die Straße! Hunderte Millionen € kostete das Lahmlegen der Betriebe und das Lahmlegen des öffentlichen Verkehrs vergangenen Dienstag. (Abg. Mag. Trunk: Das ist Demokratie! – Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger.)

Der Linzer Universitätsprofessor Schneider schätzt, dass die Streikaktion des ÖGB, die von SPÖ und Grünen gutgeheißen und sogar unterstützt worden ist, einen volkswirtschaftlichen Scha­den in der Höhe von über 500 Millionen € verursacht hat. Das ist geradezu eine Unmenge Geld! (Zwischenruf des Abg. Dr. Bauer.)

500 Millionen € am Tag bedeuten ein Durchschnittsjahresgehalt für 35 000 Frauen! Das heißt, dass allen Alleinerzieherinnen in Wien ein ganzes Jahresgehalt übergeben werden könnte.

Das Geld eines Streiktages könnte auch für 400 000 Alleinerzieherinnen, für Mütter mit Kin­dern, einen zusätzlichen Monatslohn bedeuten. – Das, meine Damen und Herren von der Op-


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po­sition, wäre wirkliche Sozial- und Frauenpolitik! (Abg. Parnigoni: Was sagt Neugebauer dazu?)

Zu Herrn Präsidenten Verzetnitsch: Wissen Sie, dass man mit dem Geld eines Streiktages 200 Kin­dergärten bauen und eine Unmenge von Kinderbetreuungsplätzen schaffen könnte? (Zwi­­schenruf der Abg. Csörgits.) Wäre das nicht eine Alternative, Herr Präsident Ver­zet­nitsch? – Aber Sie sind ja leider nicht hier, wahrscheinlich sind Sie gerade bei Kaffee und Ku­chen.

Auch für die Aus- und Weiterbildung sowie für die Förderung von Frauenprojekten könnte mit einem Bruchteil der Streikkosten sehr viel erreicht werden. (Abg. Dr. Bauer: Neuwahlen kosten mehr!)

Aber Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, führen lieber einen Klassenkampf. Sie ver­un­sichern bewusst die Österreicherinnen mit Unwahrheiten, anstatt konstruktive Frau­enpolitik zu leisten. Ich könnte lange über Erreichtes referieren, und Sie wissen ohnehin, wel­che Ver­besserungen wir von dieser Regierung im Frauenbereich erreicht haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Auch in den Budgetbegleitgesetzen sehen wir Impulse für Frauen vor. Bei der Kinder­erzie­hungszeit werden die pensionsbegründenden Zeiten von 18 auf 24 Monate angehoben. Das heißt, dass Frauen statt 180 Monate nur mehr 132 Monate erwerbstätig sein müssen. Das bie­tet einen großen Vorteil für Frauen, die keine durchgehende Erwerbskarriere haben, und das ist auch ein wichtiger Schritt in Richtung Absicherung und Eigenvorsorge für Frauen im Alter. (Bei­fall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Hagenhofer.)

Durch Entfall der Arbeitslosenversicherung und durch Senkung der Lohnnebenkosten gibt es auch auf dem Arbeitsmarkt eine große Chance für ältere Arbeitnehmerinnen. Diese Maß­nahmen können Sie wirklich nicht totreden! (Abg. Hagenhofer: Wo denn bitte?)

Lassen Sie mich mit einem Kommentar aus den „Vorarlberger Nachrichten“ schließen:

Man kann längerfristig nicht mehr ausgeben, als man einnimmt. Dies gilt für jeden Haushalt, für Pensionsversicherungen und den Staat. Diese Weisheiten wollen viele nicht zur Kenntnis neh­men. – So wie Sie, verehrte Kollegen von Rot und Grün! (Abg. Hagenhofer: Es ist nur eine Fra­ge, wo wir sparen!)

Wir von den Freiheitlichen haben das erkannt und werden sicherlich auch in Zukunft danach han­deln. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.52


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Wunsch­gemäß ist die Uhr auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

15.53


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister Grasser, es freut mich, dass ich die Ehre habe, dass Sie anwesend sind, wenn ich rede, denn wir haben Sie näm­lich eine Stunde lang vermisst. Herzlich willkommen zurück im Plenum! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Gestern, als Sie zu uns gesprochen haben, habe ich natürlich sehr aufmerksam zugehört – ich gestehe, dass ich das nicht immer tue, aber wenn Sie Ihre Budgetrede halten, höre ich ganz auf­merksam zu. (Abg. Eder: Das ist eine Budgetlesung!) Da ist mir eine der Formulierungen be­son­ders aufgefallen, die noch niemand erwähnt hat. Es geht jetzt nicht um Bemerkungen wie „der Speck muss weg“, sondern es war etwas ganz Bemerkenswertes. (Abg. Dr. Brinek: Das war die Telefongesellschaft!)

Sie, Herr Bundesminister Grasser, haben nämlich gestern eine neue Formulierung, oder Va­riante oder Diktion für „Kürzung“ gebraucht, Sie haben nämlich davon gesprochen, dass das


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eine „Schwä­chung der zusätzlichen Ausgaben“ sei. (Allgemeine Heiterkeit.) Dieses Sprachbild ist wäh­rend dieser 80 Minuten, die Sie gestern zu uns gesprochen haben, schon bemerkens­wert, denn es drückt wirklich sehr viel aus.

Ich gebe zu, meine Damen und Herren, dass – obwohl ich schon lange Mitglied des National­rates bin – Budgetdebatten für mich immer anstrengend sind, weil da viel gesprochen wird und man ein hohes SpezialistInnenwissen haben muss, um dem folgen zu können, vor allem, wenn dann die Zahlen zitiert werden. Jetzt gestehe ich auch noch, dass es für mich mit dem Euro noch ein bisschen komplizierter ist, weil ich auch noch manchmal geneigt bin, umzurechnen.

Gott sei Dank gibt es dieses geschriebene Exemplar, von dem Sie, Herr Finanzminister, gestern ja nicht sehr abgewichen sind, und darin stehen ganz bemerkenswerte Sätze, die ja dann sozu­sagen auch in der „Ewigkeit des Protokolls“ gesprochen nachzulesen sind. Beispielsweise steht da der Satz – jetzt zitiere ich aus dem Stenographischen Protokoll –:

„Uns geht es hier auch um die Glaubwürdigkeit der Politik. ... Schon viel zu oft hat man gerade in dieser sensiblen Frage“ – bezogen jetzt auf die Pensionsdebatte – „das Vertrauen der Bevöl­ke­rung missbraucht. Es geht um die Aufrechterhaltung des Generationsvertrages. Es geht ...“ und so weiter.

Es ist wahrlich eine sensible Frage, um die es da geht; da haben Sie völlig Recht. Und es mag auch sein, dass Sie zum Teil Recht haben mit der Bemerkung, dass schon viel zu oft „in dieser sen­siblen Frage das Vertrauen der Bevölkerung missbraucht“ wurde, obwohl ich das jetzt nicht so drastisch sagen würde. Aber ich bin ja von der Opposition, und Sie sind Bundesminister, Sie kön­nen das auch anders sehen. (Abg. Oberhaidinger: Nein, er ist der Finanzsprecher des Bun­deskanzlers!)

Herr Bundesminister Grasser, wenn es so ist, dass Sie Recht haben, dann, muss ich sagen, sind die Pläne aus dem Budgetbegleitgesetz zur Pensionsreform, also das, was Sie gestern in Ihrer Rede zum Bundesfinanzgesetz gesagt haben, also in der Budgetrede, genau das Gegen­teil von einer sensiblen Vorgangsweise und einer sensiblen Handlungsweise. – Ich kenne mich jetzt nicht wirklich aus.

Was ist jetzt das Sensible? – Bezeichnen Sie Kürzungen, Einschränkungen, die in der Ver­gan­genheit passiert sind und bei denen das Vertrauen missbraucht wurde, als eine sensible An­ge­legenheit oder das, was jetzt droht, nämlich Pensionskürzungen von – ich sage es jetzt wirklich ganz pauschal – bis zu 40 Prozent für Menschen, die ihre Berechnungen schon angestellt ha­ben?

Ich kenne genug Leute, die fünf Mal zum Pensionsamt und zur Pensionsversicherungsanstalt gehen – egal, ob jetzt für Arbeiter oder Angestellte, diese gibt es ja jetzt nicht mehr – und sich aus­rechnen lassen, wie es sein wird. Das sind in der Regel Leute, die keinen so „klassen“ Job wie Sie und ich haben, einen Job, bei dem man ziemlich viel erlebt, viel in der Welt herumkommt, Neu­es dazulernt, sich persönlich fortbildet und richtig Spaß an der Arbeit hat. Ich habe ihn – und ich gehe davon aus, dass auch Sie Spaß an Ihrer Arbeit haben.

In der Regel machen sich Menschen, die eine Arbeit haben, um ihre Pensionen und um die Zu­kunft Gedanken. Sie machen diese Arbeit in erster Linie deshalb, weil sie ihren Lebensunterhalt und auch den Lebensunterhalt von Familienangehörigen bestreiten müssen. Sie können sich nicht jeden Tag den Kopf darüber zerbrechen, ob sie sich in ihrer Arbeit irgendwie wiederfinden und sich einbringen können.

Deshalb gibt es Leute – Sie werden es nicht glauben, Herr Bundesminister; ich schätze, Sie sind rund 15 Jahre jünger als ich –, die sich auf die Pension freuen, weil sie nämlich Arbeitsleid als Leben vor der Pension kennen!

Ich hoffe, dass diese Gruppe von Menschen nicht so groß ist, wie es eigentlich mei­ner punktuel­len Erfahrung, wenn ich das hochrechne, entsprechen würde. Ich komme aus einem Milieu, in dem es viele Leute gibt, die – ich sage jetzt nicht, dass sie alle arm sind – nicht so reich sind


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wie ich – ich zähle mich zu diesen Privilegierten – und sich jeden Tag überlegen müs­sen: Wie wird das in Zukunft sein, kann ich mir das leisten, kann ich Diesel-Jeans und Sweater für meine Kinder kaufen? All das ist für mich kein Umstand, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, aber für diese Leute schon, und diese Menschen sind besorgt.

Daher bitte ich Sie, Herr Bundesminister Grasser, dass Sie das, was Sie schreiben und sagen, näm­lich dass das eine sensible Sache sei, auch wirklich so meinen. Sie sind nämlich der Ein­zi­ge in der Bundesregierung, der parteilos ist – und deshalb setze ich auf Sie. Ich habe in den letz­­ten Wochen gelernt, dass man auf die ÖVP – mit einigen Ausnahmen – nicht zählen kann. In der Regierung gibt es überhaupt keine Ausnahmen, aber da hoffe ich noch auf welche. In der frei­­­heitlichen Regierungsmann- und -frauschaft – es gibt auch eine Staatssekretärin – gibt es auch niemanden. Sie, Herr Bundesminister Grasser, sind der Einzige, von dem ich hoffe, dass Sie diese Sensibilität aufbringen und diese irgendwann einmal auch zum Ausdruck bringen wer­den.

Jetzt noch zwei Bemerkungen zum Inhaltlichen: Die eine Bemerkung, Herr Bundesminister Gras­­ser – vielleicht sage ich Ihnen etwas Neues; wenn nicht, betrachten Sie es als Unter­stützung Ihres Wissens –, betrifft die Frage der prekären finanziellen Situation der Israelitischen Kultusgemeinde und des Verbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Österreich.

Heute hat eine Pressekonferenz mit dem Präsidenten des Bundesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden stattgefunden, in der er angekündigt hat, sich in der finanziellen Not, in der er sich befindet, nicht mehr anders helfen zu können, als die Arbeit der Kultusgemeinde ab ersten Juni in bestimmten Bereichen einzustellen (Abg. Neudeck: Juli!), weil diese Frage immer noch ungeklärt ist. Es hat wahrscheinlich nichts mit Ihnen persönlich zu tun, aber sehr viel mit dem Herrn Bundeskanzler, dass die Kommunikation zwischen den höchsten kirchlichen Würden­trä­gern – in dem Fall nicht der römisch-katholischen oder der protestantischen Kirche, sondern des österreichischen Judentums – und dem zweithöchsten Repräsentanten dieses Staates, nämlich dem Bundeskanzler, nicht existiert. Null! Da gibt es keinen Kontakt.

Herr Bundesminister, meine Meinung dazu: Ich halte es für einen Affront erster Kategorie, dass das Bitten, das Ersuchen und die Forderung nach Dialog oder Kommunikation zwischen dem höchsten Repräsentanten einer Religionsgemeinschaft – ich rede jetzt nicht von der Last der Geschichte und davon, wie man damit umgeht, sondern schlicht von dieser Tatsache – und dem österreichischen Bundeskanzler keinen Erfolg haben. (Abg. Neudeck: Man muss einmal klä­ren, ob die Kultusgemeinde für die Religionsgemeinschaft spricht!)

Das sind meiner höchstpersönlichen Einschätzung nach die Ursachen dafür, warum so man­ches in der Vergangenheit schief gelaufen ist. Aber davon rede ich jetzt nicht, denn Sie sind für das zukünftige Budget zuständig.

Herr Bundesminister Grasser, es kann doch für Sie kein Problem sein, 2,7 Millionen € jährlich – das war die Summe, die der Präsident des Bundesverbandes der Israelischen Kultusgemeinden heute genannt hat – aus dem Staatsbudget zur Verfügung zu stellen, um jene Leistungen, die die Israelitische Kultusgemeinde braucht und die andere Kirchen in dieser Form nicht haben – Stich­wort Sicherheitsfrage – zu gewährleisten und das Überleben dieser nur rund 6 700 Mitglie­der umfassenden Religionsgemeinschaft zu sichern. (Abg. Neudeck: Aber wo nehmen wir es weg?)

Für diese Gruppe ist es eine Überlebensfrage. – Es war schon einmal eine Überlebensfrage. Das sind Zeiten, die Jahrzehnte zurückliegen. Wir dürfen es nicht zulassen – ich bitte Sie da wirk­lich um Unterstützung – und können es nicht verantworten, in einem Land zu leben, in dem es wieder eine Überlebensfrage für eine jüdische Gemeinde gibt. Wenn es so wäre – ich rede jetzt im Konjunktiv, weil ich immer noch glaube, dass es demnächst eine Lösung geben wird –, dann wäre das eine europäische Schande, und ich möchte mich nicht schämen müssen, Herr Bundesminister! Helfen Sie hier! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.02



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15. Sitzung / Seite 103

Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Wunschgemäße Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

16.02


Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Eine kurze historische Aufklärung: Meine Vorrednerin, Terezija Stoisits, sagt, sie kann sich gar nicht daran erinnern, wann je so kreative Wortschöpfungen im Zusammenhang mit „budget wording“ vorgelegen sind. – Ich kann mich schon erinnern: Es hat Minister aus SPÖ-Re­gierungen gegeben – Androsch, Lacina, Klima –, die von „Nullwachstum“ gesprochen ha­ben. Ich habe mich immer gefragt, wie so ein Nullwachstum ausschaut. (Abg. Großruck: Mi­nuswachstum! – Ruf bei der SPÖ: Das haben wir ja!) Je nach Laune oder Brauchbarkeit hat man von einer „roten Null“ oder von einer „schwarzen Null“ gesprochen. Ich habe auch immer ge­schaut, welche Farbe die Null denn hat. (Abg. Eder: Die schwarze Null kennen wir ja! Das ist eine farblose Null!)

Ich schätze den Herrn Minister als jemanden, der sehr kreativ ist, aber es hat auch zuvor schon „Kreativitäten“ gegeben, die sich sehen lassen konnten! (Abg. Eder: Die schwarze Doppelnull!)

Wissen Sie übrigens noch, warum damals Finanzminister Lacina zurückgetreten ist und dem Kurz­zeitminister Staribacher Platz gemacht hat? – Weil er die überzogene Haltung der Gewerk­schaft gegenüber seinen maßvollen Reformen für überzogen, unerhört und beleidigend befun­den hat und daher das Feld geräumt hat. Das ist alles in den Protokollen nachzulesen, ich habe schon ein „paar“ Tage damit verbracht.

Glorifizieren wir also nicht die Zeiten der „idealen“ Sozialpartnerschaft und der „Zusammen­arbeit“ zwischen Gewerkschaft und Regierung. – Es gab auch damals Risse, Sprünge und so man­che Kränkung und Beleidigung. Arbeiten wir lieber an der Verbesserung der Kooperation. (Abg. Mag. Gaßner: Sprünge gibt es jetzt auch bei Ihnen!)

Ich bringe Ihnen nun ein Beispiel, das zeigt, wie das mit den Abschlägen, Zuschlägen und den Pensionsansprüchen in der Vergangenheit war. Eine Frau hat mir geschrieben: Ich bin vor mehr als zehn Jahren mit 55 Jahren – vorzeitige Alterspension – in Pension gegangen.

Was glauben Sie, wie viel Prozent Pension diese Frau damals bekommen hat? – 60 Prozent.

Sie schreibt weiter: Also auch ich habe Abschläge in Kauf nehmen müssen, weil damals schon klar war: Wir werden unseren Generationenvertrag nicht halten können, wenn wir meinen, mit vorzeitiger Alterspension den höchsten Pensionsanspruch erreichen zu können.

Sie plädiert dafür und bittet mich und uns, zwar maßvoll zu sein bei den Abschlägen, aber die Dinge im Lot zu lassen und an die Jungen zu denken.

Ich habe vielleicht nicht das Recht, als Anwältin der Jungen zu sprechen, aber ich tue es trotz­dem, weil für mich der Zusammenhalt der Generationen wesentlich ist. (Abg. Eder: Oja! Sie sehen gut aus, warum nicht?) – Danke, lieber Kollege! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme nun zu ein paar Bemerkungen, die im Zusammenhang mit Wissenschaft und For­schung gefallen sind. Ich bin sehr froh darüber, dass sich diese Bundesregierung zu einer Ver­stär­kung des Bereichs Bildung, Ausbildung, Forschung und Entwicklung entschlossen hat. Darin liegt in der Tat die Chance und die Entwicklungsmöglichkeit für die Jugend, und darin liegt auch unser Potential für die wirtschaftliche Weiterentwicklung.

Es wird nicht mehr vermeidbar sein, und alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden ein­sehen müssen, dass Investitionen in Forschung und Entwicklung Arbeitsplätze schaffen und nicht – wie man noch vor Jahren gedacht hat – dass Entwicklung und Innovation Arbeitsplätze verhindern. – Darüber bin ich sehr froh.


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Die Zahlen sind schon genannt worden: Gegenüber 1999 verdoppelt diese Bundesregierung, ver­doppeln wir durch Gesetzesbeschluss den entsprechenden Budgetposten. – Das kann sich sehen lassen! (Abg. Gaál: Nein! – Zwischenruf des Abg. Dr. Grünewald.)

Das können Sie nachlesen, ich zitiere daher nicht weiter. Herr Kollege Grünewald! Ich möchte nur Missverständnisse, die auch von Ihrer Fraktion aufgebracht wurden, zurückweisen. Auch ich weiß, dass die Universitäten 2003 nicht im Luxus leben. Das zu behaupten, wäre geschönt. Aber wer kann sich schon Luxus leisten? – Das wäre den anderen Sparten und Segmenten ge­genüber ungerecht.

Wir können aber mit Fug und Recht behaupten: Wenn die Universitäten 2004 in die Vollrechts­fähigkeit eintreten, dann werden sie das Geld, das wir versprochen haben – einschließlich der Ge­halts­steigerungen, einschließlich der Personalkosten und einschließlich der damit verbunde­nen Implementierungskosten beziehungsweise Aufwendungen dafür –, haben. Weiters haben sie dann die Möglichkeit, umzuschichten, ohne – so wie jetzt – die zwingenden Vorschriften des Bun­deshaushaltsgesetzes berücksichtigen zu müssen.

Und seien wir doch ehrlich: Organisationsgewinne aus der neuen Form, der Selbständigkeit, sind da noch nicht eingerechnet. Ich war auch sehr verwundert darüber, dass Wissenschafts­spre­cher Broukal in der „Kleinen Zeitung“ vor gar nicht allzu langer Zeit gesagt hat, er könne sich aus seiner ORF-Erfahrung sogar vorstellen, dass 10 Prozent Einsparung sowieso niemand spürt.

Wenn also einerseits Organisationsgewinne zu erwarten sind und die Einsparungen, die hier an­ge­sprochen sind, sowieso keiner spürt – ich meine, man spürt sie schon, wenn man gut haus­haltet, und das tun die Unis, das nehme ich für sie in Anspruch –, dann kann das schon so geschehen.

Auch Herrn Kollegen Gusenbauer kann ich abschließend sagen: Er muss sich um die Finan­zierung der Fachhochschulen keine Gedanken und Sorgen machen. Wir haben das Plansoll ge­mäß Entwicklungsplan schon erreicht. Wir waren schon im Herbst dieses Jahres weiter, als es der Entwicklungsplan vorgesehen hat.

Hinzuzufügen ist: Erstens erreichen wir die Relation drei zu eins bei den Universitäts- und Fach­hochschulabgängerInnen, und zweitens geht die hohe Zahl der Bewerber, die wegen Platz­man­gels abgewiesen werden mussten, zurück. Manche der geplanten Studiengänge konnten nicht ein­gerichtet werden, weil die notwendige Anzahl an geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern nicht vorhanden war. Bedenken Sie auch, dass die Studiengänge in regelmäßigen Abständen evaluiert werden müssen und wir daher gar nicht davon ausgehen können, dass alle einmal eingerichteten Studiengänge auch auf Dauer eingerichtet bleiben.

Für die Finanzierung ist also gesorgt. Vergleichen Sie bitte Voranschläge mit Voranschlägen und nicht Voranschläge mit Verwirklichung, dann schaut das Budget im Bereich Wissenschaft, Bil­dung und Forschung zufrieden stellend aus!

Ich bedanke mich für das Engagement des Herrn Bundesministers, des Bundeskanzlers, der Frau Bundesministerin und der gesamten Bundesregierung! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

16.09


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Gaál. Die Rede­zeit beträgt wunschgemäß 4 Minuten. – Bitte.

16.09


Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Kollegin Ach­leit­ner – sie ist nicht mehr anwesend – hat vorhin den Streik angesprochen. (Abg. Eder: Sie ist zu Kaffee und Kuchen gegangen!) Es mag schon sein, dass es an diesem 6. Mai da und dort zu kleinen Unannehmlichkeiten gekommen ist. Aber das war sicher nicht so negativ wie die Pen­sionsreform der Bundesregierung, die uns immerhin ein Leben lang begleiten wird, meine Da­men und Herren! (Abg. Murauer: Positiv, Anton! Positiv begleiten!) – Du hast leider wieder ein-


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mal nicht Recht, Kollege Murauer, aber das bin ich bei dir ja schon gewohnt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Murauer: Nein, nein!)

Herr Bundesminister! Ich meine, mit diesem Budget laufen Sie Gefahr, den letzten Rest an Glaub­würdigkeit zu verlieren. Das gilt in besonderem Maße für die Sicherheits- und Verteidi­gungspolitik. Daher kann man nicht wie Kollege Bösch mit der Entwicklung des Budgets zufrie­den sein, sondern das Budget und die damit verbundenen Aussichten für das österreichische Bundesheer sind meiner Meinung nach sehr negativ.

Herr Bundesminister! Es herrscht daher bei uns keine Zufriedenheit, denn Faktum ist, dass das Heeresbudget seit Antritt dieser Bundesregierung, seit Ihrer Ministerschaft Jahr für Jahr immer klei­ner wurde. Der vorliegende Budgetentwurf bestätigt diese negative Entwicklung, die wir Ihnen bei den Budgetberatungen im Detail beweisen werden.

All die vom Kollegen Dr. Bösch genannten Beschaffungen sind bis dato nicht ausfinanziert! Die Fi­nanzierung ist offen, es gibt noch keinen Beschaffungsvorgang. Zu den von ihm zitierten Mannschaftstransportern „Pandur“ gibt es beispielsweise keine Gespräche, kein Pflichtenheft, kei­ne Leistungsbeschreibung, es gibt überhaupt keine Kontakte. Obwohl wir das 1996 im Rah­men des Mech-Paketes in diesem Haus beschlossen haben, ist die Finanzierung bis heute offen. Das gilt auch für viele andere von ihm genannte Beschaffungsvorhaben, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Brinek: Herr Kollege Gaál, das ist manchen noch zu viel!)

Der vorliegende Budgetentwurf bestätigt die rückläufige Entwicklung insbesondere in der Si­cher­heitspolitik, im Verteidigungsbereich. Für uns bedeutet das, dass sich das Budget bei 0,7 Pro­zent einpendeln wird. – Herr Bundesminister, das ist das geringste Budget seit Bestehen des österreichischen Bundesheeres!

Da sind aber seit Jahren die „bösen Sozialisten“ nicht mehr dabei, die angeblich immer wieder den Geldhahn zugedreht haben. Dieses ist das vierte Budget ohne Mitwirkung von Sozial­de­mokraten und gleichzeitig das niedrigste Budget seit Bestehen des österreichischen Bun­des­heeres. Ich darf daran erinnern, dass wir unter Kreisky und Sinowatz die höchste Budget­rate in diesem Bereich aufzuweisen hatten. – Das ist nachzulesen.

Herr Bundesminister, Sie haben sehr wenig übrig für das österreichische Bundesheer und sehr wenig übrig für eine leistungsfähige und zukunftsorientierte Sicherheits- und Verteidigungs­po­litik. Für Sie besteht die Sicherheits- und Verteidigungspolitik nur im Ankauf dieser sündteu­ren Abfangjäger, dieser Kampfflugzeuge, die Sie früher einmal richtigerweise als „Kriegsgerät“ be­zeichnet haben.

Meine Damen und Herren! Unser Nein zu diesen Kampfflugzeugen ist kein Nein zum österrei­chischen Bundesheer. – Im Gegenteil: Wir sagen Nein aus Sorge um die Zukunft des österrei­chi­schen Bundesheeres, weil dann keine finanziellen Mittel mehr für sinnvolle, notwendige Be­schaffungen im Interesse und der Sicherheit unserer Soldaten im Ausland zur Verfügung ste­hen, wenn diese im Dienste des Friedens unterwegs sind. – Daher ein entschiedenes Nein zu diesem Budgetentwurf! (Beifall bei der SPÖ.)

16.12


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. Die Re­dezeit beträgt wunschgemäß 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Brosz – in Richtung des sich zum Red­­nerpult begebenden Abg. Mag. Mainoni –: Haben Sie jetzt schon einen Antrag einge­bracht?)

16.13


Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Eine der wichtigen Aufgaben der Politik – da werden mir sicherlich auch Sie von der Opposition Recht geben – ist es doch, soziale Gerechtigkeit herzustellen.

Unser Bemühen ist es, soziale Gerechtigkeit herzustellen, und deshalb ist es uns auch ge­lun­gen, ab kommendem Jahr gerade die Bezieher kleiner Einkommen steuerfrei zu setzen. Das ist ein wichtiger Schritt – ein erster Schritt zur sozialen Gerechtigkeit in diesem Staat. Unser Ziel ist


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es, die Armut in Österreich zu bekämpfen, und deshalb ist diese Maßnahme für uns notwendig geworden.

Wir drängen deshalb auch darauf, dass zum Beispiel bei Unternehmen nicht entnommene Ge­winne nicht besteuert werden. Wir drängen darauf, dass unnötige und somit auch teure Büro­kratie möglichst abgebaut wird. – Das ist keine Generalkampfansage an die Bürokratie, ganz im Gegenteil: Die Bürokratie ist ein sehr wichtiger Bestandteil dieses Staates.

Wenn man jedoch die Verwaltungsbehörden in Österreich zählt, dann stellt man fest, dass es mittlerweile fünf Stufen gibt: die Gemeinde, die Bezirksverwaltungsbehörde, die Ämter der Lan­desregierungen, die Bundesverwaltung und zu guter Letzt noch die Verwaltung der Euro­päischen Union, die für das österreichische Leben natürlich immer mehr an Bedeutung ge­winnt. – Das sind insgesamt fünf Stufen, und ich erwarte mir in diesem Zusammenhang auch we­sent­liche Reformen im Verfassungskonvent, der seine Tätigkeit bald aufnehmen wird – Re­formen nicht nur der Reformen wegen, sondern natürlich der Entbürokratisierung und vor allem auch der Einsparungen wegen.

Meine Damen und Herren! In meiner Funktion als Verkehrssprecher meiner Fraktion freut es mich natürlich besonders, dass in diesem Budget zum Beispiel wesentliche Mittel für das hoch­rangige Straßennetz zur Verfügung gestellt wurden. Ein Vergleich: Im Jahr 1999 waren es noch umgerechnet 650 Millionen €, die dafür zur Verfügung standen. Heuer sind es 1,2 Milliarden € und für kommendes Jahr gar 1,3 Milliarden €.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist aber nicht nur der Individualverkehr, sondern vor allem auch die Schieneninvestition, die in diesen Budgets der Jahre 2003 und 2004 zunimmt. Statt 900 Millionen € im Jahre 1999 – um wieder einen Vergleich zu bringen – werden heuer und näch­stes Jahr bereits jeweils 1,1 Milliarden € für Schieneninvestitionen zur Verfügung stehen. Noch nie wurde für den Bereich Infrastruktur so viel geleistet wie in diesen beiden Budgets. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Das sind eben Investitionen für die Zukunft unseres Landes, für Wachs­tum in diesem Staat, für mehr Beschäftigung, vor allem aber für bessere Lebensqualität.

Lassen Sie mich noch zu einem weiteren Bereich kommen, den Kollegin Brinek bereits ange­sprochen hat: Forschung und Entwicklung. – Ein Offensivprogramm, dotiert mit 600 Millionen € für die Jahre 2004 bis 2006, ist ein wichtiger Hinweis auf die zukünftige Politik in diesem Lande, für eine moderne Politik, die – wie gesagt – zukunftweisend ist und wichtig für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Staat. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.16


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Die Redezeit beträgt wunschgemäß 5 Minuten. – Bitte.

16.17


Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Hohes Haus! Herr Bundesminister, Sie haben sich über die Rede und die Kritik des Kolle­gen Van der Bellen sehr erregt. Man kann sich nun vorstellen: Man kann sich einerseits über Wahr­heiten erregen, weil sie nicht gerne gehört werden. Wir aber können uns über Unwahr­heiten erregen! – Ich meine, beides ist legitim – Zweiteres sogar noch mehr, wenn ich das so formulieren darf. (Abg. Dr. Brinek: Was ist die Wahrheit?)

Es ist auch nicht notwendig, um Erlaubnis zu fragen, wenn man sich über etwas erregt. Es war schon ein einmaliges Ereignis: Dass Präsident Khol diese Rede, wie protokolliert wurde, mit den Wor­ten „Karl-Heinz! Das war eine brillante Rede!“ als Erster Präsident des Nationalrates von seinem Sitz aus kommentiert, war auf jeden Fall eine Neuerung – aber die ÖVP ist ja für Neues – und zumindest interessant. (Abg. Dr. Brinek: Er hat auch die Meinung gesagt!)

Als ich die Rede hörte, dachte ich mir aber: Da ist weniger von Brillanz die Rede, sondern Brillan­tine zu riechen. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.) Sie war mir etwas zu ge-


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schmeidig und zu geschniegelt und letztlich eine Summe von Phrasen und Überschriften. (Abg. Dr. Brinek: Hätten Sie es lieber spröder gehabt?) – Lieber spröder und lieber ehrlicher und mit mehr Argumenten, denn es war ein Eintopf oder ein Potpourri aus Beweihräucherung, Halb­wahr­heiten und Ankündigungen. (Abg. Dr. Brinek: Das ist jetzt Ihre Interpretation!) Da purzel­ten nur mehr „Meilensteine“, „Zukunftschancen“, „Großartigkeit“ durcheinander und ergaben einen relativ unverdaulichen Eintopf. – Das ist stilistisch nicht wirklich erträglich! (Beifall bei den Grü­nen und der SPÖ.)

Bilder sind ja schön, und man lernt es wahrscheinlich für Präsentationen, aber es war die Rede von „Fischen ohne Wasser“, dann von einem „Wasser“, das verödet „ohne Fische“. – Jetzt weiß ich nicht, kommt das aus einem Werbetext für Angelruten oder Swimmingpools? (Abg. Dr. Bri­nek: Auch die Medizin arbeitet mit Bildern!) – Es ist wahr, aber ich kann damit relativ wenig anfangen.

Vor einiger Zeit haben wir von Ihnen gehört: Ein guter Tag beginnt mit einem hervorragenden Bud­get. – Ich weiß nicht, ob Sie „hervorragend“ gesagt haben, aber irgendetwas in dieser Rich­tung. (Bundesminister Mag. Grasser: Saniert!) – Mit einem „sanierten“ Budget – na das ist ja hervorragend.

Gorbach sagt dann, es sei ein guter Tag, wenn Forschung und Innovation sich so richtig im Budget abzeichnen. – Da muss ich sagen, dass mir nach wie vor eine resche Semmel und ein wei­ches Ei an Wahrheitsgehalt relevanter und sicherer in der Prognose sind, denn – und jetzt kom­men wir schon zum Punkt:

Sie sagen, Sie sind verpflichtet, bestimmte Zahlen so zu schreiben. – Wenn daraus aber ein Null­­su­m­menspiel resultiert, dürfen Sie das nicht als Zuwachs verkaufen! Das ist wirklich in höchstem Maße unseriös!

Die Ausgliederung der Universitäten – das nur für die Zuhörerinnen und Zuhörer – hat prognos­ti­zierte Mehrkosten beziehungsweise wird – sagen wir es freundlicher – prognostizierte Mehr­kos­ten von 10 oder 20 Prozent – manche sagen sogar 30 Prozent – verursachen. Das hat seine Gründe; die könnte man erklären. Die Universitäten haben früher nicht über autonome Budgets für das Personal verfügt, denn diese kamen aus dem Bundeskanzleramt. Jetzt bekommen die Universitäten das Personal – so schön heißt es, oder so furchtbar heißt es – sozusagen als le­ben­de Leihgabe vom Bund zugewiesen, müssen aber das Personal, das sie ja früher schon hatten, selber zahlen.

Und siehe da: Bundesminister Grasser budgetiert das mit 733 Millionen € und sagt: Schaut, ihr habt 733 Millionen € dazubekommen, aber für das, was ohnehin früher der Bund zahlen musste, weil es nicht Angelegenheit der Universität war. – Und das nenne ich eine gefährliche Täu­schung. Übrig bleibt nämlich ein Plus von knapp 30 Millionen €! Und das ist ein Unterschied!

