Stenographisches Protokoll

51. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 26. Feber 2004

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 


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51. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode            Donnerstag, 26. Feber 2004

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 26. Feber 2004: 9.00 – 18.39 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 neu gestaltet wird (Strafprozessreformgesetz), über den Antrag 228/A (E) der Abgeordneten Mag. Te­re­zija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Verfahrenshilfe im Straf­prozess und über

die Bürgerinitiative (3/BI) betreffend "Rechtsanspruch auf Verfahrenshilfe für Geschä­digte/Verbrechensopfer im Strafverfahren – Strafprozessreformgesetz/Regierungsvor­lage"

2. Punkt: Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Unabhängigkeit und Weisungs­frei­heit von Rechtsschutzbeauftragten verankert wird

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 9

Ordnungsruf ................................................................................................................... 43

Geschäftsbehandlung

Wortmeldung der Abgeordneten Heidrun Silhavy betreffend Beantwortung von Fragen im Rahmen der Fragestunde ................................................................................................................... 27

Wortmeldungen in diesem Zusammenhang:

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 28

Dr. Christian Puswald .................................................................................................. 28



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Feststellung des Präsidenten Dr. Andreas Khol betreffend Beantwortung von Fragen im Rahmen der Fragestunde ................................................................................................................... 28

Unterbrechungen der Sitzung .............................................................................. 28, 153

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeant­wor­tung 1255/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................ 32

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung ........ 137

Redner:

Peter Haubner ............................................................................................................. 138

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................. 140

Konrad Steindl ............................................................................................................ 142

Stefan Prähauser ........................................................................................................ 143

Mag. Eduard Mainoni ................................................................................................. 145

Heidemarie Rest-Hinterseer ..................................................................................... 147

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 32

Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen auf Ein­set­zung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Gebarung des Bun­deskanzlers sowie sämtlicher Bundesminister hinsichtlich der Vergabe, Ab­wickung und (Einsparungs-)Wirkung von Werkverträgen für externe Berater be­treffend Verwaltungs- und Organisationsberatung sowie Öffentlichkeitsarbeit seit 4. Feber 2000............................................................................................................................... 155

Bekanntgabe ................................................................................................................... 69

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG .......................................................................................................... 69

Redner:

Dr. Josef Cap .............................................................................................................. 158

Mag. Dr. Josef Trinkl .................................................................................................. 160

Dr. Günther Kräuter ................................................................................................... 162

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 163

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 165

Ablehnung des Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ............ 166

Antrag der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen, die Regierungsvorlage 25 d.B. betreffend Strafprozessreformgesetz, den Antrag 228/A (E) betreffend Reform der Verfahrenshilfe im Strafprozess und die Bür­gerinitiative Nr. 3 betreffend „Rechtsanspruch auf Verfahrenshilfe für Geschä­dig­te/Verbrechensopfer im Strafverfahren“ gemäß § 53 Abs. 6 Z. 2 der Geschäfts­ordnung an den Justizausschuss rückzuverweisen – Ablehnung ......................................................... 153

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .................................. 153

Fragestunde (5.)

Finanzen .......................................................................................................................... 9

Mag. Dietmar Hoscher (40/M); Hermann Gahr, Sigisbert Dolinschek, Mag. Wer­ner Kogler

Jakob Auer (33/M); Josef Bucher, Michaela Sburny, Mag. Kurt Gaßner


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Gesundheit und Frauen .............................................................................................. 16

Mag. Barbara Prammer (44/M); Maria Grander, Mares Rossmann, Mag. Brigid Weinzinger

Ridi Steibl (41/M); Barbara Rosenkranz, Dr. Kurt Grünewald, Erwin Spindelberger

Dr. Kurt Grünewald (49/M); Erika Scharer, Peter Haubner, Sigisbert Dolinschek

Josef Bucher (47/M); Dr. Kurt Grünewald, Dr. Christian Puswald, Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer

Heidrun Silhavy (45/M); Karl Donabauer, Elmar Lichtenegger, Karl Öllinger

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ....................................................................................................... 9

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 30

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Kol­leginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Ver­bes­serung des Rechtsschutzes bei Unglücksfällen (1514/J)         ............................................................................................................................. 106

Begründung: Dr. Helene Partik-Pablé ........................................................................ 109

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer .................................................................. 113

Debatte:

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................ 116

Josef Broukal (tatsächliche Berichtigung) ................................................................. 118

Mag. Johann Maier ..................................................................................................... 119

Klaus Wittauer ............................................................................................................ 121

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................. 121

Dr. Reinhold Mitterlehner .......................................................................................... 124

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................ 126

Barbara Rosenkranz .................................................................................................. 128

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 129

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer .......................................................... 130, 135

Mag. Gisela Wurm ...................................................................................................... 131

Dr. Christian Puswald ................................................................................................ 132

Dr. Peter Wittmann .................................................................................................... 134

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................. 136

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (25 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 neu gestaltet wird (Straf­prozessreformgesetz), über den Antrag 228/A (E) der Abgeordneten Mag. Tere­zija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Verfahrenshilfe im Strafprozess und über


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die Bürgerinitiative (3/BI) betreffend „Rechtsanspruch auf Verfahrenshilfe für Ge­schädigte/Verbrechensopfer im Strafverfahren – Strafprozessreformgesetz/Re­gierungsvor­la­ge“ (406 d.B.) ........... 33

2. Punkt: Bericht und Antrag des Justizausschusses über den Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes, mit dem die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit von Rechtsschutzbeauftragten verankert wird (407 d.B.)     ............................................................................................................................... 33

Redner:

Dr. Johannes Jarolim .......................................................................................... 33, 152

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter .................................................................................. 39

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................... 43

Mag. Eduard Mainoni ................................................................................................... 47

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer ...................................  51, 57, 64, 75, 87, 152

Mag. Johann Maier ....................................................................................................... 55

Mag. Heribert Donnerbauer ........................................................................................ 58

Dr. Gabriela Moser ....................................................................................................... 61

Klaus Wittauer .............................................................................................................. 65

Mag. Gisela Wurm ........................................................................................................ 66

Mag. Dr. Josef Trinkl .................................................................................................... 69

Karl Öllinger .................................................................................................................. 72

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ............................................................................................. 76

Bettina Stadlbauer ....................................................................................................... 77

Werner Miedl ................................................................................................................. 79

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................... 80

Elmar Lichtenegger ..................................................................................................... 83

Rudolf Parnigoni .......................................................................................................... 85

Ing. Norbert Kapeller .................................................................................................... 87

Peter Marizzi ................................................................................................................. 89

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 90

Mag. Ruth Becher ........................................................................................................ 93

Mag. Karin Hakl ............................................................................................................ 95

Dr. Christian Puswald .......................................................................................... 96, 105

Mag. Walter Tancsits ................................................................................................... 97

Mag. Peter Michael Ikrath ............................................................................................ 99

Dr. Peter Wittmann .................................................................................................... 100

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (tatsächliche Berichtigung) .................................... 103

Herta Mikesch ............................................................................................................. 103

Christine Marek .................................................................................................. 105, 148

Heidemarie Rest-Hinterseer ..................................................................................... 149

Michael Praßl .............................................................................................................. 149

Dr. Peter Sonnberger ................................................................................................. 150

Notburga Schiefermair .............................................................................................. 151

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Strafbarkeit juristischer Personen – Ablehnung ....................................................  57, 153

Annahme des Gesetzentwurfes in 406 d.B. ................................................................ 153

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 406 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Verbesserungen des Opferschutzes  (E 43) ...........................................................     153

Keine Beschlussfassung im Sinne des § 82 Abs. 2 Z. 1 der Geschäftsordnung hinsichtlich des Gesetzentwurfes in 407 d.B. (namentliche Abstimmung) ........................................... 153


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Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen ................................................................................................... 30

412: Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde (Asylwerber, Asylberechtigte, Vertriebene und andere aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbare Menschen) in Österreich (Grundversorgungsvereinbarung – Art. 15a B-VG)

413: IAKW-Finanzierungsgesetz-Novelle

Bericht ........................................................................................................................... 32

III-71: Bericht gemäß § 23 Immissionsschutzgesetz-Luft, BGBl. I Nr. 115/1997; BM f. Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anträge der Abgeordneten

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend "E-Commerce-Gesetz (ECG) und Online-Einkauf: Rechtlich unzulässige Firmen-Homepages – Vollziehung ECG" (353/A) (E)

Karlheinz Kopf, Klaus Wittauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (354/A)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vergünstigung des öffentlichen Verkehrs für Pendler/innen, speziell in der Ostregion, sowie Vorbereitung grenzüberschreitender Verkehrsverbünde (355/A) (E)

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend Absicherung der Lehrgänge im Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz (356/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Doppelmaut im Lungau (357/A) (E)

Mag. Eduard Mainoni, Werner Miedl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (23. KFG-Novelle) (358/A)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Helene Partik-Pablé, Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Verbesserung des Rechtsschutzes bei Un­glücksfällen (1514/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend besorgniserregende Vorkommnisse im Flüchtlingslager Traiskirchen (1515/J)

Marianne Hagenhofer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend von der Regierung erzwungenen Auszug des Finanzamtes Freistadt aus den bestehenden Räumlichkeiten, damit verbundene Suche nach einer neuen Unter­bringungsmöglichkeit und in der Folge kostspielige Übersiedlung (1516/J)

Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Euro­päisches Jahr der Erziehung durch Sport 2004 (1517/J)


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Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Europäisches Jahr der Erziehung durch Sport 2004 (1518/J)

Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Europäisches Jahr der Erziehung durch Sport 2004 (1519/J)

Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Europäisches Jahr der Erziehung durch Sport 2004 (1520/J)

Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Europäisches Jahr der Erziehung durch Sport 2004 (1521/J)

Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Europäisches Jahr der Erziehung durch Sport 2004 (1522/J)

Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend Europäisches Jahr der Erziehung durch Sport 2004 (1523/J)

Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend Europäisches Jahr der Erziehung durch Sport 2004 (1524/J)

Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Europäisches Jahr der Er­ziehung durch Sport 2004 (1525/J)

Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Europäisches Jahr der Erziehung durch Sport 2004 (1526/J)

Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Europäisches Jahr der Erziehung durch Sport 2004 (1527/J)

Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Europäisches Jahr der Erziehung durch Sport 2004 (1528/J)

Anita Fleckl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend den Nationalpark Gesäuse (1529/J)

Erika Scharer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend 100 000 statt 250 000 SchülerInnen auf Schulschiwoche (1530/J)

Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend schenkungssteuerliche Beurteilung und Befangenheit (1531/J)

Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Schenkungssteuerpflicht (1532/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Entwicklung des Projekts SV-Chipcard (1533/J)


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Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Behindertenmilliarde 2003 (1534/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Behindertenmilliarde 2002 (1535/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Behindertenmilliarde 2001 (1536/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Ausfallshaftung für EURATOM-Kredite und den Anteil der österreichischen SteuerzahlerInnen daran (1537/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Chaos um Grenzwerte bei Pestiziden durch "Gleichstellungsverordnung mit Holland" und die gesundheitliche Gefährdung von KonsumentInnen (1538/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Reaktorunsicherheit deut­scher Atomkraftwerke und Reaktion der österreichischen Bundesregierung auf das enorme Bedrohungspotential für die österreichische Bevölkerung (1539/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend das noch immer nicht beschlossene Bundestierschutzgesetz 15 Monate nach dem Kanzler-Versprechen (1540/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Chaos um Grenzwerte bei Pestiziden durch "Gleichstellungsverordnung mit Holland" und die gesundheitliche Gefährdung von KonsumentInnen (1541/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend den Hauptsitz des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger in Wien 3., Kundmanngasse 21-27 (1542/J)

Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend zunehmenden Schwerverkehr auf Neben­straßen seit Einführung der LKW-Maut (1543/J)

Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend zunehmenden Schwerverkehr auf Nebenstraßen seit Einführung der LKW-Maut (1544/J)

Heidemarie Rest-Hinterseer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Neubau der Tau­ern­bahnstrecke im Gasteinertal als Hochleistungsstrecke (1545/J)

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Unklarheiten bei der Bilan­zierung der Direktvermarktungsquoten von Milch (1546/J)


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51. Sitzung / Seite 8

Heidemarie Rest-Hinterseer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Neubau der Tauernbahnstrecke im Gasteinertal als Hochleistungsstrecke (1547/J)

Anfragebeantwortung

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen (1291/AB zu 1331/J)



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Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweiter Präsident Dr. Heinz Fischer, Dritter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße die Damen und Herren im Hohen Haus und bitte Sie, die Plätze einzunehmen.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Gradwohl, Mandak, Dr. Baumgartner-Gabitzer und Mag. Scheucher-Pichler.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundeskanz­ler­amt über Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mit­glie­dern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel wird durch den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein, Bundesminister für Verkehr, Innovation und Tech­nologie Vizekanzler Hubert Gorbach wird durch den Bundesminister für soziale Sicher­heit, Generationen und Konsumentenschutz Mag. Herbert Haupt vertreten.

Fragestunde

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zur Fragestunde. Ich beginne jetzt, um 9.01 Uhr, mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Finanzen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen zur 1. Anfrage, die Herr Abgeordneter Mag. Hoscher an den Herrn Bundesminister für Finanzen stellt.

 


Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

40/M

„Warum werden die rund 2,2 Millionen Menschen, die auf Grund ihres niedrigen Ein­kommens keine Steuer zahlen mussten, bei Ihren Steuersenkungsplänen leer aus­gehen, obwohl gerade diese Gruppe von den Belastungen der letzten Jahre relativ am meisten betroffen war?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Werter Herr Präsident! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Staatssekretär! Herr Abge­ordneter Hoscher, gleich vorneweg darf ich sagen: Wir haben eine Steuerreform ver­handelt, und daher ist grundsätzlich festzustellen, dass eine Steuerentlastung nur dann erfolgen kann, wenn auch tatsächlich Steuer gezahlt wird. Trotzdem möchte ich darauf hinweisen, dass wir gerade bei kleinen und mittleren Einkommen mit der ersten und der zweiten Etappe der Steuerreform sehr deutlich Entlastungen vorgenommen haben. Sie wissen, dass wir mit der ersten Etappe, in Kraft getreten am 1. Jänner


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2004, zusätzlich 200 000 Personen steuerfrei stellen konnten und dass wir mit der zweiten Etappe weitere 150 000 Personen steuerfrei stellen konnten. Das bedeutet, dass von 5,9 Millionen Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen 2 550 000 Menschen in Österreich keine Lohn- und Einkommensteuer zahlen.

Es ist eine Steuerreform, die die Steuerzahler im Durchschnitt mit 500 € netto pro Jahr entlastet, und es ist eine Steuerreform, die in einigen Bereichen zur Anhebung der Negativsteuer führt und damit jenen 2,2 Millionen Menschen, die Sie angesprochen haben, deutliche Entlastungen bringt.

Ich darf in diesem Zusammenhang armutsgefährdete Familien, kinderreiche Familien erwähnen, wo wir Kinderzuschläge zum Alleinverdiener- und Alleinerzieherab­setz­be­trag eingeführt haben; bei drei Kindern macht das immerhin eine Negativsteuer­erhö­hung von 525 € jährlich aus.

Ich möchte weiters die Erhöhung der Zuverdienstgrenze von 4 400 € auf 6 000 € beim Alleinverdienerabsetzbetrag erwähnen, und damit erreichten wir in Summe eine Er­höhung der Negativsteuer gerade für diese 2,2 Millionen Menschen als Zielgruppe von 60 Millionen € bisher auf etwa 95 Millionen € im Jahr 2005. Erlaubt sei mir der kleine Hinweis, dass die Negativsteuer bei der letzten Steuerreform unter einem so­zial­demo­kratischen Finanzminister nicht erhöht worden ist.

Außerdem erlaube ich mir, in einem Nebensatz darauf hinzuweisen, dass wir gerade für diese 2,2 Millionen Menschen mit niedrigem Einkommen natürlich auch eine ganze Reihe von Transfermaßnahmen, Transferzahlungen beschlossen haben, ob das den Ausgleichszulagerichtsatz für Ehepaare betrifft, ob das den Unterstützungsfonds im Bereich des Pflegegeldes betrifft, ob das die Behindertenmilliarde betrifft, ob das das Kinderbetreuungsgeld und viele andere Dinge mehr betrifft.

Die kleinen und mittleren Einkommen waren zentrales Ziel unserer Entlastungsabsicht, und dieses Ziel zu erreichen, ist uns mit den zwei Etappen 2004 und 2005 gut gelun­gen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Herr Bundesminister! Minister Barten­stein hat vergangenen Herbst bei den zweiten Schönbrunner Tourismusgesprächen in Aussicht gestellt, dass im Rahmen dieser Etappe der Steuerreform sowohl die Gesell­schaftssteuer als auch die Kreditvertragsgebühr fallen werden. Sind diese Maßnahmen in dieser Etappe der Steuerreform enthalten?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abge­ord­neter Hoscher! Diese Maßnahmen sind darin nicht enthalten. Wir sind aber inhalt­lich genauso wie Sie der Meinung, dass sowohl die Kreditvertragsgebühr als auch die Gesellschaftssteuer abgeschafft werden sollte. Wir haben aber bei dieser zweiten Etappe der Steuerreform klar abgewogen: Sollen wir die Unternehmensbesteuerung in Form der Körperschaftsteuersenkung in den Vordergrund stellen oder auf der anderen Seite so genannte Bagatellsteuern abschaffen? Wir haben uns in letzter Konsequenz dafür entschieden, dass wir in der Unternehmensbesteuerung, auch in der Außen­wirkung, einen besonders großen Schritt setzen wollen, damit Investitionen in Öster­reich stattfinden, damit ausländische Unternehmen nach Österreich kommen und damit eine möglichst große Signalwirkung beziehungsweise Symbolwirkung für den Wirt­schafts- und Arbeitsstandort erzielt wird.

Die beiden Maßnahmen, die Sie angesprochen haben, werden wir, so der Wähler will, bei der nächsten Steuerreform umsetzen.

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Gahr, bitte.

 


Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Steuer­reform bringt ja für viele österreichische Familien mit Kindern Erleichterungen; Sie haben das schon erwähnt. Wie hat sich die Einführung des Kindergeldes auf die Grup­pe der Kleinverdiener ausgewirkt?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Abgeordneter! Natürlich hat sich das Kinderbetreuungsgeld gerade im Bereich der Kleinverdiener sehr positiv ausgewirkt. Das verfügbare Einkommen ist angestie­gen – und damit auch die Kaufkraft in diesem Bereich.

Ein kleiner Vergleich: Am 31. Dezember 2001 war die alte Karenzgeldregelung in Kraft. Es hat damals 76 500 Bezieher gegeben; in Summe hat das den Staat 581 Millionen € gekostet.

Die Kinderbetreuungsgeldregelung ist eine Familienleistung, und damit sind in etwa 130 000 zusätzliche Bezieher in den Genuss des Kinderbetreuungsgeldes gekommen: Hausfrauen, Studenten, Selbständige, Bauern – in Summe eben 130 000. Diese 130 000 Bezieher von Kinderbetreuungsgeld bekommen einen Wert in der Größenord­nung von 1 126 Millionen €. Das heißt: Vorher 76 500 Bezieher von Karenzgeld, jetzt 130 000 Bezieher von Kinderbetreuungsgeld, vorher 581 Millionen € für die Familien, jetzt mehr als 1,1 Milliarden für die Familien – mit einer sehr deutlichen Anhebung der Zuverdienstgrenze. Insofern ist dies, glaube ich, ein ganz, ganz wichtiger Punkt für unsere Familien. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dolinschek, bitte.

 


Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Der Rech­nungshof hat in seinen Berichten immer wieder festgestellt, dass die Belastungspakete der neunziger Jahre auch die sozial Schwachen getroffen haben. Welche steuerlichen Belastungen haben die sozialistischen Finanzminister beschließen lassen? (Heiterkeit und Zwischenrufe bei den Grünen. – Abg. Brosz: Ist das eine Frage der Vollziehung?)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werter Herr Abgeordneter Dolinschek! Sie sprechen zum Beispiel das Spar­paket 1996/97 an. Ich beschränke mich auf einige wenige Punkte, weil die Liste in diesem Bereich natürlich sehr lang ist:

Zum Beispiel wurden damals Steuern auf Erdgas und auf elektrische Energie einge­führt, unabhängig vom Einkommen. (Oh-Rufe bei den Freiheitlichen.) Das hat natürlich auch die Einkommenschwächsten getroffen.

Es wurde damals zum Beispiel eine Einschränkung der Abzugsfähigkeit der Sozial­versicherungsbeiträge bei den Sonderzahlungen auf den begünstigten 13. und 14. Mo­natsbezug vorgenommen.

Es wurden die abzugsfähigen Sonderausgaben entsprechend reduziert; das betraf 1,5 Millionen Steuerpflichtige. (Abg. Scheibner: Schau, schau!)

Es wurde der Allgemeine Absetzbetrag eingeschliffen; das hat ein Drittel der Steuer­pflichtigen betroffen. (Abg. Scheibner: Hört, hört!)

Es erfolgte eine Deckelung der Überstundenbegünstigung auf fünf Überstunden. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)


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51. Sitzung / Seite 12

Es wurde – ich erwähne das, weil es gestern zu diesem Thema eine interessante Diskussion gegeben hat – der Krankenversicherungsbeitrag für Pensionisten von 3,5 Prozent auf 3,75 Prozent erhöht, obwohl es im Jahr 1997 eine Nulllohnrunde, also überhaupt keine Erhöhung für die Pensionisten gegeben hat.

In Summe – Sie haben den Rechnungshof angesprochen – hat der Rechnungshof be­ziehungsweise das Wifo in einer Modellsimulation festgestellt: Das Strukturanpas­sungs­gesetz 1996 hat das Wachstum gedämpft, die verfügbaren persönlichen Einkom­men geschmälert, die Arbeitslosenquote ansteigen lassen. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Kogler, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Bundesminister! Vor dem Hinter­grund, dass hier Regierungsabgeordnete offensichtlich vorgefertigte Fragen aus Ihrem Ministerium einbringen (Abg. Scheibner: Das ist eine Unterstellung! So geht das nicht! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen), ist es umso er­staunlicher, dass Sie die Hauptfrage nicht beantwortet haben, nämlich, wie es jenen 2,2 Millionen ergeht, die tatsächlich keine Entlastung erfahren – von Entlastung für alle keine Rede. (Rufe bei der ÖVP: Frage! – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Ich stelle deshalb die Zusatzfrage: Wie sind tatsächlich die Mehrbelastungen seit dem Jahr 2000 für jene 2,2 Millionen ausgefallen, die eigentlich in der Frage intendiert waren? (Beifall bei den Grünen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abge­ordneter Kogler! Erstens reden wir nicht von „vorgefertigten“ Fragen (Abg. Öllinger: Wir reden schon davon!), sondern die Abgeordneten stellen selbstverständlich die Fragen, die sie wollen.

Zum Zweiten war die Frage des Herrn Abgeordneten Hoscher, warum die rund 2,2 Mil­lionen Menschen, die aufgrund ihres niedrigen Einkommens keine Steuern zahlen mussten, bei den Steuersenkungsplänen leer ausgehen.

Ich habe versucht, diese Frage bestmöglich zu beantworten, indem ich gesagt habe, dass sie selbstverständlich nicht leer ausgehen, denn wir haben eine Reihe von Maß­nahmen auch im Bereich der Negativsteuer gesetzt. Ich habe die Kinderzuschläge im Bereich des Alleinverdiener-/Alleinerzieherabsetzbetrages erwähnt und habe das Bei­spiel genannt, dass es bei drei Kindern zu einer jährlichen Entlastung von 525 € kommt. (Abg. Sburny: Die Frage war, welche Belastungen!) Ich habe erwähnt, dass die Negativsteuer von heute 60 Millionen € auf 95 Millionen € ansteigt – im Gegensatz zur Steuerreform des Jahres 2000 –, und ich habe auch eine ganze Reihe von Transferzahlungen erwähnt, die wir beschlossen haben.

Man kann also sagen: Mit diesen zwei Etappen der Steuerreform, zusammen mit den Transferzahlungen, die seit dem Jahr 2000 beschlossen worden sind, ist gerade diese Gruppe der 2,2 Millionen sehr deutlich entlastet worden. Es war uns wichtig, gerade auf die Bezieher kleiner Einkommen besonders Rücksicht zu nehmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit haben wir den ersten Fragenkomplex erledigt.

Den nächsten leitet Herr Abgeordneter Auer ein. – Herr Kollege, stellen Sie Ihre Frage, bitte.

 



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51. Sitzung / Seite 13

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Sehr verehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

33/M

„Welche Auswirkungen hat die Steuerreform auf die Budgets der einzelnen Gebiets­körperschaften (Bund, Länder und Gemeinden)?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Abgeordneter Auer! Wir haben in Summe durch die zweite Etappe der Steuer­reform mit 1. Jänner 2005 Mindereinnahmen in der Höhe von 2,585 Milliarden €. Es verringern sich die Ertragsanteile der Länder um insgesamt 384 Millionen € pro Jahr, die Ertragsanteile der Gemeinden um 327 Millionen €. Weiters reduzieren sich die von den Abgabenerträgen abhängigen Transfers an die Länder um 209 Millionen €.

Die Wirkung ab dem Jahr 2004: Bei den Ländern 2004 ein Entfall von 47 Millionen €, 2005 von 413 Millionen €, 2006 von 716 Millionen €, und ab 2007 tritt die laufende Wirkung ein: mit den Transfers in Summe ein Entfall von 593 Millionen €.

Bei den Gemeinden ist es 2004 aufsteigend: 26 Millionen €, 229 Millionen €, 395 Mil­lionen €, und ab dem Jahr 2007 die laufende Wirkung mit 327 Millionen €.

Trotzdem erkennen Sie natürlich, dass der Bund, so wie es im Finanzausgleich gere­gelt ist, hier den weitaus größten Teil zu tragen hat. Ich denke, es ist dies durchaus eine faire Verteilung des Einnahmenentfalls, wie er bei jeder Steuerreform logischer­weise gegeben ist. Wenn man die Bürger entlasten will, heißt das: weniger Einnahmen für den Staat, verteilt auf alle Gebietskörperschaften – in einer fairen Art und Weise. (Abg. Öllinger: Sehr „fair“!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Bundesminister! Der Standort bestimmt den Standpunkt. (Heiterkeit und demonstrativer Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

In allen Fachmagazinen wird auf die dramatische Situation der Gemeinden hingewie­sen. Nun hat uns der Herr Bundeskanzler am Gemeindetag in St. Pölten im letzten Jahr versprochen, er werde die Gemeinden nicht im Stich lassen. Ich frage Sie daher im Sinne dessen, was versprochen wurde: Wie werden Sie an den neuen Finanz­ausgleich herangehen? (Abg. Sburny: Gelassen!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte. (Zwischenrufe bei den Grünen. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abge­ord­neter Auer! Als Beispiel, wie sich das auf die Gemeinden konkret auch in den Fol­ge­jahren auswirkt: Die aktuelle Steuerprognose des Bundesministeriums für Finan­zen zeigt, dass sich die Ertragsanteile bei den Gemeinden trotz Steuerreform folgen­dermaßen entwickeln werden:

2003 standen den Gemeinden 6,118 Milliarden € zur Verfügung, 2004 stehen ihnen 6,310 Milliarden €, 2005 6,373 Milliarden € und 2006 6,509 Milliarden € zur Verfügung. Das heißt, trotz Steuerreform gibt es einen permanent steigenden Anteil an verfügbarer Finanzmasse auch für die Gemeinden. – Ich glaube, dass das ein wichtiger Punkt ist. Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass es dort absolut zu einer Abschwächung kommt. (Abg. Öllinger: Nein, den Gemeinden geht es „super“!)


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51. Sitzung / Seite 14

Wir bereiten mit Alfred Finz die Finanzausgleichsverhandlungen vor, zusammen mit dem Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz Herbert Sausgruber. Es ist uns natürlich ein Anliegen, dabei auch auf die Finanzkraft der kleineren Gemeinden Rück­sicht zu nehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Bucher, bitte.

 


Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Finanzminister! Können Sie uns heu­te schon sagen, wie sich die Ertragsanteile der Länder hinsichtlich der Minder­einnahmen, resultierend aus der Steuerreform, in den nächsten Jahren entwickeln werden?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abge­ordneter Bucher! In Ergänzung zu den Gemeindedaten, die ich soeben dem Abgeord­neten Auer genannt habe, darf ich berichten, dass sich bei den Ländern die Ertrags­anteile vor dem Hintergrund der aktuellen Steuerprognose folgendermaßen entwickeln:

Im Jahr 2003 hatten die Länder 7,061 Milliarden € verfügbar, im Jahr 2004 werden sie 7,195 Milliarden € verfügbar haben, im Jahr 2005 7,251 Milliarden € und im Jahr 2006 7,399 Milliarden €. – Also das gleiche Bild wie bei den Gemeinden: ein permanent steigender Anteil bei den Ertragsanteilen. Daran sieht man, es kommt zu keinem Einbruch bei den Ertragsanteilen, sondern es kommt zu einer Abschwächung des An­stiegs. Auch dort ist also mehr verfügbare Finanzmasse vorhanden, und ich denke, damit sollten wir alle ganz gut leben können.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Sburny, bitte.

 


Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Die Gemeinden haben da offenbar einen anderen Eindruck als Sie, nämlich dass ihnen durch ihren Beitrag zur Budget­kon­soli­dierung schon seit Jahren weniger Mittel zur Verfügung stehen. Diese Mittel werden jetzt durch die Steuerreform noch einmal reduziert (Rufe bei der ÖVP: Frage! – Prä­sident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen), sodass die Gemeinden nicht mehr die notwendigen Investitionen tätigen können.

Wie schätzen Sie die Auswirkungen auf die Regionalwirtschaft ein, wenn die Gemein­debudgets derart beschnitten werden?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrte Frau Abge­ord­nete! Ich habe ausgeführt, dass die Gemeinden im Jahr 2003 6,118 Milliarden € zur Verfügung hatten und im Jahr 2006 6,509 Milliarden € zur Verfügung haben werden. Daher ist klar, dass es nicht zu einem Einbruch kommen kann, dass es nicht dazu kommen kann, dass, wie Sie sagen, die notwendigen Investitionen nicht mehr getätigt werden können.

Ich darf daran erinnern, dass in den letzten Jahren – jetzt bezogen auf das gesamt­staatliche Ergebnis – die Gemeinden in Summe Überschüsse abliefern konnten. (Abg. Reheis: Das ist ja nicht wahr! – Ein Märchenerzähler!) Alle Gemeinden in Österreich haben Überschüsse gehabt – der Bund hat ein Defizit zu verzeichnen gehabt.

Wenn Sie sich ansehen, wie hoch die Investitionsquote in Österreich liegt, gerade im re­gionalen Bereich, den Sie ansprechen, dann werden Sie sehen, dass wir über dem Durchschnitt der Europäischen Union liegen, wenn Sie die ausgegliederten Einrich­tungen mit berücksichtigen.


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51. Sitzung / Seite 15

Ich glaube, die Finanzkraft ist gegeben; die wichtigen Ausflüsse und Auswirkungen, was Beschäftigte, was Investitionen in positiver Weise betrifft, sind ebenfalls vorhanden und werden auch in Zukunft abgesichert sein.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Gaß­ner, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Finanzminister! Ich habe Ihnen jetzt auf­merksam zugehört. – Ich weiß allerdings, dass zirka ein Drittel der österreichischen Gemeinden zurzeit ihre Haushalte nicht mehr ausgleichen können. Das geht natürlich auch in die Vergangenheit zurück, und seit Sie in diesem Land "segensreich“ wirken (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen), haben sich ja auch die Bundesschulden, die öffentlichen Schulden erhöht, ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Frage, Herr Abgeordneter!

 


Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (fortsetzend): ..., und zwar um 12,5 Milliarden €.

Meine Frage, Herr Bundesminister: Wie hoch ist der Einnahmenentfall für Länder und Gemeinden seit dem Beginn des Jahres 2000, bedingt durch steuer- und abgaben­recht­liche Maßnahmen des Bundes, inklusive der Umsetzung des EuGH-Urteiles zur Getränkesteuer?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abge­ordneter! Beispiel Umsetzung EuGH-Urteil zur Getränkesteuer: Da ist es, wie Sie wissen, noch nicht zu Auszahlungen gekommen, sondern da wartet man noch auf eine finale Abklärung auch durch den Verwaltungsgerichtshof. Daher könnte ich Ihnen die Zahl, die Sie jetzt ansprechen, gar nicht nennen, weil wir noch nicht wissen, ob es tatsächlich zu Auszahlungen als Folge des EuGH-Urteiles zur Getränkesteuer kommen wird, und zwar, wenn ja, in welchem Ausmaß. Derzeit wird darüber eine Reihe von Gesprächen geführt.

Wenn Sie sich die Abgabenquotenentwicklung ansehen, dann werden Sie feststellen können, dass wir im Jahr 1999 eine Abgabenquote von etwa 44,4 Prozent gehabt haben. Wir werden im Jahr 2005 da bei 42,3 Prozent liegen. Damit werden wir das seit vielen Jahren niedrigste Niveau an Steuerbelastung haben. Insofern gebe ich Ihnen Recht, wenn Sie sagen, dass die Länder,die Gemeinden und der Bund relativ gesehen weniger Geld zur Verfügung haben. Das ist aber die logische Konsequenz: Wenn wir sagen: Steuern und Abgaben runter!, dann können die Gebietskörperschaften natürlich nur über weniger Einnahmen verfügen. Das war aber genau unsere Politik (Abg. Dr. Bauer: Beantworten Sie die Frage! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen), nämlich zu sagen: Senken wir die Kosten im öffentlichen Bereich, machen wir eine Verwaltungsreform, versuchen wir die öffentlichen Ausgaben zu reduzieren, um uns damit auf der anderen Seite eine große Steuerentlastung leisten zu können!

Diese Entlastung ist beschlossen, und wir sind sehr stolz darauf! Sie ist wichtig für die Bezieher kleiner Einkommen und für den Wirtschafts- und Arbeitsstandort Österreich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit sind die Fragen an den Herrn Bundesminister für Finanzen beantwortet.


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51. Sitzung / Seite 16

Bundesministerium für Gesundheit und Frauen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zu den Fragen an die Bundes­minis­terin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat.

Die 1. Frage formuliert Frau Abgeordnete Mag. Prammer. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Frau Ministerin! Meine Frage lautet:

44/M

„Warum lassen Sie als Frauenministerin zu, dass durch die vorliegende Regierungs­vorlage zum Gleichbehandlungsgesetz, wodurch in Hinkunft die Gleichbehandlungs­an­waltschaft ohne ausreichende personelle Aufstockung auch für Antidiskriminierung und Antirassismus zuständig sein wird, logischerweise die Durchsetzung von Fraueninter­essen erheblich gefährdet werden wird?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Ab­geordnete! Dies lasse ich sicher nicht zu, und das ist auch nicht beabsichtigt, denn mit den zusätzlichen Aufgaben, die im Gleichbehandlungsgesetz für diese beiden Se­nate vor­gesehen sind, sind auch zusätzliche Planstellen vorgesehen, und zwar jeweils eine A-Planstelle für die Leitung und eine für eine Hilfskraft. Damit ist sichergestellt, dass es für die Frauen zu keinen Schlechterstellungen kommt, ganz im Gegenteil, denn auch in der Kommission gegen Rassismus und zur Antidiskriminierung wird ein Thema be­handelt, von dem natürlich insbesondere auch Frauen betroffen sind, und daher wird zusätzliche personelle Bedeckung gewährleistet sein.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Frau Ministerin! Nur der Klarstellung halber noch eine zusätzliche Frage: Sie gehen also allen Ernstes davon aus, dass wir mit jeweils einer Planstelle A und der zusätzlichen Sekretariatsstelle in Österreich die gesamte Antidiskriminierung und den gesamten Antirassismus bewerkstelligen können, dass diese Ressourcen ausreichen? Haben Sie als Frauenministerin nicht vor, um aus­reichende Ressourcen zu kämpfen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Das waren drei Fragen, aber die Frau Ministerin wird sie beantworten.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich gehe davon aus, dass die jetzt prognostizierte beziehungsweise vorgesehene Zahl der Beamtinnen und Beamten für die Anfangsphase in jedem Fall ausreicht. Wir werden sehen, wie sich das weiterentwickelt. Sie können sicher sein, dass ich in weiterer Folge, falls der Bedarf gegeben ist, auch sehr darum kämpfen werde, dass das erhöht wird, aber im Sinne der Sparsamkeit hat sich diese Bun­desregierung vorgenommen, so sparsam wie möglich mit der Schaffung neuer Beam­tenstellen umzugehen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Grander, bitte.

 


Abgeordnete Maria Grander (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Mich würde interessieren, wie Sie die in der Regierungsvorlage zum Gleichbehandlungsgesetz vor­gesehene Struktur der Gleichbehandlungskommission im Hinblick auf die Durch­set­zung der Interessen der Frauen beurteilen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Ministerin, bitte.

 



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51. Sitzung / Seite 17

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Diese Struktur ist hervorragend geeignet, um die Anträge, die an die Gleichbehandlungskommission gestellt werden, zu erledigen. Wir haben jetzt im Gleichbehandlungsgesetz vorge­se­hen, dass eben auch noch die beiden anderen Senate im Bundesministerium für Frauen angesiedelt werden.

Ich habe schon vorhin gesagt: Gerade Diskriminierung auf Grund von Rasse ist ja auch ein Thema, das insbesondere Frauen betrifft, weil, wie wir wissen, bei Frauen oft dop­pelte Diskriminierungen stattfinden. Wir werden daher zusätzliche Kapazitäten zu den bereits bisher vorhandenen Kapazitäten haben und werden diese auch im Sinne der Frauen nützen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Rossmann, bitte.

 


Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Erst unter einem freiheitlichen Frauminister wurden Anwälte zur Gleichbehandlung auch regional eingeführt; so müssen die Frauen nicht mehr bis Wien fahren.

Meine Frage: Wie bewähren sich diese Einrichtungen, speziell im Bundesland Kärn­ten?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Abgeord­nete! Es hat sich gezeigt, dass sich die Einrichtung von regionalen Gleichbehand­lungs­anwaltschaften sehr positiv auswirkt. Es war eine hervorragende Idee, die auch in der Umsetzung bereits entsprechend Erfolge gezeigt hat. Wir haben zum Beispiel im Land Kärnten von ursprünglich 15 Fällen, die behandelt wurden, eine Erhöhung auf derzeit knapp 300 Fälle – etwa 283 sind es –, die dort behandelt wurden.

Es hat sich vor allem gezeigt, dass durch die Einrichtung dieser Regionalanwalt­schaf­ten die Schwellenangst der betroffenen Frauen geringer wird, weil sie im Rahmen der organisatorischen Abwicklung einer Beschwerde ja nicht nach Wien fahren müssen, sondern auch in ihrem Bundesland diese Einrichtung besuchen können.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Wein­zinger, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Frau Ministerin! Sehen Sie nicht in der Tatsache, dass in diesem bereits genannten neuen Gleichbehandlungsgesetz der Schutz vor Diskriminierung für Frauen nur für den Arbeitsplatz gelten soll, während er im selben Gesetz für andere Gruppen deutlich darüber hinaus auch für andere Le­bensbereiche geregelt wird, ebenfalls eine Diskriminierung von Frauen, gegen die Sie als Frauenministerin eigentlich ankämpfen müssten?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Ich bin sehr froh, Frau Abgeordnete Weinzinger, dass es gelungen ist, mit dieser Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz auch entsprechend sicherzustellen, dass erstmals über den Arbeitsplatz hinaus Diskriminierungen behandelt werden können. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Schritt, nicht nur im Arbeitsbereich vorgehen zu können, sondern auch in darüber hinaus gehenden Bereichen.

Im Übrigen wurde in diesem Gesetz auch die Möglichkeit von Sanktionen bei Be­lästigung wesentlich verbessert. Es wurde zum Beispiel erstmals auch der Tatbestand der Belästigung eingeführt, auch der sexuellen Belästigung. Dieses Gesetz ist also eine wesentliche Verbesserung gegenüber den bisherigen Regelungen.

 



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51. Sitzung / Seite 18

Präsident Dr. Andreas Khol: Damit ist dieser Fragenkomplex abgearbeitet.

Wir kommen zur 2. Frage an die Frau Bundesministerin, die vierte in der Fragestunde. Sie wird von Frau Abgeordneter Steibl formuliert. – Bitte.

 


Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin für Gesundheit und Frauen! Meine Frage lautet:

41/M

„Welche Maßnahme ergreifen Sie im Hinblick auf die Tatsache, dass im Jahr 2002 die chefarztpflichtigen Verordnungen über 60 Prozent der gesamten Kostensteigerungen im Arzneimittelbereich ausgemacht haben?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Abgeord­nete! Wir haben bereits entsprechende Maßnahmen gesetzt, die Sie ja schon hier im Hohen Hause mitbeschlossen haben, nämlich mit dem großen Arzneimittelpaket im Jahr 2003, das wir in der ASVG-Novelle auch entsprechend verankert haben. Es hat sich nämlich gezeigt, dass bei den Kosten für die chefarztpflichtigen Arzneimittel keine begleitende Kontrolle durch die Krankenkassen stattgefunden hat.

Wir haben uns daher insbesondere auch auf diesen Medikamentenbereich konzen­triert. Die prognostizierten Steigerungen waren ja 7 bis 9 Prozent, also rund 8 Prozent, und wir haben mit dieser Regelung sichergestellt, dass in Hinkunft eine neue Mengen­kontrolle dieser zum Teil besonders teuren Medikamente stattfinden wird, die noch dazu eine Verbesserung für die Versicherten bringt, indem für sie, sobald diese Re­gelung in Kraft tritt, die Chefarztpflicht entfallen wird.

Das heißt, der lästige und oft als Schikane empfundene Gang zum Chefarzt entfällt für den Versicherten/die Versicherte. In Hinkunft wird die Mengenkontrolle zwischen dem Chefarzt in der Krankenkasse und dem Vertragsarzt der Krankenkasse durch die Richtlinie für ökonomische Verschreibweise beziehungsweise auch durch entspre­chen­de Stichprobenkonrollen oder noch anders zu definierende Kontrollen erfolgen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Der Weg, der in der Gesundheitsreform eingeschlagen wurde, ist exzellent. Nur noch einmal konkret: Wie kann die Verschreibung und der Einsatz von Generika noch besser gefördert werden?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Abgeord­nete! Ein Teil dieses Arzneimittelpakets ist auch der verstärkte Einsatz von Generika im Rahmen der Verschreibungen, wobei Österreich hier mit nur 6 Prozent im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, die zwischen 25 und 30 Prozent an Generika ver­schreiben, einen großen Nachholbedarf hat.

Zuerst einmal wird es eine große Informationsoffensive für die betroffenen Versicherten geben.

Ich danke hier der Wiener Gebietskrankenkasse, die gemeinsam mit der Ärztekammer und der Apothekerkammer jetzt eine Initiative zur Information gestartet hat, die den Versicherten den Glauben nimmt, dass Generika schlechter oder weniger wert sind als reguläre Medikamente. Das heißt, es gibt eine große Aufklärungsinitiative, in deren Rahmen die mündigen Patienten darüber informiert werden, was Generika sind.


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51. Sitzung / Seite 19

Gleichzeitig gibt es eine Informationsoffensive bei den verschreibenden Ärzten, eine Verbesserung des Schnittstellenmanagements im Hinblick auf die Verschreibung im Krankenhaus und die Verschreibung des niedergelassenen Arztes, wobei hier vor allem auf die Wirkstoffverschreibung Bedacht zu nehmen ist, und letztendlich eine ge­ringere Rezeptgebühr bei Generika, die den Versicherten den Anreiz bieten soll, ver­stärkt zu Generika zu greifen.

Generika sind gleich wirksame Medikamente, die lediglich auf Grund des Ablaufs des Patentschutzes billiger sind als Originalpräparate. Es gilt auch hier der Grundsatz: Nicht immer muss das Teurere auch das Bessere sein.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Rosenkranz, bitte.

 


Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Abgese­hen davon, dass ich Ihre Meinung zu den Generika teile, möchte ich sagen, dass die Entwicklung neuer, innovativer Medikamente ein Indikator für den Fortschritt und den hohen Stand der Medizin und überdies ein Segen für die Patienten ist. Aber diese neuen Medikamente schlagen sich auch als Kostensteigerungsfaktor enorm zu Buche.

Wie wird in Zukunft sicherzustellen sein, dass die Pharmaindustrie nicht ausschließlich Generika zu günstigen Preisen, sondern auch diese neuen, innovativen Produkte zu fairen Preisen auf den Markt bringt?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Abgeord­nete! Wir haben auch im Rahmen des Arzneimittelpaketes darauf geachtet, dass die Verfahren zur Aufnahme in das Heilmittelverzeichnis unbürokratischer und schneller abgewickelt werden als bisher. Die bisherige Handhabung war sowohl für die Firmen als auch für die Ärzte und Ärztinnen als auch für die Versicherten selbst unbefrie­di­gend, weil das Verfahren lange gedauert hat, mit einem unglaublichen bürokratischen Aufwand verbunden war. Bis zu 60 000 gedruckte Seiten mussten eingereicht werden, und das in vielfacher Zahl. Das wird es in Hinkunft nicht mehr geben.

Wir schaffen eine neue Heilmittelevaluierungskommission. Neue Medikamente, innova­tive Medikamente können sofort auf den Markt kommen, sie werden auch zu einem eu­ro­päischen Durchschnittspreis erstattet. Damit ist sichergestellt, dass die Patientinnen und Patienten in Österreich sehr rasch neue und innovative Medikamente bekommen können, rascher als bisher. Gleichzeitig wird das Verfahren zur Aufnahme in das Heil­mittelverzeichnis entbürokratisiert, erleichtert und vor allem schneller abgewickelt wer­den können als bisher.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Grüne­wald, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Die pauschale und isolierte Betrachtung von Medikamentenkosten lässt vielleicht Rück­schlüsse auf die Typologie der Chefärzte oder deren Verhalten zu, aber keine gesund­heits­politischen Rückschlüsse.

Meine Frage ist: Können Sie sich vorstellen, Forschungsprojekte zu initiieren oder zu finanzieren, die klare Kosten-Nutzen-Rechnungen über längere Zeiträume bei Medika­menten anstellen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Frau Bundesministerin.

 



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51. Sitzung / Seite 20

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Das kann ich mir sehr wohl vorstellen, weil wir selbstverständlich auch berücksichtigen müssen, dass manchmal ein teures Medikament hohe Folgekosten ersparen und damit dazu beitragen kann, das gesamte Gesundheitssystem zu entlasten. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die nächste Zusatzfrage sollte an sich Herr Abgeord­neter Dr. Spindelegger stellen. Ich sehe ihn aber nicht im Saal. Wir haben daher den vierten Fragenkomplex abgearbeitet und kommen nun zur ... (Rufe bei der SPÖ: Spin­delberger! Spindelberger!) – Moment, da ist ein Fehler bei mir im Croquis. Ich ent­schul­dige mich. – Bitte, Herr Abgeordneter Spindelberger.

 


Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Das ist kein Problem! – Frau Minister, Sie haben durch die Einführung der, sage ich jetzt einmal, Krankensteuer und auch durch die unsozialen Maßnahmen vielen Steirerinnen und Steirern das Kranksein erschwert. Es gibt ja viele, viele Probleme in Ihrem Ressort. Weil das gerade angeschnitten wur­de, meine Frage: Was gedenken Sie jetzt in Bezug auf die Kostensenkung bei den Heilmitteln zu tun, weil sich ja die Pharmaindustrie gewaltig über den Tisch gezogen fühlt? Was gedenken Sie zu tun, damit man sich wieder an einen Tisch setzt und an einem Strang zieht, um diese Senkung herbeiführen zu können?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Abgeord­neter! Wir sind alle an einem Tisch gesessen, und ich glaube nicht, dass ich irgend­je­manden über den Tisch gezogen habe, aber im Zweifelsfall würde ich meinen, wenn sich die nicht gerade Not leidende Pharmaindustrie über den Tisch gezogen fühlt, wäre das im Sinne der Versicherten und im Sinne der Kosten des Gesamtsystems keine Schan­de für die Gesundheitsministerin, die für die Finanzierung des Systems zustän­dig ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Allerdings bestätigt mir die überwiegende Zahl der Pharmafirmen, bis auf ganz wenige Ausnahmen, dass diese Verhandlungen nicht nur sehr fair geführt wurden, sondern dass sie auch in einem guten Klima geführt wurden und dass sie auch zu den Ergeb­nissen stehen werden. Es ist uns mit diesem Arzneimittelpaket gelungen, den prognos­tizierten Kostenanstieg von etwa 8 Prozent auf zirka 4 Prozent zu reduzieren. 3 bis 4 Prozent lautet die Prognose. Das bedeutet, dass auch in Hinkunft von den Versicher­ten mehr Geld für Arzneimittel ausgegeben wird als in diesem Jahr und dass es eine kontinuierliche Steigerung auch in Zukunft geben wird, durch die älter werdende Bevölkerung, durch neue, innovative Medikamente.

Aber wir werden diesen Kostenanstieg so weit in Grenzen halten, dass das, wie ich meine, auch für die Krankenkassen, die ich gerne zu Gesundheitsversicherungen um­wandeln würde, verkraftbar ist. Es ist darauf zu achten, dass mit dem Geld der Ver­sicherten sparsam umgegangen wird. Wenn ich mir die Gewinnmargen der Pharma­industrie ansehe, denke ich, dass das auch für die Pharmaindustrie verkraftbar ist. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die nächste Frage formuliert Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Der Gesetzgeber schreibt den Kassen das Ausmaß ihrer Leistungen vor und bestimmt gleichzeitig auch per Gesetz das Ausmaß ihrer Einnahmen. Sie wissen, dass die triste Situation vorwiegend einnahmenseitig entstanden ist.


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51. Sitzung / Seite 21

Daher die Frage:

49/M

„Welche Pläne haben Sie, die einnahmenseitige Situation der Krankenkassen unter Schonung des Faktors Arbeit zu verbessern?“

 



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51. Sitzung / Seite 22

Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Abgeord­neter Grünewald! Wir haben bereits eine Verbesserung der einnahmenseitigen Kosten­struktur vorgenommen, die auch gestern Diskussionen hier im Haus ausgelöst hat, nämlich mit der Harmonisierung der Beiträge zwischen Arbeitern und Angestellten. Die Beiträge der Angestellten wurden von 6,9 auf 7,3 Prozent erhöht, während es eine Sen­kung der Beiträge der Arbeiter von 7,6 auf 7,3 Prozent gab. Weiters wurde ein allgemeiner Unfallversicherungsbeitrag von 0,1 Prozent eingeführt. Bei den Pensionis­ten gab es eine Anhebung von zweimal 0,5 Prozent plus diese 0,1 Prozent. Das führt dazu, dass die Krankenkassen ab dem Jahr 2005 insgesamt rund 400 Millionen € mehr an Einnahmen haben werden.

Darüber hinaus habe ich nicht vorgesehen, gesetzliche Maßnahmen einnahmenseitig zu machen, sondern will den Bedarf, den wir haben, auf der Ausgabenseite bezie­hungsweise durch Effizienzsteigerung des im System befindlichen Geldes – und da ist einiges möglich – abdecken.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Herr Abgeordneter­monisierung ist ein gängiges Modewort. Ich frage Sie daher: Haben Sie vor, und wenn ja, in welchen Zeiträumen haben Sie vor, über die Angleichung von Arbeitern und Angestellten hinaus weitere Kassen in diese Harmonisierung von Leis­tungen und Einnahmen miteinzubeziehen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Abgeord­neter! Dort, wo das möglich ist, selbstverständlich. Wir haben zum Beispiel bereits im vergangenen Jahr eine Fusion zweier Krankenkassen bewilligt, und diese ist bereits in Durchführung. Die Krankenkasse der Eisenbahner hat sich mit der Krankenkasse des Bergbaus fusioniert. Hier geht es also nicht nur um eine Angleichung von Leistungen, sondern hier geht es sogar um eine Fusion zweier Krankenanstalten. Wir werden das selbstverständlich auch in anderen Bereichen verfolgen, dort, wo das auch im Rahmen der Selbstverwaltung durchsetzbar und umsetzbar ist. Sie wissen ja, dass das nicht ganz einfach ist.

Dort, wo Zusammenlegungen nicht möglich sind, werde ich darauf dringen, dass durch Erstellung von entsprechenden standardisierten Behandlungspfaden und Normkosten­modellen entsprechende Harmonisierungen auch zwischen Leistungen und Beiträgen erfolgen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Scharer, bitte.

 


Abgeordnete Erika Scharer (SPÖ): Frau Bundesministerin! Sie haben durch nicht unerhebliche unsoziale Maßnahmen die Salzburgerinnen und Salzburger eher für das Kranksein bestraft. Meine Frage jetzt: Welche konkreten Maßnahmen zur Verbes­se­rung der Qualität werden Sie im Gesundheitswesen setzen, um alle Einsparungspoten­ziale zur Konsolidierung der Finanzsituation auszuschöpfen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Abgeord­nete! Ich weise striktest zurück, dass ich durch unsoziale Maßnahmen, die Sie hier nicht definieren können und die auch Ihr Vorgänger nicht definieren konnte, die Steirer und die Salzburger oder sonst jemand in Österreich belastet hätte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ganz im Gegenteil: Es ist uns in den letzten Monaten gelungen, auch wesentliche Ein­sparungen im Verwaltungsbereich durchzusetzen, die sicherstellen, dass mehr Geld der Krankenkassen bei den Versicherten bleibt.

Was die Qualitätskriterien anbelangt, so haben wir in den letzten Monaten bereits ent­sprechende Maßnahmen gesetzt, und zwar mit der Verankerung der Einhaltung von Qualitätskriterien im Ärztegesetz und der Gründung eines Instituts für Qualitätssiche­rung. Sämtliche Ärzte, und zwar sowohl Vertragsärzte als auch Nicht-Vertragsärzte, werden in Hinkunft an diese Qualitätskriterien gebunden sein. Wir werden darüber hin­aus im Rahmen der Gesundheitsreform mit einem Qualitätssicherungsgesetz sicher­stellen, dass es insbesondere im Hinblick auf Vertragsärzte für die Gelder der ASVG-Pflichtversicherten auch entsprechende qualitätsgesicherte Leistungen geben wird. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Haubner, bitte.

 


Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Österreich hat ein ausgezeichnetes Gesundheitssystem. Was ist zu tun, damit alle Österreicherin­nen und Österreicher auch in Zukunft unabhängig von Einkommen, Alter und Ge­schlecht einen gesicherten Zugang zu den Gesundheitsleistungen haben werden?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Abgeord­neter! Es ist richtig, dass Österreich ein ausgezeichnetes Gesundheitssystem hat, das auch niederschwellig zugänglich ist. Nichtsdestotrotz gibt es auch in diesem guten System nach wie vor Versorgungslücken. Es gibt umgekehrt Überversorgungen und Doppelgleisigkeiten, die Geld kosten, aber den Versicherten nichts bringen. Darüber hinaus gibt es auch noch wesentliche Möglichkeiten der Effizienzverbesserung im System.

Wir haben uns vorgenommen, im Rahmen der Gesundheitsreform, die wir ja vergan­genen September mit einem Reformdialog begonnen haben, auch mit den Opposi­tionsparteien dieses Hauses, und einer breit angelegten Reformdiskussion über eine Gesundheitskonferenz und jetzt stattfindenden Reformdialogen, eine gesamthafte Ge­sundheitsreform sicherzustellen, die sich vor allem auf die beiden Herausforderungen konzentriert, nämlich erstens auf die steigenden Kosten, verursacht durch eine ständig älter werdende Bevölkerung, die auch in Zukunft alles das bekommen soll, was sie braucht, und zweitens auf den medizinischen Fortschritt, der seinen Preis hat, aber nicht in Frage zu stellen ist.

Wir werden daher sehr sorgfältig mit dem vorhandenen Geld umgehen müssen, wir werden aber darüber hinaus sicherlich die Summe des Geldes auch in Zukunft, ver­gleichbar mit dem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes, erhöhen müssen, und wir wer­den vor allem durch Effizienzsteigerungen eine bessere, noch bessere Versorgung der österreichischen Bevölkerung mit medizinischen Leistungen sicherstellen.

Darüber hinaus möchte ich aber, dass vor allem durch gesundheitsfördernde Maßnah­men viele Menschen gar nicht erst krank werden, und durch das Heben des Gesund-


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heitsbewusstseins das Verhalten der Menschen ein wenig stärker in Richtung gesund­heitsbewusstes Leben lenken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dolinschek, bitte.

 


Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesminis­ter! In Zusammenhang mit Einsparungen bei den Krankenkassen, interessiert mich, bei welchen Ausgabenposten den Krankenkassen bereits Einsparungen gelungen sind.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Abgeord­neter! Den Krankenkassen sind vor allem im Bereich des Verwaltungsaufwandes Einsparungen gelungen, und zwar nicht unerhebliche. Es ist beim Verwaltungsaufwand eine Reduktion von 3,4 Prozent prognostiziert gewesen. Laut vorläufigen Gebarungs­ergebnissen über das Jahr 2003 beträgt die Reduktion sogar 6,4 Prozent, ist also doppelt so hoch. Da haben die Maßnahmen offensichtlich gegriffen.

Es sind auch gegenüber dem Jahresvoranschlag 2003 bei den Zahnbehandlungen Kosten­einsparungen im Ausmaß von 1,1 Prozent gelungen. In diesem Bereich ist es vor allem mit der Vorsorge möglich, viel einzusparen. Es wäre sinnvoll, die Öster­rei­cherinnen und Österreicher von der Notwendigkeit zu überzeugen, zweimal jährlich die Vorsorgeuntersuchungen beim Zahnarzt in Anspruch zu nehmen. Einsparungen gab es weiters bei den Heilbehelfen, beim Zahnersatz, bei der ärztlichen Hilfe. Das sind die wesentlichsten Punkte. Allerdings liegen diese Einsparungen alle unter 1 Prozent – beim Verwaltungsaufwand liegen sie bei 3,4 Prozent.

Der Gesamtgebarungsabgang ist um 134 Millionen € geringer als prognostiziert. Auch in diesem Bereich ist, glaube ich, im Laufe des Jahres einiges noch gelungen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit haben wir diesen Fragenkomplex erledigt.

Wir gelangen nunmehr zur Anfrage des Abgeordneten Josef Bucher. – Bitte, Herr Kollege.

 


Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Frage zielt auf die neu einzurichtenden Gesundheitsagenturen in den Ländern ab und lautet:

47/M

„Können Sie eine Benachteiligung Kärntens auf Grund der ungünstigen Versiche­rungs­struktur bei den geplanten Länder-Gesundheitsagenturen ausschließen?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Das kann ich, weil sich jeder Landeshauptmann und jeder Landesrat in Österreich bemühen wird, Benachteiligungen seines Landes hintanzuhalten.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Es gibt unterschiedliche Dotierungen, was die Versicherungsstrukturen betrifft. Es wäre aus meiner Sicht sicherzustellen, dass es einen Gleichklang der Kriterien gibt, was die Basis für die Berechnung dieser Budgets der einzelnen Gesundheitsagenturen anlangt.


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Ist daran gedacht, auch die demographischen und wirtschaftlichen Faktoren der ein­zelnen Bundesländer in dieser Berechnung zu berücksichtigen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Selbstver­ständ­lich, Herr Abgeordneter, denn auch jetzt schon gibt es Strukturkriterien, die in den Kran­kenversicherungen berücksichtigt werden, und es gibt den Ausgleichsfonds des Hauptverbandes, der genau diese Strukturnachteile ausgleichen soll.

Vielleicht zum Verständnis für die Zuseher: Was sind Strukturnachteile? – Bundes­länder, die eine sehr große ältere Bevölkerungsgruppe haben, sind benachteiligt, weil sie höhere Kosten, aber geringere Einnahmen haben. Oder: Bundesländer, die einen hohen Anteil an Pendlern haben, beispielsweise Burgenland gegenüber Wien, haben hier Strukturnachteile, weil etwa die aus dem Burgenland in Wien arbeitenden Men­schen die Krankenversicherungsbeiträge an die Wiener Gebietskrankenkasse zahlt, aber sehr oft die Leistungen zum Wochenende im Heimatbundesland in Anspruch neh­men. Diesen Ausgleich wird es selbstverständlich auch in Zukunft geben.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weiter Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Grüne­wald, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Wahr­scheinlich können nur überregionale Landesagenturen und eine starke Bundes­agentur mehr Fairness bringen. Welche Agentur wird aber dafür zuständig sein, wenn Lan­deshauptmann Haider zukünftig vielleicht vor Kärntens Apotheken die Rezept­gebühr retourerstattet? (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Diese Frage kann ich Ihnen derzeit leider nicht beantworten.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Puswald, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sie haben Kärntner Pensionistinnen und Pensionisten durch die Erhöhung des Kran­kenversicherungsbeitrages um 1,1 Prozent, also eine Erhöhung im Ausmaß wie nie zuvor, für das Altsein de facto bestraft.

Wie hoch ist die Gesamtbelastung, die den Kärntner Pensionistinnen und Pensionisten durch diese unsolidarische – ich verwende nicht das Wort „unsozial“, das Sie zurück­weisen; unsolidarisch deshalb, weil Sie die Alten gegen die Jungen ausspielen – Bei­tragserhöhung bis ins Jahr 2005 zugemutet wird?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Abgeord­neter! Wir haben nicht die Kärntner Pensionistinnen und Pensionisten, sondern alle österreichischen Pensionistinnen und Pensionisten um Verständnis gebeten, dass wir auch in Zukunft ein gut funktionierendes System mit hochwertigen medizinischen Leistungen für alle Österreicherinnen und Österreicher, also auch für die Pensionistin­nen und Pensionisten, erhalten wollen.

Herr Abgeordneter! Es dürfte Ihrer Aufmerksamkeit entgangen sein, dass gerade in den letzten Tagen und Wochen, seit diese Diskussion entstanden ist, niemand in Frage gestellt hat, dass diese Erhöhung richtig und im Sinne der Versicherten war, um eben das System entsprechend abzusichern. Jetzt hat sich die öffentliche Diskussion nicht auf die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge kristallisiert, sondern darauf, dass


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es keine Verschlechterungen für vor allem Bezieher und Bezieherinnen kleiner Pen­sionen geben soll.