Frau Brinek, Sie als Wissenschaftssprecherin und Karl-Heinz Grasser als Zahlenkenner bezie­hungsweise -jongleur, Sie haben (Abg. Brosz: Trickrechner!) – ja, wie auch immer – behauptet, das universitäre Budget und die Mittel für die Forschung verdoppelt zu haben. (Abg. Dr. Brinek: 1999!) – Ja! Von 1999: Die Zahl ist 1 Milliarde 278 Millionen für 1999, das mal zwei – so geht ja verdoppeln, außer Sie erklären mir jetzt eine andere Grundrechnungsart, Frau Brinek – ergäbe 2 Milliarden 556 Millionen. Im Budget steht aber 2 013 000 000. Das ist verdoppelt, Frau Bri­nek? Das heißt, es fehlen 543 Millionen €. „Toll“, und das ist verdoppelt worden! Und dann heißt es, wir seien kleinlich, wir seien Kritiker. Ich finde, das ist ein Wahnsinn.

Die Universitäten haben ein natürliches Turn-over des Personals, vor allem an Kliniken. Wissen Sie, was ein Klinikforscher an der Uniklinik Innsbruck tun musste? – Er hat Forschung in der Dienst­zeit verboten, weil die Mediziner sonst in der Patientenversorgung und in der Lehre abgehen. Und das ist die Innovation in der Forschung? Da kann ich nur sagen: Bravo! (Abg. Dr. Brinek: Aus einzelnen Maßnahmen kann man nicht ...!)

Und genauso ist es bei der Orientalistik, wo Leute so „sinnlose“ Sachen lernen wie die Sitten des Orients, die Rechtsprechung des Orients und die Sprache des Orients, was, wie Ihnen ja


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nicht entgangen sein dürfte, inzwischen eine gewisse Bedeutung erlangt hat. Stellen können nicht nachbesetzt werden, weil ein Planstellenstopp vorgegeben ist. 5 Prozent minus haben Sie im Jahr 2003 verordnet. Die Virementfähigkeit, das heißt, die flexiblen Budgets, die nicht durch gesetzliche Verpflichtungen gebunden sind, betragen an der Universität weniger als 3 Prozent. Sie haben also kein Budget, um das zu machen, was Sie im Regierungsprogramm stehen ha­ben: Schwerpunktsetzung, Profilbildung, Innovation.

Lesen Sie sich die Briefe und Mails der Rektoren durch, was diese Ihnen über die „Steige­run­gen“ sagen! (Abg. Dr. Brinek: Ich habe gesagt, kein ...!) – Und wenn Sie, Frau Brinek, meinen, als Abgeordnete müssen Sie immer nur dort klatschen, wo die Unwahrheit am Tisch liegt, so fin­de ich das für eine Wissenschaftssprecherin beschämend. Genauso finde ich es von Rasin­ger beschämend, wenn er hier von mir Sachen gehört haben will, die ich nicht gesagt habe. Es könnte dann nämlich auch sein, dass er Sachen zitiert, die er nie gelesen hat – und das ist schlecht! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Brinek: Es stimmt nicht, was Sie sagen!)

16.23


Präsident Dr. Andreas Khol: Das Wort ergreift nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. Wunschgemäß stelle ich die Uhr auf 5 Minuten ein. – Bitte. (Abg. Dr. Niederwieser – in Rich­tung des auf der Regierungsbank sitzenden Bundesministers Mag. Grasser –: Besser wäre doch gewesen, er hätte eine Powerpoint-Präsentation gemacht!)

16.23


Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will zwar an sich zum Themenbereich Wirtschaft spre­chen, da aber heute auch sehr oft das Thema Pension angesprochen wurde, möchte ich schon eine Bemerkung dazu machen – nicht zum Inhalt, sondern zum Prozess –: Als Sozialpartner bin ich selbstverständlich nach wie vor dafür, dass die Sozialpartner auch entsprechend eingebun­den werden. Das Angebot der Sozialpartner an die Bundesregierung, bis zum 30. September einen entsprechenden Entwurf auszuarbeiten, hat meine volle Unterstützung. Warum? – Nicht damit die ganze Reform verschoben wird, sondern eine Reform muss auch entsprechend gelebt wer­den. Und damit sie von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gelebt wird, muss die entspre­chende Einbindung gegeben sein.

Das ist ein Angebot, meine Damen und Herren, und ein Angebot kann man annehmen oder nicht annehmen. Es ist eine freiwillige Sache, und das Annehmen eines Angebots kann man nicht erzwingen. Wenn Sie Streiks machen, die gegen die Betriebe gerichtet sind, dann ist das ein solches Erzwingen beziehungsweise der Versuch dazu – noch dazu bei der falschen Adresse. Und diese Vorgangsweise lehne ich ab! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das lehne ich deswegen ab, weil wir eigentlich – das sollte auch das Interesse von Ihnen von der linken Seite sein – einen Wirtschaftsstandort Österreich wollen, der funktionsfähig ist und der nicht selbst durch irgendwelche Auseinandersetzungen Arbeitsplätze gefährdet.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die letzten beiden Jahre zurückblicken. Wir hatten eine sehr schwierige Konjunktursituation, auch heute noch. Da hat die Regierung die richtigen Maß­nahmen ergriffen – das wurde dazumal sehr kritisiert –, aber das Konjunkturpaket, das wir 2001 und 2002 beschlossen haben, war richtig, weil es kein Nachfragepaket war, sondern ein angebotsorientiertes Paket, das strukturpolitisch richtig gewirkt hat.

Wir sehen auch die entsprechenden Konsequenzen, meine Damen und Herren: Wir haben mit Prämien, mit Abschreibungsmöglichkeiten im Baubereich, eben mit den richtigen Maßnahmen gearbeitet, die dazu geführt haben, dass sich Jungunternehmer und potentielle Unternehmer ent­sprechend angeregt gefühlt haben, Gründungen vorzunehmen.

Wir hatten im Jahr 2002 in Österreich 28 000 Gründungen in einer ausgesprochen schwierigen Konjunkturphase. Deutschland hat den einfachen Weg gewählt: minus 4,5 Prozent bei den Gründungen – wir hatten plus 10 Prozent. Das ist meines Erachtens ein gravierender Unter­schied! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Damit bin ich auch schon beim Ausblick, bei den Maßnahmen, die im Wirtschaftsbereich für die Jah­re 2003 und 2004 gesetzt werden. Die Konjunktur hat sich ja noch nicht wesentlich ver­bes­sert. Ich glaube, dass wir an sich die richtigen Maßnahmen treffen – die richtigen Maß­nahmen, was die Steuerfreistellung bis zu 14 500 € Jahreseinkommen anbelangt.

Warum? – Weil hier natürlich erstens auch die Einkommensteuer entsprechend betroffen ist, die die Unternehmen zahlen. Und es sind die ganz kleinen Unternehmen, die hier frei gestellt wer­den, nicht diejenigen, die sich das Geld einstecken, sondern die, die teilweise Mindestbeitrags­grund­lagen zahlen. Gerade in diesem Bereich zahlen 60 Prozent der Unternehmen Mindest­bei­tragsgrundlagen. Daher ist das eine ganz richtige Maßnahme, die hier gesetzt wird.

Zweitens: Es werden die nicht entnommenen Gewinne günstiger gestellt. Das halte ich auch für eine richtige Maßnahme, Herr Minister, die aber noch nicht richtig durchgeführt wurde. Jetzt ha­ben wir die Problematik, dass die Freiberufler im Entwurf ausgeschlossen sind. Das halte ich nicht für richtig im Sinne der Gleichberechtigung. Auch da brauchen wir die gleichen Mög­lich­keiten. (Beifall bei der ÖVP.)

Drittens: Wir sollten uns auch anschauen, wo wir jetzt mit der Mindestbesteuerung ansetzen. Meines Erachtens kann man es nicht so machen, dass man eben erst bei 20 000 € Jahres­gewinn Vorteile hat, sondern wenn das für Klein- und Mittelbetriebe wirksam sein soll, dann muss man weiter unten ansetzen: Daher muss dieser Mindeststeuersatz weg. Ich hoffe, dass das in den Verhandlungen zum Budgetbegleitgesetz noch passieren wird. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bucher.)

Damit bin ich bei dem Punkt, der immer relativ positiv hervorgehoben wird: Das ist die 13. Um­satzsteuervorauszahlung. Das Jahr hat zwölf Monate, wie wir wissen. Ich möchte da in Bezug auf Ex-Finanzminister Lacina der Wahrheit insofern die Ehre erweisen – er hat das auch gewusst –, dass das eine Kompensationsmaßnahme war, die wir dazumal eingeführt haben, als die Gewerbesteuer abgeschafft worden ist. Der Staat hat Einnahmen verloren, durch die Um­satz­­steuervorauszahlung hat er wieder Einnahmen gewonnen, aber er hat den Betrieben schon eines gegeben: Er hat nämlich den Umsatzsteuertermin, die Fälligkeit, vom 10. auf den 15. hinaufgesetzt. Rechnet man das auf zwölf Monate um, hat man eigentlich sogar einen kleinen Vor­teil. Psychologisch war es aber kein Vorteil, daher müssen wir das jetzt auch als positive Um­setzung erklären. Aber, Herr Minister, 1,7 Milliarden € ist sie natürlich nicht wert.

Man muss eine Gesamtbetrachtung anstellen. Die Gesamtbetrachtung muss man auch dann an­stellen, wenn man zum Beispiel die Straßenbenützungsabgabe nicht mehr budgetrelevant hat. Da muss ich aber sagen, Herr Minister, das Road Pricing betrifft die Gesamtwirtschaft, den Stand­ort mit 600 Millionen €. Daher bitte ich darum, dass man das auch gesamthaft sieht.

Damit bin ich schon beim Schluss. Der Punkt Exportoffensive ist vielleicht der bedeutendste. Hier machen wir, Regierung und Wirtschaftskammer, eine gemeinsame Aktion. Das ist die Maß­gabe und die Grundlage für eine Stärkung des Standorts Österreich mit Konjunkturbelebung. International, so glaube ich, sind wir auf dem richtigen Weg. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitli­chen.)

16.29


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Eder. Wunschgemäß stelle ich die Uhr auf 5 Minuten. – Bitte.

16.29


Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf vielleicht gleich an die Ausführungen des Kollegen Mitterlehner anschlie­ßen. Es gibt einige Dinge, die er gesagt hat, die man durchaus unterstreichen kann, aber es muss uns schon klar sein: Ihr Präsident unterscheidet sich doch etwas von dem, was Sie ge­sagt haben. Im „WirtschaftsBlatt“ vom 26. April wird Leitl mit den Worten zitiert: „Schüssel schä­digt den Wirtschaftsstandort Österreich“. (Abg. Kopf: Diesen Satz hat Leitl nicht gesagt!)


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Ja, da kann man zwar mit der Hand deuten, Kollege Kopf, aber das steht im „WirtschaftsBlatt“. Das sage nicht ich, das steht hier so. (Abg. Kopf: Lies einmal ...!) Wenn man jetzt von dem aus­geht (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kopf), dann möchte ich hier einmal klarstellen, dass der Wirt­schaftsstandort Österreich natürlich dann gefährdet wird, wenn man über die österrei­chi­sche Bevölkerung mit einem neuen Pensionsrecht so drüberfährt, wie das jetzt gerade ge­schieht. Das wollen Sie nicht, Kollege Mitterlehner, und das wollen wir nicht! (Beifall bei der SPÖ.) Anscheinend will es nur derjenige, der hier zitiert ist. Das muss man einmal zur Kenntnis neh­men! – Das zum einen. (Abg. Dr. Mitterlehner: Zitieren Sie einmal ordentlich!)

Zum Zweiten, meine sehr geehrten Damen und Herren: Der Herr Finanzminister hat gestern in seiner Budgetrede sehr viel von Zukunft, Solidarität, Sicherheit, Forschung und Infrastruktur, von Abheben und Flügeln und so weiter geredet. Ich habe mir nach dieser Rede, die ich sehr ge­nau verfolgt habe, natürlich auch die einzelnen Budgetzahlen genauer angesehen. Und da schaut die Welt aber ein bisschen anders aus.

Wie ich vorhin bemerkt habe – Kollege Mainoni ist momentan nicht anwesend –, sind da selbst Ex­per­ten wie der Verkehrssprecher der Freiheitlichen Partei ein bisschen „eingefahren“, näm­lich folgendermaßen: Er hat hier zwar richtig gesagt, dass jetzt zum Beispiel für den Straßenbau wesentlich mehr Geld aufgewendet wird als 1999, nämlich statt 658 Millionen € 1 194 Milli­onen € – das stimmt schon –, aber das hat nichts mit dem Budget zu tun. Es gibt eine ausge­glie­derte Gesellschaft, die ASFINAG, und die ASFINAG hat den Auftrag, das Straßennetz ent­spre­chend zu erweitern und zu sanieren. Aber: Die ASFINAG hat diese 1 194 Millionen € nicht!

Wenn er mit dem ASFINAG-Management spricht, dann weiß auch der Herr Finanzminister sehr genau, dass dieses natürlich Kredite aufnehmen muss, um das Ganze zu finanzieren. Kredite aufnehmen ist aber gleich Schulden machen. Das heißt, der Trick, der uns da vorgeführt wird, ist: Man versucht zwar im Budget, die Ausgaben nach unten zu drücken, aber über die Ge­sell­schaften, die man gründet, werden die Schulden erneuert. Und das sind Maßnahmen, meine Da­men und Herren, die auch bezahlt werden müssen! Diese Maßnahmen müssen genau von jenen bezahlt werden, wobei Herr Mitterlehner gerade gejammert hat. (Zwischenruf des Abg. Mag. Regler.)

Aber wenn wir über Road Pricing reden, dann muss man auch wissen – Kollege Regler, Sie sind ja überhaupt der Spezialist in der Bundeswirtschaftskammer für diese Dingen –, dass die Bundeswirtschaftskammer Pamphlets herausgibt, in denen sie eindeutig feststellt, dass das alles viel zu hoch sei, dass man das nicht finanzieren könne und dass das den Wirtschafts­stand­ort schädige, wie wir gerade gehört haben. – Auf irgendetwas muss man sich aber schon einigen. Man kann nicht sagen, im Budget wollen wir das nicht haben, die ASFINAG soll Kredite aufnehmen – und zahlen sollen es die Autofahrer, und zwar die PKW-Fahrer.

Da sind wir von der SPÖ dagegen! Es müssen auch die Lkw einmal zur Kasse gebeten werden. In diesem Bereich muss man auch einmal zu Kostenwahrheit kommen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Da heute schon sehr viel über die Steuerreform diskutiert worden ist: Unter dem Deckmantel „Steuerreform“ kommt in Wirklichkeit neben all dem, was heute hier bereits debattiert wurde, eine riesige zusätzliche Belastungswelle auf die Bevölkerung zu. Und die größten Belastungen haben wieder einmal die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Pensionisten mit zu tra­gen. Diese sind von massiven Pensionskürzungen, Selbstbehalten in der Kranken­versiche­rung, neuen Gebühren, die bei Ärzten zu zahlen sind, Energiesteuern, die man neu eingeführt hat, Gebührenerhöhungen und Belastungen, die weit über geplante Steuersenkungen hinaus-gehen, betroffen. Wenn man all das zusammenrechnet, kommt man summa summarum auf eine wesentlich höhere Mehrbelastung der Bevölkerung, als diese große, „tolle“ Steuerreform, von der da die Rede ist, die Steuerzahler überhaupt je entlasten kann.

Wenn ich alleine an die Autofahrer denke: Da wird wieder einmal ganz gezielt abkassiert. So wird die Mineralölsteuer nun um 1 bis 2,5 Cent pro Liter Benzin und um 2 bis 3,5 Cent pro Liter Die­sel erhöht. Da kann man sich nicht auf die Europäische Union ausreden, denn diese hat die


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Dieselbesteuerung erst für das Jahr 2007 vorgesehen. Diese eine Maßnahme allein bedeutet jedoch eine Verteuerung von rund 335 Millionen € für alle Autofahrer – davon sind Lkw kaum betroffen –, und das steigend! (Abg. Mag. Regler: Kostenwahrheit!)

Vorhin wurde über die Lkw-Maut geredet. Hier gibt es dieses Pamphlet von der Bundes­wirt­schafts­kammer mit folgendem Wortlaut: Road Pricing ja, aber wenn es geht, ganz niedrig, ganz moderat. – Natürlich verstehe ich diese Haltung der Interessenvertreter, aber wir brauchen auch im Straßenverkehr ein wenig Kostenwahrheit. Wir wollen den Autofahrern mit ihren Privat-Pkws nicht zumuten, dass sie die ganze Latte zu zahlen haben und die Frächter mit einem blauen Auge davonkommen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.34


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Walch. Wunschge­mäß stelle ich die Uhr auf 5 Minuten. – Bitte.

16.35


Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolle­gin­nen und Kollegen! Ein Wort zu den Ausführungen meines Vorredners. Kollege Eder, wenn du von Belastungen sprichst (Abg. Eder: Wieso sind wir per du?), sage ich Folgendes: Ich bin jetzt 50 Jahre alt. Als die SPÖ an der Regierung war, hat sie so viele Belastungen geschaffen, dass man, glaube ich, ein 500 Seiten-Buch damit füllen könnte. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ärgert die Opposition natürlich, wenn ein Doppelbudget vorgeschlagen wird, das Ecken und Kanten hat. Das hat man trotz wirtschaftlich schwieriger Lage in gemeinsamer Zusammen­ar­beit – FPÖ und ÖVP mit dem Finanzminister, der ein Budget erstellt hat, das herzeigbar ist – geschafft. Und noch dazu für zwei Jahre! Ich glaube, das haben seine Vorgänger aus den Rei­hen der SPÖ, die ja meistens den Finanzminister gestellt hat, selbst in guten Zeiten nicht zu­sam­mengebracht.

Zum Kollegen Nürnberger noch eine Bemerkung, weil er mich heute darauf angesprochen hat, dass ich bei der letzten Plenarsitzung gesagt haben soll: Lesen – denken – sprechen! Er hat ge­sagt: Rechnen. – Ich würde ihn darum ersuchen: Wenn man etwas berechnet, dann soll man vor­her die Formel wissen. Wenn etwas in Verhandlung ist, dann ist noch keine Formel ausge­macht. Daher finde ich es unseriös und unfair, wenn man die Bevölkerung mit Rechen­beispie­len irritiert und sagt: So viele Abschläge wirst du haben!, wenn man noch gar nicht weiß, wie hoch die Abschläge sein werden. – So viel dazu. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Österreich ist – Gott sei Dank! – trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten in der glücklichen Lage, dass es mit 1. Mai 2003 nur 4,1 Prozent Arbeitslose aufweist. Wenn man sich die Lage in ande­ren Ländern in Europa anschaut, können wir noch von Glück reden.

Ich sage aber: Jeder Arbeitslose ist einer zu viel. Trotzdem haben wir eine Rekordbeschäftigung im Mai von über 3 155 000 Beschäftigten. Das ist ja auch wichtig. Wenn man schaut, was in diesem Budget steht, muss ich sagen, dass trotz der schwierigen finanziellen Lage in Österreich mehr Geld für Bildung, Ausbildung, Wissenschaft, Forschung und vieles mehr ausgegeben wird. Das wird in den nächsten zwei Jahren über 17 Milliarden € ausmachen; damit investiert man in die Zukunft! Auch aus diesem Grund ist das ein entsprechend gutes Budget.

Was mich, da ich vom Baugewerbe komme, besonders freut, ist, dass in die Bautätigkeit inves­­tiert wird. Der Wirtschaftsmotor in Österreich ist die Bauwirtschaft; wenn die Bauwirtschaft lebt, dann leben alle damit in Verbindung stehenden Betriebe auch. Dann wird dementsprechend investiert (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP) – ob das in Straßen, in die Bahn, in den Hausbau oder in vieles andere mehr ist. Und das ist, so meine ich, sehr positiv.

Aber auf eines bin ich schon besonders neugierig: Es wird ja nur von der Pensionsreform gere­det. Ich bin schon neugierig auf die Sozialversicherungsreform (Abg. Eder: Habt ihr eh schon rui­niert!), denn in den Selbstverwaltungskörpern sitzen sehr viele Obmänner von den So­zialdemokraten und man hat ja gesehen, wie sie in den letzten Jahrzehnten gewirtschaftet ha-


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ben. (Abg. Reheis: Ihr habt es ruiniert!) Die haben vom Wirtschaften nicht sehr viel Ahnung, muss ich ganz ehrlich sagen, denn sonst würde nicht ein so hohes Defizit aufscheinen. (Abg. Reheis: Die haben gut gewirtschaftet!)

Die Bundesregierung hat jetzt den Selbstverwaltungskörpern den Auftrag erteilt, einen Vor­schlag zu machen, wie sie besser, effizienter und günstiger bei gleich bleibender Leistung wirt­schaften können. Jetzt bin ich schon neugierig: Wer hat diese 16 Selbstbehalte in Österreich ge­schaffen? Ihr werdet doch nicht sagen, die Freiheitlichen, oder? Das könnt ihr ja doch nicht behaupten! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Niederwieser: Das war der Gaugg!)

Ich bin außerdem neugierig darauf zu sehen, wie viel Macht und wie viel Willen diese Leute dort haben, denn sie sind ja die Geschäftsführer dieser Organisation beziehungsweise dieser Ver­sicherung und dazu verpflichtet, etwas zu tun. Ich möchte wissen, welche Fähigkeiten sie auf­wei­sen – so wie es jeden Tag in der Privatwirtschaft passiert –, damit sie durchforsten, refor­mie­ren, auf dem Markt konkurrieren können zu Gunsten der Mitarbeiter beziehungsweise der Versicherten.

Dann schauen wir einmal, wie viele Selbstbehalte abgeschafft werden, wie viel das dann weni­ger kostet und wie sie dieses System retten können. Und wenn sie es nicht können, dann muss halt wieder die Regierung von Schwarz und Blau eingreifen und wieder einen entsprechenden Vorschlag machen.

Ganz zum Schluss. Was ist geschafft worden? – Für Familien das Kindergeld, die „Abfertigung neu“ und jetzt kommt die erste Etappe der Steuerreform. Ich habe von der SPÖ noch nichts von einem Programm dazu gehört. Die erste Etappe der Steuerreform erfolgt 2004. (Abg. Eder: Das spürt doch keiner!) Weiters ist die Angleichung von Arbeitern und Angestellten wieder ein wichti­ger Schritt.

Was die 1 000 € Mindestlohn betrifft, muss ich euch sagen: Hätten die Sozialdemokraten, die Ge­werkschaften besser verhandelt, dann wäre nicht ein so geringer Kollektivvertrag für die Leute herausgekommen, dann gäbe es auch nicht so viele Mindestpensionisten. Hätten Sie sich etwas mehr bemüht, dann würden auch die Pensionen in Österreich anders ausschauen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.40


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger zu Wort ge­meldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

16.40


Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzter Herr Minister! Vielleicht darf ich gleich eingangs mit einem leichten Missverständnis, das offenbar beim Entwerfen der Budgetrede vorherrschte, aufräumen. Herr Finanzminister, Gender Main­strea­ming bedeutet nicht nur geschlechtsneutrale Formulierung, und bei der geschlechts­neutra­len Formulierung gibt es keine Quotenregelung. Man darf nicht nur, sondern man soll sogar zu 100 Prozent geschlechtsneutral formulieren, und nicht so wie es in Ihrer Rede nur am Anfang der Fall ist. Gegen Ende hin überwiegen immer mehr die männlichen Formulierungen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich habe anfangs angenommen: Das ist eben passiert, das war ein Versehen! – so wie es of­fen­sichtlich in der Pensionsreform auf Grund der Sparregelungen, die man sich in der Regie­rung vorgenommen hat, auch ist, bei der „zufällig“ – unter Anführungszeichen – die Frauen ganz besonders draufzahlen. Wenn ich allerdings die Budgetrede, die in schön gedruckter Form vorliegt und fast nicht abweichend davon gehalten wurde, analysiere, so muss ich sagen: Es ist nicht uninteressant, zu sehen, in welchem Kontext es weibliche Formulierungen gibt und in welchem Kontext es nur männliche Formulierungen gibt.

Da gibt es natürlich einmal die Damen bei der Anrede „Meine Damen und Herren!“ – ganz kor­rekt! Dann gibt es die Formulierung „Österreicherinnen und Österreicher“, und zwar bevorzugt dann, wenn man sich bedankt, zum Beispiel für die Hochwasserhilfe. Im Bereich des Karitativen


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sind in den Formulierungen auch die Frauen präsent. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ihre Sorgen möch­te ich haben!)

Spannend wird es allerdings dann, wenn von den Bürgern die Rede ist. (Abg. Neudeck: Sind Sie Deutschlehrerin?) Da gibt es gerade noch einmal die Bürgerin, allerdings nicht mehr in den Ber­eichen, in welchen es auch darum geht, dass sie etwas bekommen. Zum Beispiel bekom­men nur die Bürger mehr Kaufkraft, die Bürgerinnen leider nicht.

Arbeitnehmer, Sozialpartner, Bauern, Unternehmer, die gibt es alle nur in der männlichen Form. Ältere Arbeitnehmer, die von der Pensionsreform zum Beispiel betroffen sind, gibt es nur in der männlichen Form, und vielleicht ist das die Erklärung dafür, dass Sie behaupten, ältere Ar­beitnehmer sind bei der Pensionsreform gar nicht so schlimm betroffen – ganz klar, weil Ar­beitnehmerinnen deutlich mehr betroffen werden! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Großruck: Was sagen Sie zur Reform? Es heißt: die Reform!)

Offensichtlich ist noch nicht einmal hier im Hohen Haus klar, was Gender Mainstreaming mit dem Budget zu tun hat. Ich darf Sie aufklären, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei und von der ÖVP: Wir sind – Nummer 1! – in der EU, daher gibt es – Nummer 2! – eine Ver­pflichtung zum Gender Mainstreaming. Und Gender Mainstreaming heißt: Bei allen Maßnah­men, die eine Auswirkung auf die Bevölkerung haben, getrennt bei Männern und Frauen darauf zu schauen und sicherzustellen, dass es zu einer Gleichbehandlung kommt. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das wäre auch dringend erforderlich, denn dieses Budget – und die Budgetrede beschreibt die Maß­n­ahmen ja umfangreich – hat natürlich massive Auswirkungen auf Männer und auf Frauen, und zwar unterschiedliche Auswirkungen auf Männer und auf Frauen. Ich werde Ihnen das ger­ne an einigen Beispielen erläutern.

Erstes Beispiel – das haben wir schon des Längeren und Breiteren diskutiert –: Die Pen­sionsre­form mit dem Durchrechnungszeitraum von 40 Jahren wirkt sich natürlich absolut unterschied­lich auf Männer und auf Frauen aus. Das wurde hier schon mehrmals deutlich ausgeführt.

Ein anderes Beispiel: Arbeitsmarkt. – Es ist ja die neueste Mode, dass man nicht mehr in rela­tiven Zahlen, sondern in absoluten Zahlen ein Budget diskutiert und Plus und Minus auch nicht immer ganz haarscharf trifft. Wir haben heute schon oft gehört, dass die Beschäftigung in abso­luten Zahlen gestiegen ist. Mich würde einmal interessieren, was der relative Anteil der Teilzeit­be­schäftigungen ist. Ich weiß, dass Teilzeitbeschäftigte zum deutlich überwiegenden Teil Frau­en sind.

Mich würde interessieren, ob Sie sich angeschaut haben, dass die Lohnsteuersenkungen natür­lich vor allem jenen mehr bringen, die mehr verdienen und daher mehr Lohnsteuer zahlen. Die­se werden mehr von einer Senkung profitieren. Und da kann man plötzlich prozentuell rechnen, da wird nicht in absoluten Zahlen gerechnet. Die Einkommensschere, die jetzt schon auseinan­der klafft, geht noch weiter auseinander auf Grund der Maßnahmen, die diese Regierung trifft, obwohl wir doch – der Herr Finanzminister müsste das eigentlich wissen, auch der Herr Bun­des­kanzler – eine Verpflichtung zum Gender Mainstreaming haben, und zwar im Rahmen der EU, und obwohl es auch eine Arbeitsgruppe gibt, die die Regierung einsetzt und die sich an­schauen müsste, wie sich das auswirkt. (Beifall bei den Grünen.)

Detto kann man sich das anschauen im Straßenbaubereich, auf dem Arbeitsmarkt, und gar nicht direkt die klassische Frauenförderung.

Ich komme nun zum Schluss meiner Rede. (Abg. Großruck: Gott sei Dank!) – Dass die Männer das manchmal nicht so gerne hören, wenn die „mittelalterliche Männerpolitik“ kritisiert wird, das verstehe ich schon, da kann ich Ihnen aber nicht helfen, denn zuhören müssen Sie mir! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Es wird entspannend, wenn Sie aufhören!) So viele Rechte haben sich die Frauen zum Glück erkämpft, zumindest in manchen Parteien.


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Die allgemeine Annahme in diesem Budget ist: Es gibt nur ein Modell, es gibt nur eine Form von Auswirkung – das ist das, was meine Kollegin Sburny heute schon treffend als „mittelalterlich“ und männlich bezeichnet hat –, und für die Frauen kann ich daher nur sagen, um in der Diktion des Herrn Finanzministers zu bleiben: Dieses Budget ist ein großes Wasser – ganz ohne Fi­sche! (Beifall bei den Grünen.)

16.46


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Neugebauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

16.46


Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Finanz­mi­nister! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nicht ins Detail gehen, son­dern Grundsätzliches sagen: Ich denke, dass wir alle der Auffassung sein können, dass dauerhafte Defizite nicht nur schädlich für den Wirtschaftsstandort Österreich sind, sondern dass auch die öffentlich Bediensteten als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma Österreich an einem ausgewogenen Budget Interesse haben, denn sie haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten unter dem budgetären Druck nicht den angemessenen Kuchen anschneiden können.

Der Herr Finanzminister hat in seinem Bericht auch dem Kapitel „Verwaltungsreform“ wichtige Passa­gen gewidmet. Eine Verwaltungsreform stellt einen permanenten Prozess dar. Ich erin­nere an die inhaltliche Verknüpfung, die auch der Herr Präsident des Rechnungshofes vorge­nommen hat, nämlich, dass Verwaltungsreform zunächst Aufgabenreform bedeutet. Ich wün­sche dem Konvent alles Gute. Ich glaube, dass er einmal gut starten kann, weil er über­parteilich eingerichtet ist, mit dem Ziel, Mehrgleisigkeiten zu verhindern.

Nachdem die Bundesregierung nicht zufällig auch Arbeitgeber ist und wir in der Sozialpartner­schaft mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienst die Verhandlungen führen, dränge ich darauf, Herr Bundeskanzler, Herr Finanzminister, dass die Fragen der Verwaltungsreform in den einzel­nen Ressorts in Abstimmung, im Gedankenaustausch mit den zuständigen Personalvertretun­gen behandelt werden.

Sie haben darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, 10 000 Bundesbedienstete einzusparen. Als gelernter Österreicher weiß ich, wie das am Ende des Tages aussieht. (Abg. Dr. Nieder­wieser: Frühpension!) Ich möchte aber, meine Damen und Herren, die Aufmerksamkeit darauf hin­lenken, dass wir heute in vielen Bereichen am Ende der Fahnenstange der personellen Ressourcen angelangt sind. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sie, Herr Finanzminister, wissen selbst aus Ihrem Haus, wie notwendig es wäre, qualifizierte Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter zusätzlich gewinnen zu können. Auch die Kollegen aus dem Justizbereich, ob sie in der Verwaltung, im Bereich der Wache oder im richterlichen Dienst tätig sind, sind am Ende der Belastbarkeit. Es muss zu denken geben, wenn man etwa hört, dass heu­te der Verwaltungsgerichtshof einen Aufarbeitungsstand des Jahres 1997 hat, weil die per­so­nellen Ressourcen nicht ausreichend gegeben sind. Das ist nicht allein die Schuld der Bun­desregierung. Wir alle, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus und in den Land­tagen, produzieren Gesetze in einer Flut, die in Wirklichkeit nicht mehr oder nur noch schwer be­wältigbar ist. Wir haben eine Regelungsdichte erreicht, die dem Rechtsstaat den Atem aus­gehen lässt.

Ich bitte, sich all das auch dann bewusst zu machen, wenn wir zwar sagen, wir müssen groß­zü­gi­ger sein, aber dann noch ein Thema entdecken, das wir gesetzlich abgedeckt haben wollen. Da braucht es eine andere Kultur, die wir gemeinsam angehen sollten! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin ein leidenschaftlicher Sozialpartner, und das schließt aus, dass ich Sozialgegner bin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in der Sozialpartnerschaft in dieser Zweiten Re­pu­blik, wenn auch von unterschiedlichen Positionen ausgehend, immer die schwierigsten The­men ge­s­chafft, und ich bin einigermaßen betroffen, dass die Bundesregierung das Angebot der gro­ßen Sozialpartnerschaft in der Causa prima nicht angenommen hat. Aber ich denke, jeder Tag


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beginnt neu (demonstrativer Beifall bei der SPÖ und den Grünen), und man kann mit jedem Tag die Diskussion neu eröffnen.

Ich bin auch Gewerkschafter aus Leidenschaft, und Leidenschaft impliziert, dass man seine Sache deutlich artikuliert und auch deutlich vertritt. Gewerkschaftliche Maßnahmen, wenn sie als notwendig erachtet werden – und die Geschichte der Gewerkschaftsbewegung, da im Spe­ziellen die gemessenen Streiksekunden in den letzten Jahren, beweist, dass wir sehr verant­wortungsbewusst damit umgegangen sind –, können nicht im keimfreien Raum passieren. Das ist doch wohl selbstverständlich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich pflege eine Sprache, in der die Formulierung „Österreich brennt“ nicht vorkommt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich weiß auch, liebe Freunde, dass es grundsätzlich nicht die Sprachkultur meines Kollegen Fritz – Fritz zu Fritz – ist, was ihm heute hier „ausgekommen“ ist. Er hätte eigentlich die Korrek­tur etwas rascher durchführen sollen. Aber betroffen hat mich gemacht, dass Kollege Heinzl nach der sehr maßvollen Korrektur des Vorsitz führenden Präsidenten Dr. Heinz Fischer am Schluss gemeint hat: Aber eigentlich hat Verzetnitsch Recht gehabt! – Das habe ich mit Be­dauern registriert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.51


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Abgeordnete Bures. 5 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

16.51


Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister Grasser, gestern nach Ihrer Budgetrede habe ich einen Anruf bekommen, und da hat ein Herr, der ursprünglich einmal auch Ihr Wähler war, zu mir gesagt: Herr Stronach hat sich sicher etwas dabei gedacht, als er KHG für Marketing angestellt und ihm nicht die Konzernfinanzen anvertraut hat. – Ich glaube auch, es ist gestern bei Ihrer Budgetrede deutlich geworden: Herr Stronach hat Recht gehabt! Geld kann man Ihnen nicht anvertrauen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Mag. Grasser: Das glau­be ich nicht!)

Sie haben nämlich gestern kein Zukunftsbudget präsentiert – darüber haben wir heute schon sehr viel diskutiert –, Sie haben hier ein unsoziales Schröpfbudget präsentiert. Sie haben das mit sehr viel Schmäh vorgebracht – Sie sind ja für Marketing zuständig –, aber ich kann Ihnen sagen: Von Ihrem Schmäh können die Leute in Österreich leider nicht leben, davon haben sie nichts. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben, wie bei Ihrer letzten Budgetrede, zwar ein Budget vorgelegt, das wir jetzt in Händen halten, aber in Ihrer Rede haben Sie von ganz anderen Dingen gesprochen, und darin sind Sie ja Experte: Ihre Rede hat überhaupt nichts mit dem zu tun, was wir an „kalten“ Zahlen und Fakten erhalten haben.

Schwarz auf weiß steht, dass von 2004 bis 2007 rund 2 Milliarden € an Mehrbelastungen auf die Menschen zukommen werden. Faktum ist, dass Sie zwar davon gesprochen haben, dass Sie die größte Steuerreform der Zweiten Republik – wieder mit sehr wohlgesetzten Worten for­muliert – machen werden, eine Steuersenkung für 2,4 Millionen Menschen erreichen werden, dass Sie aber verschwiegen haben, dass Sie mehr als der Hälfte, nämlich weit mehr als einer Million Menschen, „großzügig“ eine Steuerentlastung von weniger als 4 € pro Jahr zubilligen. Das haben Sie verschwiegen!

Sie haben diesen Menschen gegenüber auch verschwiegen, dass sie jetzt nicht einmal 40 Cent im Monat – und das soll großzügig sein? – von Ihnen bekommen, gleichzeitig aber höhere Ben­zin­preise und höhere Energieabgaben haben, während gleichzeitig auch die Wohn­kosten täg­lich steigen. Angesichts dessen stellen Sie sich her und sagen: Steuersenkung: 4 € im Jahr! – Das ist schäbig, Herr Bundesminister! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Mag. Gras­­ser: Ich habe nicht gesagt 4 € pro Jahr!)


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Ich habe heute anlässlich der Debatte um die Selbstbehalte schon gesagt: Sie sagen das eine, tun aber das andere. Sie handeln nach dem Motto: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? Das sieht man: Sie kündigen an, dass es keine zusätzlichen Schulden geben wird, aber das Gegenteil ist der Fall. Die Zahlen zeigen es: 2003 plus 3,9 Milliarden €, 2004 plus 3,4 Milliarden €, also insgesamt 7,3 Milliarden € mehr Defizit – und das Ganze ohne Reformen, ohne Sicherung der Pensionen, ohne Sicherung unseres Gesundheitssystems, ausschließlich mit Belastungen.

Wissen Sie, was ich besonders peinlich gefunden habe, Herr Bundesminister? – Dass Sie ges­tern gesagt haben: „Der Speck muss weg!“ – Sie richten den Österreicherinnen und Öster­rei­chern aus: Benzin wird teurer, die Wohnungskosten steigen, ich senke eure Steuern um 4 € im Jahr – bravo! –, aber der Speck muss weg! (Bundesminister Mag. Grasser: Im Zusam­men­hang mit der Verwaltungsreform habe ich das gesagt!) Doch der einzige Ort, wo Speck vorhan­den ist, ist diese Bundesregierung: Wir haben die größte Bundesregierung aller Zeiten – da spielt es keine Rolle! –, und Abfangjäger sind Ihnen auch nicht zu teuer. Da ist der Speck, Herr Bun­des­minister! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: So wie alles ist auch das falsch in Ihrer Re­de! – Abg. Murauer: Laut, aber falsch!)

Herr Bundesminister! Sie haben gestern in Ihrer Rede auch gesagt – und wie gesagt, das, was Sie gesagt haben, hat nichts mit dem Budget zu tun –, diese Steuerreform werde Österreich „Flü­gel verleihen“. Sie werde den privaten Konsum beflügeln, sie werde die Investitionen be­flügeln und sie werde das Innovations- und Wachstumstempo unserer Wirtschaft beflügeln.

Herr Bundesminister, ich habe irgendwie den Eindruck, es gibt überhaupt nur einen, der in die­ser Bundesregierung Flügel hat, und das sind Sie. Diese Bundesregierung insgesamt hat auch Flü­gel bekommen, sie hat die Bodenhaftung verloren, denn sie hat keine Ahnung, was die Pro­ble­me und Anliegen der österreichischen Bevölkerung sind. Sie haben die Bodenhaftung verlo­ren und Flügel bekommen, denn es wird leider weder etwas zur Belebung des Wirtschafts­wachs­tums gemacht noch werden Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gesetzt. Es findet sich keine derartige Initiative in Ihrem Budget. (Beifall bei der SPÖ.)

Also alles in allem kann man sagen: In Ihrem Budget, das ja die in Zahlen gegossene Politik der Re­gierung ist, kommen keine Initiativen für mehr Beschäftigung und zur Bekämpfung der Ar­beits­losigkeit vor. Das wird nur schöngeredet. Es finden sich darin keine Maßnahmen zur Bele­bung der Konjunktur und zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums. Wir vermissen wirkliche Reformen. Unter dem Strich kann man sagen: Dieses Budget ist unsozial, verantwortungslos und wirtschaftsfeindlich – und das haben Sie und diese Regierung zu verantworten!

Abschließend ein Appell an diese Regierung, vor allem an Sie, Herr Bundesminister und Herr Bun­des­kanzler – auch Kollege Neugebauer hat das soeben hier formuliert –: Ich fordere Sie auf, das Dialogangebot anzunehmen, das Gespräch wieder aufzunehmen, und zwar mit allen Parteien, mit den Gewerkschaften, mit den Sozialpartnern, mit Herrn Kollegen Neugebauer, mit der Kirche bis hin zum Bundespräsidenten, der schon einen Appell an Sie gerichtet hat! (Bun­desminister Mag. Grasser: Glaubwürdigkeit fehlt Ihrer Rede!) Nehmen Sie den Dialog wieder auf, setzen Sie den sozialen Frieden und den sozialen Zusammenhalt, mit dem Österreich groß geworden ist, einen erfolgreichen österreichischen Weg, nicht mutwillig aufs Spiel! (Beifall bei der SPÖ.)

16.57


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Abgeordneter Neudeck. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

16.57


Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wenn Kollegin Bures so von gemeinsamem Vorgehen spricht und appelliert, miteinander zu sprechen, dann muss man ihr schon ins Stammbuch schreiben: Streik ist nicht das richtige Mittel, um mit jemandem zu sprechen oder zu verhandeln! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Streik setzt man dann ein, wenn man zu schwache Argumente hat.


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Meine Damen und Herren! Im Jahre 2000 präsentierte Finanzminister Grasser erstmals für das Jahr 2002 ein ausgeglichenes Budget – damals für defizitgewohnte SPÖ-Abgeordnete und Ex-Mi­nister eine unerreichbare Utopie. (Abg. Eder: Er war einmal in eurer Partei!)

Kollege! Er war einmal in unserer Partei, er ist es jetzt nicht mehr. Er ist parteilos, aber deswe­gen nicht farblos, wie Ihr es vielleicht glaubt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Eder.) – Ich habe gesagt, er ist nicht farblos, er ist parteilos. Du hörst schlecht, Kollege Eder! Darf ich dich mit „Du“ anreden? Ich frage dich deshalb, weil du es Walch verboten hast, ob­­wohl er sagt, er ist bei der Gewerkschaft. Er hat gesagt, unter Kollegen ist das bei der Ge­werk­schaft so üblich. Ich weiß nicht, wie das bei euch ist. (Abg. Eder: Ich bin nicht bei der Ge­werk­schaft!) – Ach so! Gut. Das ist kein Fehler.

Als dieses Nulldefizit früher als vorgesehen eingetreten ist – man muss ehrlich dazusagen: mit Hilfe der Bundesländer, der Wirtschaft, der Arbeitnehmer und auf Grund positiver Wirt­schafts­daten –, ist dieser Erfolg der Opposition auch nicht recht gewesen, obwohl gleichzeitig ihr Parteivorsitzender Gusenbauer das Nulldefizit in den Verfassungsrang erheben wollte, aber das war anscheinend nur eine kurzfristige Idee, zumindest hat er es damals in den Raum gestellt.

Damals wurde dem Nulldefizit von den Oppositionsrednern sogar der weltweite Wirtschaftsab­schwung zugeordnet: Weil Österreich spart, weil Österreichs Bürger sparen, ginge weltweit die Wirtschaft zurück. – Das war damals Ihren Reden zu entnehmen, meine Damen und Herren von der Opposition.

Das für 2003 und 2004 vorgelegte Doppelbudget weist ein geringes Defizit auf, das den sich ab­zeich­nenden Wirtschaftsaufschwung unterstützen soll. – Plötzlich ist auch das wieder nicht recht. Zuerst war das Nulldefizit nicht recht, jetzt ein leichtes Defizit, um die Wirtschaft anzu­kur­beln, auch nicht. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Österreich liegt im europäischen, aber auch im internationalen Vergleich in den Statistiken ent­we­­der im guten Mittelfeld oder in Top-Positionen. Dort, wo andere Länder besser sind als Öster­reich, sind die Ursachen schnell geortet: Es wurde in guten Wirtschaftsjahren gespart, und es wur­de Geld in Forschung und Technologie investiert. Nicht so in Österreich: Bei uns haben in guten Jahren sozialdemokratische Kanzler und Minister über Jahrzehnte hinweg Defizite zu ver­ant­­worten gehabt. (Abg. Eder: Vizekanzler? Wer war denn das?) – Da hat es keinen sozial­demokratischen gegeben. (Abg. Eder: Der Schüssel! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Schüssel war sozialdemokratischer Vizekanzler? – Ich habe gesagt, sozialdemokratische Kanz­­ler und Finanzminister. – Kollege Eder, lies nicht Zeitung, hör’ mir zu, dann brauchst du nicht dazwischenzurufen! Hören, dann zwischenrufen!, hat heute jemand gesagt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Von sozialdemokratischen Kanzlern und Finanzministern waren über Jahrzehnte Defizite zu ver­ant­worten; Geld, das in die verstaatlichte Industrie gepumpt wurde, um jedenfalls vorder­grün­dig – und ich sage, nur vordergründig – Arbeitsplätze zu sichern. Nachhaltig war das da­mals nicht. (Zwischenruf des Abg. Eder.)

Milliarden Schulden aus dieser Zeit engen das Budget von heute ein. Trotzdem macht zum Beispiel der Vergleich mit Deutschland, einem unserer größten Handelspartner, sicher: Rot-Grün ist keine Alternative, sondern eine Gefahr für die Wirtschaft, den sozialen Frieden und den Wohlstand für alle Altersgruppen!

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Diese Regierung entlastet die Wirtschaft zum Beispiel durch die Abschaffung des 13. Umsatzsteuertermins. Sie setzen alles daran, um diese Entlas­tung für die Wirtschaft mit Streiks wieder zunichte zu machen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Marizzi: Stimmt ja gar nicht! Das ist komplett falsch, was du sagst! Du hast gar nicht begriffen, worum es geht!)


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15. Sitzung / Seite 118

17.03


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

17.03


Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Herr Wirtschafts­mi­nis­ter! Ich habe mir bei der gestrigen Budgetrede – abgesehen von den mittlerweile schon mehr­­fach erwähnten, interessanten und trickreichen Berechnungen, insbesondere was das Wis­senschafts- und Bildungsbudget betroffen hat – einige Male gedacht: Ja, da kommt jetzt die Ideolo­gie doch ganz gut durch. – Darauf wurde in der Debatte ein bisschen zu wenig hinge­wiesen.

Ich habe zum Beispiel mit Interesse gelesen, dass Sie Ihre Dissertation zum Thema Senkung der Abgabenquote bis 2010 auf 40 Prozent oder auf unter 40 Prozent schreiben.

Oder: Auf Seite 6 im schriftlichen Exemplar Ihrer Budgetrede schreiben Sie, und Sie haben es hier auch tatsächlich gesagt – ich zitiere –:

„Wer Armut wirksam bekämpfen will, ... der muss unsere Unternehmen von Fesseln und Belas­tungen befreien und ein Klima schaffen, in dem sich Leistung für den Einzelnen wieder lohnt. Wir wollen daher weniger Staatseinfluss und mehr Markt.“

Ich meine, das kennt man aus der aktuellen Diskussion. Man weiß, wo das ideologisch zuzu­ord­nen ist. Aber insbesondere im Zusammenhang mit Armutsbekämpfung hat das schon eine neue Qualität. Als Gesamtausrichtung habe ich das schon öfter gehört, aber bei der Armutsbe­kämpfung ist das ungewohnt, weil wir genau wissen, wo Armut auftritt.

Wenn ich mir anschaue, wie sich etwa diese Pensionsreform insbesondere bei den Mindestpen­sionisten auswirken wird, dann muss ich sagen, wir wissen doch genau, dass dort die Armuts­falle immer mehr aufgeht.

Die Antwort, dass quasi die Unternehmen für die dann 65- oder 70-Jährigen offenbar den Aus­gleich schaffen sollen, die ist, so denke ich, schon mehr als neoliberal, oder wie immer man das bezeichnen mag. So ist diese Ideologie in meinen Augen zu werten. Daher meine ich, in den nächsten Jahren, solange Sie am Ruder sind, kann ja noch einiges an Merkwürdigem in unse­rem Land passieren.

Auf Seite 20 gibt es eine ähnliche Passage. Darin heißt es: „Hohe Steuern sind ein Zeichen des Wohlfahrtsstaates alter Prägung.“ – Und weiter: „Steuern senken heißt Freiheit schenken!“

Ich habe von Ihnen auch wörtlich gehört, dass Sie im Gesundheitssystem auch deshalb für Selbstbehalte eintreten, weil Selbstbehalte nicht der Abgabenquote unterworfen sind und sich das somit steuerlich einfach besser auswirkt.

Aber wenn man sich die Realität anschaut, dann sieht man eben, wie unterschiedlich sich Bei­trä­ge und Abgaben beziehungsweise Selbstbehalte auswirken. Selbstbehalte werden nur von je­nen bezahlt, die krank sind, die betroffen sind, während eine solidarische Finanzierung immer bedeutet, dass es eine Risikoverteilung gibt. Und von dieser halten Sie, glaube ich, in der Budgetpolitik relativ wenig.

Ich muss sagen, ich sehe das doch mit sehr gemischten Gefühlen. Ihre ersten Budgetreden ha­ben zwar mehr plakative Sätze enthalten, aber Ihre Ideologie, die jetzt durchbricht, war so deut­lich noch nie spürbar. Ich glaube, dass sich dieses Land auf einiges gefasst machen kann, wenn Sie hier noch lange Zeit fuhrwerken dürfen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenbe­mer­kung von Bundesminister Mag. Grasser.)

Aber kommen wir zum Bildungsbudget zurück, zu dem Sie in meinem Rücken jetzt gemeint ha­ben, dass dies schon dem Haushaltsrecht entspricht. – Es hat bestimmt niemand behauptet, dass Sie hier in den Budgetteilen falsch verbuchen. Das mag schon so sein. Dass Ihre Äuße­rung da­zu dem Haushaltsrecht entspricht, dass nämlich die Ausgaben auf über 9 Milliar­den € steigen werden, ist formal auch noch korrekt.


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15. Sitzung / Seite 119

Aber ich stelle Ihnen schon die Frage: Wissen Sie, wie die OECD die Bildungsausgaben be­misst? – Da werden nämlich auch nur die Ausgaben bemessen. Ich frage mich jetzt: Welche Da­ten übermittelt Österreich der OECD? Werden der OECD in Zukunft ebenfalls diese plus 800 Milli­onen € übermittelt, und heißt es dann auf einmal, dass Österreich seine Bildungs­aus­gaben im Vergleich drastisch gesteigert hat, weil nämlich die Universitäten dort mit einem mas­siven Anstieg ausgewiesen sind?

In diesem Fall kann ich mir schon vorstellen, was der nächste OECD-Bericht 2004 ergeben wird, ohne dass sich substanziell etwas geändert hat. Wenn Sie von der Bereinigung durch die OECD reden, dann wissen Sie so gut wie ich, dass die Daten von den Ländern übermittelt wer­den, und zwar nach den Kriterien, die vorgegeben sind.

Im Übrigen hieß es doch, die Studiengebühren kommen zur Gänze den Universitäten zugute. 2001, im Jahr der Einführung der Studiengebühren: 1,656 Milliarden € Budget. Dann, 2002, gab es eine Steigerung um 81 Millionen €, und jetzt, 2003, eine Senkung um 107 Millionen €.

Das heißt, wir haben jetzt eine Universitätsfinanzierung, die unter dem Niveau der Zeit vor der Ein­führung der Studiengebühren liegt. Das heißt also, dass das, was auch gesetzlich vorgesehen ist, näm­lich dass diese Mittel komplett einfließen, einfach nicht eingehalten wird, weil nämlich auf der anderen Seite das Budget gekürzt wird. Das ist eine Form einer Finanzpolitik, die schon sehr „interessant“ und „kreativ“ erscheint. (Beifall bei den Grünen.)

Letzter Punkt, ähnliche Qualität: Stundenkürzungen im Schulbereich. Da muss ich sagen, ich ha­be mich lange Zeit davon blenden lassen, dass ich mir gedacht habe, okay, wenn das Mi­nisterium die Daten liefert und die OECD vergleicht, dann wird da schon einiges dran sein.

Man kommt dann, wenn diese Maßnahmen geplant sind, auch dazu, dass man sich das im De­tail näher anschaut. Wenn man das nachrechnet, dann sieht man, leicht errechenbar, dass Ös­terreich einfach falsche Daten geliefert hat und wir bei den Stunden de facto geringfügig über dem OECD-Durchschnitt liegen, mit dieser Kürzung mittlerweile darunter.

Über all das könnte man noch diskutieren, wenn es eine pädagogisch sinnvolle Reform wäre, wenn es darum gehen würde, sinnvollerweise endlich davon wegzukommen, dass es in Öster­reich sehr wenig an Fördermaßnahmen gibt, dass es sehr wenig an zusätzlichen Angeboten gibt, dass insbesondere schwächere SchülerInnen zu wenige Angebote bekommen. – Aber all das passiert nicht. Es soll eine strikte Kürzung, eine strikte Streichung sein.

Schauen wir uns im internationalen Vergleich an, wie sich das auswirkt! Das ist auch etwas kon­kreter, denn die PISA-Studie ist bei weitem nicht so leicht fälschbar wie das, was an Daten vom Ministerium bei den Finanzdaten geliefert worden ist. Da werden wir dann sehen, ob das insbe­son­dere in den Bereichen Fremdsprachen, in den Bereichen Naturwissenschaften – nächster Schwerpunkt der PISA-Studie – Auswirkungen haben wird.

Ich bin schon gespannt, was die Bildungsministerin dann sagen wird. Dann wird Österreich nicht mehr „Weltklasse“ und „Europaklasse“ sein, und vielleicht ist das endlich einmal die Chance, dass man in Österreich davon wegkommt, die Bildungspolitik in erster Linie als Sparverein an­zu­sehen! (Beifall bei den Grünen.)

17.09


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Fuhrmann. Ich erteile ihr das Wort.

17.09


Abgeordnete Silvia Fuhrmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Hohes Haus! Mein Redebeitrag betrifft – wie kann es anders sein? – auch die Frage der Pensionssicherung. Ich als junge Abgeordnete unterstütze diese Reform aus einem einzigen Grund: weil mir weniger Pension noch immer lieber ist als gar keine. Und wenn wir nichts un­ter­nehmen würden, dann wäre das der Fall. (Beifall bei der ÖVP.)


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15. Sitzung / Seite 120

Mit dem Bekenntnis von uns jungen Menschen zum Drei-Säulen-Modell, das heißt, auch privat vor­zusorgen, ist ein großer Schritt in Richtung Solidarität unsererseits getan. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Wer hat das Geld dafür?!) Privatvorsorge im Sinne der dritten Säule ist auch Kapital, das man sich selber auf die Seite legt, was bisher nicht notwendig gewesen ist. (Abg. Dr. Puswald: Das haben wir schon so oft gehört! Das wird nicht besser!)

Wenn ich mir anschaue, dass die durchschnittliche Ausbildungsdauer um drei Jahre ange­stie­gen ist – wir haben es heute schon einmal gehört –, die Erwerbstätigkeit um sechs Jahre kürzer und die Zeit der Pension um zwölf Jahre länger dauert, dann ist es eigentlich seitens der älteren Ge­ne­ration nicht solidarisch, das muss ich festhalten, wenn nur 3 Prozent der älteren Bevöl­kerung tatsächlich im gesetzlichen Pensionsantrittsalter in Pension gehen. Und wenn der Anteil der 55- bis 64-jährigen Beschäftigten bei nur 28,6 Prozent liegt, dann ist das eigentlich auch nicht sonderlich fair. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wenn ich mir ausrechne, was passieren würde, wenn wir in diesem Bereich nichts verändern wür­den, dann stelle ich fest, dass im Jahr 2030 ein Vertreter meiner Generation einen Pensio­nisten erhalten müsste und dies zirka 30 bis 40 Prozent des durchschnittlichen Einkommens ausmachen würde. Wenn ich dann noch die Krankenversicherung, Steuern und sonstige Abga­ben, den öffentlichen Dienst et cetera dazurechne, dann stelle ich fest, es würden zwei Drittel des Einkommens sozusagen verjausnet werden, das heißt, mir bliebe nur ein Drittel übrig, und spätestens dann würden der Generationenvertrag und die Generationensolidarität kippen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Generation würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und zur jetzigen Debatte hinzu­fügen, dass wir uns viel höhere und sogar von manchen vielleicht als gravierend empfundene – was ich verstehen kann – Solidarbeiträge der derzeitigen Pensionisten erwarten würden! Das möchte ich hier auch betonen.

Ein weiterer Punkt, der mir Sorge bereitet, ist nicht, ob ich in Zukunft eine Pension erhalten wer­de oder nicht, sondern vielmehr auch die Frage, welche Auswirkungen diese Situation auf Ös­ter­reich hat.

Man muss feststellen, dass Nachbarstaaten und nordische Staaten die Reformen, die wir jetzt ma­­chen, bereits vor zehn Jahren durchgeführt haben, was zur Folge hatte, dass dort vom Staat viel weniger Geld in die Pensionen fließt. Daher gibt es dort auch viel mehr Freiraum, um in an­dere Dinge zu investieren, etwa in Forschung und Entwicklung. Das ist auf lange Sicht auch eine Frage des Arbeitsmarktes, eine Frage des Wettbewerbs, der Konkurrenzfähigkeit, und letzt­endlich auch eine Frage der Arbeitsplätze. Darum mache ich mir als junger Mensch derzeit Sorgen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Marizzi: Ja, ja! 40 Prozent weniger Pension!)

Das heißt, diese Reformen sind zu unterstützen, verbunden mit einem Punkt, der Gott sei Dank auch im Regierungsprogramm festgehalten ist; ich darf sagen, dass er auch von meiner Seite ein­ge­bracht wurde. – Es geht um die Forderung nach einer Umverteilung der Lebens­verdienst­Summe, denn aus zwei Gründen ist das entscheidend:

Auf der einen Seite ist das Senioritätsprinzip im Gehaltschema generell nicht passend, weil hohe Investitionen zu Beginn des Erwerbslebens getätigt werden: In dieser Zeit wird Eigentum ge­schaffen, werden Familien gegründet, und nicht kurz vor der Pension!

Das derzeitige Gehaltschema zeigt aber, dass die höchsten Gehaltsprünge vor der Pension pas­­sieren, und nicht zu Beginn des Erwerbslebens. Das ist eine völlig falsche Einschätzung der Lebenssituation. Eine Umverteilung der Lebensverdienstsumme ist deshalb mehr als notwen­dig, auch aus dem Grund, weil, wenn man privat vorsorgen muss, auch etwas vorhanden sein muss, das man auf die Seite legen kann, um es anzusparen.

Ich fordere hier auch die Sozialpartner auf, in der Privatwirtschaft – im öffentlichen Dienst ist es ja einfach zu lösen –, im Sinne einer neuen Kollektivvertragsregelung Verhandlungen auf­zu­nehmen.


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Abschließend möchte ich noch etwas anmerken, auch gerichtet an die Gewerkschaften in Bezug auf den Streik. Ich habe sehr viele E-Mails von Schülern bekommen, die besorgt darüber sind, Proble­me mit der Matura zu bekommen, und zwar aus einem einzigen Grund:

In einem E-Mail heißt es – ich zitiere –: Ich persönlich hatte das Glück, mit den ÖBB von Tulln aus bis nach Heiligenstadt zu kommen, von dort aus zu Fuß weiter in die Schule. Meine Wiener Klas­­senkollegen hatten es nicht so leicht. Drei Kollegen, die in der Nähe von Perchtoldsdorf woh­nen und normalerweise über die Haupteinfallstrecke nach Wien kommen, haben die Lö­sung des Problems, der Streiks, darin gesehen, vor dem Schulgebäude zu campieren und auf Park­bänken zu schlafen. – Zitatende.

Ich glaube nicht, dass das die geeignete Vorbereitung auf eine Matura ist! Ich glaube, dass man den Jungen keine Steine in den Weg legen sollte. (Beifall bei der ÖVP.)

17.15


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Parnigoni. Gleiche Rede­zeit. – Bitte.

17.15


Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Glück hat sich jetzt noch Herr Minister Bartenstein aus der Ecke hervorgeschwindelt, sonst hätte man ja sagen müssen: Wir haben die zweitgrößte Regierungsmannschaft seit vielen, vielen Jahr­zehn­ten – und kein einziger Regierungsvertreter findet es der Mühe wert, auf der Regierungs­bank zu sitzen. Das ist die „Achtung“, die Sie diesem Parlament entgegenbringen! (Beifall bei der SPÖ.)

Dass nicht einmal der Herr Staatssekretär oder der Herr Finanzminister Zeit finden, diese De­batte hier mitzuverfolgen, ist schon eine gewaltige Missachtung dieses Parlaments. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Zu den Ausführungen meiner Vorrednerin, der Kollegin Fuhrmann, möch­te ich nur anmerken, dass sie leicht reden kann. Sie kommt ja aus einem begüterten Fa­mi-lienverband, es gibt ein großes Weingut bei ihr zu Hause. Das ist kein Vorwurf – aber da kann man leicht über die Privatvorsorge reden. (Widerspruch und Zwischenrufe bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Da kann man leicht über die Privatvorsorge reden. Da kann man leicht darüber reden, wie man sich die dritte Säule leisten kann, meine Damen und Herren. Die große Masse der Arbeit­neh­merinnen und Arbeitnehmer ist nicht in der Lage, große finanzielle Mittel aufzubringen, um sich diesem unsicheren Instrument anzunähern.

Wir alle wissen – auch Sie wissen das, meine Damen und Herren von der ÖVP –, dass gerade die Erträge der Zusatzpensionen aus diesem Bereich der so genannten dritten Säule von den schwan­kenden Aktienmärkten abhängig sind. Und wir haben ja heute viele Beispiele dafür ge­hört, wie diese Erträge dramatisch zurückgehen können.

Daher kann ich nur hoffen, dass Kollegin Fuhrmann für eine Minderheit der jungen Generation ge­sprochen hat und dass die anderen Menschen darauf setzen, dass der Staat seine Ver­pflich­tung in diesem Bereich wahrnimmt.

Meine Damen und Herren! Kollege Neudeck hat gemeint, Streik, das sei so eine Sache, das ste­he den Arbeitnehmern in dieser Frage nicht zu. Der Herr Finanzminister hat gemeint, er wer­de „Freiheit schenken“. – Ich kann Ihnen versichern, die Arbeitnehmer in dieser Republik wer­den sich die Freiheit nehmen und sich diese nicht schenken lassen! Sie werden sich die Frei­heit nehmen und für ihre Anliegen demonstrieren, wann immer sie glauben, dass es notwendig ist! (Beifall bei der SPÖ.)


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Dritter Punkt: Der Herr Finanzminister hat den Begriff der Glaubwürdigkeit in der Politik sehr stark strapaziert. – Ich möchte auch die Glaubwürdigkeit der betroffenen Politiker, nämlich des Herrn Finanzministers und des Herrn Staatssekretärs, näher beleuchten und hinterfragen.

Der Herr Finanzminister hat im Juni 2000 einen Brief geschrieben, der wie folgt beginnt – ich zitiere –:

Sehr geehrter Herr Oberst! Wie ich wiederholt Gelegenheit hatte, zu versichern, besteht keine Veranlassung, die Zollwache in das Innenressort zu verlagern. Vielmehr halte ich es auf Grund der auf Österreich zukommenden Veränderungen mit dem Beitritt der osteuropäischen Länder zur Europäischen Union für geboten, sie auch vermehrt in die Bekämpfung des allgemeinen Steuerbetrugs unterstützend einzubinden und die Zollwache zu einer Zoll- und Finanzwache weiter zu entwickeln. – Zitatende.

Hoch interessant diese Aussage, kann ich Ihnen nur sagen!

Es folgte etwas später eine Stellungnahme des Herrn Staatssekretärs Finz; den Zeitpunkt die­ses Schreibens werden Sie gleich erraten können.

Finz schreibt – ich zitiere –: Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Zollwache! Eine moder­ne Zoll- und Finanzwache ist neben der Steuer- und der Zollverwaltung eine der drei wichtigen Säulen im Bundesministerium für Finanzen, und sie ist daher als eigenständiger Wachkörper un­verzichtbar. Eine Verlagerung dieses modernen und effizienten Instruments in ein anderes Ressort ist weder beabsichtigt noch Bestandteil eines Programms der ÖVP. – Zitatende. (Abg. Dr. Niederwieser: Wann war das?)

Meine Damen und Herren! Wie wird er das erfüllen, der Herr Staatssekretär Finz? – Seit 1. Mai, also seit ein paar Tagen, ist dieser gesamte Bereich mit über 2 000 Beamten nämlich Be­stand­teil des Innenministeriums. (Ruf bei der SPÖ: Öha!)

Meine Damen und Herren! Was haben der Herr Staatssekretär und der Herr Finanzminister in Wirklichkeit getan? Sie haben – wie sagt man? – eine Unwahrheit gesagt. Sie haben bewusst die Unwahrheit gesagt. Und im Duden steht: Eine bewusste Unwahrheit ist eine Lüge.

Meine Damen und Herren! Sie selbst können sich also ein Bild davon machen, wie die Glaub­wür­dig­­keit des Finanzministers sowie des Staatssekretärs in diesem Bereich aussieht. Diese „Glaub­­würdigkeit“ zieht sich durch viele Maßnahmen in diesem Budget, und ich bin davon überzeugt, dass sich die Bevölkerung diese Dinge sehr klar in Erinnerung rufen wird.

Ich brauche gar nicht mehr zu sagen, denn es bröckelt schon gewaltig in der ÖVP. Herr Halb­mayr, Vorstandsdirektor der Post AG, zieht sich zurück – ein sehr tüchtiger Manager, möchte ich sagen – mit der Bemerkung, er könne diese Politik, den Verkauf der Post AG nicht mehr mit­tra­gen. Der Chef der Lehrergewerkschaft, vom ÖAAB, zieht sich zurück, weil er diese Politik der ÖVP nicht mehr mittragen kann. – Meine Damen und Herren von der ÖVP! Sie sind auf dem bes­ten Weg! Glück auf für die nächsten Wahlen, da werden Ihnen nämlich die Wähler davon­laufen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.21


Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Wort zu einer tatsächlichen Berichtigung wünscht Frau Ab­geordnete Fuhrmann. Redezeit: 2 Minuten. Ich bitte, den zu berichtigenden Sachverhalt und den tatsächlichen Sachverhalt präzise wiederzugeben. – Bitte.

17.21


Abgeordnete Silvia Fuhrmann (ÖVP): Ich zitiere Abgeordneten Parnigoni, der in seinen Aus­füh­rungen behauptet hat, ich komme aus einer begüterten Familie und meine Eltern haben ein gro­ßes Weingut. – Das ist falsch!

Richtig ist, dass mein Vater Angestellter ist und meine Mutter Hausfrau.


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Aber darüber hinaus: Die Eigenvorsorge soll nicht eine Frage der Klassen sein. Ich verbitte mir die­sen Klassenkampf, der hier initiiert wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.22


Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Fuhrmann, der erste Teil war völlig in Ord­nung, ein zweiter Teil wird in der Form nächstes Mal nicht mehr vorkommen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wittauer. – Bitte.

17.22


Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Kol­le­gin Weinzinger macht sich in Bezug auf das Budget Gedanken darüber, ob Weiblichkeit darin enthalten ist, ob es „Beamter“ oder „Beamtin“ heißt. – Ich möchte Ihnen sagen, auch in der Bun­deshymne heißt es „Heimat bist du großer Söhne“ – schreiben wir da auch „Schwes­tern“ da­­zu? (Beifall bei den Freiheitlichen.) „Einig laß in Bruderchören“ – schreiben wir da auch „Schwes­ter“ dazu? Ich bin durchaus dazu bereit, mit Ihnen eine Diskussion darüber zu führen, aber heute reden wir über das Budget, also bleiben wir beim Budget. (Beifall bei den Frei­heitlichen.)

Der Budgetvoranschlag dieser Regierung für die Jahre 2003 und 2004 zeigt, dass es für uns ein wesentlicher Faktor ist, den Wohlstand in Österreich zu sichern und damit zukunftsorientiert und verantwortungsvoll auch für die nächsten Generationen umzugehen. Soziale Standards, die Siche­rung des Gesundheitssystems und auch der soziale Frieden für die Zukunft stehen für uns im Mittelpunkt. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Wo Ihr Mittelpunkt ist, wissen wir: auf der Straße und nicht hier herinnen im Parlament. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch in schwierigen Zeiten wie diesen, in denen die Konjunktur angeschlagen ist, wird diese Bun­desregierung zeigen, wie verantwortungsvoll sie Politik umsetzt. Wir stellen die Menschen in diesem Land, die uns gewählt haben, in den Mittelpunkt, und wir gehen mit ihnen so um, wie es ihnen zusteht: verantwortungsvoll, zukunftsorientiert – sowohl für die Menschen als auch für un­ser Land.