Ich bin sehr froh, dass es dafür auch ein großes Verständnis der Pensionistenverbände gegeben hat, sogar des Pensionistenverbandes Ihrer Partei. Es hat damals selbst­ver­ständlich auch Gespräche gegeben mit Ihrem Vorsitzenden des Pensionisten­ver­ban­des Blecha. Es wurde von den Pensionistenverbänden zum Beispiel gewünscht, dass wir nicht, wie von uns vorgesehen, den Beitrag viermal um 0,25 Prozent erhöhen, also jedes Jahr um eine sehr geringe Summe, sondern zweimal um 0,5 Prozent. Das war Wunsch der Pensionistenorganisationen, und für dieses Verständnis bin ich auch den Pensionistinnen und Pensionisten auch sehr dankbar.

Ich garantiere Ihnen meinerseits, dass ich meinen ganzen Arbeitseinsatz dazu auf­wenden werde, um dieses System so sicher zu halten, dass auch in Hinkunft jeder 90-Jähriger, jede 90-Jährige die Operation bekommt, die er oder sie braucht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die letzte Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Auer. – Bitte.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer (ÖVP): Frau Bundesminister! Die medi­zinischen Großgeräte stellen eine unverzichtbare Infrastruktur für die Spitäler dar. – Wird durch den aktuellen Großgeräteplan eine flächendeckende und auch moderne medizinische Versorgung in allen Bundesländern, vor allem aber auch in Kärnten, sichergestellt?

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Abgeord­neter! Die Versorgung mit medizinischen Großgeräten wurde auch bisher im Großge­räteplan der Strukturkommission gemeinsam definiert und beschlossen und dann auch umgesetzt. Kärnten ist in diesem Bereich völlig im Plan und hat auch eine sehr gute Versorgung. Zum Beispiel ist in Bezug auf CT- und MR-Geräte sowie PET-Geräte die Kärntner Versorgung besonders gut. Da gab es im Jahr 2002 noch eine unterdurch­schnittliche Gerätedichte in den Bereichen Lithotripper-x und Strahlentherapie und Emissionscomputertomographie, diese wird sich durch zusätzlich geplante Geräte dem österreichischen Schnitt angleichen. Lediglich im Bereich der Koronarangiographie ist der österreichische Durchschnittswert noch nicht erreicht.

Somit kann man sagen, dass es in den letzten Jahren gelungen ist, die unterdurch­schnittliche Versorgung mit Großgeräten in Kärnten entsprechend auszugleichen, an den österreichischen Schnitt anzugleichen, und das, was noch ansteht, wird auch dem­nächst passieren.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit ist auch dieser Fragenkomplex erledigt.

Wir gelangen zur 7. Anfrage, die Frau Abgeordnete Silhavy formuliert. – Bitte.

 


Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Frau Bundesministerin! Sie haben gerade vor­hin erklärt, dass die einseitige Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge für Pen­sionisten und Pensionistinnen zur Sicherung unseres Gesundheitssystems wesentlich beiträgt. Eine wichtige Frage ist die Gebarung der Krankenversicherung.

Daher meine Frage an Sie:

45/M

„Wie hoch ist der erwartete Gesamtabgang in der Krankenversicherung von 2003 bis 2005?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Abgeord­nete! Sie haben völlig richtig gesagt, dass die Krankenkassen immer höhere Kosten zu finanzieren haben und daher auch die entsprechende Mittelaufbringung notwendig ist. Der vorläufig bereits feststehende Abgang für das Jahr 2003 laut Erstellungsmonat Februar 2004 beträgt 183 519 160 €. Das sind gegenüber der Prognose noch im No­vember um 53,3 Millionen € weniger. Da ist es also auch gelungen, Einsparungen zu erreichen. Der prognostizierte Abgang für das Jahr 2004 beträgt 134,5 Millionen €, für das Jahr 2005 550,3 Millionen €.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Frau Ministerin! Trotz der von Ihnen erwähnten Einsparungen ist das natürlich eine katastrophale Bilanz, die Sie hier aufgezeigt und zu verantworten haben. Es sind bereits Fragen gestellt worden hinsichtlich der Selbst­be­halte, der Belastungen der Krankenkassen durch gesetzliche Maßnahmen. Jetzt meine Frage an Sie: Wie lautet Ihr konkretes Konzept für die tatsächliche Sicherung des österreichischen Gesundheitssystems?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Abgeord­nete! Sie haben vollkommen richtig gesagt, dass diese Bundesregierung eine katastro­phale Bilanz der Krankenversicherung aus sozialistischen Jahren übernommen hat. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wenn Sie sich die Abgänge der Krankenversicherungen aus den vergangenen Jahren anschauen, so sehen Sie, dass dieser Bundesregierung bereits sehr vieles gelungen ist, in Ordnung zu bringen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich hätte das sonst nicht gesagt, aber Sie haben es leider provoziert.

Frau Abgeordnete! Wir haben uns vorgenommen ... (Abg. Marizzi: Waren Sie nicht in der Regierung?) Ja, aber für das Gesundheitsressort waren seit 1945, außer während der ÖVP-Alleinregierung von 1966 bis 1970, immer sozialistische Gesundheits- und Sozialminister zuständig, mit Ausnahme der Jahre 2004 beziehungsweise der letzten vier oder dreieinhalb Jahre, in denen Gott sei Dank vieles verbessert worden ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Abgeordnete! Die Reform des Gesundheitswesens muss eine umfassende Re­form sein; ich könnte Ihnen jetzt etwas länger darüber erzählen. Vielleicht ganz kurz: Wir haben die Gesundheitsreform in fünf Bereiche gegliedert. Der erste Bereich sind die gesundheitsfördernden Maßnahmen. Der zweite Bereich ist die Frage der Quali­tätssicherung, denn oberste Priorität muss auch in Zukunft gute Qualität in den medi­zinischen und gesundheitsdienstlichen Leistungen sein. Der dritte Bereich sind Innova­tionen, weil wir wollen, dass die Österreicherinnen und Österreicher auch in Zukunft alle neuen Errungenschaften des medizinischen Fortschritts genießen können. Der vierte und fünfte Bereich sind Strukturen und Finanzen.

Die Bereiche Strukturen und Finanzen sehen vor allem vor, dass durch eine Effizienz­steigerung der im System vorhandenen Mittel und durch die Vermeidung von Doppel­gleisigkeiten, Doppelbefundungen, durch mögliche Verbesserungen im Bereich der Telemedizin, der Telematik beziehungsweise auch durch EDV-gestützte Maßnahmen im Bereich der Abrechnung Effizienzpotentiale genützt werden können.

Darüber hinaus wird es aber auch um einen sparsamen Umgang mit den entsprechen­den Mitteln gehen, und es wird auch darauf ankommen, dass die Krankenkassen letzt­endlich ihre eigenen Ausgaben durchforsten. Ich bedauere, dass zum Beispiel die Wie-


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ner Gebietskrankenkasse trotz der immer sehr vollmundigen Ankündigungen ihres Obmanns Bittner in Bezug auf meine Amtsführung den höchsten Abgang gegenüber anderen Gebietskrankenkassen hat, obwohl sie die meisten Mittel aus den Ausgleichs­fonds bekommt.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Donabauer, bitte.

 


Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Frau Bundesminister! Der Gebarungsabgang oder die Unterdeckung der gesetzlichen Krankenversicherung ist eine Tatsache, die uns zum Handeln verpflichtet.

Wo sehen Sie die besonderen Probleme? In den Grundversorgungsbereichen wie ärztliche Hilfe, Medikamente, Heilmittel oder Anstaltspflege? Oder gibt es aus Ihrer Sicht auch andere Ursachen für diesen finanziellen Zustand?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Abgeord­ne­ter Donabauer! Ich orte sozusagen die größte Schwierigkeit – auch bei einer effizien­ten Nutzung des Gesundheitssystems – in der derzeit noch getrennte Planung, Steue­rung und Finanzierung des intra- und des extramuralen Bereichs, also die Trennung der Spitalsfinanzierung und der Finanzierung der ärztlichen Leistung im niederge­las­senen Bereich, den Hausärzten beziehungsweise Fachärzten. Es geht mir darum, dass derzeit zum Beispiel die Krankenversicherungen mit einem Pauschalbetrag zur Kran­kenanstaltenfinanzierung beitragen, aber überhaupt kein Mitspracherecht haben, und dass gleichzeitig zum Beispiel die Länder sehr, sehr viel Geld zur Finanzierung des Systems der Krankenanstalten aufwenden, umgekehrt aber kein Mitspracherecht bei der Niederlassung beziehungsweise bei der Vertragsgestaltung von Ärzten haben.

Ich denke, dass hier manche Leistung kostengünstiger zu erbringen wäre und dass vor allem durch den Abbau von Doppelgleisigkeiten sehr viel Geld eingespart werden könnte.

Mit der Schaffung von Gesundheitsagenturen wollen wir eine gemeinsame Steuerung beider Bereiche, und wir wollen, dass vor allem Bund, Länder, Gemeinden und Sozial­versicherungen gemeinsam die Entscheidungen treffen müssen, wie die Leistungen an welchen Standorten zu welchen Bedingungen erbracht werden können, um so die kos­tengünstigste, aber auch die für die Patientin und den Patienten beste und ange­nehmste medizinische Versorgung zu gewährleisten.

Wir haben zum Beispiel zu wenige Pflegebetten und zu viele Akutbetten. Wir werden uns darauf konzentrieren, den Bedarf an Pflegebetten zu decken und dafür Akutbetten entsprechend umzuwandeln. Hier können auch große Kosteneinsparungen erreicht werden.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Frau Abgeordnete Silhavy zu Wort gemeldet. Das ist zwar absolut unüblich und in meiner Amtszeit noch nie vorgekommen, aber geschäftsordnungsgemäß. (Abg. Dr. Jarolim: Ich glaube, das würde reichen!) – Bitte, Frau Kollegin.

 


10.03

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Wir halten uns in dieser Fragestunde als Abgeordnete dieses Hauses an fixe Spielregeln. Ich ersuche Sie nur, sicherzustellen, dass sich auch die Regierungsbank an diese Spielregeln hält und dass nicht Anfragestellern und Anfragestellerinnen Worte in den Mund gelegt werden, die diese nicht gesagt haben.


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Ich bitte Sie um eine diesbezügliche Klarstellung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Mainoni: Was ist denn das?!)

10.03

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Molterer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


10.03

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Meine Damen und Herren! Ich bin froh, dass die Frau Minister uns in diesem Hohen Haus im Rahmen der Fragestunde umfassend informiert. Ich danke dezidiert für diese Antworten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

10.03

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir setzen mit der Fragestunde fort. (Abg. Dr. Puswald: Zur Geschäftsbehandlung!) – Herr Abgeordneter Puswald zur Geschäftsbehandlung, bitte.

 


10.04

Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich habe schon früher, anlässlich meiner Fragestellung an die Frau Bundesministerin, darum ge­beten, die Frau Bundesministerin zu veranlassen, auf meine Frage wenigstens in ir­gendeiner Form einzugehen. Ich schließe mich daher der Bitte meiner Kollegin Silhavy an, dass Sie auch in dieser Form dafür sorgen, dass hier eine ordnungsgemäße Fra­gestunde abgehalten wird.

Ich nehme zur Kenntnis, wenn ein Minister eine Frage nicht beantworten möchte, sie nicht beantworten kann oder aus sonstigen Gründen die Antwort verweigert. Aber auf eine Frage überhaupt nicht einzugehen und so zu tun, als ob man nicht da wäre, ist uns als Abgeordnete nicht zumutbar und ist auch der Würde des Hauses, für deren Wahrung ich Sie zu sorgen bitte, unangemessen. (Beifall bei der SPÖ.)

10.04

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich unterbreche die Sitzung und bitte die Klubobleute zu mir.

(Die Sitzung wird um 10.04 Uhr unterbrochen und um 10.06 Uhr wieder aufge­nom­men.)

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und stelle im Einvernehmen mit den Klubobleuten fest, dass es natürlich eine Verpflichtung des Regierungsmitgliedes gibt, die Fragen zu beantworten, wenn sie geschäfts­ord­nungsmäßig sind – und diese Fragen waren geschäftsordnungsmäßig –, dass aber über das Ausmaß, den Inhalt und die Qualität der Antwort eine Beurteilung nicht statt­findet.

Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Lichtenegger. – Bitte.

 


Abgeordneter Elmar Lichtenegger (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Ich kann zu den Ausführungen des Abgeordneten Puswald noch sagen: Ich weiß, dass die Kärntner Pensionistinnen und Pensionisten sehr froh über die Qualität des österreichi­schen Gesundheitssystems sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Meine Frage: Wir haben einige Maßnahmen zur Eindämmung des Abganges getroffen, eine davon ist das Arzneimittelpaket. Welche weiteren konkreten Maßnahmen werden Sie noch treffen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Abgeord­neter Lichtenegger! Das Arzneimittelpaket soll in der Tat die Kosten in den nächsten drei Jahren erheblich senken, um rund 120 Millionen € im Jahr 2004 und in den Folge­jahren jeweils auch noch zusätzlich durch den erhöhten Einsatz von Generika.

Wir haben aber darüber hinaus im Rahmen der gesamten Gesundheitsreform neben der Qualitätssicherung und neben der Versorgungssicherheit der österreichischen Be­völkerung im Zusammenhang mit medizinischen Leistungen immer auch das Ziel, die Finanzen im Auge zu behalten. Wir werden eine Kostendämmung nur dann erreichen, wenn wir bei den Strukturen die von mir bereits genannten Doppelgleisigkeiten abstel­len, wenn wir Überversorgungen abbauen, gleichzeitig aber Unterversorgungen kom­pensieren. So ist es mir ganz persönlich zum Beispiel ein Anliegen, die Versorgung aller österreichischen Bundesländer mit Psychotherapie auf Krankenschein sicherzu­stellen – da besteht derzeit noch eine sehr unbefriedigende, bundesländerweise je­weils unterschiedliche Regelung – oder aber auch die Erstellung eines Kinder-Ge­sundheitsplans, der derzeit fehlt und gerade erstellt wird. Wir haben im Bereich der Pädiatrie zum Teil Überversorgungen, zum Teil krasse Unterversorgungen. Zu Recht fordert Herr Abgeordneter Rasinger immer wieder ein Kinder-Rehabilitationszentrum für Österreich. Das ist eines unserer Anliegen, das wir auch in dieser Legislaturperiode noch sicherstellen wollen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzte Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Öllinger, bitte.

 


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Bundesministerin! Gestatten Sie mir eine Korrektur Ihrer Ausführungen in einem für Sie sicher unproblematischen Punkt: Sie haben gesagt, bis 2004 gab es sozialdemokratische Gesundheitsminister. – Das stimmt nicht. Es gab bis 2000 sozialdemokratische Gesundheitsminister, anschließend freiheitliche – und jetzt wirken Sie seit einem Jahr. (Demonstrativer Beifall bei Ab­geordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.) – Das ist aber natürlich nicht meine Fra­ge, sondern:

Sie haben uns jetzt zum Thema Gebarungsabgänge Zahlen genannt, die mich schon etwas erschrecken, was den Gebarungsabgang für 2005 betrifft, aber auch jenen für 2003.

Wir hatten im Jahr 2000 auch schon einen derartig hohen Abgang. Dieser hat damals dazu geführt, dass Herr Sallmutter, weil er auch noch Einnahmen – Beitrags­erhöhun­gen – gefordert hat, im Zuge einer verfassungswidrigen Reform beziehungsweise eines Umbaus gehen musste.

Welche Maßnahmen werden Sie jetzt treffen, um das Defizit der Krankenkassen so zu­rückzuführen, dass die Krankenkassen im Interesse der österreichischen Bevölkerung und von deren Gesundheit gut arbeiten können?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Abgeord­neter Öllinger! Zuerst einmal bitte ich um Entschuldigung dafür, dass ich „2004“ gesagt habe. Selbstverständlich gab es nur bis zum Jahr 2000 sozialdemokratische Gesund­heitsminister und Sozialminister.

Wir haben im Jahre 2003 den Abgang der Krankenkassen von prognostizierten 285 Millionen € auf 183 Millionen € zurückführen können. Ich denke, dass das ein


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gutes Zeichen dafür ist, dass auch in den Krankenkassen Strukturmaßnahmen ent­sprechend greifen.

Im Jahre 2004 ist eben der Abgang mit 134 Millionen € geringer als im Jahr 2003 – schon durch die Erhöhungen. Ab dem Jahr 2005 ist er in der Tat – da gebe ich Ihnen Recht – erschreckend hoch, insbesondere weil die Ausgleichsfondszahlungen von 4 Pro­zent auf 2 Prozent verringert werden und gleichzeitig die Darlehen zurückzu­zahlen sind.

Wir müssen daher sicherstellen – und ich werde diesbezüglich sicher in den nächsten Wochen auch mit den Verantwortlichen in den Krankenkassen und im Hauptverband Gespräche aufnehmen –, dass Maßnahmen im Strukturbereich bereits im Jahr 2005 greifen können beziehungsweise dass wir hier die Abgänge der Krankenkassen gegenüber den prognostizierten Zahlen wesentlich verringern.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit ist die Fragestunde beendet. Ich bedanke mich bei der Frau Bundesministerin. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortung: 1291/AB.

2. Regierungsvorlage:

5. IAKW-Finanzierungsgesetz-Novelle (413 d.B.).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag 344/A (E) der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Lückenschließung in der Arbeitslosenversicherung,

Antrag 351/A (E) der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Betriebspensionen der ehemaligen MitarbeiterInnen der Fa. Böhler;

Familienausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Arbeitszeitgesetz, das Angestelltengesetz, das Guts­angestelltengesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Arbeits­marktförderungsgesetz geändert werden (399 d.B.),

Antrag 347/A (E) der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Freistellung für Väter anlässlich der Geburt eines Kindes (Vaterschutzmonat);


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Finanzausschuss:

Bundesgesetz, mit dem ein Pfandbriefstelle-Gesetz – PfBrStG erlassen wird sowie das Sparkassengesetz und das Gesetz betreffend fundierte Bankschuldverschreibungen geändert werden (392 d.B.),

5. Zollrechts-Durchführungsgesetz-Novelle – 5. ZollR-DG-Novelle (405 d.B.);

Gesundheitsausschuss:

Antrag 350/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Studie über die Korrelation von Tumoren mit der Verwendung von Schnurlos-Telefonen nach dem DECT-Standard;

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über ge­meinsame Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutz­bedürftige Fremde (Asylwerber, Asylberechtigte, Vertriebene und andere aus recht­lichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbare Menschen) in Österreich (Grund­ver­sorgungsvereinbarung – Art. 15a B-VG) (412 d.B.);

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Antrag 348/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der EU-Agrarreform in Österreich;

Umweltausschuss:

Bundesgesetz über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten (Emissionszertifikategesetz – EZG) (400 d.B.);

Verkehrsausschuss:

Bundesgesetz über Leistungen für Privatbahnen (Privatbahngesetz 2004 – PrivbG) (391 d.B.),

Antrag 352/A (E) der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erstellung einer fundierten Studie über die Einführung einer Verkehrs­erregerabgabe;

Wirtschaftsausschuss:

Antrag 345/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Warenkorb für Güter des täglichen Bedarfs“,

Antrag 346/A (E) der Abgeordneten Mag. Dietmar Hoscher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Steigerung der Nächtigungszahlen im österreichischen Tourismus zur lang­fristigen Sicherung der Betriebe und Beschäftigten in der Tourismus- und Freizeit­wirtschaft,

Antrag 349/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Gütezeichenverordnung;

Ausschuss für Wissenschaft und Forschung:

Antrag 341/A (E) der Abgeordneten Josef Broukal, Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend 100 Millionen Euro als Sofortmaßnahme für die Universitäten.


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b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Umweltausschuss:

Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser­wirt­schaft gemäß § 23 Immissionsschutzgesetz-Luft, BGBl. I Nr. 115/1997 (III-71 d.B.).

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé, Dr. Fekter, Kolle­ginnen und Kollegen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesord­nung eingebrachte schriftliche Anfrage 1514/J der Abgeordneten Dr. Partik-Pablé, Dr. Fekter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Verbesserung des Rechtsschutzes bei Unglücksfällen dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt werden.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1255/AB

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich weiters mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 1255/AB der Anfrage 1304/J der Abgeordneten Haub­ner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Salzburg durch den Herrn Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit abzuhalten.

Da für die heutige Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage ver­langt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss an diese stattfinden.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 bis 2 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Gestal­tung und Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 6 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP und SPÖ je 105, Freiheitliche 72 sowie Grüne 78 Minuten.

Darüber hat das Hohe Haus zu entscheiden. Wir kommen daher sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein dies­bezüg­liches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. Wir gehen daher so vor.


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1. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (25 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 neu gestaltet wird (Strafprozess­reformgesetz), über den Antrag 228/A (E) der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Verfahrenshilfe im Straf­prozess und

über die Bürgerinitiative (3/BI) betreffend „Rechtsanspruch auf Verfahrenshilfe für Geschädigte/Verbrechensopfer im Strafverfahren – Strafprozessreform­ge­setz/ Regierungsvorlage“ (406 d.B.)

2. Punkt

Bericht und Antrag des Justizausschusses über den Entwurf eines Bundes­verfassungsgesetzes, mit dem die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit von Rechtsschutzbeauftragten verankert wird (407 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 bis 2 der Tages­ordnung, über die die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Redezeit: 15 Minuten. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte.

 


10.16

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben hier heute eine Gesetzesmaterie zu behandeln, die 2008 in Kraft tritt und bei der wir ursprünglich eigentlich davon ausgegangen sind, dass sie 2005 beschlossen wird, sodass wir genügend Zeit haben, sie hier zu diskutieren (Abg. Mag. Mainoni: Haben wir ... Unterausschuss!), für die aber – und das zeigt eigentlich manches auf, weil es eine der wichtigsten Materien wäre, die zu be­sprechen wären – im Rahmen des Kärntner und des Salzburger Wahlkampfes die Redezeiten, die Diskussionszeiten in der Vorbereitung verkürzt worden sind. (Abg. Scheibner: Was?! Wo sind Redezeiten verkürzt worden? – Das ist ja ungeheuerlich!) Und heute soll das hier beschlossen werden, obwohl es keine ausreichende Debatte gibt, meine Damen und Herren! Das ist ein skandalöser Umgang mit dieser Materie! Das darf ich Ihnen eingangs gleich sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: ... sagt der, die Redezeiten sind verkürzt?)

Herr Kollege Scheibner! Es nützt Ihnen gar nichts, wenn Sie da jetzt wild dazwischen­rufen.

Herr Präsident Khol! Ich darf vielleicht noch Folgendes dazu sagen (Abg. Scheibner: Da gibt es einstimmige Beschlüsse in der Präsidiale!), weil mich jetzt schön langsam nichts mehr wundert in diesem Haus: Wenn Sie heute hier gleichsam diszi­plinie­rungs­artig erklärt haben, Herr Präsident, dass es in Ihrer Karriere noch nie erfolgt, noch nie vorgekommen ist, dass, so wie heute von Kollegin Silhavy, hier eine Bitte an die Minis­terin gerichtet wird, Fragen zu beantworten, die an sie gestellt wurden – und Sie dann Kollegin Silhavy zurechtweisen (Abg. Dr. Stummvoll: Entschuldigen Sie ...!), damit gnadenhalber vielleicht die Frau Ministerin doch eine Frage beantwortet, dann zeigt das bitte ein Selbstverständnis, das aus meiner Sicht eines Präsidenten nicht würdig ist. Und ich verstehe, warum nach wie vor ein Bild von Dollfuß bei Ihnen im Zimmer


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hängt – das möchte ich Ihnen bei dieser Gelegenheit sagen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich glaube, es ist Ihre Sache, wie Sie mit Symbolen umgehen. Aber hier im Haus einen derartigen Stil einreißen zu lassen! – Gestatten Sie mir, ich möchte mich als Abge­ord­neter eindeutig gegen ein derartiges Verhalten aussprechen, meine Damen und Her­ren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die Strafprozessordnung ist eigentlich zu schade dafür, dass man so mit ihr umgeht, wie jetzt mit ihr umgegangen wird. Wir stehen dazu: Wir waren ursprünglich, 1998, eigentlich alle hier im Haus dafür, dass dieses Gesetz um­gesetzt wird. Wir alle wissen, dass es notwendig ist, eine Vorverfahrensreform durch­zuführen, eine Verrechtlichung des Vorverfahrens vorzunehmen. Wir alle wissen das.

Wir haben daher auch gehofft, dass jenes Konzept, das ursprünglich unter Minister Michalek vorgestellt worden ist, umgesetzt wird. Sie wissen – Sie kennen es aus den Diskussionen –, die Staatsanwaltschaft sollte darin eine stärkere Rolle bekommen. Die Staatsanwälte sollten jene sein, die über die Exekutive und mit der Exekutive die Erhe­bungen durchführen. Und auf der anderen Seite sollten die Verteidigerrechte gestärkt werden.

Das, was Sie daraus gemacht haben, meine Damen und Herren, zeigt, wie man aus viel wenig machen kann. Das ist eigentlich das, was ich sehr bedauere. (Beifall bei der SPÖ. – Eine große Anzahl von Abgeordneten der ÖVP hat soeben den Saal verlas­sen.)

Ich weiß nicht, warum die Damen und Herren von der ÖVP jetzt aus dem Saal aus­ziehen. Aber wenn Sie sich wünschen, dass mit Ihnen so umgegangen wird, wie Herr Präsident Khol heute mit jemandem von uns umgegangen ist, dann kann ich Ihnen nur „gratulieren“. (Abg. Dr. Trinkl: Es steht Ihnen nicht zu, den Präsidenten zu kritisieren! Das steht Ihnen überhaupt nicht zu!) Ich glaube nicht, dass eine Mehrheit in diesem Land das wirklich haben will. Aber das ist eben Ihre Entscheidung, meine Damen und Herren – und das sollten Sie dem Wähler draußen einmal sagen, was Ihre Vorstellun­gen von Demokratie sind! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Trinkl: Es steht Ihnen nicht zu, den Präsidenten zu kritisieren!)

Kollege Trinkl! Ich halte es für beschämend – ich halte das noch einmal fest. Aber machen Sie doch, was Sie wollen! (Abg. Scheibner: Was Sie hier aufführen, ist be­schämend!)

Meine Damen und Herren! Ich darf denjenigen von Ihnen, die es nicht wissen – die meisten der jetzt hier Anwesenden sitzen ja im Justizausschusses –, Folgendes sagen: Ich habe es im Rahmen einer Debatte hier – es hat ja im Unterausschuss eine umfas­sende Debatte zu einzelnen Punkten gegeben – noch nie so oft erlebt (Abg. Groß­ruck: Gehen Sie einmal auf den Inhalt ein!), dass eingeladene Experten kopfschüttelnd das Haus verlassen haben, weil sie schlicht und einfach nicht verstehen konnten, dass das, was vorgebracht wird, was ihre Verbesserungsvorschläge sind, in vielen Punkten schlichtweg nicht akzeptiert wird.

Frau Kollegin Fekter, ich verstehe das wirklich nicht, weil wir von Beginn an klar sig­nalisiert haben, dass das eine Materie ist, die aus unserer Sicht über der Parteipolitik stehen muss, und dass es in einem Rechtsstaat notwendig ist, dass hier eine Verbes­serung stattfindet. Und ich habe auch nicht verstanden, warum man hier plötzlich so agiert, wie man agiert hat, dass man nämlich der Opposition mehr oder weniger Ent­würfe vor die Nase knallt und ihr dann ganz zum Schluss erklärt: Statt im Jahr 2005 wird die Materie jetzt im Jahr 2004 beschlossen.


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Ursprünglich waren im April noch Termine anberaumt, meine Damen und Herren: Im Dezember wurde darüber gesprochen, dass es im April Verhandlungen geben sollte. – Und wegen der Kärntner und der Salzburger Landtagswahl wurde letzte Woche im Ausschuss die Materie husch-pfusch durchgedrückt und soll hier heute abgeschlossen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bedauere das wirklich zutiefst, und ich darf Ihnen auch sagen, warum ich das bedauere – Sie wissen es auch selbst –: Das Vorverfahren ist jene Schnittmaterie, für die hier die Regelungsrahmen zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Richtern auf der einen Seite und der Exekutive auf der anderen Seite zusammengestellt werden sollen.

Wir wissen, Herr Innenminister Strasser hat eine Polizeireform angekündigt, die wir derzeit nicht einmal noch in ihren Grundsätzen kennen. Jetzt ist es doch das Nahe­liegendste, meine Damen und Herren, dass bei jeder Reform, die sich damit beschäf­tigt, wie Staatsanwälte mit der Polizei zusammenarbeiten sollen, zumindest gleich­zeitig – wenn nicht bereits davor – die Polizeireform durchgeführt werden müsste.

Es kann doch nicht so sein, dass Sie sehenden Auges so tun, als wäre die Polizei­reform völlig irrelevant – und wir beschließen hier eine Materie, die auf etwas aufbaut, was es noch gar nicht gibt, meine Damen und Herren! Darf ich Sie fragen: Ist das Ihr Verständnis von Verantwortung? Ist das sinnvoll, was wir hier machen?

Ich kann Ihnen auch eines sagen: Herr Präsident Haidinger vom Bundeskriminalamt war die gesamte Zeit in den Vordebatten – Herr Kollege, Sie wissen es – im Unter­aus­schuss anwesend, und wir haben ihn auch gefragt, ob er uns sagen kann, wie diese Polizeireform – von der viele Experten sagen, sie hat polizeistaatliche Strukturen, inso­fern als alle Macht dem Innenminister direkt unterstellt wird; Sie wissen das – aus­schaut und ob das sinnvoll ist.

Die Antwort bestand darin, dass er, Haidinger – das ist eine Führungsperson, eine Führungskapazität, die in diesem Staat eine wichtige Position ausübt! –, uns gesagt hat, er habe den Auftrag, das, was im Ausschuss mitgeteilt wird, dem Innenminister mitzuteilen, aber er sei nicht in der Lage – weil er die Erlaubnis dazu nicht habe –, die Ideen des Innenministers im Ausschuss mitzuteilen. (Abg. Dr. Puswald: Unfassbar!)

Meine Damen und Herren von der FPÖ! Ich sehe schon ein, dass es hier eine Dis­ziplinierung durch den Herrn Innenminister gibt, so frei nach dem Stil der nieder­österreichischen ÖVP – wir wissen, was das heißt. Aber dass Sie, insbesondere Kolle­gin Partik-Pablé, sich ein derartiges Vorführen gefallen lassen, wo man sich von Dr. Haidinger, dem Präsidenten des Bundeskriminalamts, mitteilen lässt: Ich sage Ih­nen überhaupt nichts, ich sage aber das, was Sie hier sagen, dem Innenminister! – wobei wir ja gleichzeitig wissen, dass die Rolle des Innenministers hier enorm wichtig ist –, das verstehe ich nicht. Ich verstehe es wirklich nicht!

Ich habe auch beziehungsweise wir haben auch vorgeschlagen, die Materie im April oder im Mai zu beschließen – jedenfalls dann, wenn wir wissen, wie diese Polizei­reform ausschauen soll. – Nein, das ist abgelehnt worden.

Ich verstehe das nicht und kann Ihnen nur sagen: Wenn man sich anschaut, was bereits unter Strasser stattgefunden hat, wie sehr die Sicherheit im Lande durch fahr­lässigste Maßnahmen – wie die Zusammenlegung von Kommissariaten, die Ausdün­nung innerhalb der Polizei, die Ausdünnung des Nachwuchses – gefährdet wird, dann kann man sich auch vorstellen, dass die Gesamtstruktur, die Strasser anbieten wird, ebenso verantwortungslos sein wird und in Wirklichkeit eine Gefährdung der Sicherheit und keine Verbesserung des Sicherheitsstandards bewirken wird, meine Damen und


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Herren. (Beifall des Abg. Dr. Puswald. – Zwischenruf des Abg. Großruck.) Und dem stimmen Sie zu!

Es gibt eine Reihe von Themen, die heute diskutiert werden und die auch mit dieser Strafprozessreform zusammenhängen.

Wir haben unlängst im Zusammenhang mit Kaprun gesehen, wie notwendig es ist, bei Vorerhebungen, also dort, wo die Polizei mit den Staatsanwälten zusammenarbeitet, wirklich effizient vorzugehen. Wir haben gesehen, wie wichtig es wäre, hier Verbes­serungen durchzuführen.

Sie wissen, dass beispielsweise der Brandschutt von dieser Kabine verschwunden ist. – Meine Damen und Herren, so etwas darf nicht sein, so etwas soll nicht sein. Und genau so etwas, genau das sollte in dieser heute vorliegenden Reform geregelt wer­den, wird es aber nicht, meine Damen und Herren!

Damit haben wir auch einen Realitätsbezug, und ich frage Sie wirklich: Können Sie es, wenn Sie ganz ehrlich sind, der Öffentlichkeit gegenüber vertreten, dass Sie es hier und heute in der Hand hätten, Verbesserungen herbeizuführen, und das nicht tat­sächlich tun? Sind Sie sich der Rolle bewusst, die Sie hier heute in diesem Hause spielen, wenn es darum geht, ein zentrales Werk zu beschließen, mit dem Sie so um­gehen, wie Sie dies hier tun?

Ich würde Folgendes sagen: Ich glaube, dass die Information über das, was wir hier heute beschließen, nicht wirklich zu allen durchgesickert ist, denn ich könnte mir an­sonsten nicht vorstellen, dass es heute zu dieser Beschlussfassung kommt.

Meine Damen und Herren! Wir haben hier – Kollege Maier wird es dann noch näher ausführen (Abg. Mag. Donnerbauer: ... was drinnen steht! Sie haben nicht ein Wort zu dieser Reform gesagt!) – im Zusammenhang mit Kaprun auch darüber diskutiert, dass es notwendig ist, ein Unternehmensstrafrecht einzuführen. Sie wissen auch, dass es seit 1998 von unserer Seite eine diesbezügliche Forderung gibt, und jetzt erst, nach­dem Justizminister Böhmdorfer – es waren nicht wir – diese Idee dankenswerterweise als Erster in den Vordergrund gestellt hat, soll hier eine Weiterentwicklung stattfinden – dort, wo wir eigentlich seit Juni 2002 in Verzug sind. Seit damals sollten wir nämlich ein derartiges Unternehmensstrafrecht haben.

Die ÖVP hat das immer behindert, war immer dagegen. Es hat im Jahre 2001 einen Vorschlag gegeben, ein Unternehmensstrafrecht dort, wo die juristische Person für Organisationsmängel eintreten soll, wo sie etwas ... (Abg. Mag. Donnerbauer: Reden Sie einmal von etwas anderem! Zur Strafprozessordnung!) – Kollege, das ist wichtig! Wenn Sie sagen, das interessiert niemanden, dann ist das Ihre Einstellung. Das zeigt ja Ihre Diskussionsbereitschaft in dieser gesamten Debatte. (Abg. Dr. Fekter: Zur Sache! Zur Sache!) Das sollten wir wirklich zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin ja sehr glücklich darüber, Herr Kollege (Abg. Dr. Fekter: Diese Rede können Sie am Nachmittag noch einmal halten bei der Dringlichen!), dass Sie zeigen, wie sehr Sie wirklich daran interessiert sind, den Interessen der Bevölkerung zu entsprechen, und wie sehr Sie daher die Auffassung vertreten, dass wir jene Punkte, die es eigent­lich wert sind, hier diskutiert zu werden, nicht diskutieren wollen, meine Damen und Herren. Das spricht auch für Sie! (Abg. Mag. Donnerbauer: ...! Das sind über 200 Pa­ragraphen!)

Meine Damen und Herren! Wir werden daher heute hier einen Entschließungsantrag einbringen – bei dem wir Sie einladen mitzugehen (Abg. Dr. Fekter: Das ist die falsche Rede! Die hätte am Nachmittag zur Dringlichen gehört!) –, in dem wir fordern, dass ein derartiges Unternehmensstrafrecht umgehend beschlossen werden soll. Das darf ich


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Ihnen ankündigen, damit Sie einmal die Möglichkeit haben, Ihre vollmundigen Ankündi­gungen in der Öffentlichkeit hier auch wirklich auf den Prüfstand zu stellen.

Hinsichtlich der Materie Strafprozess selbst werden wir einen Antrag auf Rückverwei­sung an den Ausschuss stellen, um den Experten – die sich ja sogar in die Diskussion hineinreklamiert haben – die Möglichkeit zu geben, über das zu informieren, worum es hier wirklich geht.

Meine Damen und Herren! Eines der Themen ist beispielsweise der Rechtsschutz für denjenigen, der verfolgt wird. Wir haben immer gesagt, wir sind für diese Reform. Wir haben auch immer gesagt, es ist notwendig, die Staatsanwaltschaft zu stärken, damit sie über die Polizei und mit der Polizei als Leitungskompetenz agieren kann. Das, was Sie jetzt umsetzen, ist allerdings nicht eine Stärkung der Staatsanwaltschaft, sondern eine Schwächung der Staatsanwaltschaft. Die Instrumente, die Sie der Staats­anwalt­schaft in die Hand geben, sind schwächer, sind weniger, als notwendig wäre, um diese Disparität auszugleichen. (Abg. Mag. Donnerbauer: ... kein einziger Experte ...!)

Auf der anderen Seite steht ein Verteidiger, dem Sie ebenfalls die Rechte weggenom­men haben, den Sie mit völlig unbestimmten Rechtsbegriffen ausschließen können sollen, wenn Beweisermittlungen beeinträchtigt werden können. Wir alle wissen, was das in der Praxis tatsächlich heißt.

Und dieser geschwächten Staatsanwaltschaft und dieser geschwächten Verteidigung steht zukünftig dann die durch Strasser reformierte Polizei gegenüber, wobei wir der­zeit noch nicht einmal den Rechtsrahmen kennen. (Abg. Rädler: „Ja keine Verände­rung!“)

Das ist ein Problem, eine Situation, die eigentlich dieser Materie und rechtsstaatlichen Überlegungen in Mitteleuropa nicht würdig ist, meine Damen und Herren. Davor haben wir Sie gewarnt.

Es gibt viele Kritikpunkte – wir werden uns das aufteilen und hier die einzelnen Punkte ab­handeln.

Einer dieser Kritikpunkte ist ja: Gerade gestern – lustigerweise beziehungsweise weni­ger lustigerweise, sondern eher bezeichnenderweise –, mitten in der Debatte über die Dringliche Anfrage, in der das Thema Grasser abgehandelt worden ist – wurde mitge­teilt, dass die Justiz das Verfahren einstellt.

Ich kommentiere das nicht, dass die Justiz die Ermittlungen gegen den Finanzminister einstellt. Aber der Umstand, dass die Einstellung just zu jenem Zeitpunkt stattfindet, da sich hier im Hohen Haus eine Dringliche mit diesem Thema auseinander setzt (Abg. Rädler: Schlechtes Timing von euch!), überlässt es jedem hier im Haus und außerhalb des Hauses, sich eine Meinung darüber zu bilden, was davon zu halten ist, wenn sich hier der Minister zu seiner Rede erhebt, während 5 Minuten davor über die APA mitge­teilt wird, dass Verfahren werde eingestellt, und der Leiter der Justiz, der Leiter der Staatsanwaltschaft ist Justizminister Böhmdorfer! (Abg. Rädler: Schlecht informiert gewesen!)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Finden Sie, dass das okay ist? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rädler: Schlecht informiert wart ihr!)

Finden Sie, dass das den Bedenken, die schon im Laufe des Verfahrens aufgetaucht sind – es hat ja geradezu rechtswidrige Ausführungen des Staatssekretärs Finz gege­ben; es haben sich Absurditäten, die von allen Experten im In- und Ausland bestritten worden sind, über uns ergossen – gerecht wird? Können Sie das vertreten? (Abg. Dr. Fekter: Zur Sache, Herr Kollege Jarolim!)


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Ich frage Sie: Wie weit ist es schon gekommen? Und es hat sich ja Rechnungs­hofpräsident Fiedler nicht umsonst in diese Diskussion eingemengt, meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Donnerbauer: Sagen Sie etwas zur Staatsanwaltschaft ...!) – Herr Kollege, die Staatsanwaltschaft ist geschwächt. Die Staatsanwaltschaft wird mit dieser Vorverfahrensnovelle personell ausgedünnt. Sie alle wissen, es müsste nach dem neuen Konzept erheblich mehr Staatsanwälte geben. Das, was Sie machen, ist eine er­hebliche Reduktion. Es wird nicht möglich sein, Ihr Konzept, selbst wenn es funk­tionierte, tatsächlich umzusetzen, daher halte ich das für sehr verantwortungslos.

Ich weiß schon, der Herr Bundesminister wird sagen, dass das erst 2000 in Kraft treten wird (Rufe bei den Freiheitlichen: 2008!) – ich korrigiere: 2008 –, wobei ich mich da schon frage, Herr Bundesminister, warum es dann eigentlich unbedingt notwendig war, den Beschluss noch vor der Wahl – und das ist ja das Beschämende an der ganzen Sache, dass eine Landtagswahl für den Abschluss dieser Materie notwendig ist – zu fassen, ihn von April auf März vorzuziehen. (Zwischenrufe bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen. – Abg. Lichtenegger: Seit 1974 ...!)

Herr Bundesminister! Ich bin schon gespannt auf die Antwort darauf. Ist es nur, um in der Öffentlichkeit damit Eindruck zu machen? Ich glaube, dass die Materie gar nicht dafür geeignet ist, mit ihr in der Öffentlichkeit zu punkten, wirklich Eindruck zu schin­den, Herr Minister, und daher ist das, glaube ich, besonders verfehlt.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. (Ruf bei der ÖVP: Gott sei Dank!) Es ist meiner Ansicht nach sehr schade, dass aus einer großen Möglichkeit, den Rechtsstaat wirklich weiterzuentwickeln, so wenig gemacht wurde; es ist schade, dass wir da keinen Konsens gefunden haben. Es ist schade, dass wir, was den Rechts­schutzbeauftragten betrifft, letztlich nicht einmal die Möglichkeit hatten, in der Sache wirklich weiterzukommen.

Sie alle wissen, wir haben an Sie appelliert: Geben Sie uns hier die Chance, gemein­sam Rechtsschutzbeauftragte in allen Bereichen – Militärbefugnisgesetz, Sicherheits­polizeigesetz und auch in diesem Strafprozessreformgesetz – zu verankern (Abg. Dr. Trinkl: Sie verweisen ...?), Rechtsschutzbeauftragte, die diesen Namen wirklich verdienen und nicht am Gängelband beispielsweise des Innenministers in der StPO herumlaufen!

Sie alle wissen doch, dass nach Ihrem Konzept etwa der Rechtsschutzbeauftragte nicht von sich aus ermittelt und nachschauen können soll, ob alles im Recht ist, auch die Behörde ihn nicht informieren muss, sondern dass es halt dann Zufall ist, ob er gerade von dem einen oder anderen erfährt. (Abg. Miedl: Es liegt in Ihrer Hand, das zu ändern! Stimmen Sie dem zu!) Das ist nicht unsere Auffassung von der Rolle und Funktion eines Rechtsschutzbeauftragten.

Sie wissen auch von den Verfassungswidrigkeiten in der neuen Strafprozessordnung, Professor Mayer hat es Ihnen ja dargelegt.

Es ist schade, wenn ein so tolles Vorhaben derart verkommt, wie es hier der Fall ist. Es gibt natürlich noch eine Möglichkeit, das zu verbessern, aber nach dem, was Sie sich da bisher geleistet haben, bin ich sehr pessimistisch und sage nur: Eigentlich schade um dieses Vorhaben! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Stoisits.)

10.34

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Dr. Jarolim! Ich werde mir das Ste­no­graphische Protokoll Ihrer Bemerkungen herbeischaffen lassen und mich dann weiter damit befassen.

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich eine Delegation der Majlis al-Shura, des großen Shura-Rates des Königreiches Saudi-Arabien, unter der


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Leitung von Herrn Yousuf Bin Abd Al-Sattar Al-Maimani sehr herzlich in unserer Mitte begrüßen. A very warm welcome! (Allgemeiner Beifall.)

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. Redezeit: 15 Minuten. – Frau Kollegin, ich erteile Ihnen das Wort.

 


10.35

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Werte Gäste! Werte Zuseher oben auf der Galerie! Hohes Haus! Zu Beginn ein paar Worte zu den polemischen Äußerungen des Herrn Jarolim.

Herr Kollege Jarolim, Obstruktion hat den Parlamentarismus schon einmal schwerst beschädigt. Wenn Sie hier Dollfuß zitieren, dann sage ich Ihnen: Lernen Sie Ge­schichte! Obstruktives Verhalten, die Missachtung des Parlamentarismus, des Rede­rechts hat die Demokratie schwerst geschädigt und das Parlament ausgeschaltet. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Und Ihr Verhalten heute war obstruktiv! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Und die Opfer sind schuld, oder?)

Obstruktion ist es nämlich auch, wenn man nicht zur Sache spricht, wenn man hier polemische Äußerungen macht und Respektlosigkeit dem Hohen Haus gegenüber signalisiert. – Herr Kollege Jarolim! Sie sind Justizsprecher Ihrer Partei. Ich erwarte mir von Ihnen mehr Respekt vor den Spielregeln dieses Hauses. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ganz zu Beginn bedanke ich mich beim Herrn Minister, dass er eine Broschüre zur heutigen Beschlussfassung aufgelegt hat. Darin ist zu lesen, was neu ist, was ver­bessert wird und vor allem alles über den Prozess der Beratungen dieses großen Reformwerks, welcher bereits 1974 losgegangen ist und mich meine gesamte, bisher achtjährige Tätigkeit als Vorsitzende des Justizausschusses begleitet hat.

Der neue Staatsanwalt, die neuen Opferrechte, die neuen Beschuldigtenrechte, die Verankerung neuer Ermittlungsmethoden machen dieses Reformwerk zu einem der größten, das wir hier im Hohen Haus beschließen. Ein Jahr lang haben wir uns damit in einem Unterausschuss mit mehr als 40 Experten beschäftigt. Ich glaube daher, es ist ungerechtfertigt, zu behaupten, dieses Gesetz wäre schlecht vorberaten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Der neue Staatsanwalt wird nun Herr des Verfahrens sein. Die Staatsanwaltschaft an sich, als Institution, wird eine ganz neue Bedeutung bekommen. Vor allem aber wird es für sie eine neue Rolle geben: Der neue Staatsanwalt wird nicht mehr nur hinter dem Schreibtisch tätig werden, sondern auch am Tatort sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Staatsanwalt bekommt unmittelbare Ermittlungsbefugnisse. Daher möchte ich hier schon erwähnen, dass es von unserer heutigen Position aus unerwünscht ist, wenn sich die Rolle des Staatsanwaltes vom objektiven Ankläger hin zum Verbrechensjäger wandeln sollte. Wir gehen davon aus, dass der Staatsanwalt objektiver Ankläger bleibt, dass er der materiellen Wahrheits­forschung als Grundprinzip verpflichtet ist und dass inquisitorische Elemente nicht Einzug halten werden.

Die neue Rolle des Staatsanwaltes und seine neue Bedeutung ist auch im Zusam­men­hang mit dem Weisungsrecht intensiv diskutiert worden. Meine Fraktion und auch ich persönlich haben kein Problem damit, dass der Minister als Chef der Behörde ein Weisungsrecht hat, sofern es transparent ist, sofern es gesetzeskonform ist (Abg. Dr. Lichtenberger: Und die eigenen ... schützt!), sofern es der parlamentarischen Kontrolle, auch der verfassungsrechtlichen Kontrolle unterliegt, und vor allem: Wei­sungsrecht ist auch etwas, was der medialen Beobachtung unterliegt.


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Ich kann mir nicht vorstellen, dass es, wenn man dieses beispielsweise an die Ge­neralprokuratur oder an eine neue Institution – etwa eine Bundesstaatsanwaltschaft oder wie auch immer – auslagert, dann mehr Rechtsschutz gibt, denn dort wird die Kontrolle mit Sicherheit weniger intensiv, die mediale Beobachtung überhaupt nicht vorhanden sein. Ich kenne derzeit keinen Journalisten, der sich intensiv mit der Generalprokuratur auseinander setzt, ich kenne aber viele Journalisten, die sich sehr intensiv mit dem Weisungsrecht des Ministers auseinander setzen.

Daher ist die Kontrolle, der Rechtsschutz und die Beobachtung hier im Haus besser angesiedelt, als das Weisungsrecht in irgendeiner Institution zu verstecken und es damit auch aus der medialen Beobachtung zu entlassen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Da die Opposition das Weisungsrecht des Ministers als Grund dafür anführt, warum sie der StPO-Reform nicht zustimmt, möchte ich Folgendes klarstellen: Das Weisungs­recht ist nicht Gegenstand der StPO. Es findet sich darin kein einziger Paragraph, der das Weisungsrecht normiert. Das ist anderweitig in der Verfassung zu regeln. (Abg. Dr. Brinek – in Richtung SPÖ –: ... absichtlich missverstehen!)

Neu sind die Beschuldigtenrechte. Menschenrechtskonform, gemäß Artikel 6 MRK ein Fair Trial sicherstellend, haben wir, glaube ich, die Beschuldigtenrechte verfassungs­konform ausgestaltet. Es steht nämlich nirgendwo, auch in der MRK nicht, geschrie­ben, ab wann der Verteidiger die Möglichkeit haben muss, sich mit dem Beschuldigten zu beraten. Aus guten Gründen ist es zulässig, diesen Kontakt zu beschränken und zu überwachen.

Neu, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die Rechtsbelehrung durch die Exekutive für den Beschuldigten, etwas, was wir alle beispielsweise aus Filmen kennen, nämlich dass jemand, der festgenommen wird, über seine Rechte aufgeklärt wird. Das war bisher nicht Gegenstand unserer Rechtsordnung und wird nun neu normiert.

Das Vorverfahren dient – und das steht in § 1 dieser Gesetzesnovelle – zur Aufklärung von Straftaten. Daher haben wir meiner Überzeugung nach eine gelungene flexible Lösung gefunden, in der einerseits die Verteidigerrechte verankert sind und anderer­seits aber auch alle Möglichkeiten geschaffen wurden, Straftaten aufzuklären. Dafür einen Kompromiss zu finden, war nicht einfach. Ich glaube aber, dass das, was wir jetzt festgelegt haben, nicht nur verfassungskonform ist, sondern auch beiden Rechts­instituten – Aufklärung der Straftaten und Verteidigungsrechte – gerecht wird. Ich glau­be, der Kompromiss ist gut gelungen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Neu in dieser Strafprozessordnung sind auch die Opferrechte. Noch Mitte der neunzi­ger Jahre gab es Spott und Häme, insbesondere von ideologisch linker Seite, als ich in einer Pressekonferenz die Forderung nach mehr Rechten für Opfer von Straftaten erhob. Der Juristentag in Salzburg Mitte der neunziger Jahre hat dieses Thema dann ebenfalls und sehr sachlich diskutiert. Und die dortige Crème de la crème der Juristen, all diese Experten waren sich damals noch ziemlich einig darin, dass Opfer im Straf­prozess der objektiven Wahrheitsfindung hinderlich sind, wenn ihre Position gestärkt wird.

Für Opferrechte einzutreten, war damals nicht in. Lediglich Harald Ofner, Justizminister außer Dienst, damals der Justizsprecher der Freiheitlichen, hat schon damals ein Plä­doyer für mehr Opferrechte gehalten. Heute werden die Regierungsfraktionen im Ho­hen Haus, nämlich ÖVP und FPÖ, diese Opferrechte im Gesetz verankern! Und auch in der Diversion werden wir die Opferrechte verbessern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Herr Minister! Ich hoffe, dass wir die Opferrechte nicht erst 2008 in Kraft setzen, sondern dass es vielleicht auch die Möglichkeit gibt, sie in die alte StPO einzubauen. Einen entsprechenden Entschließungsantrag haben alle vier Fraktionen im Justiz­aus­schuss beschlossen.

Neu ist auch die Verankerung von modernen Ermittlungsmethoden für die Kriminal­polizei: Observation, verdeckte Ermittlung, Scheinkauf. Die Kontrolle dieser Ermitt­lungsmethoden obliegt dem bewährten Rechtsschutzbeauftragten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Rechtsschutzbeauftragte war in den letzten Tagen intensiv in Diskussion. Er ist während der Zeit der großen Koalition auf Wunsch der SPÖ geschaffen und auf Wunsch der SPÖ damals auch weisungsfrei und unabhängig gestaltet worden. Er hat sich bestens bewährt, er hat bereits dem Parla­ment einen Bericht übergeben. Ich glaube, es herrscht in diesem Haus grundsätzlich Einigkeit über das gute Instrumentarium, das wir dem Rechtsschutzbeauftragten gegeben haben, und auch darüber, dass sich diese Institution bewährt hat.

Bedauerlicherweise hat der Verfassungsgerichtshof vor ein paar Tagen in seinem Erkenntnis zum Militärbefugnisgesetz ausgeführt, dass die Weisungsfreiheit des Rechtsschutzbeauftragten einer Verfassungsbestimmung bedarf. Daher sind wir im Justizausschuss bei jener Fraktion, die diese Verfassungsmehrheit gewährleisten kann, vorstellig geworden und haben ein eigenes Verfassungsgesetz zur Absicherung der Weisungsfreiheit des Rechtsschutzbeauftragten eingebracht, welche auch für die alte StPO gelten sollte, also auch für jenes alte Modell, wie es sich die SPÖ damals ge­wünscht hat.

Mir absolut unverständlich – und auch allen Experten unverständlich – hat die SPÖ dem nicht zugestimmt. Die SPÖ hat gemeint, das wäre zu schnell, sie wolle zudem verankern, dass beim Rechtsschutzbeauftragten auch Informationsmöglichkeiten festgelegt werden und dass er Mittel zur Aufgabenwahrnehmung bekommt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bringe hier jetzt einen Abänderungs­an­trag der Abgeordneten Fekter und Mainoni, in dem wir genau jene Wünsche der SPÖ, die sie im Ausschuss artikuliert hat, verankern und ihnen die Hand dafür reichen, eine Verfassungsbestimmung zur Absicherung des Rechtsschutzbeauftragten zuzu­lassen.

Dieser Antrag lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Fekter, Mag. Mainoni und Kollegen zum Bericht und Antrag des Justizausschusses (407 d.B.) betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit von Rechtsschutzbeauftragten verankert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Das Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit von Rechtsschutzbeauftragten verankert wird, lautet wie folgt:

„Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Weisungsfreiheit von Rechtsschutzbeauftragten verankert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

§ 1. Durch Bundesgesetz kann zur Wahrnehmung eines besonderen Rechtsschutzes bei Ermittlungsmaßnahmen, die in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte ein-


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grei­fen, ein Rechtsschutzbeauftragter eingerichtet werden; dieser ist in Wahrnehmung seiner Aufgaben an keine Weisungen gebunden.

§ 2. (1) Dem Rechtsschutzbeauftragten ist ungehindert Zugang zu den für die Wahrnehmung seiner Aufgaben notwendigen Informationen zu geben. Dies gilt nicht für Auskünfte und Unterlagen, insbesondere über Quellen, deren Bekanntwerden die nationale Sicherheit oder die Sicherheit von Menschen gefährden würde.

(2) Ferner ist dem Rechtsschutzbeauftragten die zur Wahrnehmung seiner Aufgaben erforderliche Unterstützung zu gewähren.“

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPÖ! Mit diesem Abänderungs­antrag haben wir Ihre Wünsche erfüllt. Ich hoffe, dass Sie damit den bewährten Rechtsschutzbeauftragten in der StPO weisungsfrei stellen und ihn somit verfassungs­konform weiter als weisungsgebunden im Amt lassen.

Sollten Sie diesem Antrag nicht die Verfassungsmehrheit geben, dann, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPÖ, wird der Rechtsschutzbeauftragte eben einfachgesetzlich weisungsgebunden sein. Eine verfassungswidrige StPO werden wir mit Sicherheit nicht beschließen. Wir werden die StPO verfassungskonform be­schließen! Und dann ist eben eine Regelung für die Weisungsungebundenheit nicht möglich. Wir gehen nämlich davon aus, dass auch alle anderen Bestimmungen der StPO verfassungskonform sind, insbesondere der Instanzenzug zu Gericht, denn die Staatsanwaltschaft ist keine Verwaltungsbehörde im klassischen Sinn, sie erlässt keine Bescheide, die beim UVS zu landen haben – gerade das ist ja im Unterausschuss ganz intensiv diskutiert worden, Professor Moos hat das auch detailliert ausgeführt, daher sind wir auch dafür, dass dieser justizielle Charakter der Staatsanwaltschaft in der Verfassung verankert wird.

Ebenso halten wir die Blutabnahme für verfassungskonform. Sie ist ein Eingriff in ein Grundrecht und muss daher richterlich bewilligt werden. Ich halte es schlichtweg für Unsinn, zu sagen, für die Blutabnahmen machen wir eine Verfassungsbestimmung, dann haben wir nämlich einen Persilschein per se. Das würde weniger Rechtsschutz bedeuten als wenn das im Einzelfall durch richterlichen Beschluss geprüft wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Bedauerlicherweise wird die Opposition diesem Reformwerk nicht zustimmen, obwohl die Regierungsvorlage auf Grund der Expertenberatungen auch im Sinne der Op­position, wie ich meine, wesentlich verbessert wurde.

Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, werden sich daher den Vorwurf gefallen lassen müssen, dass Sie wieder einmal Reformbremser sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Steibl: Genau! Bravo!)

10.49

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Frau Abgeordneter Dr. Fekter eingebrachte Ab­änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Fekter, Mag. Mainoni und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit von Rechtsschutzbeauftragten verankert wird, ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Dr. Jarolim, ich habe mir das Protokoll über Ihre einleitenden Bemerkungen kommen lassen, nachgelesen und erteile Ihnen auf Grund Ihrer Kritik an der Vorsitzführung ich habe das noch nie getan, aber einmal


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ist immer das erste Mal – einen Ordnungsruf. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen. – Rufe bei der SPÖ: Nein!) – Bitte keinen Beifall!

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Wunschredezeit: 15 Minuten, gesetzliche Redezeit: 20 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim – in Richtung des den Vorsitz führenden Präsidenten Dr. Khol –: Eine Begründung hätten Sie mir sagen können!)

 


10.50

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobro jutro! Poštovane dame i gos­podo! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Im Jahre 1995 hat Rechtsanwalt Dr. Richard Soyer, der inzwischen Vorsitzender der im letzten Jahr gegründeten Vereinigung österreichischer StrafverteidigerInnen ist, gemeinsam mit den Grünen im Nationalrat eine Enquete zum Thema „Strafprozessuales Vorverfahren“ veranstaltet. Über diese Enquete ist im Verlag Österreich sogar ein Buch erschienen, das die Ergebnisse zusammengefasst hat. Ich erwähne das zu Beginn meiner Aus­führungen über diese „Jahrhundertreform“ deshalb, weil damit gezeigt werden soll, dass die Diskussion über das strafprozessuale Vorverfahren nicht nur innerhalb des Justizressorts – wie ja in der heute vom Justizminister hier zur Verteilung gebrachten Broschüre zu lesen ist – bereits seit 1973 oder 1974 geführt beziehungsweise Vorar­beiten dazu geleistet wurden, sondern dieses Reformvorhaben auch von der parla­mentarischen Opposition – Grüne hat es damals, in den siebziger Jahren, noch nicht im Parlament gegeben – sehr ernst genommen und vorangetrieben wurde.

Wir Grüne haben unsere geringen Ressourcen – wir waren damals eine kleine Fraktion mit neun Abgeordneten und entsprechend wenigen Mitarbeitern – deshalb darauf kon­zentriert, weil uns die Verrechtlichung des Vorverfahrens ein gesellschafts- und justiz­politisches Anliegen ist. Diesen Reformbedarf, diesen Diskussionsprozess und diese Vorarbeiten haben weder die Fraktion der Grünen noch – und schon gar nicht! – die sozialdemokratische Fraktion, die ja damals eine Regierungsfraktion war, jemals in Abrede gestellt, Herr Bundesminister. Wir haben auch nie, von, wie Sie, Herr Bundes­minister in Ihrer heute vorgelegten Broschüre behaupten, Husch-Pfusch-Gesetzgebung in Bezug auf das Vorverfahren gesprochen.

Das, Herr Bundesminister – und diese Kritik kann ich weder Ihnen noch der Frau Vor­sitzenden des Justizausschusses ersparen – ist genau der Punkt, der die Opposition in der von Ihnen zeitlich vorgegebenen absoluten Schlussphase so gestört hat, nämlich dass eine Reform, die über Jahrzehnte vorbereitet wurde – Mitte der neunziger Jahre hat es den inzwischen in Fachkreisen berühmten Szymanski/Miklau-Entwurf gegeben hat; ich selber habe während meiner Zeit als Abgeordnete kaum ein anderes justiz­politisches Reformwerk erlebt, das diese Dimension gehabt hat, denn wir reden ja von der Novellierung eines Gesetzes aus dem 19. Jahrhundert, nicht aus dem 20., und jetzt sind wir im 21. Jahrhundert! –, für die es einen derart langen Diskussionsprozess ge­geben hat, in einer Art abgeschlossen wird, die dieser Vorbereitung unangemessen ist. Nichts anderes als das habe ich behauptet! (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Dass Sie dann in der Ihnen eigenen Art in Broschüren sofort alle Namen nennen, nach dem Motto: Jetzt muss alles festgeschrieben werden! – von Husch-Pfusch-Gesetz­gebung und so weiter –, das soll Ihnen unbenommen bleiben, aber es kommentiert sich von selbst, Herr Bundesminister, denn ich behaupte, dass jene Damen und Herren des Justizausschusses, die schon länger Mitglied des Justizausschusses sind – jeden­falls viel länger als Sie Minister –, wesentlichere Beiträge zum Vorantreiben der Diskussion und der Reform selbst geleistet haben als Sie. Diese Anmerkung erlauben Sie mir auch noch zu machen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sind Sie eifersüchtig auf die Leistung des Ministers?)


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Meine Damen und Herren! Es sind in der Schlussphase der Diskussion vor allem zwei Aspekte heftig diskutiert worden. Die bereits von Jarolim und Fekter erwähnten Verfassungswidrigkeiten – ich sage: mutmaßlichen Verfassungswidrigkeiten; wir reden ja vom Vorverfahren, und da gibt es sozusagen nur Verdächtige – sind es, die uns neben einem zweiten großen Komplex, auf den ich auch noch zu sprechen kommen wer­de, dazu veranlasst haben, diesem Reformwerk heute unsere Zustimmung zu ver­weigern.

Herr Bundesminister! Eine Vorlage, über die seit Mitte der neunziger Jahre in realen Entwürfen diskutiert wurde und im Jahr 2004 abgeschlossen wird, sollte doch – und das ist ein Appell, den ich an das Justizressort, an Sie und an Ihre Fraktionen richte –von allen eventuellen, vermuteten Verfassungswidrigkeiten frei sein! Nur dann, Herr Bundesminister, wäre es eine gute Reform! Aber eine Reform, die so evident im Ruf steht, vor dem Verfassungsgerichtshof beeinsprucht zu werden, kann keine Jahrhun­dertreform sein, hinsichtlich derer man ruhig schlafen kann, Herr Bundesminister, sobald sie heute beschlossen wird.

Diese Diskussion und auch die in den Detailfragen streckenweise sehr intensiven Beratungen im Justizausschuss, auch zur Frage der Verfassungswidrigkeit am Beginn der Beratungen – ganz zu Beginn wohlgemerkt, als jene beiden Professoren, die im Auftrag des Justizministeriums ein Gutachten über Verfassungsfragen im Zusammen­hang mit dem strafprozessualen Vorverfahren erstellt haben, ebenfalls dort ihre Mei­nung geäußert haben; es ist ein aus deren Sicht fundiertes Gutachten, aber es ist auch das einzige Gutachten, das in dieser Frage in Auftrag gegeben und erstellt wurde –, haben gezeigt, dass es auch andere Meinungen darüber gibt.

Darum ist es schlicht und einfach falsch, wenn die Vorsitzende des Justizausschusses behauptet, es gebe niemanden – so ungefähr hat sie es ja vor einigen Minuten gesagt –, der in dieser StPO-Reform Verfassungswidrigkeiten vermutet beziehungs­wei­se darauf hinweist. (Abg. Dr. Fekter: Das habe ich nie gesagt!) – Frau Vorsitzende! Es gibt sie aber, und sie tragen honorige Namen wie beispielsweise Professor Heinz Mayer. Ist der nichts und niemand? Wenn Sie schon nicht der Opposition und dem Fachwissen, das die Opposition, ebenfalls beraten durch Sachkundige, hier deponiert hat, glauben, dann doch denen! (Abg. Dr. Fekter: Pluralismus der Experten­meinun­gen!) Das, meine Damen und Herren, wäre wesentlich, um den Blickwinkel, aus dem der Vorgang insgesamt dargestellt wird, wieder zurechtzurücken.

Wir haben in der Schlussphase der Diskussion über das strafprozessuale Vorverfahren auf nichts anderes hingewiesen als auf Folgendes: Wenn man eine Jahrhundertreform zum Abschluss bringt, dann soll sie so zum Abschluss gebracht werden, dass man versucht, einen breiten gesellschaftlichen und justizpolitischen Konsens über diese Re­form zu finden.

Ich sage Ihnen: Sie haben diesen Konsens nur um Haaresbreite verfehlt, weil er der Opposition ein Anliegen gewesen wäre.

Herr Bundesminister – und damit komme ich zum zweiten Punkt, der für uns eine so wesentliche Rolle spielt in Hinsicht darauf, was tatsächlich in der StPO geregelt wird –, Frau Kollegin Fekter hat zwar Recht damit, dass das Weisungsrecht, also die Spitze der Weisungshierarchie, die beim Bundesminister für Justiz, der jetzt den Namen Böhm­dorfer trägt, liegt, nicht im Vorverfahren festgeschrieben ist. Aber es gehört zu wesentlichen Punkten, die, obschon formal außerhalb dieses Gesetzeskonvoluts – ich habe es nicht mit, aber die Damen und Herren haben es ja alle gekriegt, das ist ein riesiges Paket, das ist ja nicht nichts! –, also woanders festgeschrieben werden, inhaltlich ein Teil der Diskussion über diese Gesetzesnovelle waren, um einen breiten


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justizpolitischen und gesellschaftlichen Konsens tatsächlich zu ermöglichen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Gerade Sie, Herr Bundesminister – und damit komme ich auf das Weisungsrecht konkret zu sprechen –, haben in den letzten Jahren, eigentlich seit Sie Minister sind, so oft wie nie zuvor ein Justizminister in der Öffentlichkeit beteuert, das Weisungsrecht noch nie in Anspruch genommen zu haben, ja das Weisungsrecht überhaupt nicht zu brauchen, gleichsam nach dem Motto: Ich bin erhaben über den Vorwurf, so ein niedriges Instrument wie die Möglichkeit, der Staatsanwaltschaft eine Weisung zu geben, überhaupt in Anspruch zu nehmen!

Dann aber, Herr Bundesminister, ist nur eine einzige Frage zu stellen: Wieso schaffen wir etwas, was von Ihnen ohnehin nicht in Anspruch genommen wird, nicht einfach ab und lösen damit das Problem, das verhindert, dass es zu einem breiten gesell­schaftlichen und justizpolitischen Konsens in dieser Jahrhundertreform kommt?

Herr Minister! Diese Frage ist bis zuletzt unbeantwortet geblieben, weil im Unteraus­schuss zwar die Beratungen dieser rund 40 justiz- und verfahrensrechtlich wirklichen Kapazunder und Kapazunderinnen, die über diese zutiefst politische Frage sorgfältig diskutiert haben, stattgefunden haben, die Professoren diese Frage im Unterausschuss aber nicht allein zu diskutieren haben. Das ist nämlich eine Frage, die die Politik zu entscheiden hat. Genau diese Diskussion wurde verweigert und wird bis jetzt ver­wei­gert, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es gibt immer nur einen Hinweis, dass wir das, was grundlegende Verfassungsfragen wären, dann alles im Konvent diskutieren werden. Herr Minister! Sie und ich, wir sind Mitglieder des Konvents. Sie haben auch schon im Ausschuss IX des Konvents „Rechtsschutz, Gerichtsbarkeit“ mitgearbeitet.

Es ist kein Zufall, dass die Beurteilungslinien, wenn es um dieses anachronistische Privileg – so nenne ich das – des politischen Weisungsrechts des Mandatars Justiz­minister oder des politischen Organs Justizminister geht, in der Diskussion in diesem Ausschuss IX des Konvents wie im Parlament auch laufen. Das sind die Linien zwi­schen Mehrheit und Minderheit, jene Linien, die dort Parteipolitik repräsentieren, nämlich die ÖVP- und FPÖ-Vertreter. Sie wollen nicht darüber diskutieren und sagen, es sei alles in Ordnung. Alle anderen, die Opposition plus die Fachleute des Konvents sagen: Hier gibt es Diskussionsbedarf, hier gibt es Reformbedarf, hier gäbe es die Möglichkeit, dieses Problem aus der Welt zu schaffen, indem man jetzt eine politische Lösung – und das war unsere Forderung – im Rahmen der StPO-Reform vereinbart.

Dass ich sie nicht in dieses Gesetz schreiben kann, ist jedenfalls mir und Ihnen klar. Politik ist aber ein bisschen mehr als das, was man dann in Buchstaben des Gesetzes formuliert, Politik hat etwas mit miteinander reden, Konsens suchen zu tun, aufeinan­der einzugehen und zu versuchen, diesen gesellschaftlichen Prozess auch in den Griff zu bekommen und zu steuern. Das vermissen wir bis jetzt gänzlich in dieser so wesentlichen und wichtigen Frage, Herr Bundesminister.

Deshalb werde ich – ich habe das im Unterausschuss, glaube ich, auch schon ge­sagt – bei dieser Reform nicht mit – wie Sie sagen – Genugtuung dagegen stimmen, Herr Bundesminister. Ich als Vertreterin der Grünen im Unterausschuss und unsere Fraktion haben über all die Jahre und Monate darum gerungen, zu einem Schlusspunkt zu kommen, der besagt: Das ist eine Jahrhundertreform, diese Jahrhundertreform tra­gen wir mit.

Aber Ihr – verzeihen Sie diese Beurteilung! – Starrsinn in dieser Frage und die nicht vorhandene Flexibilität und Bereitschaft der Regierungsfraktionen, diese Fragen überhaupt zu diskutieren, führen mich und die grüne Fraktion in die bedauerliche


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Situation, dass wir sozusagen zerknirscht nein sagen müssen. Ich wiederhole nicht, was die Vorsitzende des Justizausschusses über die inhaltlichen Punkte der StPO-Reform hier gesagt hat. Dazu stehen wir, und wir hoffen auch, dass, wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, diese Neufassung des Vorverfahrens die Intentionen erfüllen kann. Diesbezüglich möchte ich jene Punkte herausgreifen, bei denen unsere Fraktion die größten Zweifel über die politischen Fragen des Weisungsrechts hinaus hegt, nämlich ob das dann tatsächlich möglich wird, obwohl die Reform so halbherzig geblieben ist.

Das ist erstens die Frage der Verteidigerrechte. Wenn der Justizausschuss und das Justizministerium mit solchen – wie soll ich es nennen? – Ressentiments gegenüber Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen in Verhandlungen tritt, wobei grundsätzlich immer einiges im Raum blieb – die Hauptvertreterin dieser These, Frau Dr. Partik, hatte diesbezüglich ja Vorstellungen, die sich jenseits jeder Menschen­rechtskonfor­mität bewegen (Abg. Scheibner: Vorsicht!), die jedoch Gott sei Dank, aber nicht voll­ständig, abgewehrt wurden –, so ist das nicht gut. Wenn sich dieses Misstrauen gegen­über Verteidigerrechten so ausdrückt, dass jetzt genau das passiert, was ein glasklares strafprozessuales Vorverfahren nicht tun sollte, nämlich dass wieder auf dem Erlassweg durch Justiz- und dann Innenminister Dinge geregelt werden, die eigentlich Teil der StPO-Reform sein sollten, dann sollte man ganz klar und präzise in das Ge­setz schreiben, unter welchen Umständen Verteidigerinnen und Verteidiger bei der Vernehmung durch die Polizei nicht zugelassen sind.

Das ist für mich das Indiz schlechthin, dass Sie, bevor die Reform noch beschlossen wurde, schon ankündigen, dass Sie via Erlass Präzisierungen vornehmen werden. Herr Bundesminister! Wozu ist das Gesetz da? – Das Gesetz ist dazu da, um präzise Festschreibungen zu treffen. – Das ist der erste Punkt, nur sehr kursorisch, denn dazu gäbe es noch viel zu sagen.

Der zweite wesentliche Punkt unterstützt sozusagen diese Frage der Unverhältnis­mäßigkeit zwischen – ich sage es jetzt sehr vereinfacht – Polizeimöglichkeiten und -rechten und Rechten der Verdächtigen.

Herr Bundesminister, glauben Sie allen Ernstes, dass das jemanden überzeugt, wenn man sagt, der Staatsanwalt, die Staatsanwältin ist künftig Herr oder Frau des Vorver­fahrens, aber die LeiterIn des Vorverfahrens erfährt erst drei Monate, nachdem ein Verfahren bereits läuft, dass überhaupt Ermittlungen stattfinden? Das ist nämlich die Realität des Vorverfahrens, wie sie jetzt festgeschrieben ist. Staatsanwälte und Staats­anwältinnen müssen von der Polizei erst nach drei Monaten darüber informiert wer­den – das nennt man technisch „Berichtspflicht“ –, dass Ermittlungen stattfinden. Nach drei Monaten!? Erscheint es Ihnen als Rechtsanwalt, Herr Minister, nicht ein bisschen zu lang, wenn Sie da an die Realität denken?

Herr Minister, da meine Redezeit eigentlich schon abgelaufen ist, möchte ich auf jenen Punkt verweisen, der, inhaltlich betrachtet, die positivsten Veränderungen von der Regierungsvorlage zum Endprodukt heute hier in der zweiten und dritten Lesung erfahren hat, nämlich die Opferrechte. Darauf wird meine Kollegin Mag. Weinzinger noch genauer eingehen. Aber selbst da ist man, um tatsächlich von einem Jahrhun­dertreformwerk sprechen zu können, auf halbem Wege stehen geblieben.

Umso mehr freut es mich, dass man zuletzt wenigstens noch den Einwand der Oppo­sition gehört hat. Sich auf der einen Seite als die große Opferschutzpartei zu gerieren und auf der anderen Seite den Menschen zu sagen, es gibt jetzt mehr Opferschutz und Opferrechte, aber sie treten erst im Jahr 2008 in Kraft, das zu korrigieren versuchen und im wahrsten Sinne des Wortes in ein neues Licht zu rücken, das verdanken Sie, Herr Minister, der Opposition! Darum werden wir diesem Entschließungsantrag auch zustimmen.


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Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Weisungsabhängigkeit der Staatsanwälte, die Frage der unzureichenden personellen und materiellen Ausstattung der Staatsanwaltschaften, die nicht gesichert ist, die Frage der Schwächung des Staatsanwalts, der Staatsanwältin durch die „Reform 04“ des Innenministers, der sich in diesem Diskussionsprozess um das strafprozessuale Vorverfahren gänzlich der Diskussion entzogen hat, der nicht ein einziges Mal bei den intensiven Beratungen des Unterausschusses erschienen ist, wo sich selbst sein Vertreter explizit nur in kurzen Antworten geäußert hat, wenn er ganz konkret gefragt wurde, all das wirft ein Licht auf die StPO-Reform, das uns zu dem Schluss kommen lässt, ihr nicht zuzustimmen. Die Polizeirechte schauen heute ganz anders aus als im Diskussionsprozess 1998/99, als unter Minister Michalek die ersten Entwürfe vorgelegt wurden. Jetzt heißt das End­produkt zwar mehr Rechte für Beschuldigte insgesamt, aber wesentlich mehr Polizei­rechte als ursprünglich geplant.

Meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie reden von einem anderen Gesetz! Das stimmt überhaupt nicht, was Sie da sagen! Sie sind wieder einmal falsch informiert!) Das ist wirklich aus Überzeugung Grund genug, um unsere Skepsis zum Ausdruck zu bringen und zu sagen: Ja zur Reform, aber nein zu dieser Reform in dieser Ausgestaltung. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Mag. Wurm.)

11.10

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. – Bitte. (Ruf bei den Freiheitlichen – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Maionini –: Bring wieder Sachlichkeit hinein!)

 


11.10

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Argumentation der Op­position, namentlich der SPÖ, ist ja geradezu abenteuerlich. Ein Jahrhundertgesetz wird in den Ausschüssen gründlich diskutiert (Abg. Dr. Fekter: Ein Jahr haben wir es beraten!), kommt ganz normal in das Plenum, und Sie glauben – Sie müssen schon furchtbar nervös sein! –, dass das Gesetz wegen der Landtagswahlen in Kärnten und in Salzburg käme! Sie müssen also schon furchtbar nervös sein, dass Sie glauben, dass eine derartige Jahrhundertreform deshalb gemacht wird, weil in zwei Bundes­ländern Wahlen stattfinden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Folgendes fällt mir zu den Ausführungen der Kollegin Stoisits ein: Sie hat in ihrer 20-minütigen Rede 18 oder 19 Minuten lang über die Beschuldigtenrechte, über die Ver­dächtigen und über den Polizeistaat gesprochen. Erst in der letzten Minute ist ihr eingefallen, dass es Opferrechte auch noch gibt. (Abg. Dr. Lichtenberger: Herr Kolle­ge, Sie haben nicht zugehört!) Das zeugt von einer Geisteshaltung, die sich hier sehr deutlich dokumentiert. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Gestatten Sie aber, dass ich schon auf den Inhalt dieses Gesetzes oder dieser Reform eingehe, weil sie wirklich notwendig und wichtig ist. Man kann natürlich leicht sagen, es handle sich um ein Jahrhundertgesetz. Da wir uns im vierten Jahr eines neuen Jahr­hunderts befinden, kann man das leicht sagen. Wenn man es aber prüft, verdient es tatsächlich diesen Namen. Die Strafprozessordnung stammt in den wesentlichen Zügen aus dem Jahre 1873. – Ich darf gleich dazu sagen: Diese Reform betrifft gar nicht so wenige Personen. Das ist kein Orchideenthema.

Ich nenne Ihnen nur zwei statistische Zahlen dazu: Im Jahr 2003 waren bei Bezirks­gerichten 207 000 anhängige Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft, bei Landesge­richten waren es 106 000. Das ist eine ganz beachtliche Zahl! Dieses Gesetz und die­se Reform betrifft also nicht nur einige wenige Österreicherinnen und Österreicher, sondern eine Vielzahl von Menschen. In immerhin 50 Prozent der Fälle hat die Staats-


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anwaltschaft eine Enderledigung durchgeführt. Es wurden also keine Gerichte ein­ge­schaltet.

Aber was geschah bisher? Warum ist diese Reform notwendig? – Bisher war es so, dass zwar formell der Untersuchungsrichter das Vorverfahren leitete und leitet. Das heißt, er hätte es führen sollen. In der Praxis hat sich aber herauskristallisiert – darüber besteht ja wirklich Einigkeit –, dass der Untersuchungsrichter vom polizeilichen Han­deln überholt wurde. Tatsache ist – um es etwas überspitzt zu formulieren –, dass die Exekutive getan hat, was sie für richtig gehalten hat und was sie wollte, und nur zum Untersuchungsrichter gegangen ist, wenn sie etwas gebraucht hat. Diese Situation wurde erkannt, deshalb wurde diese Reform notwendig. – Das war der eine Ansatz der Reform.

Der zweite Ansatz der Reform basiert – das soll man nicht verhehlen; wir sagen es auch sehr gerne – auf freiheitlichen Prinzipien und betrifft insbesondere den Opfer­schutz. Zusätzlich stehen – ein Streitpunkt der Opposition; für uns überhaupt kein The­ma – die Beschuldigtenrechte in diesem Zusammenhang.

Lassen Sie mich aber kurz auf die Entstehungsgeschichte zurückkommen. – Dieses Gesetz, in seinen Grundzügen aus dem Jahre 1873, ist im Jahr 1998 einmal im Justiz­ministerium mit einem Diskussionsentwurf behandelt worden. In den Jahren 1999 und 2000 gab es bereits eine breite Erörterung dieses Diskussionsentwurfes. Im Jahr 2001 kam es dann zu einem Ministerialentwurf, im Jahr 2002 kam es durch die neue Gesetz­gebungsperiode schließlich nochmals dazu. Im Mai 2003 begannen die parlamenta­rischen Beratungen darüber. – Wenn hier SPÖ-Justizsprecher Jarolim von „Husch-Pfusch“ spricht, muss ich sagen, ich verstehe ihn wirklich nicht. Seit Mai 2003 wird dieses Gesetz oder diese Reform gründlichst im Justizausschuss und in den entspre­chenden Unterausschüssen unter Einbindung der Opposition diskutiert. Es diskutierten nicht nur die Abgeordneten, sondern es waren 40 namhafte Experten eingeladen.

Es waren die Wissenschaft, die Richter, die Staatsanwälte, die Kriminalpolizei und die Rechtsanwälte eingeladen. Wie man – so, wie es die Opposition macht – von einer „Husch-Pfusch-Aktion“ sprechen kann, verstehe ich nicht, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Puswald: Alle sind heute dagegen!)

Nach dieser gründlichen Diskussion steht das Gesetz endlich zur Verabschiedung an. Wie war die Sache eigentlich bisher geregelt, weil Sie das so kritisieren? – Bisher gab es ein dreistufiges Vorverfahren: ein sicherheitsbehördliches Vorverfahren, die Vor­erhebungen der Staatsanwaltschaft und dann die gerichtlichen Voruntersuchungen. Durch dieses neue Gesetz wird dies nun vereinheitlicht. Es wird nur mehr eine einheit­liche Verfahrensstruktur geben. Die operative Ermittlungstätigkeit wird der Kriminal­polizei unter Leitung der Staatsanwaltschaft übertragen werden. Die Kriminalpolizei wird angemessene rechtliche Rahmenbedingungen dafür bekommen. Vor allem wird sie – das ist auch wichtig, deshalb möchte ich es auch an dieser Stelle erwähnen – moderne Befugnisse bekommen.

Wir befanden und befinden uns derzeit bei manchen kriminalpolizeilichen Ermittlungen im gesetzfreien Raum. Die Möglichkeit für verdeckte Ermittlungen beispielsweise wird nun normiert. Das hat es bisher nur bei Suchtgiftkriminalität gegeben. Nunmehr wird es alle Kriminalitätsbereiche betreffen. Weiters fand das Einschleusen eines Kriminal­beamten in eine Verbrechensorganisation bisher im rechtsfreien Raum statt. Dies wird jetzt geregelt. Auch der Abschluss von Scheingeschäften fand im rechts­freien Raum statt. Wir kennen die Diskussionen: Welches Geld soll man nehmen? Wie soll man es abschreiben? – Dies wird damit geregelt.

Der Einsatz der DNA-Analyse, ein ganz wichtiges Instrumentarium zur Verbrechens­bekämpfung, war bisher nur im Sicherheitspolizeigesetz geregelt. Er wird jetzt in diese


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Strafprozessreform einbezogen. Weiters war die Observation bisher in der StPO nicht geregelt, außer in internationalen Verträgen. Durch die Reform wird sie in der StPO ebenfalls geregelt. Schließlich werden auch Art und Umfang der Identitätsfeststellung und der körperlichen Untersuchung sowie das Thema Blutabnahme endlich geregelt. Das findet dann auch nicht mehr im rechtsfreien Raum statt.

Ich komme nun zu einem sehr wichtigen Punkt, wie ich bereits angekündigt habe: zu den Opferrechten. Die Opfer von Straftaten werden nunmehr verstärkt geschützt und unterstützt. Dies beginnt mit einem Informationsbeteiligungs- und einem Antragsrecht. Die Opfer werden außerdem über das Recht auf Information über das Verfahren sowie über die Akteneinsicht belehrt. Vor allem kann es auch – was wichtig ist – Überset­zungshilfe geben. Das wird dort bezüglich der Opfer geregelt.

Ein weiterer wichtiger Bereich ist folgender: Die Opfer können sich an parteiöffentlichen Beweisaufnahmen beteiligen und dort Fragen stellen. Es ist ganz wichtig, dass das Opfer eine zentrale Rolle bekommt.

Es folgt ein weiterer ganz wichtiger Punkt: Opfer von Sexual- und Gewaltdelikten ha­ben jetzt Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung. Ich darf nur ein Beispiel nennen. Eine ältere Dame, die beraubt wird, steht vor Gericht ihrem Täter als Zeugin gegenüber. Sie hat begründet Angst. Der Täter, der sie beraubt hat, steht ihr gegenüber. Wird er freikommen? Wird er verurteilt werden? – An dieser Stelle setzt die Betreuung an, auf die sie Anspruch hat. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Weiters möchte ich den Antrag auf Fortführung des Verfahrens anführen. – Ich komme dann noch auf das Thema Weisungsproblematik zu sprechen, das für uns keine Prob­lematik darstellt. – Das Opfer hat Anspruch auf Verfahrenshilfe. Dies ist ein ganz wichtiger Bereich. Verbrechensopfer erhalten derzeit im Strafverfahren keinen unent­geltlichen Rechtsbeistand. Auch das wird sich ändern.

Schließlich komme ich auf Schadenersatzansprüche zu sprechen. Wenn man sich als Privatbeteiligter anschließt, gibt es darüber hinaus das Beweisantragsrecht. Auch in diesem Fall sollen bedürftige Opfer einen Anspruch auf Beigebung eines Verfahrens­hilfeanwaltes haben. Dies bezieht sich also nicht nur auf Beschuldigte, sondern auch auf die Opfer. Diese Gleichstellung der Opfer ist uns Freiheitlichen bei dieser Reform sehr wichtig.

Ich komme nun auch auf die Stellung des Beschuldigten im Vorverfahren zu sprechen, weil es demokratiepolitisch ein wichtiger Punkt ist – zwar nicht wie bei der Opposition der wichtigste, aber auch ein sehr wichtiger Punkt. Der Beschuldigte wird nach dieser Reform das Recht auf Information über den Inhalt der Beschuldigung und die we­sentlichen Rechte im Verfahren haben. Das steht ihm derzeit nämlich erst ab der gerichtlichen Vorerhebung zu – vorher nicht.

Der Beschuldigte hat das Recht auf Akteneinsicht, das im Ermittlungsverfahren grund­sätzlich bereits durch die Kriminalpolizei und durch den Staatsanwalt zu gewähren ist. Dieses hatte er bisher erst bei der gerichtlichen Vorerhebung.

Weitere wichtige Punkte betreffen das Beweisantragsrecht, das dem Beschuldigten zusteht, und das Recht auf Übersetzungshilfe. Dieses galt bisher nur bei gerichtlichen Einvernahmen – vorher noch nicht. Weiters möchte ich das Recht auf freie Verteidi­gerwahl und den Anspruch auf Verfahrenshilfe nennen, das Recht, auch zu schweigen und das Recht, vor der Vernehmung mit einem Verteidiger Kontakt aufzunehmen. – Ich komme später noch auf diesen Punkt zu sprechen. – Natürlich ist auch das Recht, vor der Vernehmung einen Verteidiger beizuziehen, zu nennen, meine sehr geehrten Da­men und Herren!


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Nun komme ich zu den so genannten heiklen Punkten, die für uns keine heiklen Punk­te sind. Sie sind klar geregelt. Aber für die Opposition stellen sie heikle Punkte dar. Ich komme also auf das Weisungsrecht zu sprechen. Frau Dr. Fekter hat bereits rich­tigerweise darauf aufmerksam gemacht, dass das nicht Gegenstand dieser Reform ist, sondern ganz woanders steht. Folglich wird es auch nicht hier behandelt, sondern könnte allenfalls in einer anderen Rechtsmaterie behandelt werden. Es gibt das Weisungsrecht, es wird nicht missbraucht und es gibt klare Regeln dazu. Man kann immer auf den Missbrauch abstellen. Damit kann man letztendlich alles kippen. Das ist aber keine seriöse Diskussion. (Abg. Dr. Puswald: Also bitte, die Argumente waren seriös!)

Es geht letztendlich um die Angst, dass durch Weisung ein Verfahren eingestellt wer­den kann. (Abg. Dr. Puswald: Das ist nicht Angst, das ist Realität!) – Nein, das ist bei den Opferrechten klar geregelt. Das Opfer kann nämlich vom Gericht prüfen lassen, ob diese Einstellung tatsächlich gerechtfertigt war oder nicht. Es gibt aber auch noch die Sonderregelung für Fälle von beträchtlichem öffentlichem Interesse. Auch da gilt das Weisungsrecht nicht, weil automatisch der Untersuchungsrichter von sich aus tätig wird.

Ich komme nun auf die Argumentation, die ich von Seiten der SPÖ höre, man hätte auf die Polizeireform warten sollen, zu sprechen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die StPO-Reform ist jetzt fertig. Es ist aus unserer Sicht überhaupt kein Problem, die beiden Materien zusammenzuführen. Abgesehen davon – es wurde ohnehin erwähnt – ist der Geltungsbeginn für das Jahr 2008 vorgesehen. Das heißt, für die Zusammen­führung dieser beiden Rechtsmaterien ist wohl noch genügend Zeit.

Zu den Verteidigungsrechten des Beschuldigten. – Darum soll es ja doch erheblichen medialen Wirbel gegeben haben. Als ob das der zentrale Punkt dieser ganzen Reform wäre! Das ist er mitnichten! Ich komme dennoch gerne darauf zu sprechen. – Vor dem ersten Verhör und zum polizeilichen Verhör kann der Beschuldigte einen Verteidiger beiziehen. Ein Ausschluss ist möglich, wenn die Gefahr einer Behinderung der Ermitt­lungen besteht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch bei diesem Punkt arbeitet man mit Un­terstellungen, wenn man diese Dinge alle in Frage stellt. Ich meine hier die Unter­stellung eines Missbrauchs. Es ist notwendig und wichtig, dass der Exekutive das nötige Werkzeug in die Hand gegeben wird, dass sie Verbrechen aufklären kann. Wenn die Behinderung von Ermittlungen droht, dann ist es selbstverständlich und klar, dass der Beschuldigte keinen Verteidiger beiziehen kann. Aus unserer Sicht ist dies eine klare, richtige Regelung, die auch darauf abstellt, dass die Exekutive in der Lage ist, Verbrechen wirkungsvoll aufzuklären.

Meine Damen und Herren! Ich möchte ein kurzes Wort zum Rechtsschutzbeauftragten anfügen. Es ist ja grotesk! Anlässlich des Lauschangriffs und der Rasterfahndung war es gerade die SPÖ, die im Jahr 1996 oder 1997 die Forderung aufstellte, dass der Rechtsschutzbeauftragte weisungsfrei sein solle und dass er überhaupt installiert werde.

Meine Damen und Herren! Jetzt gibt es eine VfGH-Entscheidung – und jetzt plötzlich will man das nicht mehr haben?! Man stimmt hier nicht zu? Das heißt auf gut Deutsch: Man will die Weisungsfreiheit aufheben. Ich verstehe die Welt der SPÖ nicht mehr! (Abg. Dr. Puswald: Das ist Unsinn!) Auf der einen Seite steht die Forderung nach Weisungsfreiheit, auf der anderen Seite sagt man: Nein, da stimmen wir nicht zu. Das heißt: Wir wollen, dass er weisungsgebunden ist. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist keine seriöse Diskussion, die Sie führen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Zum Schluss kommend darf ich Folgendes noch kurz erwähnen: Einerseits wird von der Opposition „husch-pfusch“ gesagt, obwohl wir seit über einem Jahr dieses Thema breit mit allen Experten diskutieren. Andererseits liegt ein Entschließungsantrag der Sozialdemokraten über die Strafbarkeit juristischer Personen vor. Darin wird der Minister aufgefordert, dem Nationalrat binnen drei Monaten einen Gesetzesvorschlag zuzuleiten. Auf der einen Seite heißt es „husch-pfusch“, auf der anderen Seite soll mit 1. Juli ein Gesetz fix und fertig dastehen. (Abg. Dr. Puswald: Dem Nationalrat soll es zugeleitet werden!) Aber keine Angst, wir bemühen uns schon darum. Dieses Thema der Strafbarkeit der juristischen Person wird auch von uns angegangen werden. Das ist gar keine Frage.

Wir wissen, dass diese Reform ein wichtiges und ein gutes Gesetz ist. Es stört mich überhaupt nicht, wenn die Opposition mutwillig – und ich sage bewusst: mutwillig – hiebei nicht zustimmt, denn wir sind die Reformkoalition und wir beschließen auch die Reformen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.26

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Bundesminister Dr. Böhm­dorfer. – Bitte.

 


11.26

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte zunächst auf eine Bemerkung der Frau Abgeordneten Stoisits eingehen, nämlich darauf, dass Sie den Eindruck haben, dass ich mich vielleicht als Schöpfer dieser StPO-Novelle fühle. – Ich kann Sie versichern – lesen Sie nach! –, ich habe das nie getan! Ich weiß vielmehr ganz genau, dass das eine Gesamtanstrengung über drei Jahrzehnte war, dass sehr viele Personen – Wissenschafter, Legisten, Parlamentarier – dabei die Verantwortung tragen und mitgearbeitet haben. Es war nicht notwendig, die Angst zum Ausdruck zu bringen, dass ich mir da ein „Federl“ auf den Hut stecken könnte, das ich nicht verdiene.

Ich möchte deshalb ganz kurz auf die Geschichte der StPO und vor allem darauf, welche Persönlichkeiten daran mitgearbeitet haben, eingehen. Die Arbeiten haben bereits im Jahre 1974 begonnen und haben sich später, im Jahre 1985, auf das Vor­verfahren konzentriert. Die Herren Ofner, Foregger, noch als Sektionschef, später als Minister, Universitätsprofessor Dr. Nowakowski, aber auch der Ihnen allen bekannte Justizsprecher, Rechtsanwalt Dr. Michael Graff und die Sektionschefs Dr. Miklau und Dr. Szymanski waren damals schon tätig.

Auch der Anteil der Richter an dieser Reform ist groß. Trotz des Umstandes, dass sich später die Kritiker der Richter – ihr Standesvertreter ist hier – von dem entfernt haben, was sie selbst vorgeschlagen haben, möchte ich das erwähnen. Das ist anscheinend so in der Demokratie. Wir haben das alles gemeinsam ausdiskutiert. Die Arbeit der Richter war groß, weil bereits im Jahre 1996 das Schwerpunktthema der Richterwoche in Rust eben diese StPO-Novelle war. Das Jahr 1997 stellt einen ganz wichtigen Zeitpunkt dar. – Ich hoffe, Kollege Jarolim ist hier. Ja, das ist der Fall. – Damals hat man den Rechtsschutzbeauftragten eingeführt. In dieser Form besteht er noch heute. Man hat ihn mit einfacher Stimmenmehrheit eingeführt. Man hat damals beschlossen, dass eine weisungsfreie Persönlichkeit unabhängig überprüft, ob so schwerwiegende Grundrechtseingriffe wie Rasterfahndung und Lauschangriff korrekt durchgeführt werden. Der Rechtsschutzbeauftragte hat die Aufgabe, Grundrechtseingriffe zu kon­trollieren und dagegen Rechtsmittel zu erheben.

Das hat reibungslos funktioniert. Ein sehr prominenter und bekennender Sozialde­mo­krat, der Verfassungsrichter Professor Dr. Machacek, war der erste Rechtsschutz-


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beauftragte. Ich bin wirklich erstaunt darüber, dass Sie heute diese bewährte Rege­lung, die auch von einem Sozialdemokraten anerkannterweise gelebt wurde, nicht mehr fortführen wollen. Ich möchte Sie an einen Spruch dieser Tage erinnern, der offenkundig von beiden großen Parteien anerkannt wird, der da lautet: „Politik braucht ein Gewissen“. (Abg. Dr. Jarolim: Sie sollten nur bei der Wahrheit bleiben! – Abg. Dr. Stummvoll: Jarolim hat kein Gewissen!)

Ich appelliere daher an all jene Abgeordneten der Sozialdemokraten, die, ihrem Gewissen folgend, 1997 für diesen Rechtsschutzbeauftragten gestimmt haben: Ich frage mich, wie sie heute stimmen werden, wenn es darum geht, einem Hinweis des Verfassungsgerichtshofes zu folgen und diese Regelung, die sie alle einfachgesetzlich beschlossen haben, in den Verfassungsrang zu heben, damit diese bewährte Einrichtung im Dienste des Rechtsschutzes fortbestehen kann.

Mein Appell richtet sich an das Gewissen aller, die schon damals, im Jahre 1997, zugestimmt haben, dass sie auch heute verfassungsrechtlich diese Regelung ab­sichern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Jarolim: Herr Minister! Beschreiben Sie bitte die ganze Thematik, damit kein falscher Eindruck entsteht! Das ist nicht sehr seriös!)

Ich habe die ganze Thematik soeben beschrieben. Es geht um nicht mehr und um nicht weniger, als dass dieser Rechtsstaat Österreich eine Einrichtung hat, die Rechts­schutzbeauftragter heißt. Wir haben sie gemeinsam geschaffen, und wir wollen sie auch weiterhin behalten. Wir wollen auch im Konsens mit dem Verfassungsgerichtshof leben. (Abg. Dr. Jarolim: Das sollten Sie auch! Genau das ist der Punkt!) Wenn Sie das nicht wollen, dann entscheiden Sie heute anders.

1998 hat es einen Diskussionsentwurf gegeben, und es liegt an mir, heute dafür dem ehemaligen Minister Dr. Michalek nachträglich den Dank auszusprechen. Er hat diesen Enwurt politisch geschaffen, und dieser war die Grundlage des Umstandes bezie­hungsweise die Voraussetzung dafür, dass wir im Jahr 2000 in die Zielgerade gehen konnten. Damals hat auch eine sehr produktive Zusammenarbeit begonnen. Ich schätze diese Zusammenarbeit sehr, und ich kann es nicht genug betonen, sondern möchte es ausdrücklich herausstreichen, nämlich die Zusammenarbeit mit Innen­minis­ter Strasser und seinem Ministerialrat Dr. Haidinger und dessen Team. Es war eine gute Zusammenarbeit, eine vorbildliche Zusammenarbeit, und ich bedanke mich aus­drücklich bei Innenminister Strasser für eben diese Kooperation. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

Im Jahre 2001 haben wir das Gesetz dem Ministerrat zum ersten Mal zugeleitet. Ins­gesamt war es dreimal im Ministerrat.

Jetzt komme ich wieder auf Sie zurück, Herr Kollege Jarolim: Sie haben gesagt, es habe keine ausreichende Debatte gegeben. (Abg. Dr. Jarolim nickt.) Der Justiz­aus­schuss hat sofort seine Arbeiten aufgenommen, fünf Sitzungen abgehalten und einen Unterausschuss eingerichtet. (Abg. Dr. Jarolim: Es hat keine Spezialdebatte gege­ben!) Rund 40 Experten haben uns dort beraten. Bitte, weisen Sie darauf hin, Herr Kollege, wie oft Sie konkrete Fragen im heutigen Stil und in der heutigen Art an diese Experten gestellt haben! Sie werden nichts finden. (Abg. Dr. Trinkl: Keine einzige!)

Es waren sehr produktive Gespräche. Sie haben die Experten reden lassen, und Sie haben sich nachträglich zum Teil darauf berufen, aber eines muss ich schon sagen: Eine Diskussion mit Experten in der Art, dass Sie deren Kopfschütteln ausgelöst hätten, weil Sie so kluge Ideen gehabt hätten, hat es nicht gegeben. An eine solche Diskussion kann sich, glaube ich, niemand erinnern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Jarolim: Ich glaube, das spricht für Sie!)


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Am 20. Feber 2004 hat nach einer sehr ausführlichen Diskussion der Justizausschuss die Novelle, die heute zur Beschlussfassung ansteht, angenommen, und zwar leider – ich gestehe das – nur mit Mehrheit, denn der Konsens wäre mir sehr wichtig gewesen. Aber die Diskussion war wirklich ausreichend. Wir haben alle Anregungen berück­sichtigt, wir haben jahrlang geduldig über die Weisungsfrage diskutiert, obwohl diese nicht in die StPO-Novelle gehört und dort auch nicht geregelt ist. Sie wurde, weil es sich im Prinzip um eine Verfassungsfrage handelt, richtigerweise dem Konvent zuge­wiesen und wird dort diskutiert. Dort können die Mitglieder des Konvents viel mehr mitreden und mitarbeiten, als dies im Justizausschuss möglich gewesen wäre. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist ja kein Ersatzparlament!) Sagen Sie das, bitte, auch einmal! Auch andere Nebenthemen haben wir geduldig diskutiert.

Wir haben auch das Konzept an die Abgeordnetenwünsche angepasst, und wir glau­ben, dass nunmehr ein Ergebnis vorliegt, das sich sehen lassen kann.

Der Inhalt dieser Novelle ist im Wesentlichen bekannt. Im Zentrum stehen tatsächlich neben der Dreiteilung der Ermittlungsvorgänge – Staatsanwaltschaft, Polizei und ge­richtliche Ermittlungen – die Opferrechte. Es hat einen ungeahnten Zuwachs an Opfer­rechten gegeben, den man sich vor einigen Jahren noch gar nicht vorstellen konnte. Es haben dazu – das gebe ich zu – alle Parteien einen Beitrag geleistet, aber Motor dieser Mehrung an Opferrechten waren zweifellos die Regierungsparteien. An dieser Stelle muss ich sagen: Insbesondere natürlich auch diejenigen, die mit Opferrechten zu tun haben und die sich um deren Verbesserung seit Jahrzehnten bemühen. Ich möchte hier keine Bewertung vornehmen, aber sehen Sie sich die Parteiprogramme an, sehen Sie sich die Zielsetzungen der einzelnen Parteien an, dann werden Sie sehen, dass gerade die Freiheitliche Partei und natürlich auch die ÖVP diesbezüglich sehr viele Vorschläge eingebracht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das Neue an diesen Opferrechten ist – und das wird im Minderheitsbericht, Frau Ab­geordnete Stoisits, nicht ganz richtig erwähnt –, dass nunmehr die Opfer eine psycho­logische und rechtliche Betreuung erhalten. Sie stehen, Frau Abgeordnete Stoisits, al­so nicht, so wie Sie es behaupten, im ungeklärten finanziellen Raum, sondern werden auf Kosten des Staates, auf Kosten des Justizbudgets betreut, so wie wir das schon drei oder vier Jahre hindurch freiwillig und erfolgreich getan haben.

Die Opfer haben nun ein Beweisantragsrecht, sie erhalten ein Recht auf Akteneinsicht, sie haben ein Fragerecht, sie können bei der Einstellung des Verfahrens den Antrag auf Fortführung stellen – also alles Dinge, die einerseits die Opferrechte stärken und andererseits auch das staatsanwaltschaftliche Handeln kontrollieren. Das möchte ich Ihnen in Erinnerung gerufen haben, weil Ihr Minderheitsbericht in dieser Frage nicht ganz den Tatsachen entspricht.

Richtig ist, dass dieses Jahrzehnt, in dem wir leben, ein Jahrzehnt der Vermehrung des Ansehens und der Wichtigkeit und der Verantwortung der Staatsanwälte ist. Begonnen hat das bereits im Jahre 2000, als die Diversion eingeführt wurde. In etwa die Hälfte aller Strafsachen – Herr Abgeordneter Mainoni hat es schon erwähnt – werden durch staatsanwaltschaftliches Handeln nach einer Plausibilitätsprüfung und einer gewissen Beweiswürdigung eingestellt.

Das ist eine riesige Verantwortung, die der richterlichen Verantwortung gleichkommt. Da gibt es keinen Unterschied mehr, und es ist auch zu betonen, dass unsere Staats­anwälte vorher Richter gewesen sein müssen, bevor sie zur Staatsanwaltschaft kom­men und dort tätig werden können. Ich glaube, dass diese Bedeutung von den Staats­anwälten erkannt und auch gelebt wird und dass wir damit gut fahren, weil es auch expeditiv und rechtsstaatlich vertretbar ist.


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Ich danke allen Legisten, die an diesem Strafprozessreformgesetz mitgewirkt haben. Ich danke Herrn Sektionschef Dr. Roland Miklau, der bei diesem Gesetz bis zuletzt die Betreuung innegehabt hat, dem nunmehrigen Leiter der Oberstaatsanwalt Dr. Werner Pleischl, der Generalanwältin Mag. Eva Fuchs, dem Leitenden Staatsanwalt Mag. Christian Pilnacek und der Frau Richterin Mag. Carmen Prior. 

Ich danke aber auch allen Ideengebern, allen Kritikern, auch der Opposition und allen Gutachtern, vor allem den Professoren Moos, Steininger, Burgstaller, Bertel, Fuchs, aber auch dem Rechtsanwalt und Professor Soyer, allen Leitenden Oberstaats­an­wälten und der Frau Rechtsanwältin Dr. Rech. 

Ich danke auch allen, die zum Entstehen dieses Gesetzes organisatorische Beiträge geleistet haben.

Und ich danke auch den Medien, die eine Zeit lang dieses Gesetz nicht voll akzeptiert haben. Aber am Ende ist die Berichterstattung tatsächlich sachlich geworden, und das ist gut für die Bevölkerung, weil das das Vertrauen in diese Novelle natürlich stärkt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Legisten hatten es nicht immer leicht, hatten viele Angriffe zu ertragen, waren mit viel Unverständnis konfrontiert, wurden zum Teil auch mit politischen Unterstellungen verdächtigt, die sie nicht verdient haben. Auch wurden ihnen unsachliche Motive unter­stellt, die es nicht gegeben hat. Das muss deutlich in diesem Parlament, in diesem Ho­hen Haus gesagt werden. Ich sage es deshalb, weil gerade Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, oft den Wert der legistischen Arbeit des Justizministeriums anerkennen. Das soll auch heute ausdrücklich zum Ausdruck gebracht werden.

Auf die Justizverwaltung kommen große Herausforderungen zu, das stimmt. Wir müs­sen das Personal aufbauen. Wir brauchen dazu in etwa dreieinhalb Jahre. Wir benötigen zirka 55 zusätzliche Staatsanwälte. Das wurde wissenschaftlich in Zusam­menarbeit mit den Staatsanwälten, mit den Richtern und mit deren Standesvertretung ermittelt. Wir brauchen ein Budget für den vermehrten Opferschutz. Wir werden Schu­lungen durchführen müssen. Es wird viel Literatur und viele Seminare geben. Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte, Bezirksanwälte, Privatbeteiligtenvertreter und alle Prak­tiker werden dieses Gesetz studieren müssen.

Eines ist ganz interessant, Frau Abgeordnete Stoisits: Sie kritisieren das Gesetz, wol­len aber, dass wesentliche Teile desselben vorgezogen werden. Ich danke für diese positive Kritik, die eigentlich eine Unterstützung ist. Vielleicht findet das sogar in Ihrem Stimmverhalten Niederschlag.

Wie geht es weiter, meine Damen und Herren? – Ich werde die Legisten einladen, morgen mit mir eine Stunde gemütlich zusammenzusitzen, um diesen zu erwartenden Erfolg zu feiern. Das Thema wird aber nicht die StPO sein, sondern das Thema wird die Reform des Hauptverfahrens sein. Wir gehen spätestens morgen daran, das Hauptverfahren zu reformieren, und zwar nicht im großen Block, weil es sich gezeigt hat – das sage ich ganz offen –, dass so große Novellen einen zu großen, zum Teil nicht mehr ganz verständlichen überdimensionalen Widerstand erzeugen. Wir werden daher morgen darangehen, das Hauptverfahren in Teilabschnitten zu reformieren. Sie haben heute bereits die ersten Zeitungsberichte diesbezüglich lesen können.

Ich danke Ihnen allen für Ihre Aufmerksamkeit.

Diese Novelle ist ein Baustein der österreichischen Rechtsstaatlichkeit. Sie ist eine Visitenkarte auch des Parlaments und der parlamentarischen Zusammenarbeit, denn wir haben auch dann, wenn Sie dagegen stimmen, viele Anregungen erhalten, die wir eingearbeitet haben.


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Unsere Strafrechtspflege braucht eine moderne Grundlage für die Kriminalitäts­be­kämpfung, für die öffentliche Sicherheit und für den Opferschutz, und diese wollen wir heute schaffen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.41

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

 


11.41

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ho­hes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hätte ein großes Reform­werk werden können, aber leider ist es nicht zu der großen Reform gekommen, die gesell­schafts- und justizpolitisch – das haben alle Fraktionen außer Streit gestellt – notwen­dig gewesen wäre.

Wenn die Kollegin Fekter davon spricht, dass die Bestimmungen dieses Gesetzes ver­fassungskonform wären, dann muss ich ihr sagen: Im Unterauschuss haben namhafte Experten, wie es die Kollegen Stoisits bereits dargelegt hat, auf Verfassungsprobleme hingewiesen. Wir werden daher als sozialdemokratische Fraktion – und das haben wir bereits angekündigt –, sollte es heute hier zu einer Beschlussfassung des Strafpro­zessreformgesetzes kommen, dieses beim Verfassungsgerichtshof anfechten.

Wir vermuten, dass wir dabei denselben Erfolg wie beim Militärstrafgesetz haben wer­den, nachdem der Verfassungsgerichtshof die Frage des Rechtschutzbeauftragten als nicht verfassungskonform bezeichnet hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sozialdemokratie verweigert sich keiner klaren Regelung. Auch wir meinen, dass die Frage der Rechtschutzbeauftragten ganz klar geregelt werden muss. Dafür haben wir auch eine Punktation erstellt. Unser Hauptkritikpunkt an dem heute von den Regierungsparteien vorgelegten Papier besteht darin, dass wir Sozialdemokraten meinen, dass ein Rechtschutzbeauftragter als Organ des Parlaments eingerichtet werden muss. Das muss unsere Hauptforderung sein! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Gabriela Moser.)

Wir stimmen Ihnen zu, wenn Sie sagen, dass den Rechtschutzbeauftragten die not­wendige Informationen zukommen müssen. Sie müssen in der Lage sein, zu diesen Informationen zu kommen. Aber gleichzeitig ist es auch notwendig, dass die ents­prechenden Ressourcen einem Rechtschutzbeauftragten zur Verfügung gestellt wer­den. Doch das ist auch in Ihrem Entwurf, Frau Kollegin Fekter, nicht vorgesehen!

Wir haben eine breite Palette von Forderungen entwickelt und sind bereit, auf dieser Ebene mit Ihnen in Verhandlungen einzutreten und da eine klare Regelung für Öster­reich zu beschließen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei einer Strafprozessordnung geht es um Menschen; da stimme ich mit dem Kollegen Mainoni voll überein. Die Frage, die sich für uns alle stellen muss, ist: Was ändert sich durch dieses Gesetz, verglichen mit der derzeitigen Rechtslage? Oder anders formuliert: Wird es besser? Kann mit dieser neuen Regelung ausgeschlossen werden, dass zum Beispiel Folgendes nicht mehr passiert, was vor kurzem in den Medien zu lesen war – ich zitiere –:

„’Operation Spring’ wird neu aufgerollt. ‚Drogenboss’ nach fünf Jahren enthaftet.“ – Be­gründet wird das mit dem Argument: „Obwohl sich herausstellte, dass der Dolmetscher äußerst mangelhafte Sprachkenntnisse besaß, stützten sich viele Verurteilungen (bis zu zehn Jahre Haft) auf die Übersetzungen.“ – Zitatende.

Herr Bundesminister, ich frage Sie: Welche Regelung im Entwurf verbessert die Rolle der Dolmetscher im Strafprozess?


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Ein weiteres Beispiel: Peter Heidegger. Peter Heidegger saß acht Jahre unschuldig. Er wurde verurteilt. Im Ermittlungsverfahren beziehungsweise im Vorverfahren sind Be­weismittel verschwunden. Es kam zu einer Beweismittelunterdrückung. Die Exekutive hatte einen Täter, und diesen Täter wollte man verurteilen.

Peter Heidegger saß acht Jahre, wurde letztes Jahr in einem Wiederaufnahme­ver­fah­ren freigesprochen und kämpft jetzt um die strafrechtliche Entschädigung.

Herr Bundesminister, ich frage Sie: Können Sie einen Fall „Peter Heidegger“ in Zukunft ausschließen? (Abg. Parnigoni – in Bezug auf Bundesminister Dr. Böhmdorfer, der neben der Regierungsbank mit Abgeordneten der ÖVP spricht –: Der hört dir nicht zu, der Minister, der hat Koalitionsverhandlungen!)

Der nächste Fall: der Fall Tibor Foco in Linz. (Bundesminister Dr. Böhmdorfer spricht weiterhin mit Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Parnigoni – darauf Bezug nehmend –: Das ist unerhört! Das geht ja nicht: Ein Abgeordneter hält seine Rede, und der Minister hört nicht zu! Wie ist denn das in diesem Haus? – Bundesminister Dr. Böhmdorfer bricht das Gespräch ab und nimmt wieder Platz auf der Regierungsbank.) Auch in die­sem Fall sind Ermittlungsergebnisse und Beweisstücke verschwunden, ähnlich wie im Fall Peter Heidegger.

Oder ein weiteres Beispiel: 1989 hat die Arbeiterkammer Salzburg den WEB-Immag-Bau­treuhand-Skandal aufgedeckt. Nach 13 Jahren kam es zur ersten rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung. Bereits damals war eines klar: Die Verjährungs­bestim­mungen, die die Opfer betreffen, müssen novelliert werden!

Herr Bundesminister! Es gab bei den Verhandlungen einen sehr ausführlichen Ent­schließungsantrag von Seiten der sozialdemokratischen Fraktion betreffend Verbesse­rung der Stellung der Privatbeteiligten in der StPO. Der Antrag war ausführlich be­gründet.

Wir stehen nämlich vor dem Problem, dass die Ansprüche bei Privatbeteiligten verjäh­ren, also beim Opfer, wenn nicht innerhalb von drei Jahren der Anspruch ziffernmäßig geltend gemacht wird. Dasselbe Problem hatten – das sage ich auch – vor kurzem die Opfer von Kaprun.

Herr Bundesminister, ich verstehe Sie nicht! Am Sonntag wurde in der ORF-Sendung „Offen gesagt“ genau diese Thematik diskutiert, und Sie, Herr Bundesminister, haben erklärt, es werde ja alles besser, die Rechte der Privatbeteiligten würden sich ändern.

Jetzt sei auch Ihnen offen gesagt, Herr Bundesminister: Sie haben der Öffentlichkeit nicht gesagt, dass diese Regelungen erst im Jahre 2008 in Kraft treten werden!

Ich frage Sie: Was machen wir in den nächsten Jahren mit den Opfern, die in der­selben Situation sind wie die WEB-Opfer oder auch wie die Angehörigen der Opfer von Kaprun?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte das für eine absolutes Versäumnis Ihrerseits, und das ist mit ein Grund, warum wir dieser Vorlage nicht zustimmen können.

Es hat sich im Grunde genommen eines herausgestellt, auch bei den Diskussionen im Unterausschuss: Die Ermittlungsprobleme, die es im exekutiven Bereich in den letzten Jahren gegeben hat und die zu falschen Urteilen geführt haben, wurden überhaupt nicht thematisiert. Ich frage Sie daher: Wie können Sie behaupten, dass die Strafpro­zessreform mit der Polizeireform nichts zu tun hätte?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens meiner Fraktion darf auch ich mich recht herzlich bei den Legisten für ihre Arbeit, die sie bei dieser zugegebenermaßen


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schwierigen Aufgabe geleistet haben, bedanken. (Beifall bei der SPÖ und den Grü­nen.)

Wir ersuchen um Verständnis, dass wir dieser Regelung aus ganz klaren Gründen nicht zustimmen können, aber die Legisten verdienen unser größtes Kompliment. Herzlichen Dank!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abschließend darf ich noch auf den vom Kollegen Jarolim angekündigten Entschließungsantrag betreffend die Strafbarkeit juris­tischer Personen eingehen. Wir haben diesen Punkt bereits im Justizausschuss argu­mentiert.

Ich sage es Ihnen hier ganz klar: Österreich ist diesbezüglich seit 18. Juni 2002 in Ver­zug. Wir, die Sozialdemokratie, bringen daher folgenden Antrag ein.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag. Gisela Wurm, Mag. Johann Maier, Kol­leginnen und Kollegen betreffend die Strafbarkeit juristischer Personen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Justiz wird aufgefordert, bis 1. Juli 2004 dem Nationalrat einen Gesetzesvorschlag zuzuleiten, welcher die Strafbarkeit juristischer Personen vorsieht. Dabei soll möglichst auf die Diskussion in der Europäischen Union zu diesem Thema, aber auch auf die in der vorliegenden Entschließung in der Einleitung genannten Eckpunkte Rücksicht genommen werden.

*****

Unser Antrag liegt damit vor.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben am Nachmittag noch die Gele­genheit, die Versäumnisse bezüglich Kaprun zu diskutieren, und zwar insbesondere die Versäumnisse, die im Bereich der Justizverwaltung liegen, denn eines hat sich beim Kaprun-Prozess auch herausgestellt: Schuld an dem Urteil hat nicht der Richter. Schuld hat der Gesetzgeber, weil bestimmte Regelungen nicht geschaffen waren. Schuld hat auch die Justizverwaltung, weil für dieses Verfahren nicht die ent­sprechende Vorsorge getroffen wurde. (Beifall bei der SPÖ.)

11.52

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der eingebrachte Entschließungsantrag steht mit zur Verhandlung.

Der Herr Bundesminister ist noch einmal am Wort.

 


11.52

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Sie haben mich soeben mit kon­kreten Fragen konfrontiert, Herr Abgeordneter Maier, und ich möchte sofort darauf antworten.

Ich habe in der ORF-Sendung „Offen gesagt“ darauf hingewiesen, dass die Geschä­digten und die Opfer eine wesentliche Besserstellung erfahren werden. Ich habe aber nicht gesagt, Herr Abgeordneter Maier, dass das zu einem sehr späten Zeitpunkt er­folgen wird. Ich nehme an, dass wir uns alle darum bemühen werden, dass die Rege­lung der Opferrechte vorgezogen wird.


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Hätte ich aber über einen Zeitpunkt sprechen müssen oder wollen, dann hätte ich sagen müssen, Herr Abgeordneter Maier, dass Sie in den Jahren vor 2000 mehrfach die Gelegenheit gehabt und ausgelassen haben, die Opferrechte in der StPO fest­zuschreiben. Aber das wollte ich eben nicht, sondern ich wollte sachlich bleiben.

Das Zweite ist Folgendes, Herr Abgeordneter: Wir arbeiten im Justizministerium derzeit an einem Projekt, durch das wir Opfern von Verbrechen und Geschädigten noch besser Hilfestellung geben können. Es schwebt uns der Grundgedanke vor, dass wir einen Fonds errichten und die Opfer, die finanzielle Schäden oder immaterielle Schä­den erlitten haben und Schmerzensgeldansprüche stellen, aus diesem Fonds, soweit das möglich ist, entschädigen. Wir wollen also Vorauszahlungen leisten, und dieser Fonds hätte dann die Aufgabe, von den Schädigern, also von den Tätern, diese Be­träge zurückzuverlangen.

Das überlegen wir derzeit – Sie hätten es schon früher machen können, aber Sie haben es nicht gemacht –, und das wird einen Effekt haben, den es bisher nicht gege­ben hat, weil nämlich dann auch jene Verbrechensopfer eine Entschädigung erhalten werden, bei welchen die Täter flüchtig sind oder nicht gefunden werden können oder wieder ins Ausland zurückgekehrt sind oder überhaupt nicht festgestellt werden kön­nen oder vermögenslos sind. Das ist eine viel tiefer greifende Regelung. Dieses Projekt werden wir in Ruhe erarbeiten.

Ich werde das Projekt, weil es sich auch um eine Frage der Bundesländer handelt, den Bundesländern vorlegen und ihnen eine Zusammenarbeit anbieten, weil nach der Verfassung die Bundesländer auch die Sozialleistungen in ihrer Generalkompetenz haben. Ohne die Bundesländer wird das Projekt nicht realisierbar sein. Aber Sie können sicher sein: Das Projekt besteht und wird sehr schnell vorangetrieben werden. Ich bin sehr interessiert daran, dass die Bundesländer sehr bald sagen, ob sie in dieser Frage mit uns zusammenarbeiten wollen oder nicht. – Danke. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

11.54

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer ist der nächste Redner. – Bitte.

 


11.54

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, es handelt sich bei dieser Strafprozessreform um eine Jahrhundertreform – das wurde heute hier schon mehrfach betont –, und zwar nicht nur deshalb, weil damit ein besonders altes Gesetz novelliert wird, sondern auch deswegen, weil die Vorbereitungen dazu über viele Jahr­zehnte gelaufen sind.

Herr Kollege Jarolim! Gerade deswegen, weil es eine so wichtige Materie ist und weil es über eine so lange Zeit Diskussionen in allen Fachkreisen darüber gegeben hat, bin ich besonders entsetzt über Ihre heutige Entgleisung in Ihrem Redebeitrag. Ich bin wirklich zutiefst enttäuscht über den aggressiven Stil, den Sie zunehmend in die bisher traditionell und aus gutem Grund sehr sachliche Atmosphäre, die bei Justizangelegen­heiten bisher üblich war, hineinbringen.

Ich bin auch enttäuscht darüber, dass Sie es nicht der Mühe wert gefunden haben, sich auch inhaltlich auf sachlicher Ebene – gerade Sie, Herr Kollege Jarolim, als Justiz­sprecher der SPÖ – mit diesem Entwurf auseinander zu setzen, und es auch nicht ge­schafft haben, Ihre angebliche inhaltliche Kritik nachvollziehbar für das Hohe Haus, für die Zuhörer, für die Damen und Herren, die uns heute zuhören und zuschauen, zu for­mulieren und zu artikulieren.


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Das ist nicht der Stil, wie er in Justizangelegenheiten üblich ist! Dieser Stil wird aber zunehmend von Seiten Ihrer Fraktion und auch von Ihnen persönlich in den Justiz­ausschuss hineingetragen – zu meinem tiefsten Bedauern! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht hier um eine ganz wichtige Materie, und zwar um die Strafrechtspflege und um das Verfahren, das dazu gehört. Diese Ma­terie ist deswegen so wichtig, weil sie nicht nur einen Hauptpunkt staatlicher Aufgaben, sondern auch einen sehr sensiblen Bereich betrifft. Lassen Sie mich das nun etwas näher ausführen.

Es geht dabei einerseits darum, im Interesse aller Staatsbürgerinnen und Staatsbürger strafbare Handlungen möglichst zu vermeiden, sie effektiv zu verfolgen und entspre­chend zu sanktionieren, andererseits aber auch um einen Bereich – und daher ist das so heikel –, in welchem es um sehr massive Grundrechtseingriffe geht, um Eingriffe in Rechte jedes einzelnen Staatsbürgers und jeder einzelnen Staatsbürgerin. Daher ist es auch so notwendig, hier besondere Vorkehrungen zu treffen, damit diese Rechte auch gewahrt werden und nur in wirklich notwendigen Fällen eingeschränkt werden können. Das ist auch die Intention dieses Entwurfs.

Wenn dieser Entwurf heute hier verglichen wird mit Vorschlägen von Experten im Aus­schuss, mit Diskussionsgrundlagen – und es gibt eine Vielzahl von Vorschlägen und Wünschen, da gebe ich Ihnen Recht –, dann muss ich sagen: Das halte ich nicht für richtig! Wir sollten das eher mit dem derzeitigen Ist-Stand im Vorverfahren vergleichen.

Es geht hier – das möchte ich auch betonen – nicht um die Entscheidungsfindung des Gerichtes, sondern es geht hier um die Ermittlungen, um das Vorverfahren in Strafsachen, und da war bisher ein – „Graubereich“ wäre fast zu viel gesagt – recht­licher weißer Fleck, wo weder der Beschuldigte noch sein Verteidiger festgeschriebene Rechte und Möglichkeiten gehabt haben.

Das wurde vielfach zu Recht kritisiert und hat auch zur Verurteilung Österreichs vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof geführt. Das wird nun mit dieser No­velle heute hier um einen Quantensprung verbessert und wird auf ein Niveau gehoben, wie es international üblich und anerkannt ist. Das wurde auch im Unterausschuss von vielen Experten anerkannt.