Für die Landwirtschaft wird das 3-Milliarden-€-Paket voll umgesetzt. Vor allem für unsere klein­strukturierte Landwirtschaft und für den Konsumenten ist dies eine unglaublich wichtige Maß­nah­me. Die Qualitätssicherung unserer Produkte bleibt erhalten, das umweltbewusste Vorge­hen in unserer Landwirtschaft wird gesichert. Auch das ist eine Leistung für die Menschen und unsere Lebensqualität.

Auch für Umweltmaßnahmen werden die vorgesehenen Budgetmittel von 2004 bis 2006 von 30 Millionen € auf 90 Millionen € aufgestockt, um die Erreichung des Kyoto-Ziels anzustrengen. Eine intakte Umwelt ist auch eine Voraussetzung dafür, die Lebensqualität in unserem Land sicher­zustellen.

Der Erfolg der bisherigen Politik dieser Regierung gibt uns Recht: Wir haben die drittniedrigste Ar­beitslosenrate in Europa, die Jugendarbeitslosenrate ist niedriger als im restlichen Europa. Die Gefahr für ältere Arbeitnehmer, arbeitslos zu werden, wird durch spezielle Maßnahmen so ge­ring wie möglich gehalten. In diese Maßnahmen werden heuer 4 Millionen € investiert. – Auch dafür können wir dieser Regierung ein Dankeschön sagen.

Meine Damen und Herren! Die Menschen erwarten sich von uns – und dafür sind wir schließlich ge­wählt worden –, dass wir nicht nur Visionen haben, sondern sie auch umsetzen. Trotz des Zieles eines Nulldefizits, das auch weiterhin unser Ziel bleiben wird, kann in einer welt­wirt­schaft­lich schwierigen Lage, eben um der Wirtschaft zu helfen, ein kleines Budgetdefizit in Kauf ge­nom­men werden. Das Ziel, bis 2006 wieder ein Nulldefizit zu erreichen, wollen wir natürlich nicht aus den Augen verlieren.

Ich habe die Ausführungen des Herrn Kollegen Cap heute Vormittag sehr genau verfolgt. Ich hat­te den Eindruck, sein Auftritt glich mehr dem eines Marktschreiers und war mit Halb­wahr­heiten gespickt. – Verschonen Sie die Zuschauer und uns damit! Wahr ist: Die Sozialdemo­kra­ten haben es geschafft, in 30-jähriger Regierungszeit sage und schreibe 162 Milliarden € an


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Schul­den anzuhäufen. Das bedeutet pro Jahr 7 Milliarden € an Zinsbelastung. Sie haben es ge­schafft, bis in die neunziger Jahre jedes Jahr ein Budgetdefizit von über 5 Prozent zu beschlie­ßen.

Ich vermisse bei der Opposition die Verantwortung für die Menschen in unserem Land. Dialog­bereitschaft ist bei Ihnen nicht gefragt, Mitarbeit wird boykottiert – Schlechtreden führt aber nicht zum Erfolg! Nehmen Sie Ihre Verantwortung für Österreich und die Menschen in diesem Land wahr! Angstmacherei und Verunsicherung sind nicht die Grundlagen für eine gute Politik.

Ich persönlich bedanke mich im Namen vieler Menschen vor allem bei unseren freiheitlichen Regierungsmitgliedern unter der Führung von Vizekanzler Herbert Haupt dafür, dass in diesem Doppelbudget 2003/2004 die Qualität der freiheitlichen Politik für die Menschen in unserem Land umgesetzt wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

17.26


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mandak. – Bitte.

17.27


Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Kollegin Fuhrmann, Sie sagen, lieber diese Pensionsreform als gar keine. Ich möchte Sie dazu ermuntern, nicht schon jetzt zu resignieren. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wenn man nach 30 Jahren politischer Arbeit resigniert, dann ist das nachvollziehbar. Resignie­ren Sie nicht, setzen Sie sich für die bestmögliche Variante ein, das aber ist diese Pensions­reform nicht! Sie wissen das, ich weiß es, wir wissen es. Setzen Sie sich für das Bessere ein! (Beifall bei den Grünen.)

Heute war schon viel von Angstmacherei die Rede. (Abg. Steibl: Das machen Sie auch, das ist die Arbeit der Opposition!) Nun, Angst machen muss man überhaupt nicht, aber man kann fest­stellen, und ich als Familiensprecherin der Grünen stelle fest, dass auch im kommenden Jahr in Österreich weiterhin Familiensilber verscherbelt werden wird. Die größte Verscherbelungsaktion hat ja leider schon stattgefunden. Die wertvollsten Stücke – ich erinnere an Pretiosen wie etwa die Austria Tabak, ein Goldesel – hat man schon verkauft. (Abg. Schweisgut: Was hat das mit einer Familiensprecherin zu tun?) Jetzt geht es darum, 61 000 Bundeswohnungen zu verkau­fen, und das weit unter ihrem Wert. (Bundesminister Mag. Grasser: Nein, nicht unter ihrem Wert!) Es geht nur darum, dass Sie, Herr Minister, Geld in Ihre Kassa bekommen. Da geht es um jeden Cent, und das ist genau das Geld, das den Wohnungsuchenden beziehungsweise für den Wohnungsbau in Österreich in Zukunft fehlen wird.

Sie sagen, der Staat – ein schlechter Unternehmer, wie Sie ihn sehen – soll sich ganz aus dem Woh­nungsbereich zurückziehen. Das ist Ihre Ideologie, die dahinter steht. Was ist die Alterna­tive? – Die Alternative ist, dass der Wohnungsmarkt Immobiliengesellschaften überlassen wird, die natürlich unter Gewinnmaximierung versuchen, diese Wohnungen zu vermieten. Und das ist nicht das, was wir uns unter einer Sozialpolitik in Österreich vorstellen, meine Damen und Her­ren! (Beifall bei den Grünen.)

Wir stehen dazu, dass der Staat auch im Wohnungsbereich Verantwortung übernimmt, sich auch um jene kümmert, die sich keine Eigentumswohnungen leisten können, die keine hohen Miet­beiträge zahlen können und die bisher immer im Bereich der gemeinnützigen oder staatli­chen Wohnungen günstige Wohnungsmöglichkeiten gefunden haben. Entziehen Sie nicht diese Wohnungsmöglichkeiten, Herr Minister!

Der zweite Teil des Familiensilbers ist der Wohlfahrtsstaat Österreich. Der Wohlfahrtsstaat Ös­ter­reich war immer ein Qualitätsmerkmal für diesen Staat, aber auch hier wollen Sie radikal ab­räumen. Sie haben in Ihrer Budgetrede gestern gesagt, dass der Wohlfahrtsstaat abgeschafft wer­den soll, haben sich ganz klar dazu bekannt. (Bundesminister Mag. Grasser: Ich habe ge­sagt: der Wohlfahrtsstaat alter Prägung!) Der Wohlfahrtsstaat alter Prägung – das ist der Wohl­fahrtsstaat, wie wir ihn kennen. Ich stehe zu diesem Wohlfahrtsstaat, aber ich weiß, Sie haben andere Ziele. Sie glauben, wenn Sie Steuern senken, dann heißt das, Freiheit schenken. Das


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klingt irrsinnig gut und reimt sich sogar. Wir fragen uns aber: Freiheit für wen? Wem bringt denn das die viel gelobte Freiheit? Den BezieherInnen niedriger und niedrigster Einkommen bringt das sicher nicht die Freiheit; dessen können Sie sich sicher sein.

Diese kleine Entlastung der Steuern, die Sie die ganze Zeit ansprechen – Sie wissen das ge­nau, und das ist wirklich ärgerlich –, wird durch die Belastungen, die Sie im Bereich der Ener­gie­besteuerung und im Bereich der Selbstbehalte planen, mehr als aufgefressen. Das heißt, unterm Strich werden die Menschen, gerade die Bezieherinnen und Bezieher niedriger Ein­kommen, mehr zahlen als bisher.

Das Risiko der Armutsgefährdung ist in den letzten Jahren gestiegen, besonders für Frauen und auch Pensionisten. Ihre Pensionsreform, die Sie umzusetzen planen, wird diese Tendenz weiter ver­stärken, wird die Schere noch weiter aufmachen.

Sie haben gestern ein ganz klares Bekenntnis zu Liberalisierung, Deregulierung und Privatisie­rung abgegeben. Ich glaube, dass vielen, die hier in diesem Saal sitzen, noch gar nicht klar ist, was dieses Bekenntnis bedeutet, nämlich: die Verabschiedung des Staates aus seiner sozialen Verantwortung, die Freigabe von sozialen Leistungen! Ich habe auf Grund Ihrer Ausführungen die schlimmsten Befürchtungen im Zusammenhang mit den GATS-Verhandlungen, die derzeit im Gange und abzuschließen sind.

Herr Minister! Mit dieser Politik können wir sicher nicht mitgehen. (Beifall bei den Grünen.)

17.31


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Freund. – Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.

17.32


Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr ge­schätz­ten Damen und Herren! Finanzminister Karl-Heinz Grasser hat in seiner Budgetrede gestern um­fassend die Situation unseres Staates dargestellt. Wir alle wissen, dass die Weltwirtschaft im Moment mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Kriege und Terroranschläge haben zu Einbrüchen der Wirtschaft und ansteigender Arbeitslosigkeit in ganz Europa geführt. Österreich wurde im vergangenen Jahr außerdem von einer Hochwasserkatastrophe getroffen.

Viele Menschen in unserem Land sind daher verunsichert. Ich brauche Ihnen sicher auch nicht zu sagen: Wenn wenig investiert und konsumiert wird, bedeutet das Einbrüche für die Wirt­schaft, wodurch auch Arbeitsplätze und Steuern verloren gehen. Überall in Europa gibt es diese Pro­ble­me, und Österreich ist mittendrin. Trotzdem möchte ich sagen, dass es uns hier in Öster­reich dank der hervorragenden Politik unserer Bundesregierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüs­sel gelungen ist, gravierende Einbrüche zu verhindern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.)

Ich denke da vor allem an unser Nachbarland Deutschland; ich wohne ja nur wenige Kilometer da­von entfernt. Mit Deutschland waren wir wirtschaftlich immer stark verbunden, aber unter der rot-grü­nen Regierung, die eine falsche Politik macht, ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutsch­land im April 2003 gegenüber April 2002 wieder um etwa 750 000 angestiegen. Die Stimmung ist sehr bedrückend; ich weiß das, ich rede viel mit den Menschen dort.

In Österreich hingegen ist die Zahl der Beschäftigten im April 2003 gegenüber dem April des ver­gangenen Jahres um etwa 38 000 oder 1,22 Prozent angestiegen. 3 160 000 Beschäftigte in Ös­ter­reich – die Zahl war noch nie so hoch wie heute, das muss doch auch die Opposition aner­kennen!

Gehen Ihnen etwa die Argumente aus? Herr Abgeordneter Parnigoni musste vorhin unsere jüngste Abgeordnete diffamieren – da, glaube ich, fehlt es wirklich an Gegenargumenten so­wohl bei der SPÖ als auch bei den Grünen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)


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Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Diese Daten zeigen mir, dass die Reformen, die unter der Regierung unseres Bundeskanzlers Schüssel gemacht wurden, sehr gut waren. Unse­re Regierung wird auch weiterhin eine gute und vorausschauende Politik machen. Wir haben mit 4,1 Prozent die niedrigste Arbeitslosenrate in der EU. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten, wie ich meine, können sich diese Zahlen sehen lassen.

Was wir aber auch brauchen, ist eine umfassende Steuerreform. Die erste Etappe erfolgt be­reits im Jänner 2004. Die Bürger und Unternehmer werden entlastet, und Einkommensbezieher mit weniger als 14 500 € pro Jahr werden überhaupt keine Steuern mehr zahlen. Das wiederum bedeutet für Österreich eine Verbesserung als Konsum- und Wirtschaftsstandort.

Auch unser Pensionssystem gehört angepasst. Demographische Veränderungen machen dies notwendig. Die durchschnittliche Zahl der Pensionsbezugsjahre ist in den letzten 30 Jahren von neun auf 20 Jahre gestiegen. Ohne Reform wird dieses System einfach nicht mehr finanzierbar sein.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte unserem Landwirtschaftsminister Sepp Pröll dafür danken, dass er die Budgetzahlen für die Landwirtschaft halten konnte. Die Ein­kom­men der Bauern auf dem Markt sind im vergangenen Jahr wiederum um 5 Prozent gesunken. Die Ausgleichszahlungen und das 3-Milliarden-€-Paket für Umwelt und Landwirtschaft aus dem Bundesbudget begrüße ich deshalb sehr. Sie sind unbedingt notwendig, um die Einkommen der Bauern und auch die Bewirtschaftung zu sichern.

Besonders wichtig ist meiner Ansicht nach die Förderung der ländlichen Entwicklung. Zirka 120 Millionen € fließen heuer in die Anpassung und die Entwicklung von ländlichen Gebieten: in die Berufsausbildung, in die Niederlassung von Junglandwirten, in Forstmaßnahmen und land­wirt­schaftliche Investitionen. 2004 werden es sogar zirka 140 Millionen € sein. Insgesamt be­trägt das Budget für die Landwirtschaft zirka 2 Milliarden €.

Als nächster Schritt – ich habe es schon betont – muss auch für die Landwirtschaft die Steuer­reform kommen, denn es ist wichtig, dass wir unter den gleichen Bedingungen wie andere Land­wirte in den EU-Ländern produzieren können. Nur so können unsere Bauern auch in Zu­kunft gesunde Lebensmittel erzeugen und wichtige Investitionen tätigen.

Mit dem vorliegenden Budget zeigt die österreichische Bundesregierung Verantwortung und Kom­pe­tenz. Das wird für Österreich und seine Bürger eine weitere positive Entwicklung brin­gen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.37


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. – Bitte.

17.37


Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass man nach der Präsentation dieses Doppelbudgets – das übrigens historisch gesehen nicht das erste ist, wie Kollege Walch, glau­be ich, sich das eingebildet hat – wirklich (Abg. Dr. Trinkl: Zufrieden sein kann! Sehr zu­frieden sein kann!) sagen kann, dass der Lack von dieser Reformregierung ab ist und dass sich diese Regierung mit ihren Ansprüchen, die sie uns im Jahr 2000 vermittelt hat, auf Grund ihrer konkreten Politik inzwischen selbst ad absurdum führt. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist natürlich ein weiterer Gipfel eines missglückten Marketing-Gags, dass die größte Steuer­reform der Zweiten Republik angekündigt wird, das dann aber konkret für rund 1,3 Millionen Menschen so aussieht, dass sie mit 40 Cent Steuerersparnis pro Monat rechnen können.

Ich will gar nicht weiter zurückblicken, schauen wir nur auf die letzten neun Monate. Es hat Na­tionalratswahlen gegeben, und es hat relativ lange gedauert, bis ein Budgetentwurf vorgelegt wer­­den konnte. Das war allerdings nicht zum Schaden des Staates, weil ja der Bundes­regie­rung auf Grund bestehender Regulierungen diese restriktive und sparsame Politik aufgezwun-


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gen gewesen war, und auf Grund diverser Maßnahmen die Finanzierbarkeit auch tatsächlich gefähr­det war.

Ich glaube, dass von Ihrer Freiheit, von der Sie hier reden, Herr Bundesminister, die Masse der Ös­ter­reicher nicht wirklich wird profitieren können, denn ich meine, dass die Freiheit, die Sie mei­nen, ungerecht ist gegenüber den ASVG-Arbeitnehmern, ungerecht gegenüber den Jugend­lichen und Kindern im weitesten Sinne und dass sie natürlich auch sehr entsolidarisierend inner­halb der gesellschaftlichen Gruppierungen wirken wird.

Man merkt das heute schon am Beispiel der Bauern, die ja ihren Wohlstand im Wesentlichen aus der Solidarverteilung der letzten 30 Jahre lukriert haben, weil deren Förderungen von den Ar­beitnehmern finanziert werden. Die heutigen Stellungnahmen der Bauern hier zu diesen Warn­streiks haben schon sehr eigenartig geklungen. Sie wissen anscheinend nicht, wo der Bartl den Most holt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Murauer: Weißt eh, wo du daheim bist?) – Lie­ber Walter (in Richtung des Abg. Murauer), ich weiß schon, wo ich daheim bin. (Abg. Dr. Trinkl: Wissen Sie, wo der Bartl den Most holt? Oder war das eine Drohung? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Man redet ja nur, was Sache ist. (Ruf bei der ÖVP: Leider nicht!)

Ich glaube, dass diese „Rette sich, wer kann!“-Regierung – ich glaube, Josef Broukal hat sie so be­zeichnet – wirklich schon auf der Flucht ist. Die Argumente, mit denen man noch über die Runden zu kommen versucht – wie zum Beispiel jenes der gesunkenen Kaufkraft in Österreich oder auch die Art und Weise, wie Sie die positive Handelsbilanz hier interpretiert haben –, sind, so würde ich sagen, wirklich Notargumente. Ich glaube, dass die positive Handelsbilanz ebenso wie die höchste Beschäftigungsrate hier nur einseitig dargestellt wurden; denn es ist zwar richtig, dass wir in Österreich historisch gesehen die höchste Beschäftigungsrate haben, aber wir haben auch die höchste Arbeitslosenrate in der Zweiten Republik, meine Damen und Herren! Und das wird hier wohlweislich ignoriert.

Was die Beschäftigungsstruktur betrifft, lieber Kollege Trinkl, so sollte man über diese wirklich auch einmal diskutieren. Woher kommen denn die vielen Beschäftigten, und wie sieht die Struk­tur der Beschäftigungspolitik in Österreich aus?

Kollege Bucher war es, der gesagt hat: „damit sich Arbeit und Leistung in unserem Land wieder lohnen“. – Kollege Bucher, Sie sind zwar neu in diesem Haus, und ich möchte Ihnen persönlich auch keineswegs das Recht absprechen, so zu argumentieren, sehr wohl aber Ihrer Fraktion. Und als Vertreter der FPÖ ist Ihnen dieses Recht wirklich verwehrt, denn die blau-schwarze Bun­desregierung hat Österreich in den letzten drei Jahren die höchste Steuerquote in der Zwei­ten Republik beschert – sie hat wirklich Rekordabgaben produziert! –, es gibt in Österreich das geringste Einkommenswachstum in der Geschichte, und wir haben die höchste Staatsver­schul­d­ung, die es in der Zweiten Republik jemals gegeben hat, und sie steigt weiterhin. (Abg. Dr. Par­tik-Pablé: Sie reden von der Zeit bis 1999, nicht wahr? Sie sind ein bisschen Ihrer Zeit hinten nach!)

Mein abschließender Satz: Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie sichern im Wesentlichen den Luftraum, aber Sie schaffen Unsicherheit in Österreichs gesellschaftli­chem Gefüge. (Beifall bei der SPÖ.)

17.42


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lichtenegger. – Bitte.

17.42


Abgeordneter Elmar Lichtenegger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ho­hes Haus! Ich werde mich ein wenig mit dem Sportbudget auseinander setzen, damit das nicht in Vergessenheit gerät.

Wir haben mehrere Projekte auf der Tagesordnung beziehungsweise auf unserer Agenda. Das ist erstens die Fußball-Challenge 2008. Dabei geht es darum, dass man eine österreichische Na­tionalmannschaft fördert, die uns im Jahr 2008 bei der Heim-EM möglichst gut vertreten


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kann. Dafür ist ein Budget in der Höhe von 363 000 € vorgesehen. Dazu muss ich sagen: Das ist eine gute Sache! Wir werden es dann im Jahr 2008 hoffentlich alle sehen.

Es gibt eine weitere Challenge, die sich „Athen 2004“ nennt. Auch da werden Sportler großzü­gig gefördert, und zwar solche, die an den Olympischen Sommerspielen 2004 teilnehmen und möglichst viele gute Leistungen erbringen sollen.

Hiefür wird jedes Jahr jeweils noch 1 Million € veranschlagt. Ich muss sagen, das ist ein sehr großzügiges Angebot, und ich bin sehr froh darüber, dass das bestehen geblieben ist.

Weiters wird es die Fußball-EM 2008 mit insgesamt vier Austragungsorten geben, nämlich Inns­bruck, Salzburg, Klagenfurt und Wien. Das wird auch sehr großzügig vom Bund mitgetragen, was den Bau beziehungsweise die Erneuerung und Adaptierungen von Stadien betrifft.

Im Grunde genommen erfolgt durch das Bundes-Sportförderungsgesetz die Basisförderung der Vereine, es wird damit aber auch die Entwicklung der Sportstrukturen gefördert. Es wird der Mäd­chen- und Frauensport gefördert. Es gibt immer wieder innovative Sportprojekte, die da zum Tragen kommen. Auch bietet es eine Starthilfe für neue Fachverbände, die in die BSO ein­treten wollen. Und: Wir fördern auch zum ersten Mal den Behindertensport.

Was dieses Thema betrifft, so stimmt es mich schon ein wenig nachdenklich, dass mich – aus­ge­rechnet im Jahr der Behinderten! – heute ein Schreiben der Sportverantwortlichen der Wiener Lan­desregierung erreicht hat, in dem es heißt – ich zitiere –:

Eine Gleichstellung des ÖBSV – also des Österreichischen Behindertensportverbandes – mit den im Bundes-Sportförderungsgesetz genannten Dachverbänden würde somit zu einer verrin­gerten Förderung von mehr als 40 Prozent aller anerkannten Sportarten in Wien führen. Dies hätte im Bereich der Bundesförderung eine Bevorzugung der vom ÖBSV geförderten Sportarten zur Folge. Es wird daher angeregt, die Änderung des Entwurfes zur Gänze entfallen zu las­sen. – Zitatende.

Das ist schon ein etwas starkes Stück, wenn man sich im Jahr der Behinderten der Behinderten annimmt und dann ein solches Schreiben von den Wiener Kollegen bekommt! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Weiters darf ich festhalten, dass wir heuer um 1,5 Millionen € mehr an besonderen Sportförde­rungsmitteln zur Verfügung haben als im Vorjahr. Dies gilt ebenso für das Jahr 2004 – im Ge­gen­satz zur Darstellung des Kollegen Wittmann, der ja, wie ich feststellen muss, schon eine et­was eigenartige Art und Weise hat, Politik zu betreiben: Während des Sportausschusses hat Staats­sekretär Karl Schweitzer die soeben genannten Beträge verlautbart – und noch während dieses Sportausschusses ist eine Presseaussendung des Kollegen Wittmann eingetroffen, in der behauptet wurde, dass es in den nächsten Jahren für den österreichischen Sport weniger Geld geben werde, nämlich um 20 Millionen € weniger! – Also das ist nicht mein Verständnis von konstruktiver Politik und auch nicht meine Art, Politik zu betreiben. Da möchte ich schon ger­ne bei der Wahrheit bleiben.

Kollege Wittmann hat mir übrigens auch einmal über eine Presseaussendung ausrichten las­sen, dass er immer noch für die Sportmilliarde ist. Dazu muss ich sagen: Es ist nicht so einfach, und ich bin froh darüber, dass wir das Budget haben, das wir jetzt haben. Wir sollten daran gehen, das Geld, das wir haben, möglichst effizient und sinnvoll einzusetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Im Übrigen war er selbst lange genug Staatssekretär und hätte als solcher lange genug die Mög­lichkeit gehabt, das zu verwirklichen. Er war damals mit seinem Budget noch weit entfernt von dem Budget, das wir heute haben.

Insofern muss ich mich beim Herrn Finanzminister dafür bedanken, dass er auch die Sportler nicht vergessen hat. Ich kann Ihnen versichern: Wir werden alles daransetzen, dass wir auch


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15. Sitzung / Seite 129

mit entsprechenden Leistungen antworten werden. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitli­chen und der ÖVP.)

17.46


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

17.46


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staats­se­kretär! Meine Damen und Herren! Da Kollege Lichtenegger jetzt über den Sport und auch von der Wahrheit gesprochen hat und weil auch Herr Staatssekretär Schweitzer anwesend ist, muss ich noch kurz auf die gestrige Debatte eingehen.

Herr Staatssekretär Schweitzer, es ist so, dass in London und in New York die Eliteläuferinnen etwa 30 Minuten vor dem restlichen Feld starten. Wenn Sie es nicht glauben, dann zeige ich es Ihnen. – Das wollte ich hier nur anmerken. (Beifall bei den Grünen.)

Ich komme damit auf das Budget zu sprechen. Herr Finanzminister, Ihre gestrige Budget­rede hat nur so gestrotzt vor Worten wie „Zukunft“ und „Nachhaltigkeit“ – lauter Begriffe, die natürlich wichtig sind, keine Frage. Interessant habe ich nur gefunden, dass globale Themen – zumal es ja nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen Teilen der Welt um Zukunft und Nachhaltig­keit geht – in Ihrer Budgetrede nicht vorgekommen sind, und wenn, dann nur in Be­zug auf die Weltwirtschaft und die Auswirkungen, die diese auf Österreich hat.

Aber ob das, was in Österreich passiert, vielleicht auch irgendeine Auswirkung auf andere Teile der Welt hat, davon war keine Rede. Das vermisse ich, denn schließlich und endlich hat das, was in Österreich geschieht, sowohl im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit als auch im Be­reich der Wirtschaftsförderung, sehr wohl auch Auswirkungen auf andere Teil der Welt, auf die Nachhaltigkeit dort. Und das sollte auch in einer Budgetrede vorkommen! (Beifall bei den Grünen.)

Aber das wundert mich nicht wirklich, denn auch in der Regierungserklärung war von Außen­po­litik insgesamt äußerst wenig zu lesen, und insofern zeigt das natürlich eine gemeinsame Linie dieser Regierung auf: Wichtig ist, was in Österreich passiert! Alles andere auf der Welt zählt nicht wirklich.

Herr Minister! Zukunft und Nachhaltigkeit spielen sich nicht nur auf der „Insel Österreich“ – wir leben auch auf keiner Insel mehr, schon lange nicht mehr! – oder nur auf dem europäischen Kon­tinent ab. Österreich hat auch – sowohl als Staat als auch, was die Art und Weise betrifft, wie das Budget verteilt und ausgegeben wird – eine Mitverantwortung für Zukunft und Nach­hal­tig­keit weltweit.

Ich muss Ihnen aber zugestehen, dass in diesem Budget zumindest in einem Punkt einmal ein erster Schritt getan wird, um etwas zu verbessern, nachdem es diesbezüglich, sowohl von uns als auch von verschiedenen Organisationen in Österreich, seit Jahren und Jahrzehnten Kritik gegeben hat, nämlich im Punkt der Entwicklungszusammenarbeit:

Zum ersten Mal seit vielen Jahren wird es eine Erhöhung, um etwa 30 Millionen €, geben, und zwar in jenem Bereich, der im Außenamt angesiedelt ist. Dazu kann ich wirklich sagen: Das ist endlich einmal ein erster Schritt! Ich hoffe, Herr Minister, dass Sie das nicht nur, wie Sie es ges­tern in Ihrer Budgetrede gesagt haben, als ein wichtiges Anliegen der Außenministerin sehen – wir wissen, dass es das ist –, sondern dass Sie das auch für sich und für die restliche Bundes­regierung als ein wichtiges Anliegen wahrnehmen, denn die Außenministerin alleine macht das Bud­get nicht. Es ist schon notwendig, dass auch Sie und die gesamte Bundesregierung das wich­tig nehmen, auch in Zukunft! (Beifall bei den Grünen. – Bundesminister Mag. Grasser: Des­wegen habe ich es in die Budgetrede ...!)

Ich freue mich, dass Sie das gesagt haben, nur hat mich der Vermerk, es sei so wichtig für die Außen­ministerin, ein bisschen zweifeln lassen hinsichtlich der Frage, wie wichtig es für die gesamte Bundesregierung ist. Wenn Sie jetzt sagen, Sie haben es deshalb in die Budgetrede


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hinein genommen, gut, dann nehme ich das ernst und warte nur darauf und hoffe, dass es in den Budgets 2005 und 2006 – sollten Sie dann noch dafür zuständig sein, woran ich durchaus zweifle (Beifall bei den Grünen – Abg. Öllinger: Wir hoffen es nicht!) – die Erhöhung auf die 0,33 Prozent EU-Durchschnitt – das ist ja eine Verpflichtung auf EU-Ebene! – dann tatsächlich geben wird und dieser Betrag nicht wieder gesenkt wird. – Diesbezüglich gebe ich meinem Kolle­gen natürlich Recht: Wir hoffen nicht wirklich, dass Sie dann noch für das Budget zu­ständig sein werden. Aber das werden andere entscheiden. Vielleicht werden es Ihre früheren Parteikollegen entscheiden. Das werden wir ja sehen. (Heiterkeit bei den Grünen.)

In diesem Punkt gebe ich Ihnen also Recht: Hier hat es eine Verbesserung gegeben. – Aber ich möch­te noch einen anderen Aspekt erwähnen, der auch Österreichs internationale Verant­wortung betrifft und bei dem Sie auch nur über die Auswirkungen in Österreich sprechen, näm­lich die Exportförderung!

Sie sagen richtig: Der Exportförderung kommt im Rahmen der Standortpolitik eine weiterhin gro­ße Bedeutung zu. Sie wollen diesen für die österreichische Volkswirtschaft erfolgreichen Weg fort­setzen. Sie wollen in den beiden Budgets 25 Millionen € mehr für eine weitere Exportoffen­sive dotieren – beziehungsweise Sie haben das dotiert – und mit der Wirtschaftskammer um­setzen. – Dagegen habe ich und haben die Grünen nichts einzuwenden. Die Frage ist nur: Nach welchen Kriterien werden diese Gelder vergeben, und wie sieht es dabei mit der Transpa­renz aus?

Und da wissen wir – wir haben darüber auch schon mit Staatssekretär Finz in einigen Aus­schüs­sen diskutiert –: Hier hapert es noch ziemlich! Es gibt in anderen Ländern viel bessere Maß­nahmen, um sicherzustellen, dass Exportgarantien, dass Projekte, die österreichische Wirtschaftsunternehmen im Ausland durchführen – und da handelt es sich vor allem um Länder Asiens, um die Nachfolgeländer der Sowjetunion, um Länder Afrikas und Lateinamerikas –, kei­ne für die dortige Bevölkerung oder für die dortige Umwelt schädlichen Auswirkungen haben.

Umweltkriterien werden in gewissem Ausmaß mittlerweile schon beachtet, aber genügend ist das noch nicht. Und vor allem: Niemand bekommt es mit. Es wird nicht veröffentlicht. Es gibt dies­bezüglich zwar mittlerweile erste Schritte auf Seiten der Kontrollbank, aber ich erwarte mir von einem österreichischen Finanzminister, dass dieser in seiner Budgetrede nicht nur sagt: So können wir die Arbeitsplätze in Österreich nachhaltig sichern. – Ich habe nichts dagegen, dass er das sagt, aber es müsste wohl auch erwähnt werden: So können wir zum Beispiel einen Beitrag leisten zu ökologischer und sozial nachhaltiger Entwicklung in den Ländern Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. – Auch das ist Verant­wortung Österreichs! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Mag. Trunk.)

Da wäre es schön, wenn einer dieser Superlative, die in Ihrer Budgetrede ständig vorgekom­men sind – das ist das Beste dies und das Beste das, und so viel hat es noch nie für die For­schung und für die Familien und für die Bildung und für die Infrastruktur und so weiter gege­ben –, auch einmal in diesem Zusammenhang vorkommt und wenn es heißen würde: Wir haben jetzt endlich etwas umgesetzt, damit diese Ausgaben Österreichs in den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas auch wirklich etwas Positives bewirken und damit niemand mehr Zweifel dahin gehend haben muss, dass da vielleicht ökologisch etwas nicht in Ordnung ist oder dass die Bevölkerung dort vielleicht wegen eines Staudammprojektes die Gegend verlassen muss, ohne dass nur in irgendeiner Weise von Entschädigung gesprochen worden wäre.

Das erwarte ich mir also in Zukunft von Ihnen, und ich hoffe, dass Sie darauf achten werden. (Beifall bei den Grünen.)

Diese vielen Superlative haben mich nämlich schon stutzig gemacht (Abg. Öllinger: Die stim­men ja auch nicht! Die stimmen ja nicht!) – ich komme gerade darauf zu sprechen. Die vielen Super­lative in Ihrer Budgetrede, Herr Minister, lassen allein schon deshalb, weil sie ständig mit Ruf­zei­chen versehen werden und weil Sie so „superlativ“ dastehen, Zweifel daran entstehen, wie ernst das Gesagte denn eigentlich gemeint ist!



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Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Ich muss die Interessen Ihrer Fraktion wahr­neh­men – ich kann das am Mienenspiel ein bisschen ablesen. (Heiterkeit bei den Grünen.)


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (fortsetzend): Ich weiß, Herr Präsident. Auch ich habe das schon mitbekommen, ich kenne ja die Zeichen meiner Kolleginnen und Kollegen. – Ich bin auch schon beim Schlusssatz, meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Herr Minister: Noch nie – um den Superlativ, der eigentlich in die Budgetrede hineingehört, der Vollständigkeit halber auch hier anzuwenden – hat eine Budgetrede so gestrotzt vor inhalts­leeren Worten und falschen Versprechungen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.54


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. – Muss ich bei Ihrer Rede auch einen Blick auf die Mienen werfen, oder ist das bei Ihnen nicht notwendig? – Nein. Gut. – Bitte.

17.54


Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die spanische Tageszeitung „El País“ in Madrid schrieb am 6. Mai:

„Der erste Streik nach einem halben Jahrhundert sozialen Friedens markiert einen abrupten Wandel für die an den Konsens gewöhnten acht Millionen Österreicher ...“

Meine Damen und Herren! Spätestens seit derartigen Pressemeldungen müssen wir zum Nach­denken kommen (Abg. Öllinger: Ja, ja!), denn die Stärke der Österreicherinnen und Ös­ter­reicher war immer die Tatsache, dass wir über etwas reden können und auch immer eine ver­nünftige Lösung gefunden haben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Warum tun Sie das dann nicht?)