Es gibt im strafrechtlichen Vorverfahren, um das es heute hier geht, ganz wesentliche Bestimmungen und Grundsätze, und die sollten wir uns vor Augen führen. Erstens hat die Unschuldsvermutung zu gelten; ich glaube, darüber sind wir uns alle einig: Es sollte nicht der, der in diese Mühle gerät, schon automatisch als schuldig gelten. Das ist Sache des Gerichtsverfahrens. Im Vorverfahren geht es darum, dass Ermittlungs­schritte gesetzt werden, dass letztlich auch Ermittlungsergebnisse geliefert werden sollen, die dann die Grundlage für eine Anklage bilden, nämlich dafür, dass der Fall vor ein unabhängiges Gericht kommt, und dort wird dann darüber entschieden, ob eine Verurteilung erfolgt oder ob der Verdacht nicht ausreichend erhärtet ist.

Daher sind die Rechte, die dem Beschuldigten eingeräumt werden, im Vorverfahren so besonders wichtig. Das ist einerseits das Recht, Gehör zu bekommen, andererseits aber auch das Recht, einen entsprechend sachkundigen Beistand beiziehen zu kön­nen.

Ich darf darauf hinweisen, dass es im Regelfall, und zwar in mehr als 90 oder sogar 95 Prozent der Fälle, nicht um rechtskundige Beschuldigte geht, nicht um Beschuldigte geht, die ständig mit strafrechtlichen Angelegenheiten zu tun haben, sondern um solche, die davon überhaupt keine Ahnung haben. Sie sollen daher die Möglichkeit


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bekommen – und mit diesem Entwurf bekommen sie diese nun –, einen sachkundigen Beistand durch einen Verteidiger zu erhalten, und zwar von der ersten Minute an.

Ich glaube – und dafür danke ich auch –, dass im Unterausschuss auch von den Vertretern der Richterschaft letztlich betont wurde, dass man nichts gegen diese Verteidigungsrechte hat. Ich darf darauf hinweisen, da geht es nicht um Rechte des Verteidigers, auch wenn das im Gesetz so tituliert ist, sondern es geht um Rechte des Beschuldigten, Leute mit entsprechendem Sachverstand und Sachkunde beizuziehen.

Dieser Quantensprung in diesen Bereichen, wo wir von einer derzeitigen Nichtrege­lung, vom Fehlen jeglicher Regelung zu einer klaren gesetzlichen Vorgabe kommen, betrifft folgende Punkte:

Das ist einerseits einmal das Recht, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt Informationen über den Verdacht und auch über die wesentlichen Rechte, die der Beschuldigte im wei­teren Verfahren hat, zu bekommen. Es ist, wie ich meine, ein wesentlicher Punkt in einem Rechtsstaat, über seine Rechte auch informiert zu werden und entsprechend Bescheid zu wissen, um sie überhaupt ausüben zu können. Nur wer informiert ist, kann Rechte letztlich auch ausüben.

Es gibt das Recht, sich entweder einen Verteidiger frei zu wählen oder eben einen Verfahrenshilfeverteidiger beigestellt zu bekommen. Es gibt das Recht – und auch das ist eine völlige Neuerung gegenüber der derzeitigen Situation –, Akteneinsicht zu neh­men und sich auch zu informieren, was überhaupt die Grundlage für die Ermitt­lungen der Behörde, für eine Verfolgung durch die Exekutive, die hier stattfindet, ist. Das war bis jetzt überhaupt nicht so. Die Möglichkeit der Akteneinsicht hat erst be­standen, wenn ein Akt auch bei Gericht anhängig war.

Es gibt eben in diesem Entwurf, wie wir ihn heute beschließen und sehr lange diskutiert haben, das Recht, schon vor der ersten Vernehmung Kontakt mit dem Verteidiger aufzunehmen und sich mit ihm auch zu besprechen, und das Recht, einen Verteidiger zu den Vernehmungen auch beizuziehen. Und es gibt das Recht des Beschuldigten, auch Beweisaufnahmen zu beantragen. Auch das ist eine Neuerung gegenüber der derzeitigen Situation, eine, wie ich glaube, im Sinne einer Ausgewogenheit zwischen einerseits der Anklagebehörde und andererseits dem, der massiv betroffen ist, sehr wichtige und sehr gute Neuerung.

Im Unterausschuss wurde eine sehr lange und breite Diskussion geführt. Natürlich gibt es auch Fallkonstellationen, gibt es auch Fälle, wo es nicht nur um die Wahrung der Rechte des Beschuldigten geht, sondern wo es auch darum geht, effektiv ermitteln zu können, entsprechende Ermittlungen auch ungestört durchführen zu können. Da wurde eben ein ganz wichtiger Kompromiss geschlossen. Das ist das, was so im Ansatz kritisiert worden ist, auch von Kollegin Stoisits, dass man sozusagen überhaupt keine Möglichkeit haben soll, den Verteidiger auf gewisse Informationsrechte zu beschränken und von der Teilnahme auszuschließen.

Das war eben Diskussion in diesem Unterausschuss, der fast ein ganzes Jahr getagt hat, dass es eben solche Fälle gibt. Das wurde sehr nachvollziehbar von jenen, die in diesem Verfahren Praktiker sind, auch dargelegt. Deswegen gibt es auch diese Möglichkeit der Einschränkung, aber – und das ist ganz wichtig – klar gesetzlich geregelt, beschränkt in der zeitlichen Dauer, und vor allem gibt es nicht einen kom­pletten Entzug von Verteidigungsrechten, sondern in bestimmten Fällen, wenn die Ermittlungen dadurch behindert oder verhindert werden könnten und Beweise dadurch beschränkt oder ausgeschlossen werden könnten, gibt es die Möglichkeit, dass der Verteidiger zwar von Beginn an den Beschuldigten über seine Rechte belehrt, auch beigezogen ist und der Vernehmung beiwohnt, aber diese erste Kontaktaufnahme


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überwacht stattfindet, um einen Informationsfluss hinaus zu anderen Komplizen, Hin­termännern und so weiter zu verhindern.

Ich glaube, dass hier letztlich eine sachgerechte Lösung gefunden wurde zwischen den wichtigen Interessen natürlich des Beschuldigten, aber auch den legitimen Interessen des Staates und seiner Bürger, damit Kriminalität und vor allem organisierte Krimina­lität, die leider im Steigen ist, effizient verhindert und auch entsprechend aufgeklärt werden kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diesen Ausgleich, diesen Kompromiss zwischen den verschiedenen Bereichen haben wir in den Diskussionen, die durchaus sehr intensiv waren, gefunden. Jedes Gesetz, noch dazu eines, das so lange diskutiert und vorbereitet wird, ist letztlich ein Kom­promiss zwischen verschiedenen Interessen. Dieser Ausgleich ist sachgerecht und wird auch funktionieren, davon bin ich und davon sind wir von den Regierungs­frak­tionen überzeugt.

Daher werden wir diesem Quantensprung im strafgerichtlichen Vorverfahren auch heute gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.05

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


12.05

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Herr Minister Böhmdorfer, Sie haben durchaus Recht, wenn Sie sagen, Politik braucht ein Gewissen. Nur frage ich mich, wie dieses politische Gewissen wirkt, wenn Sie und auch mein Vorredner darauf hinwei­sen, dass es bei dieser Frage der Verteidigerrechte jetzt wieder eine Grauzone gibt, eine Grauzone, wo nicht klar definiert ist, wann ein Verteidiger bei polizeilichen Erhe­bungen endgültig ausgeschlossen werden kann. Das ist unser Problem, Herr Minister. Das ist auch unsere Gewissensfrage, die dazu führt, dass wir diese Ihre Vorlage ablehnen werden.

Wir sind dafür, dass es gerade in einem Bereich, wo es wirklich um Existenzfragen von Menschen geht, wo es wirklich auch um Grundrechte, um Menschenrechte geht, prä­zise, klare rechtliche Formulierungen gibt und nicht Auslegungsbereiche, Grauzonen und Ermessensfragen, die letztlich – das ist für mich das Entscheidende – von der ermittelnden Polizeibehörde dann ausgelegt werden.

Da wäre für mich der echte Sprung – ich rede absichtlich nicht von Quantensprüngen, denn physikalisch gesehen sind sie minimal –, da wäre für mich die echte Qualität, der echte Zuwachs an Rechtssicherheit, der echte Zuwachs auch an Menschen­rechts­mög­lichkeiten innerhalb einer strafprozessualen Angelegenheit gewährleistet und zu veran­kern gewesen.

Aber was machen Sie? – Im Gesetz definieren Sie nicht klar die Ausschlussgründe von Verteidigern im Vorverfahren, wenn die Polizei ermittelt, und auch eine Verordnung gibt es dazu nicht, sondern ein Erlass soll zwischen Ihnen und dem Innenministerium abge­sprochen werden, der diese sensible, diese heikle Angelegenheit und diese sehr schwierige Phase in der Erhebung dann letztlich regeln soll. Bei diesem Erlass lassen Sie es wieder offen und lassen Sie es wieder in den Händen der Polizei. Man kann das gar nicht genau und detailliert genug noch einmal darlegen, denn das ist der springende Punkt.

Mein Vorredner hat auch gesagt, gemessen wird die Qualität dieser gesetzlichen Neu­regelung des gerichtlichen Vorverfahrens und der StPO-Reform daran, wieweit in Zu­kunft Prozesse, die in der Vergangenheit zu Fehlverurteilungen geführt haben, nicht mehr möglich, also ausgeschlossen wären.


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Mein Vorredner hat auch auf den „Fall Foco“ hingewiesen. Gerade im „Fall Foco“ ist es bei den Vorverfahren zu massiven Fehlentwicklungen gekommen, und ich frage mich, wie dieses Offenlassen der Ausschlussgründe von Verteidigern in dem konkreten Fall dann wieder angewendet worden wäre.

Herr Minister, da sind Sie uns noch eine Antwort schuldig. Warum wurde das nicht präzise geregelt? Kollege Donnerbauer hat gesagt, es war ein Kompromiss. Ich frage mich, warum nicht wirklich der Mut zu einer klaren definitorischen Regelung besteht, warum man sich, gerade wenn es um heikle Materien geht, mit schwammigen Kom­promissen bescheidet.

Es handelt sich nach wie vor – und das, Herr Minister, ist entgegen Ihren Ausfüh­rungen nach wie vor auch in den Medien Kritikpunkt gewesen – praktisch um eine Interpretation von Verteidigerrechten durch die Polizei. Das rechtfertigt meines Erach­tens den Begriff „Jahrhundertreform“ nicht. Es handelt sich natürlich um eine Gratwan­derung zwischen Grundrechten einerseits und Sicherheitsansprüchen andererseits, das gebe ich schon zu. Im Zweifelsfall bin ich allerdings ehrlich gesagt wirklich für die Grundrechte. Es geht nicht darum, geltende Praxis jetzt paragraphenmäßig abzu­sichern beziehungsweise wieder in einer gewissen Grauzone zu lassen. – Das nur zu dem aktuellen Bereich, den mein Vorredner angesprochen hat und der für mich wirklich auch eine Gewissensfrage ist.

Nun ganz kurz zu den grundsätzlichen Punkten.

Herr Minister, Sie haben ja selbst ausgeführt, dass die bestehende Regelung, die be­stehende gesetzliche Situation in das 19. Jahrhundert zurückreicht, wobei sie im 19. Jahr­hundert an sich sehr fortschrittlich angelegt war, indem man den Unter­suchungsrichter als Herr oder Frau des Verfahrens etablierte – insofern eine unabhän­gige Instanz. Konkret war es in der Praxis allerdings so, dass die Vorerhebungen gänzlich in der Hand der Polizei lagen und liegen und die Polizei mehr oder weniger „pfannenfertige“ Erhebungsunterlagen entwickelt, womit der jetzige Zustand eigentlich contra legem ist. Jetzt, nach 130 Jahren, versucht man endlich mit diesem Neuanlauf diese Praxis wieder zu sanieren und durch die Etablierung des Staatsanwaltes als obersten Herrn beziehungsweise der Staatsanwältin als oberste Frau eines Verfahrens zu reparieren.

Herr Minister, Sie selbst haben darauf hingewiesen: Grundvoraussetzung für diese Sa­nierung ist allerdings auch eine entsprechende personelle Ausstattung. Wir brauchen mehr StaatsanwältInnen, wir brauchen deutlich mehr StaatsanwältInnen, und das ist auch der Hintergrund dafür, warum wir bis 2008 warten müssen, damit diese dringend notwendige Reform in Kraft treten kann. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist von Ihrer Seite her nicht ausgeschlossen, dass infolge der Umgestaltung auf polizeilicher Ebene PolizeijuristInnen nach einem Schnellsiedeverfahren vielleicht kurz im Richterbereich tätig sind und dann sofort, blitzartig in den Bereich hinüberwechseln, der aufgestockt werden muss, weil sie halt schon ein bisschen kundig sind, praktisch die Seite wechseln und auf einmal StaatsanwältInnen sind. Es ist nicht ausgeschlos­sen, dass diese Personallücke auf diese Art und Weise geschlossen wird. Bedenken dagegen sehen wir sehr wohl gerechtfertigt, weil die Qualität dieser zukünftigen Staats­anwältInnen wahrscheinlich nicht den Anforderungen entsprechen wird, die in diesem Gesetz durchaus positiv definiert sind. – Das zum Ersten.

Zum Zweiten: Herr Minister, die verfassungsrechtlichen Bedenken konnten Sie auch nicht ausräumen, denn es hat in den Vorbesprechungen sehr wohl unterschiedliche Gut­achten gegeben. Ein Prinzip ist auf Grund des Weisungsrechts nach wie vor nicht gewährleistet, nämlich das Prinzip der Gewaltentrennung. Da das Weisungsrecht existiert, sind die Staatsanwälte eine administrative Behörde. Auf der anderen Seite


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sollten sie Organe einer unabhängigen Rechtssprechung sein. Das ist jetzt durch das Weiterbestehen des Weisungsrechts nicht gewährleistet. Das ist natürlich nicht Gegen­stand dieser gesetzlichen Regelung. Das ist eine politische Frage.

Wir hätten schon längst diese politische Frage sozusagen im Hinblick auf europäisches Niveau korrigieren können, denn Österreich ist wirklich ein Kuriosum, wenn man es charmant umschreibt, ist rückständig in der Frage der Stellung der Staatsanwaltschaft. Wenn wir eine starke dritte Gewalt haben wollen, eine starke Judikatur, dann brauchen wir auch eine weisungsunabhängige Staatsanwaltschaft. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Diese weisungsunabhängige Staatsanwaltschaft hat sich in anderen Ländern bereits alleine aus demokratiepolitischen Gründen sehr gut bewährt und wäre längst auch bei uns einzuführen.

Herr Minister, Sie selbst haben gesagt, Sie haben keine Weisungen erteilt. – Klar, wozu brauchen wir dann das Weisungsrecht? Sie selber liefern uns den besten Beweis dafür, dass das Weisungsrecht an sich völlig anachronistisch ist und sich längst über­holt hat. Und ich sage es deshalb noch einmal, weil gerade in der Öffentlichkeit infolge des Weisungsrechts immer wieder der Verdacht aufkommen kann, dass sich Minister einmischen. Deswegen ist gerade ein weisungsunabhängiger Staatsanwalt die Nagel­probe, das Grundcharakteristikum eines vertrauensvollen Justizapparates, eines Jus­tiz­apparates, der unabhängig arbeiten kann. Gewährleisten Sie dieses Grundver­trauen dadurch, dass Sie auf das Weisungsrecht verzichten! Das wäre wirklich unab­dingbar notwendig, damit die Justiz als solche in der Bevölkerung wirklich als voll ver­trauens­würdig gesehen wird.

Nun zum Schluss noch: Der Opferschutz ist wiederholt schon erwähnt worden als große Leistung bei dieser jetzigen Neuregelung. Ich darf noch einmal wiederholen, dass gerade beim Opferschutz besonders die Argumente der Opposition den Aus­schlag dafür gegeben haben, dass sie in dieser umfangreichen Form berücksichtigt worden sind. Ich darf aber gleichzeitig anmerken, dass praktisch nicht gewährleistet ist, dass der Opferschutz auch in den Rechtsmitteln verankert wird. Es ist praktisch der Opferschutz ohne Auswirkungen auf die Rechtsmittel vorhanden. Außerdem fungiert praktisch nur der Rechtsanwalt als Prozessbegleiter und nicht eine Opferschutz­ein­richtung. Es hätte auch ein Vertreter einer Opferschutzeinrichtung als begleitende Person in diesen Verhandlungen anwesend sein müssen, um die Situation für die Opfer psychologisch erträglicher zu gestalten. Darauf haben Sie leider verzichtet.

Sie haben auch die Vertrauensperson abgeschafft. Das ist auch ein psychologischer Faktor. Man sollte auch Vertrauenspersonen bei gerichtlichen Verhandlungen mit ein­beziehen, das wurde leider von Ihnen auch nicht aufgenommen. Insofern gibt es für uns nicht nur verfassungsrechtliche, nicht nur politische Bedenken in weisungs­recht­licher Hinsicht, nicht nur vor allem Menschenrechtsbedenken – ich darf nur anmerken: Blutabnahme, Lockspitzelaspekte und Dauer des Polizeigewahrsams sind unserer An­sicht nach nicht menschenrechtskonform geregelt (Abg. Wittauer: Die sollen alle frei durch die Gegend laufen?) –, sondern es gibt bei uns auch grundsätzliche Bedenken, die dagegen sprechen, dass wir diese wesentliche rechtspolitische Neuerung mittra­gen, die, wenn es personell passt, endlich den konkreten Zustand verbessern und bei dieser gerichtlichen Vorverfahrensregelung endlich wieder rechtsstaatliche Verhältnis­se in Österreich schaffen wird. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wittauer: Gibt es die bei uns nicht?)

12.16

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nochmalige Wortmeldung von Herrn Bundesminister. – Bitte.

 



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12.17

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte ganz kurz auf die Aus­führungen der Frau Abgeordneten Moser eingehen, weil mir das wirklich wichtig erscheint. Es ist ausgeschlossen, dass PolizeijuristInnen bei uns richterliche Tätigkei­ten ausüben werden. Das geht nicht. PolizeijuristInnen haben eine gänzlich andere Aus­bildung. Die Richter haben die Richteramtsprüfung zu absolvieren, haben eine dreieinhalbjährige Ausbildungszeit und werden danach ernannt. Es handelt sich um eine Debatte von gestern und kommt nicht in Frage. Die Ausbildungen sind zu ver­schieden. Das möchte ich hier klargestellt haben.

Frau Abgeordnete! Die Opfer werden kostenlos psychologisch und therapeutisch betreut. Das zur Ausräumung Ihrer Bedenken, damit Sie nun vielleicht zustimmen können. Die Verteidigeranwesenheit kann man nicht kasuistisch regeln. Aber im Prin­zip bekenne ich mich als jemand, der 27 Jahre Rechtsanwalt war, zu der jetzigen Lösung, denn es muss im Einzelfall einfach den Polizeibeamten überlassen bleiben, ver­antwortungsbewusst Entscheidungen zu treffen. Hier ist das Recht auf Verteidigung einzuschränken. Es kann sein, dass ein Verteidiger auch in eine berufsrechtliche Kollision kommt. Es kann sein, dass er aus Anlass einer solchen Einvernahme den Auftrag bekommt, etwas, was er dort gehört hat, weiterzuleiten, weiterzugeben, jeman­den zu warnen oder ähnliche Dinge. In diesen Fällen ist es für den Rechtsstaat unerlässlich, dass man generell und nicht auf den Individualfall bezogen eine Regelung trifft. Alle anderen Länder haben artifizielle, nicht so praktikable Regelungen.

Ich bedanke mich bei Frau Abgeordneter Partik-Pablé, weil wir in dieser Frage tat­sächlich lange diskutiert haben. Wir haben einen Kompromiss geschlossen. Das, was sie im Prinzip gesagt hat, ist auf fruchtbaren Boden gefallen. Allerdings konnte das, was sie wollte, vielleicht nicht zur Gänze umgesetzt werden. Niemand kann sich bei einem Gesetz, das 216 Paragraphen hat, zur Gänze und alleine durchsetzen. Aber die Verteidigerregelung lässt es zu, dass die Polizei die Ermittlungen davor schützt, dass durch Verteidiger Verdunkelung betrieben wird. Das ist das Wesentliche.

Im Prinzip ist aber ein Verteidiger nichts anderes als die Geltendmachung von Rech­ten, die jeder in diesem Land hat. Deswegen konnte man der Judikatur des Euro­päischen Gerichtshofes für Menschenrechte folgend keine grundsätzlich andere Rege­lung treffen.

Die Vertrauenspersonen wurden im Rahmen dieser Diskussion auch im Wege des Konsenses abgeschafft. Ein Verdächtiger hat nichts davon, wenn in einer schwierigen Rechtssache eine Vertrauensperson, die sonst nie bei Gericht oder Polizei und schon gar nicht als Vertreter tätig ist, anwesend ist. Sie wird ihm nicht helfen, es ist eine Bemäntelung eines Vorganges, der nichts bringt. Da gehört entweder jemand hin, der die Rechtslage kennt, oder eben niemand, der die Ermittlungen nur stören würde. Das ist so. Das gibt es im Prinzip in jedem Land der Welt.

Das Weisungsrecht der Staatsanwälte möchte ich auch kommentieren. Da geht es nicht darum, dass man anschafft, dass gegen jemand eine Verfolgungshandlung ge­setzt wird oder nicht, sondern im Bereich des Weisungsrechtes wird rechtlich diskutiert, was zu geschehen hat. Die Weisungspyramide hat den Sinn, dass eine einheitliche Strafrechtspflege erfolgt. Da ich eben eine gewisse anwaltliche und juristische Erfah­rung habe, habe ich es nicht notwendig, jemandem etwas anzuschaffen, sondern Probleme werden ausdiskutiert, und das rechtlich Richtige wird dann ausdrücklich gemacht. Deswegen kann ich sagen, ich habe es nicht notwendig, jemandem etwas anzuschaffen, sondern bei uns wird ausdiskutiert und dann entschieden. Ganz einfach! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.21

 



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Präsident Dr. Heinz Fischer: Da die Redezeit des Herrn Justizministers jetzt 20 Minu­ten erreicht hat, greift jene Bestimmung Platz, dass zusätzliche Redezeiten den Oppo­sitionsparteien ebenfalls zusätzliche Redezeiten einräumen.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wittauer. – Bitte.

 


12.21

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Die vorliegende Reform kann man schon als Meilenstein oder, wie es die Oppo­sition genannt hat, als Jahrhundertwerk, ich würde sagen, Meisterwerk, bezeichnen. Der Ausdruck „Reform“ ist fast zu wenig, weil es über hundert Jahre gedauert hat, nämlich seit 1873, bis man wieder Veränderungen in dem Gesetz gemacht hat. Man kann also dieser Regierung und Minister Böhmdorfer nicht vorwerfen, dass das ungenügend vorbereitet worden ist – das hat Kollege Jarolim gesagt –, sondern man hat sich sehr intensiv damit nicht nur auseinander gesetzt, sondern das war eine Sache, die dem Minister und der Regierung am Herzen gelegen ist.

Ich glaube, das Ergebnis kann sich sehen lassen. Natürlich wird es bei so einem großen Reformwerk immer Kritik geben, auch von unserer Seite. Wir haben eine ganz intensive Diskussion innerhalb der Partei gehabt, und es war nicht unbedingt immer so, dass alle gleicher Meinung waren, sondern da wurden unterschiedliche Meinungen ausgetauscht, und man ist schlussendlich zu einem Ergebnis gekommen. Viele Bereiche wurden eben entsprechend geregelt.

Uns Freiheitlichen ist es im Wesentlichen schon um den Opferschutz gegangen. Das war jahrelang immer unser Thema. Der Opferschutz ist jetzt geregelt. Und ich glaube, dass man stolz sein kann, dass man dort nicht nur in einem Bereich Ergebnisse erzielt hat, sondern auch im Vorverfahren. Für uns ist auch wesentlich, dass angesichts der Kriminalstatistik, die uns zeigt, dass die Kriminalitätsrate bei uns immer höher wird, die Polizei oder die Kriminalpolizei zusätzliche Möglichkeiten bekommt, um gegen diese Kriminalität vorzugehen.

Die Möglichkeit von verdeckten Ermittlungen gab es ja bisher nur bei Suchtgift­krimina­lität. Das wird jetzt auf alle Bereiche ausgedehnt. Und ich glaube, das ist schon ein Punkt, wo man sagen muss, das ist auch notwendig, um in Zukunft gegen die Krimina­lität, die auf uns zukommt, auch effizient etwas tun zu können.

Abschluss von Scheingeschäften: Die Zulässigkeit wird gesetzlich verankert, das heißt somit geregelt. Einsatz der DNA-Analyse: Das war bisher nur im Sicherheits­polizei­gesetz geregelt, das ist jetzt wirklich mit hineingenommen worden, wie auch viele andere Bereiche. Die Fahndung haben wir natürlich, die Identitätsfeststellung ist ein wesentlicher Punkt, den wir auch dabei haben.

Ich finde es etwas bedauerlich, wenn Abgeordnete Moser gesagt hat, die rechts­staatliche Ordnung gehöre wiederhergestellt. Das heißt: Vorher hat es sie nicht gege­ben? Vorher haben wir keine rechtsstaatliche Ordnung gehabt? Das war vielleicht etwas unglücklich formuliert, aber ich habe das so verstanden. Ich bitte Sie, das ge­rade im Parlament nicht zu sagen und somit an die Öffentlichkeit zu bringen, weil es einfach nicht stimmt.

Wir haben also ein Reformwerk, das wir mit den Gegenstimmen der Opposition um­setzen werden. Ich habe ja schon fast hin und wieder das Gefühl, wenn die Opposition nicht zustimmt, dann muss es ein gutes Gesetz sein, denn bei allen bisherigen guten Gesetzen hat die Opposition nicht zugestimmt. Bei jenen, mit denen wir uns etwas kritischer auseinander gesetzt haben, haben wir eigentlich immer Applaus gehabt. Also ich muss sagen, es soll auch in Zukunft weiter so sein, dass diese ... (Zwischenruf des


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Abg. Marizzi.) Nein, nein, das haben Sie nicht. Das stimmt ja nicht. Es wird sicher auch nicht aufgehoben, weil es überprüft worden ist.

Zum Entschließungsantrag, der im letzten Augenblick von Ihnen eingebracht worden ist: Der Minister hat gerade vor kurzem Stellung dazu bezogen und gesagt, wir werden in diesem Bereich etwas tun. Und dann kommen Sie mit dem Entschließungsantrag, als wäre das Ihre Idee. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.) Das ist doch eine lächerliche Geschichte! Und da sollen wir zustimmen, nur damit ihr mit dieser Sache hinaus­gehen könnt?! Das hat der Minister ganz klar gesagt, dass diese Opferrechte auch ge­rade gegenüber Unternehmungen geklärt werden. Und sie werden auch umgesetzt, davon bin ich überzeugt, weil Opferschutz uns immer wichtig war. (Abg. Dr. Jarolim: Seit 1998 gibt es das!) Das wurde am Sonntag auch ganz klar zum Aus­druck gebracht.

Wenn Sie jetzt einen Entschließungsantrag einbringen und sagen, das war unsere Idee, dann muss ich dem entgegenhalten, ihr habt jahre-, ja jahrzehntelang Zeit ge­habt, das zu machen. Damals habt ihr es verabsäumt. Wenn Sie jetzt auf einmal ge­scheiter sein wollen oder eben etwas von dem abkupfern, was vorher von Minister Böhmdorfer schon gesagt worden ist, dann muss ich sagen, das ist mir etwas zu wenig. Wir werden das selbstständig einbringen, gut vorbereitet, mit Inhalt und nicht einfach so auf die Schnelle. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist auch von politischem Gewissen gesprochen worden. Wir haben politisches Ge­wissen. Wir schauen die Dinge so an, dass wir in erster Linie Österreich und die Menschen im Vordergrund sehen, auch dieses Gesetz hat dieses Ziel. Es bringt deutliche Verbesserungen, es ist ein Reformwerk für die Zukunft, und mit diesem Reformwerk werden wir die nächsten Schritte, die der Minister schon erklärt hat, einleiten, bis der gesamte Prozess abgeschlossen ist.

Ich wünsche dir viel Erfolg dabei. Meine Unterstützung hast du! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.27

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte.

 


12.27

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Abgeordneter Wittauer hat gesagt, wir würden in unserem Entschließungsantrag öffentlichkeitsheischend das Unterneh­merstrafrecht fordern. – Ich sage Ihnen, ich habe schon bei der Beschlussfassung des Sexualstrafrechtes darauf hingewiesen, dass diesbezüglich etwas geändert gehört. Wir haben im Justizausschuss die Debatte auch darüber geführt. Es ist ja von den Regie­rungsparteien erklärt worden, dass in diesem Jahr noch entsprechende Vorlagen kommen werden. Seit 1998 gibt es im Justizministerium ja Vorlagen. Ich wäre froh, auch im Interesse der Opfer – das soll ja unser hauptsächliches Interesse sein –, wenn dieses Strafrecht dann beschlossen würde, und zwar, wenn möglich, konsensual. Das wäre meiner Meinung nach das Ziel und nicht irgendwelche Urheberrechts­streitig­kei­ten, die hier geführt werden, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn die Vorredner, Abgeordneter Wittauer und Kollege Donnerbauer – er ist jetzt, glaube ich, nicht im Saal –, bei dieser Reform von einem Meilenstein gesprochen ha­ben, dann sage ich: Ja, diese Reform hätte ein Meilenstein werden können. Und es ist be­dauerlich, dass diese Jahrhundertreform nicht dem entspricht, was wir uns vor­stellen, und somit nicht zu einem Konsens geführt hat. Es wäre nämlich möglich


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gewesen, Herr Bundesminister. Das ist wirklich bedauerlich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das Ergebnis ist nämlich ein in sich widersprüchliches und rechtsstaatlich bedenk­liches Pamphlet. Nach einer hoffnungsvollen guten Startposition, Herr Abgeordneter Wittauer, ist auf dem Weg zur Beschlussfassung der Entwurf verwässert worden, um als Zielpunkt wahltaktisch knapp vor den Landtagswahlen ein abruptes und klägliches Ende zu finden.

Dabei hat ja alles gut angefangen, Herr Wittauer. Es hätte gut angefangen. Wir haben 1998 unter Justizminister Michalek schon ein wunderbares Reformkonzept – ausgear­beitet von Herrn Dr. Pleischl – vorgelegt. Im Zuge der Beratungen, wo es vor allen Dingen darum gegangen wäre, einen rechtlichen Gesamtzusammenhang herzustellen, die rechtliche Gesamtverantwortung der Staatsanwaltschaft für den gesamten Zeit­raum des Vorverfahrens, verstärkte Opferschutzrechte, aber auch verbesserte Verfah­rens­rechte für Beschuldigte festzulegen, wurden dann Abänderungsanträge einge­bracht und, und, und, denen wir dann in dieser Form nicht zustimmen konnten.

Zur Staatsanwaltschaft: Das ist ja, wie ich meine, heute auch immer wieder diskutiert worden.

Die Staatsanwaltschaft hat sich funktionell von einer selektierenden und antrag­stellen­den Behörde hin zur – im Rahmen der Diversion – sanktionierenden und in naher Zukunft weiters zur koordinierenden und die Polizei kontrollierenden Behörde ent­wickelt. Das sagt auch die Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte in ihrem Po­sitionspapier vom Dezember 2003.

So werden bereits jetzt von der Staatsanwaltschaft weitaus mehr endgültige Entschei­dungen in Strafsachen als von den Gerichten getroffen. Bereits im ersten Jahr der Di­ver­sion wurden nur mehr 22 Prozent der Fälle angeklagt; nur jeder fünfte Straffall wird daher vom Gericht entschieden.

Nach weiteren Angaben der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte werden bei­nahe ebenso viele Fälle – bei Bejahung der Strafbarkeit – von den Staatsanwälten diversionell erledigt. – Das ist ein geändertes Rechtsverhältnis, sehr geehrte Damen und Herren, und diesem geänderten Rechtsverhältnis muss Rechnung getragen wer­den. (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es war wiederum die SPÖ, die bereits im Jahre 2000 einen Antrag auf Verfassungs­änderung gestellt hat: Die für die Tätigkeit der Staatsanwälte notwendige Kontrolle und Weisungshierarchie sollten eine rechtliche und keine politische sein.

Die rechtliche Kontrolle der StaatsanwältInnen sollte durch das interne Weisungsrecht, dem Pendant zum Instanzenzug bei Gericht, gewährleistet werden. Daher hat die SPÖ – im Einklang mit der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte – den Wechsel der Weisungsspitze vom Regierungsmitglied Justizminister zum ausgewiesenen und unabhängigen Justizorgan – Generalprokurator oder Bundesstaatsanwalt – vorge­sehen. Das wäre gut und wichtig gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine derartige als Justizorgan ausgewiesene Weisungsspitze wäre dem Parlament gegen­über verantwortlich und über jeden Zweifel unsachlich motivierten Handelns erhaben. Das wäre ein rechtspolitischer Schachzug gewesen, der auf allen Seiten nur GewinnerInnen (Abg. Neudeck: Gewinner auch?) gebracht hätte; davon sind wir überzeugt.

Noch einmal zitiere ich jetzt aus diesem Positionspapier der Vereinigung Österreichi­scher Staatsanwälte, in dem es heißt – und immer wieder hat sich das durch die Diskussion bei den Expertenhearings, bei den Beratungen, gezogen –: Gerechtigkeit


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zu üben ist in der neuen Rolle der Staatsanwälte kein Problem; die Darstellung des gesetzestreuen Handelns wird es hingegen immer mehr.

Versäumnisse der schwarz-blauen Abgeordneten in diesen Bereichen sind festzu­stellen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist nicht wahr! – Weiterer Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Sie, Herr Minister Böhmdorfer, diskreditieren einen ganzen Berufs­stand: eben durch Ihr Beharren und Verharren auf einem erkennbaren politischen Wei­sungsrecht der Staatsanwaltschaft gegenüber, und damit entziehen Sie der Staats­anwaltschaft die Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist eine Aschermittwoch-Rede!) – Dass auch ÖVP-Justizsprecherin Maria Fekter kein Problem mit Weisungen des Justizministers hat, setzt dem Ganzen sozusagen noch die Krone auf! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Fekter bezeichnete den Vorschlag der SPÖ – dieser wurde gemeinsam mit der Richtervereinigung gemacht – auf Übertragung des Weisungsrechtes an einen unab­hän­gigen Generalprokurator oder an den Bundesstaatsanwalt als rechtspolitischen Rückschritt. (Abg. Dr. Fekter: Rechtswidrige Weisungen hat es immer unter sozialisti­schen Justizministern gegeben!)

Frau Fekter, ich frage Sie daher jetzt: Ist politische Justiz für Sie ein rechtsstaatlicher Fortschritt?! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Lassen Sie mich weiter ausführen, was für mich noch ein Problem in dieser Regierungsvorlage ist, näm­lich diese so genannten clamorosen Fälle. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie Gegenrufe von Abgeordneten der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Es wurde ein System unterbrochen, nämlich dass der Staatsanwalt Herr des Verfah­rens sein soll. Und dann macht man es so – ich glaube, auf Vorschlag von Frau Kollegin Partik-Pablé –, dass „clamorose Fälle“ gesondert zu behandeln sind. Jetzt bestimmt der Staatsanwalt, der weisungsgebunden ist, was ein clamoroser Fall ist, und dann kommt das Ganze wieder zum Untersuchungsrichter. Das ist wahrlich keine saubere Lösung, sehr geehrte Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! (Beifall bei der SPÖ. – Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dazu, was ein „clamoroser Fall“ ist, sagte Herr Bundesminister Böhmdorfer dem „Stan­dard“ gegenüber: Das müssen die Medien entscheiden! – Dazu kann ich nur sagen: Na dann gute Nacht, Österreich! (Abg. Neudeck: Wass Sie da daherreden! Das darf doch nicht wahr sein ...!) Der Justizminister überlässt uns der Medienjustiz. – Jede/jeder soll sich hier einen Reim darauf machen. Ich bin jedenfalls nicht dafür, dass wir in die Bundesverfassung sozusagen eine vierte Gewalt einführen; dann müsste man das anders machen. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Böhmdorfer.) – Wenn Sie das nicht gesagt haben, dann können Sie das ja noch klarstellen.

Das nächste große Problem bei dieser Reform ist – das hat auch Standesvertreter Schröder einige Male ausgeführt –, dass nach Meinung der Standesvertreter zu wenig Staatsanwälte bereitgestellt werden, um diese Reform wirklich durchsetzen zu können. Die Ansichten bezüglich benötigter Personalressourcen divergieren zwischen 55 und 200 Personalplanstellen; das ist schon ein mehr als großer Unterschied. – Jedenfalls müsste man sich noch einmal Gedanken darüber machen, dass es wahrscheinlich mehr Planstellen sein müssen, wenn im Jahre 2008 diese Reform dann umgesetzt werden wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Folgendes, sehr geehrte Damen und Herren, soll nicht eintreten – was aber Stan­des­vertreter Schröder befürchtet –: dass eben im Zusammenhang mit der Reform des Strafprozesses die Befürchtung besteht, dass es durch die Übermacht des Exekutiv­organs Polizei zu einer Art Polizeistaat kommen könnte. Das hoffen wir ja nicht, und


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daher, glaube ich, braucht man die entsprechende Ausstattung, braucht man die ent­sprechenden Planstellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Rund 25 000 Exekutivbeamten stehen 183 Staatsanwälte gegenüber; das ist kein besonders gutes Verhältnis, Herr Bundesminister. Daher sage ich Ihnen: Setzen Sie, Herr Justizminister, sich beim Herrn Finanzminister durch! Sie haben ja ohnehin schon alles Mögliche gemacht, und ich hoffe, dass auch diesbezüglich noch einiges ge­schehen wird. (Beifall sowie Rufe in Richtung Freiheitliche bei der SPÖ.)

Abschließend möchte ich noch auf eine sehr wichtige Frage hinweisen, und zwar auf die mögliche Verfassungswidrigkeit, die der hoch renommierte Verfassungsrechtler Professor Heinz Mayer konstatierte, der laut APA-Aussendung sagte, dass es gute Argumente gibt, dass das vor dem Verfassungsgerichtshof nicht hält. Professor Mayer meinte das im Zusammenhang mit dem so genannten gekreuzten Weisungszug; darüber ist ja heute schon gesprochen worden.

Wir werden dieses Gesetz, das heute von den Regierungsparteien beschlossen wer­den soll, jedenfalls vom Verfassungsgerichtshof auf Herz und Nieren prüfen lassen. Und wir werden ja sehen, was dabei herauskommt.

Im Unterausschuss gab es sehr interessante und wichtige Verhandlungen, und mir, Herr Bundesminister, tut es Leid, dass letztendlich kein Konsens hergestellt werden konnte. Dieses Gesetz hätte ein Meilenstein werden können; Sie haben jedoch leider diese Chance verpasst. (Beifall bei der SPÖ.)

12.38

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dr. Cap hat nach § 33 GOG die Ein­setzung eines Untersuchungsausschusses beantragt, und zwar betreffend Gebarung der Bundesregierung bei Werkverträgen, Beratungshonoraren und Öffentlichkeits­ar­beit. – Verhandlung darüber nach Schluss der Tagesordnung.

*****

Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte.

 


12.39

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Opposition geht es wieder einmal zu schnell. Jahrelange Verhandlungen sind ihr zu wenig, um sich letztendlich ein Bild über eine Vorlage zu machen, und daher wird heute hier laut und deutlich von Ihnen kriti­siert, dass alles zu schnell gehe.

Ihr „Argument“, Frau Kollegin Stoisits, Herr Kollege Jarolim, das wäre an den Land­tagswahlen gelegen, ist so etwas von lächerlich, dass es sich wirklich von selbst rich­tet. Nehmen Sie das bitte so, wie ich es Ihnen sage. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer hat Ihnen, Herr Kollege Jarolim, ja bereits gesagt, dass Sie im Unterausschuss genug Zeit gehabt hätten, sich an den Diskussionen zu beteiligen. Ich habe ganz genau beobachtet, was Sie, Kollege Jarolim, dort getan ha­ben: Zu Wort gemeldet haben Sie sich nur sehr, sehr wenig, ja, ich glaube, überhaupt nicht. (Abg. Dr. Fekter: Weil er stattdessen Pressekonferenzen gemacht hat!)


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Zum Thema Weisungsrecht möchte ich auch noch eine kleine Bemerkung machen: Das Weisungsrecht ist keine Frage der Strafprozessordnung! Das wurde Ihnen heute wiederholte Male gesagt, Frau Kollegin Wurm.

Und folgenden Hinweis muss ich jetzt anbringen, damit das klar ist: Mir ist kein Fall einer öffentlich diskutierten Weisung dieses Bundesministers beziehungsweise des vor­hergehenden Justizministers bekannt, jedoch sind mir sehr, sehr viele Weisungen in Erinnerung, die von einem gewissen Minister Broda gekommen sind, was ja auch öffentlich diskutiert wurde. Da holt Sie die Geschichte ein, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Stummvoll: Wie der Schelm denkt!) – Ja, so ähnlich würde ich das auch interpretieren.

Diese Strafprozessreform ist tatsächlich ein großer Wurf, ist tatsächlich ein großes Werk – und das können Sie von der SPÖ hier nicht krankreden. Diese Strafpro­zess­reform setzt auch viele neue Schwerpunkte.

Ich möchte mich nun mit dem Verhältnis zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei näher auseinander setzen – auch eine Frage, die der Opposition offensichtlich sehr un­ter den Nägeln brennt, denn da kommt bei Ihnen geradezu reflexartig Angst vor zuviel Polizeigewalt durch. Ich frage Sie: Wollen Sie tatsächlich, dass noch weniger Fälle als in der Vergangenheit aufgeklärt werden, oder wollen Sie, dass der Rechtsstaat zum Durchbruch kommt? So einfach ist die Frage; und die können Sie ja dann auch richtig beantworten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Grundsatz der richterlichen Ermittlungen, wie er im jetzigen Recht verankert wurde, war in Wirklichkeit nie richtig umgesetzt. In der Praxis haben schon bisher Polizei und Gendarmerie für die Staatsanwaltschaft Beweise geliefert, die dann zur Anklage geführt haben oder eben auch nicht.

Die Tätigkeit der Exekutive war aber bisher nicht speziell geregelt. Daher ist es Ziel dieser Strafprozessreform, das gesamte Vorverfahren vor der Anklageerhebung bei Aufklärung einer Straftat rechtlich zu determinieren.

Es geht um die Aufgabe der Staatsanwaltschaft, der Gerichte, aber vor allem auch um die Rolle der kriminalpolizeilichen Erhebungen, die hier nunmehr ausdrücklich im Ge­setz festgelegt wird, wobei klargestellt ist, dass es sich dabei um eine Wahrnehmung von Aufgaben der Strafrechtspflege handelt; genauso, wie auch die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Rechtspflege erfolgt, damit eben der Rechtszug nicht zu den Unabhängigen Verwaltungssenaten, sondern zu den Gerichten sicher­gestellt ist. Wir halten das für außerordentlich wichtig, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wenn wir uns die Erhebungen vor Augen führen, sehen wir, dass vorgesehen ist, dass die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei im Einvernehmen durch­zuführen sind. Dabei stehen der Polizei alle herkömmlichen Ermittlungsmethoden zur Verfügung.

Ich sage noch einmal: Es geht hier nicht um mehr Polizeirechte, es geht hier nicht um ungerechtfertigte Polizeirechte, sondern es geht darum, sozusagen Waffengleichheit mit den Tätern herzustellen. Die Täter haben die Vergangenheit in den letzten Jahren auch nicht verschlafen und nützen alle Möglichkeiten, die das moderne Leben heute bietet. Daher ist es nur allzu selbstverständlich, dass wir diese Möglichkeiten auch der Exekutive, auch der Kriminalpolizei zur Verfügung stellen müssen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Es sollte doch im Interesse von uns allen sein, dass möglichst viele Straftaten tatsächlich aufgeklärt werden.


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So finden sich daher im vorliegenden Gesetz Neuregelungen betreffend die Obser­va­tion – Herr Kollege Wittauer hat ja schon darauf hingewiesen –, betreffend die ver­deckte Ermittlung, betreffend Scheingeschäfte, aber auch Regelungen über optische und akustische Überwachungen und ebenso über einen automationsunterstützten Datenausgleich. Aber eines ist für uns auch klar: dass die von solchen Ermittlungs­methoden betroffenen Personen auch einem besonderen Rechtsschutz unterliegen müssen; und wir sind auch bereit, diesen Rechtsschutz zu geben.

Zur Wahrnehmung dieses Rechtsschutzes ist daher der Bundesminister verhalten, einen Rechtsschutzbeauftragten zu bestellen. Diesem obliegt insbesondere die Anord­nung, die Genehmigung sowie die Durchführung von bestimmten Ermittlungen.

Zu betonen ist, dass das Institut des Rechtsschutzbeauftragten nicht neu ist. Sie wis­sen das, es ist das ja auch schon mehrmals angeführt worden: 1997 ist das auf beson­deren Wunsch der SPÖ in die Strafprozessordnung aufgenommen worden. Dieses Institut ist ja schon damals mit ähnlichen Aufgaben betraut gewesen, wie das eben jetzt auch in der neuen Strafprozessordnung vorgesehen ist.

Dieselbe Konstruktion findet sich im Übrigen auch im Militärbefugnis- und im Sicher­heitspolizeigesetz, und zwar mit dem Ziel, dem Rechtsschutz das nötige Augenmerk zu schenken. Dabei stand aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, immer außer Streit, dass der Rechtsschutzbeauftragte bei Ausübung seiner Tätigkeit unabhängig und an keine Weisungen gebunden sein soll.

Nunmehr gibt es dieses berühmte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, der für die Einrichtung der Weisungsfreistellung eine qualifizierte Mehrheit vorsieht und for­dert. – Da es sich bei der Strafrechtsreform um eine ähnliche Konstruktion handelt, besteht möglicherweise tatsächlich die Gefahr – Sie können das jetzt nehmen, wie Sie wollen –, dass diese Bestimmung einer verfassungsrechtlichen Prüfung durch den VfGH nicht standhält. Es muss aber jedenfalls in unser aller Interesse sein, diese Wei­sungsfreiheit und die Unabhängigkeit des Rechtsschutzbeauftragten sicherzustellen.

Daher haben wir heute bei Beginn dieser Debatte diesen § 27-Antrag gestellt, womit das eben ermöglicht werden soll. Wir waren erstaunt darüber, dass die Opposition schon im Ausschuss diesem Anliegen nicht beitreten wollte, wurde doch seinerzeit die Funktion des Rechtsschutzbeauftragten gerade von der SPÖ immer wieder moniert, immer wieder gefordert und letztendlich auch umgesetzt.

Sollten Sie von der SPÖ daher heute hier im Plenum diese Zustimmung wieder verwei­gern, Herr Kollege Jarolim, wird das niemand mehr verstehen können. Ich appelliere daher an Sie, diese Kindesweglegung nicht zu begehen, diesen Sündenfall nicht zu begehen, denn wir haben ja gehört: Politik braucht ein Gewissen! – Daher: All jene, die seinerzeit die Einsetzung eines Rechtschutzbeauftragten gefordert haben, sollen sich heute wirklich fragen, ob sich die Situation derart verändert hat, dass sie heute dem nicht zustimmen können.

Entweder, meine Damen und Herren von der SPÖ, wollen Sie einen unabhängigen weisungsfreien Rechtsschutzbeauftragten, dann stimmen Sie bitte dem Antrag zu. Tun Sie das nicht, geben Sie zu erkennen, dass Ihnen an einem unabhängigen und wei­sungsfreien Rechtsschutzbeauftragten nichts mehr gelegen ist. Bekennen Sie Farbe! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Da aber für diese Haltung kein objektiver Grund vorliegt – und Sie konnten ja auch kei­nen nennen –, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es Ihnen von der SPÖ da lediglich um politische Machtspiele geht, die jedoch absolut durch nichts ge-


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rechtfertigt sind. Und das ist wirklich schade! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

12.47

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

 


12.48

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident, ich wünsche Ihnen eine bessere Stimme, Sie werden ja eine solche in den nächsten Wochen noch brauchen können; also vielleicht finden Sie Entlastung im Präsidium.

Zum Thema. Ich möchte dort beginnen, wo Kollege Mainoni – das ist jetzt schon einige Zeit her – einen gar nicht unwichtigen Satz gesagt hat. (Ruf bei der SPÖ: Das kann nicht sein!) Kollege Mainoni meinte, man kann Gesetze nicht so konstruieren, dass Missbrauch völlig abgestellt werden kann. – Und da hat er Recht.

Ich würde nur bitten, Herr Bundesminister Böhmdorfer, dass wir uns auch in Fragen der Sozialgesetzgebung beispielsweise darüber einig sein können, dass Sozialgesetze auch nicht so konstruiert werden können, dass jeder Missbrauch ausgeschlossen wer­den kann. Manchmal hat man den Eindruck – und das betrifft nicht nur die letzten Jahre, damit Sie nicht gleich in eine Erregung verfallen, die der Sache unangemessen wäre –, dass seit acht, neun oder zehn Jahren Sozialgesetze prinzipiell, wenn sie neu angegangen werden, nur mehr in Richtung Missbrauchsverhinderung konzipiert wer­den. Das wäre, um mit dem Kollegen Mainoni zu sprechen, ein falsch konstruiertes Gesetz.

Ich möchte noch einen zweiten sozialen Aspekt, der dann schon zum Thema hinführt, erörtern. Das Zweite, Herr Bundesminister, was uns auch sehr weh tut, ist nicht nur sozusagen die Abschaffung der Vertrauenspersonen, sondern auch die Möglichkeit, dass man sich innerhalb der ersten 48 Stunden nach der Festnahme nicht nur einen Verteidiger organisiert – das ist ist schon gut –, sondern dass man auch, wie wir mei­nen, Verfahrenshilfe hätte vorsehen sollen. Das wäre unserer Ansicht nach unabding­bar gewesen. – Aber leider ist das nicht der Fall.

Aber der eigentliche Punkt meines Redebeitrags, Herr Bundesminister, ist das Thema, das jetzt in allen Debattenbeiträgen hin und her schwirrt, nämlich die Frage: Weisung – braucht es sie, gibt es sie? Oder gibt es etwas, was in den Jahren entstanden ist, in denen sich auch das Verhältnis zwischen Recht und Politik etwas differenziert und ent­wickelt hat, sozusagen viele Zwischenstufen und Nuancen, die eine formelle Weisung eigentlich überflüssig machen?

Von dem Punkt, an dem man weiß, was der Minister denkt, dass der zuständige Minis­ter die Augenbrauen runzelt oder zu einem Hörer greift, um einen Staatsanwalt oder eine Behörde zu kontaktieren, bis hin zu einer formellen Weisung ist es ein weiter Weg. Wenn Sie, Herr Bundesminister, gesagt haben: Wir diskutieren das aus!, dann, muss ich sagen, glaube ich Ihnen das gerne. Aber ausdiskutieren – Sie sehen das an mir –, das braucht auch manchmal eine Körperhaltung. Und wenn man merkt und spürt, dass dem Minister etwas nicht gefällt, dann wird man vielleicht, auch wenn man um seine Karriere und sein Fortkommen besorgt ist, anders reagieren. Man wird es vielleicht nicht einmal bewusst so wahrnehmen, aber man wird darauf reagieren, und das kann manchmal schon ausreichen.

Dann gibt es aber noch etwas, und das betrifft speziell Sie; da will ich mich auch nicht verschweigen, Herr Bundesminister! Das ist ein Zug an Ihnen, der auf der einen Seite durchaus sympathisch, aber auf der anderen Seite extrem problematisch ist. So wie Sie es auch im Parlament machen: Sie stellen sich her – gefällt mir, sympathisch! –, der Minister reagiert auf Abgeordnete, und das mehrmals, okay. Dann jedoch gibt es


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etwas, was problematisch ist: Der Minister reagiert – und damit meine ich nicht das Parlament – in der Öffentlichkeit auf Dinge, auf die er besser nicht reagieren sollte oder, wenn er es tut, dann so eindeutig reagieren sollte, dass man weiß, was er meint.

Jetzt komme ich auf einen Vorfall zu sprechen, Herr Bundesminister, und zwar auf die Causa Schlingensief/Windholz. (Abg. Rädler: Oje! Sind Sie der Verteidiger des Herrn Schlingensief?) – Wissen Sie schon, was ich sagen werde? (Abg. Rädler: Ja, ich kann mir’s denken!) Das ist aber interessant. Na gut, Sie können das dann gerne mit mir ausdiskutieren, auch in Form eines Redebeitrages, das bleibt Ihnen unbenommen.

Ich möchte auf den Vorfall hier nur insoweit eingehen, als der Bundesminister dabei eine Rolle gespielt hat. Zur Erinnerung: Herr Windholz, Landesparteiobmann der FPÖ, sagt auf einem Parteitag der FPÖ: „Unsere Ehre heißt Treue.“

Der Herr Landesparteiobmann der FPÖ sagt dann auf die Befragung hin, wie er denn auf die Idee gekommen ist, diesen Spruch zu zitieren: Ich nix wissen, nur Landes­par­teiobmann der FPÖ, keine Kenntnisse über Geschichte, vor allem nicht über diesen Teil der Geschichte. – Okay, das ist das eine. Es gibt eine Sachverhaltsdarstellung der Sicherheitsdirektion an die Staatsanwaltschaft Niederösterreich, die besagt: Wir schau­en uns das an.

Der damals in Wien tätige Aktionskünstler Schlingensief nicht faul – manchmal auch nicht sehr differenziert in seinen Aktionen, ich möchte überhaupt nicht weiter darauf eingehen, Herr Kollege – nimmt das zum Anlass, seine damalige Aktion, den Contai­ner, mit dem Spruch zu versehen: „Unsere Ehre heißt Treue.“ Und der Bundesminister reagiert – aber nicht auf Herrn Windholz, sondern auf Herrn Schlingensief! Der Bun­desminister reagiert so, dass er Redaktionen anruft, um sie darauf aufmerksam zu machen, dass die Staatsanwaltschaft in dieser Causa ermittelt.

Der Herr Bundesminister sagt dann (Abg. Dr. Fekter: ... Gleichbehandlung!) in Beant­wortung einer Anfrage meiner Person: „Im Hinblick auf wiederholte Journalisten­anfra­gen ... habe ich den Medien kundgetan, was die Staatsanwaltschaft in einer Angele­genheit von besonderem öffentlichen Interesse von sich aus unternommen hat.“ Der Herr Bundesminister hat in dieser Anfragebeantwortung leider nicht hinzugefügt, dass die Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt – und das war ihm auch bekannt – eigent­lich schon entschieden hatte, nichts zu unternehmen.

Der Herr Bundesminister hat die Medienvertreter nicht angerufen, um sie darüber zu informieren, dass der Spruch „Unsere Ehre heißt Treue“, ganz egal – das wäre ja ein denkbarer Standpunkt –, von wem er gesagt wird, ein Problem darstellten könnte und den Verdacht einer nationalsozialistischen Wiederbetätigung nach § 3 darstellt, son­dern der Bundesminister hat sich bemüßigt gefühlt, in der Causa Schlingensief von die­sem Verdacht und von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die es zu diesem Zeit­punkt ganz offensichtlich nicht mehr gegeben hatte, zu berichten.

Wissen Sie, Herr Bundesminister, dass ... (Bundesminister Dr. Böhmdorfer: ... es nicht gegeben hätte!) – Die es nicht mehr gegeben hat – ich habe das genau studiert und auch in der Anfrage entsprechend wiedergegeben. Sie haben am Vortag, dem 15., einen Brief an den Wiener Bürgermeister geschrieben, in dem Sie gesagt haben: Von Seiten des Strafrechts geht nichts, aber von Seiten der Veranstaltungsbehörde – und das wäre der Bürgermeister gewesen – könnten Sie ja etwas machen. – An den Bür­germeister.

Am nächsten Tag simuliert der Bundesminister gegenüber den Medien, weil ja das Thema in den Medien hochgekocht ist, noch immer die Haltung, es müsste eigentlich etwas passieren. Man merkt das Engagement des Bundesministers, aber nicht gegenüber dem Herrn Windholz und dem Herrn Schlingensief gleichermaßen – was


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ich auch schon für problematisch hielte –, sondern gegenüber dem Herrn Schlingen­sief, und da wird es vollends schief. Da frägt man sich, Herr Bundesminister, ob Ihr Engagement – Ihr diskursives Engagement, das ich Ihnen nicht nehmen möchte und das ich gut finde, das gefällt mir – in solchen Punkten, und wenn Sie mit einer Behörde etwas zu tun haben, nicht manchmal auch den Vertretern der Behörde – und das sind Personen, das sind Menschen genauso gut wie Sie und wie ich – den Eindruck ver­mittelten: Hallo, der Bundesminister ist sehr interessiert an dieser Causa, aber ganz offensichtlich nur an der Causa Schlingensief, nicht an der Causa Windholz!

Jetzt möchte ich nicht darauf eingehen, dass Sie als Rechtsvertreter – da waren Sie noch nicht Justizminister – natürlich auch schon vorher in Verfahren Anzeige erstattet haben, wenn es genau um diese Dinge, „Unsere Ehre heißt Treue“, gegangen ist. Das ist nicht der Punkt, sondern der Punkt ist: Man merkt in bestimmten Situationen – und das gab es nicht nur in diesem einen Fall, aber ich habe es deshalb detailliert ge­schildert –, dass von der formellen Weisung bis hin zum Augenrunzeln eines Ministers oder zu dem Punkt, dass er zu einem Hörer greift und nicht eine Behörde, sondern irgendjemanden anruft, um sein besonderes Interesse zu dokumentieren, eine bunte Palette von möglichen Variationen von Einmischungen eines Ministers, von Haltungen eines Ministers sichtbar wird.

Auch zwischen Haltung und Einmischung besteht ein Unterschied. Mir persönlich ist seither in dieser Qualität kein Vorfall mehr bekannt, aber Sie erinnern sich, Herr Bun­desminister: Am Anfang, in den ersten ein oder zwei Jahren, bis zu Ihren Sagern von wegen Opposition, hat es genügend Notwendigkeit gegeben, dass wir Ihr Wirken sehr aufmerksam verfolgt haben.

Der Punkt ist: Wenn Sie jetzt in dieser ganz wichtigen Causa – da möchte ich Ihr Enga­gement und vor allem das der Beamten Ihres Ressorts überhaupt nicht bestreiten, und ich bin ja auch froh über viele Teile, die in dieser Reform enthalten sind, aber wenn wir hier noch einmal in aller Öffentlichkeit wiederholen, dass es in einigen Punkten ver­fassungsrechtliche Bedenken gibt, und dann gesagt wird, dann geht’s eben zum Verfassungsgerichtshof und wir schauen uns das an, und wenn nicht darauf einge­gangen wird, dass wir innerhalb einer zu definierenden Frist möglicherweise gut daran täten, jene Punkte noch zu eliminieren, die nicht nur nach Ansicht der Opposition ver­fassungsrechtlich problematisch sind – das nicht wollen, dann lässt das zweifeln. Dann können Sie – um auf einen wesentlichen Punkt dieser Bedenken einzugehen – noch hundertmal erklären, Herr Bundesminister: Ich diskutiere solche Sachen aus. Das sind Sie nicht alleine, Sie sind auch ein Minister mit Standpunkten – das ist prinzipiell noch nichts Schlechtes –, aber mit Standpunkten, die manchmal allzu deutlich in Fällen sichtbar werden, in denen Sie sich als Bundesminister zumindest besser verschweigen sollten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das war einer der Punkte, und jetzt nenne ich noch diese Broschüre. (Der Redner hält eine Broschüre mit der Überschrift „Strafprozessreformgesetz“ in die Höhe.) Ich weiß ja nicht, wie wir zur Ehre dieser Broschüre gekommen sind, aber eines sage ich Ihnen schon, Herr Minister: Wir hatten im Rahmen der parlamentarischen Debatte Möglich­keiten und Rechte, von denen wir auch Gebrauch gemacht haben: ein Minderheits­be­richt, natürlich ein Ausschussbericht, eine abweichende Stellungnahme. Dann kommt aber der Minister und sagt: Das ist mir alles Wurscht, jetzt sage ich euch noch einmal etwas.

In dieser Form geht das meiner Meinung nach nicht. Ich weiß nicht, wie wir zu dieser Broschüre gekommen sind. Das parlamentarische Verfahren ist mit der ... (Abg. Dr. Fekter: Eine Dienstleistung des Justizressorts! – Abg. Dr. Stummvoll: Service!) – Das ist kein Service. Es ist eine Stellungnahme enthalten zu dem, was die Opposition auch im Minderheitsbericht und in der abweichenden Stellungnahme geäußert hat.


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(Abg. Dr. Fekter: Das darf er ja!) Nein, der Herr Minister kann sich hier ... (Zwi­schen­rufe bei der ÖVP.) Der Herr Minister kann sich hier noch äußern. Aber das ist kein Service, das ist eine politische Stellungnahme.

Wir sind in der Frage Ernst-Nehmen des Parlaments und parlamentarischer Rechte in gewisser Weise empfindlich, Herr Minister, und das werden Sie gerade uns Grünen – in der Auseinandersetzung mit uns ist ja auch einiges passiert – sicher nicht verden­ken. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Er hat aber auch das Recht, klarzustellen, wenn Sie ständig kritisieren, dass nicht beraten wurde! Da hat er das Recht, es klarzustellen!)

13.01

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. Ich mache auf § 57 Abs. 8 der Geschäftsordnung aufmerksam. – Bitte, Herr Minister.

 


13.01

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst, Herr Abgeordneter, bin ich sehr froh darüber, dass Sie, um mich persönlich zu kritisieren, vier Jahre zurückgehen müssen. Ich schließe dar­aus, dass Sie in den Jahren danach nichts mehr, was Sie kritikwürdig finden, empfun­den und gesehen haben. Danke schön! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Zweitens danke ich dafür, dass Sie meine Eigenschaft, ins Gespräch zu treten, gerne sehen. Sagen Sie das auch Ihrem Klubobmann, dass er mir vielleicht die persönliche Begegnung durch Handschlag in Zukunft nicht mehr verwehrt. Das hält jetzt schon vier Jahre an. Das gilt auch für Herrn Dr. Gusenbauer. Ich habe bei beiden Klubobleuten der Opposition um einen Vorstellungstermin gebeten, als ich vor vier Jahren Minister wurde; bei Ihnen beiden habe ich bis heute keinen bekommen. Ich sage das nur, damit Sie die Frage der Diskussion auch einmal ... (Abg. Mag. Stoisits: Sie waren ja bei uns, Herr Bundesminister, und haben über die StPO referiert!) Ja, ich sage nur, dieser Ter­min ist noch offen. (Abg. Dr. Lichtenberger: ... unglaublich!) Macht nichts – dies nur, weil Sie hier meine Diskussionsfreudigkeit nennen. Ich würde mich darüber freuen, wenn das einmal an ein offenes Ohr gelangen würde. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Das Nächste, was ich sagen möchte: In der Causa Windholz hat es weder eine Wei­sung noch einen Akt auf meinem Tisch gegeben. – Das ist das eine. (Abg. Öllinger: Habe ich nicht behauptet!)

Weiters: In der Causa Schlingensief hat es auch keinen Akt auf meinem Tisch gege­ben, und ebenfalls keine Weisung. Nur hatte Herr Schlingensief – und ich muss jetzt aus dem Gedächtnis sprechen – hinter der Oper ein Plakat angebracht: „Meine Ehre heißt Treue“, und deutsche Urlauber und auch andere Gäste unseres Landes konnten das nicht verstehen. Sie haben geglaubt, in Österreich geht es so zu, weil das als Ak­tion eines Aktionskünstlers nicht wirklich erkennbar war. (Zwischenrufe bei den Grü­nen.) Deswegen haben die Medien auch bei uns im Justizministerium angerufen. Ich habe den Herrn Bürgermeister von Wien gebeten, das Seine zu tun, und ich habe die Medien informiert, dass ich über eine Information verfüge, dass der Herr Staatsanwalt die Sache prüfen wird. Mehr war es nicht. Ich glaube, das ist eine Informationspflicht, die ich gegenüber den Medien erfüllt habe.

Zum Dritten: Warum habe ich es selbst getan? – Weil ich damals erst zwei oder drei Wochen im Amt war und einfach noch kein Kabinett hatte. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Fekter: Rohrkrepierer nennt man das, Herr Öllinger!)

13.04

 



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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. – Bitte.

 


13.04

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist schon schade, dass gerade bei einer so großen Reform die Opposition immer nur dasselbe Muster verfolgt: einerseits, dass Ihnen wirklich nichts anderes einfällt, als einen Minister in Misskredit zu bringen, und andererseits, dass Sie nur Kritik üben an Reformen, bei denen es schon längst, wirklich schon sehr lange notwendig ist, dass sie endlich einmal durch­geführt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Da frage ich gerade die Kollegen von der SPÖ: Warum haben Sie diese heute ständig vorgebrachten Forderungen nicht schon längst, während Ihrer Regierungszeit, durch­gebracht? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Mir ist auch total unverständlich, dass Sie es in der gelebten Sozialdemokratie verantworten konnten, dass insbesondere Opfer von Gewalt kein Anrecht auf Information, kein Anrecht auf Beteiligung hatten, und dass es sogar möglich war, dass diese Opfer erst im Nachhinein erfahren haben, dass ein Verfahren beendet wurde, zu dem sie gar nicht beigezogen worden waren.

Für uns Freiheitliche war es immer ein großes Anliegen und ist es auch weiterhin ein großes Anliegen, verstärkt für Verbrechensopfer einzutreten. Es ist gut so, dass die Zeiten vorbei sind, in denen man sich immer mehr um die Täter als um die Opfer ge­kümmert hat! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Es ist gut so, dass es dem Justizminister jetzt gelungen ist, die freiheitliche Intention „Schutz dem Opfer und nicht dem Täter“ endlich in einem Gesetz durchzusetzen.

Gerade im Bereich der Opfer ist es oft sehr schwierig, die ihnen angetane Gewalt zu dokumentieren und anzuzeigen. (Abg. Mag. Wurm: Aber unschuldig Verfolgte brau­chen wir auch nicht!) Als Oberösterreicherin, die im ländlichen Raum zu Hause ist, sehe ich sehr oft, wie schwer es gerade Frauen als Opfer von Gewalt in der Familie ha­ben, das Erleiden dieser Gewalt zum Ausdruck zu bringen oder als Opfer diese Gewalt auch anzuzeigen. Meist wird das Ganze bagatellisiert, die Frauen schweigen, weil sie der Familie einfach die Schande ersparen wollen. Insbesondere in kleinen Dörfern, die ja soziale Sicherheit bieten, fällt es Frauen schwer, aus Gewaltbeziehungen aus­zu­brechen, weil dadurch der Status im Dorf gefährdet wird, weil sie Konventionen ver­letzen und weil dies sogar zur sozialen Ächtung im Dorf führen kann.

Es ist schon klar, dass diese Schwierigkeiten nicht gänzlich durch Gesetze geändert werden können. Auch kein Gesetz der Welt kann dieses durch Missbrauch und Gewalt angetane Leid wieder reparieren. Aber was wir dennoch können und was wir tun müs­sen, ist, genau diesen Opfern Rahmenbedingungen für Abhilfe und Unterstützung zu gewähren, damit sie wirklich aus sich herausgehen und diese Gewaltakte anzeigen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Deswegen ist gerade das vorliegende Gesetz ein Meilenstein für diese Verbrechens­opfer, damit auch sie, insbesondere die Frauen, Schritte setzen, um sich gegen Gewalt zu wehren. Da sehe ich insbesondere auch in dem Anrecht auf Prozessbegleitung, auf juristische Prozessbegleitung und auf psychologische Prozessbegleitung, einen sehr großen Fortschritt, einen Meilenstein dafür, dass hier Recht gewährt wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre wirklich sehr erstrebenswert, dass Sie den Opfern mehr Verständnis entgegenbringen könnten, dass auch für Sie Opfer­schutz vor Täterschutz steht und dass heute auch Sie diesem großartigen Reformwerk zustimmen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.08

 



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51. Sitzung / Seite 77

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Ab­geordnete Stadlbauer. – Bitte.

 


13.08

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieses Gesetz ist wahrscheinlich verfassungswidrig. (Abg. Parnigoni: Mit Sicherheit!) Das sage nicht nur ich, das sagt nicht nur die Opposition insgesamt, sondern das sagen auch namhafte Experten wie zum Beispiel der Verfassungsjurist Dr. Mayer – siehe APA vom 19. Februar – oder der Strafrechtsexperte Dr. Bertel.

Wenn dem so ist, wenn es diese Befürchtungen gibt, dann frage ich: Wie kann das ein Bundesminister, der dafür die politische Verantwortung trägt, zulassen, ein Bundes­minister, von dem man annimmt, dass er verantwortungsbewusst handelt? Wie können Sie zulassen, dass heute dieses Gesetz beschlossen wird? Und wie können Abgeord­nete von den Regierungsparteien, von ÖVP und FPÖ, sehenden Auges dieses Gesetz beschließen, von dem sie wissen, von dem sie hören, dass es wahrscheinlich verfas­sungswidrig ist? Wo ist da ihr Verantwortungsbewusstsein?

Es ist doch unsere Aufgabe, Gesetze zu beschließen, die die Regeln unserer Gesell­schaft optimal gestalten und auf die sich die Menschen hundertprozentig verlassen können. Ich frage mich wirklich: Was für ein Signal senden Sie heute wieder einmal an die Bevölkerung aus? (Abg. Scheibner: Sie haben ein kurzes Gedächtnis dafür, wie Sie das immer gemacht haben!) – Ich bin wirklich sehr betroffen davon, dass es Ihnen an­scheinend wirklich völlig egal ist, dass Sie heute ein wahrscheinlich verfassungs­widriges Gesetz beschließen. (Abg. Scheibner: Sie haben ein kurzes Gedächtnis dafür, wie Sie mit der Verfassungsmehrheit umgegangen sind!) Sie hätten genauso wie wir alles unternehmen müssen, damit diese Befürchtung entkräftet werden kann, aber Sie haben es nicht getan. Das Muster ist immer dasselbe: Drüberfahren ohne Rück­sicht auf irgendwelche Verluste!

Aber ich möchte mich jetzt auf die Opferrechte konzentrieren. Ich finde es wirklich bemerkenswert, wer aller sich jetzt hierher stellt und darauf pocht, dass er oder sie die ErfinderIn der Opferrechte ist. (Abg. Dr. Gusenbauer: Ein Chor!) Um einer Legen­den­bildung vorzubeugen, möchte ich zum einen darauf hinweisen, dass es einen EU-Rahmenbeschluss gab, den wir umsetzen mussten. Zum anderen war ich – im Gegen­satz zu vielen anderen – im Unterausschuss und kann mich nicht daran erinnern, dass Vertreter und Vertreterinnen von ÖVP und FPÖ sehr groß diskutiert und Opferrechte eingebracht haben.

Das war anfangs kein Thema. Erst im letzten Unterausschuss, und auch da auf Inter­vention der Opposition, wurden die Opferrechte ernsthaft zum Thema gemacht. Vorher ist es nur nebenbei ein bisschen diskutiert worden, und vor allem: Wenn Verbes­se­rungsvorschläge gekommen sind, entweder von uns, von der Opposition, oder von den Opferschutzeinrichtungen – bei deren Vertretern möchte ich mich an dieser Stelle recht herzlich für die Arbeit bedanken –, dann sind diese Forderungen immer mit irgendeiner Begründung vom Tisch gefegt worden und waren auf einmal kein Thema mehr. Nur dank unserer Beharrlichkeit, gemeinsam mit den Opferschutzeinrichtungen, ist es gelungen, dass dann eine Forderung nach der anderen in der Regierungsvorlage, im Gesetzentwurf enthalten waren, zum Beispiel der Wegfall der 4 000-€-Grenze für Schäden bei der Zurverfügungstellung von kostenlosem Rechtsbeistand, oder die Pro­zessbegleitung für alle Gewaltopfer, oder die Unterscheidung zwischen den Opfern und deren Rechten, oder dass überhaupt einmal der Begriff „Opfer“ aufgenommen wird. Aber jetzt sagen Sie, Sie seien die Erfinder der Opferrechte und dank Ihrer Politik und Ihres Einsatzes werde das jetzt mit umfasst. Das stimmt einfach nicht, und ich denke, das muss man richtig stellen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Abgesehen davon ist es auch nicht erklärbar, warum die Opferrechte nicht vollständig umgesetzt worden sind. Es hätte die Möglichkeit bestanden, das jetzt zu tun. Was fehlt? – Zum einen die schonende Einvernahme aller Gewaltopfer, das sind unter anderem – zur Erinnerung – Kinder bis 14 Jahre. Schonende Einvernahme bedeutet eine Einvernahme, ohne dass der Täter dabei ist. Ein Argument im Ausschuss war immer jenes, dass sich der Richter keinen persönlichen Eindruck machen kann, wenn er das Verhalten des Opfers gegenüber dem Täter – und umgekehrt – nicht sieht, nicht live sieht. Dem halte ich entgegen: Was passiert eigentlich, wenn das Opfer die Aus­sage verweigert? – Das könnte es ja tun, und dann kann sich der Richter erst recht kein Bild machen. Aus Gesprächen mit VertreterInnen der Opferschutzeinrichtungen weiß ich, dass viele Opfer eher die Aussage verweigern, als dass sie die Aussage vor dem Täter wiederholen.

Oder der noch viel schlimmere Fall: Was passiert, wenn das Gewaltopfer – und ich weise noch einmal darauf hin: Kinder bis 14 und vor allem auch sehr viele Frauen – durch die Vernehmung mit dem Täter das Ganze noch einmal miterleben muss und noch einmal traumatisiert wird? Dient das einer Wahrheitsfindung? – Ich denke, um die Wahrheits- und die Urteilsfindung zu erleichtern, ist die getrennte Vernehmung doch mehr als logisch! Dies ist auch technisch möglich. Das muss einfach für alle Personen, die Opfer einer Gewalttat wurden – zu 90 Prozent Frauen und Kinder, ich muss das immer wieder betonen –, gelten. Die technischen Voraussetzungen sind möglich, nur der politische Wille fehlt, und das ist unnötige Quälerei der Opfer! (Beifall bei der SPÖ.)

Das Zweite ist die Nichtigkeitsbeschwerde. Einige Opferrechte sind jetzt im Gesetz verankert, und das ist gut so. Aber was nützt es, wenn es keine Konsequenzen gibt, falls sich ein Richter nicht daran hält? – Die Nichtigkeitsbeschwerde, die ja kurzfristig im Entwurf gestanden ist, würde gewährleisten, dass die Opferrechte nicht nur auf dem Papier stehen, sondern wirklich umgesetzt werden können. Herr Minister, es ist nicht ehrlich, nicht konsequent und nicht mutig genug! Sie machen die Opfer zu Bittstellern, die auf den Goodwill der Behörden angewiesen sind. Sie haben sich eine Hintertür offen gelassen, um Opfer im Regen stehen zu lassen, und das ist nicht fair!

Die komplette Umsetzung der Opferrechte kostet nicht mehr Geld. Es kostet nur politischen Willen, für die betroffenen Menschen da zu sein. Sie haben diese Chance verpasst, und damit ist wieder einmal deutlich geworden, für wen wirklich die Men­schen zählen und wer für die Menschen da ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Eines noch zu dieser Broschüre, die heute ausgeteilt worden ist: Es ist wirklich unfass­bar, Sie sind sich Ihrer Sache so sicher! Wir haben dieses Gesetz noch nicht einmal beschlossen, und schon wird eine Broschüre gedruckt. (Abg. Jakob Auer: Damit Sie es verstehen! – Widerspruch bei der SPÖ und den Grünen.) – Herr Kollege! Im Ge­gensatz zu Ihnen war ich in diesem Unterausschuss und habe mich wirklich mona­telang mit dieser Materie befasst. Mir zu unterstellen, dass ich mich nicht auskenne, möchte ich wirklich hintanstellen! (Abg. Jakob Auer: Warum stimmen Sie dann dage­gen?) Ich würde sagen, schauen Sie sich das auch an; vielleicht lesen Sie sich diese Broschüre einmal durch! Doch schauen Sie sich auch den Minderheitsbericht und die Gründe an, warum wir dagegen stimmen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Aber ich finde es immer wieder wunderbar, wie man an diesen Beispielen das Demo­kratieverständnis dieser Regierung sieht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.15

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Miedl. – Bitte. (Abg. Parnigoni – in Richtung des Abg. Auer –: Jakob, das war für dich disqualifizierend!)

 



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13.16

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist immer wieder interessant für mich, wie solche Diskussionen geführt werden. Zum einen, Frau Kollegin Stadlbauer: Die Opferrechte haben natürlich auch nicht Sie und die SPÖ erfunden, sondern es war gerade die Opposition, die seit Jahren genau deswegen auch die StPO-Reform vorbereitet hat, um die Opferrechte endlich zu regeln. Das muss hier ganz deutlich gesagt werden. (Abg. Mag. Weinzinger: Die Opposition, ja! – Abg. Dr. Lichtenberger: Richtig gesagt!)

Frau Kollegin, Folgendes möchte ich schon sagen: Bei dem, was Sie zur kontra­dikto­rischen Vernehmung und zum Schutz des Opfers bei Aussagen erwähnt haben, waren Sie mitten in der Gerichtsverhandlung. Wofür aber die StPO sozusagen die Regelung vornimmt, ist das Vorverfahren. Darum geht es, und da gibt es auch einige klare Rege­lungen. Frau Kollegin, da sind Sie nicht ganz auf dem Laufenden. Ich möchte das nur sagen, weil Sie auch da in Wirklichkeit weit daneben liegen. (Abg. Jakob Auer: Er ist noch böser! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Seit Jahrzehnten wird über die Einführung einer neuen Strafprozessordnung diskutiert, als das, wenn man so will, Regulativ für die Spielregeln zwischen Exekutive, Staatsanwalt und Gericht. Das ist immer ein ... (Abg. Dr. Pus­wald: Und der Anwalt? Spielt der keine Rolle?) – Der Anwalt spielt natürlich dann eine Rolle, wenn Sie dabei sind, Herr Kollege. Das wissen wir ohnehin, Sie sind ganz be­sonders wichtig. Das wissen wir in der Zwischenzeit alle: Sie sind besonders wichtig! (Abg. Dr. Puswald: Aber Sie haben vergessen, dass er eine Rolle spielt!)

Meine Damen und Herren! Das heißt, es ist eine gesellschaftspolitische Frage: Wie regeln wir das, und was stellt die Gesellschaft unter Sanktion? Welches Verhalten wollen wir bei Gericht geahndet wissen, und wie ist das Verfahren? Wie sind die Spiel­regeln, dass wir dieses Verhalten ahnden? – Seit 1873 gibt es eine Strafprozess­ordnung, die wir endlich auf neue und moderne Füße stellen wollen. (Abg. Dr. Pus­wald: 1975 – entscheidende Novelle!) Herr Kollege!

Jetzt denke ich, es müsste ja Konsens in dem Hause sein, dass wir uns wenigstens darüber einig sind. Es hat eine über 70 Stunden währende Vorbereitung auf diese Straf­prozessreformgesetz-Novelle gegeben, und heute kommen solche Dinge wie „Polizeistaat“ von der Opposition, es wird ganz salopp gesprochen: 25 000 Polizisten ... (Abg. Dr. Puswald: Der Minister sagt das in einem Interview in der Zeitung!)

Herr Kollege! Lassen Sie mich doch einmal ausreden und einen Gedanken zu Ende führen! (Abg. Dr. Puswald: Das sagt er in der Zeitung!) Sie sind mit Ihren Zwischen­rufen die ganze Zeit so lästig, dass ich mich wirklich ärgern muss! Ich möchte Sie sehr bitten: Hören Sie mir zu, so wie ich Ihnen zuhöre, und diskutieren wir dann gemeinsam draußen in den Couloirs. Ich lade Sie herzlich ein, okay? (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) – Der Herr Kollege ist besonders anfällig für Zwischenrufe und ist manchmal besonders lästig – bei aller Wertschätzung, Herr Kollege! (Abg. Dr. Pus­wald: Danke schön!)

Dann redet Frau Kollegin Wurm von „Polizeistaat“, von dem Umstand und der Tat­sache ... (Abg. Mag. Wurm: Herr Schröder war das!) – Sie haben davon geredet, ich habe Ihnen ganz genau zugehört, das war niemand anderer, Frau Kollegin. (Abg. Mag. Wurm: Das war der Dr. Schröder!) 25 000 Polizisten, sagt Frau Kollegin Wurm, stehen lediglich 183 Staatsanwälten gegenüber. Gefehlt, Frau Kollegin, fünf, setzen! Es ist doch unerhört und ungeheuerlich, was für eine Ansicht Sie in dieser Frage ha­ben! 183 Staatsanwälte sind in Wirklichkeit die Auftraggeber der Exekutive in der Strafprozessordnung und in der gesamten Strafgerichtspflege. Frau Kollegin Wurm, das müssten Sie eigentlich wissen, weil Sie auch da oder dort dem Unterausschuss


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angehört haben. Also die Ansichten, die hier vertreten werden, sind für mich wirklich ungeheuerlich! (Abg. Mag. Wurm: Totale Dominanz der Polizei im Strafprozess­vorver­fahren, sagt Dr. Schröder! Nehmen Sie das zur Kenntnis!)

Dann kritisiert Herr Kollege Öllinger etwas, über das ich als Abgeordneter sage: Danke vielmals, ich würde alle Minister und Staatssekretäre bitten und auffordern, uns so etwas in die Hand zu geben, um uns zu informieren! Das ist zwar trotzdem durch die Opposition zu kritisieren, wenn sie glaubt, es kritisieren zu müssen, aber dass wir infor­miert werden, das halte ich, bitte schön, nicht nur für legitim, sondern das ist aus meiner Sicht geradezu notwendig! Herr Minister, falls ein paar Exemplare dieser Bro­schüre übrig sind, würde ich diese gerne noch für diejenigen, die Interesse daran haben, mitnehmen.

Meine Damen und Herren! Es ist uns mit dieser StPO-Reform ein großartiger Wurf gelungen, der jahrzehntelang aussteht. (Abg. Dr. Puswald: Das ist Eigenlob, Herr Kollege!) Es sind darin erstmals die Rechte und die Pflichten der Beteiligten für das strafprozessuale Vorverfahren geregelt, es ist die Observation endlich geregelt worden, meine Damen und Herren, es ist die verdeckte Ermittlung geregelt worden. Es sind die Scheingeschäfte geregelt worden. (Abg. Dr. Wittmann: Das ist menschenrechts­widrig!)

Herr Kollege, dann sagen Sie mir, wie es besser geht! Soll ich Ihnen erklären, wie es in Deutschland geht? Haben Sie sich im übrigen Europa umgeschaut? Da kenne ich mich ein bisschen aus, Herr Kollege, da sind Sie in Wirklichkeit schmähstad. Sie wissen nicht, wie es geht, kritisieren aber das, was wir tun.

Es sind, meine Damen und Herren, die Beschuldigtenrechte endlich geregelt. Es ist jetzt klar, dass der Rechtsanwalt dann dabei ist (Abg. Dr. Puswald: Wenn man es ihm erlaubt!), soweit er das Ergebnis von Ermittlungen und Beweissicherung nicht gefähr­det oder stört. Endlich ist das geregelt.

Es ist die verdeckte Ermittlung geregelt, es sind die Scheingeschäfte geregelt. Ich sage Ihnen, keiner ahnt, was sich in Wirklichkeit hinsichtlich Drogenkriminalität in Europa abspielt. Endlich gibt es für die Exekutive klare Regelungen, wie sie sich zu verhalten hat, und ein klares Gesetz, was sie tun und umsetzen kann, worauf sie auch pochen kann.

Es gibt so etwas wie einen Datenverbund zwischen den befassten Behörden. Es gibt eine rechtliche Grundlage für die DNA-Analyse. Diese gab es bislang nicht. Aber wissen Sie, wie viele Verbrechen über die DNA-Analyse geklärt werden können? (Abg. Großruck: Das weiß er nicht! Er hat keine Ahnung!)

Wenn Sie das alles wissen, können Sie nur ja zu dieser Strafprozessordnungsreform sagen. Ich denke, es ist ein modernes Werk, das schön längst hätte in die Wirklichkeit umgesetzt werden müssen. Ich bitte daher alle Damen und Herren, alle, die daran beteiligt sind und Interesse haben, heute mitzustimmen. Es wäre es wert. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.22

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Ab­geordnete Mag. Weinzinger. – Bitte.

 


13.22

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Da ich mir die Ausführungen des Herrn Präsidenten Khol gerne zu Herzen neh­me, der gestern wieder einmal darauf hingewiesen hat, dass eine gewisse Sensibilität gefordert ist, insbesondere wenn Frauen am Rednerpult stehen, was nämlich Zwi­schenrufe, Geräuschpegel und Ähnliches angeht (Abg. Großruck: Das gilt auch für


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Männer!), möchte ich nun doch Herrn Abgeordneten Auer, der gerade versucht, mir den Rücken zuzudrehen, daran erinnern, was sich Herr Präsident Khol gestern ge­wünscht hat, und möchte deutlich zurückweisen, dass, wenn weibliche Personen am Rednerpult stehen, bevorzugt von Männern Zwischenrufe kommen, in denen die Intel­ligenz und das Verständnis in Abrede gestellt werden. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Im Übrigen würde ich meinen, dass das durchaus auch ein Thema für die Frauen in der ÖVP und der FPÖ wäre, denn ich fand es gestern eigentlich beschämend, welcher Geräuschpegel während der Ausführungen der Frau Außenministerin Ferrero am Schluss der Tagesordnung herrschte und dass es auch da der eigene Parteikollege Präsident Khol nicht für nötig erachtet hat, einzuschreiten und um etwas Ruhe zu ersuchen. (Abg. Großruck: Wollen Sie Präsidentin werden? – Abg. Silhavy: Sagen Sie auch etwas zum Kollegen Großruck! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Groß­ruck.)

Wollen Sie jetzt den Gegenbeweis antreten, dass Herr Präsident Prinzhorn auch nicht einschreitet, wenn es Herr Präsident Khol nicht macht? Oder was soll das jetzt? (Abg. Silhavy: Er liefert den Beweis, dass er sich selbst disqualifiziert! – Weitere Zwischen­rufe bei ÖVP und SPÖ.) Ich würde ja gerne zum Thema kommen, Herr Abgeordneter Grillitsch von der ÖVP, wenn Ihre Zwischenrufer mich ließen, aber es freut mich, dass Sie meine Äußerungen bereits mit großem Interesse erwarten. Danke schön. (Ironi­sche Heiterkeit bei der ÖVP.)

Ich würde Herrn Abgeordnetem Miedl in einem Punkt ja glattweg Recht geben. Er hat – und das halte ich bemerkenswert für einen Vertreter einer Regierungspartei – gemeint, dass Opferrechte heute in dieser StPO-Novelle deutlich verankert sind, ist insbeson­dere dem jahrlangen Wirken der Opposition zu verdanken. Wenn sogar Sie als Regie­rungsvertreter das so sehen, schließe ich mich gerne an. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich glaube aber auch, dass es nur in zweiter Linie interessant ist, wem es denn jetzt zu verdanken ist, dass diese Opferrechte drinnen stehen – wobei ich auch glaube, dass wir uns alle dem Dank anschließen sollten, den Frau Abgeordnete Stadlbauer ins­besondere für das Engagement der Opferschutzeinrichtungen geäußert hat –, sondern dass es vielmehr wichtig ist, dass es diese Regelungen gibt. Ich freue mich auch, wenn Sie, Herr Minister, sich herstellen und sich ganz besonders wortreich für die Opfer­rechte stark machen, ich frage Sie aber schon, warum Sie dann bei den Opferrechten in dem Gesetz auf halbem oder dreiviertel Weg stehen geblieben sind, wenn Ihnen das so ein Anliegen ist. Warum machen Sie nicht Ernst mit dem, was Sie ankündigen und geben einem wirklich schlagkräftigen Opferschutz in dieser Novellierung Vorrang?

Lassen Sie mich auf zwei, drei Punkte dazu eingehen! Wir hatten bereits ein paar Mal einen Hinweis auf die Frage der schonenden Einvernahme von Opfern. Das wäre ja etwas, wovon ich glaube, dass man möglichst rasch einen Konsens herstellen können sollte – über alle Parteigrenzen hinweg. Faktum ist, dass es im Gesetz unbefriedigend geregelt wird, weil es nur für Opfer von Sexualdelikten oder für Opfer von Gewalt­delikten unter 14 Jahren gelten soll. Ich frage Sie – gerade auch Frau Abgeordnete Ach­leitner, die das ja indirekt durchaus angesprochen hat –, warum Sie das offen­sichtlich in dem Gesetz nicht wirklich inkludiert haben wollen, dass man bei Opfern über 14 Jahren, die Opfer von Gewaltdelikten sind, die nicht sexuellen Charakter haben, natürlich genauso eine schonende Einvernahme sicherstellen und eine zweite Trau­matisierung im Verfahren vermeiden sollte.

Da ist es ganz gleichgültig, ob das eine Frau ist, die Opfer von häuslicher Gewalt ist und derzeit nicht zwingend der schonenden Einvernahme unterliegt, oder ob das eine


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alte Frau ist, die auf der Straße Opfer eines Raubüberfalls wird, die unter Umständen eine schwerste Traumatisierung erlitten haben kann. Auch der gestehen Sie das Recht auf eine schonende Einvernahme im Sinne der kontradiktorischen Vernehmung nicht zu.

Ich glaube, das ist ein Riesendefizit in dieser Novellierung und sollte eigentlich im Sin­ne eines effizienten Opferschutzes dringend nachgebessert werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein zweiter Punkt: Sie erwähnen vollkommen zu Recht, dass wir eine große Errungen­schaft dadurch erreichen, dass inzwischen Opfer von Gewaltdelikten Anspruch auf Prozessbegleitung, und zwar sowohl juristische als auch psychosoziale Prozess­be­gleitung, haben sollen. Allerdings ist in Ihrem Gesetz nicht explizit verankert, dass auch die zwingende Verpflichtung besteht, Opfer darüber zu informieren, dass sie diese Rechte haben. Der springende Punkt ist ja immer: Welche Rechte kann ich in An­spruch nehmen, wenn ich nicht weiß, dass ich sie habe, oder wenn ich nicht die Rechtsmittel habe, sie tatsächlich durchzusetzen?

Das gilt im Übrigen auch für den Fall der bereits angesprochenen Nichtigkeits­be­schwerde. Gerade da ist das Problem, dass insbesondere bei weiblichen Opfern von Gewalttaten die Gefahr der Bagatellisierung sehr groß ist und im Vorverfahren viel­leicht die eine oder andere Beweismöglichkeit nicht aufgegriffen wird, sodass es zu einem Freispruch und keiner weiteren Strafverfolgung kommt. Und was hat das Opfer dann in der Hand? Nichts!

Die Nichtigkeitsbeschwerde war schon einmal im Entwurf, sodass Sie nicht sagen können, das haben Sie übersehen, das haben Sie nicht bedacht, das sei uns als Op­position zu spät eingefallen. Das war ja schon einmal im Entwurf, das haben Sie von den Regierungsparteien wieder herausgestrichen, weil Sie den Opfern dieses Rechts­mittel offensichtlich nicht in die Hand geben wollen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch auf zwei Bereiche zu sprechen kommen, die nicht direkt im Gesetz geregelt sind, aber sehr dringlich einer politischen Aktion bedürfen. Das eine ist die gelebte Praxis in Polizei, Exekutive und Justiz. Ich glaube, Herr Minis­ter, hier wären von Ihrer Seite Maßnahmen im Bereich der Schulung, der Weiterbildung der zuständigen Beamten und Beamtinnen notwendig, um sicherzustellen, dass der Umgang mit Opfern in allen Instanzen deutlich verbessert und vor allem auch deutlich geschlechtssensibel ausgebaut wird. Die Frage ist ja immer: Wie wird mit einem Opfer im Verfahren umgegangen? Wird es ein bisschen abschätzig behandelt? Nimmt man es nicht ganz ernst? Werden gar – und auch da wissen wir, dass es Fälle gibt – Dro­hungen, die gegen ein Opfer von Gewalt schon ausgestoßen wurden, nicht weiter verfolgt oder ernst genommen? Das ist der klassische Fall einer Ehefrau, die verprügelt wurde, wo es dann heißt: Wenn du zur Polizei gehst, bring ich dich um! Oft wird das nicht ernst genug genommen, der Täter nicht in U-Haft genommen, und es passiert vielleicht Schlimmeres.

Der zweite Bereich, den ich Ihnen ganz besonders ans Herz legen möchte – dafür sind nicht nur Sie alleine zuständig, Herr Minister, sondern auch Ihr Kollege Strasser –, ist die Frage des ZeugInnenschutzes und der Verfolgungsmöglichkeit von Frauenhandel.

Es gibt da ein ungelöstes Problem, wir haben ganz eindeutig Opfer vor uns, die derzeit keinerlei Schutz genießen, die – im Gegenteil! – sogar bestraft werden, wenn sie ein Delikt zur Anzeige bringen, obwohl es uns ja ein Anliegen wäre, dass wir dieses Delikt verfolgen können. Aber wenn man Opfer von Zwangsprostitution und Frauenhandel möglichst rasch abschiebt, ohne ihnen auch nur eine ZeugInnenaussage zu ermög­lichen oder gar einen Aufenthaltstitel zu genehmigen, damit sie das Verfahren hier abwarten können, geschweige denn humanitären Aufenthalt zu gewähren auf Grund


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der Notlage, in die sie normalerweise durch die Zwangsprostitution geraten sind, dann kann man nicht erwarten, dass man den Frauenhandel auch nur irgendwie bekämpfen kann.

Da, habe ich das Gefühl, haben mehrere zuständige Ministerien mindestens zwei blinde Augen für das Problem. Ich kann es Ihnen daher nur um so dringlicher ans Herz legen. Opferschutz ist noch lange kein Thema, das wir gut abgearbeitet und gut erle­digt hätten. Es gibt viele Bereiche, die defizitär sind, wo eine dringende Nachbesserung erforderlich ist. Auch da muss gelten: Mit dem Opferschutz sollte man nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag oder bis zum Jahr 2008 warten müssen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.30

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lichtenegger. – Bitte.

 


13.31

Abgeordneter Elmar Lichtenegger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Vorhin hat die Opposition gefragt, ob wir nicht gehört hätten, dass dieses Gesetz eventuell verfassungswidrig ist. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Wenn wir auf all das gehört hätten, was uns die Opposition im Laufe der Jahre gesagt hat, dann wären wir nicht besonders weit gekommen. (Abg. Mag. Becher: Dann wäre es bes­ser! – Abg. Stadlbauer: Sie hätten auf die richtigen Leute hören sollen! – Abg. Dr. Wittmann: Dann würde die Qualität der Gesetze stimmen!) Das sagt noch dazu auch kein Experte, aber wir gehen nicht davon aus, dass die Oppositionsparteien auch Expertisen erstellen können.

Mir kommt auch ein bisschen vor, das ist irgendwie ein Gesetz der verletzten Eitel­keiten. Gerade vorhin hat die Kollegin gesagt: Wir waren diejenigen, die die Opfer­rechte hineinreklamiert haben, wir waren diejenigen, die darauf hingewiesen haben. (Abg. Mag. Weinzinger: Der Kollege Miedl sagt das!) Wenn das alles zu Ihrer Zufrie­denheit geschehen ist, dann kann ich aber nicht verstehen, warum Sie heute sagen, dass Sie nicht mitstimmen können. (Abg. Stadlbauer: Wieder nicht richtig zugehört!) Also offensichtlich geht es gar nicht um die Inhalte, sondern es geht vielleicht um die Art und Weise. Vielleicht fühlen Sie sich nach außen hin zu wenig repräsentiert bei diesem Gesetz.

Ich würde sagen, das ist Parteipolitik auf Kosten einer Jahrhundertreform, die ja seit langem schon angestrebt wird, wie das wunderbar in diesem Dossier, für das ich mich noch bedanken möchte, beschrieben wird. (Der Redner hält eine Broschüre mit dem Titel „Strafprozessreformgesetz“ in die Höhe.) Seit 1974 versucht man ja schon, in diese Richtung neue Verfahrensregelungen gesetzlich zu regeln. (Beifall bei den Frei­heitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Vorverfahren hat eine besondere Bedeutung, wie Sie vielleicht wissen. Ich möch­te, da über Inhalte zu diesem Thema während des ganzen Tages nicht besonders viel gesprochen worden ist, ganz kurz sagen, wie wichtig die Vorverfahren sind. Im Jahr 2003 hat es rund 207 000 anhängige Strafverfahren bei Bezirksgerichten gege­ben, bei Landesgerichten rund 105 000. Davon sind rund 50 Prozent schon ohne Ein­schaltung des Gerichtes zu erledigen gewesen. Auf Grund dieser Zahlen sieht man eigentlich schon, dass die Grundlage dieses Gesetzes aus dem Jahre 1873 nicht mehr den modernen Anforderungen unserer Gesellschaft entsprechen kann.

Auch deswegen – da kann ich, glaube ich, für alle hier sprechen – ist es wichtig, dass wir das Gesetz in dieser Art und Weise, dass wir diese Reform, diese Neuregelung jetzt endlich beschließen können. Es ist ja, wie gesagt, schon lange diskutiert worden,


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es hat schon viele Arbeitsgruppen gegeben. Vielleicht war inhaltlich nicht ausschließ­lich Minister Böhmdorfer dafür verantwortlich – es wäre vermessen von mir, das zu sagen, denn ich bin noch nicht so lange in diesem Haus –, aber offensichtlich hat es seiner Koordination und seiner Triebfeder bedurft, damit wir heute, an diesem Tag zu diesem Abschluss des Gesetzes kommen. Dafür möchte ich ihm ganz herzlich danken. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Erfahrung hat uns auch gezeigt, dass die Untersuchungsrichter nur wenig an eige­nen Ermittlungstätigkeiten leisten, sondern sie sind eigentlich viel mehr mit der De­legierung von Polizeierhebungen beschäftigt.

In diesem Gesetz – das wurde heute schon öfters angesprochen – werden die Rechte von Opfern und Beschuldigten geregelt. Die praktische Handhabe war ja immer schon auf ähnliche Art und Weise geregelt, sodass die Opfer ihre Rechte wahren konnten, aber das erste Mal sind sie jetzt quasi im Gesetz verankert und geregelt.

Was ist neu, was wird besser? – Es gibt eine einheitliche Verfahrensstruktur, das heißt, es werden die Verfahren erleichtert. In Summe ergeben sich auch wirtschaftliche Ersparnisse, weil viele Verfahren schneller gehen, mehr Verfahren in einem Jahr abgeschlossen werden können. Das steigert die Effizienz bei Ermittlungen und Ver­folgungen von Straftaten ganz wesentlich.

Es besteht in Zukunft auch verstärkt die Möglichkeit der verdeckten Ermittlung. Wir haben auch die Möglichkeit, eventuelle Scheingeschäfte, wie sie zum Beispiel auch bei Suchtmittelverkäufen abgewickelt werden, besser zu überwachen. Wir haben natürlich auch den Einsatz der DNA-Analyse in dieses Gesetz verpackt. Das sind modernste Techniken, sodass uns wahrscheinlich die Täter nicht mehr so schnell davonkommen, wenn man ganz genau feststellen kann, wer wie in eine Straftat verwickelt war.

Wir haben auch eine verbesserte Möglichkeit zur Observation. Wir haben auch ver­besserte Möglichkeiten der Fahndung, insbesondere auch die Verwendung von neuen Medien bei der Fahndung. (Abg. Parnigoni: Haben Sie das noch nicht gelesen? Das steht alles in dieser Broschüre drinnen!) – Da Sie die Broschüre bis jetzt noch nicht durchgelesen haben und deren Inhalt heute noch nicht sehr das Thema war, sehe ich mich bemüßigt, Ihnen das beizubringen, damit Sie vielleicht auch einmal den Inhalt dieser Broschüre kennen und nicht nur auf Eitelkeiten herumreiten. (Abg. Mag. Mai­noni: Parnigoni, du kannst das studieren! – Abg. Parnigoni: Danke!)

Wir haben durch dieses Gesetz auch verbesserte Datenverarbeitung. Das heißt, der Datenverbund zwischen Justiz und Sicherheitsbehörden funktioniert in Zukunft besser und die Effizienz wird natürlich enorm verbessert.

Über die Stärkung der Rechte von Opfern hat uns Kollegin Achleitner vorhin schon et­was erzählt und auch Kollegen der anderen Regierungspartei. Falls es noch weitere inhaltliche Fragen gibt, so gibt es, wie der Herr Bundesminister eben gesagt hat, noch mehrere dieser Broschüren. Auch doppelt vielleicht, denn wenn Sie zwei haben, bleibt einmal ein bisschen etwas hängen. Sonst steht er, glaube ich, auch gerne für Fragen zur Verfügung.

Das war es von meiner Seite. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.36

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte. (Abg. Mag. Mainoni: Jetzt bist du dran! – Abg. Par­nigoni – auf dem Weg zum Rednerpult –: Keine Angst, ich werde daraus zitieren! Ich habe es mit! Keine Sorge! – Weitere Zwischenrufe.)

 



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51. Sitzung / Seite 85

13.37

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich halte fest, dass sich die Sozialdemokraten an und für sich dem Grundgedanken des vorliegenden Entwurfs, nämlich dass man die Strafprozessordnung den Ansprüchen einer modernen Gesellschaft anpasst, in keinster Weise verschlossen haben und das immer als eine wichtige Aufgabe gesehen haben. Über die parlamentarische Beratung kann man unterschiedlicher Meinung sein. Wir glauben, dass sie nicht das gebracht hat, was notwendig gewesen wäre. Uns ist etwa die Erörterung wesentlicher verfas­sungsrechtlicher Fragen viel zu kurz gekommen und da vor allem etwa die Verlagerung der Weisungsspitze gegenüber den staatsanwaltschaftlichen Behörden. Diesbezüglich bedauern wir sehr, dass es seitens der Regierungsparteien abgelehnt worden ist, gerade dieses Weisungsrecht vom Minister weg zu einer unabhängigen Bundesstaats­anwaltschaft oder Generalprokuratur zu legen.

Wir nehmen zur Kenntnis, dass Sie ein völlig falsches Herangehen an diese Heraus­forderungen gewählt und damit legistische Fortschritte im Keim erstickt haben. Im Übrigen halte ich fest, dass dieses Ergebnis für alle Experten – und das kann ich sagen im Gegensatz zu meinem Vorredner, der sich ja nicht im Ausschuss befunden hat und auch nicht im Unterausschuss –, die sich sehr kritisch mit dem Ergebnis aus­einander gesetzt haben ... (Zwischenruf des Abg. Wittauer.) – Du warst übrigens auch nicht im Unterausschuss und auch nicht im Ausschuss und hast daher auch nur von etwas geredet, von dem du keine Ahnung gehabt hast, lieber Kollege Wittauer.

Meine Damen und Herren! Für mich als Sicherheitssprecher der SPÖ ist aber das Ausmaß des drohenden Chaos, des absehbaren Chaos Besorgnis erregend, denn durch den eklatanten Mangel an Staatsanwälten im Bereich des Ermittlungsverfahrens wird es zu einem solchen kommen. Bislang war ja die Zusammenarbeit zwischen Justiz und Exekutive bestens und in Ordnung. Die gravierenden Änderungen des Ent­wurfs, anstelle eines unabhängigen Untersuchungsrichters einen weisungsgebunde­nen Staatsanwalt treten zu lassen und ihm für den gesamten Zeitraum des Vor­verfahrens die rechtliche Gesamtverantwortung zu geben, bringt eine Brisanz deshalb mit sich, weil es die notwendige Zahl an Staatsanwälten einfach nicht gibt. Es fehlen in unserem Land unzählige Staatsanwälte. Durch das Personalkürzungsprogramm der Regierung fehlen gleichzeitig auch Tausende Exekutivbeamte. Vor allem bei der kriminalpolizeilichen Tätigkeit stellen wir fest, dass diese durch die Ressourcen- und Personalknappheit erheblich behindert ist.

Das Ergebnis nach dieser so genannten Reform sieht so aus: Eine ausgedünnte und unter schlechten Arbeitsbedingungen leidende Kriminalpolizei steht den Partnern einer Staatsanwaltschaft gegenüber, die ebenfalls unter großem Personalmangel leiden wird. Man kann sich natürlich lebhaft ausmalen, meine Damen und Herren, was diese doppelt unsägliche Konstellation in der Praxis bringen wird. Das wird dazu führen, dass die zu wenigen Exekutivbeamten auch noch zu wenige Ansprechpartner in der Staats­anwaltschaft haben werden.

Das wird Auswirkungen auf die Bevölkerung haben, meine Damen und Herren, das ist überhaupt keine Frage. Es ist absehbar, dass die Effizienz der Ermittlungstätigkeit absinken wird, und das geht wiederum zu Lasten der Bevölkerung, der Öster­reicherinnen und Österreicher, die sowieso schon unter der Rekordarbeitslosigkeit und vor allem unter der Rekordkriminalität von über 650 000 Delikten und einer Aufklä­rungs­quote, die sich deutlich unter 40 Prozent bewegt, zu leiden haben.

Meine Damen und Herren! Durch den Umstand, dass es zu wenige Staatsanwälte geben wird, die Ermittlungen anordnen oder auch beaufsichtigen, wird die Strafver­fol­gung erheblich erschwert, die Aufklärungsquote wird absinken, die Zahl der tatsächlich


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verurteilten Straftäter wird weiter sinken, und wir werden die abschreckende Wirkung auf potentielle Täter weiter mindern. Das wird das Ergebnis dieser Reform sein.

Werfen Sie mir jetzt nicht vor, ich verunsichere die Bevölkerung mit diesen Daten, wie Sie das manchmal tun! Ich habe ein Zeitungsprodukt ins Haus bekommen, da steht drauf: Alarm! Die Kriminalität in Wien explodiert! (Abg. Scheibner: Es wird schon stimmen!) In diesem Pamphlet – es ist nicht von den Sozialdemokraten, das möchte ich gleich sagen – werden tausend Polizisten mehr auf Wiens Straßen gefordert. Kol­lege Scheibner, das ist, so glaube ich, Ihre Fraktion, die hier die Menschen in Wien verunsichert. Mir wirft man das immer vor, wenn ich sage, dass es zu wenige Gen­darmen und zu wenige Polizisten gibt. Dann sagen Sie immer, ich betreibe Verun­sicherung. (Abg. Scheibner: Ich werfe dir gar nichts vor! Zumindest nicht da!) Da sind wir dann in einem Boot, aber bitte besprechen Sie das mit Ihrem Koalitionspartner.

Ich halte diese Allianz von Justizminister und Innenminister für eine höchst unglück­liche. Der eine beglückt mit einer unausgegorenen StPO-Reform, der andere zerstört funktionierende Strukturen in der inneren Sicherheit. Das wird in Wirklichkeit dazu führen, dass wir enttäuschte, verunsicherte und demotivierte Exekutivbeamte haben, und das Ergebnis zeigt sich, wie gesagt, in der Kriminalitätsstatistik.

Selbst Sika als Präsident des Kuratoriums Sicheres Österreich sagt: Viele meinen noch – ich zitiere ihn –, in einem sehr sicheren Land zu leben, aber das ist ins Wanken geraten. – Auch hier meint er wahrscheinlich Strasser.

Die Realität, meine Damen und Herren, schaut anders aus. Ich könnte Ihnen hier eine Fülle von Beispielen anführen. Ich möchte aber noch ganz kurz zu zwei Punkten Stel­lung nehmen.

Zum einen: Kollege Lichtenegger hat mich schon etwas erschüttert mit dem, was er hier getan hat. Er war nicht im Ausschuss und hält ein Erststatement, ohne zu wissen, worum es gegangen ist. Die Experten, Kollege Lichtenegger – lassen Sie sich das sagen –, haben in vielen Sitzungen, in vielen Wortmeldungen diese Vorlage in Wirk­lichkeit zerpflückt – nicht die von der SPÖ dort hingesetzten Experten –, und sie haben auf diese verfassungsrechtlichen Bedenken aufmerksam gemacht. Das nur zu Ihrer Infor­mation. (Abg. Schöls: Aber nicht alle!)

Zum Zweiten möchte ich zum Kollegen Trinkl etwas sagen. Kollege Trinkl hat von „Machtspielen“ gesprochen. (Abg. Schöls: Nicht alle Experten haben das gesagt!) Sei so lieb und richte ihm das aus! Eines wollen wir doch festhalten, da wir uns über die Husch-Pfusch-Reparatur des Militärbefugnisgesetzes auch unterhalten: Wenn man eine verfassungsmäßige Mehrheit für ein Gesetz haben will, dann wird man mit jenen, die diese Mehrheit zur Verfügung stellen können, verhandeln müssen. Man wird mit ihnen reden müssen und wird auch auf deren Wünsche und Vorstellungen eingehen müssen. Dann von Machtspielen zu reden, das verstehe ich schon. Macht, das heißt: Die ÖVP bestimmt, was geschieht – das sind Sie in Niederösterreich so gewöhnt –, und alle anderen machen einen Bauchfleck. Das ist dann Politik à la ÖVP, und so soll sich das Leben abspielen.

Sie können sicher sein: So wird es nicht funktionieren! Da bin ich mit anderen auch einer Meinung. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wissen – und damit schließe ich ab –, dass wir nicht nur im Militärbefugnisgesetz, sondern auch im Sicherheitspolizeigesetz und auch beim Rechtsschutzbeauftragten nach der StPO nach dem Verfassungsgerichtsurteil Handlungsbedarf haben. Wir sind bereit zu einer Lösung. Wir haben ein Konzept (Abg. Scheibner: Wo?) und wollen natürlich mit der Regierung verhandeln. (Abg. Scheibner: Aber nicht mitstimmen!) Wir haben eine Reihe von Punkten: Wir wollen Rechtsschutzbeauftragte als Organ des


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Parlaments, wir wollen die Rechtsschutzbeauftragten als Kollegialorgan (Abg. Dr. Fek­ter: Da müssen Sie die Geschäftsordnung ändern!), wir wollen, dass sie informiert werden, und wir wollen, dass sie auch entsprechende Auskunftspflichten haben und dem Parlament berichten.

Darüber können wir gerne verhandeln. Ich habe im Übrigen gestern am Abend noch festgestellt, dass seitens der ÖVP – das war meine Empfindung – hier Zustimmung signalisiert worden ist.

Weil Sie mit all dem aber nicht einer Meinung mit uns sind, stimmen wir dieser Novelle natürlich nicht zu. (Beifall bei der SPÖ.)

13.46

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer Stellungnahme von der Re­gierungsbank aus hat sich Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.46

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! In der Frage der Verfassungs­widrigkeit möchte ich mich zu Wort melden, weil ich nicht möchte, dass hier eine Unklarheit bestehen bleibt.

Herr Abgeordneter Parnigoni, Sie haben gesagt, im Ausschuss wurde die Verfas­sungs­widrigkeit behauptet. Ich war die ganze Zeit in diesem Ausschuss, und Folgendes ist dem an Fakten zu entgegnen:

Wir haben bereits im Jahr 2003 ein Gutachten von zwei prominenten Verfassungs­rechtlern erstellen lassen, und zwar von Herrn Professor Funk und Herrn Professor Öhlinger. Beide sind zu dem Schluss gekommen, dass sie keine verfassungsrecht­lichen Bedenken haben. Keine verfassungsrechtlichen Bedenken haben! Herr Profes­sor Funk hat das, stellvertretend auch für Professor Öhlinger, im Ausschuss wiederholt, drei Meter neben Ihnen sitzend, und auch Sie haben keine Bedenken geltend gemacht. Niemand von der SPÖ hat einen der beiden Verfassungsrechtler zu deren Gutachten befragt. Niemand hat sich auf eine andere Meinung berufen.

Herr Professor Bertel hat zu einem anderen Thema, nämlich zu der Frage, ab wann der Verteidiger dabei sein soll, Bedenken geäußert, denen wir aber einerseits unter Hinweis auf die letztlich nunmehr vorgesehene Regelung Rechnung getragen haben und denen wir andererseits argumentativ die Judikatur des Europäischen Gerichts­hofes für Menschenrechte entgegengehalten haben.

Herr Professor Mayer, auf den Sie sich möglicherweise berufen – andere haben sich auf ihn berufen –, hat nie im Ausschuss durch jemanden derartige Bedenken äußern lassen, hat uns nie seine Bedenken mitgeteilt, es gibt aber ein für uns nicht leicht nachvollziehbares Zeitungsinterview. Und, ich bitte um Verständnis, auf Zeitungs­inter­views werden wir solche Materien nicht aufbauen. Kollege Lichtenegger hat völlig rich­tig berichtet. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.48

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Kapeller. – Bitte.

 


13.48

Abgeordneter Ing. Norbert Kapeller (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­ter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser Novelle der Strafprozess­ord-


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nung werden für mich als polizeilichem Praktiker verschiedene wichtige Inhalte nach Jahren der Diskussion endlich gesetzlich geregelt und in dieser neuen StPO verankert.

Endlich erhalten Opfer von Gewalttaten, Opfer von Verbrechen gesetzliche Rechte, die Tätern schon lange zugestanden wurden. Es werden gewisse polizeiliche Maßnahmen nun gesetzlich niedergeschrieben und so auf rechtsstaatliche Füße gestellt. Anderer­seits aber wird das Verhältnis zwischen Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei neu, genauer und moderner geregelt. Nun weiß jeder, wofür der andere und er selbst zuständig ist.

Der neue Staatsanwalt ist Herr des gesamten Ermittlungsverfahrens. Der neue Staats­anwaltschaft wird auch am Tatort sein, und wir, also die Kripo, erheben auch in Zukunft für die Staatsanwaltschaften die Delikte. Der Staatsanwalt kann aber natürlich auch selbst vor Ort ermitteln.

Grundsätzlich sollen so die Staatsanwaltschaften und die Kripo das Verfahren mög­lichst im Einvernehmen führen und möglichste Rechtssicherheit auch in den Ermitt­lungen erzeugen. Im Dissensfall kann aber die Staatsanwaltschaft künftig verbindliche Anordnungen über Ermittlungsschritte an die Kripo erteilen. So gibt es keine per­sönliche Befindlichkeiten mehr, sondern klare Anweisungen und klare Strukturen.

Aus meiner Berufserfahrung kann ich sagen, dass in der Praxis bei vielen Anzeigen vieles gleich bleiben wird. Die meisten Kriminalfälle, die herkömmlichen und kleinen Fälle werden weiterhin von der Kripo relativ selbständig erhoben und der Staats­anwaltschaft zur Anzeige vorgelegt werden.

Nur gibt es jetzt genau festgeschriebene Regelungen, so zum Beispiel, worüber die Kripo der Staatsanwaltschaft zu berichten hat, um damit ein Mehr an Rechtssicherheit und rechtlicher Kompetenz zu garantieren und zu erzeugen.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist es, zu wissen, dass trotz der genannten Macht­fülle die Staatsanwaltschaft bei Grundrechtseingriffen das Gericht zu befassen hat. Ich bin davon überzeugt, dass so jedenfalls ein System entsteht, welches sich in vielen Staaten unserer Wertegemeinschaft bewährt hat und ein Höchstmaß an Transparenz garantiert.

Die neue StPO schreibt Rechte und Pflichten für alle vor. Nach Jahrzehnten der Dis­kussion liegt endlich – ich betone: endlich! – ein Gesetzeswerk vor, in dem in höchstem Maße Rechtssicherheit für Fahnder und Betroffene gewahrt ist. Es kann darauf auf­bauend die Polizeireform verwirklicht werden, und so wird eine moderne Justiz künftig von einem fachlich sehr gut ausgebildeten und gut und neu organisierten Polizei­apparat für die Sicherheit unserer Menschen arbeiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte nun auf die Ausführungen des Kollegen Jarolim eingehen. Sie von der SPÖ, von der Opposition meinten, man solle mit der StPO-Reform zuwarten bis zur Polizeireform. Ich will jetzt nicht präjudizieren, aber aus diesen Äußerungen kann man schon eines ableiten: Es liegt der Verdacht nahe, dass Sie einfach verhindern und ver­zögern wollen. Bei der Polizeireform würden Sie nämlich dann sagen: Warten wir doch auf die Reform der StPO!, und so wäre nur alles wieder aufgeschoben, aufgehoben, alles behindert und alles verhindert. Das ist Ihre Politik, aber nicht die unsere. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Uns ist wieder ein Reformwerk gelungen. Wieder hat diese Regierung einen Meilen­stein gesetzt, und was Generationen von Politikern nicht zustande brachten, wird nun geformt. – Gratulation, Herr Bundesminister! Danke, Maria Fekter! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Auch Sie von der SPÖ sind eingeladen, endlich einmal bei einem Reformwerk mit­zustimmen, bei einem Gesetzeswerk, das unbestritten gut für die Menschen in diesem Lande ist, bei einem Gesetz, auf das schon über 30 Jahre gewartet wird. Stimmen Sie dem Ausbau von Opferrechten zu, stimmen Sie der Verrechtlichung von Polizei­befugnissen zu, und stimmen Sie der Weisungsfreistellung von Rechtsschutz­beauf­ragten zu! Es stünde Ihnen gut an, und Sie sollten es vor allem für die Geschichts­bücher tun, denn Ihre Ablehnung wird niemand verstehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.53

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Marizzi. – Bitte.

 


13.53

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister – er ist momentan nicht da. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Mainoni hat heute, so wie auch viele andere Kolleginnen und Kollegen, gemeint, das Gesetz sei ausführlich diskutiert worden. – Das stimmt schon. Es wurde ausführlich diskutiert, und unsere sachlichen Argumente – des Kollegen Jarolim (Abg. Wattaul: Der Jarolim kann gar nicht sachlich sein!), der Kollegin Stadlbauer, der Kollegin Wurm; ich nenne jetzt nur einige – wurden zwar gehört, aber in der Sache überhaupt nicht behandelt; sie fin­den im Gesetz keinen Niederschlag. Das heißt, Sie haben mit uns diskutiert, aber im Grunde genommen haben Sie ... (Abg. Schöls: Aber der Marizzi war ja gar nicht im Ausschuss!)

Das ist wieder typisch der Kollege Schöls, der von oben dazwischen ruft. Kommen Sie hierher und erzählen Sie das! Ich war dabei. Also was soll das, Kollege Schöls? (Abg. Scheibner: Dann regt sich der Parnigoni wieder auf, weil er nicht im Ausschuss war!)

Unsere Argumente wurden nicht berücksichtigt. Und heute kommt ein Antrag von der Kollegin Fekter – ein guter Antrag, aber warum, Frau Kollegin Fekter, haben Sie das nicht im Ausschuss zur Sprache gebracht? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Haben wir ja auch!) – Bitte, Frau Kollegin, das stimmt ja nicht! Ich war im Ausschuss. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Dann wissen Sie doch, dass darüber diskutiert worden ist!)

Es ist schade, dass Sie nicht auf unsere sachlichen Argumente eingehen. Wenn sie politisch gewesen wären, Frau Kollegin, dann hätten wir es ja verstanden. Aber auf sachliche Argumente nicht einzugehen und sich dann zu beschweren, dass die Opposition bei diesem Jahrhundertwerk nicht mitstimmt, ist ein bisschen zu flach.

Es kommt immer wieder das gleiche Argument: Die Opposition behindert, sie geht keinen Konsens ein. Wir wissen ganz genau, dass der Justizbereich ein heikler Bereich ist, der mit Parteipolitik überhaupt nichts zu tun haben soll. Das gilt für uns genauso wie für die Regierung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nun auf ein paar Punkte einge­hen. Die Weisungsabhängigkeit wurde von Kollegin Wurm schon sehr ausführlich be­handelt. Die Schwächung der Staatsanwaltschaft durch die geplante Polizeireform – darüber kann man noch reden; vielleicht wird das entschärft. Aber was mich eigentlich persönlich daran stört, ist die personelle Ausstattung, Herr Bundesminister. Wir wissen ganz genau, dass wir in etwa ein Minus von 70, 80 oder 90 Staatsanwälten haben. Es wird sich noch herausstellen, das kann keiner voraussagen. (Bundesminister Dr. Böhmdorfer: 55 – wissenschaftlich ermittelt!) – 55, wissenschaftlich ermittelt. Die zusätzliche Entlastung der U-Richter beträgt nur 20 – ich glaube, das ist richtig –, Bezirksanwälte fünf. Aber man kann ungefähr von einem Bedarf an 115 Bediensteten ausgehen. (Bundesminister Dr. Böhmdorfer: Nein, 55 saldiert!) 55 saldiert? – Gut. Ich


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bin neugierig, ob das stimmt. Ihr Wort in Gottes Ohr. Also, es gibt einen Mehrbedarf von 55.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Summe kann man eines sagen, auch wenn das jetzt vielleicht ein wenig verkürzt ist: Wir haben auf der einen Seite zu wenige Staatsanwälte, zu wenig Exekutive – und in Wien inserieren Sie das ja laufend, Herr Kollege Scheibner –, und auf der anderen Seite soll sich die Sicherheit erhöhen. Das müssen Sie mir jetzt erklären: Auf der einen Seite reduziert die Regierung bei der Polizei, wir haben zu wenige Staatsanwälte, und Sie inserieren auf der anderen Seite in Wien: Wir brauchen mehr Polizisten! – Da fehlt es Ihnen wirklich an Glaubwürdigkeit. (Abg. Scheibner: Ich kann Ihnen das gleich sagen!)

Herr Kollege Scheibner! Es gibt zwei Wirklichkeiten, nämlich die virtuelle Wirklichkeit und die reale Wirklichkeit. (Abg. Scheibner: Es gibt mehrere Wahrheiten, aber nur eine Wirklichkeit!) In Wirklichkeit haben wir, seit diese Regierung im Amt ist, Kollege Scheibner, tausende Polizeibeamte weniger, und Sie inserieren in Zeitungen: Wir müssen die Sicherheit erhöhen. – Das ist ja wirklich blauäugig! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Ich will jetzt nicht zitieren, was der Kollege vom Obersten Gericht gesagt hat. Ich möchte nur Herrn Aistleitner von der Richtervereinigung zitieren, der über die Möglichkeit des doppelten Weisungsrechts schreibt; Sie haben das sicher gelesen. Ich glaube, er sagt wörtlich, bei heiklen Fällen werde das Gerede immer bleiben. – Herr Bundesminister! Das hätten Sie nicht notwendig. Wenn Sie zum Bei­spiel auf den SPÖ-Vorschlag oder den Vorschlag der Grünen eingegangen wären und gemeint hätten, das Parlament soll einen Bundesstaatsanwalt wählen, dann wären Sie bei heiklen Fällen weg gewesen. Sie wären immer noch Minister geblieben, aber das Gerede bliebe Ihnen erspart. (Abg. Dr. Fekter: Und das Weisungsrecht wäre ...!) Frau Kollegin Fekter, regen Sie sich nicht auf!

Ich komme zum Schluss und möchte festhalten, dass auch die Argumente der Kollegin Stadlbauer nicht berücksichtigt worden sind. Da haben Sie, so wie Kollege Schöls, der mit seiner Qualität, mit seiner Intelligenz gekämpft hat, natürlich nur dazwischen gerufen. Das macht er bei mir auch immer, und am Schluss gibt er mir dann draußen die Hand und glaubt, er ist besonders nett. Was ist das für eine Art, Herr Kollege Schöls?! Damit können Sie aufhören.

Herr Minister, weil Sie auf die Verfassungsgeschichte eingegangen sind: Wir glauben, dass das Gesetz mit höchster Wahrscheinlichkeit – oder zumindest mit hoher Wahr­scheinlichkeit – verfassungswidrig ist. Weil Sie auf unsere Argumente – und wir wären gerne konsensbereit gewesen – nicht eingegangen sind, stimmen wir diesem Gesetz nicht zu. Schade darum! (Beifall bei der SPÖ.)