Herr Kollege! In einem Land der gelebten Solidarität wie Österreich wird am Verhandlungstisch diskutiert (Abg. Öllinger: Richtig! – Es gibt keinen!), und es ist für mich nicht vertretbar (Abg. Öllin­ger: Wo ist er denn, der Verhandlungstisch?), die parlamentarische Demokratie durch Streiks zu unterlaufen. (Abg. Öllinger: Oh! Das ist jenseitig! – Abg. Silhavy: Im Parlament ist nicht gestreikt worden!) – Ich habe gesagt: die parlamentarische Demokratie! (Abg. Öllinger: Sie wissen ja gar nicht, wie parlamentarische Demokratie funktioniert!)

Ich denke, dass Sie an den Verhandlungstisch kommen sollen, und das tun Sie nicht (Beifall bei der ÖVP): weil Sie keine Lösungen haben, weil Sie nur in der Opposition sind und Angst ma­chen! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Zukunft braucht Verantwortung. Damit wir die Pensionen für alle, ins­besondere für die Jungen (Abg. Silhavy: Hat der Klestil noch eine Bedeutung? Hat der Herr Bun­despräsident noch eine Bedeutung für Sie?), wie dies auch von meiner Kollegin Fuhrmann heute schon gesagt wurde, in Zukunft absichern, müssen wir jetzt die notwendigen Schritte ein­leiten und gleichzeitig den Generationenvertrag aufrechterhalten. Das heißt, liebe Kollegin Sil-ha­vy: soziale Sicherheit ausbauen und diese soziale Sicherheit auch absichern! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Silhavy: ... der Herr Bundespräsident?)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Frauen leisten durch Kindererziehung und die Pflege naher An­gehöriger unumstritten den wichtigsten Beitrag zur Generationensolidarität. Genau hier ha­ken wir seitens der Regierung durch familienpolitische Maßnahmen auch in dieser Pensions­si­che­rungsreform ein und setzen neue Maßstäbe.

Ich möchte einige davon kurz nennen: So werden zum Beispiel ab jetzt 24 Monate Kindererzie­hungs­zeiten als pensionsbegründend angerechnet. Es gibt jetzt noch zusätzlich Zuschläge von 50 Prozent zum Kinderbetreuungsgeld für Zwillinge und Drillinge beziehungsweise Mehrlings­geburten. Bis zu drei Jahre Kindererziehungszeiten werden bei der Durchrechnung berück­sich-


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tigt. Das heißt – und das wird von euch immer wieder verwässert –, dass eine Frau mit zwei Kin­dern beispielsweise bis 2010 von der Anhebung des Durchrechnungszeitraumes nicht be­troffen ist. (Abg. Sburny: ... genau im Drei-Jahres-Abstand ...!) – Es gibt also keine Nachteile für Frauen, wie sie zum Beispiel Abgeordnete Csörgits in einer Pressemeldung behauptet hat.

Werte Kolleginnen und Kollegen! 340 Millionen € mehr für österreichische Familien! Wir werden auch heuer die familienpolitischen Leistungen insgesamt mit 4,8 Milliarden € dotieren, und Ös­ter­reich wird daher auch in Zukunft das familienfreundlichste Land Europas bleiben, denn Kin­der repräsentieren zwar nur 20 Prozent der Bevölkerung, aber sie repräsentieren 100 Prozent der Zukunft unseres Landes.

Ich komme zum Schluss meiner Rede und möchte abschließend noch ein Zitat anbringen, wel­ches hoffentlich zum Nachdenken anregt:

„Die Menschen sind sehr offen für neue Dinge – solange sie nur genau den alten gleichen.“ – Char­les F. Kettering (1876 – 1958), amerikanischer Industrieller.

Ich denke, dem ist nichts hinzuzufügen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Ach, das ist gar nicht vom Grasser? Ich hab’ geglaubt, das ist vom Grasser!)

17.59


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte.

17.59


Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vertreter des Finanzministers! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist schon einigermaßen lustig: Frau Kollegin Steibl flüchtet sich schon in vergangene Jahrhunderte und zu spanischen Zei­tungen. (Abg. Steibl: Herr Kollege, du flüchtest auch! Dich sehe ich nirgends!) Ich verstehe das auch bis zu einem gewissen Grad: Die österreichischen Zeitungen, Frau Kollegin Steibl, sind offenbar nicht ganz nach Ihrem Geschmack.

Die „Kleine Zeitung“, die Sie sonst täglich sehr schätzen, schreibt nämlich:

„Ein Verpackungskünstler verblüfft mit Werbesprüchen“, „Karl-Heinz Grasser liefert zur Budget­re­de eine schlechte Premiere“.

Wenn Sie mich fragen, meine Damen und Herren, dann muss ich sagen: Es ist keine schlechte Premiere – insofern stimmt diese Unterschlagzeile nicht –, es ist eigentlich ein schlechter Abge­sang. Ich glaube nämlich nicht, dass dieser Finanzminister noch jemals hier eine Budgetrede halten wird! (Beifall bei der SPÖ.)

Bis gestern, Kollege Trinkl, wurde ja behauptet, Karl-Heinz Grasser sei ein Darstellungstalent, mul­ti­medial. Eigentlich wollte er auch seine Budgetrede visualisieren – es ist schade, dass es nicht dazu gekommen ist, es wäre sicher sehr interessant gewesen, die Fische und das Wasser zu sehen und dieses peinliche Lob, das er über die Ministerkollegen ausgeschüttet hat – darge­stellt in Tortendiagrammen, Kurven und Balken.

In den Medien ist der Herr Finanzminister ja sehr präsent, im Parlament jedoch macht er sich rar – das wird jetzt eindrucksvoll bewiesen, da uns nur mehr der Herr Staatssekretär die Ehre gibt. (Abg. Dr. Trinkl: Was heißt „nur mehr“?) So ist das auch im Rechnungshofausschuss Usus. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Bei Ihrer Rede ist es besser, er ist nicht da! Das ist so uninteres­sant für ihn!)

Meine Damen und Herren! Im „kleinen Untersuchungsausschuss“, Frau Kollegin Partik-Pablé – dieser ist ja nach dem Untersuchungsausschuss, wie Sie genau wissen, das stärkste Kontroll­instru­ment hier im Parlament –, wird jetzt die Gebarung des Finanzministers im Zusammenhang mit der ÖIAG überprüft. Und der Finanzminister sagte in seiner Budgetrede, dass er eben diese ÖIAG auflösen werde. In diesem Ausschuss wollen wir einmal mit ihm über die Entwicklung der ÖIAG diskutieren – es geht ja da um 100 000 Arbeitsplätze, um Milliardenwerte des Steuer­zah-


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lers, die voestalpine, die Post, bei der es drunter und drüber geht, wie wir tagesaktuell wissen, um Böhler Uddeholm und viele andere mehr.

In den Zeitungskommentaren wird Grasser die Kombination vorgeworfen, nämlich 300 Milli­onen € Dividende zu verlangen, eine Wertsteigerung zu fordern und eine Terminsetzung bei den Verkäufen vorzunehmen. Es wird das als „stümperhaft“ und als „Frotzelei“ bezeichnet – so­weit „Der Standard“.

Wir wollen mit dem Herrn Finanzminister dort auch über die 4,3 Millionen € diskutieren, die für eine Nulldefizit-Studie ausgegeben und damit sinnlos verschleudert wurden, wie wir wissen, denn von einem Nulldefizit kann überhaupt nicht die Rede sein.

Meine Damen und Herren! Ich habe in diesem „kleinen Untersuchungsausschuss“ den Antrag gestellt, der Finanzminister möge uns irgendwann vor dem Sommer die Ehre erweisen und mit uns diskutieren – ganz harmlos als Auskunftsperson. Es sind in diesem Ausschuss zehn ÖVP-Abge­ordnete, acht SPÖ-Abgeordnete, zwei von der FPÖ und zwei von den Grünen, den Vorsitz führt die ÖVP, die Verhandlungen sind vertraulich – und die ÖVP und die FPÖ haben diesen Antrag abgelehnt!

Bis zum Sommer hat der Finanzminister keine Minute Zeit, hier im Parlament zum Thema ÖIAG zu diskutieren. (Ruf bei der SPÖ: Schlechtes Gewissen!) Meine Damen und Herren! Das hat überhaupt nichts mehr mit Dialog, ausgestreckten Händen und diesen Sachen zu tun, sondern da geht es schon längst um den Respekt vor dem Parlament, um die Achtung von demokra­tischen Prozessen und um verfassungsrechtliche Aufgaben der Abgeordneten. (Beifall bei der SPÖ.)

Eigentlich gibt es zwei Möglichkeiten: eine Fortsetzung der erbärmlichen Vorgangsweise wie damals bei Frau Ministerin Forstinger oder der Herr Finanzminister stellt seine Präsenz sicher, und zwar noch vor dem Sommer. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.) Ich hoffe – Herr Staats­sekretär, Sie werden ihm das ausrichten –, er wird sich nicht auf dieses Niveau begeben und sagen, dass er ja kommen möchte, die Mehrheit dies aber verhindere. Ich glaube, auf dieses niedrige Niveau wird sich selbst der Herr Finanzminister nicht begeben. Also: Entweder kommt der Finanzminister und stellt sich der Diskussion im dazu zuständigen Gremium des National­rates, oder die Vorgangsweise ist so erbärmlich wie in der Vergangenheit und so erbärmlich wie die gestrige Budgetrede des Ministers. (Beifall bei der SPÖ.)

18.03


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. – Bitte.

18.03


Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es sind heute wirklich schon eine Fülle an umfangreichen Besprechungen erfolgt, Details aus diesem Budgetentwurf, aber auch die rhetorischen Floskeln und Oberfläch­lich­keiten der gestrigen Rede von Finanzminister Grasser intensiv analysiert und diskutiert worden. Ich möchte ein bisschen auf den gedanklichen Hintergrund dieser Texte und der Bud­get­entwürfe eingehen, noch einmal stärker darauf schauen, welche Botschaft uns Finanz­minister Grasser hier übermitteln möchte, was der Kern dieser Botschaft ist.

Ich möchte dort beginnen, wo diese Bundesregierung fortgesetzt hat, nämlich schon 1999/2000, als sie ganz klar versucht hat, ein neues Konzept für Österreich vorzustellen – da­mals unter dem Slogan „Österreich neu regieren“. Dort hat der Finanzminister wieder eine An­lei­he genommen mit seinem Slogan „Österreich neu denken“.

Was heißt das in seinem Kontext? – Mit „Österreich neu denken“ sei, meint er, der Schlüssel für eine steuerliche Entlastung und die Belebung der Wirtschaft gefunden.

Was ist der Kern dieses neuen Denkens? – „Unternehmertum ist Denkkultur und bringt Wohl­stand und Beschäftigung“. Unternehmertum ist Denkkultur! Also: Unternehmer denken – und


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an­dere Leute arbeiten! Mann denkt und irgendjemand arbeitet, das ist offensichtlich die Vor­stellung, die Grasser zu vermitteln versucht. Wir brauchen mehr davon, sagt er.

Damit zusammenhängend, und das ist klar: „Privat ist besser als der Staat“ – ein neoliberaler, selbst­verständlicher Anspruch und Ansatz. „Privatisierung sichert Arbeitsplätze“, heißt die Bot­schaft.

Vom Standpunkt des Unternehmertums aus zu denken bedeutet natürlich auch: Stiftungen nicht zu besteuern, bei ArbeitnehmerInnen, PensionistInnen, SteuerzahlerInnen verstärkt abzu­schöp­fen. (Abg. Silhavy: In die Tasche zu greifen!) In die Tasche zu greifen – korrekt, so ist es, Kolle­gin Silhavy. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Gott sei Dank hat sie Ihnen etwas eingesagt!)

„Der Beweis für die soziale Kompetenz“ ist ja auch ein ganz schöner Passus dieser Budget-rede – da komme ich zurück auf das, was Kollege Wittauer, der momentan leider nicht im Saal ist, nicht verstanden hat, nämlich die Frage, was Gender Mainstreaming bedeutet. Es bedeutet einfach, Gesetze daraufhin zu analysieren, wie sie sich auf Männer und Frauen auswirken.

Dort heißt es wörtlich – ein Beweis für „soziale Kompetenz“; ich zitiere –: „Keiner der mehr als 2 Millionen ... Pensionisten hat irgendetwas zu befürchten: ob ... Arbeiter, Angestellter, Bauer oder Gewerbetreibender ...“

Es ist alles nur eine Frage der Männerpensionen, es geht nicht auch darum, was mit den Frau­en in diesem Prozess geschieht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Kollege Wittauer sollte sich das wirklich einmal zu Gemüte führen! Gender Mainstreaming ist eine Selbstverständlichkeit für uns Grüne, ist ein EU-Konzept: Bitte, richten Sie ihm das aus, Kolle­ginnen und Kollegen von der FPÖ!

Was bedeutet dieses neue Denken für die Landwirtschaft?– Ich habe hier von den Landwirt­schafts­vertretern nur gehört: Wunderbar, das Agrarbudget ist gesichert; Kollege Donabauer, 3 Milli­arden – ich war auch immer dafür, dass dieses Paket für die Landwirtschaft gesichert sein muss. (Abg. Donabauer: Uns geht es nicht um den Betrag allein, uns geht es um die Agrar­po­litik insgesamt!)

Aber was heißt das im Kontext dieses neoliberalen Wirtschaftskonzeptes? Was bedeutet das, wenn man es durchdenkt, für die Landwirtschaft? Was bedeutet „mehr privat“ für die Landwirt­schaft? – Massives Bauernsterben, keine Ausgleichszahlungen für Bergbauern und Berg-bäuerin­nen mehr, das wäre die Konsequenz von „mehr privat“, keine ausreichenden bäuerli-chen Pensionen, weil auf Grund der Alterspyramide selbstverständlich höhere Zuschüsse not­wendig sind. (Abg. Donabauer: Das steht ja nicht in Frage!)

Es würde weiters bedeuten: weniger Bürokratie – diese wird immer wieder angegriffen; aber das würde es auch bedeuten, keine Frage. Es würde zudem auch bedeuten: weniger Umwelt­be­­wusst­sein, weniger Umweltförderung, Kollege Donabauer, und weniger Beratung und weni­ger Inno­vation für die Bäuerinnen und Bauern. (Abg. Donabauer: Das haben wir alles ge­sichert! Das ist ja das Positive an dem Budget!) – Das sollten gerade Sie als Agrarvertreter ver­stärkt in die Debatte einbringen. (Beifall bei den Grünen.)

Darüber sollten Sie diskutieren, statt der Deregulierung das Wort zu reden oder zu schweigen – das ist nämlich eigentlich das Unglaubliche: Sie schweigen dazu, kassieren ab und lassen die anderen Be­völkerungsgruppen im Regen stehen! (Abg. Donabauer: Mäßigen Sie sich!) Das zeugt nicht von einem sozialen Gewissen, das ist keine soziale Vorgangsweise! (Beifall bei den Grünen.) Dazu können wir nur sagen: Falsch gedacht und falsch gegangen, Kollege Dona­bauer! (Neu­erlicher Zwischenruf des Abg. Donabauer.)

Nicht immer nur die Solidarität der Gesellschaft für die berechtigten Anliegen der bäuerlichen Land­wirtschaft verbal fordern, sondern auch echt, solidarisch für die ArbeiterInnen, BäuerInnen, die benachteiligten Gruppen dieser Gesellschaft eintreten, das sollten Sie machen, werte Kolle­ginnen und Kollegen von der ÖVP. (Abg. Donabauer: Da können Sie sich ein Beispiel nehmen


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an uns, da sind wir gut unterwegs!) Daher sollten Sie diese Pensionsreform bis zum Herbst zu­rück­stellen. Und Sie werden sehen, sie wird dann gelingen, Kollege Donabauer. – Danke. (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.09


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Hakl. – Bitte.

18.09


Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss zugeben, dass mich die heutige Debatte richtig er­schüt­tert hat. Sie hat mich erschüttert, denn als ich etwa 20 Jahre alt war, also noch während des Studiums, haben Kolleginnen, Kollegen und ich nicht nur einmal, sondern oft darüber diskutiert, wann denn die Politiker da oben endlich verstehen würden, dass man bei den Pensionen etwas tun müsse. Und wir waren uns eigentlich ziemlich einig darin: Sie werden immer zu feig sein, das zu machen, denn da müssten sie an übermorgen denken und nicht nur an die nächste Wahl, und das machen die nie!

Ich bin irrsinnig stolz darauf, dass wir es sind, die ÖVP, diese Bundesregierung und jeder Ein­zel­ne von un­seren Abgeordneten – wir stehen jeden Tag draußen und reden mit den Men­schen, erklären ihnen Dinge, klären sie auf (Abg. Reheis: Das tun sie eben nicht, Karin! Sie ver­­weigern die Diskussion!) –, die dieser Verantwortung endlich gerecht werden! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin stolz auf die ÖVP, auf diese Bundesregierung! Und ich kann Ihnen sagen: Diese „Brö­sel“ ... (Abg. Reheis: Aber wirklich, das kann ich beweisen! Alle Fraktionen waren da, die ÖVP nicht! – Abg. Donabauer: Herr Kollege! Ich war überall, wo ich eingeladen war!) – Lieber Ger­hard Reheis, ich weiß auch, dass es nicht leicht ist, hinauszugehen und zu sagen: Wir brauchen das!, jeden Tag mit den Menschen zu reden, ihnen zu erklären und zu sagen, warum das wichtig ist, nämlich weil es sich anders nicht ausgeht. Das Schöne daran ist, zu sehen, dass die Men­schen das einsehen, begreifen und verstehen, dass wir uns – auf gut Deutsch – diese „Brö­­sel“ auch nicht antäten, wenn es nicht notwendig wäre! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Re­heis: Die FPÖ geht hin, aber ihr nicht!)

Was wir darüber hinaus tun, ist, in vielen Bereichen noch mehr an Verantwortung zu überneh­men und eine nachhaltige Politik in vielerlei Hinsicht zu betreiben: im Hinblick auf die Pen­sions­reform etwa, bei der nicht nur – wie das bei den Oppositionsparteien der Fall ist – an den nächs­ten Wahltag, sondern auch an kommende Generationen gedacht wird. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Weiters: eine nachhaltige und grundlegende Politik beispielsweise in Bezug auf eine gesunde Um­welt beziehungsweise eine nachhaltige Entwicklung, um eben endlich die notwendigen Mit­tel zur Erreichung des Kyoto-Ziels zu haben (Abg. Silhavy: Das ist kabaretthaft!): 30 Millionen € im nächsten, 60 Millionen € im übernächsten Jahr. (Zwischenruf der Abg. Mag. Lunacek.) Das ist auch mir noch nicht genug, aber das ist wesentlich mehr an Mitteln, als dafür in den letzten zehn Jahren zur Verfügung stand, und darüber freue ich mich wirklich sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

Was den entwicklungspolitischen Bereich anlangt – das sei Ihnen gesagt, Frau Kollegin Luna­cek, da Sie das nicht gefunden haben (Abg. Mag. Lunacek: Aber die letzte Bundesregierung hat ...!) –, gibt es zwar heuer keine Steigerung der Budgets, nächstes Jahr stehen jedoch – endlich! – 0,33 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zur Verfügung.

Es freut mich, hier aus einer Studie des Zentrums für globale Entwicklung zitieren zu können, wo­nach Österreich an der neunten Stelle von 25 Industrieländern liegt, was die Entwicklungs­hilfe betrifft. In dieser Studie wird nämlich nicht nur die unmittelbare staatli­che Finanzhilfe als Index herangezogen, bei der wir endlich aufholen – das ist schon über­­fällig gewesen, Frau Lunacek, da sind wir uns einig –, sondern eben auch noch andere Kri­terien.


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Interessant finde ich, dass Österreich diesbezüglich auch auf Grund der Migrationspolitik so gut liegt. Berechnet wird darin: Wie viele Migranten aus Entwicklungsländern nimmt ein Land pro Kopf bei sich auf? – Eine solche Aufnahme ist insofern wichtig, als diese bei uns lebenden Men­schen aus den ärmsten Ländern der Welt ja auch ihre Familien in ihren Heimatländern unter­stützen. Und wenn sie die Möglichkeit haben, zurückzukehren, so tun sie das auch, um eben in ihren Heimatländern selbst sehr viel an Entwicklungsleistung beizutragen. Diesbe­züg­lich liegt Österreich auf dem exzellenten vierten Platz, hinter der Schweiz, Neuseeland und Deutschland, das jedoch in den anderen Bereichen in der Statistik fast überall hinter uns liegt.

Meine Damen und Herren, ich glaube, auch darauf können wir stolz sein (Beifall bei Abgeord­neten der ÖVP) – und das zeigt schon auch, dass die Asylpolitik dieser Bundesregierung ganz offen­sichtlich eine ist, die sich sehen lassen kann. Und das muss auch so bleiben! (Beifall bei der ÖVP.)

Deswegen hat sich diese Bundesregierung bei Pensionen, bei der Bildung, bei Investitionen in die Infrastruktur, bei der Erreichung der Kyoto-Ziele, bei einer Umstellung in der Umweltpolitik dem Ziel Nachhaltigkeit verschrieben, und auf diesem Weg werden wir weitergehen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.14


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Trunk. – Bitte.

18.14


Abgeordnete Mag. Melitta Trunk (SPÖ): Wirklich geschätzter Herr Präsident! Werte Kollegin­nen und Kollegen! Als aufmerksamer Zuhörerin der heutigen Vielzahl von Debattenbeiträgen sei mir erlaubt, eine kurze Replik zu formulieren.

Ich meine, es ist äußerst bedenklich für den Zustand und die Qualität des Parlamentarismus in diesem Hause, dass heute hier während dieser Debatte öfter als 46 Mal – ich wiederhole: öfter als 46 Mal! – von Abgeordneten der FPÖ und ÖVP ein demokratisches Grundrecht in Frage, ein demokratisches Grundrecht in Abrede gestellt wird, nämlich das Grundrecht, Kritik zu äußern (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen), weiters das demokratische Grundrecht, zu streiken, sowie das demokratische Grundrecht, zu demonstrieren. (Abg. Dr. Rasinger: Bei wel­cher Debatte war das?)

Nicht geschätzte Kollegen mit dem eingeschränkten Verhältnis zu einer sehr beschränkten Form und Interpretation von Demokratie! Sie sollten doch genauso wissen, dass die Qualität einer Demokratie nicht daran gemessen werden kann, was Sie anordnen, unterdrücken, ver­hin­dern oder verbieten (Abg. Großruck: Seien Sie nicht so böse, seien Sie ein bisschen lustiger!), sondern die Qualität von Demokratie wird daran gemessen, was ermöglicht, gefördert, unter­stützt und zugelassen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich denke, es ist wichtig, Sie von ÖVP und FPÖ darauf hinzuweisen, denn eines Tages könnte es andere Menschen, andere Gruppen in unserer Republik Österreich treffen, Menschen beispiels­weise, die der ÖVP oder der FPÖ angehören – und selbstverständlich haben auch die­se Menschen das Recht, Kritik zu üben, zu demonstrieren und zu streiken. (Abg. Scheibner: Wir werden Sie daran erinnern! Wir wissen, mit welchen Methoden Sie arbeiten!) Dieses Grund­recht steht allen zu: allen Menschen in der Republik Österreich, allen Österreicherinnen und Ös­terreichern sowie allen Menschen aus anderen Ländern, die bei uns eine Heimat gefunden haben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Nun zu einem Teilbereich dieses Budgets und der Budgetbegleitgesetze, und zwar werde ich mich in meinen Ausführungen auf das Verhältnis Bundesbudget und Beiträge von Ländern und Kommunen konzentrieren.

Die „größte Steuerreform in der Geschichte der Zweiten Republik“ hat der – nun abwesende – Herr Finanzminister Karl-Heinz Grasser vor einem Monat vollmundig via TV und ebenso gestern hier bei seiner Budgetrede angekündigt. Allerdings hat er ziemlich kleinlaut verschwiegen, wie die­se – unter Anführungszeichen – „größte Steuerreform der Zweiten Republik“ über die Bühne


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gehen soll. Das hat der Herr Finanzminister kleinlaut verschwiegen, aber Gott sei Dank finden sich Tatsachen und Wirklichkeit im Kleingedruckten der Gesetzesparagraphen.

Wie will der Herr Finanzminister das gestalten? – Dabei greift er zurück auf – die einen würden sa­gen: Trick, aber das ist, wie ich meine, eine zu liebevolle Bezeichnung –, sagen wir es so: eine sehr bedenkliche Methode.

Im Jahre 2001 gab es das so genannte Nulldefizit; mit Lorbeeren hat sich der Herr Finanzminis-ter ja selbst geschmückt. Unbestritten – und das wurde auch das letzte Mal vom Herrn Finanz­mi­nis­ter nicht bestritten – ist die Tatsache, dass diese Null-Neuverschuldung aus dem Jah­re 2001 ausschließlich die Länder und Kommunen getragen haben – und nicht der Bund! (Bei­fall bei der SPÖ.)

Dieselbe Methode soll jetzt wieder angewendet werden. Und wie? – In noch unverschämterer Form als damals, dass nämlich den Gesetzentwürfen des Finanzministeriums entsprechend der Bund alle neuen Einnahmen kassiert, und zwar zu 100 Prozent (Zwischenruf bei der ÖVP), alle neuen und erhöhten Steuern! In diesem Zusammenhang erwähne ich nur die Erhöhung der Mine­ralölsteuer und, als Kärntnerin und doch auch für die Wiener sprechend (Abg. Scheibner: Nein! Nein!), die neuen Altlastenbeiträge für die Müllverbrennung. (Abg. Scheibner: Für die Wie­­ner dürfen Sie nicht sprechen! Wissen Sie, wie viele Gebühren angehoben wurden in letzter Zeit?!)

Ich darf Ihnen, Herr Staatssekretär Finz, den Brief aller Kärntner Bürgermeister, insbesondere von ÖVP und FPÖ, zu dieser Abgabe überreichen – in der Hoffnung, dass Sie diesen dem Herrn Finanzminister geben werden. (Die Rednerin übergibt dem auf der Regierungsbank sitzen­den Staatssekretär Dr. Finz ein Schriftstück.)

All diese Mehreinnahmen und „natürlich“ auch die Selbstbehalte kassiert der Bund. Und was pas­siert mit den Ländern? – Alle Kürzungen, beispielsweise die Lohnsteuerkürzung, betreffen gemeinschaftliche Steuern, und zwar auf Basis von Ländern und Gemeinden. Das heißt, dort fehlen die Einnahmen. Diese Einnahmen nehmen Sie den Ländern und Gemeinden weg, und das ist eine große Summe: In den Jahren 2004 bis 2006 werden das rund 200 Millionen € sein!

Für meine Oppositionskritik führe ich hier nun einen ziemlich unverdächtigen Zeugen an, und zwar möchte ich ein Zitat des Tiroler ÖVP-Landeshauptmannes bringen, der in seiner Stellung­nahme, wie das übrigens in allen Stellungnahmen aller Länder getan wurde, Folgendes formu­liert – ich zitiere – :

Dieser Ansatz, Länder und Gemeinden an Mindereinnahmen, nicht aber an den Mehrein­nah­men zu beteiligen, widerspricht dem Geist des Finanzausgleichs. Im Übrigen – ich zitiere immer noch van Staa! – wurden auch keinerlei Verhandlungen auf politischer Ebene geführt. – Zitat­ende.

Meine Damen und Herren, was heißt das? – Sie sprechen nicht mit den ÖVP-Landeshaupt­leu­ten, Sie sprechen nicht mit den FPÖ-Finanzreferenten etwa in Kärnten, Sie sprechen nicht mit dem ÖGB und Sie haben nicht einmal ein Ohr, Kollegen der ÖVP und Herr Bundeskanzler Schüs­sel (Abg. Großruck: Wer sagt denn das?), wenn Wirtschaftskammerpräsident Leitl täg­lich sehr demütig um einen Gesprächstermin fleht und Gesprächskultur fordert.

Sie sprechen mit niemandem! Das ist Gesprächsverweigerung, und daher steht es jedem Men­schen in Österreich zu, dagegen und auch gegen diese politischen Methoden des Diktierens statt kreativ partnerschaftlichen Regierens auf die Straße zu gehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr abwesender Bundeskanzler und Herr abwesender Finanzminister, ein letzter Punkt: Karl-Heinz Grasser hat im Jahr 2001 gesagt (Abg. Großruck: Das ist ein Landsmann!), er habe kei­ne Leidenschaft dafür, dieses Kriegsgerät anzukaufen. Und weiter, O-Ton Grasser von 2001: Ich werde dagegen sein, mich dagegen aussprechen, und ich werde Anwalt der Steuerzahler sein. – Zitatende.


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Herr Finanzminister, Herr Bundeskanzler und restliches Team dieser Bundesregierung! Wie, mit welchen Argumenten hat es die Waffenlobby geschafft, Sie davon zu überzeugen, dass dieser be­denkliche Text mit den „xx Millionen €“ – es sind nicht drei X, sondern nur zwei – im Budget­be­gleitgesetz steht? Und: Mit welchen Methoden haben sie Sie unter derartigen Zeitdruck ge­bracht? Denn politisch sehr klug ist es nicht, Pensionen zu kürzen, Selbstbehalte einzuführen und gleichzeitig die XX-large-Kriegsgeräte anzukaufen! (Beifall bei der SPÖ.)

18.22


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste in der Rednerliste ist Frau Abgeordnete Rest-Hinter­seer. – Bitte.

18.22


Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte KollegInnen des Hohen Hauses! Ich ersuche die geschätzten Kollegen, sich mit angesprochen zu fühlen, so wie wir Frauen uns oft mit angesprochen fühlen, wenn wir nur mit der männlichen Form apostrophiert werden. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Großruck: Schon wieder ...!) – Schon wieder dasselbe Thema – aber ich setze dort fort, wo Kollegin Trunk aufge­hört hat.

Mir ist nämlich auch aufgefallen, woher diese Bundesregierung immer wieder ihre Finanzmittel lukriert. Ich zitiere ebenfalls aus einer unverdächtigen Quelle, nämlich von der Internetseite des Ös­ter­reichischen Städte- und Gemeindebundes. (Abg. Großruck: Auf welcher Internetseite? Städte- oder Gemeindebund?) Bei der Budgetsanierung 2001 hat der Bund mehr als 2 Milli­arden € für sich allein behalten, beim aktuellen Budget ist der Bund allerdings schon wieder be­reit, mit den Ländern und Gemeinden zu teilen, und zwar die Verluste bei der Lohn- und Ein­kom­mensteuer. 2004 werden auf die Gemeinden 32 Millionen € Verluste, auf die Länder 29 Milli­onen € Verluste entfallen. Aber auch die Studiengebühren lässt sich der Bund von den Gemeinden mitfinanzieren. Über den Umweg der Absetzbarkeit der Studiengebühren von der Lohn- und Einkommensteuer finanzieren die Gemeinden 13,1 Prozent mit.

Ähnliches gilt für die Familienpolitik: Die Familien werden über das Kinderbetreuungsgeld und erhöhte Familienbeihilfen gefördert, allerdings mit dem sehr altbackenen Rezept „Frauen, zu­rück an den Herd!“. Laut einer aktuellen Wifo-Studie hat dieses Konzept den längeren Rückzug von Frauen aus ihren Berufen zur Folge (Abg. Großruck: Steht das auch auf der Homepage?), ohne eine verstärkte Beteiligung der Väter an der Kinderbetreuung zu bewirken. Das führt auch dazu, dass weniger Frauen im Umweg über ihre Erwerbstätigkeit wiederum in die gemein­schaftlichen Töpfe einzahlen. Das ist also ein dummes Konzept! (Beifall bei den Grünen.)

Zudem sollte man nicht verschweigen, dass der Familienlastenausgleichsfonds ausgeräumt wird. 35 Millionen € entnimmt der Bund! Wussten Sie, dass er für die administrative Führung des Familienlastenausgleichsfonds 20 Millionen € an Verwaltungskosten verrechnet? Zur Ver­deut­lichung: Das sind 280 Millionen Schilling! Die Landeshauptleutekonferenz hat das offen­sicht­lich auch nicht besonders lustig gefunden und hat den Konsultationsmechanismus in Gang gesetzt.

Wie Kollegin Trunk schon mit einem Zitat des Herrn Landeshauptmannes van Staa ausgeführt hat, wurden die Länder nicht in die Beratungen mit einbezogen. Trotzdem tun sie mir nicht allzu Leid.

Ein guter früher Abend nach einem langen Tag mit Budgetdiskussionen beginnt mit einem Rätsel: Wer stellt hierzulande den Bundespräsidenten, den Ersten Präsidenten des National­rates, den Bundeskanzler, den österreichischen EU-Kommissar, den Präsidenten des Obersten Gerichts­hofes, den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, den Präsidenten des Rech­nungs­hofes, sechs von neun Landeshauptleuten – davon eine Frau! –, 64 von 84 Bezirkshaupt­leuten, 1 600 von 2 360 Bürgermeistern (Ruf bei der ÖVP: Gute Leute!), die Generaldirektorin des ORF, die Mehrheit im Stiftungsrat des ORF (Abg. Eder: Lauter Schwarze!), den Präsiden­ten der Wirtschaftskammer, den Präsidenten der Industriellenvereinigung, den Präsidenten der Land­wirt­schaftskammern, den Generaldirektor der Nationalbank, nahezu den gesamten Füh-


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rungs­stab des Bankensektors und nahezu alle wichtigen politischen Funktionen in sechs von neun Bundesländern?

Sehr geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Dieser ungeheure Machtapparat (Abg. Schöls: Warum beschimpfen Sie den Wähler?), der auf alle politischen Ressourcen der Re­publik Österreich zugreifen kann (Abg. Dr. Partik-Pablé: Schreien Sie nicht so am Ende des Abends!), dieser riesige Apparat bringt keine anderen Entwürfe zusammen als die nun vorlie­genden­: Langweiliges, Phantasieloses, Altbackenes aus der Requisitenkammer der Politik, Wie­der­auf­getautes, das schon längst – und zu Recht – tief gefroren war. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich verstehe die KollegInnen von der Freiheitlichen Partei, dass sie grantig werden, da sie da über­haupt keine Erwähnung finden. Sie müssen sich halt mit parlamentarischer Arbeit wieder in Erin­nerung bringen. (Abg. Mag. Posch: Die tun ja nichts!) Es scheint aber so zu sein, dass gute Ideen weniger aus der Sattheit als aus dem Hunger entstehen. Und das scheint auch der Herr Fi­nanz­minister gemeint zu haben, als er vom angesetzten Speck gesprochen hat, der die Re­gie­rung an der Bewegung hindert. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)

Noch ein Rätsel zum Abschluss: Warum nur um alles in der Welt schlagen so viele Menschen die ausgestreckten Hände des Herrn Bundeskanzlers aus? (Abg. Dr. Partik-Pablé: ... Warum quä­len Sie uns so am Abend?) – Ich kann nur vermuten. Ich selbst habe erlebt, dass ausge­streckte Hände von ÖVP-Machtträgern meistens bedeuten, dass sie vorher lange bei guten Ideen abgewachelt haben. (Abg. Scheibner: Wo sind die guten Ideen?) Wenn sie es dann nicht mehr verhindern konnten, haben sie die Ideen an sich gerissen. – Danke schön. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.28


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte.