13.59

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


13.59

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Marizzi, ich verstehe schon, dass Sie und auch alle anderen Redner der SPÖ mit diesem Gesetz ein Problem haben. Keine Frage. Es ist eben der Lauf der Zeit, dass man in der eigenen Regierungsver­ant­wor­tung mit eigenen Ministern, Justizministern, etwas beginnt, dann arbeitet man daran, man arbeitet, man arbeitet und kommt aber nicht zum Schluss, aus welchen Gründen auch immer. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Weil sie abgewählt worden sind!)

Und dann – das hat jetzt nichts mit der Justiz zu tun – beginnen sich rundherum die Dinge zu wandeln, und plötzlich hat man, nach vielen Jahrzehnten Arbeit an einem


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Gesetzeswerk, nicht mehr die Möglichkeit, das Justizressort zu besetzen. Plötzlich kommt ein anderer Minister, in diesem Fall Justizminister Böhmdorfer, und setzt mit Dynamik, mit Engagement das fort, was Sie vielleicht einmal machen wollten.

Wichtig ist aber, dass man etwas abschließt, positiv abschließt, dass man ein Ergebnis bringt – und das hat Justizminister Böhmdorfer in dieser Koalition aus Freiheitlichen und ÖVP geschafft. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Und das sollten Sie anerkennen, meine Damen und Herren, denn inhaltlich – das muss ich feststellen, wenn ich mir die Meinungen der Experten ansehe, die nicht uns nahe stehen – sollten Sie doch sogar einen ideologischen Ansatz hier sehen, wenn etwa der Strafrechtler Frank Höpfel sagt, ein so wesentliches Justizgesetz in der Tradition der Broda’schen Reformen sollte doch möglichst im Konsens beschlossen werden.

In der Tradition der Broda’schen Reformen – ich weiß nicht, ob das der Justizminister gerne hört, aber es gibt Leute, die das so interpretieren. Und Sie als Fundamen­tal­opposition finden kein gutes Haar an dieser Reform!

Selbstverständlich kann man immer etwas kritisieren und bekritteln, aber ich sage Ihnen: Besser eine Reform, die abgeschlossen ist und die klare Vorteile und Fortschritte bringt, als eine Reform, die Jahre und Jahrzehnte verschleppt wird, wo es keine Veränderung gibt und wir nach wie vor auf dem Status des vorvorigen Jahr­hunderts gestanden wären.

Es war nicht einfach, und wir haben – auch innerhalb der Fraktionen – viele, viele Stun­den verhandelt und um Formulierungen und um Regelungen gerungen. Es ist in weiten Bereichen, und das war auch mir sehr wichtig, durchaus auch um Kompromisse gegangen, auf der einen Seite Opferschutz und Beschuldigtenrechte unter einen Hut zu bringen, sage ich einmal ganz salopp, aber auf der anderen Seite die Arbeit der Exekutive nicht zu behindern oder in weiten Bereichen nicht zu verhindern.

Da möchte ich mich auch bei unserer Justizsprecherin, Frau Dr. Partik-Pablé, be­dan­ken, der gerade dieser Aspekt, die Arbeit der Exekutive und die Aufklärung zu ermög­lichen, besonders wichtig gewesen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Murauer.)

Herr Kollege Marizzi! Gerade in meine Richtung ist der Vorwurf völlig verfehlt, es sei ein Widerspruch, dass wir tausend Beamte mehr in Wien verlangen und sagen, dass Personaleinsparungen nicht auf Kosten der Sicherheit gehen dürfen. Ihr wisst – der Kollege Gaál weiß es auch –, dass sowohl ich persönlich als auch meine Fraktion immer der Meinung gewesen sind, dass wir Einsparungen in der Verwaltung vorneh­men müssen (Abg. Eder: Aber nicht auf Kosten der Sicherheit!), aber nicht auf Kosten der Sicherheit und nicht rasenmäherartig durch alle Ressorts und durch alle Bereiche. Dazu stehe ich auch, Herr Kollege Marizzi, meine Damen und Herren, und dafür wer­den wir auch in Zukunft kämpfen, auch wenn wir uns nicht immer, aber doch oft durchsetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Marizzi – auf die Reihen der ÖVP-Abgeordneten weisend –: Da müssen Sie auf die andere Seite hinüberzeigen!)

Nur, Herr Kollege Marizzi: Die Zahl der Exekutivbeamten ist das eine, die Frage, ob ich den Exekutivbeamten bei ihrer Arbeit auch immer den Rücken stärke, ist das andere. Und da hätten Sie – nicht Sie persönlich, sondern Ihre Fraktion – ein bisschen Hand­lungsbedarf, denn wir reden sehr viel mit den Exekutivbeamten, und die klagen natür­lich darüber, dass sie zu wenig Personal haben. Keine Frage. Aber in erster Linie kla­gen sie auch darüber, dass, wenn sie den Einsatz leisten, den wir alle von ihnen verlangen, den schwierigen Einsatz, der oft auch mit einer körperlichen Bedrohung der Beamten verbunden ist – Sie wissen das alles –, und sie vielleicht in Notwehr oder weil es einfach notwendig ist, auch entsprechende Gewalt anwenden, sofort eine öffentliche Kampagne gegen diese Polizisten läuft, woran sich auch Politiker aus Ihren Reihen


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(Abg. Eder: Aber nicht von uns!) – nicht Sie persönlich, habe ich gesagt! – beteiligen. Und dann sitzen diese Polizisten vor allen möglichen Disziplinarkommissionen und vielleicht sogar vor dem Richter und müssen sich rechtfertigen dafür, dass sie ihre Gesundheit und ihr Leben für die Sicherheit dieses Landes eingesetzt haben!

Da frage ich mich, ob es nicht auch notwendig wäre, diesen Aspekt stärker zu berück­sichtigen, als Sie das in der Vergangenheit getan haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Kollegin Stadlbauer! Sie haben gesagt: Wir wollen doch gute Gesetze machen, die nicht vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden! – Selbstverständlich! Keine Frage, das wollen wir alle. Nur, auch Sie wissen ganz genau, dass man keine Progno­se stellen kann, ob ein Gesetz vor dem Verfassungsgerichtshof hält oder nicht, denn auch in dieser Frage gibt es eben Verfassungsrechtler, die sagen, das ist bedenklich; andere, wie etwa Funk und Öhlinger, auch nicht etwa den Regierungsparteien nahe stehend, sagen, das ist durchaus zulässig, wie es hier geregelt ist.

Das heißt, man kann keine sichere Prognose abgeben, aber dafür ist eben der Ver­fassungsgerichtshof da, und dazu stehen wir auch. Sie können anfechten, was Sie wollen – das ist Ihr gutes Recht –, und der Verfassungsgerichtshof wird prüfen, und er soll auch prüfen. Und wenn er der Meinung ist – und er ist die höchste Instanz in diesen Fragen –, es ist hier etwas zu reparieren, dann hat die Regierung und haben die Regierungsparteien und dieses Parlament auch die Aufgabe, das zu reparieren.

Das ist eben der Rechtsstaat. Das ist nichts Schlechtes, sondern das ist der Rechts­staat, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie der Abg. Dr. Fek­ter.)

Dass Sie das als merkwürdig empfinden, verstehe ich durchaus, denn Sie hatten eine andere Sicht der Dinge. Ich weiß nicht, ob Sie damals schon im Parlament gewesen sind; ich habe es erlebt, fast zehn Jahre lang, wie man mit diesem rechtsstaatlichen Prinzip umgegangen ist. Denn damals hat man den Verfassungsgerichtshof nicht fürchten – wir fürchten ihn nicht – oder sagen wir: gar nicht beachten müssen, weil man, wenn es Rechtsmeinungen gegeben hat, dass irgendeine Regelung bedenklich sein könnte, ganz einfach mit der – hier bequemen – Verfassungsmehrheit diese Be­stimmung als Verfassungsbestimmung beschlossen hat und damit jede rechts­staat­liche Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes ausgeschlossen hat.

Von Ihnen brauchen wir in dieser Frage also keine Rechtsbelehrung in Anspruch neh­men!

Wir stehen dazu: Wir machen Gesetze, und da muss man auch in einem gewissen Bereich das Risiko der nachträglichen Aufhebung in Kauf nehmen, sonst braucht man überhaupt keine Gesetze machen. Aber es ist gut und richtig, dass es diese Mög­lichkeit gibt. Schlecht ist der Missbrauch, den Sie über viele Jahre in diesem Bereich begangen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn Sie schon auf diese Verfassungsrechtmäßigkeit Wert legen, verstehe ich aller­dings nicht, warum Sie nicht unserem Vorschlag, den Rechtsschutzbeauftragten in einem Verfassungsgesetz zu verankern, zustimmen können. Das verstehe ich nämlich deshalb nicht, weil ja gerade Sie es gewesen sind – und ich sage: zu Recht! –, die diesen Rechtschutzbeauftragten überall gefordert haben, die ihn im Sicherheits­polizei­gesetz ja so eingeführt haben, wie er jetzt verankert ist, und auch im Militärbefug­nis­gesetz haben Sie sehr großen Wert auf die Weisungsfreiheit des Rechtsschutz­beauf­tragten gelegt. Auch wir würden uns diesen Rechtsschutzbeauftragten als weisungs­freie Institution wünschen. Das ist aber nach dem jüngsten Erkenntnis des Verfas-


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sungsgerichtshofes anscheinend nur mit einer verfassungsgesetzlichen Regelung möglich.

Sie haben das immer gefordert und gewollt, aber jetzt, wo wir das machen wollen, stimmen Sie dagegen. Das ist eben Ihre Widersprüchlichkeit, die sich permanent durch Ihr politisches Handeln zieht, und da brauchen Sie hier nicht die großen rechts­staatlichen Experten spielen!

Meine Damen und Herren! Ich verstehe es nicht, denn ich kann etwa aus dem militä­rischen Bereich sagen, dass das wunderbar funktioniert hat. Wir wollen hier nicht parlamentarisch eingesetzte Generalanwälte, die sich mit nichts anderem mehr beschäftigen als mit diesen Fragen, sondern wir wollen honorige Persönlichkeiten von außen auch mit dieser Rechtsschutzagende betrauen können, etwa Universitäts­profes­soren oder ehemalige Spitzenbeamte, die wirklich unabhängig sind, die auch die Ex­pertise aus der Praxis haben, denen man nichts vorwerfen oder vormachen kann, etwa durch eine verwinkelte Ministerialbürokratie.

Das alles wollen Sie ausschließen, indem Sie diese verfassungsgesetzliche Möglich­keit verhindern! Da werden Sie noch einiges zu argumentieren haben.

Wir sind für den Rechtsstaat, wir sind für eine verfassungskonforme Regelung, und wir sind für einen weisungsfreien Rechtsschutzbeauftragten. – Überlegen Sie sich, ob Sie diese Institution nicht doch ermöglichen wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.09

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Becher. – Bitte.

 


14.09

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Seitens meiner Fraktionskollegen wurde ja sehr ausführlich auf die Mängel und möglichen Verfassungswidrigkeiten hingewiesen, und wir haben deshalb heute hier einen Rückverweisungsantrag eingebracht.

Ein weiteres Defizit sind die Opferrechte; auf diese möchte ich nochmals hinweisen, weil hier einiges ungesagt geblieben ist. Natürlich sind Verbesserungen in Bezug auf die Rechtsstellung der Opfer vorgenommen worden, aber gemessen an dem, was an Schutz für die Opfer und für die Interessen der Opfer notwendig wäre, ist das Ergebnis doch sehr dürftig und unzulänglich.

Darüber hinaus – das ist auch schon gesagt worden – ist das jetzt überfällig, denn der EU-Rahmenbeschluss hätte schon bis zum März 2002 in unsere Gesetzgebung implementiert werden sollen. Es ist unverantwortlich den Opfern gegenüber, dass hier zwei Jahre lang nichts geschehen ist und die Materie erst jetzt neu geregelt werden soll.

Grundsätzlich ist es einerseits zu begrüßen, dass die Opfer mit mehr Rechten aus­gestattet werden, aber andererseits gleichzeitig auch zu bedauern, dass die Rechte nur sehr unbefriedigend in der Strafprozessordnung verankert werden. Vorschläge, An­regungen der Opferschutzeinrichtungen wurden nicht beachtet. Leidtragende sind dann natürlich die Opfer, die Opfer von Straf- und Gewalttaten. Ihnen werden Sie dann erklären müssen, warum das in dieser Form nicht umgesetzt wurde.

Ich kann hier gleich ein Beispiel nennen: Es ist keine Gleichbehandlung von Opfern gewährleistet. An der schonenden Einvernahme zeigt sich das sehr gut. Es kommt hier zu einer Aufteilung in zwei Klassen, denn die schonende Einvernahme ist nur Opfern von Sexualdelikten vorbehalten. Diese Trennung ist wirklich verwerflich, denn


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alle traumatisierten Opfer – und das kann in sehr vielen Bereichen der Fall sein – haben ein Recht auf eine schonende Einvernahme. Anderes ist ihnen gegenüber unverantwortlich.

Eine Politik, die die Interessen der Opfer wahrt, muss anders aussehen und darf nicht in zwei Klassen unterteilen. Eine schonende Einvernahme muss jedem Opfer er­möglicht werden, ganz gleich, um welches Delikt es sich dabei handelt.

Ein weiterer Punkt ist die Prozessbegleitung; auch diese wurde schon erwähnt. Es ist wichtig, dass man die Interventionsstellen auch mit den entsprechenden finanziellen Mitteln ausstattet. Bis jetzt ist es nämlich so gewesen, dass Prozessbegleitung nur sehr punktuell stattfinden konnte und sehr viele Opfer, die das benötigt hätten, ganz einfach keine Prozessbegleitung in Anspruch nehmen konnten, weil Interventions­stel­len nicht mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet wurden und daher keine Beglei­tung geben konnten.

Es gibt noch ein weiteres Defizit. Dass bei der polizeilichen Vernehmung über die Möglichkeit der juristischen und psychosozialen Prozessbegleitung informiert werden muss, war ursprünglich in dieser Ausführlichkeit im Antrag enthalten, ist aber aus unerklärlichen Gründen im jetzigen Antrag wieder verkürzt worden. Jetzt heißt es: spätestens vor ihrer ersten Befragung über die Voraussetzung der Prozessbegleitung zu informieren. Und das ist doch sehr wenig, die Opfer nur über die Voraussetzung der Prozessbegleitung zu informieren. Es müsste eine umfassende Information über die Rechte der Opfer gegeben werden.

Gestrichen wurde in dieser Novelle auch, dass die Anklageschrift den Opfern zugestellt wird. Das heißt aber auch, dass die Opfer an der Vorbereitung zur Hauptverhandlung, am Stellen von Beweisanträgen gehindert werden.

Zur Durchsetzung von Opferrechten – das ist heute auch schon gesagt worden – braucht man auch ein Rechtsinstrument, und das ist die Nichtigkeitsbeschwerde, die auch im ursprünglichen Entwurf im Jänner enthalten war und aus unerklärlichen Gründen wieder aus dem Gesetz genommen wurde. Es ist mit nichts zu erklären, dass den Opfern das Recht genommen wird, gegen eine nicht rechtskonforme schonende Einvernahme, gegen rechtswidrige Nichterledigung von Beweisanträgen Beschwerde einzulegen. Es ist eine völlig zahnlose Regelung der Opferrechte, frei nach dem Motto: Wasch’ mich, aber mach’ mich dabei nicht nass! (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass auch die Möglichkeit der Schulung für Staatsanwälte, für Richter, für Exekutivbeamte im richtigen Umgang mit den Opfern wichtig ist. Einer Anfragebeantwortung ist zu entnehmen, dass für das heurige Jahr drei Schulungs- oder Weiterbildungsveranstaltungen vorgesehen sind. Ich denke, das ist wahrscheinlich nicht ausreichend, das ist unzureichend, und es müssten noch viel mehr solche Veranstaltungen angesetzt werden, vor allem wenn man weiß, dass ein Sechstel der Opfer unter einem Trauma leidet.

Zusammenfassend – und nach allen vorgebrachten Schwachstellen – möchte ich in Bezug auf die Opferrechte noch einmal festhalten, dass es positiv ist, dass da grund­sätzlich etwas geschieht, aber es ist nicht ausreichend. Es ist eine Verbesserung, die lücken- und mangelhaft ist, die herzlos und visionslos ausgefallen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

14.16

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte.

 



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14.16

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, ein wesentlicher Bestandteil dieser Reform ist, dass grundsätzliche Rechtsinstitute, Menschenrechte und Grund­rechte, die wir in unserem Strafrecht ganz allgemein schon durch Urteile und die Euro­päische Menschenrechtskonvention immanent haben, jetzt endlich auch ausdrücklich im Gesetz verankert sind.

Bis § 17 geht es um die Verfahrensgrundsätze, vor allem aber auch um die Grund­rechte und Menschenrechte des Einzelnen gemäß § 6 der Europäischen Menschen­rechtskonvention, die hier ganz präzise und auch mit allfällig erlaubten Einschränkun­gen dargelegt sind. Ich glaube, dass dies detailliert niedergeschrieben ist, war absolut überfällig. Dies stellt schon für sich allein ein wichtiges Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und der Transparenz dar. Ich freue mich, dass das so gut gelungen ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Als Ausfluss des Gebotes eines fairen Verfahrens gemäß der Europäischen Men­schenrechtskonvention haben wir jetzt zum Beispiel ausdrücklich das Gebot des rechtlichen Gehörs, das Recht auf Verteidigung, das Recht zu schweigen, die Un­schuldsvermutung, das Verbot der wiederholten Strafverfolgung und viele andere Dinge, die es schon gab, im Gesetz verankert. Sie sind jetzt auch für den Normunter­worfenen transparent im Gesetzestext enthalten – ein Quantensprung in der Qualität der Gesetzgebung.

Besonders wichtig ist aber auch, dass die Diversion, mittels derer in den Jahren 2002 und 2003 fast ebenso viele Verfahren, wie letztlich zur Anklage gebracht wurden, enderledigt wurden, als neuer und wichtiger Schwerpunkt ausgebaut wird: Im Zentrum der Diversion steht jetzt endlich die Wiedergutmachung gegenüber den Opfern. Ich glaube, dass für die Akzeptanz und die Sinnhaftigkeit eines Strafverfahrens die Ent­schädigung der Opfer von besonders großer Bedeutung ist. Die ersten Ansätze im Diversionsverfahren, die wir schon hatten, konnten oft nicht ganz durchgesetzt werden.

Jetzt ist es im Rahmen eines gerichtlichen Vergleiches möglich, auch Exekution für das Opfer auf das Vermögen eines Täters zu führen, und es wird, viel befriedigender für die Bevölkerung und für die Geschädigten als in der Vergangenheit, möglich sein, außergerichtlich diese Tatausgleiche umzusetzen.

Die Zahlung eines Strafbetrages kann in weiterer Folge auch davon abhängig gemacht werden, dass ein Tatausgleich oder eine Geldzahlung an den Geschädigten erfolgt. Das Absehen von der Strafverfolgung kann auch auf eine Probezeit ausgesetzt werden, was für die Abschreckung und die Prävention von großer Bedeutung sein wird.

Die Probezeit für die Verfolgung, die wir jetzt im Rahmen der Diversion vorsehen, wird sicherlich in vielen Bereichen von Delikten mehr dazu beitragen, von einer Wieder­holung einer Tat Abstand zu nehmen, als die bisherige Rechtslage.

In Summe glaube ich, dass speziell mit diesen neuen Möglichkeiten die Bedürfnisse der Opfer ganz besondere Berücksichtigung gefunden haben und dass wir mit diesem Gesetz zu Recht stolz darauf sein können, ein der Rechtsstaatlichkeit und der Gerechtigkeit verpflichtetes neues Strafverfahren zu haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.20

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Puswald. – Bitte.

 



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51. Sitzung / Seite 96

14.20

Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, Ihre Lobhudelei und die Selbstbeweihräucherung, die Sie sich da angesichts angeblicher Reformen regelmäßig angedeihen lassen, sind nicht nur widerlich, sondern sachlich auch nicht gerechtfertigt.

Entgegen den Ausführungen des Herrn Klubobmannes Scheibner handelt es sich auch in diesem Fall nicht nur nicht um eine abgeschlossene Reform, sondern es handelt sich um keine Reform, ja es handelt sich sogar um eine sehr schlechte Novelle, die ein Jahrhundertwerk hätte sein können, wenn Sie sozialdemokratische Kritik ernst ge­nommen hätten. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dass Sie sich selbst dessen bewusst sind, beweisen ja auch die Äußerungen von Ihnen, Herr Justizminister. Ich finde es unerträglich, wenn Sie sich einerseits auf die Broda’sche Strafprozessreform-Tradition berufen (Abg. Scheibner: Das war ich!) – oder auch Herr Kollege Scheibner –, auf der anderen Seite, Herr Justizminister, immer wieder mehr oder weniger deutlich, manchmal unterschwellig, manchmal deutlicher, erklären, Broda hätte Weisungen erteilt, die eben so nicht in Ordnung gewesen sind. – Das weise ich auf das Schärfste zurück! Nennen Sie mir einen einzigen Fall, in dem Broda eingegriffen hätte, wie Sie es etwa im Fall Koloini gemacht haben und wie Sie es möglicherweise – ich betone: möglicherweise! – auch in der Causa Grasser gemacht haben könnten; ich sage: könnten. Das wird noch weitere Untersuchungen nach sich ziehen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist ja nachgewiesen vom Minister Broda! 23 Weisungen hat Broda im AKH-Verfahren erteilt! – Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.)

Liebe Frau Kollegin Fekter, es ist keine Justizentscheidung, denn das Phänomen an der Einstellung des Verfahrens im Fall Grasser ist ja nicht, dass entgegen dem üblichen Vorgang von der Justiz eine Mitteilung kommt, dass ein Verfahren eingestellt wird, sondern just in dem Moment, wo der Herr Finanzminister angesichts der schwe­ren Vorwürfe gegen ihn, die er nicht entkräften kann, zu kippen droht, genau in der Sekunde kommt ein Sprecher des Herrn Justizministers namens Pürstl und sagt: Das Verfahren ist eingestellt. – Der Herr Justizminister teilt also jetzt schon mit, wann Ver­fahren eingestellt werden, und nicht die Justiz. Und das lässt einen schalen Bei­ge­schmack zurück, den Sie nicht entkräften können. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Posch: Er hat sich dabei verraten!) Er hat sich dabei verraten, Sie haben Recht.

Es ist ja auch keine Frage der Beratungsdauer, denn wenn die Qualität nicht ausreicht, dann können Sie Jahre diskutieren, und Sie werden zu keinem sinnvollen Ergebnis kommen. Das beweist auch diese Gesetzesvorlage, die absolut nicht abstimmungs­tauglich ist, die verfassungswidrig ist und schon deshalb nicht unsere Zustimmung finden kann.

Auch was den Rechtsschutzbeauftragten betrifft, ist einmal klarzustellen: Natürlich sind wir für den Rechtsschutzbeauftragten, natürlich sind wir für seine Weisungsfreiheit und Unabhängigkeit, natürlich sind wir auch für die verfassungsmäßige Verankerung – aber nicht so, wie Sie es wollen, sondern mit entsprechenden flankierenden Maß­nahmen! Wir wollen nicht, dass irgendein Rechtsschutzbeauftragter aus einer Materie, in die er seinerzeit eingeführt wurde, jetzt für das gesamte Rechtswesen globalisiert wird und Sie sich dann in irgendeiner Form immer wieder bei allen Problemen, die Sie nicht lösen können, dieses Rechtsschutzbeauftragten bedienen können. Dagegen werden wir eintreten, und daher stimmen wir auch nicht zu. (Abg. Dr. Spindelegger: Wo ist der tosende Applaus?)


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Den tosenden Applaus, Herr Kollege, können Sie jetzt spenden, denn jetzt kommt etwas, was Ihre Frau Kollegin Fekter ins Spiel gebracht hat. Ich sage Ihnen: Sie sollten sich einer Verantwortung nicht entziehen, nämlich der Verantwortung, die wir als Abge­ordnete alle haben: nicht hier Stückwerk wie zum Beispiel diese missglückte Straf­prozess-Novelle zu betrachten, sondern ein gesamtes System, das diese schwarz-blaue Regierung jetzt schön langsam immer mehr aufzuziehen beginnt, das aber immer weniger im Verborgenen bleiben kann. Sie kippen nämlich nicht nur den So­zialstaat, was so weit geht, dass Sie die Leute zu Protesten auf die Straße treiben, dass Sie die Leute in die Armut treiben, was Pensionen betrifft, sondern Sie hungern auch die Universitäten aus, treiben die Professoren und Studenten auf die Straße und färben auch die Medien ein, wie zuletzt den ORF. Nachdem Sie alle Säulen der Demokratie schon angegriffen und möglicherweise gekippt haben, gehen Sie jetzt auch noch den Bereich der Justiz an. (Beifall bei der SPÖ.)

Hier entlarvt sich der Herr Justizminister selbst, wenn er in einem heutigen „Kurier“-Interview sagt: Wann der Anwalt die Polizei beim Verhör stören darf, wird genau geregelt.

Wie wird es geregelt? – Wenn ein Gesetz nicht passt, weil es schlecht genug ist, dann machen wir das mit einem Erlass! Aber dieser Erlass wird nicht vom Herrn Justiz­minister gemacht, sondern er muss seinen nicht gerade großen Amtskollegen, Herrn Innenminister Strasser, fragen: Wie darf denn der Erlass ausschauen, damit wir ja schön unsere Weisungen geben können und in Zukunft über unsere Weisungs­hierarchie vom Innenminister zum Justizminister Verfahren einleiten oder einstellen können, wie es uns passt? – Eine solche Strafprozessordnung ist nicht nur nicht ab­stimmungswürdig, sondern sie ist verachtenswürdig! (Beifall bei der SPÖ. – Ah-Rufe bei den Freiheitlichen.)

Ich könnte Ihnen jetzt auch noch Robert Menasse aus dem „Standard“ der Vorwoche zitieren, aber das ist nur in dem Lichte zu sehen, dass Sie, Frau Kollegin Fekter, selbst die Selbstausschaltung des Parlaments angesprochen haben. – Ich sage Ihnen noch dazu: Erinnern Sie sich zurück an die Umstände, die zum Justizpalast-Brand geführt haben!, und dann werden Sie verstehen, warum wir dieses Klima gerade in der Justiz nicht wollen – und auch nicht eine Reform, gegen die die Richter sind, gegen die die Staatsanwälte sind, gegen die die Rechtsanwälte sind, und alle mit gutem Grund. Zu dieser Reform sagen wir: Nein, danke! (Beifall bei der SPÖ.)

14.26

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. – Bitte.

 


14.26

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die letzten Diskussionsbeiträge, die die Frage der Wei­sungsfreiheit betroffen haben, haben eines für mich aufgezeigt, was bei einer solchen Debatte mit beachtet werden sollte, nämlich ein unklares Verhältnis der SPÖ zur Gewaltentrennung an sich. Ich möchte das an den Beispielen von Kollegen Puswald, aber auch von Frau Kollegin Wurm, die auf die Staatsanwaltschaft eingegangen sind und hier Weisungsfreiheit verlangen, aufzeigen.

Sie, Frau Kollegin Wurm, befürchten, dass, wenn staatsanwaltliches Handeln, also exekutives Handeln des Staates, überprüft werden kann, öffentlich überprüft werden kann, medienöffentlich überprüft werden kann, letzten Endes auch parlamentarisch hinterfragt werden kann, hier eine vierte Gewalt entstünde. – Genau das ist nicht der Fall! Das wäre bei der Weisungsfreiheit der Fall, wenn ich neben der Rechtsprechung, neben der Gesetzgebung und neben der Exekutive noch die Staatsanwaltschaft als


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vierte unabhängige, an nichts und niemanden gebundene Behörde oder was immer schaffen würde.

Ich glaube, Sie sollten darüber nachdenken und zur Kenntnis nehmen, dass rechts­staatliche Qualität nicht nur aus der Unabhängigkeit der Rechtsprechung besteht, sondern auch aus der politischen und parlamentarischen Kontrollierbarkeit von exeku­tivem Handeln. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn ein Gendarm oder ein Polizist von sich aus ein Verfahren nicht weiter verfolgt, in dem er ermitteln müsste et cetera, dann ist das ein Amtsmissbrauch, und wir würden das sehr kritisieren. Umgekehrt – ich sage das nicht, um einen Richter zu kritisieren, sondern um die Sensibilität aufzuzeigen – ist es dort, wo Rechtsprechung in direktes exekutives Handeln eingeht. Ich glaube, viele hier sind noch erschüttert von dem Fall, wo man diesen 8-Jährigen mit Gewalt dem Vater entzogen und dann über die Grenze gebracht und wo letzten Endes ein Richter Gewaltanwendung angeordnet hat. Wäre dies im exekutiven Bereich geschehen – also durch einen Polizeijuristen oder durch den Bezirkshauptmann –, ich glaube, der Herr Innenminister hätte sich hier einer Dringlichen Anfrage stellen müssen, in der gefragt wird, wie so etwas möglich ist.

Noch einmal: Das wird nicht als Justizschelte von meiner Seite gebracht, sondern um die Sensibilität der Bereiche und der Abgrenzungen klar aufzuzeigen. Der Rechtsstaat beruht eben auf den zwei Säulen Unabhängigkeit der Justiz auf der einen Seite und Kontrollierbarkeit von Staatsgewalt und exekutivem Handeln auf der anderen Seite.

In diesem Zusammenhang fällt mir aber auch auf, dass Sie überhaupt zur Exekutive im Besonderen und zu Beamten wahrscheinlich im Allgemeinen ein nicht ganz einwand­freies Verhältnis haben. Sie unterstellen zum Beispiel, dass die Polizei automatisch willkürlich handeln würde, wenn sie die Zulassung eines Verteidigers in ganz bestimm­ten Fällen unterbindet. – Das ist natürlich nicht möglich, denn wenn ich auch keine weiteren Ausführungsbestimmungen treffe, ist willkürliches Handeln immer untersagt und unterliegt immer der nachträglichen Kontrolle durch die Höchstgerichte. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis, das ist Teil unseres Rechtsstaates!

Um aber in besonders sensiblen Materien – Lauschangriff, Rasterfahndung, Schein­kauf, Überwachungshandlungen – auch eine begleitende Grundrechtskontrolle zu haben, hat sich der Gesetzgeber aus gutem Grund Mitte der neunziger Jahre auf Drängen der SPÖ dazu entschlossen, in der strafgerichtlichen Ermittlungshandlung Rechtschutzbeauftragte einzuführen. Das hat sich bewährt, und daher haben wir das auch im Sicherheitspolizeigesetz und im Militärbefugnisgesetz übernommen. Meine Damen und Herren! Ich verstehe absolut nicht, warum Sie diese Einrichtung nicht so absichern wollen, wie es dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes beim Militär­befugnisgesetz entspricht.

Da geht es nämlich nicht darum, den Rechtsschutzbeauftragten an sich zu kritisieren oder aus seiner Position heben zu wollen, sondern da geht es genau um jene Ge­waltenteilung, die ich Ihnen jetzt darzulegen versucht habe: dass nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs ein Organ der Verwaltung nicht weisungsfrei sein kann, weil dies gegen die politische Kontrollierbarkeit und letzten Endes gegen die Ressort­ver­antwortlichkeit spricht.

Daher gibt es zwei Lösungen, meine Damen und Herren: Die eine – die ich präferiere – wäre, Rechtschutzbeauftragte durch ein eigenes Verfassungsgesetz weisungsfrei zu stellen – ich hoffe noch immer, Sie stimmen dem zu; Sie brauchen deswegen dem Reformwerk, aus welchen Gründen auch immer, nicht zuzustimmen, können aber doch hier zustimmen –; die andere Möglichkeit ist, man positioniert die Recht­schutz­beauf­tragten innerhalb der Verwaltung als Personen, die eben nach Weisung agieren. Mit dieser zweiten Möglichkeit könnte zum Beispiel ich – der im Gegensatz zu vielen an-


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deren hier in diesem Saal auch schon ein bisschen skeptisch gegen eine gewisse Ombudsmännerflut ist – auch leben.

Wie man aber gleichzeitig gegen die Weisungsfreiheit von Rechtschutzbeauftragten, aber für die Weisungsfreiheit von Staatsanwälten sein kann, das ist mir absolut unerklärlich, das ist unlogisch, und das ist Opposition um der Opposition willen! Das hat sich die Recht suchende Bevölkerung nicht verdient. Überlegen Sie bitte Ihr Han­deln noch einmal! (Beifall bei der ÖVP.)

14.32

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Ikrath. – Bitte.

 


14.32

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich erspare es mir jetzt, auf die Ausfüh­rungen des Kollegen Puswald einzugehen, der hier – ich weiß nicht – in gewisser Wei­se als Büttenredner auftritt (Ruf bei der SPÖ: Ha, ha, ha!) oder uns hier eine Mischung von Kärntner Wahlkampf und verspätetem Villacher Fasching anbieten will.

Ich möchte jetzt einen Paradigmenwechsel in der Qualität der Diskussion vollziehen. (Ruf bei der ÖVP: Bravo!) Diese Strafprozessordnungs-Novelle ist einer der ganz großen Würfe, die im Strafrecht seit Jahren oder Jahrzehnten gelungen sind. Ich glaube, wir sollten uns – und das würde auch den Kollegen von der SPÖ recht gut tun, weil es der Seriosität der Behandlung so wesentlicher Materien dienen würde – auf die Sache konzentrieren.

Sie können sich sicher erinnern, dass wir vor ein paar Jahren durch die EU und internationale Abkommen und deren Vorgaben in Österreich dazu veranlasst wurden, die Anonymität auf Sparguthaben aufzuheben, und damals den Sparern, den Bürgern und Bürgerinnen versprochen haben – und zwar gemeinsam versprochen haben –, dass wir für sie einen gleichartigen Rechtsschutz durch eine konsequente Ausformung des Bankgeheimnisses gewährleisten werden. Und wir haben das in der Folge unter anderem in der Strafprozessordnung für das strafrechtliche Vorverfahren – im § 145a, soweit ich mich erinnern kann – auch gemeinsam eingelöst.

Auf diesen Spezialaspekt möchte ich mich jetzt kurz konzentrieren. In der Fassung der Regierungsvorlage war dieser hohe Standard des § 145a nicht mehr beinhaltet und eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses, und damit eine wesentliche Verschlech­terung, gegeben.

So hätte zum Beispiel im Falle ungerechtfertigter Kontoeröffnungen durch den Wegfall der Ratskammer im Vorverfahren kein Rechtszug mehr seitens der Bank bestanden. Es wäre dann nicht mehr möglich gewesen, entsprechende Beschwerden mit auf­schiebender Wirkung zu Gunsten einer ungerechtfertigten Kontoeröffnung durchzu­führen. Es wäre bei der richterlichen Ermächtigung zur Durchsuchung von Kredit­instituten nicht mehr die Erforderlichkeit auszuweisen und zu begründen gewesen, und es hätte die Kriminalpolizei bei Gefahr im Verzug Durchsuchungen auch ohne vor­läufige Anordnungen und Bewilligungen des Richters durchführen können. Damit wäre dem Erkundungsbeweis Tür und Tor geöffnet worden.

Das war für uns nicht akzeptabel. Ich möchte ausdrücklich hervorheben, dass es dann in sehr konstruktiven, intensiven und sachlichen Gesprächen mit den Beamten des Justizministeriums – und auch der Herr Bundesminister hat sich durchaus als ein sehr fairer Partner bei diesem Anliegen erwiesen – gelungen ist, in der heute zur Beschluss­fassung vorliegenden Strafprozessordnungs-Novelle den hohen Standard zum Schutz


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des Bankgeheimnisses wieder herzustellen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Partik-Pablé.)

Bei der behördlichen Forderung nach Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte muss vorher wieder eine gerichtliche Bewilligung eingeholt werden. Gerichtliche Anord­nungen und Bewilligungen müssen detailliert und genau die Erforderlichkeit und den Gegenstand der Auskunftserteilung beschreiben. Auch Auskünfte, die von Bankmit­arbeitern gefordert werden, bedürfen einer entsprechenden gerichtlichen Bewilligung. Ebenfalls trifft das auf Bankprüfer und Organe der Prüfungsverbände zu.

Widerspricht ein betroffenes Kreditinstitut der gerichtlichen Anordnung auf Erteilung von Auskünften oder Herausgabe von Unterlagen, so sind diese Unterlagen zu ver­siegeln, und es gibt den schon beschriebenen Rechtszug zum Oberlandesgericht. Und letztlich ist auch gesetzlich klargestellt worden, dass eine Durchsuchung in einem Kreditinstitut in jedem Fall einer gerichtlichen Anordnung bedarf, welche wieder die Erforderlichkeit und den Gegenstand dieser Maßnahme genau beschreiben muss.

Damit haben wir in § 116 im Zusammenhang mit § 112 wieder jenes Versprechen erhärtet, das wir dem Sparer damals gegeben haben. Und das ist etwas, was die Kollegen von der Opposition, wie ich weiß, nicht wirklich gerne wahrhaben wollen: dass die Regierung auch deswegen erfolgreich ist, weil sie jene Qualität, Versprechen, die sie gegeben hat, immer einzulösen, nach wie vor konsequent verwirklicht. Ich habe vor geraumer Zeit hier einmal gesagt: Da liegt der Paradigmenwechsel zwischen dem „alt Regieren“, für das die SPÖ im Besonderen steht, und dem „neu Regieren“, für das diese Koalition steht. Wir geben Versprechen, und wir halten diese Versprechen ein – in diesem Fall im Zusammenhang mit einem Rechtsinstitut, das für jeden Bürger wichtig ist, nämlich dem Schutz des Bankgeheimnisses. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Partik-Pablé.)

14.38

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte.

 


14.39

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Es hätte eine gute Reform werden können (Rufe bei der ÖVP: Ist! Ist! – Abg. Dr. Fekter: Ist sie geworden, Herr Kollege!), wenn man sich etwas Zeit gelassen hätte und wenn man auch die Meinungen der Experten ernst genommen hätte – es ist ja nicht unbedingt notwendig, dass man gerade auf die Opposition hört.

So aber ist es wieder eines von jenen Gesetzen geworden, von denen der Chef des Verfassungsgerichtshofes jetzt schon gesagt hat, dass viele dieser Gesetze, die in den letzten Legislaturperioden gemacht wurden, mangelnde Qualität aufweisen. Es ist wieder ein Gesetz mit mangelnder Qualität, es ist wieder ein Gesetz, bei dem ver­fassungsrechtliche Bedenken bestehen, und es ist wieder ein Gesetz, wo man eigentlich nicht den modernen Erfordernissen Rechnung getragen hat.

Es ist ganz klar, dass eine der größten Prämissen des Verfassungsgerichtshofes, nach denen dieser entscheidet, die Gewaltentrennung ist. Und man hat hier eindeutig wieder eine Vermischung: Wenn die weisungsgebundenen Staatsanwälte bei Ermittlungen Fehler machen, ist eine Beschwerde dagegen nicht mehr beim Unabhängigen Verwal­tungssenat notwendig, sondern ... (Abg. Dr. Fekter: Der Staatsanwalt ... ja auch keine Bescheide erlassen!) – Es ist auf alle Fälle ein Verwaltungsorgan, und der Instanzen­zug geht an einen Richter! (Abg. Dr. Fekter: ... klassische Verwaltungsbehörde!)

Frau Kollegin, Sie wissen genau: Mir macht es nichts, wenn Ihre Gesetze aufgehoben werden! Es ist nur schade, dass Sie in Ihrer Überheblichkeit der Diskussion nicht


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einmal Kontakt mit uns aufgenommen haben, um diese Probleme überhaupt zu besprechen. (Abg. Dr. Fekter: Ihr habt ja keine Vorschläge gehabt!) Es wäre ein Problem gewesen, das einfach zu lösen gewesen wäre, aber es ist wieder ein Gesetz, über dem jetzt schon das Damoklesschwert der Aufhebung durch den Verfassungs­gerichtshof schwebt.

Und das ist die mangelnde Qualität! – Es geht immer zu Lasten der Qualität: Husch, husch, irgendeinen Pfusch! Treiben wir es schnell durch das Parlament, ist eh Wurscht, denn nachher können wir es ja ohnedies wieder reparieren! – Aber damit steht die Rechtssicherheit auf dem Spiel, und ich glaube nicht, dass die Bevölkerung das à la longue goutieren wird.

Es gibt unzählige Beispiele, wo Sie es so gemacht haben. Schade, dass es bei diesem Reformwerk wieder so passiert. Aber das ist eben eine Form des Umgangs mit der Opposition.

Es ist auch eine Form des Umgangs, wenn man hier, wenn man Kritik von einem Ab­geordneten bekommt, auszieht, so wie heute Vormittag. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist auch ein Umgang mit diesem Haus, der allen demokratischen Grundregeln widerspricht, und ich glaube nicht, dass Sie damit der Demokratie einen guten Dienst erwiesen haben.

Aber die allgemeine Handhabung Ihrer Ideologie sieht man ja nicht nur in diesem Gesetz. Hier wird bei einem Gesetz, bei dem eben nicht nur das Zusammenwirken von Staatsanwälten, von den Sicherheitsbehörden, sondern auch das Verhältnis des Bür­gers und Betroffenen zum Verteidiger geregelt wird, der Verteidiger vom Kollegen Miedl gar nicht mehr erwähnt, weil man ausschließlich nur mehr hoheitliches Denken hat! Man interessiert sich für die Bürgerrechte gar nicht mehr! Man will nur mehr einen Staat haben, der letztendlich die Verwaltung in den Mittelpunkt stellt, der ausschließ­lich an obrigkeitlichen Kriterien orientiert ist und nicht mehr die Interessenlage der Bür­ger mit berücksichtigt.

Damit bin ich bei einigen Kritikpunkten, die schwerer wiegen als einige Verbesse­run­gen, zu denen es zweifelsohne auch durch dieses Gesetz kommen wird; aber es hat Ihnen leider der Mut gefehlt, ordentliche Reformen zu machen. Sie haben zwar hineingeschrieben, dass der Verteidiger jetzt von Anfang an dabei sein darf, haben das aber im selben Paragraphen gleich wieder sozusagen kaputt gemacht, weil man die Verteidigerrechte derart beschnitten hat, dass man in Wirklichkeit in diesem Verfah­rensstadium dem Beschuldigten überhaupt nicht helfen kann.

Ich darf nur einige Punkte herausgreifen, weil sie fast absurd sind: zum Beispiel die Polizei in einem Vorverfahren. Sie müssen sich vorstellen: Irgendjemand beschuldigt Sie, Sie geraten in Verdacht, es wird eine Erhebung eingeleitet, und die Polizei im Vorverfahren kann bestimmen (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er muss zuerst festgenommen sein! Festgenommen!), dass der Beistand des Rechtsanwaltes, des Verteidigers auf eine allgemeine Rechtsauskunft beschränkt wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was heißt das? – Der darf nicht einmal über seinen Fall mit dem Verteidiger reden, sondern dieser kann ihm das Konsumenten­schutz­gesetz erzählen! – Das ist die „allgemeine Rechtsauskunft“! Damit wird ihm nicht ge­holfen sein, wenn er vor der Polizei beschuldigt wird. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist doch absurd, wenn ich den Verteidiger mit dem Betroffenen nicht über den Fall reden lasse, sondern über irgendeine allgemeine Rechtsauskunft – vielleicht über die anste­hende Scheidung oder was auch immer.

Es ist doch völlig widersinnig, was Sie da für ein Gesetz machen! Es ist zwar dem Be­schuldigten möglich, Beweisanträge zu stellen, aber die Beweisanträge müssen von


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der Polizei nicht behandelt werden, sondern im gesamten Vorverfahren kann sie nur beschuldigende Beweise erheben (Abg. Dr. Fekter: Ist ja nicht wahr, Kollege!) – und dann soll der Verteidiger in der Hauptverhandlung in eineinhalb Stunden alle Beweise, die in Monaten zusammengetragen wurden, entkräften! (Abg. Miedl: Wo haben Sie denn das her?)

Ja liebe Freunde, wo bleibt denn da der Schutz des Betroffenen, wenn dieser zu Unrecht beschuldigt wird? Wo bleibt denn da der Schutz?

Oder: eine ganz „hervorragende“ Bestimmung, die in einem modernen Gesetz wirklich nichts mehr verloren hat, weil das ja jedem internationalen Standard widerspricht, was hier passiert, nämlich die Überwachung der Verteidigergespräche mit dem Beschul­digten. 1964 wurde das in der Bundesrepublik Deutschland abgeschafft, und nicht einmal während der RAF-Verhandlungen und der RAF-Ermittlungen, wo der Staat Deutschland wirklich durch eine Terroristenorganisation bedroht war, hat man die Überwachung des Verteidigergesprächs mit dem Beschuldigten wieder eingeführt, sondern da war der Staat Deutschland, die Bundesrepublik Deutschland stark genug zu sagen: Wir stellen unser Rechtssytem nicht auf archaische Positionen zurück, sondern wir bleiben in einem modernen Rechtsstaat und geben dem Staat nicht dieses Instrumentarium in die Hand.

Es wurden von den Vorrednern das Scheingeschäft und die verdeckte Ermittlung hier oftmals als große Errungenschaften bezeichnet. – Meine sehr geehrten Damen und Herren: Grundsätzlich ja – aber nicht so, wie es hier geregelt ist. Wenn nämlich das Scheingeschäft von der Polizei ohne eine richterliche Anordnung eingeleitet wer­den kann und daraus ein Geschäft entsteht, dann kann man den Betroffenen verurteilen, aber die dahinter stehende Kriminalitätshandlung, die dazu geführt hat, dass man das Scheingeschäft durchgeführt hat, braucht man gar nicht mehr weiter zu untersuchen, sondern man könnte sofort sagen, man verurteilt den Betreffenden. Man hat aber gar kein Grundkriminalgeschäft! – Das kann es doch nicht sein, dass man da verdächtige Personen kriminalisiert oder zu kriminalisieren versucht – über Anordnung der Polizei!

Noch ein Schmankerl, liebe Kolleginnen und Kollegen, das da drinnen enthalten ist: Wenn ein Verteidiger der Polizei nicht zu Gesicht steht, braucht sie nur ein Verfahren wegen Begünstigung einzuleiten! Er braucht überhaupt nicht damit zu tun haben! Und wenn sich nach zwei, drei Ermittlungshandlungen herausstellt, dass er gar nichts damit zu hat, ist er von der Verteidigung ausgeschlossen. – Das heißt, ich kann jeden missliebigen Verteidiger zu Beginn des Verfahrens ausschließen!

Und Sie, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, sagen, das sei ein Reform­gesetz, das sei ein modernes Gesetz? – Das sind teilweise Zustände wie im Mittelalter und teilweise Zustände, die eigentlich nichts mehr mit der modernen Rechtspflege zu tun haben!

Ich glaube, am augenscheinlichsten wird das in einem Interview, das der Herr Justiz­minister gegeben hat und in dem er gesagt hat, er wird zur Frage des Anwaltszugangs beim Polizeiverhör einen Erlass herausgeben, damit das sozusagen so gehandhabt wird, dass die Anwälte wirklich teilnehmen können.

Jetzt machen wir ein Gesetz, wo wir das nicht hineinschreiben – und dann gibt es vielleicht gnadenhalber vom Justizminister und vom Innenminister einen Erlass, der das regelt, was man sich im Gesetz nicht zu regeln traut. – Das ist doch das schlechteste Qualitätszeugnis, das ich einem Gesetz ausstellen kann, wenn ich schon jetzt, bevor das Gesetz noch beschlossen ist, darüber nachdenke, wie ich mit Erlass die Fehler dieses Gesetzes gutmache – oder auch nicht, nach meinem Gutdünken.


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Das ist doch unglaublich, derartige Gesetze hier zu verabschieden! Das ist ja nichts anderes, als wenn man zum Landeshauptmann von Kärnten gehen und dort betteln muss, um seine Pensionsansprüche zu bekommen! Nichts anderes ist in diesem Fall die Selbstgefälligkeit des Bundesministers, dieses Gesetz dann sozusagen nach eigenem Gutdünken zu interpretieren.

Ich glaube, wir sind hier auf einem wirklich traurigen Weg der Rechtspflege. Das verdient nicht den Namen „Reform“! Das ist eigentlich ein Salto rückwärts mit ganz, ganz schlechten Karten für die Betroffenen. Es ist schade, denn man hätte daraus etwas machen können!

Abschließend noch ein Wort zu Frau Kollegin Fekter. Zu ihrer Wortmeldung am Beginn der Debatte heute Vormittag möchte ich eines festhalten, und das ganz emotionslos:

Es ist ganz einfach nicht so, dass die Verantwortung für die Auflösung des Parlaments auch nur in irgendeiner Art und Weise von den Sozialdemokraten zu tragen war. Und ich glaube, es hängt bei Ihnen im Klub – und das ist eine Tatsache – ein Bild jener Figur in der Geschichte, von der ich behaupte, dass das die Würde dieses Hauses nicht verträgt. (Beifall bei der SPÖ.)

14.50

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Fekter zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.50

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Herr Kollege Wittmann hat soeben mehrere absolute Unrichtigkeiten verkündet, ich möchte nur zwei davon korrigieren.

Kollege Wittmann hat behauptet, die Staatsanwaltschaft brauche nur beschuldigende Beweise erheben. – Er hat das Gesetz wahrscheinlich nicht gelesen, denn in § 3 ist die Staatsanwaltschaft zur Objektivität und Wahrheitsforschung verpflichtet. Ich zitiere Abs. 2 ... (Abg. Dr. Wittmann: Das ist unrichtig, was Sie da ...! Das ist auf die Be­weisanträge ...!) – Herr Kollege Wittmann, es ist unrichtig, dass nur belastende Be­weise erhoben werden müssen!

Richtig ist vielmehr, dass gemäß § 3 Abs. 2 „alle Richter, Staatsanwälte und kriminal­polizeiliche Organe“ die Pflicht haben, „die zur Belastung und die zur Verteidigung des Beschuldigten dienenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu ermitteln“. – Die objektive Wahrheitsforschung ist der Grundsatz! (Abg. Dr. Wittmann: § 55!)

Kollege Wittmann hat weiters behauptet, es könne jeder Verteidiger beliebig ausge­schlossen werden. – Herr Kollege Wittmann, das ist falsch!

Richtig ist vielmehr, dass in diesem Gesetz die Ausschließungsgründe dezidiert ge­regelt sind.

Lesen Sie das Gesetz! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Das hat er ja gesagt! ... Das Zweite war keine tatsächliche Berich­tigung! – Abg. Prinz: Er hat gefehlt, als er in der Schule lesen lernen sollte!)

14.51

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Mikesch zu Wort gemeldet. (Abg. Schieder – in Richtung der Abg. Dr. Fekter –: Das war keine tatsächliche Berichtigung, das Zweite! Das Erste schon, das Zweite nicht! ...!)

 


14.52

Abgeordnete Herta Mikesch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beschließen heute einen Meilenstein


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und keine Husch-Pfusch-Aktion, Herr Kollege Wittmann. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Dolinschek.)

Es ist dies eine neue Strafprozessordnung, deren jetzt gültiger Vorläufer im Wesent­lichen auf das Jahr 1873 zurückgeht!

Lassen Sie mich aber auf eine Gruppe eingehen, der im Strafprozess eine bedeutende Rolle zukommt und deren Interessen wohl am meisten zu wahren sind: die Opfer. – Die neue Strafprozessordnung dehnt die Rechte der Opfer deutlich aus. Es ist er­freulich, dass Sie, Frau Kollegin Stoisits, das in Ihrem Minderheitsbericht auch deutlich anerkennen.

Generell soll die Rolle der Beteiligten im Verfahren, also jene der Beschuldigten und eben der Opfer, verstärkt werden, ihnen also weitere Informations-, Beteiligungs- und Antragsrechte zugebilligt werden. Trotzdem muss eines klargestellt werden: Der Staat – und nur der Staat! – hat das Anklagemonopol. Das ist einer der wichtigsten Grundsätze unseres Rechtssystems und hat seinen guten Grund, weil nur ein objektiver Dritter emotionsfrei und ohne Vorbehalte an die Klärung von Sachverhalten herangehen kann. Deshalb halte ich die Forderung nach der Möglichkeit des Einbrin­gens einer Nichtigkeitsbeschwerde durch den Privatbeteiligten im Falle eines Frei­spruches als zu weit gehend, und daher hat die Forderung auch keinen Niederschlag in der Reform gefunden.

Wohl aber hat der Privatbeteiligte das Recht, in Zukunft bei Zurücklegung des Verfah­rens durch die Staatsanwaltschaft die Anklage als Subsidiarkläger aufrechtzuerhalten. Was aber in der neuen StPO vorgesehen ist, ist, dass Opfer das Recht auf Information haben, auf Beteiligung an der parteiöffentlichen Beweisaufnahme sowie der Haupt­verhandlung, unabhängig von der Erklärung, sich am Verfahren beteiligen zu wollen. Dort haben sie auch die Möglichkeit, Angeklagte, Zeugen und Sachverständige zu befragen und ihre Sicht darzulegen, ohne zwingend Schadenersatz geltend machen zu müssen. Opfer haben in Zukunft ebenso wie bisher die Täter das Recht auf Prozess­begleitung.

Neu ist die Stellung der Opfer als Privatbeteiligte, so sie sich dazu entschließen. Dadurch erhalten die Opfer eine Rechtsstellung, die ihnen bisher verwehrt geblieben ist, neben dem schon erwähnten Recht der Subsidiaranklage auch die Möglichkeit des Beweisantragsrechtes – ein wichtiger Fortschritt, vor allem aus psychologischer Sicht, weil den Opfern dann nicht mehr das Gefühl gegeben wird, es wäre nicht alles unter­nommen worden, was möglich ist.

Apropos psychologisch: Emotional besonders belastete Opfer sollen darüber hinaus Anspruch auf Prozessbegleitung erhalten, sowohl juristisch als auch psychologisch, allerdings nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern zielgenau dort, wo es tat­säch­lich erforderlich ist.

Entscheidend ist für mich die generelle Anerkennung der Opfer von Straftaten im Prozess, einerseits durch das Ersetzen des unglücklichen Begriffs der so genannten Geschädigten durch „Opfer“ sowie andererseits durch § 10 Abs. 3, der die Ver­pflich­tung generell hervorhebt, dass bei der Strafverfolgung Opfer „mit Achtung ihrer per­sönlichen Würde zu behandeln und deren Interesse an der Wahrung“ ihrer Intim­sphäre zu respektieren ist.

Klar jedoch ist: Die Unschuldsvermutung ist höchstes juristisches Gut in unserem Land! Zu verlangen, dass eigentlich kein Opfer mehr, nicht einmal das Handtaschen­raub-Opfer seinem Täter gegenübertreten soll, ginge zu weit. Da ist eine ordentliche Prozessbegleitung effektiver.


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Dringend notwendig ist jedoch, dass in der Frage der Opferrechte vorgesorgt wird, dass die neuen Rechte der Opfer noch vor 2008 in die bestehende Prozessordnung eingearbeitet werden, damit die Opfer so rasch wie möglich in den Genuss der neuen Instrumente in diesem Verfahren kommen können. In diesem Sinne ist auch unsere gemeinsame Entschließung im Ausschuss zu verstehen.

Dieses Verfahrensrecht ist ein modernes Mittel zur Wahrheitsfindung, das einerseits den Schutz der Opfer garantiert, aber auch die Rechte von Beschuldigten sichert und den Behörden die notwendigen Mittel gibt, um arbeiten zu können, mit einem Wort: eine moderne und effektive StPO! (Beifall bei der ÖVP.)

14.56

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Puswald zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.56

Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine tatsächliche Berichtigung zur tatsächlichen Be­richtigung, Frau Vorsitzende, ist angesagt. (Abg. Dr. Fekter: Gibt es nicht!) Sie sagen – und das ist das Bedauerliche –, wie gut Sie den Ausschusssitzungen gefolgt sind: Es sei im Gesetz dezidiert geregelt, wann der Anwalt ausgeschlossen werden darf. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Daher muss ich Ihnen doch im Detail mitteilen, was der Herr Justiminister im heutigen „Kurier“-Interview sagt: Er strebe derzeit in der umstrittenen Frage – umstrittenen Frage! – der Anwaltsausschließung beim Polizeiverhör einen gemeinsamen Erlass mit dem Innenminister an. In diesem gemeinsamen Erlass solle dann geregelt werden, wie vorzugehen sei. (Abg. Dr. Fekter: ... aber nicht ausgeschlossen, sondern beschränkt!)

Also: Wo hat da das Gesetz etwas dezidiert geregelt? (Abg. Dr. Fekter: Anwalts­ausschluss ist etwas ganz anderes!)

Weiters sagt der Justizminister in diesem Interview: Eine exakte Definition – Frau Kollegin, eine exakte Definition! – werde es auch mit diesem Erlass nicht geben können! (Abg. Dr. Fekter: Lesen Sie das Gesetz!)

Und Sie sprechen von einer dezidierten Regelung! Ich sage Ihnen: Dieses Gesetz ist ein Pfusch, weil man als Polizist den Anwalt ausschließen kann, wann immer man will. Sie können gar nichts dagegen machen, weil dieser Erlass auch nicht präzise sein wird, wie der Justizminister geständig zugibt. (Abg. Dr. Fekter: Sie kennen ja nicht einmal den Unterschied zwischen Ausschluss und Beschränkung!)

Aber auch dieses Geständnis wirkt nicht mildernd auf dieses schlechte Gesetz. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.58

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist an sich Frau Abgeordnete Chris­tine Marek. – Frau Kollegin, Sie hätten jetzt noch 2 Minuten Redezeit. Wollen Sie diese 2 Minuten in Anspruch nehmen und nach der Dringlichen fortsetzen? (Abg. Marek: Ja!) – Dann erteile ich Ihnen das Wort. (Abg. Dr. Jarolim – in Richtung des Abg. Dr. Puswald –: Ich bin froh, dass das noch gesagt worden ist!)

 


14.58

Abgeordnete Christine Marek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Hohes Haus! Gestatten Sie mir, dass ich zu Beginn meiner Rede meinen Sohn begrüße, der oben auf der Galerie sitzt! (Beifall bei der ÖVP.)


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Meine Damen und Herren! Das Instrument der Diversion ist in Österreich seit An­fang 2000 in Anwendung und gilt seit damals als Meilenstein. Um Ihnen ein Gefühl für die Häufigkeit der Anwendung der Diversion zu geben: Im Jahre 2001 wurde in ins­gesamt 45 140 Fällen ein Diversionsangebot gemacht, wobei in etwa 38 000 Fällen das Verfahren auch endgültig eingestellt wurde. Im Folgejahr ist die Zahl der Diver­sionsangebote weiter gestiegen, wobei von in Summe knapp 54 000 Angeboten 44 000 erfolgreich waren.

Mit diesen Zahlen wird deutlich, dass die Diversion eine durchaus akzeptierte Alter­native zu einer Verurteilung ist und mit Sicherheit als deutlicher Fortschritt gegenüber dem früheren Zustand zu sehen ist.

Wenn man sich aber die Zahlen nach den vier möglichen Maßnahmen aufgeteilt an­sieht, wird deutlich sichtbar, dass es hier ein deutliches Ungleichgewicht gibt: In fast 50 Prozent der Fälle wurde eine Geldbuße verhängt. Am zweithäufigsten, nämlich in 20 Prozent der Fälle, eine Probezeit ohne jeglichen Zusatz. Gemeinnützige Arbeit während einer Probezeit wurde in den wenigsten Fällen angeboten, und auch den außergerichtlichen Tatausgleich gab es nur vereinzelt.

Somit wurden in der überwiegenden Zahl aller Diversionsanbote Varianten gewählt, die für die Opfer absolut unbefriedigend sind. Und damit wurde leider auch eine der ursprünglich wichtigsten Absichten bei der Einführung der Diversion viel zu wenig erreicht, nämlich eine Versöhnung und zufrieden stellende Lösung zwischen Opfer und Täter.

Klarerweise sind Geldbußen und Probezeiten ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol (das Glockenzeichen gebend): Frau Abgeordnete, ich muss Sie jetzt unterbrechen. Sie können nach Durchführung der Debatte über die Dringliche Anfrage und nach der Anfragebesprechung wieder zu Wort gelangen. (Beifall bei der ÖVP für die das Rednerpult verlassende Abg. Marek.)

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 1 und 2 der Tagesord­nung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage geschäftsordungs­gemäß um 15 Uhr stattfinden kann.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Kolle­ginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Verbes­serung des Rechtsschutzes bei Unglücksfällen (1514/J)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schrift­lichen Anfrage 1514/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich deren Verle­sung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Das Unglück von Kaprun, die Hochwasserkatastrophe vom August 2002, die Lawine von Galtür und andere Katastrophen im In- und Ausland haben uns drastisch vor Augen geführt, welchen Gefährdungen wir tagtäglich ausgesetzt sind. Diese Gefahren sind vielfach offenkundig, etwa bei den grenznahen Atomkraftwerken, im Flug-, Eisenbahn- und Seilbahnbetrieb oder auch beim Transport gefährlicher Chemikalien und Güter. Manchmal sind wir uns der Risiken und der drohenden Folgen aber auch nicht bewusst, etwa im normalen Straßenverkehr oder bei Industriebetrieben, bei denen niemand an ein erhöhtes Gefahrenpotential denkt. Wir verlassen uns darauf,


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dass schon nichts passieren wird. Wenn es dann zum Ernstfall kommt, stehen wir fassungslos vor dem unermesslichen Leid der Betroffenen und ihrer Angehörigen.

Die Bewältigung dieser Unfälle ist schwierig. Auch mit noch so hohen Summen lassen sich ihre Folgen vielfach nicht aus der Welt schaffen, und die Schmerzen der Ange­hörigen der Opfer lassen sich mit Geld alleine nicht ausgleichen. Es ist daher auch mehr als verständlich, wenn das (noch nicht rechtskräftige) Urteil im „Kaprun“-Straf­verfahren bei den Angehörigen wie auch in der Öffentlichkeit zu heftigen Reaktionen geführt hat. Meist wird zwar Verständnis dafür geäußert, dass strafrechtliche Verur­teilungen von nachweisbarer individueller Schuld abhängen. Es ist aber verständlich, dass nach derartigen Katastrophen nach Schuldigen gesucht und es z.T. als unbe­friedigend empfunden wird, wenn niemand zur Verantwortung gezogen werden kann.