18.28


Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Mei­ne Damen und Herren! Frau Kollegin Rest-Hinterseer, ich verstehe Ihre Aufgeregtheit und Ihren Neid eigentlich nicht. In einer Demokratie werden politische Funktionen nach den Wahler­geb­nissen vergeben, oder wollen Sie es vielleicht anders? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen. – Abg. Eder: Das sind lauter politische Funktionen!? ... alles Schwar­ze!)

Meine Damen und Herren! Das gestern im Parlament präsentierte Doppelbudget für die Jah­re 2003 und 2004 ist für den ländlichen Raum und die bäuerlich strukturierte Landwirtschaft eine sehr gute Grundlage. Mit dem 3-Milliarden-€-Paket garantieren wir den bäuerlichen Fami­lien Sicherheit bezüglich der öffentlichen Mittel. Diese Sicherheit ist gerade jetzt wichtig, um neue und zukunftsorientierte Schwerpunkte in der Investitionsförderung setzen zu können. Schließ­lich stehen wir kurz vor der EU-Erweiterung, und unsere bäuerliche Landwirtschaft muss sich rüsten, um im ständig härter werdenden Wettbewerb bestehen zu können.

Unsere Bauern können diese Herausforderung aber nur dann annehmen, wenn sie von der Ge­sellschaft, also von uns allen, dabei entsprechend unterstützt werden, denn letztendlich profi­tieren wir alle davon, dass unsere bäuerlichen Produkte von höchster Qualität sind.

Aber es ist nicht nur die Markenqualität, die unsere bäuerliche Produktion auszeichnet, es sind auch das gute Wasser und die gute Luft. Unsere Kulturlandschaft wird von den Bauern ge­schützt und umsichtig gepflegt. Unsere Bauern wissen um ihre Verantwortung (Abg. Dipl.-Ing. Pirkl­huber: Und Bäuerinnen!), daher müssen auch wir in diesem Haus unsere Verantwor­tung, für die oft mühsame Arbeit der Bauern ein angemessenes Einkommen sicherzustellen, wahrnehmen. Es ist meiner Meinung nach billig und polemisch, öffentliche Zuwendungen für die Landwirtschaft zu kritisieren. Wir würden es uns zu einfach machen, die Ausgleichszahlungen in Bausch und Bogen zu verurteilen. Das ist kurzsichtig und hat mit der Realität in der bäuerlichen Welt nichts zu tun! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Die österreichischen Bauern (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Und Bäuerinnen!) mussten mit dem Bei­tritt zur Europäischen Union erhebliche Einkommensverluste, Erlösverluste bis zu einem Drittel hinnehmen. Umso wichtiger ist es daher, dafür zu sorgen, dass jeder Euro aus Brüssel, der uns zusteht, dort auch abgeholt wird – und unser Landwirtschaftsminister, Dipl.-Ing. Josef Pröll, ist Garant dafür, dass dies auch geschieht!

Die Ausgleichszahlungen sind weiters eine gewisse Abgeltung für die niedrigeren Produkt­prei­se, die wir Bauern nun bekommen – mir als Bauern wäre ein gerechterer und damit höherer Pro­­dukt­preis wesentlich lieber (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Und Bäuerinnen!), weil er auch un­se­­rem bäuerlichen Denken entspricht. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sagen Sie doch: „Mir als Bäu­erin“!) Der Weg über die Ausgleichszahlungen ist zwar nur der zweitbeste, aber der derzeit einzig gangbare Weg.

In einem durchschnittlichen österreichischen Betrieb werden nicht einmal 20 Hektar bewirt­schaf­tet, auch wenn uns gestern von den Grünen hier im Hohen Haus ein Betrieb mit rund 2 500 Hek­tar als Muster und Vorbild vorgegaukelt wurde. Ich rate diesen Kolleginnen und Kollegen, sich einmal intensiv mit der Struktur unserer bäuerlichen Landwirtschaft auseinander zu setzen! Oder schlägt ihr Herz vielleicht für jene Großbetriebe, die in den ehemaligen kommu­nistischen Ländern übrig geblieben sind?

Für mich drängt sich da schon die Frage auf, ob Sie sich dessen bewusst sind, wie der Lebens­unterhalt aus bäuerlicher Arbeit verdient werden kann. – Sie haben wohl noch nie in der Land­wirtschaft gedient, sondern höchstens an der Landwirtschaft verdient. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Diese Geisteshaltung erklärt auch, warum beide Oppositionsparteien in den Gesprächen über eine eventuelle Regierungsbeteiligung die öffentlichen Mittel für die Land­wirtschaft nicht sicherstellen wollten, sondern vielmehr wesentlich höhere und schärfere Auf­la­gen gefordert haben. Wohin das im ländlichen Raum führt, sehen wir im rot-grünen Deutsch­land.

So nicht, meine Damen und Herren von den Oppositionsparteien! Wir werden den positiven Weg unserer Bundesregierung konsequent unterstützen und fortsetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.32


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Moser. Ich erteile ihm das Wort.

18.33


Abgeordneter Mag. Hans Moser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Da­men und Herren! Ich halte es für ein wichtiges Ziel, dass Österreich den dritten Rang in Bezug auf Wirtschaft und Arbeitsplätze in Europa zu erreichen anstrebt. Aber noch viel wichti­ger ist es, dass wir jenes soziale Klima und jene Lebensqualität erhalten, die wir in den letzten 30 Jahren für Österreich schaffen konnten. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn gestern Finanzminister Grasser wieder eine internationale Ranking-Agentur zitiert hat, derzufolge sich der Wirtschaftsstandort Österreich massiv verbessert habe, dann ist das nur ein Hinweis. Es gibt aber auch viele andere Rankings, in denen es umgekehrt gesehen wird. Bei Michael Porters Ranking für das „World Economic Forum“ zum Beispiel stagniert Österreich, in anderen wie dem „European Innovation Scoreboard“ fällt Österreich sogar zurück.

Viel wichtiger als derartige Einschätzungen ist aber die Realität. Ich habe mir die Erfolge der ös­ter­reichischen Ansiedlungsgesellschaft Austrian Business Agency angeschaut. Da ist festzu­stellen, dass sich innerhalb der letzten drei Jahre – von 2000 auf 2002 – die Fälle halbiert ha­ben, ebenso die Investitionen beziehungsweise die Zahl der Arbeitsplätze, die damit geschaf­fen wurden. Und das ist für mich neben dem Konjunktureinfluss ein wesentlicher Indikator dafür, dass das Ausland das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Österreich verloren hat, was wiederum für die Bewertung ein wichtiger Punkt ist.


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Zu einem zweiten Punkt: Der Herr Finanzminister, der nun nicht mehr anwesend ist, hat gestern in seiner Rede sehr ausführlich dargestellt, dass der Staat ein schlechter Unternehmer sei. Wenn man sich anschaut, was in den letzten drei Jahren (Ruf bei der ÖVP: 30 Jahren!) passiert ist, welche Spitzenmanager vorzeitig aus ihren Funktionen entfernt wurden, Manager, die jetzt, aber auch schon vorher in der Privatwirtschaft sehr erfolgreich waren und sind – etwa Draxler von der ÖBB, ich könnte aber auch viele andere nennen –, dann ist das natürlich ein Signal! Sol­che Leute werden abgelöst, schlechtere beziehungsweise nicht so ausgewiesene einge­setzt, und dann wird der Staat als schlechter Eigentümer dargestellt!

Das ist rein ideologisch orientierte Politik! Die Situation wird so ausgenützt, dass der Staat als schlechter Eigentümer dargestellt werden kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir halten fest: Das ist nicht professionelle Corporate Governance, das ist ein ideologisch orien­tiertes Zerschlagen von Unternehmen!

Für uns Sozialdemokraten ist die Eigentumsfrage keine ideologische Frage, für uns ist es immer eine Frage der Zweckmäßigkeit. (Abg. Großruck: Seit wann?) – Zumindest seit 1986! Und das sollte man, glaube ich, auch so beibehalten.

Mit der Änderung des ÖIAG-Gesetzes will man nun wieder eine Vielzahl unterschiedlicher Ziele erreichen, überfordert das Ganze aber. Ein Ziel ist mir besonders aufgefallen – und ich kann es trotz immerhin zehnjähriger Erfahrung in der Industrie überhaupt nicht verstehen! –, nämlich das Vor­haben, durch einen Unternehmensverkauf den Unternehmenswert zu steigern. Jeder Vernünftige würde den Unternehmenswert vorher steigern und erst dann verkaufen, damit höhe­re Erlöse für das Unternehmen und für den Staat Österreich erzielbar sind. (Abg. Amon: Das stimmt aber nicht immer!)

Was aber macht Bundesminister Grasser? – Er holt sich in den nächsten zwei Jahren von der ÖIAG 300 Millionen € an Dividende. Das ist an sich nichts Schlechtes, aber in diesem Fall be­deu­tet das eine Veränderung der Schuldenstruktur: Die ÖIAG muss nämlich diese 300 Milli­onen € aufnehmen, damit sie die Dividende abführen kann! In Wirklichkeit ist das also eine ver­steckte Kreditaufnahme des Bundes und dient eigentlich nur zur Kosmetik des Budgets. (Beifall bei der SPÖ.)

Leider ist der Herr Finanzminister nicht mehr anwesend! (Abg. Mag. Posch: Gott sei Dank!) Wenn man ein börsenotiertes Unternehmen zum Verkauf ankündigt, dann hat das dramatische Aus­wirkungen auf die Kursentwicklung. Im Bereich US-amerikanischer Firmen kann das, wenn es gleichzeitig zu einer Beeinflussung durch den Eigentümer oder zu mangelnder Information der anderen Aktionäre kommt, zu strafrechtlicher Verfolgung führen! In Österreich führt es dazu, dass der Kurs verfällt, dass Spekulanten Tür und Tor geöffnet wird.

Angeblich hat der Herr Minister – und das wollte ich ihn hier persönlich fragen – angeordnet, schnell zu verkaufen, bringe es, was es wolle. (Staatssekretär Dr. Finz: Stimmt nicht!) – Wenn dem so ist, dann würde das gemäß einer einfachen Berechnung bedeuten, dass wir damit min­des­tens 2 Milliarden € praktisch in den Sand setzen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute viele Werbeslogans aus der gestri­gen Budgetrede gehört, sie wurden auch schon ausreichend kommentiert. Ich werde versu­chen, einen etwas anderen Ausstieg zu machen, ich möchte Albert Einstein zitieren (Abg. Mag. Posch: Was hat der mit der Regierung zu tun?), der gesagt hat – ich zitiere –:

„Kein Ziel ist so hoch, dass es unwürdige Methoden rechtfertige.“ – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ellmauer: Der hat einen längeren Bart gehabt, der Einstein!)

18.38


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte. (Abg. Mag. Posch: Einstein und die Regierung, das ist ein gewagter Vergleich!)

18.39


Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Der Lack ist ab!, hat Herr Kollege Gartlehner vor kurzem hier ...


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(Abg. Mag. Posch: Das stimmt!) – Das stimmt! Der Lack ist ab, und zwar von der sozialis­ti­schen Budgetpolitik des letzten Jahrhunderts (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), denn wir ste­hen heute wesentlich besser da als 1999, meine Damen und Herren von der SPÖ! Das sollten Sie anerkennen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Noch nie gab es so viele Beschäftigte wie an diesem 1. Mai – sie haben wirklich Grund zu fei­ern, meine Damen und Herren. Erstmals in der Zweiten Republik haben wir ein positives Han­dels­bilanzergebnis – wir können mit Recht stolz darauf sein. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) 28 000 neue Unternehmer konnten wir im letzten Jahr verzeichnen – es gab noch nie so viele Betriebsgründungen in diesem Land!

Tatsache ist: Der Lack ist ab! Es hat eine andere Politik in diesem Lande begonnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sollten gemeinsam auf diese erfolgreiche Wirt­schaftspolitik, auf diese erfolgreiche Regierungspolitik des Kabinetts Schüssel I, dem wir unsere heutige Position verdanken, stolz sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Mein Vorredner hat Zeugen für die Situation der österreichischen Wirtschaft angeführt – er hat nur die falschen genannt. Nennen Sie den Währungsfonds, nennen Sie die OECD, nennen Sie die Europäische Kommission: Sie alle stellen Österreich ein hervorragendes Zeugnis aus, mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Der vorliegende Budgetentwurf ist tatsächlich die Garantie für eine weitere gute Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Österreich. Ich weiß, die Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne eine erfolg­reiche Wirtschaft ist vieles in diesem Land nicht möglich. (Zwischenruf des Abg. Eder.)

Meine Damen und Herren, ich begrüße daher die Ansätze, die die Wirtschaft betreffen, wie etwa die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik, wobei wir uns bemühen werden, das Arbeits­markt­service zu einem leistungsfähigen Dienstleistungsunternehmen umzubauen. Ich begrüße die Steuerreform, die vor allem Klein- und Mittelbetrieben zugute kommt, weil diese Klein- und Mittel­betriebe einen direkten Nutzen aus dem Konsum werden ziehen können. Diese Steuer­reform, die heuer beginnt und im nächsten Jahr in entsprechendem Umfang auch Wirkung zei­gen wird, ist der erste Schritt zu einer Senkung der Abgabenquote, die wir, die diese Regie­rung bis 2010 auf 40 Prozent fortführen wird.

Herr Kollege Mitterlehner hat gemeint, die Maßnahmen bezüglich der nicht entnommenen Ge­winne seien ein wesentliches Signal für die Wirtschaft. Wir haben 20, 30 Jahre gegen die Dis­kriminie­rung des Eigenkapitals in den Betrieben gekämpft. Diese Regierung setzt die Ent­dis­krimi­nie­rung des nicht entnommenen Gewinnes um. Das sind vielleicht keine gewaltigen Aus­wirkungen, aber es ist ein Signal für die Wirtschaft.

Ich könnte die Liste dieser Leistungen für die Wirtschaft fortsetzen. Es ist die Fortsetzung eines gelun­genen Erfolgmodells. Sie sollten das anerkennen, und Sie sollten es auch unterstützen, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist zum Wohle von uns allen! (Beifall bei der ÖVP.)

Was aber macht die Opposition? – Sie betet die Leistungen krank, sie betet das Land krank, weil das, was nicht sein kann, auch nicht sein darf, da es Ihnen nicht entgegenkommt. Ich sage Ihnen Folgendes: Wenn hier mehrere Redner der SPÖ die zweite und die dritte Säule öffentlich in Misskredit bringen, so wird es diese Instrumente nicht stärken, da kann ich Ihnen Recht ge­ben. Aber es ist unverantwortlich, wenn Sie das hier tun! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Diese Ihre Ausführungen hier werden den Wirtschaftsstandort Österreich nicht schwächen, das gebe ich zu. So wichtig sind sie nämlich nicht.

Dramatische Auswirkungen aber können tatsächlich die Streikaufrufe des ÖGB für die österrei­chische Wirtschaft haben, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir leben heute in einer arbeitsteiligen Wirtschaft, und wir wissen von Unternehmen, die bereits ihre Standortpolitik über­denken. Wenn nämlich ein Standort, der ganz Europa beliefert, mehrere Tage lahm gelegt ist, so ist die Verlässlichkeit des Wirtschaftsstandortes Österreich ernsthaft in Frage gestellt. Die­se Aktionen – Herr Präsident Verzetnitsch, das wissen Sie – gehen an die falsche Adresse.


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(Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch.) Als überzeugter Anhänger der Sozialpartnerschaft bitte ich Sie: Nehmen Sie den Sozialpartner nicht in Geiselhaft, er kann nichts dafür! (Abg. Gaál: Sa­gen Sie das dem Herrn Schüssel!)

Herrn Gusenbauer hätte ich gerne gesagt: Olah – und nicht Benya – hat gesagt, es wird nur Ver­lie­rer geben, mit Streiks kann man eine Pension nicht erhöhen.

Aber all das ist noch nicht der Höhepunkt. Betroffen gemacht hat mich als Wirtschaftsvertreter wirk­lich eines: die Heiterkeit, ja die Fröhlichkeit, die heute hier von der SPÖ-Fraktion ausge­gangen ist, wenn über die Schäden, die Firmen durch diesen Streik erleiden, berichtet wird. Für diese Heiterkeit sollten Sie sich schämen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Ma­rizzi: ... die Menschen betrifft!) Das stärkt den Wirtschaftsstandort nicht, das ist nicht in Ord­nung. Es ist Ihnen 46-mal gesagt worden, und ich sage es Ihnen ein 47. Mal: Diese Heiterkeit ist nicht in Ordnung! (Abg. Eder: ... Heiterkeit von Grasser!)

Frau Kollegin Bures hat vom erfolgreichen Weg Österreichs gesprochen. Es zeigt, dass Ihnen die­ser erfolgreiche Weg Österreichs nicht am Herzen liegt. Er bedeutet Ihnen gar nichts.

Denn: Zukunft braucht Verantwortung, und Sie sind nicht in der Lage, diese Verantwortung zu tragen! (Beifall bei der ÖVP.)

18.44


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Hoscher. Ich erteile ihm das Wort.

18.45


Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Meine Damen und Herren! Einige Anmerkungen zur gestrigen Budgetrede des Herrn Fi­nanz­ministers, weil es doch, glaube ich, wert ist, ein bisschen zu beleuchten, welche ideologi­sche Haltung dahinter steckt.

Unter anderem hat der Finanzminister den Nobelpreisträger Hayek zitiert, und zwar ausgerech­net mit dessen Aussage, dass sich Armut nicht durch Umverteilung des vorhandenen Wohl­stands beseitigen lässt. Ich glaube, gerade dieses Zitat – sozusagen ideologisch – der Opposi­tion entgegenzuhalten ist ein äußerst starkes Stück. Wenn Sie Hayek lesen oder Hayek gele­sen hätten – als Nationalökonom tut man das eben –, dann wüssten Sie, dass im Mittelpunkt der Systemkritik von Hayek planwirtschaftliche kommunistische Systeme stehen, aber nicht die soziale Marktwirtschaft, wie sie Kollege Tancsits heute dankenswerterweise erwähnt hat. Be­züg­lich dieser sozialen Marktwirtschaft darf ich daran erinnern, dass derselbe Hayek bereits Mitte der fünfziger Jahre wörtlich erklärt hat, dass diese soziale Marktwirtschaft eine eindrucks­volle Wiederbelebung des Wirtschaftsliberalismus ist. (Abg. Amon: ... nicht verstanden!)

Wenn aber tatsächlich Armut nicht durch Umverteilung von vorhandenem Wohlstand beseitigt werden soll – und ich glaube, das ist die Geisteshaltung, die hinter all dem steckt –, dann frage ich mich, warum wenige Minuten später derselbe Finanzminister in derselben Budgetrede die ohne Zweifel hervorragenden Leistungen der Österreicherinnen und Österreicher bei der Spen­denbereitschaft im Zuge der Hochwasserkatastrophe lobt. Diese Spendenbereitschaft ist doch ein Musterbeispiel für Umverteilung von vorhandenem Wohlstand! Aber genau darin liegt offen­sichtlich der ideologische Unterschied zwischen uns: Worum es uns geht, ist nicht die Umver­teilung primär durch private Spendenleistungen, sondern Umverteilung so, dass ein Rechtsan­spruch darauf besteht. Wir wollen doch nicht sozial Schwache zu Bittstellern und Almosen­empfängern machen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.)

Vollste Zustimmung hingegen zu einer anderen Aussage des Herrn Finanzministers, nämlich zu jener, dass in konjunkturschwachen Zeiten Defizite sinnvoll sind: Jawohl! Ich gratuliere zu die­ser Erkenntnis, weil dies erstmals ein öffentliches Bekenntnis der Bundesregierung zu einer antizyklischen Budgetpolitik ist! Ich frage mich nur: Wo war genau diese antizyklische Budget­politik in den letzten drei Jahren? In den letzten Jahren hatten wir nämlich eine extrem schwa­che Konjunkturentwicklung, doch im Mittelpunkt der Budgetpolitik stand das Nulldefizit – das


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wird jetzt ersetzt durch ein anderes Schlagwort, nämlich „die größte Steuerreform aller Zeiten“. Vom Gegensteuern war in den letzten drei Jahren nichts zu bemerken. (Beifall bei der SPÖ.)

Da schließt sich der Kreis zur ebenfalls zitierten EU, denn durch diese Budgetpolitik wird auch die große Chance vergeben, die EU beispielsweise jetzt im Zuge der Diskussion um den Lissa­bon-Prozess zu stärken, wo Vollbeschäftigung im Mittelpunkt steht, wo nachhaltiges Wachstum im Mittelpunkt steht und wo sozialer Zusammenhalt im Mittelpunkt steht. Von all dem haben wir weder in den letzten drei Budgets noch in den vorliegenden beiden Budgets etwas bemerkt.

Weil das rote Licht bereits leuchtet, noch ein letztes Wort zu einer ebenfalls gestern gefallenen Bemerkung, nämlich „Der Speck muss weg!“ In Richtung Bahn ist diese Äußerung gefallen, und da­zu ein Satz, der ein bisschen zum Nachdenken anregen soll: Dieses angebliche „Der Speck muss weg!“ hat in den letzten zehn Jahren in der Europäischen Union rund 500 000 Ar­beits­plätze gekostet! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.)

18.48


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Großruck. Ich erteile ihm das Wort. (Abg. Öllinger: Das geht jetzt wahrscheinlich zur Brau-AG-Fusion!)

18.49


Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Vorerst erlaube ich mir, ein persönliches Versprechen einzulösen, das ich Frau Kollegin Moser von den Grünen gegeben habe. Sie ist jetzt leider nicht anwesend, aber sie wird es im Protokoll nachlesen können. (Abg. Öllinger: Wir sagen es ihr sofort!) Sie hat sich bei meinem letzten Redebeitrag sehr betroffen gefühlt, in dem ich, da ich anscheinend falsche Zah­len von ihr gehört habe, ihr mathematisches Unverständnis vorgeworfen habe. Ich wollte sie na­türlich nicht persönlich beleidigen und ziehe das mit Bedauern zurück, damit das auch öffentlich erledigt ist. (Allgemeiner Beifall.) Ich habe ihr versprochen, dass ich das tun werde.

Meine Damen und Herren! Den ganzen Tag verfolgt uns heute ein Thema, das ist die Pen­sions­diskussion. Mein Zugang dazu ist in den achtziger Jahren begründet. Mitte der achtziger Jahre hat ein österreichischer Unternehmer – ein Kettenfabrikant, Franz Kohmaier hat er geheißen – ein Buch herausgegeben, in dem das dringestanden ist, und zwar unter dem Titel „Adam Riese schlägt zurück“. Er hat darin bereits vor mehr als 15 Jahren die Pensionsproblematik aufgerollt und in seinem Buch genau das recherchiert und vorhergesagt, worüber wir heute diskutieren.

Ich war damals noch nicht im Parlament, habe aber die Diskussion verfolgt. Ich habe verfolgt, wie es geheißen hat: Das ist ein Spinner, der da gewisse Utopien hat, das ist skurril, was er sagt. Heute hat uns die Realität eingeholt. Ich habe auch verfolgt, wie die damaligen Sozial­minis­ter reagiert haben. Sie haben gesagt, dass seien Träume, soziale Träume, die der Herr hat. Kein Dallinger, kein Geppert, kein Hesoun und kein Hums haben dieses Problem aufge­grif­fen, alle haben gesagt: Unser Pensionssystem ist in Ordnung (Abg. Eder: Ist es ja auch!), alles paletti, und das Umlageverfahren, das wir haben, löst alles. (Abg. Gaál: Falsch!) Da habe ich ihnen Recht gegeben: wenn auch die Parameter passen, die dazugehören – wenn wir genug Beitragszahler haben, wenn wir entsprechend lange Zeiten der Erwerbstätigkeit haben –, dann stimmt das!

Das System kommt aber zum Kippen, wenn die Parameter nicht mehr passen, nämlich: mehr Schüler, mehr Jugendliche in Ausbildung, weniger Beitragszahler, mehr Pensionisten durch län­gere Lebenszeit und mehr Pensionisten durch ein früheres Pensionsantrittsalter. Dann kann diese Rechnung nicht mehr aufgehen, das weiß jeder. Ich halte es Frau Sozialministerin Hos­tasch zugute, dass sie die Erste herinnen im Hohen Haus war, die diese Problematik aufge­griffen und zugegeben hat, dass hier etwas passieren muss – um 10, vielleicht um 15 Jahre zu spät!

Deshalb führen wir heute die Diskussion, die notwendig ist. Wenn wir nämlich heute nichts tun, wenn wir heute keine Maßnahmen treffen, dann wird sich diese Schere immer mehr verschär­fen, wird sie immer weiter auseinander klaffen, und dann werden wir deutsche Verhältnisse bekommen: dass die Gewerkschaft gegen den eigenen sozialistischen Kanzler vorgeht, weil sie


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seine notwendigen Sozialmaßnahmen nicht mehr mitträgt, die für Deutschland notwendig sind. Dabei beneiden sie uns in Österreich darum, dass wir diese Pensionsreformen noch in einer relativ guten Phase machen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren von der Opposition! Deshalb finde ich es unverantwortlich, wenn Sie hier die Österreicher mit ihrer Werbung in Geiselhaft nehmen. Sie laden sie zur Geisterbahn­fahrt ein, Sie sagen: „Kommen Sie zu mir in die Geisterbahn, in der ersten Reihe sitzen Herr Gusenbauer und der Gewerkschaftsboss“, dann geht es in das Loch hinein, und dort fürchten sich alle.

Das ist ein falscher Zugang! Wir sind hier, um Probleme zu lösen und um der Jugend zu sa­gen – und ich appelliere, das auch zu tun –: Liebe Jugend, nur diese Reformen, die wir be­schlie­ßen werden und denen in der Debatte vielleicht noch der eine oder andere Zahn gezogen wird, garantieren auch der heutigen Jugend, dass sie später einmal eine Pension bekommen wird. Das ist der Zugang, den wir haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein heutiger Pensionist braucht überhaupt keine Angst zu haben! Deshalb verstehe ich auch die Be­schwerdebriefe der Pensionistenverbände überhaupt nicht, die reihenweise eingehen. Sie beschweren sich über die Pensionsreform. Deren Pension ist gesichert, das möchte ich auch feststellen! Worum es aber geht, ist, dass die Pensionen der heutigen Jugend bis 30, 35, 40 gesichert sind. Darum geht es, und das ist verantwortungsvolle Politik, nicht jedoch Politik wie bei Gusenbauer: Länger studieren, kürzer arbeiten, früher in Pension gehen, längere Pension: das heißt höhere Pension. Diese Rechnung geht nicht auf, meine Damen und Herren!

Deshalb ist diese Regierung sehr verantwortungsvoll. Es wäre hier leichter, Almosen zu vertei­len, Pensionistenbriefe hinauszuschicken und die Jugend zu beruhigen, aber das ist der falsche Zugang. Wir schenken reinen Wein ein! Herr Gusenbauer ist angeblich ein Spezialist für reinen Wein: Er weiß, dass der reine Wein vielleicht nicht immer so gut schmeckt wie ein Cuvée, wie ein Verschnitt, bei dem man nicht weiß, was drinnen ist, aber bei einem reinen Wein ist wahr­scheinlich garantiert, dass ich am nächsten Tag nicht Kopfweh habe. Bei einem anderen, bei dem ich nicht weiß, was drinnen ist, bekomme ich Kopfweh, und das wollen wir nicht. Wir wol­len, dass die Österreicher einen klaren Kopf haben und nicht wegen Verwässerung mit irgend­welchen anderen Dingen schließlich nicht mehr wissen, wo es langgeht. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich komme mit einem Vierzeiler zum Schluss:

Sorgen von der Früh bis spät

plagen den Kanzler und Herrn Fred,

dem einen geht es um die Pension,

dem anderen um den Côtes du Rhône.

(Beifall und Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.55


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte.

18.55


Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Kollege Großruck, Sie schenken den jungen Leuten nicht reinen Wein ein, sondern Sie wollen die jungen Leute bei Wasser und Brot darben lassen in der Pension! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Brinek: Mein Gott! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Schön reden, schönreden – es war gestern eine „schöne“ Rede. (Abg. Dr. Trinkl: Und Sie tun krank­beten!) Wenn man so zugehört hat, hat man den Eindruck gehabt, es ist alles schön, alles wird immer schöner: mehr Geld für die Ausbildung, mehr Geld für die Pensionen, mehr Geld für die Infrastruktur, mehr Geld für die Umwelt, mehr Geld für alles! Er hat auch brav alle Ressort­chefs aufgezählt und sich bedankt, er hat eine ganz artige, schöne Rede gehalten.


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Aber in Wirklichkeit hat er die Lage schöngeredet, nämlich im zweiten Sinne des schön Re­dens. Die­se Zahlenspielereien, die hier aufgeführt werden ... (Abg. Dr. Rasinger: Das müssen Sie uns erklären!) Kanzler Schüssel hat vollkommen zu Recht gesagt: Wenn ich die Defizite verglei­che, kann ich nicht absolute Zahlen vergleichen. Nämlich heuer noch umgerechnet über 50 Mil­li­arden Schilling kann man natürlich nicht mit den siebziger oder achtziger Jahren verglei­chen, sondern so etwas kann man nur in Prozent des Bruttoinlandsprodukts vergleichen. Damit hat er Recht, es wäre sicher ganz falsch von uns, wenn wir die absoluten Zahlen vergleichen wür­den.

Aber im nächsten Atemzug sagt er dann: man kann den Bundeszuschuss für die Pensionen nur in absoluten Zah­len vergleichen – was natürlich auch ein Schwachsinn ist. Ich kann genauso ... (Abg. Mag. Mai­noni: Hallo! Das darf man nicht einreißen lassen!)


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ein bisschen höflicher, hoffe ich, ja?


Abgeordneter Kai Jan Krainer (fortsetzend): Das Wort „Schwachsinn“ – eigenartig oder ge­nau­so unfair und genauso ungerecht, wie er das bei den Schulden zu Recht beklagt. Ich kann natürlich auch nur den Bundeszuschuss des Jahres 2003 oder 2004 mit den Jahren davor in Pro­zent des BIP vergleichen. Wenn wir diesen Vergleich anstellen, dann sinkt dieser Bundes­zu­schuss, und alle anderen Zahlenspielereien mit den absoluten Zahlen gehen ins Leere, weil sie falsch sind! (Ruf bei der ÖVP: Stimmt auch nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

„Sand in die Augen streuen“: Klubobmann Molterer hat gemeint, wir würden „Sand in die Augen streu­en“. – Was wir machen, ist nicht, Sand in die Augen zu streuen, sondern den Nebel Ihrer Pro­pa­gandamaschinerie ein bisschen zur Seite zu räumen. Das stört Sie vielleicht, denn all die Zah­len, die in den Zeitungen stehen, all die Beispiele, die wir berechnen, berechnen wir aus­schließ­lich auf Grund der Zahlen, die vorher im Begutachtungsentwurf standen und die jetzt in der Regierungsvorlage stehen. Das ist die Grundlage all dieser Berechnungen. (Abg. Dr. Rasin­ger: Wer hat Ihnen diese Rede geschrieben?)

Diese Berechnungen sind richtig, und Sie haben noch keine einzige dieser Berechnungen korri­gie­ren können, weil sie nämlich alle richtig sind. Das stimmt schon, dass da Horrorzahlen drin­stehen. Aber die Horrorzahlen stehen nicht drin, weil wir nicht rechnen können, sondern die Horrorzahlen stehen drin, weil diese Regierungsvorlage einfach ein Horror ist und Horrorzahlen ergibt, wenn man es nachrechnet! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie sagen, gerade für die 30-, 35-Jährigen – in dem Alter befinde ich mich – ist das eine sicher­e Pension. Wenn man sie um 25, 30 und teilweise über 40 Prozent kürzt, dann weiß ich nicht, was das mit einer sicheren Pension zu tun hat. Das hat etwas damit zu tun, dass ich in der Pension sicher zu wenig Geld haben werde, um davon zu leben. (Abg. Amon: Und wenn wir länger warten, verlieren Sie noch mehr!)

Sie kommen immer mit dem Drei-Säulen-Modell daher. Schauen wir uns das Drei-Säulen-Mo­dell einmal an! Fangen wir an bei der ersten Säule, die Sie immer als „staatliche Säule“ titulie­ren und etikettieren. Das vergleiche ich jetzt mit dem ASVG, das 80 Prozent der Österreicher betrifft. Was ist denn das anderes als ein Drei-Säulen-Modell?! Da zahlt jeder Arbeitnehmer einen Beitrag, es zahlt sein Betrieb einen Beitrag, und es gibt einen Zuschuss vom Staat. Das ist ein Drei-Säulen-Modell! (Abg. Amon: Wer ist denn der Staat?) Die Steuerzahler, Sie und ich, natürlich! (Abg. Amon: Ach so, noch einmal?)

Aber Entschuldigung, das ist ein Drei-Säulen-Modell: der Arbeitnehmer leistet nämlich einen Bei­trag von 40 Prozent, der Arbeitgeber einen von 40 Prozent, und der Staat einen ganz klei­nen Anteil von 20 Prozent. Wie Sie das zu einer staatlichen Säule umfunktionieren können, ist mir ein Rätsel.

Die zweite Säule, die so genannte betriebliche Vorsorge, ist die Abfertigung. Ich war immer der Mei­nung, die Abfertigung gehört dem Arbeitnehmer – jetzt ist es plötzlich eine betriebliche Pen­sion. Das ist eine absolute Enteignung! Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. (Abg. Kopf: Wer zahlt sie denn?) Das ist die Abfertigung, und die gehört dem Arbeitnehmer.


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Die dritte Säule ist die einzige Säule, bei der wenigstens der Name stimmt, den Sie dem Gan­zen geben. (Abg. Kopf: Wer zahlt sie denn?) Das zahlt sich nämlich wirklich jeder selbst.

Wenn Sie nach Konzepten fragen, dann kann ich sagen: Es gibt bessere Konzepte! – Unser Kon­­zept hat in vier Punkten ganz entscheidende Vorteile gegenüber Ihrem Konzept.