Nicht nur als Benützer einer Gletscherbahn sondern auch bei vielen anderen Gele­genheiten begibt man sich immer wieder in gefährliche Situationen, deren Risiken man – weil es sich um fremdorganisierte unüberschaubare Anlagen handelt – schwer bis gar nicht selbst beurteilen und auch kaum selbst beeinflussen kann. Man kann in solchen Situationen nur darauf vertrauen, dass der Betreiber alles Menschenmögliche für die Sicherheit der Betroffenen tut und der Staat seine Aufgabe wahrnimmt, ent­sprechende Standards und Kontrollen sicherzustellen. Wenn ein solches Risiko schlagend wird, erwartet man dementsprechend sowohl zivilrechtliche Entschädigung als auch – bei Verschulden – strafrechtliche Konsequenzen.

Der Gesetzgeber hat im Bereich des Zivilrechts schon frühzeitig Regelungen ge­schaf­fen, die eine – meist der Höhe nach begrenzte – Haftung auch ohne Verschulden („Gefährdungshaftung“) dann sicherstellen, wenn sich jemand einer gefährlichen Sache zu seinem Nutzen bedient, damit aber andere gefährdet. Zu nennen ist hier z.B. die Haftung für Tiere oder für Sachen, die von oder aus Häusern herabstürzen, sowie die Haftung für Eisenbahnen und Kraftfahrzeuge, aber auch Schlepplifte und Berg­bahnen nach dem Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz sowie Regelungen für andere Technologien (Strom, Gas, Flugzeuge, Atomkraft). Diese Regelungen gelten aber immer nur für Schadensfälle in genau festgelegten Risikobereichen.

Für das Beispiel der „Kaprun“-Katastrophe ist also eine Entschädigung auch ohne Ver­schulden in einem beschränkten Ausmaß nach EKHG sichergestellt (diese Entschädi­gungen wurden ja auch bereits teilweise ausbezahlt), darüber hinausgehende An­sprüche hängen von der Nachweisbarkeit eines Verschuldens ab.

Der Gesetzgeber hat im Übrigen durch das erste kürzlich beschlossene Zivilrechts­änderungsgesetz einen immateriellen Schadenersatzanspruch beim Tod naher Ange­hörige beschlossen, der gerade auch im Fall von Katastrophen zum Tragen kommen kann.

Ab dem Jahr 2001 wurde durch eine Änderung des Krankenanstaltenrechtes die Situation bei Schadensfällen in Krankenanstalten durch die Einrichtung von Entschädi­gungsfonds erstmals deutlich verbessert, die pauschale Abgeltungen bei Patienten­schäden ohne klar nachweisbares Verschulden leisten. Gerade im Krankenhaus sind Patienten aber auch Mitarbeiter und Besucher – abgesehen von Fehlbehandlungen – spezifischen Risiken und Gefahren wie vor allem dem in Spitälern grundsätzlich erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Ein mehr oder weniger harmloser Knochenbruch kann so trotz hervorragender Behandlung zu einer schweren Keiminfektion mit Dauer­schäden führen. Solche Risiken musste der Betroffene vor Schaffung dieser Fonds geradezu als schicksalhaft hinnehmen, weil die Krankenanstalt hiefür nur haftet, wenn sie Hygienemaßnahmen nachweislich unterlassen hat.

Doch nicht nur die zivilrechtliche Haftung im Sinne von Schadenersatzansprüchen ist nach Ansicht der unterfertigten Abgeordneten unbefriedigend, auch die Frage einer


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allfälligen strafrechtlichen Verantwortung ist derzeit nur zum Teil gelöst. Ist ein Ver­halten, das zu einem Schaden führt, eindeutig einer natürlichen Person zurechenbar, so kann selbstverständlich die Strafbarkeit des gesetzten Verhaltens von Staats­anwalt­schaft und Gericht überprüft werden. Anders stellt sich die Situation dar, wenn die inkriminierte Handlung nicht eindeutig zuordenbar ist, etwa in dem Fall, dass eine Herzkreislaufmaschine aufgrund grob fahrlässiger Wartungsmängel ausfällt und der Patient verstirbt. Diesfalls liegt zwar unter Umständen ein Organisationsverschulden der Krankenanstaltsleitung vor. Eine ähnliche Konstellation könnte auch im Fall der „Kaprun“-Katastophe vorliegen.

Viele andere Staaten (Großbritannien, Frankreich, Irland, Niederlande, Belgien, Däne­mark, Schweden, Kanada, Australien, USA, Japan, demnächst die Schweiz und Finnland) sehen in solchen Fällen die Verantwortlichkeit juristischer Personen vor. Auch in etlichen internationalen Beschlüssen wird eine Verantwortlichkeit juristischer Per­sonen vorgesehen, um zu verhindern, dass für ein Fehlverhalten, von dem eine juristische Person profitiert und das sie auch irgendwie begünstigt hat, nur ein ein­zelner Mitarbeiter bestraft werden kann, die „Methode“ aber ungestraft und damit weiterhin wirtschaftlich interessant bleibt. Ein derartiges System würde – unabhängig von der Strafbarkeit eines einzelnen Mitarbeiters – Geldstrafen für Unternehmen er­möglichen, die sich dem Vorwurf aussetzen, z.B. durch ihre leitenden Mitarbeiter, durch mangelhafte Organisation oder mangelhafte Kontrolle ihrer Mitarbeiter straf­rechtliches Unrecht verwirklicht zu haben und davon zu profitieren.

Im Bundesministerium für Justiz besteht bereits seit längerer Zeit eine Arbeitsgruppe, die sich mit der Neugestaltung des österreichischen Schadenersatzrechts befasst. Gerade die Erfahrungen im Umgang mit Katastrophen wird in dieser Arbeitsgruppe sicherlich auch zu einer Überprüfung der bisherigen Ergebnisse im Lichte der Be­sonderheiten von Unglücksfällen führen müssen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Herrn Bundesminister für Justiz nachstehende

Anfrage:

1. Wie beurteilen Sie die derzeit geltenden Regelungen über die straf- und zivilrecht­liche Verantwortlichkeit für gefährliche Betriebe und Anlagen?

2. Wie weit sind die Arbeiten der Arbeitsgruppe Schadenersatzrecht im Bundesminis­terium für Justiz gediehen?

3. Werden Sie darauf hinwirken, dass in dieser Arbeitsgruppe insbesondere auch die Besonderheiten des Schadenersatzrechts im Katastrophenfall berücksichtigt und die bisherigen Ergebnisse in diesem Lichte überprüft werden?

4. Wie stehen Sie zu der in letzter Zeit häufig gestellten Forderung der Verant­wortlichkeit von juristischen Personen?

5. Wie beurteilen Sie das Verhältnis gerichtliches Strafrecht zu Verwaltungsstrafrecht im Bereich der Verantwortlichkeit juristischer Personen insbesondere im Lichte des Verbots der Doppelbestrafung?

6. Welche Überlegungen gibt es dazu bisher im Bundesministerium für Justiz?

7. Wodurch soll sichergestellt werden, dass es durch eine Einführung der Strafbarkeit juristischer Personen nicht zu einer reinen Erfolgshaftung kommt?

8. Wie beurteilen Sie die rechtliche Stellung von Patienten und Pflegebedürftigen aus der Sicht Ihres Ressorts?


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9. Welche Maßnahmen haben Sie bereits in Ihrem Ressortbereich zur Stärkung von Patientenrechten getroffen bzw. welche sind in Vorbereitung?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG-NR dringlich zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich erteile Frau Abgeordneter Dr. Partik-Pablé als erster Fragestellerin zur Begründung der Dringlichen Anfrage das Wort. Ihre Redezeit darf 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


15.01

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Unsere Dringliche Anfrage steht vor dem Hintergrund der Ka­tastrophe von Kaprun, jenem großen Unglück, das vor mehr als zweieinhalb Jahren passiert ist, bei dem 155 Menschen, die zu einem fröhlichen Ski-Ausflug aufgebrochen waren, ihr Leben lassen mussten.

Die Frustration über das Verfahren, das durchgeführt worden ist, diese Frustration, die öffentlich geworden ist, die Enttäuschung der Angehörigen der Opfer, all diese Dis­kussionen und die Frage, welche Konsequenzen wir aus solchen Unglücksfällen ziehen können, haben uns zu dieser Dringlichen Anfrage veranlasst.

Wir wissen ganz genau, meine sehr geehrten Damen und Herren: Die Trauer, die Verbitterung, die seelischen Schmerzen der Angehörigen können wir in keiner Weise lindern, aber wir wollen dieses Unglück zum Anlass nehmen, darüber zu diskutieren, wie wir die Sicherheit erhöhen können, wie wir das Verantwortungsbewusstsein stär­ken können und wie wir die verhängnisvolle Haltung, es werde eh nichts passieren, ändern können, um solche Unglücksfälle und solche Katastrophen besser in den Griff zu bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Eines muss uns klar sein: Verhindern können wir solche Unglücksfälle und solche Ris­ken ganz bestimmt nicht. Egal, welche legistische Vorhaben wir umsetzen, egal, welche Kautelen wir hier einziehen, wir müssen damit rechnen, dass es auch künftig immer wieder Unglücksfälle und Katastrophen geben wird. Wir müssen uns aber auch damit abfinden oder zur Kenntnis nehmen, dass nicht jedes Unglück auch zu einer strafrechtlichen Verurteilung führt, das heißt, dass nicht immer jemand dastehen wird, der nach dem Strafrecht schuldig ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir ist ein Zitat in die Hände gefallen, das die ganze Unsicherheit unseres Lebens drastisch zum Ausdruck bringt, nämlich:

Das Unglück ist eine harte und unmissverständliche Erinnerung, dass die Dinge des Lebens nicht immer nach unserem Willen laufen. – Ich glaube, dieses Zitat, diese Wahrheit sollten wir uns immer wieder, ja täglich vor Augen halten, denn wir haben trotz all unseres Wissens, trotz aller Technik nicht alle Dinge des Lebens in der Hand. Es gibt immer wieder Elementarereignisse. Es gab Katastrophen wie beispielsweise Galtür oder die Hochwasserkatastrophe im Jahr 2002. Es gibt Verkettungen von Hand­lungen, die zu Katastrophen führen können, die nicht abschätzbar sind, die nicht vorher kalkulierbar sind.

Ich möchte damit aber nicht sagen, dass wir die Hände in den Schoß legen und nichts unternehmen sollen. Ganz im Gegenteil! Wir müssen natürlich alles tun, um solche


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Verkettungen, um solche Unfälle und Katastrophen zu vermeiden. Es muss, wie ge­sagt, alles Menschenmögliche getan werden, um solches Leid, um solche Schmerzen zu verhindern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Selbstverständlich muss nach solchen Katastrophen auch nach den strafrechtlich Verantwortlichen gesucht werden. Selbstverständlich muss jemand, der nach dem Strafgesetz verantwortlich war, vor Gericht gestellt werden. Ich kann auch nachemp­finden, dass viele Angehörige nach dem Strafverfahren enttäuscht waren, dass es die Angehörigen der Opfer als unbefriedigend empfunden haben, dass nach dem Straf­recht niemand zur Verantwortung gezogen werden konnte, das heißt, dass am Tod so vieler im Falle von Kaprun niemand persönlich Schuld getragen hat.

Ich sehe, wie gesagt, die Kritik, die an der Justiz geäußert worden ist, auf der einen Seite durchaus ein – es sind ja sogar Zweifel am Rechtsstaat geäußert worden, weil es zu keiner Verurteilung gekommen ist, aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, erstens ist noch nicht aller Tage Abend, denn die Instanzenzüge sind ja noch nicht ausgeschöpft worden, und zweitens zeichnet sich der Rechtsstaat ja dadurch aus, dass unabhängige Richter in freier Beweiswürdigung darüber entscheiden, ob Schuld oder Nichtschuld vorliegt. Und das müssen wir zur Kenntnis nehmen!

Ich glaube, es wäre geradezu ein Nicht-Rechtsstaat, wenn Gefälligkeitsurteile nach der persönlichen Befindlichkeit von Richtern oder auch nach ideologischen Gesichts­punkten gefällt würden. Ich bin überzeugt davon, dass die Richter, die hier in Öster­reich urteilen, nur nach objektiven Gesichtspunkten urteilen und sich ihrer Verant­wortung voll bewusst sind. Das möchte ich schon auch einmal festhalten und jenen, die von diesem Urteil enttäuscht sind, sagen. Von Opportunitätsurteilen, von Gefällig­keits­urteilen haben wir nichts, damit würde vielmehr der Rechtsstaat ins Wanken geraten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Korrektiv finden wir im Instanzenweg, im Rechtsmittelverfahren, denn dort können irrige Ansichten revidiert werden, aber nicht durch die Öffentlichkeit, nicht durch die Medien und auch nicht durch die Geschädigten oder sonst jemanden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Internationale Katastrophen zeigen, dass auch in anderen Staaten in manchen Fällen niemand persönlich haftbar gemacht wer­den konnte. 1987 hat es beispielsweise ein Unglück mit einer Kanalfähre zwischen England und Dänemark gegeben. Auch da ist es zu einem Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung gekommen, es sind aber alle Mitarbeiter freigesprochen worden. Obwohl 193 Menschen den Tod gefunden haben, hat es keinen Schuldspruch im Sinne des Strafrechtes gegeben. Das Verfahren nach dem furchtbaren Zugsunglück bei Eschede, bei dem es Hunderte Tote gegeben hat, wurde ebenfalls eingestellt. Ich möchte das nur in Erinnerung rufen, weil immer wieder die Frage auftaucht, ob da der Richter nicht vielleicht ein falsches Urteil gesprochen hat.

Da es also immer wieder Diskussionen gibt und gegeben hat und die Situation, dass niemand zur Verantwortung gezogen worden ist, unbefriedigend ist, entstanden Bestrebungen, eine Unternehmenshaftung ins Leben zu rufen, sodass auch juristische Personen nach dem Strafrecht verantwortlich sein können. Das ist innerhalb der Europäischen Union bereits sehr weit gediehen. In Österreich gibt es das noch nicht, aber es gibt diesbezüglich Vorarbeiten des Justizministeriums.

Natürlich stellt sich die Frage, was man damit erreichen kann: Man kann in jenen Fällen, in denen es keine persönliche Schuldzuweisung gibt, wo niemand da ist, der persönlich für ein Unglück verantwortlich gemacht werden kann, das Unternehmen heranziehen, das dann auch für ein nicht nachweisbares Verschulden der Mitarbeiter haftet, beispielsweise für Organisationsfehler oder auch, wenn Fehler passieren, die


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niemandem zugeordnet werden können. Damit wird auch die Möglichkeit, Schaden­er­satz­ansprüche zu stellen, wesentlich erweitert.

Diesen Weg möchte der Justizminister gehen. Es gibt Vorarbeiten dazu. Bisher war aber die Wirtschaft dagegen, dass es eine solche Unternehmenshaftung gibt. Ich glau­be jedoch, dass wir alles daransetzen müssen, um auch in Österreich dem inter­nationalen Standard ebenso wie der Befindlichkeit der Opfer von Verbrechen Rech­nung zu tragen und eine solche Haftung in unserem Lande einzuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht nur Katastrophen oder große Unglücks­fälle sind es, die die Frage des schuldhaften Handelns und die Haftung von juristischen Personen hervorrufen, sondern es gibt auch im täglichen Leben solche Fälle. Bei­spielsweise Vorkommnisse in Krankenanstalten oder der Pflegeskandal in Lainz haben ja auch deutlich aufgezeigt, dass es Fälle gibt, bei denen man individuell keine Schuld zuweisen kann, es aber Organisationsverschulden gibt.

Man kommt zum Beispiel mit einer Blinddarmentzündung ins Spital, zieht sich dort eine Infektion zu. Dafür kann meistens keine persönliche Schuldzuweisung gemacht wer­den. Dazu gibt es ja auch eine Judikatur des Obersten Gerichtshofes: In einem solchen Fall zahlt niemand. Das Krankenhaus ist völlig außer Obligo, obwohl natürlich die Ur­sache der Infektion in dem Spitalsaufenthalt oder in den Hygienebestimmungen liegt.

Ich möchte auch einige von jenen Beispielen aufzählen, die im Krankenhausbereich passiert sind, wo trotz gravierender Fehler strafrechtlich niemand zur Verantwortung gezogen werden konnte und damit auch die Einforderung des Schadenersatzes unendlich erschwert worden ist:

Im Jänner 1997 ist etwa ein 64-Jähriger in ein Wiener Spital eingeliefert worden. Ihm wurden statt der kranken rechten Niere die linke Niere und die Milz entfernt. Das Ge­richtsverfahren hat dazu geführt, dass das Verfahren gegen die Urologin eingestellt worden ist, aber nicht, weil das Gericht schlampig war, sondern weil eine individuelle Schuldzuweisung nicht möglich war.

Oder: Am 13. Oktober 1995 wurde im Wiener AKH einem 63-Jährigen irrtümlich der Hoden entfernt. Die Anästhesistin ist wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer be­dingten Geldstrafe verurteilt worden, weil sie die Identität des Patienten nicht nach­geprüft hat, der Chirurg aber geht frei. Das ist völlig unbefriedigend!

Oder: Ebenfalls im Wiener AKH ist eine Frau an Kindbettfieber gestorben. Das Ver­fahren ist eingestellt worden, obwohl festgestellt wurde, dass nicht die nötige medizini­sche Sorgfalt gepflogen worden ist. Es konnte keine individuelle Schuldzuweisung er­folgen.

Das heißt also, im völlig normalen täglichen Leben haben wir es ebenfalls mit diesem Problem zu tun. Deshalb ist es auch notwendig, dass die Haftung der juristischen Per­sonen dringend eingeführt wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Geriatrie haben wir ja gerade in der letzten Zeit über diese furchtbaren Verhältnisse in Lainz gehört, wo Patienten verhun­gert sind, wund gelegen sind, weil kein Personal da war. Das ist ein Organi­sations­verschulden. In solchen Fällen ist das Krankenhaus – in diesem Fall die Pflegeanstalt Lainz – frei. Schadenersatzansprüche können zwar auf dem Zivilrechtsweg geltend gemacht werden, aber es gibt ungeheure Schwierigkeiten, dort wirklich Ansprüche durchzusetzen. Anders ist es, wenn es eine strafrechtliche Verurteilung gibt.


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Gäbe es in Österreich bereits die Strafbarkeit von Unternehmen, die Strafbarkeit von juristischen Personen, dann hätte auch im Falle von Lainz das Krankenhaus zur Ver­antwortung gezogen werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade der Justizminister hat während seiner Amtszeit in Kenntnis dieses unbefriedigenden Zustandes schon etliches getan, um die Situation zu verbessern. Es hat beispielsweise eine Novelle zum Kranken­an­staltengesetz gegeben, in Folge derer sich in den Bundesländern Fonds gebildet ha­ben, aus denen Entschädigungszahlungen an solche Opfer geleistet werden, die sonst keine Möglichkeit haben, Schadenersatz zu verlangen oder zu erreichen.

Auch das Heimaufenthaltsgesetz und das Heimvertragsgesetz haben wesentlich dazu beigetragen, die Situation jener zu verbessern, die sich in die Obhut einer Anstalt begeben müssen. Ich glaube, wir sollten schon zur Kenntnis nehmen, dass das dem Justizminister ein sehr großes Anliegen ist. Wir sollten ihn auf diesem Weg bestärken. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber auf der anderen Seite ist es, so glaube ich, auch notwendig und zweckmäßig, dass wir hier im Parlament einmal darüber diskutieren, ob es nicht sinnvoll wäre, die schon jetzt bestehenden Regeln der Gefährdungshaftung zu standardisieren. Zurzeit ist es so, dass bei den einzelnen Schäden bestimmte Beträge oder bestimmte Haf­tungsmaßstäbe angesetzt werden. Wenn beispielsweise durch eine Gasexplosion außerhalb eines Gebäudes Sachschäden entstehen, dann haftet nach dem Reichs­haftpflichtgesetz der Inhaber der Anlage bis zu einer Gesamthöhe von 750 000 S. Verletzte Personen haben Anspruch auf eine Jahresrente von 150 000 S. Demge­genüber ist die Haftung des Kraftfahrzeughalters eine andere, demgegenüber ist auch die Haftung nach dem Atomhaftpflichtgesetz eine andere.

Ich meine, es wäre dringend notwendig, dass wir uns all diese Regeln zusam­men­suchen und einmal schauen, wie wir hier einheitliche Regeln schaffen können. Es ist ja wirklich nicht einzusehen, dass jemand, der Opfer eines Eisenbahnunglückes wird, eine andere Entschädigung bekommt als jemand, der Opfer eines Flugzeugunglückes oder einer Gasexplosion wird.

Die Entwicklung ist völlig klar: Das liegt in der Geschichte, wo eben nach und nach mit der technischen Entwicklung auch Notwendigkeiten entstanden sind, entsprechend Vorsorge zu treffen. Die Gefahrenquellen sind ja auch erst nach und nach bekannt geworden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe schon davon gesprochen, dass der Justizminister da eine große Sensibilität entwickelt hat. Das Problembewusstsein ist also vorhanden. Wir wollen mit dieser Dringlichen Anfrage Ihnen, Herr Minister, auch noch einen Anstoß dafür geben, gleichzeitig mit einer Bitte verbunden, dass Sie sich diese Anliegen, die ich Ihnen heute vorgetragen habe, noch eindringlicher bewusst machen und dass Sie hier im Parlament mit Ihren Mitarbeitern durch Regierungs­vor­lagen aktiv werden oder wie auch immer, damit wir zu einer befriedigenderen Lösung kommen. Dann werden wir auch den Opfern, auch jenen von künftigen Unglücken und Katastrophen, eher in die Augen schauen und ihren Vorwürfen besser begegnen kön­nen.

Ich bitte auch Sie von der Opposition darum, dass Sie bei diesem sicher sehr großen Gesetzeswerk, das wir da vorhaben, mithelfen. Ich glaube, es dient wirklich dazu, in Zukunft große Katastrophenschäden besser abzuwickeln, als es bisher geschehen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


15.18


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51. Sitzung / Seite 113

Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich Herr Bundesminister für Justiz Dr. Böhmdorfer zu Wort gemeldet. Herr Bundesminister, Ihre Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. Ich schalte Ihnen das Lämpchen ein. – Bitte.

 


15.18

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Diese Anfrage hat tatsächlich ei­nen wunden Punkt in der österreichischen Rechtslandschaft getroffen. Ich bin dankbar dafür, dass Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé dies, wie unter Juristen auch üblich, mit konkreten Beispielen untermauert hat, gerade um die Dramatik zu verdeutlichen.

Ich werde diese Anfrage beantworten und nehme an, dass dann in der Debatte noch das eine oder andere Thema auftreten wird. Tatsache ist, dass das Justizministerium versucht, die gesamte Problematik zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Zum Teil sind bereits Maßnahmen getroffen worden.

Zur Frage 1:

„Wie beurteilen Sie die derzeit geltenden Regelungen über die straf- und zivilrechtliche Verantwortlichkeit für gefährliche Betriebe und Anlagen?“

Darauf kann ich nur im Sinne der Begründung der Anfrage sagen: sicherlich unzu­reichend! Es gibt eine allgemeine Gefährdungshaftung für gefährliche Betriebe im zivilrechtlichen Bereich, doch sind viele Detailfragen offen. Ich nenne einen Vergleich: Ein Moped, das nur mit 40 km/h fahren darf, gilt als Kraftfahrzeug, deshalb als „gefähr­licher Betrieb“ – unter Anführungszeichen – und unterliegt dem Eisenbahn- und Kraft­fahrzeughaftpflichtgesetz. Wenn aber ein Mountainbiker mit 70 oder 80 km/h den Berg hinunterradelt, gelten ähnliche Vorschriften für ihn nicht – ebenso wenig für Snow­boarder oder für Schifahrer.

Dieses kleine Beispiel an sich zeigt schon, dass die gesetzliche Regelung mit der mittlerweile stattgefundenen gesellschaftlichen Entwicklung nicht mehr in Einklang zu bringen ist.

Wir haben bereits im Jahr 2000 eine Arbeitsgruppe im Justizministerium unter Leitung von Herrn Professor Dr. Koziol ins Leben gerufen, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das gesamte Schadenersatzrecht zu überarbeiten.

Im Strafrecht gibt es – wie dargelegt – noch keine Haftung juristischer Personen. Wir streben diese an; wir könnten in wenigen Wochen oder Monaten damit legistisch fertig sein und in den parlamentarischen Prozess eintreten.

Insgesamt gibt es also sowohl im zivilrechtlichen als auch im strafrechtlichen Bereich unbedingt Regelungsbedarf. Das Gesetz wurde zu einer Zeit geschrieben, als man Häuser noch als gefährliche Betriebe einstufte und eine Erfolgshaftung für den Fall regelte, dass von einem Dach ein Ziegel herunterfällt. Später hat man dann das Eisen­bahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz eingeführt. Aber für mittlerweile wesentlich gefährlichere Betriebe, wie zum Beispiel für Spitäler, gibt es keine Sonderregeln. Was den Betrieb in Spitälern anbelangt, so gilt dort noch immer die Verschuldenshaftung. Man wird als Kläger nur durchdringen können, wenn man dem Arzt mangelnde Aufklä­rung nachweist – die unbefriedigende Antwort sind die Reverse, die unterschrieben werden müssen – oder wenn ein Verschulden des Arztes aus anderen Gründen vorliegt, wenn er zum Beispiel eine Operation nicht lege artis durchgeführt hat. – Das ist das eine, das ist sicherlich unbefriedigend.

Es gibt zum überwiegenden Teil keinen Ersatz für immaterielle Schäden. Durch den Druck der EU bekommen Sie jetzt, wenn Ihnen im Urlaub etwas widerfährt, was Sie


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nicht vereinbart und erwartet haben, wie zum Beispiel ein verschmutzter Strand, einen immateriellen Schaden ersetzt. Man bekommt aber, wenn beispielsweise ein Verwandter bei einem Verkehrsunfall oder bei einer anderen Katastrophe stirbt, keinen immateriellen Schaden ersetzt. Schmerzengeld bekommt man nur dann, wenn man auf Grund des Leides körperlich oder geistig erkrankt und das – wie das bei der Katastrophe von Kaprun der Fall war – auch mittels ärztlichem Attest nachweisen kann.

Zur Frage 2:

„Wie weit sind die Arbeiten der Arbeitsgruppe Schadenersatzrecht im Bundesministe­rium für Justiz gediehen?“

Der allgemeine Teil wird derzeit erarbeitet. Die nächste Sitzung dieser Arbeitsgruppe findet am 12. März 2004 statt. Bis Jahresende soll ein Entwurf vorliegen. Richter und Rechtsanwälte sind noch nicht in die Diskussion eingebunden. Sicher ist aber, dass die Gefährdungshaftung ausgedehnt werden soll.

Zur Frage 3:

Wir haben in der 3. Frage wahrscheinlich eines der grundsätzlichsten Probleme. Sie lautet:

„Werden Sie darauf hinwirken, dass in dieser Arbeitsgruppe insbesondere auch die Be­sonderheiten des Schadenersatzrechts im Katastrophenfall berücksichtigt und die bisherigen Ergebnisse in diesem Lichte überprüft werden?“

Wir müssen sagen, dass das Schadenersatzrecht in diesem Punkt – und das kam auch schon in der Begründung der Anfrage zum Ausdruck – schlechthin versagt, be­zie­hungsweise nicht ausreicht. Im Fall Kaprun ist das Phänomen festzustellen, dass es diejenigen Firmen, die daran beteiligt waren, offenkundig nicht verstanden haben, im Rahmen eines entsprechenden Katastrophenmanagements eine menschliche Brücke zu den Hinterbliebenen der Getöteten zu finden. Es war einfach nicht möglich, einen menschlichen Ausgleich herbeizuführen. Auch bei den internationalen Medien kommt Österreich nicht ideal weg.

Wenn zum Beispiel in Amerika, wo das diesbezügliche Bewusstsein schon weiter fort­geschritten ist, ein Flugzeugunglück eintritt, so sind binnen Stunden die Vertreter des Unternehmens am Unglücksort, teilen den betroffenen Hinterbliebenen persönlich das Unglück mit und betreuen sie in der Folge monatelang, sodass es nicht zu diesen unbewältigten Gefühlen, die bis hin zu Hassausbrüchen gereicht haben, kommt, wie dies leider im Fall Kaprun festzustellen war. Da sind vielfach auch Rechtsanwälte be­teiligt und verantwortlich, weil diese aufgerufen sind, nicht nur die rechtliche Seite zu sehen, sondern auch die menschliche Seite in die Vertretung ihrer Klienten einzube­ziehen.

Ich habe deshalb mit der Europäischen Anwaltsvereinigung vereinbart, dass wir im September dieses Jahres ein Symposium veranstalten. Es wird in Wien stattfinden. – Ich danke dem Herrn Präsidenten des Nationalrates dafür, dass er die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, um dieses Symposium durchzuführen. Es wird darum gehen, dass man Krisenmanagement und Rechtsberatung in Katastrophenfällen bespricht, damit bei ähnlichen Ereignissen ein besseres Verhalten der betroffenen Unternehmungen stattfindet.

Die jetzige Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die Unternehmen auf den rein rechtlichen Standpunkt zurückziehen. Zusätzlich kommt es zu Erklärungen, die die Hinterbliebenen der Getöteten wirklich betroffen machen müssen. Rechtlich richtig wird behauptet, die Verunglückten bekommen kein Schmerzengeld, weil der Todeskampf


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nur kurz war, da sie sofort betäubt waren. Das trifft natürlich die Hinterbliebenen äußerst schwer. Das ist zwar rechtlich verständlich, aber menschlich nicht akzeptabel. Dieses Symposium soll uns allen bei der Gesetzesnovellierung helfen, entsprechende Regelungen zu finden, die Österreich nicht ohne jeden Grund in der Welt schlecht aussehen lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zur Frage 4:

„Wie stehen Sie zu der in letzter Zeit häufig gestellten Forderung der Verantwortlichkeit von juristischen Personen?“

Ich stehe dazu natürlich positiv. Wir haben da Nachholbedarf, abgesehen von der inter­nationalen Umsetzungspflicht auch im Rahmen der EU. Wichtig ist als Information: Es kann in der Folge, wenn diese Regelung eingeführt wird, dazu kommen, dass sowohl das Unternehmen als auch ein oder mehrere Mitarbeiter einzeln oder gemeinsam verurteilt werden.

Es kommt auch nicht darauf an, ob der eine oder andere begründen kann, dass diese Regelung im Fall Kaprun zum Beispiel schon gegriffen hätte. Es kommt darauf an, dass die Unternehmungen in Zukunft wissen, dass sie verurteilt werden können. Schon aus diesem Grunde werden sie im Sinne einer generalpräventiven Wirkung dieser Regelung sorgfältiger arbeiten. Bei dieser Regelung bleibt aber jedenfalls das Verschuldensprinzip aufrecht. Das Unternehmen muss ein Organisationsverschulden, ein Überwachungsverschulden, ein Kontrollverschulden oder ein ähnliches Verschul­den treffen. Ohne dass ein solches Verschulden festgestellt wird, wird ein Unterneh­men nicht verurteilt werden können. Das steht schon jetzt fest.

Die Gespräche mit der Wirtschaft sind weit gediehen. Ich verstehe die Position der Wirtschaft. Ich verstehe, dass sie nicht eine ungeahnte, von ihr nicht kontrollierbare Haftungserweiterung erleben möchte, aber wir müssen nunmehr eine Regelung in diese Richtung treffen.

Zur Frage 5:

„Wie beurteilen Sie das Verhältnis gerichtliches Strafrecht zu Verwaltungsstrafrecht im Bereich der Verantwortlichkeit juristischer Personen insbesondere im Lichte des Ver­bots der Doppelbestrafung?“

Es wird keine Doppelbestrafung geben. Die Verantwortlichkeit juristischer Personen wird sich nur im Bereich der gerichtlichen Strafbarkeit abspielen. Wichtig ist hier zu wissen, dass auch eine bestimmte Sanktion gegen diese Unternehmungen möglich sein wird. Das betrifft schon die Frage 6.

Zur Frage 6:

„Welche Überlegungen gibt es dazu bisher im Bundesministerium für Justiz?“

Was die Sanktionen anbelangt, wird es Geldbußen geben. Die Geldbußen gegen Un­ternehmen werden natürlich höher sein können als die Geldbußen gegen Einzel­personen, schon wegen der Einkommensverhältnisse. Es wird aber auch Weisungen ge­ben können, zum Beispiel die Weisung zur Schadensgutmachung – eine sehr sinn­volle Überlegung und Regelung. Es wird auch die Weisung geben können, technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen zu setzen.

Zur Frage 7:

„Wodurch soll sichergestellt werden, dass es durch eine Einführung der Strafbarkeit juristischer Personen nicht zu einer reinen Erfolgshaftung kommt?“


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Durch das Prinzip der Verschuldenshaftung wird dies sichergestellt. Davon wird nicht abgewichen werden. Eine Erfolgshaftung wird im zivilrechtlichen Bereich und nur dort kommen.

Zur Frage 8:

„Wie beurteilen Sie die rechtliche Stellung von Patienten und Pflegebedürftigen aus der Sicht Ihres Ressorts?“

So kritisch wie Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé und viele andere auch beurteile ich sie. Die Rechte derselben sind zu wenig abgesichert.

Wir haben einiges durch die Verbandsklagen nach dem Konsumentenschutzgesetz erreicht, als ich noch Konsumentenschutzminister war, und auch durch die legistischen Maßnahmen im Heimvertragsgesetz und im Heimaufenthaltsgesetz. – Das waren wesentliche Verbesserungen.

Es wurde sicherlich auch einiges durch die Patientenanwaltschaften erreicht. Ich per­sönlich möchte mich hier festlegen: Mir gefallen bei aller Anerkennung der erreichten Leistungen die Patientenanwaltschaften nicht, weil sich hier der Staat unter gleich­zeitiger Schaffung eines weiteren kostspieligen Behördenapparates selbst kontrolliert, und das nicht sehr effektiv. Ich hielte es für richtiger, bestimmte Normen zu setzen, die dann eben vor Gericht durch entsprechende Prozesse überprüft werden sollen.

Verurteilungen gegen ein Unternehmen, ein Spital oder ein Pflegeheim bewirken, dass sich die anderen danach richten. Im Konsumentenschutzbereich haben wir gesehen, dass das sehr wirkungsvoll ist. Die Selbstkontrolle durch den Staat hat nicht zum Erfolg geführt. Eine Nachkontrolle der Patientenanwaltschaften dürfte auch ergeben, dass die von diesen herausverhandelten Schadenersatzbeträge bei weitem unter jenem liegen, was die Patienten im normalen gerichtlichen Verfahren bekommen hätten oder bekä­men. Das ist auch ein Grund, der Veranlassung geben sollte, darüber nachzudenken.

Zur Frage 9:

„Welche Maßnahmen haben Sie bereits in Ihrem Ressortbereich zur Stärkung von Pa­tientenrechten getroffen beziehungsweise welche sind in Vorbereitung?“

Ich verweise auf das bisher Gesagte, insbesondere auf das Heimvertragsgesetz, auf die Arbeitsgruppe zum Schadenersatzrecht und auch auf die Bereitschaft, mit allen relevanten Gruppen zusammenzuarbeiten, um in diesem Bereich sehr schnell und sehr effektiv eine Verbesserung herbeiführen zu können. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.32

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich danke dem Herrn Bundesminister für die Beant­wor­tung der Fragen.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Broukal zu Wort gemeldet. Er erhält das Wort aber erst nach der Eröffnung der Debatte, also nach der nächsten Wortmeldung.

Die Debatte wird von Frau Mag. Dr. Fekter eröffnet. Frei gewählte Redezeit: 9 Minuten. Danach folgt die tatsächliche Berichtigung. – Bitte.

 


15.32

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! In Zusammenhang mit diesem tragischen


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Ereignis in Kaprun, dem Prozess – dem Strafprozess wohlgemerkt –, gab es auch eine intensive Debatte bezüglich der Verantwortlichkeit von Unternehmen.

Dabei hat man in den Medien meistens nicht so genau unterschieden, ob es um die zivilrechtliche Haftung, den Schadenersatz oder die Strafbarkeit geht. Ich möchte da­her diese drei Bereiche getrennt durchleuchten. Wir haben in Österreich nämlich ein sehr dichtes zivilrechtliches Haftungsrecht, eine Verantwortlichkeit für Unternehmen, und eine Reform ist anstehend. Der Herr Minister hat dankenswerterweise eine sehr hochkarätige Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit Lücken oder einem Novellie­rungsbedarf befasst.

Wir haben auch ein sehr intensives Verwaltungsrecht für Unternehmen, das in den unterschiedlichsten Bereichen hohe Strafen vorsieht. Bei uns wird überhaupt unter­nehmerisches Handeln im Verwaltungsrecht abgewickelt. Was wir für Unternehmen nicht haben, ist ein Strafrecht im klassischen Sinne. Strafrecht für Unternehmen gibt es nicht in unserem System. Es ist aber neuerdings in Diskussion.

Wie sieht das nun aus? – Grundlage der Diskussion über Sanktionsmöglichkeiten ge­gen juristische Personen sind diverse internationale Rechtsakte, insbesondere das Zweite Protokoll zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaft. Unstrittig ist, dass Österreich auf Grund dieser zwischen­staatlichen Abkommen auch Sanktionsmöglichkeiten gegen juristische Personen in gewissem Umfang vorsehen muss.

Wozu sind wir nun verpflichtet? – Dazu, bestimmte Deliktsbereiche abzudecken wie beispielsweise Betrug, Bestechung oder Geldwäsche. Wir müssen juristische Perso­nen – also Unternehmen – dann sanktionieren, wenn ihre Führungskräfte Delikte begehen oder wenn mangelnde Überwachung und Kontrolle der Führungskräfte die Deliktsbegehung durch Mitarbeiter ermöglicht haben und die Tat zu Gunsten der juristischen Person begangen wurde. Die Sanktionen müssen sich aber nicht zwangs­läufig im Kriminalstrafrecht wieder finden. Hier macht die EU keinerlei Vorgaben.

Daher kann man zusammenfassen: Sanktionen gegen eine juristische Person sind dann notwendig und sinnvoll, wenn das Delikt zu Gunsten der juristischen Person begangen wurde. Österreich ist in der Wahl der Mittel – ob Verwaltungsrecht, Zivilrecht oder Strafrecht – frei. Die Sanktionen müssen angemessen, wirksam und ab­schreckend ausgestaltet sein und sind nur dann gefordert, wenn eine vollständige ver­antwortliche Tatverwirklichung vorliegt. – Das heißt: keine Sanktion ohne rechts­widrige schuldhafte Tat einer Führungskraft oder eines Mitarbeiters.

Wie gehen wir nun in Umsetzung dieser europäischen Vorgaben vor? – Dazu hat es mehrere wissenschaftliche Untersuchungen und auch Expertisen gegeben. Professor Lewisch und Parker haben beispielsweise untersucht, ob es hier ein Kriminalstrafrecht geben soll, und sie lehnen es dezidiert ab. Die rechtspolitische Frage der Einführung einer Strafbarkeit der juristischen Person im gerichtlichen Strafrecht ist eine inner­staatliche. Aus internationaler Vereinbarung ergibt sich keine Verpflichtung. Im Er­gebnis wird die Einführung einer Strafbarkeit der juristischen Person nicht empfohlen. Es wird auf Verfassungsbedenken hingewiesen und außerdem darauf, dass es alter­native Möglichkeiten im Zivilrecht und im Verwaltungsrecht gibt, die effizienter wären.

Es hat sich dann die Richterwoche mit dem Thema befasst. Dort hat beispielsweise Dr. Marianne Löschnig-Gspandl zum Thema strafrechtliche Haftung juristischer Personen auch kritisch angemerkt, dass das Strafrecht für juristische Personen problematisch sei, weil die Verurteilung eines Unternehmens zu einer Strafe ein dogmatisches Kunststück ist, das unsere Straftatlehre auf die Probe stellt, wenn nicht sogar auf den Kopf. Juristische Personen können gegenwärtig weder Straftaten noch


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Verwaltungsübertretungen begehen. Es finden sich aber Modelle einer Verantwort­lichkeit juristischer Personen im weiteren Sinn.

Solche Modelle hat dann Dr. Günter Heine ausgearbeitet, die 2000 in der „Öster­rei­chischen Juristen-Zeitung“ publiziert wurden. Eines dieser Modelle der Verantwor­tung knüpft an Straftaten der Organe der juristischen Person an. Ein zweites Modell knüpft an einem Organisationsverschulden, an einer Aufsichtsverantwortung – aber wie­derum der Organe – an. Das heißt wieder, dass Menschen irgendwie schuldhaft gehandelt haben müssen. Das dritte Modell sieht eine absolute Gefährdungshaftung, eine abso­lute Erfolgshaftung vor. Das heißt beispielsweise: Hochwasser passiert, es erfolgt eine Sachbeschädigung durch Hochwasser – Strafbarkeit. Das sind Dinge, die wir nicht unterstützen können.

Der Entwurf Zeder, der schon mehrmals zitiert wurde – auch im Entschließungsantrag, den die SPÖ heute Vormittag eingebracht hat – und auch in der „Österreichischen Juristen-Zeitung“ 2001 publiziert wurde, hat sich dann damit befasst, wie wir diesem dogmatischen Problem näher kommen können. Sollen wir dies eher im Zivilrecht, im Verwaltungsrecht oder im Strafrecht regeln? – Zeder hat sich für das Strafrecht entschieden und außerdem eine originäre Verantwortlichkeit der juristischen Person vorgeschlagen.

Er schlägt also das Modell der originären Verantwortlichkeit vor, das sich davon löst, die Strafbarkeit der juristischen Person von einem Schuldvorwurf gegen eine natürliche Person abhängig zu machen. Die juristische Person soll auf Grund eines sie selbst unmittelbar treffenden Vorwurfes verantwortlich sein. Dieser Erfolgshaftung, dieser von dem Handeln der Organe unabhängigen Haftung konnten wir uns nicht anschließen. – Das lehnen wir ab.

Wir sagen, eine Haftung der juristischen Person ist nur denkbar, wenn sie an einem schuldhaften, rechtswidrigen und kausalen Tatbegehen der Organe oder von Personen anknüpft oder wenn dieses Verschulden in einem Organisationsverschulden liegt.

Wie immer im Justizbereich werden solche großen Reformen wissenschaftlich auf­bereitet, im Expertenkreis diskutiert, dann in die Begutachtung versandt und schließlich hier im Hohen Haus beschlossen werden. (Abg. Dr. Jarolim: Aber nicht so schnell wie eine Dringliche!)

Aus der Hüfte schießen wir durch einzelne Medialberichterstattungen mit Sicherheit nicht. Ich bedanke mich beim Herrn Minister, dass er dieses Projekt so sorgsam vor­bereitet. Wir werden mit Sicherheit heuer im Hohen Haus noch einmal darüber diskutieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.41

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Broukal hat sich zu einer tat­sächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen die Ge­schäftsordnung: Zuerst den zu berichtigenden Sachverhalt und dann den Ihrer Mei­nung nach richtigen. – Bitte.

 


15.41

Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ): Herr Präsident, herzlichen Dank! – Frau Abge­ordnete Dr. Partik-Pablé hat in ihrer Rede behauptet, dass Pfleglinge im Wiener Pflegeheim Lainz verhungert seien. – Das ist unwahr! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aus­gehungert wurden sie!)

Ich berichtige: Weder die zuständigen Stellen der Stadt Wien noch die Volltext­daten­bank der Austria Presseagentur, die bis zum 1. Jänner 1988 zurückreicht, kennen einen Fall, nach dem im Pflegeheim Lainz oder in einem anderen Pflegeheim der Stadt


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Wien Pfleglinge verhungert wären. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Aber ein Skandal war es trotzdem!)

15.42

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Mag. Maier zu Wort. 8 Minuten Wunschredezeit. – Bitte. (Abg. Dr. Fekter: Aber fast verhungert schon! – Abg. Broukal: „Fast verhungert“ ist nicht „verhungert“! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist aber sehr zynisch!)

Am Wort ist jetzt einmal ausnahmsweise nur der Redner! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Haben Sie zugehört? „Fast verhungert ist nicht verhungert!“)

 


15.42

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was nützt die Verbesserung des Rechtsschutzes bei Unglücksfällen, wenn im Vorfeld bei Ermittlungen Fehler passieren oder Defizite in der Justizverwaltung bekannt werden?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollegin Partik-Pablé, ich würde Ihnen emp­fehlen, in den Zeitungen nachzulesen, was passiert ist. „Kaprun-Prozess – Suche nach Beweismittel“, „Kaprun-Prozess an der Kippe“, „Neue Blamage bremst Kaprun-Pro­zess: Bretter zu Hause vergessen“, „Späte Rache der Kriminaltechnik als Fressen für Anwälte“, „Neuem Kaprun-Sachverständigen werden Unterlagen vorenthalten“, „Be­denkliche Schieflage – Nachrichten über Pfusch und Schlampereien im Kaprun-Prozess sagen mehr über die Berichterstattung als über das Verfahren“, „Heer hielt Video zurück“ (Abg. Mag. Mainoni: Das sind die roten Zeitungen!), „Kaprun-Prozess gelähmt“, „Strafverfahren gegen den Chef der Kriminaltechnik“, „Kaputtsparen in der Justiz – Lähmung im Kaprun-Verfahren“. (Abg. Wittauer: Hast du zu der Sache nichts zu sagen?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind Ihnen sehr dankbar für diese Dring­liche Anfrage, weil nun die Möglichkeit besteht, hier nicht nur Rechtspolitik zu disku­tieren, sondern insbesondere auch die Versäumnisse in der Justizverwaltung, aber ins­besondere die Versäumnisse im Verfahren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie wissen aus dem Justizausschuss: Ich habe mehrfach darauf hingewiesen, dass die österreichische Justizorganisation für so genannte Massenverfahren und Großverfahren nicht geeignet ist. Ich habe im Jahre 2002 in Anlehnung an die Cobra beim Innenministerium eine eigene Organi­sationseinheit, eine „Justiz-Cobra“ eingemahnt, die dann eingreift, wenn Landes­ge­richte überfordert sind, wenn es darum geht, dass genügend Schreibkräfte vorhanden sind, dass der Kopierer funktioniert und auch die entsprechenden Räumlichkeiten vor­handen sind.

Herr Bundesminister! Frau Kollegin Fekter! Sie haben darauf nicht reagiert. (Abg. Dr. Fekter: O ja! Der Herr Minister hat schon reagiert!) Wir meinen, dass dies absolut notwendig ist. Die heute beschlossene Strafprozessreform für das Jahr 2008 ändert nichts daran.

Aber gehen wir zurück: Ich habe am 6. Juni 2000 eine parlamentarische Anfrage zur Sicherheit bei Seilbahnen eingebracht. Diese Anfrage wurde im August – einige Mo­nate vor dem Unglück in Kaprun – beantwortet. Aus dieser Anfragebeantwortung des Verkehrsministers ergibt sich Folgendes – ich zitiere:

„Die Evidenzhaltung und stichprobenweise Kontrolle erfolgt im Wege des Aufsichts­rechtes durch das Ressort, darüber hinaus werden stichprobenweise Überprüfungen von Hauptseilbahnen hinsichtlich der Einhaltung sonstiger Auflagen (Hochbau, Brand­schutz, Sanitätspolizei, Wasserschutz) je nach Erfordernis im Rahmen von kommis-


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sionellen Ortsverhandlungen vorgenommen und laufend technische Schwerpunktüber­prüfungen von Sicherheitsteilen mit anschließender Anordnung entsprechender Maß­nahmen durchgeführt.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hat sich im Zuge des Verfahrens heraus­gestellt, dass es Brandschutzüberprüfungen nie gegeben hat, weil man angenommen hat, ein derartiger Zug könne nicht brennen. Ich frage mich als Abgeordneter: Warum haben wir dann diese Anfragebeantwortung bekommen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die großen Probleme ergeben sich aller­dings im Ermittlungsverfahren. Das Vorverfahren fand unter massivem Zeitdruck statt, man wollte unbedingt Schuldige haben und die Ursache herausfinden. Eventualitäten wurden nicht geprüft, sodass es dazu kam, dass die Falschen angeklagt wurden. Es wurden Arbeitnehmer geklagt und nicht die Chefs.

Die Tatortermittlung selbst war äußerst mangelhaft. Herr Bundesminister! Ich frage Sie nochmals: Wo sind die drei Säcke Brandschutt vom talseitigen Führerstand, die spur­los verschwanden? – Hier befand sich auch der Heizstern des Heizlüfters, der für die­ses Unglück verantwortlich gemacht wird. Dieser Brandschutt hätte eine zentrale Rolle bei der Ursachenermittlung gehabt. Er wäre für die Ermittlung der Brandursache abso­lut notwendig gewesen.

Weiters gab es die Sachverständigenproblematik. Ich möchte mich hier gar nicht weiter darüber auslassen, dass Mitarbeiter der KTZ auf einmal mit elf Ordnern und Video­bändern zu einer Verhandlung kamen und erst nach mehrmaliger Urgenz durch die Untersuchungsrichterin dazu bereit waren, diese Beweismittel abzuliefern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hatten das Übertragungsproblem: Anwälte – sowohl Vertreter der Privatbeteiligten wie auch Verteidiger – mussten über drei Monate auf Protokolle warten. Es fanden Vernehmungen und Verhandlungen statt, ohne dass die Protokolle vorgelegen sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Insgesamt habe ich einfach den Eindruck, dass hier etwas nicht stimmt. Jeder Hüh­nerdieb wird mit derselben Akribie verfolgt wie ein Wirtschaftskrimineller oder jemand, dem man vorwirft, für ein derartiges Unglück verantwortlich zu sein. Die Justiz­ver­waltung war nicht in der Lage und bereit, entsprechende Teams zu bilden. – Eine Staatsanwältin stand 16 Verteidigern gegenüber!

Wenn wir heute mögliche zivilrechtliche Besserstellungen diskutieren, dann sage ich Ihnen: Es hängt immer von den Beweisergebnissen ab. Wenn fehlerhaft ermittelt wird, dann gibt es ein Problem. Da sind wir wiederum bei der Problematik der Verjährung.

Herr Bundesminister! Ich habe es heute Vormittag bei der Debatte zur StPO gesagt: Sie verdrängen geschädigte Opfer auf einen aufwändigen Zivilrechtsweg und sind nicht bereit, einer Verlängerung der Verjährungsfristen zuzustimmen. Wenn Sie heute die „Salzburger Nachrichten“ lesen, dann finden Sie den Vorschlag, dass die Verjäh­rungsfristen um das Fünffache verlängert werden. Wir sind bereit, mit Ihnen ernsthaft über ein neues Schadenersatzrecht zu verhandeln. Wir sind auch bereit, über das EKHG zu diskutieren, aber wir als Sozialdemokraten verlangen auch, dass diese ganz wesentliche Frage der Verjährung mit berücksichtigt wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kaprun werden wir niemals vergessen. Trauer und Mitgefühl gilt den Toten und deren Angehörigen. Sie haben allerdings auch das Recht, dass in Österreich die Justiz ordentlich ermittelt und eine unabhängige Justiz ein Urteil fällt. Die Ermittlungspannen sind bekannt und auch die Defizite in der Justizverwaltung. Schauen wir gemeinsam, dass wir diese abbauen! (Beifall bei der SPÖ.)

15.50

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Wittauer ans Red­nerpult. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 


15.50

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Maier, Ihr Verhalten ist für mich nicht einsehbar! Es war, glaube ich, der Wunsch des Parlaments beziehungsweise der Regierungsfraktion, dass darüber gesprochen wird, was in der jüngsten Vergangenheit im Zusammenhang mit den Vorfällen in Kaprun geschehen ist oder wie schnell wir entsprechende Maß­nahmen im Sinne der Betroffenen umsetzen werden.

Was Sie jetzt getan haben, Herr Abgeordneter Maier, war eigentlich eine Abrechnung mit der Justiz! Ich habe keine Ahnung, warum Sie das tun! Da war nichts Konstruktives dabei! Vielmehr hatte ich Sie schon fast in Verdacht, dass Sie den Minister be­schul­digen, dass er die drei Säcke mit nach Hause genommen hätte, weil Sie ihn gefragt haben: Wo sind sie denn? – Wo Menschen sind, werden Fehler gemacht. Das ist in fast jedem Bereich so, und ich glaube, man sollte die Fehler an der Stelle, wo sie ent­standen sind, beheben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Maier, Sie waren nicht dabei! – Wir haben vor kurzem das Seil­bahngesetz beschlossen, und in diesem ist die Kontrolle betreffend Brandschutz geregelt. Die alten Regelungen, die zur Zeit des Unglücks in Kaprun noch gegolten ha­ben, haben nicht wir beschlossen, sondern diese haben die Sozialdemokraten be­schlossen.

Wenn heute der Vorwurf kommt, dass nichts geschehen sei, dann muss ich betonen: Wir haben entsprechende Regelungen getroffen. Wir haben vor nicht ganz einem Jahr das Seilbahngesetz beschlossen, in welchem diese Kontrolle ganz klar geregelt ist und das dafür sorgt, dass solche Dinge heute nicht mehr passieren können, weil es ent­sprechende Standards gibt. In der damaligen Zeit verhielt es sich sicherlich anders!

Der Herr Minister hat vorhin gesagt, dass natürlich Nachholbedarf besteht und dass Österreich durch internationale Rechtsakte, EU-Übereinkommen und Rahmenbe­schlüsse geradezu verpflichtet ist, entsprechende Maßnahmen zu treffen. Und wenn der Minister sagt, dass dieses Parlament in kürzester Zeit über eine entsprechende Vorlage debattieren wird, dann würde ich mir wünschen, dass auch die Damen und Herren von der Opposition dieses Vorhaben unterstützen, Vorschläge machen und konstruktiv in die Diskussion eintreten.

Ich glaube, die Regierungsparteien strecken Ihnen diesfalls die Hand wirklich weit ent­gegen, und ich hoffe und bitte Sie, dass Sie darauf eingehen, damit wir in kurzer Zeit ein Gesetz gestalten können, dass wirklich jenen, welchen Unglück geschehen ist, Ge­rechtigkeit widerfährt. Ich glaube, das sollte allen Abgeordneten ein Anliegen sein, und wir werden uns bemühen und daran arbeiten.

Ich bedanke mich bei Herrn Bundesminister Böhmdorfer im Vorhinein für die Arbeit, die er vorher schon geleistet hat und die er zukünftig für unsere Bevölkerung noch leisten wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.54

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Mag. Mainoni – in Richtung der sich zum  Redner­pult begebenden Abg. Mag. Stoisits –: Dobar dan!)

 


15.54

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar dan! – Sogar Herr Mainoni aus dem fernen Salzburg lernt das! – Meine Damen und Herren! Alles, was man in den


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letzten drei Jahren seit diesem Martinitag im Jahr 2000 als quasi Außenstehender oder als nicht unmittelbar von der Tragödie von Kaprun Betroffener erlebt hat, hat, glaube ich, nichts damit zu tun, ob man österreichische Politikerin oder Politiker ist. Vielmehr haben die Vorgänge rund um diese Tragödie und die Betroffenheit über das, was in den folgenden drei Jahren bis zu dem Zeitpunkt, als vorvorige Woche das Urteil des Strafgerichtes gesprochen wurde, geschehen ist, ganz Österreich bewegt.

Damals herrschte vor allem völlige Fassungslosigkeit darüber, dass so etwas pas­sieren kann. – Tausende und Abertausende und wahrscheinlich auch die meisten von Ihnen sind, so wie auch ich, irgendwann einmal mit dieser Bahn durch den Tunnel aufs Kitzsteinhorn gefahren. Niemand denkt daran, wenn er so eine Bahn besteigt, dass so etwas passieren kann. Jeder von uns hat – ich rede jetzt von mir – wahrscheinlich ein viel größeres Unsicherheitsgefühl, wenn er in einer Seilbahn hoch oben in der Luft hängt und sich vorstellt, was wäre, wenn jetzt etwas geschähe. Ich hatte jene Male, als ich durch diesen Tunnel gefahren bin, nie ein subjektives Unsicherheitsgefühl. Davon ausgehend verstehe ich, dass die Betroffenheit nach dieser Tragödie so groß war. Es war unfassbar, dass das passiert ist.

Jetzt kam für jene, die Distanz dazu hatten und keine Leute, die dort verbrannt sind, beziehungsweise deren Angehörige kennen, die Berichterstattung über den Prozess und über das, was man in der Öffentlichkeit und auch von unserer Seite als Pannen im Prozess bezeichnet hat – untechnisch gesprochen, Herr Bundesminister –, denn es hatte auf die Menschen die Wirkung, dass da irgendetwas nicht ganz in Ordnung ist. Glauben Sie, Herr Bundesminister, dass, wenn Leute davon lesen, dass sich, weil es zu wenig ProtokollantInnen gibt, ein Prozess verzögert, bei irgendjemandem dadurch das Vertrauen in den Rechtsstaat gestärkt wird? Man kann ganz weit weg sein von den Angehörigen der Opfer von Kaprun und niemanden kennen: Das mutet dermaßen seltsam an, wenn es nach einer Tragödie wie dieser zu etwas wie einer öffentlichen Aufarbeitung eines Prozesses kommt. Es gab viel öffentliche Anteilnahme, und es stimmt doch bedenklich, wenn man dann lesen muss, dass es zu wenig Protokol­lantInnen gibt und dergleichen. – Ich werte jetzt nicht, ob da ein Fehler vorliegt oder nicht, sondern ich interpretiere die Wahrnehmung, die von außen kommt.

Dann kommt das Urteil, und das Urteil ist so, wie es war. Und dann gibt es eine öffent­liche Diskussion darüber, die ich nicht bewerten möchte. Es ist nicht meine Aufgabe und nicht Ihre und nicht die Aufgabe eines Abgeordneten oder einer Abgeordneten, hier darüber zu urteilen, ob es ein Fehlurteil oder Nichturteil war. Die unabhängige Jus­tiz hat ein erstinstanzliches Urteil gesprochen. Jetzt gibt es den Instanzenzug, es han­delt sich um ein nicht abgeschlossenes Verfahren. Das ist aber der einzige – unter Anführungszeichen – „Trost“, den man Angehörigen in den letzten Tagen beziehungs­weise zwei Wochen geben konnte, wenn man als Politikerin darauf angesprochen wur­de, indem man sagte: Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.

Jetzt komme ich sozusagen zur „Begleitmusik“ des Ganzen und zu Ihrer Reaktion im Zusammenhang mit diesem Urteil, wie es sich jetzt mit der Strafbarkeit juristischer Personen verhält. – Ich unterstelle Ihnen gar nichts, auch kein Fehlverhalten. Ich sage nur, dass es natürlich auffallend war, dass diese Frage genau jetzt – wie intensiv durch Sie, will ich jetzt nicht beurteilen – in der Öffentlichkeit präsentiert wurde, wie auch diese Dringliche Anfrage heute zeigt.

Herr Minister! Ich meine nämlich, dass Maßnahmen nicht nur zu ergreifen sind, wenn es Druck von Seiten der Zeitungen und der Öffentlichkeit gibt. Vielmehr gibt es auch so etwas wie die Verantwortlichkeit eines Ressorts und eines Ministers für das, was poli­tisch zu geschehen hat, ohne dass die „Krone“, die „Salzburger Nachrichten“, der „Ku­rier“ oder der „Standard“ dahinter sein müssen. Ich meine: Sie und die Politik insge­samt haben dahinter zu sein!


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Im Zusammenhang mit der Strafbarkeit juristischer Personen – und ich wiederhole jetzt nichts, was Jacky Maier auch schon gesagt hat – gibt es, wenn ich nicht irre, eine Richtlinie der Europäischen Union vom 12. Juni 2002, in welcher – wie es so schön heißt – wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen für die Verursachung von Tragödien und für Fehlverhalten von Österreich gefordert werden. Es ist aber die Wahrnehmung der Öffentlichkeit, dass die Angehörigen der Opfer von Kaprun als so­zusagen spezifischste Gruppe seit 2002 leider noch nie etwas davon gehört haben, dass etwas Diesbezügliches geschehen wäre.

Ich wage es jedenfalls nicht zu beurteilen, Herr Minister, ob es, hätten wir die Straf­barkeit juristischer Personen in Österreich schon, einem Angehörigen und einer An­gehörigen irgendetwas bringen würde, weil wir ja nicht wissen, wie dieses Gesetz aus­gestaltet werden wird oder sein könnte.

Ich kann nur immer darauf Bezug nehmen, was ich gelesen habe: Die Industriellen­vereinigung – offensichtlich ein nicht unmaßgeblicher Player in den Verhandlungen zu diesem Gesetz – hat ganz klar und eindeutig festgestellt: Keinesfalls wird der Meinung gefolgt, dass dies jedenfalls in der Schaffung einer strafrechtlichen Verantwortung von juristischen Personen münden muss. – Gemeint ist die Umsetzung dieses Zweiten Pro­tokolls zum EU-Übereinkommen über den Schutz finanzieller Interessen der Euro­päischen Gemeinschaften. Das ist ein sehr klares Wort!

Bis jetzt ist das sozusagen nicht in der Öffentlichkeit kursiert, aber jetzt ist der Tag da, an dem man sich dazu zu bekennen hat, wie es ausschauen soll, und zwar ganz un­abhängig davon, ob irgendjemand von den Angehörigen auch nur einen Funken Ge­nugtuung – wie ich es jetzt nennen möchte – von diesem Strafrecht hat oder nicht. Das ist ein ganz klares Wort der Industriellenvereinigung, und damit und mit dieser haben wir uns jetzt auseinander zu setzen.

Herr Bundesminister! Ich kann Ihnen in dem Wissen, das ich über diesen Prozess habe, nur alles Gute wünschen. So wie ich es nämlich einschätze, hatten Sie es schon in der Vergangenheit und haben Sie es jetzt in diesem Zusammenhang offensichtlich nicht sehr leicht. Ich bin schon sehr gespannt, was sich von den Versprechungen, die heute hier gemacht wurden – auch im Rahmen der Inszenierung dieser Dringlichen Anfrage – bewahrheiten wird. Herr Bundesminister! Sie sind derjenige, auf den wir uns stützen, denn das ist Ihr Ressortbereich!