Erstens: Es beinhaltet die Harmonisierung, die Sie auf irgendwann verschieben wollen, bereits ab 1. Jänner 2004.

Zweitens: Die Aufwertungsfaktoren werden ehrlich berechnet und gewährleisten eine ehrliche Auf­wertung, damit nämlich nicht das geschieht, was gemäß Ihrem Modell geschieht, nämlich die kalte Enteignung, wie es der von Ihnen gern zitierte Pensionsexperte Bernd Marin be­zeich­net hat. – Das ist bei uns auch nicht der Fall.

Der dritte große Vorteil ist, dass die Kindererziehungszeiten der Frauen und auch der Männer – denn es gibt auch Männer, die ihre Kinder erziehen – wesentlich ehrlicher und besser bewertet wer­den als in Ihrem Modell. Bei Ihnen ist es nämlich im Gegensatz zu uns so, dass die Zeiten für Präsenzdiener wesentlich höher bewertet werden als Kindererziehungszeiten. Das ist bei un­­serem Modell nicht der Fall. Bei unserem Modell werden die Kindererziehungszeiten danach be­wertet, wie die Einzahlungen vorher waren, und nicht mit dem Eineinhalbfachen des Aus­gleichs­zulagenrichtsatzes.

Der vierte große Unterschied ist, dass unser Modell sozial gerechter ist. Etwas konnten Sie uns näm­lich bis heute nicht erklären, und zwar, wieso es bei jemandem, der in einem Jahr in Pen­sion gehen und eine sehr kleine Pension beziehen wird, in Ordnung ist, dass dieser durch eine 10-prozentige beziehungsweise 15-prozentige Pensionskürzung einen Beitrag leisten kann, damit dieses Pensionssystem finanzierbar bleibt, hingegen aber jemand, der bereits vor einem Jahr in Pension gegangen ist und eine sehr hohe Pension genießt, keinen Beitrag leisten kann. – Unser Konzept weist auch diesbezüglich eine soziale Komponente auf, die Ihr Konzept voll­­kommen vermissen lässt. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Deswegen möchte ich Sie auffordern, dass Sie Ihren eigenen Entwurf zurückstellen – vielleicht kommen Sie doch noch darauf, dass es eine vernünftigere Möglichkeit einer Pensionsreform gibt –, damit wir bis 30. September auf Grundlage auch unseres Vorschlages ein vernünftiges Konzept gemeinsam mit den Sozialpartnern erarbeiten können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.02


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeord­nete Wolfmayr. – Bitte.

19.02


Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Das Budget für Kunst beträgt für die Jahre 2003 und 2004 rund 220 Millionen €, wo­bei der Anteil der Bundestheater mit rund 138 Millionen € mit eingerechnet ist. Das operative Budget beträgt somit rund 82 Millionen €. Eine zahlenmäßige Verringerung gegenüber dem Vor­anschlag aus dem Jahr 2002 von etwa 200 000 € ergibt sich durch auslaufende Sonder­zahlun­gen zum Beispiel für Musikverein und Konzerthaus.

Das Ergebnis der Kunstbudgetverhandlungen ist somit insbesondere in Anbetracht der generel­len Lage, welche ausgabenseitige Stabilisierungsbestrebungen im Bundesbereich für alle not­wen­­­dig macht, sicherlich zufrieden stellend. Das Kunstbudget bleibt aber gleich, wir haben einen Stand wie 2002, freilich gedeckelt für die Bundestheater, was sicherlich nicht einfach ist, denn sie müssen auf gewohnt hohem Niveau im Vergleich mit anderen Weltbühnen weiter­ar­bei­ten, was bestimmt eine Herausforderung ist. Es wird Einsparungen und Synergien im Bereich Ad­ministration und Verwaltung und diverse weitere wirtschaftliche Maßnahmen geben müssen.

Wenn wir uns jedoch die Lage in Deutschland anschauen, zum Beispiel in Berlin oder München, wo es zu drastischen Kürzungen kommt und Überlegungen angestellt werden, ob man sich man­­­che, auch große Bühnen überhaupt noch leisten kann, dann wird klar, dass wir im Vergleich


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da­zu mit unserem Budget gut dastehen, und zwar auch deshalb, weil Staatssekretär Morak nach Maßgabe der vorhandenen Ressourcen vernünftig und umsichtig disponiert, vor allem aber auch, weil er neue Finanzierungsmöglichkeiten zusätzlich zu den Budgetmitteln aufspürt und die Rahmenbedingungen für die österreichischen Kunstschaffenden damit verbessert und ausweitet. Ich verweise in diesem Zusammenhang nur auf den Künstlersozialver­sicherungs­fonds, der zusätzlich zu den Bundesmitteln aus Beiträgen der Kabel-Sat-Betreiber gespeist wird. Und entgegen allen Unkenrufen waren unsere Bewertungen richtig: Das Künstlersozialver­si­che­­rungs­fondsgesetz hält verfassungsrechtlich, und es ist ein Erfolg. Es wurden bis jetzt mehr als 1 000 Anträge von Künstlern gestellt, und weitere werden folgen. Man sieht also: Eine große Zahl der österreichischen Künstler und Künstlerinnen hat die Gelegenheit genützt.

Weiters weise ich auf viele Initiativen in wichtigen Bereichen hin: Darunter befindet sich etwa der Austausch mit den osteuropäischen Beitrittskandidatenländern, es gibt Initiativen für Kunst und Kultur in den Regionen, eine Förderung der Kinder- und Jugendliteratur, ganz abgesehen von Aufstockungen der direkten Kunstförderung und dem Ausbau von Preisen und Stipendien.

Jetzt noch einen Nebensatz zu einem aktuellen Thema, nämlich zu den Wiener Festwochen.

Erstens ist es mir nicht nachvollziehbar, wenn behauptet wird, dass eine Streichung der Bun­des­förderung von 2,7 Prozent die Existenz der Wiener Festwochen gefährden soll! Eine gezielte Projektförderung ist in diesem Bereich mindestens ebenso sinnvoll.

Zweitens bin ich absolut und vehement auf der Seite des Staatssekretärs, wenn es um eine Um­verteilung der Förderungsmittel zwischen den Städten beziehungsweise Ländern geht. Ich bin herzlich froh darüber, dass es eine klare Absichtserklärung gibt, dass in Zukunft vermehrt För­derungen an die Bundesländer fließen sollen. Langfristig muss es nämlich unbedingt einen Aus­stieg aus einer Förderungspolitik geben, bei der immer noch sage und schreibe an die 80 Prozent der gesamten Bundesförderungen nach Wien fließen. Das ist eine unglaubliche Un­ge­rechtigkeit! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Mag. Muttonen.)

Ich möchte noch zwei angekündigte Schwerpunkte für die Zukunft, von denen ich mir viel erwar­te, begrüßen: Gespeist aus Teilen der Rundfunkgebühr werden nämlich in Zukunft 7,5 Millionen €, die bis jetzt ins allgemeine Budget geflossen sind, zweckgewidmet dem Digitalisierungsfonds und dem Filmförderungsfonds einverleibt werden.

Ich stehe hinter Moraks Kulturpolitik und betone: Er macht es gut. Wir haben ein gutes Budget für Kunst und Kultur! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.07


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Ab­ge­ordnete Mag. Kuntzl. – Bitte.

19.07


Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Bei den Ausfüh­run­gen der Redner und Rednerinnen der Regierungsfraktionen hat man oft den Eindruck, dass es irgendwo versteckt ein Geheimbudget geben muss, das ganz anders aussieht als das, wel­ches Sie uns vorgelegt haben, denn in der Debatte erwecken Sie wirklich den Eindruck, dass Sie über ein ganz anderes Budget reden als über das, das Sie uns vorgelegt haben.

Kurz ein paar Worte zum Kunstbudget. Der Stand von 1999 wird natürlich nicht erreicht. (Abg. Mag. Mutto­nen: So ist es!) Im Gegenteil: Bis 2004 wird es im Kunstbudget eine Kürzung von sage und schreibe minus 30 Prozent geben. Das ist schon schlimm genug! (Abg. Dr. Wolf­mayr: 2,7 Prozent!) Aber die von Ihnen angesprochene Kürzung der Subventionen der Wiener Fest­wochen ist wirklich der Gipfelpunkt in dieser Entwicklung, und diese Kürzungen, die in ihrer Grö­ßenordnung wirklich sehr dramatisch sind, haben Sie geschmackvollerweise auch noch als Über­raschungsgeschenk zur Eröffnung der Wiener Festwochen hingelegt. Meine Damen und Her­ren! Das ist wirklich ein Schritt, der nicht nur kulturpolitisch schädlich ist, sondern der in Wirk­lichkeit auch wirtschaftspolitisch absolut schädlich und offensichtlich nur parteipolitisch mo-


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ti­viert ist. (Beifall bei der SPÖ.) Es ist dies ein Schritt der Parteipolitik der blindwütigsten und aller­übelsten Art, die man sich vorstellen kann!

Was soll gezielte Projektförderung bedeuten? Das kann offensichtlich, wenn man Ihre Handlun­gen in der letzten Zeit verfolgt, nichts anderes bedeuten als: Gefördert wird nur mehr das, was Ih­nen ideologisch passt. – Und so kann man Kunst- und Kulturpolitik wirklich nicht betreiben! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie sagen – der Finanzminister hat das gestern gesagt –, dass Österreich auch in Zukunft das fa­­mi­lienfreundlichste Land bleiben soll. – Ja! Im Ziel sind wir uns, wie ich glaube, einig. Über den Weg werden wir aber noch öfter heftig diskutieren. Diesbezüglich gibt es immer wieder un­ter­schiedliche Ansätze. Die Grundlagen dafür, dass Österreich ein familienfreundliches Land ist, wur­den bereits in den letzten Jahrzehnten gelegt. Die Frage ist: Wie gehen wir diesen Weg wei­ter?

Ganz abgesehen davon, dass die Pensionsreform, die Sie hier vorlegen, alles andere als fa­mi­lien­freundlich ist, hat der Finanzminister zu meiner großen Überraschung gestern den Pen­sions­experten Christopher Prinz als Zeugen dafür präsentiert, dass diese Pensionsreform rich­tig und gut sei. Wie das Leben so spielt, hat Herr Prinz heute in einer Wochenzeitung allerdings einen Kommentar unter dem Titel „Frauen bleiben über“ geschrieben. – Er schreibt:

„Das wesentlichste Versäumnis der Reform ist die weit gehende Ausblendung der Situation von Frauen. Die geplanten Entschärfungen der Reform reichen keineswegs aus, um die Absen­kun­gen des ohnehin geringen Einkommensniveaus zu kompensieren.“

Da haben wir es! Ihre Zeugen entpuppen sich bei näherem Hinsehen als Zeugen dafür, dass Sie den falschen Weg in dieser Pensionsreform beschreiten, Ihre eigenen Zeugen, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Werfen wir noch einen kurzen Blick auf die Entwicklung des Familienlastenausgleichsfonds: Da klafft ein immer größeres Loch, das beachtlicherweise wesentlich größer ist, als es der Finanz­minis­ter noch vor eineinhalb Jahren in einer Anfragebeantwortung prognostiziert hat. Und interes­santerweise ist es nicht nur größer geworden, sondern es hat sich auch die Entwicklung gänz­­lich geändert: Damals hat man prognostiziert, dass es kleiner wird, im Gegensatz dazu wuchs es jedoch um ein Vielfaches.

Was allerdings fehlt, ist das Konzept, wie der Familienlastenausgleichsfonds gespeist werden soll. Es ist völlig offen, wie Familienleistungen wie Familienbeihilfe, Mutter-Kind-Pass, Schüler- und Lehrlingsfreifahrt und Schulbuchaktion in Zukunft finanziert werden sollen. Es gibt zwei Mög­lichkeiten: Entweder es wird schleunigst ein Konzept erarbeitet, oder es wird – und das ist unsere Befürchtung – am Ende des Tages nur mehr das Kindergeld überbleiben und eine der vorher genannten Leistungen nach der anderen gestrichen und gekürzt wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Pendl: Hört! Hört!)

19.11


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gelangt Abgeordneter Mu­rauer. – Bitte.

19.11


Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Her­ren! Die Regierung ist angetreten und hat gemeint: Die Zukunft braucht Verantwortung. – Die­­se Verantwortung zeigt sie sowohl in der Ausarbeitung und Durchführung eines sozial ge­rech­ten Pensionssystems als auch bei der Landesverteidigung.

Lassen Sie mich einige Sätze zur Landesverteidigung sagen. – Der Bundeskanzler und Minister Plat­ter haben im Rahmen dieses Budgets eine Erhöhung des Verteidigungsbudgets auf 1,740 Mil­li­arden € vorgesehen, was einem Plus von 70 Millionen € entspricht. Das ist natürlich nicht das Füllhorn, aber ein deutliches Mehr, das man zur Kenntnis nehmen sollte und ein deut-


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li­cher Beweis dafür ist, dass man hinter dem Bundesheer steht und dass man, wenn man zum Bundesheer ja sagt, auch zu den Beschaffungen steht.

Meine Damen und Herren von der SPÖ und von den Grünen, zum Entweder-oder, nämlich ent­we­der Bundesheer oder etwas anderes: Bitte bekennen Sie sich und sagen Sie, wenn Sie das Bundesheer nicht wollen, nicht: Wir wollen zwar ein wenig Bundesheer, aber die nötigen Geräte wol­len wir nicht! Sagen Sie den Menschen, wenn Sie nicht wollen, dass es dieses Bundesheer gibt, dass es aus der Verfassung genommen werden soll. Sagen Sie: Wir schützen unser Land nicht! Seien Sie ehrlich, treten Sie hin und sagen Sie den Leuten die Wahrheit: Wir wollen das so nicht, und deswegen lehnen wir das Bundesheer ab.

Etwas Bundesheer zum Schneeschaufeln bei Olympischen Spielen, der Ruf nach dem Bundes­heer bei Hochwasser oder der Applaus für das Bundesheer am Staatsfeiertag, am 26. Oktober, wie tüchtig und brav es ist, das ist zu wenig, meine Damen und Herren! Das lehnen wir ab! (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Diese Bundesregierung und die ÖVP stehen hinter dem Bundesheer, hinter professioneller Aus­­­rüs­tung und auch hinter den entsprechenden Finanzen. Natürlich ist es auch für Grund­wehr­diener und Berufssoldaten ein Sicherheits- und motivatorisches Element, wenn entspre­chen­des Gerät zur Verfügung steht, und zwar nicht nur am Boden, sondern auch zur Luftsiche­rung in Form von entsprechenden Flugzeugen und Flugüberwachungsgeräten. Meine Damen und Herren, das ist notwendig.

Bundesminister Platter unterstreicht die Auflistung dessen, was der Truppe zugehen wird, und hier soll in erster Linie Unterstützung gewährt werden. Einen zweiten Schwerpunkt bilden die in­ter­nationalen Einsätze, weil wir diesbezüglich Verpflichtungen eingegangen sind und weil wir uns auf diesem Gebiet in der Vergangenheit bewährt haben und auch weiterhin bewähren wol­len. Es geht auch darum, dass man für die Grundwehrdiener eine entsprechende Ausbildung in Spra­­che, Sport und Modulen gewährleistet, damit diese auch in Zukunft von ihrem Dienst für Österreich, für die Landesverteidigung und für die geistige Landesverteidigung überzeugt sein kön­nen, und dass wir endlich mit der Diskussion aufhören können, ob wir überhaupt eine Über­wa­chung unseres Luftraumes brauchen oder nicht. Wir sind der einzige Staat, der eine dies­be­zügliche Diskussion überhaupt führt.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es liegt uns ein Budget vor, das von dem Bemühen ge­kenn­zeichnet ist, allen Sicherheitsbedürfnissen unserer Mitbürger gerecht zu werden. Dieses Be­mühen muss hervorgehoben werden. Es geht um die Sicherheit der Pensionen, es geht aber auch um die Sicherheit der Bürger in unserem Staat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.15


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ord­neter Riepl. – Bitte.

19.15


Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich mei­ne, die Regierungsideologie wird durch dieses Budget und durch dessen Präsentation im Be­sonderen einmal mehr deutlich. Es geht der Regierung dabei um Entlastungen für die Wirtschaft und um Belastungen für die Arbeitnehmer. Man kann das in einem Satz zusammenfassen: Ich mei­ne, es ist dies ein reines Umverteilungsbudget, bei welchem von unten nach oben neu ver­teilt wird.

Mein Konzept und das Konzept der Sozialdemokraten in diesem Haus ist – ich sage das bild­lich –, dass jene mit breiten Schultern mehr dazu beitragen, den Sozialstaat zu erhalten und zu ent­wickeln, als jene mit schmalen Schultern. – Das ist ein völlig anderes Konzept als das der Re­gie­rung, wie wir es derzeit diskutieren.

Sehr verehrte Damen und Herren! Soziale Gerechtigkeit kann nur politisch erfolgen, davon bin ich zutiefst überzeugt, und nicht durch mehr Markt. Betreffend mehr Markt und entsprechende


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För­derungen hat der Herr Finanzminister gestern in seiner Rede deutliche Worte gesprochen. Herr Abgeordneter Murauer, mein Vorredner, hat jetzt gerade gesagt, dass das, was wir disku­tie­ren, ein sozial gerechtes Pensionssystem ist. – Ich frage Sie: Wo gibt es bei diesem Vor­schlag, den Sie vorgelegt haben, soziale Gerechtigkeit? Ich finde sie bei Gott nicht!

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Markt war nie sozial gerecht, und er wird es auch nie sein. Der Markt kennt keine soziale Gerechtigkeit! (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Soziale Gerechtigkeit muss täglich neu errungen werden, nicht zuletzt auch durch Gewerkschaften und Betriebsräte und notfalls auch durch Streik, wenn die so­ziale Gerechtigkeit gefährdet ist, und wir erleben gerade eine solche Zeit, sehr verehrte Da­men und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir erleben jetzt aber auch finanzielle Entlastungen für Kleinunternehmer und für Betriebsgrün­der. Ich möchte mich jetzt gar nicht kritisch darüber äußern, sondern nur festhalten: Es gibt zum Beispiel eine Reduzierung der Mindestbeitragsgrundlage bei der Krankenversicherung für Klein­unternehmer. Die Ersparnis beträgt bis zu 527 € im Jahr bei gleichen Leistungen. Ferner gibt es eine Pauschalierung der Krankenversicherungsbeiträge für Jungunternehmer mit einer Erspar­nis bis zu 3 500 € im Jahr und eine Erhöhung der Unfallrenten bei nahezu gleich bleibenden Beiträ­gen um bis zu 60 Prozent für Gewerbetreibende. – Hiebei handelt es sich um sozial­politi­sche Verbesserungen für die Personengruppe Betriebsgründer und Kleinunternehmer.

Ich frage: Wer zahlt das? – Das zahlen die Arbeitnehmer! Hier besteht Ungleichheit und ist die so­zia­le Gerechtigkeit arg im Verzug, sehr verehrte Damen und Herren!

Andererseits gibt es beispielsweise Unfallrentenkürzung für Arbeitnehmer und höhere Sozial­ver­sicherungsbeiträge für Angestellte, und die Regierung schaut zu, wie Betriebe der Markt­wirt­schaft, also Privatbetriebe, den Krankenkassen immer mehr Sozialversicherungsbeiträge schul­dig bleiben.

Sehr verehrte Damen und Herren! Die Arbeitgeberschulden bei den Gebietskrankenkassen be­tra­­gen bereits 845,5 Millionen €. Das sind unglaubliche 11,6 Milliarden Schilling! In diesen 11,6 Mil­li­arden Schilling stecken aber auch 5,2 Milliarden Schilling an Arbeitnehmerbeiträgen, die den Arbeitnehmern abgezogen und nicht ordnungsgemäß an die Kassen weitergeleitet wur­den. – Wie nennt man das, wenn man treuhänderisch Geld weiterleiten soll und es nicht tut, sehr ver­­ehr­te Damen und Herren? Ich erspare uns die Antwort! Jeder weiß, wie man solches Vor­gehen nennt! (Abg. Silhavy: Das ist ein echter Skandal!)

Die Tendenz des Eingehens solcher Schulden ist nach oben stark steigend. Das war jedoch für die Regierung, Herr Staatssekretär, leider bisher kein Thema. Es war ihr kein Wort wert!

Für diese Regierung steht leider die Kritik an den Krankenkassen im Vordergrund, nicht aber die Hilfe für die Krankenkassen. Man schaut zu, wie sich Dinge entwickeln, und tut nichts. Man ver­weigert Hilfe, auch gesetzliche Hilfe, wenn diese notwendig wäre, um diesen Schuldenstand zu reduzieren, und wirft dann den Krankenkassen Unfähigkeit vor. Das wurde uns jetzt gerade von Herrn Abgeordneten Walch von der Freiheitlichen Partei vorgeführt. Und wenn man damit fertig ist, dann sagt man: Jetzt müssen wir die Strukturen ändern.

Sehr verehrte Damen und Herren! Würden alle in unserem Land die Steuern so pünktlich zah­len wie die Arbeitnehmer in Österreich, dann würden die Budgets Überschüsse ausweisen, und wir würden uns in vielen Dingen leichter tun! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.20


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Ab­ge­ord­nete Stadler. – Bitte.

19.21


Abgeordnete Astrid Stadler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Staats­se­kretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Das vorliegende Doppelbudget


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2003 und 2004 ist ein Zukunftsbudget, das mit Reformen die nachhaltige Sicherung unserer So­zialsysteme umsetzt und gleichzeitig Steuerbelastungen senkt.

Durch langfristige Steuerentlastung wird unsere heimische Wirtschaft gestärkt und die Basis für einen sozialen Zusammenhalt auf Dauer gebildet, denn nur wer erwirtschaftet, kann langfristig sozial sein. Dieser soziale Zusammenhalt war in der Vergangenheit eine Tugend, auf die wir in Ös­ter­r­eich sehr stolz waren. Gelebte Sozialpartnerschaft, auch wenn es sachpolitische Ge­gen­sätze gegeben hat, hatte in Österreich oberste Priorität.

Umso überraschender ist es jetzt, dass gerade die SPÖ, die ihre demokratische Aufgabe von ihren Wählerinnen und Wählern erhalten hat, diese Aufgabe nur mehr auf der Straße wahr­nimmt. Die SPÖ befürwortet Streiks gegen die Wirtschaft, ja eigentlich gegen die Menschen in unserem Lande und organisiert diese mit. (Abg. Heinisch-Hosek: Sie haben keine Ahnung!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt beginnen wir die parlamentarische Debatte. Bringen Sie sich ein! (Zwischenruf des Abg. Eder.) Ich habe heute in all Ihren Reden nicht einen einzigen Vor­schlag zur Umsetzung Ihrer Ziele gehört, nicht einen einzigen Vorschlag! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich meine, es ist eigentlich sehr schade, dass eine staatstragende Partei wie die SPÖ, die 30 Jah­re lang dieses Land regiert hat, jetzt die Sünden der Vergangenheit mit Streikbekundun­gen überdecken will! Es ist schade für die Menschen in unserem Lande, dass eine Partei wie die SPÖ ihre Verantwortung gänzlich und endgültig abgibt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.)

Geschätzte KollegInnen im Hohen Haus! Unsere ÖVP/FPÖ-Regierung ist bereit, Verantwortung für die Menschen, Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen. Nachhaltigkeit, Zukunfts­fes­tig­keit und Gerechtigkeit sind die Eckpfeiler des Regierungsprogramms und auch dieses Bud­gets. (Abg. Dr. Einem: Können Sie diese einmal beschreiben?) Ein ausgeglichener Haus­halt einerseits, Prioritäten andererseits, das sind die Chancen für unsere gemeinsame Zukunft! (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Das ist ja wohl ein Scherz!)

19.23


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Dipl.-Ing. Kummerer. – Bitte.

19.23


Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Mei­ne Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist schon eigenartig, welche Geisteshaltung man im ös­ter­reichischen Parlament wieder hört! Weiter möchte ich die Ausführungen meiner Vorrednerin gar nicht kommentieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Da fällt mir etliches ein, aber ich würde mir wahrscheinlich einen Ordnungsruf einhandeln, wenn ich sage, was mir dazu einfällt. Aber wenn natürlich auch der Erste Präsident des Nationalrates Ständestaatbeschwörungen hier im Hohen Haus betreibt, dann darf einen nichts mehr wundern! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.)

Meine Damen und Herren! Realitätsverweigerung stelle ich bei diesen Regierungen der letzten zwei Perioden fest. Sie können sich an nichts erinnern, Sie waren nie irgendwo dabei. Die War­nun­gen, die die Sozialdemokratie 2001 ausgesprochen hat, wurden ignoriert. „Stabil auf hohem Niveau“ habe ich gehört, „Schwarzmalerei“ und so weiter.

Herr Staatssekretär! Sie haben es mit Ihrem Finanzminister und Ihrer Regierung verabsäumt, recht­zeitig gegenzusteuern! (Zwischenruf des Abg. Wittauer.) Sie haben die Erfolge dieser Fehleinschätzung geerntet. Sie haben Österreich betreffend Wirtschaftswachstum an die letzte Stelle der Europäischen Union gebracht, und Sie haben die negativen Trends verstärkt! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen.)


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Jetzt haben Sie die Rechnung: Es geht sich vorne und hinten nicht mehr aus! Sie sind beim Defi­zit. Und hier setzt sich wieder einmal die Geschwindigkeit durch, die Ihnen bei den Belas­tungen einfällt. Bei den Entlastungen schaut es jedoch anders aus!

Weil ich gerade Kollegen Stummvoll sehe, der einer der „besten Rhetoriker“ des Hohen Hauses ist: Herr Kollege Stummvoll, wie werden Sie es denn rhetorisch anlegen in der Zukunft? Sie ha­ben gesagt: Mit uns gibt es nie wieder Schulden. Mit uns gibt es keine Steuerreform auf Pump. Kollege Stummvoll! Was machen Sie mit diesen Budgets 2003/2004? (Abg. Dr. Stummvoll: Die Zin­sen für die alten Schulden müssen wir trotzdem zahlen!) Wie werden Sie diese Kurve kratzen? (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte auch noch ganz kurz auf Kollegen Murauer und auf das Bundesheer eingehen. – Du kannst dich noch so bemühen, es wird dir nicht gelingen, die Verdienste der Sozialdemokratie für das österreichische Bundesheer ins schlechte Licht zu rücken! Ich darf nur an Walter Mondl erin­nern, der vorigen Sonntag seinen 80. Geburtstag gefeiert hat. Ich darf nur daran erinnern, was die sozialdemokratischen Verteidigungsminister und sozialdemokratische Bundeskanzler für dieses Heer getan haben. (Abg. Murauer: D’accord! Leider hat sich das geändert, lieber Freund! Die Zeiten sind vorbei!) Da hängt ihr sehr, sehr weit nach, lieber Kollege! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich erinnere nur an Gelder, die vorhanden waren. Wie habt ihr diese eingesetzt? Um viel Geld wur­den die M60 nachgerüstet, dann wurden sie verscherbelt. Um viel Geld wurden die SAU­RER-SPz nachgerüstet – jetzt werden sie ausgeschieden. Artilleriebataillone habt ihr moderni­siert, dann habt ihr sie aufgelöst.

Ihr habt 55-Jährige mit 80 Prozent in die Pension getrieben. Ihr habt 60-Jährige um Posten über­haupt nicht mehr bewerben lassen. Und heute stellt ihr euch her und sagt, was ihr alles für die älteren Menschen tun werdet! Man braucht nur zu schauen, was ihr das letzte Mal gemacht habt, dann wird euch das kein Mensch mehr glauben! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Murauer.)

Noch etwas, Kollege Murauer: Ich geniere mich nicht für die Defizite der Sozialdemokratie, denn mit diesen Defiziten wurden Werte geschaffen – mit euren Defiziten werden jedoch Werte ver­nichtet! (Beifall bei der SPÖ.)

19.27


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schöls. – Bitte.

19.28


Abgeordneter Alfred Schöls (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin einer jener Mandatare, der auf Grund des Wahlergebnisses vom 24. November heute als Nationalratsabgeordneter hier seine erste Rede hält.

Als mich meine Fraktion auf Platz 78 der Rednerliste gesetzt hat, habe ich mir ehrlich gedacht: Eigentlich ist das mühsam! Auf der anderen Seite bin ich aber dankbar dafür, denn so hatte ich die Möglichkeit, bei 35 Wortmeldungen der Oppositionsparteien mitzuerleben, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, und dass der Standort den Standpunkt bestimmt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Eder.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da kann Kollege Kummerer hier noch so viel behaupten und kann Kollege Gaál sich noch so bemühen und schön reden (Zwischenruf des Abg. Eder), Tat­sa­che ist: Als die Sozialdemokratie unter Bundeskanzler Kreisky für die militärische Landes­ver­teidigung verantwortlich war, hat Kreisky bagatellisiert und im Zusammenhang mit Panzern von „Ket­tenfahrzeugen“ gesprochen, weil er sich gefürchtet hat, vor seinen Linken zuzugeben, dass es Panzer gibt. Heute jedoch sprechen Sie, weil es Ihrer Oppositionsstrategie entspricht, im Hin­blick auf Abfangjägern von Kampfflugzeugen. (Abg. Gaál: Das sind sie auch: Kampfflug­zeuge!) Der Standort bestimmt also den Standpunkt! (Beifall bei der ÖVP.)


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Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stehe zwar als Nationalratsabgeordneter heute zum ersten Mal an dieser Stelle, ein ganz Neuer in diesem Geschäft bin ich aber nicht mehr. – Wenn junge Man­datare auf Grund verschiedener Positionen frisch in die Politik kommen und hier als Oppo­sitionsabgeordnete irgendetwas verzapfen, von dem sie nichts wissen, dann kann man das noch als lässliche Sünde nachsehen. Es tut mir aber sehr Leid, wenn alt gediente Funktionäre nicht verstehen wollen, dass wir heute in der europäischen Entwicklung andere Rahmen­bedin­gungen vorfinden als noch vor einigen Jahren und wir uns – Politik ist die Kunst des Mögli­chen – nach diesen Rahmenbedingungen auch zu richten haben. Damit, dass man sich als Glo­ba­lisierungsgegner, wie dieses Modewort heute lautet, bezeichnet und sich ganz einfach gegen all diese Dinge verschließt, ist es nicht abgetan. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir vor geänderten Rahmenbedingungen stehen.

Ich erinnere nur daran: Die schlimmsten Einschnitte hat es unter Sozialminister Häuser gege­ben, für die 33. ASVG-Novelle war der Begriff „Räubernovelle“ im Gebrauch. Die Kranken­schein­gebühr wurde von Sozialministerin Hostasch eingeführt.

Herr Kollege Einem, weil Sie mich gerade so anschauen: Vielleicht erinnern Sie sich nicht mehr daran, aber ich weiß noch, was Sie, als wir als Gewerkschafter des öffentlichen Dienstes bei Ihnen als Staatssekretär für den öffentlichen Dienst waren, so wie heute auch, dem öffentlichen Dienst zugemutet haben, wie Sie uns verhöhnt haben. Ich könnte Ihnen den Platz in Ihrem Büro zeigen, wo wir gestanden sind. Sich heute als Opposition hinzustellen und so zu tun, als ob man damit nichts zu tun hätte, das ist sicherlich zu wenig. (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Gewerkschaftsmitglied, ich bin Gewerk­schafts­funktionär, und für mich bricht die Welt nicht zusammen, wenn wir als Gewerkschafter und als Ar­beit­nehmervertreter in den verschiedensten Protestformen unsere Positionen darlegen. Allerdings macht der Ton die Musik, und das war das, lieber Fritz, was uns eigentlich schon von Ju­gend an immer miteinander verbunden hat, dass wir nämlich versucht haben, den richtigen Ton zu finden. (Zwischenruf des Abg. Gradwohl.) Und wenn der Bezirksvorsitzende des ÖGB Höckner einen Brief versendet, in dem er Kollegen Jakob Auer persönlich verunglimpft, dann bin ich froh, dass ich in Niederösterreich Gewerkschaftsfunktionär bin, denn wir haben in Nie­der­österreich Gott sei Dank ein besseres Klima. (Abg. Eder: Ja, im ÖAAB! – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Verzetnitsch: Und was für Meldungen kommen aus der ÖVP?) Fritz, ich verurteile das genauso, und ich habe auch gesagt: Ich bekenne mich zu den berechtigten Maßnahmen, die Gewerkschafter setzen. Ich weiß auch noch, wie es bei der Pen­sionsreform 1997 war – Otto Pendl sitzt auch hier –, als wir bis zum Schluss verhandelt haben und Ilse Mertel, die heute nicht mehr im Hohen Haus sitzt, bis zum Schluss versucht hat, für uns das Bestmögliche herauszuverhandeln. Ich bin daher auch nicht bereit, zu akzeptieren, dass ich heute von der Kollegin Bachner und von dir einen Brief bekomme, in dem ich dazu aufgefordert werde, heute mich als Abgeordneter zu deklarieren, wie ich bei der Pensionsreform abstimmen werde.

Meine Position ist bekannt: Ich bin der Meinung und ich bin fest davon überzeugt, dass wir so wie bei jeder anderen Regierungsvorlage, wenn wir ernsthaft daran arbeiten, auch die für diese Reform nötigen Maßnahmen setzen werden, und zwar in gemeinsamer Verantwortung. Lieber Fritz, eine solche Entwicklung wird aber nicht gestärkt, wenn an Mandatare Briefe verschickt wer­­den. Manche müssten dazuschreiben: Ich weiß nicht. Ich weiß es aber schon, weil ich da­von überzeugt bin, dass die Sozialpartnerschaft in meiner ÖVP funktioniert und dass wir günsti­ge Regelungen bekommen werden.

Weil manche von unserem Koalitionspartner jetzt so tun, als hätten sie damit überhaupt nichts zu tun, möchte ich aber auch noch daran erinnern, dass es einmal eine SPÖ-FPÖ-Koalition ge­ge­ben hat und der ihr angehörende Verteidigungsminister Frischenschlager den größten Ein­griff im Bereich der Berufssoldaten mit spürbaren Verschlechterungen für die Zeitsoldaten zu ver­ant­worten hatte. (Abg. Murauer: So ist es!) Für die zeitverpflichteten Soldaten hat es früher eine andere Pensionsregelung gegeben, aber ein sozialistischer Bundeskanzler und ein frei-


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heitli­­cher Verteidigungsminister haben diesen Eingriff gegen den Widerspruch und gegen den Widerstand der zuständigen Gewerkschaftssektion durchgeführt, und sozialistische Mandatare haben dem dann schlussendlich zugestimmt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Grundsatz: Herr, gib mir den Mut, zu akzeptieren, was man nicht verändern kann! Gib mir die Kraft, zu verändern, was verändert werden muss, und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden!, bin ich zuversichtlich, dass wir auch hier eine gute Lösung finden werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Amen!)

19.35


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abge­ord­neter Dr. Einem zu Wort gemeldet. – Bitte.

19.35


Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Staatssekretär! Herr Abgeordneter Schöls war so freundlich, mich eines Blickes zu würdigen und auch gleich zu apostro­phie­ren. Er hat in seinen Ausführungen festgestellt, ich hätte seinerzeit als Dienstgeber­vertreter und Staatssekretär ihn oder die Gewerkschaft öffentlicher Dienst, die dort verhandelt hat, verhöhnt. – Das ist falsch!

Herr Kollege Schöls, ich habe den Gewerkschaftern der öffentlich Bediensteten als Dienstge­ber­vertreter einiges zuzumuten gehabt, verhöhnt habe ich meine Verhandlungspartner nie! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Prammer: Bravo!)

19.36


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Ab­ge­ord­nete Königsberger-Ludwig. – Bitte.

19.36


Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Nationalrates! Auf Grund der vielen Argumente, die in dieser doch schon sehr fortgeschrittenen Debatte bereits gefallen sind, erübrigt es sich, noch einmal im Detail auf inhaltliche Positionen einzugehen. Ich möchte stattdessen den bisherigen Verlauf der Debatte ein wenig reflektieren. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Als neue Nationalratsabgeordnete – und das ist heute auch meine erste Rede – habe ich diese Debatte und auch die gestrige Budgetrede von Herrn Finanzminister Grasser mit großer Auf­merk­samkeit verfolgt. Ich war auch sehr gespannt, wie der parlamentarische Diskussions­pro­zess, der ja vom Bundeskanzler, vom Vizekanzler und gestern auch vom Finanzminister immer wieder angesprochen worden ist, heute denn wohl aussehen wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss sagen, ich bin zutiefst enttäuscht, denn mir ist klar geworden, dass die Rede vom parlamentarischen Diskussionsprozess bei Schwarz-Blau offen­sichtlich nur ein Bluff und eine Wortphrase mehr ist. Und Wortphrasen gibt es viele. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es findet hier kein Diskussionsprozess statt, denn zu einer Diskussion gehört meiner Meinung nach erstens Zuhörenkönnen und zweitens die Bereitschaft, sich inhaltlich zu bewegen, umso mehr, als es sehr wohl bessere Vorschläge gibt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grü­nen.)

Bei den Rednerinnen und Rednern der Regierungsparteien ist aber keinerlei Bewegung, kei­nerlei Einsehen und keinerlei Abrücken von ihren Positionen bemerkbar. Stattdessen wurden auch heute, wie bereits gestern bei der Budgetrede von Finanzminister Grasser, PR-Phrasen bis zum Überdruss wiederholt und breit getreten.

Phrase eins: Es gebe keine Alternative zum Pensionskürzungsprogramm der Regierung und keine Dialogbereitschaft. – Als ob es nicht schon Alternativen gäbe. Sie müssten nur bereit sein,


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sehr verehrte Damen und Herren von der ÖVP und von der FPÖ, diese auch anzuhören. (Abg. Dr. Spindelegger: Bitte!)

Phrase zwei: Man werde dem so genannten Druck der Straße nicht nachgeben. Der ÖGB ma­nipuliere die Menschen, und der soziale Friede würde durch die Warnstreiks gefährdet. – Als ob nicht der Bundeskanzler für die Verunsicherung in der Bevölkerung verantwortlich wäre. Als ob man es nicht mit Bürgerinnen und Bürgern, mit Menschen zu tun hätte, die ihre Rechte in An­spruch nehmen und ihren Ängsten und Sorgen Ausdruck verleihen. Als ob nicht mit den Schröpf­aktionen, die in die Budgetbegleitgesetze verpackt sind, der soziale Friede gefährdet wür­de. Als ob nicht eindeutig ersichtlich wäre, wohin der Weg der Regierungsmannschaft geht: Weg von der Solidarität, hin zu einer Gesellschaft, in der der Stärkere gewinnen soll. Ob das zum sozialen Frieden beiträgt, möchte ich bezweifeln. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, dass sich die Stärke einer Gesell­schaft vor allem am Umgang mit den Schwächeren in dieser Gesellschaft am allerbesten mes­sen lässt.

Phrase drei: das oft strapazierte Vertrauen. Als ob nicht gerade das Vertrauen in den letzten Wo­chen zutiefst erschüttert worden wäre, aber nicht von uns, und nur um die Pensionskür­zungs­­reform, um den Umbau des Staates möglichst schnell durchzupeitschen. „Speed kills“ auch im Kabinett Schüssel II. Es ist allerdings fraglich, ob diese Methode wirklich Vertrauen schafft.

Zu all diesen Phrasen kommt noch hinzu – und das ist noch viel schlimmer –, dass die Damen und Herren der Regierungsparteien in ihren Ausführungen auch immer wieder brav Unrich­tig­keiten und Irreführungen vor allem in Bezug auf die Pensionsreform vertreten. Nur eine davon möchte ich hier beispielhaft anführen, und zwar die krasseste Irreführung von allen: Man siche­re die Pensionen der zukünftigen Generation. Als ob nicht gerade meine Generation und die Ge­neration nach mir, meine Kinder, durch diese Pensionskürzungsreform existenziell gefährdet würden. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gäbe zur derzeitigen parlamentarischen Kultur und zum Verständnis von Diskussion und Dialog noch viel zu sagen, und viel wurde auch schon gesagt. Ich sage zum Abschluss allerdings nur mehr eines: Statt Diskussion und Beratung gab es also auch heute nur Betonieren, Drüberfahren und Schönreden. Schade um eine vertane Chance mehr! (Beifall bei der SPÖ.)

19.41


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ord­neter Amon. – Bitte.

19.41


Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe die ganze heutige Debatte sehr aufmerksam ver­folgt, und ich kann eigentlich nahtlos bei meiner Kollegin Astrid Stadler anschließen, die voll­kommen zu Recht gesagt hat, dass in den meisten Oppositionsreden, insbesondere von den So­zialdemokraten, kein einziger Gegenvorschlag zu unseren Konzepten gebracht worden ist. Alles, was Sie tun, ist, Kritik zu üben und alles, was von uns vorgeschlagen wird, in Bausch und Bo­gen abzulehnen. Es kommt kein einziger Gegenvorschlag. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen. – Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Geh hör auf! – Abg. Öllinger: Machen Sie doch einen Vorschlag!)

Was mich an der Debatte und auch an der allgemeinen Situation wirklich stört, ist, dass Sie es so empörend finden, dass eine Reform wie diese Pensionsreform hier auf parlamentarischer Ebene behandelt wird, parlamentarisch behandelt wird, dass es davor ein Begutachtungs­ver­fah­ren gibt, wie es das bei vielen anderen Gesetzesmaterien auch gibt. Es ist Legion, bei wie viel­en Gesetzesvorhaben frühere Regierungen solche Begutachtungsverfahren überhaupt nicht durchge­führt haben. Sie erinnern sich daran, vor allem passierte das unter sozialdemokra­ti-


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scher Führung. Ich bin ganz einfach der Meinung, dass die Auseinandersetzung über eine so wichtige Materie selbstverständlich hier im Haus Platz greifen muss.

Es ist legitim und überhaupt keine Frage, dass auch die Sozialpartner sich mit einer derartigen Thematik auseinander setzen. Es ist legitim, wenn die Sozialpartner den Wunsch äußern, eine solche Maßnahme zu verschieben. Aber ebenso legitim ist es, wenn die Bundesregierung und die Mehrheit des Parlaments zur Auffassung gelangen, es zum gegebenen Zeitpunkt zu ent­schei­den und zu beschließen. In einer Demokratie hat man das dann zu akzeptieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Präsident Verzetnitsch! Ich möchte Ihnen persönlich die Frage stellen, was denn mit die­sem Schreiben, das auch ich so wie alle Angehörigen des Hauses, nehme ich an, erhalten ha­be, bezweckt werden soll. Sie setzen darin quasi eine Frist und sagen, Sie wollen von jedem Man­datar des Hauses bis zum Abend des 12. Mai 2003 wissen, wie er sich bei der Abstimmung ver­halten wird. Als Begründung dafür wird angeführt: Wir wollen Ihre Meinung zusammen mit den Antworten der anderen Mitglieder des Parlaments der Öffentlichkeit zugänglich machen. Jetzt muss ich Ihnen ehrlich sagen: Bisher war ich der Meinung, dass nach einer Abstimmung hier im Haus die Parlamentsdirektion dafür verantwortlich ist, dass sie das Abstimmungs­ergebnis über das Stenographische Protokoll den Menschen zugänglich macht und nicht der Ös­terreichische Gewerkschaftsbund. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Mol­terer: Das ist ein Ultimatum!)

Vor allem, Herr Präsident Verzetnitsch, wollen Sie das bereits drei Wochen vor der Abstimmung von den Abgeordneten wissen. Und ich muss ehrlich sagen, damit würden Sie ja jede Behand­lung der Materie von vornherein ad absurdum führen, wenn Sie den Abgeordneten des Hauses nicht einmal mehr die Gelegenheit lassen, sich mit der Materie auseinander zu setzen, ehe sie dem Gewerkschaftsbund mitteilen, wie sie ihr Abstimmungsverhalten gestalten wollen. Das halte ich nicht für in Ordnung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte Sie wirklich ersuchen – und damit komme ich auch schon zum Schluss –, davon Ab­stand zu nehmen, einzelne Mandatare unter Druck zu setzen. Es ist legitim, dass es in demo­kra­tischen Staaten Streiks gibt und dass es Demonstrationen gibt. Da kann man unterschiedli­cher Meinung sein. Ich sehe aber nicht ein, dass einzelne Abgeordnete wirtschaftlich unter Druck gesetzt werden oder dass sie öffentlich diffamiert werden. (Abg. Kopf: So geht das wirk­lich nicht!) Ich meine, wir müssen zu einem anderen Diskurs zurückfinden, zu einer anderen Diskussionskultur, und dazu hat der Österreichische Gewerkschaftsbund meiner Meinung nach einen kräftigen Beitrag zu leisten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.45


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Keck zu Wort. – Bitte.

19.46


Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin seit 1978 Stahlarbeiter und habe in dieser Zeit eineinhalb Jahrzehnte Schichtarbeit verrichtet. Ich stehe heute hier für eine sehr, sehr große Anzahl von Menschen, die sich Sorgen machen, Sorgen machen, weil mit den Ministerratsbeschlüssen und der gestrigen Rede des Herrn Finanzministers der Grundstein für die gewaltigste Pensions­kür­zung in der Geschichte Österreichs und somit für den massivsten Anschlag auf unser So­zial­system gelegt wurde. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Minister Grasser hat gestern in seiner Rede im Zusammenhang mit den Streikaktionen gesagt, dass es unverantwortlich sei, den Arbeitnehmern unseres Landes in einer schwierigen Situation zu schaden. Darauf kann ich ihm nur antworten, dass der Schaden für die Arbeitnehmer durch sei­ne Budgetpolitik und die Pensionskürzung der Regierung angerichtet wird. Die Schuld hat im­mer noch der Täter und nicht das Opfer, das sich wehrt und schreit! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


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Meine Damen und Herren! Die Regierung behauptet stur, sie wolle nicht nachgeben und sie ha­be kein Verständnis für politische Streiks. Natürlich sind politische Streiks problematisch, doch die Gewerkschaft veranstaltete am Dienstag keine politischen Streiks, sondern von allen Ge­werk­­schaftsfraktionen abgesegnete und daher legitime Abwehrstreiks gegen Angriffe auf die Le­bens­standardsicherung und das Einkommen der Arbeitnehmerschaft im Alter. Nehmen Sie das doch endlich zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ein Bundeskanzler, ein Finanzminister, die derartige Ziele verfolgen, haben vom wirklichen Arbeitsleben nicht die geringste Ahnung. (Beifall bei der SPÖ und den Grü­nen.) Ich werde Ihnen das anhand jener Menschen erläutern, die in unserer Gesellschaft die schwerste Arbeit verrichten, nämlich anhand der Schichtarbeiter. Es sind dies meine Kollegen, für die ich heute hier eintrete.

Arbeitsmediziner haben festgestellt, dass pro Jahr geleisteter Schichtarbeit die Lebenserwar­tung im Durchschnitt um drei bis vier Monate sinkt. Das hat zur Folge, dass Schichtarbeiter eine durchschnittliche Lebenserwartung von erschreckend niedrigen 63 Jahren haben, meine Da­men und Herren von den Regierungsparteien! Nach den Pensionsplänen der Regierung bedeu­tet das nichts anderes, als dass Sie die Menschen, die ihr Leben lang härtest und unter schwie­rigsten Bedingungen gearbeitet haben, bis in den Tod hinein schuften lassen wollen, denn die­se Menschen erleben das Pensionsantrittsalter von 65 Jahren im Durchschnitt gar nicht. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ich lade Sie deshalb ein, an einem Hochofen der VOEST Alpine zu ar­beiten, und zwar unter den gleichen Bedingungen und mit der gleichen Bezahlung wie ein rich­tiger Arbeiter am Hochofen. Dann würden Sie erfahren, was es heißt, wirklich unter schwers­ten Bedingungen Schichtarbeit zu leisten. Sie würden erkennen, dass Sie keine Ah­nung von der wirklichen Arbeitssituation der Menschen in Österreich haben, und Sie würden vielleicht eher von Ihrem hohen Ross heruntersteigen. Als Christlich-Soziale, als welche sich manche in der Bundesregierung ausgeben, müssten Sie sich für Ihren Entwurf schämen und in Reue umkehren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Der Herr Bundeskanzler hat sich gestern hier im Hohen Haus gegen die Verwendung des Wor­tes „Pensionsraub“ ausgesprochen. – Ich frage Sie: Wie sonst wollen Sie die Tatsache bezeich­nen, wenn ein Schichtarbeiter jahrzehntelang in die Pensionsversicherung einzahlt und dann durch Ihr brutales Hinaufsetzen des Pensionsantrittsalters auf 65 Jahre die Pension gar nicht mehr genießen kann, weil seine Gesundheit durch unglaublich harte Schichtarbeit vorzeitig ruiniert wurde? Das ist und bleibt für diese Menschen Pensionsraub, den Sie hier begehen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Auch Wolfgang Schüssel wird von mir und meinen Kollegen in un­serem Betrieb recht herzlich eingeladen, das Angebot eines Ferialpraktikums am Hochofen anzu­nehmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich bin nämlich wie meine Kollegen davon überzeugt, dass er diese kaltschnäuzige und brutale Vorgangsweise nach diesem „Berufsschnuppern“ am Hochofen überdenken wird (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen) und stattdessen einer umfassenden und modernen Pen­sions­reform gemeinsam mit den Sozialpartnern und den betroffenen Menschen in den Betrie­ben zustimmen wird. Der Schlüssel zur Bereinigung der Situation liegt bei Schüssel, bei nie­man­dem sonst! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Wittauer: Vorschläge machen!)

19.51


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ord­neter Mag. Gaßner. – Bitte.

19.51


Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Lieber (in Richtung des auf der Re­gierungsbank sitzenden Staaatssekretärs Dr. Finz) – einsamer – Herr Staatssekretär! (Abg. Wittauer: Der Herr Bürgermeister wird hoffentlich nicht über den Hochofen reden, weil den hat er auch noch nie gesehen!) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt könnt ihr wieder


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herausschreien. Sie haben offensichtlich schon die gute Usance vergessen, dass bei einer Erst­rede niemand dazwischenruft. Jetzt könnt ihr wieder! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Wittauer: Ich habe mich dafür entschuldigt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe dieser sehr langen Debatte heute aufmerk­sam zugehört und habe aufgepasst, wer von den Regierungsparteien denn eigentlich einmal eine Silbe zu den Gemeinden und zu dem, was der Finanzminister dazu gemeint hat, sagt. – Ein Einziger war es! (Rufe bei der ÖVP: Der Auer war es! – Abg. Mag. Molterer: Jakob Auer!) – Lasst mich ausreden, ich weiß es ohnehin: Der Kollege Auer hat sehr kritisch zu den Ausfüh­rungen des Herrn Finanzministers Stellung genommen.

Ich habe allerdings auch am 6. Mai im „Report“ eine zweite kritische Stellungnahme gehört, und zwar von einem Parteifreund – nein, Entschuldigung, nicht von einem Parteifreund des Finanz­ministers, der hat keine Parteifreunde mehr, er hat nur mehr einen Ziehvater, so glaube ich. (Ruf bei der SPÖ: Er hat überhaupt keine Freunde mehr!) Der Vorarlberger Landeshauptmann Saus­gruber hat auf die Frage, was er denn von Grasser hält, gemeint, er tue sich sehr schwer, die Bedeutung und auch die Dynamik von Aufgaben von Ländern und Gemeinden zu sehen und sie entsprechend zu werten. – Das ist wahr!

Ich nehme noch ein Zitat aus den vielen Schönredereien der Budgetrede heraus. Bei den Ge­mein­den ist der Herr Finanzminister nämlich sehr konkret geworden. Er hat gemeint: „Bei Län­dern, Städten und Gemeinden gehen wir“ – pluralis majestatis – „im Sinne des innerösterreichi­schen Stabilitätspaktes 2003 von Gebarungsüberschüssen von 0,5 Prozent beziehungsweise 2004 von 0,7 Prozent aus.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind knapp 3 Milliarden €, die den Gemeinden und Ländern einfach entzogen werden. Länder und Gemeinden, das sind genau die Orte, wo die Bürgerinnen und Bürger, die Wählerinnen und Wähler wohnen und wo sie die Politik spü­ren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.)

Herr Staatssekretär! Da Sie hinter mir dazwischenreden, möchte ich Sie fragen: Was ist denn der „innerösterreichische Stabilitätspakt 2003“? – Den kennt niemand! Haben Sie den irgendwo im Geheimen verhandelt? Ich habe herumgefragt: Es gibt keinen Stabilitätspakt 2003. (Staats­sekretär Dr. Finz: Den gibt es bis Ende 2004!) – Nein! Den haben wir, bitte schön, schon 2001 verhandelt. Sie haben jetzt wahrscheinlich einen neuen, damit die Länder und Gemeinden or­dent­lich zur Kasse gebeten werden. (Abg. Wittauer: Er ist ja nie erfüllt worden von den Län­dern und Gemeinden! Auf Bundesebene haben wir ihn erfüllt!)

Wer zahlt denn das? – Da habe ich wieder ein Zitat für Sie: Gemeindebund-Präsident Mödlham­mer hat auf die Frage, wer denn das zahlen werde, gemeint: Die Gemeinden können nicht als Zahler mitspielen; würden sie dazu gezwungen, müssten die Gebühren erhöht werden. Na wen trifft denn das? – Wieder ein Griff in die Taschen der Bürgerinnen und Bürger! Meine sehr ge­ehr­ten Damen und Herren! Das sollten Sie beachten, wenn Sie diese Beschlüsse fassen. (Bei­fall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Ich bin schon sehr gespannt, wie sich die Kommu­nalpolitiker und Kommunalpolitikerinnen der Regierungsparteien dann bei der Abstim­mung verhalten werden. (Abg. Öllinger: Immer für den Menschen! Immer für den Bürger!)

Bei jeder Politshow, die heute veranstaltet wird, ist natürlich das Hochwasser dabei – so auch ges­tern in einer sehr mittelmäßigen Show des Finanzministers. (Abg. Wittauer: Das war keine Show, gerade Sie als Bürgermeister aus dieser Region sollten es wissen!) – Es war sicher eine Show. (Abg. Wittauer: Gerade du solltest es wissen!) Er hat gemeint, bedanken möchte er sich auch bei den Ländern und Gemeinden für die gute Zusammenarbeit.

Herr Finanzminister! Ich bedanke mich auch als Bürgermeister einer Gemeinde, die sehr stark be­troffen war, und zwar dafür, dass zurzeit vom Bund keine Mittel mehr für die Wiederher­stellung der Infrastruktur der Gemeinden fließen. Die Bürgerinnen und Bürger in diesen Ge­mein­den haben ein Recht auf die Wiederherstellung der Normalität. Als ich mich beim Land auf­ge­regt habe, warum kein Geld mehr kommt, habe ich die lapidare Antwort bekommen: Der


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Bund zahlt nicht! – So schaut es aus, meine Damen und Herren! (He-Rufe und Beifall bei der SPÖ.)

Insgesamt und abschließend kann man eine sehr klare Linie in der Budgetpolitik dieser Regie­rung aufzeigen: Die Belastungen setzen immer bei den Schwächsten an. Im Pensionsbereich und im Sozialbereich trifft es die sozial Schwachen, im Verwaltungsbereich sind das letzte Glied die Gemeinden. Wenn man aber so manche Redebeiträge hört, hat man den Eindruck, mit den Gemeinden haben Sie eh nicht mehr sehr viel am Hut. Sie brauchen nicht so viele Ebenen und die Gemeinden wahrscheinlich schon gar nicht, vor allem dann, wenn Sie sie finanziell aushun­gern. – Das ist der erste Schritt dazu, dass man eine Ebene einsparen kann, meine Damen und Her­ren!

Ich sage es Ihnen noch einmal: Dort aber sind die Menschen, die die Politik spüren, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wittauer: Das wäre eine gute Idee, den Bürgermeister, der gerade geredet hat ...!) – Herr Kollege, ich habe dir schon gesagt, du solltest eigentlich schon im Rathauskeller sein, und du rufst da noch immer herein! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr häufig war in diesen letzten Stunden davon die Re­de, wie ausgestreckt denn die Hände des Herrn Bundeskanzlers, der Regierung und des Finanzministers seien. Sie strecken alle die Hände aus. Wenn ich mir anschaue, wie Sie ab­zocken, dann weiß ich, warum die Bürgerinnen und Bürger nicht auf Sie zugehen: Sie fürchten den Würgegriff dieser ausgestreckten Hände! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grü­nen. – Abg. Öllinger: Taschlzieher!)

Ich halte es da mit einer Aussage aus dem „Report“, die ich gehört habe, als ich einmal Zeit hat­te, fernzusehen. Da hat interessanterweise die Frau Bleckmann etwas über den Herrn Finanz­minis­ter gesagt. Sie wurde gefragt, was denn für Grasser das Wichtigste sei, und hat daraufhin gemeint: Für ihn – Grasser – ist Karl-Heinz das Wichtigste. – Danke, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.58


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ord­ne­ter Marizzi. – Bitte.

19.58


Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Keck hat sehr eindrucksvoll darauf hingewiesen, wie es Schicht­arbeitern und Schwerstarbeitern geht. Der Kollege Nürnberger hat heute Nachmittag in seiner Rede mit Beispielen aus der Pensionsversicherungsanstalt gezeigt, was die Leute tat­sächlich durch Ihre Maßnahmen verlieren: Der Unterschied beträgt 300 bis 400 € monatlich. (Abg. Grillitsch: Wie rechnet ihr das?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Wenn Sie immer wie­der sagen, wir müssen diese Pensionsreform für die Jungen durchführen, dann haben Sie das heu­tige „NEWS“ nicht gelesen. (Abg. Kopf: Das Propagandablatt können Sie nicht als Be­weis­mittel nehmen!) Da steht heute zur Causa prima Pensionsreform: die Rentenklauopfer – bis zu minus 44 Prozent! Ein junger Facharbeiter verliert durch Ihre Reform 44 Prozent. Eine Hotelan­ge­stellte, Herr Wirtschaftskämmerer, verliert 43 Prozent. Sie brauchen das nur zu überprüfen. (Ruf bei der ÖVP: Das hat aber der Marizzi ausgerechnet!) – Das hat nicht der Marizzi ausge­rechnet, sondern das hat „NEWS“ ausgerechnet. (Abg. Kopf: Und das soll besser sein?) Die haben das sehr wohl ganz genau recherchiert, aber genau das ist Ihnen peinlich! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was mich – und viele Österreicherinnen und Österrei­cher – besonders stört, ist Folgendes: Der Herr Bundespräsident meint, das sei das Ende der Kon­senspolitik, statt Dialog gebe es Streit. (Abg. Kopf: Wer macht denn den Streit?) Der Herr Bundespräsident bemüht sich, in dieser Causa zu vermitteln, und will Frieden stiften. Und was sagt der Bundespräsident? – Ich trete für einen Dialog ein, verschieben wir doch die Reform,


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weil wir alle demokratischen Kräfte in diesem Land einbinden wollen. Er holt Präsident Verzet­nitsch, er holt den Wirtschaftskammerpräsidenten, er versucht, einen Konsens herzustellen. Was sagt ihm aber diese Koalition? – Die schwarz-blaue Koalition lässt Bundespräsident Klestil ab­blitzen und sagt, er habe überhaupt nichts damit zu tun, es sei nicht seine Aufgabe, er könne sich nicht in Terminvorgaben einmischen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese ÖVP, die lange von einem Grundkonsens ge­lebt hat, nimmt nicht einmal die ausgestreckte Hand des Bundespräsidenten entgegen. – Das finden wir auch verwerflich! (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt noch ein paar Sätze zu den Budgetvoranschlägen. Sie erhöhen das Defizit 2003 um 3,9 Mil­li­arden €, 2004 um 3,4 Milliarden €. Sie erhöhen die Steuern nächstes Jahr um 221 Milli­onen €. Sie kürzen die Pensionen. Sie bestrafen die Frauen mit zirka 100 Millionen €, und Sie investieren nichts in die Bildung. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der nächste Wahltag ist Zahltag! (Beifall bei der SPÖ.)

20.02


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Dobnigg. – Bitte.

20.02


Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Hohes Haus! In einer weiteren Husch-Pfusch-Aktion, wie bei der Einführung der Ambulanzgebühr oder der Unfallrentenbesteuerung, wurde diese unsoziale, unfaire und un­gerechte Pensionskürzungsreform vom Ministerrat beschlossen und soll nun bis 4. Juni durch­ge­peitscht werden.

Ein so sensibles Thema wie die langfristige Absicherung der Pensionen soll man nicht in Kürze, son­dern in Verhandlungen lösen, und zwar zur Zufriedenheit aller Menschen in Österreich. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Sie kommen wieder auf das Schlagwort zurück, das Sie in den letzten Jahren verwendet haben: die soziale Treffsicherheit. (Abg. Grillitsch: Und Gerechtigkeit!) Jawohl, Sie haben genau die Schwä­cheren, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Familien, Pensionistinnen und Pen­sio­nisten getroffen. Anscheinend soll dieses Schlagwort auch in Zukunft wieder Geltung und Wirkung haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich zitiere aus der „Kleinen Zeitung“ den Leitartikel vom 14. April, und zwar von Reinhold Dottolo:

„Der ÖVP fehlt auf Bundesebene eine gewichtige Stimme, die das christlich-soziale Potenzial der Partei glaubhaft verkörpert – ein Gegengewicht zu den Ministern Bartenstein und Grasser, die sozial gesehen eher flach wurzeln und im Agieren der Stahlhelmfraktion zugeordnet werden können.“

Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen!

Werte Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es geht hier um die Verhinde­rung der größten und brutalsten Pensionskürzung in der Geschichte. Es geht um die Verhinde­rung der Explosion der Arbeitslosigkeit, und es geht um die Verhinderung der Zertrümmerung des Sozialstaates Österreich.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit ihrer Drüberfahr-Methode hat diese Bundesregierung fast die gesamte Bevölkerung verunsichert und in Schrecken versetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich hatte heute hier im Parlament Besuch von 50 Pensionistinnen und Pensionisten aus dem obersteirischen Raum. Ich habe mit ihnen diskutiert, aber auch mit Personen in den Betrieben oder auf offener Straße wird diskutiert. Die Menschen verstehen Folgendes nicht: Bundes­kanz­ler Schüssel hat 100 Tage gebraucht, um eine Regierung zu Stande zu bringen, aber bei die-


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sem sensiblen Thema will er nun drüberfahren über die Menschen, die jahrzehntelang fleißig und brav an ihrem Arbeitsplatz gearbeitet haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie von der ÖVP und der FPÖ wollen anscheinend, dass das jahrzehntelang gut aufgebaute so­ziale Netz noch löchriger wird, dass noch mehr Menschen durch die Maschen fallen und es vielleicht in Zukunft keine Mittelschicht in Österreich mehr gibt. – Die Armen werden ärmer und mehr, und die Reichen werden reicher.

Einen Satz noch zur so genannten Hackler-Regelung: Ich lehne dieses Wort mit großer Ent­schie­denheit ab. Es ist dies eine Diskriminierung aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denn alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich müssen an ihrem Arbeitsplatz ihre volle Leistung zur Zufriedenheit ihres Vorgesetzten erbringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Abschließend noch einen Titel aus der „Kronen Zeitung“ vom 29. März dieses Jahres (Abg. Wattaul: Nichts ist wahr!): Diese Regierung tritt am Stand. – Ich be­haupte, diese Regierung tritt nicht am Stand, diese Regierung hat den Retourgang einge­legt. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Abtreten!) Sie überfährt dabei schonungslos alle sozialen Errungenschaften und auch die jahrzehntelang vorbildlich wirkende und funktionie­ren­de Sozialpartnerschaft. (Beifall bei der SPÖ.)

20.06


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ord­neter Gradwohl. – Bitte.

20.07


Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die heutige Diskussion war ein bunter Strauß von Wünschen und Plattitüden seitens der Regie­rungsparteien, aber es sind auch einige Fragen gestellt worden, beispielsweise vom Abgeord­ne­ten Grillitsch.

Der Abgeordnete Grillitsch hat in seiner Rede gefragt, welchen Weg wir bei der gemeinsamen Agrar­politik haben wollen. Welchen Weg soll Österreich beschreiten? Den zur industriellen Land­wirtschaft oder den zur bäuerlichen, kleinstrukturierten Landwirtschaft? Die SPÖ solle sich doch endlich outen.

Lieber Kollege Grillitsch! Du hast mir gestern auf einen Zwischenruf geantwortet, ich möge zu­hö­ren, dann würde ich es wissen. Heute kann auch ich dir sagen: Du musst nicht nur zuhören, du könntest es auch nachlesen, denn es gibt – und ich werde es dir nach meiner Rede über­reichen – ein umfangreiches Programm und Konzept der Sozialdemokratie aus dem Juni 2001 mit dem Titel „Unsere Landwirtschaft geht uns alle an“, aus dem hervorgeht, dass wir nicht die industrielle Landwirtschaft, sondern die kleinstrukturierte Landwirtschaft haben wollen.

Herr Kollege Grillitsch! Jetzt stelle ich eine Gegenfrage. (Abg. Wattaul: Haben sie euch ge­wählt? – Zwischenruf des Abg. Grillitsch.) Der Landwirt aus der Freiheitlichen Partei hat sein Aus­­­sehen geändert. Es freut mich, Kollege Wattaul, dass du dich auch für Landwirtschaft in­teres­sierst! Kollege Grillitsch, du musst mir eine Gegenfrage beantworten: Warum bekämpft der Österreichische Bauernbund, warum bekämpft die Österreichische Volkspartei eine Verän­derung der gemeinsamen Agrarpolitik im Hinblick auf die Erweiterung? Warum bekämpfen die Ös­ter­reichische Volkspartei und der Österreichische Bauernbund eine gerechtere Verteilung der Agrarmittel, und warum habt ihr seit drei Jahren den Weg des Konsenses in der Landwirt­schaftspolitik und des inneragrarischen sozialen Ausgleiches verlassen, Kollege Grillitsch? Warum? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Wurm: Gegen den Fischler! – Abg. Grillitsch: Falsch! Das ist falsch!)

Weil ihr für eine industrielle Landwirtschaft eintretet! Weil ihr weiterhin 80 Prozent der Mittel für 20 Prozent der bäuerlichen Betriebe haben wollt! (Abg. Mag. Wurm: Weil Sie Großbauern sind!) Weil ihr weiterhin die Kleinen am liebsten knechtet, und zwar so lange knechtet, bis es sie nicht mehr gibt! (Beifall bei der SPÖ.) Weil ihr am liebsten die biologisch arbeitenden Betriebe abschaffen würdet! Denn sonst hätten der ehemalige Bundesminister Molterer und jetzt auch


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sein Nachfolger im Budget erhöhte Mittel zur Förderung und Unterstützung der biologischen Landwirtschaft in Österreich vorgesehen – eine der Marktchancen für unsere österreichische Landwirtschaft, Kollege Grillitsch!

Dass du das lächerlich findest, ist mir völlig klar, denn dein Vertretungsauftrag als Bauernbund­prä­sident gilt ja nicht den Kleinen, sondern den Großen, und das ist ungerecht! (Beifall bei der SPÖ.)

Lieber Kollege Grillitsch! Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei! Ich möchte Ihnen für die nächsten Wochen der Budgetberatungen eine Broschüre ans Herz legen – keine Broschüre der SPÖ, sondern eine Studie aus der Bundesanstalt für Berg­bauernfragen aus dem Jahr 2000, den Forschungsbericht 46: „Die vielen Gesichter der ländlichen Armut“. (Abg. Grillitsch: Wo hast du das versteckt gehabt bis jetzt?)

Ein Blick in die Kernbereiche dieser Studie würde euch nämlich zeigen, dass der budgetäre Weg, den ihr eingeschlagen habt, auch im Agrarbereich der absolut falsche ist. (Abg. Grillitsch: Es wird das Anforderungsprofil ...!)

Lieber Kollege Grillitsch, ich rufe dir auch in Erinnerung, was Agrarkommissar Fischler in der „Pres­sestunde“ gesagt hat: Wir haben in Österreich noch Gott sei Dank eine sehr hohe Akzep­tanz und einen sehr hohen sozialen Stellenwert der bäuerlichen Bevölkerung, das ist nicht in allen europäischen Staaten so. (Abg. Grillitsch: ... die Veränderungen unserer bäuerlichen Familien!) – Aber mit eurer Politik, mit eurer verfehlten angeblichen Interessenpolitik für die Bau­ern setzt ihr diese gesellschaftliche Akzeptanz aufs Spiel, und das ist gefährlich. Weicht ab davon! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

20.11


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Gemäß § 69 Abs. 6 der Geschäftsordnung weise ich die Regierungsvorlagen 60 und 61 der Bei­la­gen dem Budgetausschuss zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 127/A bis 132/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 386/J bis 391/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuwei­sun­gen betreffen wird, berufe ich für 20.12 Uhr, das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung, ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 20.12 Uhr

 

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