Das betrifft aber nicht nur den Herrn Bundesminister für Justiz! Wenn es um die Um­setzung von EU-Normen geht, ist die gesamte Bundesregierung betroffen. Da steht nicht Dieter Böhmdorfer allein am Pranger. Angesprochen ist vielmehr die österreichi­sche Bundesregierung, und die Gewichts- und Machtverteilung in der österreichischen Bundesregierung ist eben so, wie sie ist. Und wenn die Regierungsbank voll besetzt ist, dann sitzen hinter Ihnen eine ganze Menge ÖVPler, Leute wie Minister Bartenstein, der hier ganz offensichtlich auch Interessen hat; welche, habe ich bis jetzt noch nicht gehört.

Mich würde sehr interessieren, wie die Haltung der ÖVP auf dieser Seite der Regie­rungsbank wäre, denn dann könnte dieser vermeintlich so harmonische Nachmittag, an dem alle da stehen und sagen: Jetzt wird endlich ein Gesetz beschlossen, denn das sind wir den Angehörigen der Opfer von Kaprun schuldig!, vielleicht einen kleinen Knacks bekommen. Die Harmonie dieses Nachmittags könnte unter Umständen ge­trübt werden, würden sich jene, die bisher blockiert haben und keine eindeutige Stel­lungnahme in diese Richtung wie Sie, Herr Bundesminister, abgegeben haben, hier jetzt auch zu Wort melden und Tachles reden.

Die juristisch hoch interessante Vorlesung der Vorsitzenden des Justizausschusses möchte ich damit nicht irgendwie klein reden, aber eine politische Aussage in die


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Richtung, was tatsächlich geschehen wird, habe ich bei dieser Gelegenheit wahrlich vermisst! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.04

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Kolle­ge. (Abg. Parnigoni: Die Wirtschaftskammer positioniert sich schon! – Abg. Dr. Gu­senbauer: Jetzt kommen die Interessen! Jetzt kommt es ganz dick!)

 


16.04

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Anlassgesetzgebung, aber auch eine Anlassdiskussion überhaupt ist immer etwas Problematisches.

Das konnten wir meines Erachtens auch anhand der Wortmeldung von Kollegen Maier feststellen: Er hat hier nämlich Dinge vorgebracht, die meines Erachtens Sache des Justizvollzuges sind, an sich aber nicht Gegenstand der heutigen Debatte, die sich eigentlich um rechtspolitische Konsequenzen beziehungsweise überhaupt darum der­hen sollte, wie wir Schadenersatzrecht, aber auch Haftungsfragen entsprechend ver­bessern. Das ist deswegen so problematisch, weil gerade die Enttäuschung bezie­hungsweise die Frustration betreffend das erstinstanzliche Urteil in Sachen Kaprun einfach eine ganz besonders sorgfältige Wortwahl notwendig macht.

Ich möchte sagen: Ich persönlich habe es als sehr positiv empfunden, wie der Herr Minister heute, aber auch in „Offen gesagt“ an die Sache herangegangen ist: Er hat nichts dazu getan, das Thema künstlich mit Schuldzuweisungen aufzuschaukeln, son­dern er hat genau das getan, worum es geht, nämlich sachbezogene Elemente einge­bracht. Und ich sage, meine Damen und Herren, auch bei allem Respekt vor der Indus­triellenvereinigung: Die gesetzliche Interessenvertretung der Wirtschaft sind wir als Wirtschaftskammer. Nicht, dass wir uns dort nicht abstimmen, aber wir haben jetzt eben eine entsprechende Umsetzung in Vorbereitung, die uns, zeitlich gesehen, durch­aus hoffen lässt, dass das Thema in nächster Zeit abgeschlossen werden kann.

Es ist heute schon mehrmals angesprochen worden, dass hier Dinge auch vermischt werden: Die haftungsrechtliche Problematik wird manchmal mit der strafrechtlichen Problematik gleichgesetzt. Sie werden das bemerkt haben, wenn Sie die deutschen Zeitungen gelesen haben. In diesen ist praktisch fast wörtlich gestanden, welche Be­gründung wir dafür haben, dass wir eine Gefährdungshaftung haben, nämlich dass die objektive Gefährlichkeit einer an sich erlaubten Tätigkeit genau das nach sich zieht, dass eben, wenn etwas passiert, nicht auf das Verschulden abgestellt wird, sondern auf das Eintreten der Gefahr. – Das haben die deutschen Zeitungen geschrieben, das ist aber eigentlich bei uns nichts anderes als die haftungsrechtliche Frage, die wir im Rahmen der Gefährdungshaftung entsprechend geregelt haben.

Jetzt kann man darüber diskutieren, was auch der Herr Minister angesprochen hat, ob man nicht jeden Lebensfall gleichsetzen sollte, ob es diesbezüglich nicht Standards geben sollte, dass eigentlich der Mensch in jeder Form – was immer passiert – gleich viel wert ist. – Das ist, glaube ich, ein durchaus begründeter Ansatz, den man ent­sprechend wahrnehmen kann.

Zweitens sollten wir uns auch überlegen, ob es nicht im Unternehmensbereich – das gilt für uns selbst – entsprechende Maßnahmen geben sollte, wenn Katastrophen ein­treten, und zwar Maßnahmen für einen besseren Umgang mit den entsprechenden Gegebenheiten in Richtung der Opfer, in Richtung aber auch der Hinterbliebenen.


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Wenn hier ein Symposion zu diesem Thema veranstaltet wird, dann ist das ausge­spro­chen zu begrüßen und wird auch weitere Konsequenzen im eigenen Bereich zur Folge haben, weil man eben aus bestimmten Vorfällen lernen kann und lernen muss.

Der wichtigste Punkt ist heute hier schon klargestellt worden: Wir reden immer davon, dass es hier nicht um eine Unternehmenshaftung gehen kann nach dem Motto einer absoluten Gefährdungshaftung, sondern immer abgeleitet nach dem Verschuldens­prinzip. Und wenn wir vom Verschuldensprinzip ausgehen, dass nämlich hier ein indi­viduelles Versagen, ein Überwachungs- beziehungsweise ein Organisations­ver­schul­den, vorliegen muss und das im konkreten Fall Kaprun nicht festgestellt werden konn­te, dann ist natürlich auch klar, dass sich haftungsrechtlich keine weiteren Konse­quen­zen ergeben können! Das werden wir auch jetzt im konkreten Fall sehen, denn hier ist von der Gefährdungshaftung her das EKHG – also das Eisenbahn- und Kfz-Haftpflicht­gesetz – maßgeblich. Nur dann, wenn jetzt ein Verschulden feststellbar ist, geht es über die bestimmten Summen hinaus.

Dass dabei natürlich die entsprechende Wortwahl wichtig ist, haben wir schon mehr­mals angesprochen, und es ist vielleicht nicht im entsprechenden Umfang so ge­schehen, wie es hätte sein können. Genau dort sind wir aber jetzt bei dem Problem, das hier angesprochen wurde, dass sich die Wirtschaft dagegen aussprechen würde, dass hier verschuldensunabhängig vorgegangen wird.

Sie wissen ganz genau: Organisationen beziehungsweise juristische Personen han­deln immer durch Menschen. Wenn man aber kein Verschulden eines Menschen fest­stellen kann, dann kann man nicht auf einen irgendeinen unbestimmten Begriff aus­wei­chen und sagen: Ich konnte zwar nicht feststellen, dass das oder jenes unterlassen wurde, aber es gibt eine Organisation, die eben das und das nicht gemacht oder falsch gemacht hat, daher sage ich ganz allgemein: Das Unternehmen soll dafür bestraft werden oder haften. – Das entspricht nicht unserem Rechtsstaatsprinzip, vor allem dem Verschuldensprinzip, und daher lehnen wir eine derartige Vorgangsweise ab!

Wir lehnen diese Vorgangsweise vor allem deswegen ab, denn was wäre denn die Konsequenz? – In der Folge käme es zu amerikanischen Verhältnissen, dass überall dort, wo eine Gefahr oder Gefährdung eintritt und tatsächlich etwas passiert, zu allererst einmal die Haftung zum Tragen kommt, das Versicherungsrisiko kaum mehr bewältigbar ist und die unternehmerische Leistung damit eigentlich unkalkulierbar und nicht mehr bewältigbar wird.

Deswegen sind wir als Wirtschaft daran interessiert beziehungsweise eigentlich dazu verpflichtet, so vorzugehen, wie in der Europäischen Union vorgegangen wird – heute wurde mehrmals Deutschland angesprochen, wo eben genau so vorgegangen wird –, dass nämlich das individuelle Verschulden die Maßgabe für alle weiteren Konse­quenzen und Strafen ist.

Das Zweite, das in der schon angesprochenen Rahmenrichtlinie beziehungsweise im jenem Zweiten Protokoll auf europäischer Ebene vorgegeben ist, ist, dass die Tat zum Nutzen des Verbandes begangen sein muss und dass Pflichten entsprechend verletzt worden sein müssen.

Wenn man all das mit dem Überwachungsverschulden, mit dem Organisations­verschulden koppelt, dann hat man natürlich einen wesentlich geringeren Handlungs­spielraum, als es ursprünglich ausgeschaut hat.

Daher wollen wir natürlich ein abgesetztes Verfahren haben. Es soll das eine mit dem anderen nicht vermengt werden, denn sonst hat man nach jedem Ermittlungs­tat­be­stand bei Verdacht gegen das Unternehmen möglicherweise die gleiche Situation:


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dass die Hälfte der Unternehmer, der Manager vor Gericht steht. Das würde für das Image des Standortes eine ganz negative Wirkung haben, und das wollen wir nicht.

Des Weiteren geht es auch um die Sanktionen. Es wäre ein Irrtum, wenn da die Sank­tionen, die Strafen im kriminalistischen Sinne das Entscheidende wären. Entscheidend wird der Vorteil sein, den das Unternehmen gezogen hat, wenn es sich nicht vor­schriftsmäßig verhält, und zwar im Unterschied zu anderen Unternehmen. Daher sollten unserer Meinung nach auch die Sanktionen in diese Richtung gehen, nämlich, dass man sagt: Was da an Unterschied entsteht, das soll auch als Strafe abgegolten werden.

Nächster Punkt in diesem Zusammenhang: Man muss auch auf die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Unternehmens achten. Wenn man das nicht tut, dann wird man de facto mit solchen Maßnahmen, wenn sie zu schnell und zu intensiv kommen, eine Konkurswelle auslösen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Na geh, bitte, übertreiben Sie doch nicht!), und auch das wollen wir nicht.

Natürlich soll es folgende Möglichkeit geben: Wenn Unternehmen wirklich nur deshalb aufgebaut werden, um de facto Straftatbestände zu verwirklichen, Scheingeschäfte abzuwickeln, wie es beispielsweise im Baubereich bei diversen GesmbHs geschieht, dann sollte in krassen Fällen durchaus die Sanktionsmöglichkeit bestehen, dass das Unternehmen sogar aufgelöst wird.

Das, was ich hier heute aufgezählt habe, ist nur eine auszugsweise Darstellung un­serer Punktuation, die wir erst im Februar dem Herrn Justizminister zugesandt haben, und zwar noch vor dem Urteil in Kaprun. Daraus können Sie ersehen, dass wir alles tun wollen, um mit diesem Unternehmensstrafrecht – nennen wir es einmal so! – bezie­hungsweise überhaupt mit der Verantwortlichkeit der Verbände sicherzustellen, dass eine Regelung herauskommt, die einerseits den Interessen der Bürger, aber anderer­seits auch den Möglichkeiten der Unternehmen im fairen Wettbewerb in Europa ent­spricht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

16.13

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


16.13

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich darf nur ganz kurz anmerken: Die Dringlichkeit – die Emotionalität bringt es, glaube ich, ja zum Ausdruck – verstehe ich insofern nicht ganz, Herr Minister, als wir das, was Sie hier zu verstehen geben wollen, nämlich, dass Sie ein Unternehmensstrafrecht umsetzen wollen, eigentlich seit Juni 2002 hätten erledigt haben sollen. Daher erscheint es mir irgendwie eigenartig, wenn Sie hier versuchen, einen Aktivismus vorzutäuschen, wo es eigentlich darum geht, Versäumnisse zu ka­schieren. (Abg. Scheibner: Es hätte mich gewundert, wenn Sie einmal eine sachliche Rede hätten halten können!)

Aber unabhängig davon wissen Sie uns sicherlich auf Ihrer Seite, wenn es darum geht, ein Unternehmensstrafrecht umzusetzen. Wir haben das 1997 „Strafbarkeit der juris­tischen Person“ genannt. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob jetzt wirklich seitens der Regierungsvertreter alle vom Gleichen sprechen, denn das, was Sie, Herr Bundes­minister, hier eingangs als notwendig dargestellt haben, insbesondere auch Kollegin Partik-Pablé, scheint mir mit dem, was Kollegin Fekter und soeben auch Herr Kollege Mitterlehner hier gesagt haben, nicht ganz deckungsgleich zu sein.

Kollegin Fekter sagt: In Wirklichkeit wurde die Richtlinie beziehungsweise das Zweite Protokoll dadurch umgesetzt, dass es auch möglich ist, Strafbarkeit im Verwaltungs-


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strafrecht mehr oder weniger zu normieren. Wenn dem so wäre, dann würde das eigentlich nicht anders zu verstehen sein, als dass eigentlich bereits alles getan ist.

Ich habe das eigentlich anders verstanden als das, was Sie, Herr Minister, eingangs gesagt haben, und ersuche Sie daher, diesen Schleier dahin gehend zu heben, dass klar wird, was da nun wirklich stimmt, was da die Regierung für Ambitionen hat, was sie da in der nächsten Zeit zu tun gedenkt.

Wir werden jedenfalls mitmachen, weil wir das auch gefordert haben und es wirklich notwendig ist. Dabei muss man, Herr Kollege Mitterlehner, schon auch die Frage stellen, welches Organisationsverschulden einer juristischen Person beziehungsweise dem Vorstand zuzurechnen ist. Das kann man nämlich von zweierlei Seiten sehen. Insofern verstehe ich es schon, wenn Sie sagen, man müsse da sehr sorgsam umgehen. Nur kann es letztlich nicht so sein, dass ein Vorstand fahrlässig eine Orga­nisationsform beschließt, die eigentlich dann nicht abdeckt, dass wichtige Dinge der Verantwortlichkeit einer einzelnen Person zugeordnet sind. Man kann natürlich darüber reden, ob es sinnvoll ist, dagegen mit einem Unternehmensstrafrecht vorzugehen, oder ob es andere Möglichkeiten auch gibt.

Es gibt in Amerika die „punitive damages“, die ungefähr in diese Richtung gehen, wo die besondere Vorwerfbarkeit „Verwerflichkeit“ zu Schadenersatzansprüchen führt, die eigentlich durch den tatsächlichen Vermögensschaden oder den ideellen Schaden nicht gedeckt sind, wo dann mehr bezahlt wird, und dort wird es dann nicht an den Staat bezahlt, wie beim Unternehmensstrafrecht, sondern an die Betroffenen.

Das ist ein Ansatz, den man sicherlich diskutieren kann, aber ich glaube, egal wie es auch immer ist, für die betroffenen Organträger ist es jedenfalls erheblich, denn wenn dann tatsächlich eine Strafe verhängt wird, die unabhängig vom Einkommen der Vorstände, sondern vom Umsatz der Gesellschaft bemessen wird, dann wird es doch so sein, dass in der nächsten Hauptversammlung die Vorstände vor den Aktionären Rede und Antwort stehen müssen, weshalb das Unternehmen um diese Strafen ge­schmälert worden ist. Das sind doch letztlich Erträge, die nicht zur Ausschüttung gelangen. Ich kann mir schon vorstellen, dass das erheblichen Einfluss auf die Sorg­faltspflicht der Vorstandsmitglieder hat. Daher glaube ich, dass es da auf jeden Fall eine Weiterentwicklung geben wird.

Zur Frage, wie redlich die Diskussion ist, darf ich sagen: Das Umwelthaftungsrecht war lange Zeit ein Diskussionsthema in der seinerzeitigen alten großen Koalition. Ich kann mich noch daran erinnern, wie die Vertreter der ÖVP mit allen Einwänden, die nur irgend möglich waren, ein wirklich effizientes Umwelthaftungsrecht torpediert haben.

Damals ging es um die Frage: Wie kann ich einen Schaden für die Umwelt, der beispielsweise von einer Chemiefabrik ausgeht, lösen? Wir haben vorgeschlagen, dafür eine Beweislastumkehr zu verankern, indem man sagt: Wenn im Umfeld eines Betriebes plötzlich eine signifikante Zahl an Erkrankungen zum Beispiel bei Kindern auftritt, dann sollte das Unternehmen von sich aus den Beweis antreten, dass die Plausibilität, dass diese Schäden durch das Unternehmen verursacht werden, nicht stimmt. Das hat die ÖVP damals abgelehnt, sie hat gesagt, das funktioniere nicht.

Das wäre aber eine wirkliche Weiterentwicklung im Haftungsrecht gewesen, die in jene Richtung geht, die Herr Minister Böhmdorfer nun als die große Idee dieser Regierung vorstellt.

Ich wünsche Ihnen alles Gute, Herr Minister Böhmdorfer, bei der Umsetzung dieser Dinge, ich vermag allerdings – schon vor allem auf Grund der heutigen Diskussion nicht – keinen einheitlichen Weg erkennen, wie das wirklich funktionieren soll. Ich würde Sie daher ersuchen, mit ein paar Worten klarzustellen, ob Sie da tatsächlich das


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Gleiche meinen oder ob diese heutige Dringliche Anfrage eigentlich nur dazu dienen soll, etwas anderes zu erreichen, nämlich ein bisschen Nebel um sich zu werfen, wie das hier heute der Fall war, um am Schluss nicht mehr klar erkennen zu lassen, was Sie eigentlich mit dem, was Sie hier angeführt haben, wollten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.19

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rosenkranz. Freiwillige Redezeitbeschränkung: gleichfalls 5 Minuten. – Bitte.

 


16.19

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Wenn ein Mensch bei einer Erkrankung nicht Heilung findet, sondern zu schwerem Schaden oder gar zu Tode kommt, so ist das immer tragisch. Aber es ist für die Verwandten schlechthin unerträglich, wenn der Verdacht auftaucht und sich ver­dichtet und nicht widerlegt wird, dass es so nicht hätte sein müssen, dass es Versäum­nisse und Fehler gab, auf die man hingewiesen hat, die man aber nicht verhindern konnte, und wenn dann noch versucht wird – natürlich aus der subjektiven Sicht, keine Frage, aber die Verwandten haben da wirklich das Recht auf eine subjektive Sicht­weise –, diese Dinge nicht wirklich aufzuklären.

Es ist ungeheuer wichtig, dass dieser Eindruck nicht entsteht, dass solche Erlebnisse niemanden zugemutet werden und dass, wenn es schon solch tragische Vorkomm­nisse gibt – und wo Menschen sind, passieren Fehler –, diese Dinge dann aber auch insofern bereinigt und gemildert werden, als man sie klar macht und die Tatsachen so darstellt, wie sie sind.

Ich habe einen Fall zu Gehör bekommen – Sie werden ihn vielleicht auch in den Zei­tungen gelesen haben –, bei welchem eine Wiener Familie, deren Vater im Kranken­haus Lainz im Zuge einer Magenoperation zu Tode gekommen ist, überzeugt davon ist, dass es nicht so weit hätte kommen müssen. Diese Familie kann auch nachweisen, dass sie im Zuge der 16 Tage von der Operation bis zum Tode immer wieder versucht hat, zu zeigen, dass die Behandlung ungenügend ist, dass sich der Zustand ver­schlechtert. Die Familie behauptet – und sie steht dazu auch mit ihrem Namen, was auch in den Medien so dargestellt ist –, dass sie immer wieder beruhigt worden ist, es sei schon alles in Ordnung und man verstehe die Sorge nicht. – Dieser Fall gibt mir sehr zu denken, nämlich, dass so etwas so ausgeht.

Mittlerweile ist ein Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft eingebracht worden. Diese Familie ist verzweifelt – verzweifelt über die Art und Weise, wie man sie behandelt, verzweifelt aber auch über die Unmöglichkeit, das, was sie subjektiv – natürlich, das weiß ich schon – für Gerechtigkeit halten, zu erlangen.

Ich bin daher dem Herrn Justizminister sehr dankbar – er hat die Problematik dieser Fälle erkannt –, dass mit der Einführung des Instituts der Verbandsklage eine erste Möglichkeit geschaffen worden ist, davon abzusehen, dass unbedingt ein individueller Schuldiger gefunden werden muss. Ich bin absolut der Überzeugung, dass genau dieses Prinzip, dass nämlich eine individuelle Schuldzuweisung erfolgen muss, die Aufklärung der Wahrheit noch viel schwieriger macht. Das wird nicht mehr notwendig sein, wenn wir in dieser Richtung weitergehen.

Ich danke dem Herrn Justizminister, der im Zuge des Beschlusses des Heimvertrags­gesetzes und des Heimaufenthaltsgesetzes gezeigt hat, dass er von der Problematik der Patienten und der Bewohner von Heimen viel versteht, auch dafür, dass er die Problematik dieser Leute ernst nimmt und verbessern will. Ich teile absolut seine Meinung, dass das Institut der Patientenanwaltschaft von seiner Konstruktion her


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Schwächen und Mängel aufweist, denn in der Regel sind jene Institutionen, die die Patientenanwälte bestellen, auch jene Institutionen, die Krankenhausträger sind. Da besteht also ein eindeutiger Interessenkonflikt, wenn es darum geht, scharf und ohne Ansehen weiterer Folgen ausschließlich auf die Wahrheit gerichtet zu untersuchen.

Ich meine, dass solche Fälle wie der Fall der Familie Böhm, die an dieser Sache leidet und die wirklich einen unwürdigen Spießrutenlauf machen musste, um Gewissheit darüber zu erhalten, ob sie tatsächlich Opfer eines Schicksals, das unvermeidbar war, geworden ist oder ob es Mängel und Fehler gegeben hat – kann man das, bitte, auch einmal zugeben! –, auszuschließen sind. Ich erwarte – und ich bin sicher, dass es geschehen wird –, dass man gerade im Bereich der Schadensfälle im Gesundheits­wesen eine bessere Lösung findet, als dies zurzeit möglich ist. (Beifall bei den Frei­heitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.23

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. Redezeit: 5 Minuten. – Ich erteile Ihnen das Wort, Frau Kollegin.

 


16.23

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Sie haben schon Recht: ein wunder Punkt in der Rechtslandschaft, Herr Minister, und das wirklich seit Jahrzehnten! Ich kann ja geradezu nahtlos an die Ausführungen meiner Vorrednerin anschließen.

Die Frage der verschuldensunabhängigen Haftpflichtversicherung gerade im Medizin­bereich hat eine lange Geschichte und ist bis heute unzulänglich geregelt. Die Zahl der Kunstfehler ist statistisch jährlich ausgewiesen, und das Leid von Patientinnen und Patienten, die völlig zu Unrecht Schaden erlitten haben, ist kaum auszugleichen mit finanziellen Vergütungen. Ich muss noch einmal feststellen: Das ist kaum auszuglei­chen mit finanziellen Vergütungen!

Dass allerdings erst „Kaprun“ passieren musste – ich kann den Umfang dieses Un­glücks beziehungsweise dieser Katastrophe gar nicht in Worte fassen, und daher möchte ich auch nicht detailliert darüber sprechen, denn das ist für mich ein Bereich, den man in verbaler Form nicht ausdrücken kann –, um gewisse juridische Vorgänge verstärkt zu beschleunigen – Sie haben gesagt, dass bereits Vorarbeiten geleistet worden sind –, ist für mich ein warnendes Zeichen.

Ich bin dankbar, wenn Herr Ministerialrat Koziol bereits eine Arbeitsgruppe installiert hat. Ich glaube sogar, dass es diese Arbeitsgruppe schon länger gibt. Ich habe nur be­merkt, dass in diesem Ressort zu wenig Nachdruck, zu wenig Bedeutung, zu wenig Ansporn innerhalb der politisch Entscheidenden bis jetzt hinter dieser Frage des immateriellen Schadenersatzes war. Jetzt hören wir, dass im Herbst ein Vorschlag auf den Tisch kommen beziehungsweise dann in Begutachtung gehen soll. Ich begrüße das sehr.

Nur, wie gesagt, es hätte auch ohne „Kaprun“ möglich sein müssen, und es hätte eine offensive Justizpolitik bereits in diese Richtung gehen müssen, und zwar schon von Ihren Vorgängern aus, da entlasse ich niemanden aus der Verantwortung.

Jetzt anlässlich des Prozessergebnisses öffentlich damit noch in Erscheinung zu tre­ten, hat für mich eine große Ambivalenz. Dass wir dann womöglich aus dem Leid von Angehörigen öffentlich noch Kapital schlagen, das möchte ich von mir weisen, und ich habe deswegen persönlich in keiner Weise da irgendwelche medialen oder presse­mäßigen Äußerungen getan, weil ich zu viel Respekt vor den Angehörigen der Opfer empfinde.


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Allerdings ist die Frage der Unternehmenshaftung, der Haftung von juristischen Personen durch diesen Anlassfall wieder in den Brennpunkt des politischen und auch des juridischen Diskurses geraten. Da sehe ich es schon als wesentlich an, dass man jenseits dieser Diskussion auch aus den Prozessereignissen gewisse Schlussfolge­rungen zieht und dass es da Konsequenzen gibt. Es ist nicht nur eine Frage des im­materiellen Schadenersatzes, es ist nicht nur eine Frage der Haftung auch juristischer Personen, sondern es ist vor allem auch eine Frage der Rechtskultur, nämlich der Frage, wie man konkret Verfahren abwickelt.

Es geht darum, ob, um die Arbeitsfähigkeit der Justiz, die Arbeitsfähigkeit der Rich­terinnen und Richter vor Ort zu gewährleisten, die notwendigen Ressourcen zur Ver­fügung gestellt sind. Ich möchte nicht wiederholen, was es alles an peinlichen Pannen im Zusammenhang mit dem Kaprun-Prozess in Salzburg gegeben hat.

Bitte, es ist wirklich ein Armutszeugnis für die österreichische Rechtskultur, wenn die materiellen Voraussetzungen oft fehlen, wenn es zu Gutachterversagen kommt und wenn dann Angehörige – das ist keine Frage der Justiz, das gebe ich zu, das ist eine Frage der Unternehmenskultur – in keiner Weise signalisiert bekommen, etwa von der Seilbahngesellschaft, von der Bergbahngesellschaft, von dem Unternehmen, das diese Seilbahn betreibt, dass so etwas wie Empathie besteht, wenn das Unternehmen den Angehörigen in keiner Weise irgendwelche psychologischen Beratungsinstitutionen zur Seite stellt, wenn das Unternehmen einfach mehr oder weniger den Betroffenen die kalte Schulter zeigt, wie ich es in der „Süddeutschen Zeitung“ lesen musste.

Das war, glaube ich, auch der Ausgangspunkt für die Empörung der Angehörigen und für die Empörung der Betroffenen: dass man mit ihnen persönlich von Seiten des Unternehmens und teilweise auch von Seiten des Ablaufs des Justizverhandlungs­kompendiums sehr unsensibel umgegangen ist. Das ist unabhängig von jeglicher juri­discher oder legistischer Schadenersatzregelung, das ist eine Frage der Kultur eines Landes.

Da hole ich jetzt schon sehr weit aus: Es hängt natürlich auch immer wieder mit Justizfragen zusammen, aber es ist auch eine Frage der zwischenmenschlichen Kultur, wie man mit Betroffenen, mit Angehörigen von Opfern bei solchen Katastrophen umgeht.

Ich hoffe, dass sich das in Zukunft ändert – nicht nur auf Grund und auf Basis dieser juridischen Nachholprozesse, die Sie jetzt in Gang setzen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.29

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte, Herr Minister.

 


16.29

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich bei Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, ausdrücklich bedanken für diese über weite Passagen doch sehr niveauvolle und von der gemeinsamen Sorge getragene Debatte, in der es darum geht, dass niemand in Österreich durch gefährliche Betriebe zu Unrecht und ohne, dass er das geringste Verschulden dafür hat, zu Schaden kommt und dann ohne Entschädigung weiterleben muss.

Es geht um ein ganz klares Ziel: Es geht um den Schutz für Katastrophenopfer, um den Schutz für Unglücksopfer, um den Schutz für Verbrechensopfer und um den Schutz vor gefährlichen Betrieben.


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Weil hier die Spitäler als einer von vielen gefährlichen Betrieben genannt wurden, muss ich sagen: Es ist richtig, aber es muss auch das Augenmaß gewahrt werden. Es darf nicht zu Unrecht auf die Ärzte losgegangen werden. Es muss dabei bleiben, dass sich ein Arzt nach wie vor getrauen muss, seinen schwierigen Beruf auszuüben.

Wir müssen hier eine ganz klare Regelung dafür treffen, dass dieser Schutz dort einsetzt, wo die Gefährlichkeit des Betriebes von niemandem beherrscht werden kann, zum Beispiel bei den Spitalskeimen, die von keinem Arzt, keinem Pfleger, keiner Schwester, keinem Verwalter und so weiter beeinflusst werden können, und wo der Patient völlig zu Unrecht zu Schaden kommt. Dort muss der Schutz eintreten. Eine Jagd auf Ärzte oder Pfleger dürfen wir nicht veranstalten. Das möchte ich, obwohl es auch zwischen uns klar ist, ausdrücklich gesagt haben.

Zweitens: Zu den Ausführungen des Abgeordneten Mitterlehner, der nicht mehr hier ist. Es ist schon richtig, dass man bei Geldsanktionen gegen Unternehmungen mög­licherweise auch bedenken muss, ob die Unternehmungen das überleben. Aber ich muss eines sagen: Wenn eine so genannte natürliche Person, also ein Mensch, vor einem Richter steht, spielt die Frage: Überlebt er das finanziell, muss er in Konkurs gehen und so weiter? keine primäre Rolle. Wir müssen schon dieselben Spielregeln bei Unternehmungen einhalten dürfen, wie wir sie bei anderen Personen einhalten müssen, wenn Sanktionen ausgesprochen werden müssen. Das muss klar sein. Es kann nicht der Schutz eines Unternehmens weiter gehen als der Schutz eines Men­schen. (Allgemeiner Beifall.)

Drittens: Der Wirtschaftsstandort Österreich hängt auch vom Vertrauen in die Ver­lässlichkeit der österreichischen Betriebe ab – das ist ganz wichtig –, auch vom Vertrauen in die Haftung und den Schadenersatz, die besteht beziehungsweise den wir leisten, wenn etwas passiert. Das darf nicht übersehen werden. Deshalb ist es uner­lässlich, dass eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der juristischen Personen und eine Erfolgshaftung für gefährliche Betriebe kommt. Es ist wichtig im Interesse der Men­schen, die in unserem Lande leben.

Ohne pathetisch werden zu wollen, halte ich fest: Schutzobjekt für alle zivilrechtlichen und strafrechtlichen Handlungen ist vor allem der Mensch und nicht der Profit der Unternehmen. Wenn wir diesen Konsens haben, dann werden wir sicherlich gemein­sam sehr schnell ordentliche Regelungen finden. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

16.32

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Wurm. 4 Minuten Wunschredezeit. – Frau Kollegin, ich erteile Ihnen das Wort.

 


16.33

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Galtür, Berg Isel, Kaprun – nach derartigen Unglücksfällen überfällt einen ein schreckliches Gefühl der Ohnmacht, der Hilflosigkeit und auch der Verzweiflung. Dann, wenn der erste Schock vorbei ist, beginnt man nach Schuldigen zu suchen und nach dem Warum zu fragen. Galtür – das hat bedeutet 38 Todesopfer. Gerade vor einigen Tagen hat sich dieses schreckliche Unglück, das sich in Tirol ereignet hat, zum fünften Mal gejährt.

Ich möchte kurz aus der „Tiroler Tageszeitung“ zitieren, weil dieser Artikel treffend beschreibt, wie es uns damals gegangen ist. Durch das ganze Land ist eine Art Soli­darisierungsschub gegangen. Die „Tiroler Tageszeitung“ vom 23. Feber 2004 schreibt Folgendes:

„Tirol wurde sensibilisiert, herausgerissen aus einer vielleicht klischeehaften Vorstel­lung von einer scheinbaren Unverwundbarkeit, die untrennbar mit dem Tourismus und


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seinem Erschließungszwang zusammenhängt. Plötzlich mussten wir uns auseinander setzen mit Naturgewalten, die auch am Beginn des hoch technisierten dritten Jahr­tausends nur begrenzt beherrschbar sind. Galtür hat die Öffentlichkeit traumatisiert, und die emotionale Frage nach dem ,Warum mit der berechtigten nach der juristischen Schuld gleichgesetzt. Deshalb machte nicht nur die unvorstellbare Wucht der Lawine die Katastrophe zum öffentlichen Schicksal. Damit umzugehen fällt schwer.“

Man hat versucht, Schuldige zu finden. Die Lawinenkommission war damals im Blick­punkt der Öffentlichkeit.

Im gleichen Jahr ein weiteres Unglück, das Unglück am Berg Isel. Tausende junge Menschen schauten einem Snowboard-Event zu, und dann passierte das Unfassbare. Fünf junge Menschen kamen um, wurden zertrampelt im Berg Isel-Stadion. Fünf weitere junge Menschen liegen nach wie vor auf der Intensivstation der Innsbrucker Klinik. Auch da ist das Strafverfahren nach wie vor nicht abgeschlossen.

Vor einigen Tagen, nämlich am 20. Februar, erfolgte der Freispruch der Beschuldigten in Kaprun. 155 Todesopfer waren damals zu beklagen. Auch hier wieder die mensch­liche Seite. „Auf der menschlichen Seite“, so schreibt Gerd Glantschnig in der „Tiroler Tageszeitung“, „hingegen geht es um Schmerz, um Trauerarbeit und um Bewältigung des Verlustes eines geliebten Menschen. Und in diese aufgerührte Gefühlswelt stößt der kalte Richterspruch, dass kein Schuldiger gefunden werden konnte. Und rasch ist auch der Schluss gezogen, dass nach diesem Urteil niemand für die Katastrophe in Kaprun verantwortlich sei. Doch das ist falsch. Der Salzburger Strafrichter konnte lediglich keinem der 16 Angeklagten ein strafrechtlich relevantes Verschulden nach­weisen. Denn nicht bei jedem Unfall muss es automatisch einen Schuldigen geben. Aber der Richter hat mit dem Satz ,Nur Menschen, aber nicht Firmen können schuldig sein’ auch deutlich gemacht, wo möglicherweise die Verantwortung für die Katastrophe von Kaprun zu suchen ist.“

Herr Bundesminister, Sie haben heute eindrucksvoll dargestellt, dass Sie willens sind, hier zu handeln, hier ein Gesetz, das auch die Strafbarkeit von juristischen Personen vorsieht, vorzulegen. Es wurde hier schon einige Male gesagt, es gibt die ausge­streckte Hand, die wir der Opposition entgegenstrecken. (Abg. Scheibner: Gibt es im­mer!) Ich kann für meine Fraktion nur eines sagen: Wir werden sie dankbar anneh­men. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

16.37

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Puswald. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


16.37

Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor wir auf die menschliche Tragik und allfällige juristische Problematiken eingehen, möchte ich auf eine ganz besondere Dimension dieser Kaprun-Tragödie hinweisen, nämlich auf eine Entgleisung an Ge­schmacklosigkeit, wie sie nur dem Kärntner Landeshauptmann zuzutrauen ist und wie er sie auch prompt verwirklicht hat. (Abg. Scheibner: Er kann es nicht lassen!)

Es ist eine Geschmacklosigkeit, eine solche Tragödie zum Anlass zu nehmen, billige Wahlkampfwerbung dadurch zu betreiben, dass er sich anmaßt, in die unabhängige Justiz einzugreifen und, ohne das Gerichtsverfahren im Detail zu kennen, ohne auch nur das Urteil in der Begründung, im Ansatz zu kennen, zu sagen, dieses Urteil sei unwürdig. Unwürdig ist es, wenn ein Landeshauptmann sich anmaßt, die unabhängige Justiz in einer derartigen Art und Weise zu disqualifizieren. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Scheibner.)


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Viel unwürdiger aber ist es, wenn die Geschmacklosigkeit so weit geht, wieder einmal Robin Hood zu spielen und Almosen aus einem Notstandstopf zu verteilen, der ohnedies von der Kärntner FPÖ ausgeräumt wurde, und das zu einem Zeitpunkt, zu dem die Opfer schon drei Jahre lang der Hilfe bedurft hätten. Wäre es dem Landes­hauptmann ernst gewesen, dann hätte er vor drei Jahren geholfen und nicht jetzt, fünf Minuten vor der Wahl. Das ist der Gipfel an Geschmacklosigkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Völlig verkehrt! Setzen Sie sich nieder! Bis jetzt war es eine hoch stehende Debatte, bis Sie ans Rednerpult gekommen sind!)

Jetzt aber zurück zur Causa Kaprun selbst. Es wurde schon von meinen Vorrednern, vor allem von Kollegen Maier, darauf hingewiesen, dass in diesem Fall die Justiz­verwaltung massiv versagt hat und eine Serie von Pannen und Versäumnissen „schuld“ – unter Anführungszeichen – daran war, dass die Opfer jetzt noch im Regen stehen. Ich stelle klar, die Justizverwaltung, nicht die Justiz, also der Verantwortungs­bereich des Herrn Justizministers und der ihm untergeordneten Behörden ist schuld daran, nicht aber der Richter, der hervorragende Arbeit geleistet hat, der Unmensch­liches, ja Übermenschliches geleistet hat, wie ihm selbst vom Anwalt der Geschädigten Witti, der aus der Entfernung eines deutschen Anwalts die österreichische Justiz in höchstem Maße in der Person des Richters Seiss gelobt hat, bescheinigt wurde. Das muss auch einmal klar gestellt werden.

Klar gestellt muss aber auch werden, dass die Versäumnisse von der Justizverwaltung zu vertreten sind: verschlampte Beweismittel, keine Zur-Verfügung-Stellung von aus­reichendem Personal.

Man muss sich vorstellen, dass nicht einmal genug Schreibkräfte da waren, um einen solchen Prozess zügig fortzuführen! Und dass in einem Gericht keine Verhand­lungssäle vorhanden sind, sodass man ins Kolpinghaus ausweichen musste, ist eigent­lich auch eine Pikanterie sondergleichen!

Aber viel schlimmer ist es, dass man hier und heute versucht, uns angesichts der Dis­kussion über die StPO-Novelle vorzugaukeln, es würde sich etwas bessern. Damit man hier keinem Irrtum aufsitzt, darf ich etwas zitieren, was ich gerade in meinem Fach ge­funden habe, nämlich einen Brief der Vereinigung der österreichischen Richter, Bun­dessektion Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft öffentlicher Dienst. In diesem Brief heißt es:

„Der Bundesminister für Justiz errechnete jedoch in Anlehnung an eine von ihm in Auftrag gegebene Studie einen Wegfall von 73 Richterposten und einen Nettomehr­bedarf von 56 Staatsanwälten.“

Herr Bundesminister, die Richter und Staatsanwälte lassen sich nicht auseinander dividieren, wie Sie das offenbar versuchen, sondern führen in ihrem Schreiben an uns Mandatare weiters aus:

„Wir halten diese Studie in ihren Grundaussagen, aber auch in wesentlichen Details für mangelhaft und unrichtig.“

Weiters schreiben die Richter und Staatsanwälte betreffend Folgen einer personellen Minderausstattung – ich zitiere –:

„Das Gesetz ... ist in der Praxis nicht umsetzbar, weil die Staatsanwaltschaften ihre Leitungs- und Kontrollfunktionen gegenüber der Polizei kaum wahrnehmen können, ...“ (Abg. Scheibner: Falsche Debatte!)

Und weiters drohe „eine totale Dominanz der Polizei im strafprozessualen Vorver­fahren“.


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Weiters heißt es in diesem Schreiben, „die Gerichte werden weder in der Lage sein, einen entsprechenden Rechtschutz zu gewähren, noch in den Fällen von besonderem öffentlichen Interesse effizient ermitteln können“.

„Wer den Inhalt des Gesetzes mitträgt“ – heißt es hier weiter –, „hat auch die unein­geschränkte Verantwortung dafür, dass das Gesetz in der Praxis umsetzbar ist. Bisher ist das Gegenteil von Umsetzbarkeit garantiert.“ – Zitatende.

Herr Bundesminister, die Richter und Staatsanwälte richten so über Sie! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Zum Thema nichts eingefallen! Ist ja kein Wunder!)

16.41

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


16.42

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist das schon eine aben­teuerliche Anfrage an den Justizminister, die man noch dazu dringlich macht und als Anlassfall die Tragödie von Kaprun nimmt.

Ich darf in Erinnerung rufen, dass das Unglück von Kaprun bereits vier Jahre her ist, dass seitdem ausschließlich Schwarz-Blau an der Regierung ist, und Sie an Ihren eigenen Minister, sozusagen an sich selbst, eine Dringliche Anfrage richten. Das heißt, dass Sie Versäumnisse, die der Minister seit vier Jahren nicht behoben hat, jetzt dringlich in Angriff nehmen wollen.

Wir alle wissen aber, dass es seit Kaprun notwendig gewesen wäre, ein Unter­neh­mensstrafrecht zu machen, auch die Strafprozessordnung für Großverfahren anzu­passen. Was aber haben Sie gemacht? – Nichts! Vier Jahre später stellen Sie dazu eine Dringliche Anfrage – offensichtlich um eine Dringliche aus einer anderen Fraktion zu verhindern! – und behaupten, das sei jetzt dringlich. Offensichtlich brauchen Sie eine Reaktionszeit von vier Jahren, um auf solche Probleme zu reagieren.

Bei der Strafprozessordnung, wo Sie ein schlechtes Gesetz schnell beschließen, geht es hingegen ganz flott. Dort jedoch, wo es wirklich Handlungsbedarf gegeben hätte, nämlich eine sofortige Reparatur, ein Füllen dieser Gesetzeslücken, die es dazu in Österreich gibt – auch was den internationalen Standard hiezu anlangt –, haben Sie eine Reaktionszeit von vier Jahren und behandeln das dann hier in einer Dringlichen. (Abg. Scheibner: Mit wem reden Sie jetzt eigentlich?)

Das, meine Damen und Herren, sollte wirklich nicht der Stil hier im Hohen Hause in weiterer Zukunft sein! Dass Sie sich Ihre eigenen Versäumnisse vorwerfen, ist doch bitte geradezu skurril! In den vergangenen vier Jahren war ausschließlich Schwarz-Blau an der Regierung –, und Sie hätten angesichts dieser Tragödie, angesichts dieser schlimmen Opfer schon lange handeln können, ja müssen.

Daher nochmals: Das ist wirklich keine Vorgangsweise, die hier im Hause der Gesetz­gebung praktiziert werden sollte! Die Dringlichkeit in dieser Materie ist bereits seit vier Jahren gegeben. – Geschehen ist seitens der Regierungsparteien jedoch nichts, ja eigentlich hat man die Angehörigen der Opfer in Wirklichkeit „anrennen“ lassen, bis ein Urteil in dieser Causa gefallen ist, anstatt eben schon vorher zu reagieren. Das hätte übrigens auch ein besseres internationales Bild abgegeben.

Daher: Diese Dringliche Anfrage ist wahrscheinlich deshalb seitens der Regierungs­fraktionen gestellt worden, um an einem relativ ruhigen Nachmittag hier ein Thema abzuhandeln, das zwar sehr ernst ist, das man aber schon vier Jahre vorher hätte in Angriff nehmen können. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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Abschließend möchte ich mich noch beim Herrn Präsidenten Khol dafür bedanken, dass er angesichts dieser hochemotionalen Debatte für einen wirklich ruhigen Ablauf derselben gesorgt hat. (Beifall bei der SPÖ.)

16.44

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer weiteren Stellungnahme hat sich Herr Bun­desminister Dr. Böhmdorfer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.44

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte all jenen, die jetzt den Worten des Herrn Kollegen Wittmann gefolgt sind, den tatsächlichen Zeitplan in Erinnerung rufen.

Im Februar 2000 ist diese Regierung, die Sie meinen, angelobt worden; im November 2000 war dieses Unglück in Kaprun. – Selbst wenn man noch so schnell gearbeitet hätte, wäre es – unabhängig davon, dass damals noch keine Umsetzungsfrist gedroht hat oder diese im Ablaufen gewesen wäre – nicht möglich gewesen, dieses Gesetz so zu beschließen, dass es für den Fall Kaprun zur Anwendung hätte kommen können. Und ganz abgesehen davon konnte natürlich niemand ahnen, dass ein solches Unglück passieren würde.

Ich möchte Ihnen schon sagen, Herr Kollege Wittmann, ich bin ein wenig enttäuscht – wir hatten ja auch im Ausschuss eine relativ gute Debatte –, dass Sie mit dieser Zeitverschiebung hier politisch argumentieren. Ich möchte das schon klar gestellt haben, damit nicht diejenigen, die jetzt (der Redner blickt Richtung Zuschauergalerie) auf der Galerie sind – es sind ja sehr viele junge Leute –, eventuell glauben könnten, dass Sie, Herr Kollege Wittmann, auch nur im Entferntesten Recht haben könnten. (Abg. Dr. Puswald: Natürlich!) – Nochmals: Das ist schon allein von der Zeitfolge her nicht möglich!

Um auf das einzugehen, was die Kollegen Puswald beziehungsweise Maier gesagt haben – und ich muss das tun, weil hier seitens der SPÖ immer wieder so getan wird, als ob es Versäumnisse der Justizverwaltung im Verfahren Kaprun gegeben hätte –: Dem hiefür zuständigen Richter waren vier Schreibkräfte nur für dieses Verfahren beigegeben. Eine Schreibkraft war besonders ehrgeizig, wollte sehr viel schreiben, hat dann eine Sehnenscheidenentzündung bekommen, und dadurch kam es – ich gebe das zu – zu geringfügigen Versäumnissen.

Weiters: Vom ersten Tag an wurden die Protokolle auf CD-ROM aufgenommen. Sie wurden zwei Mal pro Tag über eine VIP-Leitung an das Gerichtsgebäude gesendet, und dort hätte man auf Grund dieser Zahl an Schreibkräften, die wir zur Verfügung gestellt haben, ein Tagesprotokoll anfertigen können: ausgehend von der CD-ROM-Speicherung und der Versendung. Das ist aber nicht gemacht worden, jedoch kann da die Justizverwaltung nichts dafür.

Möglicherweise hat ein Kopierer einmal nicht funktioniert; da bin ich jetzt überfragt. Tatsache ist jedoch, dass 22 Mikrophone installiert waren, dass ein Nebenraum für die Hinterbliebenen eingerichtet wurde, damit diese – unbehelligt von Presse und anderen Einflüssen – die Verhandlung verfolgen konnten.

Tatsache ist, dass ein Sachverständiger erkrankt ist. Das ist zwar bedauerlich, lässt sich aber nicht verhindern.

Andere Ermittlungspannen sind mir nicht bekannt. – Die eine Panne, dass von der sogenannten KTZ, der Kriminaltechnischen Zentralstelle, verspätet Unterlagen heraus­gegeben wurden, ist Tatsache, hat jedoch auf das Verfahrensergebnis keinen Einfluss genommen.


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Ansonsten bin ich dankbar dafür, dass korrekterweise erwähnt wurde, dass die Ver­handlung von diesem Richter sehr kompetent und sehr souverän geführt wurde.

Verhandlungen anderer vergleichbarer Unglücksfälle – soweit man das überhaupt vergleichen kann – haben länger gedauert und wurden zum Teil ohne Urteil eingestellt, so zum Beispiel in der Causa Enschede: Einstellung nach fünf Jahren.

Wir haben diese Brandkatastrophe, glaube ich – soweit es überhaupt angebracht ist, das in diesem Zusammenhang zu sagen –, korrekt, bemüht, kompetent und nach bestem Bemühen aufgearbeitet. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.48

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Vorläufig letzter Redner hiezu: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. Restredezeit Ihrer Fraktion, Herr Abgeordneter: 18 Minuten. Gesetzliche Redezeitbegrenzung: 10 Minuten. – Herr Kollege, ich erteile Ihnen das Wort.

 


16.48

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist bezeichnend: Das war eine, glaube ich, Debatte auf sehr hohem Niveau – bis die Kollegen Puswald und Wittmann von der SPÖ hier zum Rednerpult gekommen sind. Sie beide erinnern mich manchmal schon an die „Muppet-Show“: Dort gibt es hinten in der letzten Reihe auch zwei, die permanent nur destruktiv hineinschimpfen. – Ich halte das wirklich nicht für sehr konstruktiv und finde, dass es schade ist, dass die zwei letzten Redner der SPÖ hiezu das hohe Niveau, das auch diese Fraktion sonst in den Ausführungen ihrer Abgeordneten hatte, eigentlich zunichte gemacht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Kollege Puswald, Sie sind wie ich Kärntner, ich muss aber sagen: Wenn Sie hier herauskommen, dann werden Sie Ihrem Namen und Ihrem Ruf, den Sie mittlerweile hier in diesen Reihen genießen, mehr als gerecht. Es ist eigentlich faszinierend, dass Sie in keinem Ihrer Debattenbeiträge hier – man sollte sich das einmal im Protokoll anschauen – auch nur irgendetwas Konstruktives gebracht haben.

Und da sich Kollege Wittmann so über diese Dringliche aufgeregt hat: Es sollten sich die Damen und Herren von der SPÖ merken, dass Dringlichkeit nicht dadurch gegeben ist, hier immer gleich irgendwelche Vorwürfe in den Raum zu stellen. Dringlichkeit heißt auch nicht, hier Schmutzkübelkampagnen zu starten, und Dringlichkeit heißt auch nicht Geraunze, Gejammer und Polemik, sondern Dringlichkeit kann auch sachlich sehr hochstehend sein. – Und die heutige Debatte über diese Dringliche hat das gezeigt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte an dieser Stelle als vorläufig letzter Redner meiner Fraktion in diesem Zusammenhang Frau Dr. Partik-Pablé und Frau Dr. Fekter danken. Es ist eigentlich der Beweis dafür, dass man hier wirklich versucht hat, ein Thema zu wählen, das die Leute interessiert und das von vielen Köpfen und Herzen begleitet wird.

Das hat man auch an den Debattenbeiträgen der Rednerinnen und Redner der ÖVP, der SPÖ und der Grünen gehört: Das ist ein interessantes Thema, hier wird viel ge­arbeitet werden müssen. Ich muss ehrlich sagen, das ist heute hier gelebter Par­lamentarismus gewesen, es war viel sachliche Kritik dabei. (Abg. Mag. Mainoni: Bis auf Wittmann und Puswald!) Es waren natürlich auch sehr kontroversielle, unter­schiedliche Standpunkte dabei. Irgendwann wird es hoffentlich zu konstruktiven Lösun­gen kommen.

Da ich vorhin bezüglich der Kollegen Puswald und Wittmann ein bisschen vorlaut war, möchte ich mich jetzt an dieser Stelle auch einmal bedanken, weil ich glaube, dass hier auch von Seiten der Opposition wirklich sehr konstruktive Redebeiträge dabei waren.


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Wenn Sie die Bereitschaft bekundet haben – gerade Frau Kollegin Wurm hat das sehr klar gemacht –, hier mitzuarbeiten und vernünftige Gesetze zu beschließen, dann kommt es hoffentlich auch zu einem Abschluss und nicht in der Schlussphase der Diskussion wieder zu Zerwürfnissen auf Grund von Kleinigkeiten. Das wäre schade!

Herr Kollege Jarolim, Sie haben in Ihrem Redebeitrag darüber gesprochen, dass Sie Unstimmigkeiten zwischen dem Minister, der ÖVP und der FPÖ orten. – Natürlich gibt es Unstimmigkeiten, das ist ganz klar. Ich glaube, das ist ein Zeichen dafür, dass zwei unterschiedliche Parteien in dieser Koalition sind. Das ist ja der Sinn von solchen Diskussionen und Verhandlungen, sei es in Gremien oder in Ausschüssen. Da wird es wahrscheinlich noch viele Diskussionen geben, und wie ich unsere Justizsprecherin und unseren Justizminister kenne, werden das sehr interessante Diskussionen werden. Aber sie werden am Ende des Tages wahrscheinlich eine vernünftige Lösung erbrin­gen, und ihr werdet hoffentlich dazu beitragen, dass diese Lösung vernünftig und kon­struktiv sein wird.

Wissen Sie, wahrscheinlich wird es auch darauf ankommen, dass man am Schluss nicht nur zu amerikanischen Lösungen findet. Es geht darum, die Unternehmen am Leben zu erhalten, andererseits aber natürlich auch die Opfer entsprechend zu be­denken und dafür zu sorgen, dass es zu gerechten Entschädigungen kommt, wenn es Probleme gibt. Es sind von den verschiedensten Fraktionen sehr viele Beispiele aufgezählt worden, und ich kann das eigentlich nur unterstützen, das ist ganz klar.

Abschließend sollte man an dieser Stelle, wenn man die Justizdiskussionen mitverfolgt, wirklich einmal unserem Minister dafür danken, denn eines ist klar, wenn man Herrn Kollegen Maier – jetzt sehe ich ihn gerade nicht – zugehört hat, der meistens sehr viel Interessantes von sich gibt, oder wenn man Frau Kollegin Stoisits zugehört hat: Da wurden Fehler aufgezeigt, da wurde Kritik an unserem Justizminister laut. Ich sehe diese Kritik fast als Lob, denn wir haben in Kärnten folgenden Spruch: Nur wer arbeitet, macht Fehler, nur wo man hobelt, fallen Späne. Wenn an der Arbeit eines Ministers Kritik geübt wird, dann ist das der Beweis dafür, dass hier gearbeitet wird.

In diesem Sinne lade ich Sie ein, in den nächsten Monaten und Jahren mitzuarbeiten und gute Ergebnisse nach Hause zu bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.53

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Es wurden keine Anträge gestellt.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 1255/AB

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit mit der Ordnungs­zahl 1255/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verle­sung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Der Erstredner hat eine Redezeit von 10 Minuten, die Stellungnahme eines Mitgliedes der Bundesregierung soll ebenfalls nicht länger als 10 Minuten dauern. Für alle weite­ren Redner beträgt die Redezeit 5 Minuten.

Erstredner ist Herr Abgeordneter Haubner. Ich erteile ihm das Wort.

 



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16.54

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben diese heutige Kurz­debatte beantragt, weil wir die Gelegenheit nutzen wollen, einmal über die positiven Aspekte einer gezielten innovativen und erfolgreichen Wirtschaftspolitik zu sprechen. (Ruf bei der SPÖ: 350 000 Arbeitslose!)

Die Unternehmen und die Wirtschaft sind es, die die Arbeitsplätze schaffen und damit die richtigen Impulse für eine gesicherte Zukunft setzen, und unsere Regierung setzt die richtigen Maßnahmen, dass unsere Unternehmen in Österreich erfolgreich sein können. Die Anfang dieser Woche vorgelegten Zahlen über Unternehmensgründungen haben dies eindrucksvoll bewiesen. (Beifall bei der ÖVP.)

Täglich werden in Österreich 77 Unternehmen gegründet, im Vorjahr waren es insge­samt mehr als 30 000. In meinem Bundesland, in Salzburg, werden an jedem Arbeits­tag zehn Unternehmen gegründet. Ein absolutes Rekordjahr war 2003, da wurden 2 300 Unternehmen gegründet! (Beifall bei der ÖVP.)

Diese positive Stimmung, die die Wirtschaft verbreitet, spiegelt sich auch in der Bevöl­kerung wider. Was unsere Wirtschaft in der schweren Zeit der letzten Jahre gebraucht hat, sind Stabilität und Krisensicherheit. Für diese Stabilität hat die Bundesregierung ihre Maßnahmen gesetzt. Nicht zuletzt ist es auf die zukunftsweisende Haltung unserer Bundesregierung zurückzuführen, dass es durch die Konjunkturpakete 1 und 2 positive Auswirkungen auf die österreichische Wirtschaft gegeben hat. „Handeln statt Jam­mern“ ist unsere Devise! Mit den richtigen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt hat Österreich seine ausgezeichnete Position in der Europäischen Union weiter verstärkt. Das Konjunkturpaket III wird seine Ziele sicher nicht verfehlen, meine Damen und Herren!

Als Salzburger macht mich der Blick über die Grenze sicher: Wir haben mit dem ein­geschlagenen Weg, dem rot-weiß-roten Weg, für die Österreicherinnen und Öster­reicher positive Akzente gesetzt, Österreich hebt sich deutlich vom einstigen Nummer-eins-Land Europas – von Deutschland, dem jetzigen Schlusslicht – ab. Wenn ich mir das genauer anschaue, dann macht mich der Blick nach Deutschland sicher. Dort sorgt nämlich Rot-Grün für eine Rekordverschuldung im Jahr 2003 von 93,2 Milliarden €, eine Rekord-Arbeitslosigkeit von 11,2 Prozent, dafür, dass 600 000 Jugendliche keine Arbeit haben und dass im rot-grünen Deutschland der Rückfall bei Bildung und For­schung nicht aufzuhalten ist. Auch eine Steigerung der Steuern und Ausgaben pro Bürger auf 56,5 Prozent gehört zu den Folgen. Überdies gehören Nachteile auch für die Frauen, zum Beispiel durch die Streichung des Haushaltsfreibetrages, zur rot-grünen Politik. Die Regierung in Deutschland hat Deutschland zum Schlusslicht Euro­pas gemacht; einst war Deutschland die Nummer eins. Ich möchte mir dies für Öster­reich, aber auch für Salzburg ersparen! (Beifall bei der ÖVP.)

Österreich liegt heute in einer Bewertung mit 14 Strukturindikatoren unter den Top-3-Regionen Europas. Positiv sind hier vor allem die hohen Bildungsstandards, die vereinfachten Unternehmensgründungen – das beweisen ja die Zahlen des Jahres 2003 eindrucksvoll, die wir sowohl in Österreich als auch in Salzburg haben –, die nied­rige Langzeitarbeitslosigkeit und die Beschleunigung der Umsetzung der Binnen­markt­richtlinien. Im Bereich der Beschäftigung ist Österreich förmlich ein Muster­schü­ler: Mit einer Beschäftigungsquote von 69,3 Prozent haben wir das Lissabon-Ziel von 70 Pro­zent für 2010 fast erreicht, bei der Frauenbeschäftigungsquote haben wir es bereits übertroffen. Gute Arbeit, Herr Minister, ich gratuliere! (Beifall bei der ÖVP.)

Unsere Anfrage hat sich aber mit den Salzburger Wirtschaftsdaten beschäftigt. Lassen Sie mich daher kurz einmal die Struktur der österreichischen Wirtschaft innerhalb


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unseres Bundesgebietes durchleuchten. Die Salzburger Zahlen spiegeln eindrucksvoll die erfolgreiche Wirtschaftspolitik der Salzburger Volkspartei unter Landeshauptmann Franz Schausberger wider. Am besten dient mir hier der Vergleich mit dem sozialis­tisch regierten Wien. (Abg. Parnigoni: Landeshauptmannwahl! – Weitere Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Meine Kollegen, Sie müssen es leider zur Kenntnis nehmen: Wien hat – und ich be­dauere das sehr – mit über 11 Prozent die höchste Arbeitslosigkeit in Österreich, doppelt so hoch wie Salzburg. Meine Damen und Herren, auch in der Langzeit­arbeits­losigkeit ist Wien Rekordhalter mit einem Anteil von 13,5 Prozent; in Salzburg haben wir nur einen Anteil von 2,6 Prozent, dank der guten Arbeit der Salzburger Landesre­gierung und der Arbeit der österreichischen Bundesregierung! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich meine, diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Hier ist festzuhalten, dass es die Salzburger Landesregierung unter Landeshauptmann Franz Schausberger war, die mit den von ihr initiierten Maßnahmen wie dem Impulsprogramm, „Regional Po­wer“-Programmen, dem Schul- und Kindergartenbauprogramm diese positive Entwick­lung vorangetrieben hat. (Ruf bei der SPÖ: Sind dort Wahlen?) Die Maßnahmen, die von der Bundesregierung unterstützt wurden – wie der Bau eines EM-Stadions, eines Museums am Berg, eines Hauses für Mozart –, diese positiven Impulse sind zur regionalen Entwicklung noch hinzugekommen.

Man sieht, Salzburg ist auf dem richtigen Weg. Die Salzburger Klein- und Mittel­betriebe ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Herr Kollege Niederwieser, Salzburg ist und bleibt auf dem richtigen Weg. Darüber mache ich mir keine Sorgen, denn dafür wird eine stabile Volkspartei sorgen! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Salzburger Klein- und Mittelbetriebe sind die Träger der Beschäftigung und Aus­bildung. Diese Klein- und Mittelbetriebe gehören weiter gefördert, weil sie es sind, die 50 Prozent unserer Lehrlinge ausbilden und die die Lehrlinge auf die Aufgaben der Zukunft vorbereiten. Ich bin mir sicher, dass wir uns, wenn wir in Salzburg diesen Weg weitergehen, keine Sorgen um unser Land zu machen brauchen.

Aber wenn ich mir anschaue, was Rot-Grün in Salzburg plant, muss ich sagen: Ich habe Angst um unser Land! So hat Arbeiterkammerpräsident Siegfried Pichler gesagt, es muss zu einer Neuordnung der Wirtschaftsförderung kommen, und nur Betriebe, die gewerkschaftlich orientiert sind und gewerkschaftlich organisiert sind, sollen eine Wirtschaftsförderung erhalten. – Meine Damen und Herren, so schaut es aus! (De­monstrativer Beifall des Abg. Nürnberger.) Für Betriebe, die keine Lehrlinge ausbilden, soll es laut SPÖ eine Strafsteuer geben. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.) Wir werden mit den Prämien diejenigen, die es können, motivieren, aber nicht die Unter­nehmer strafen, meine Damen und Herren! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Arbeiterkammerpräsident Pichler will auch zwei Klassen von Arbeitsplätzen: gewerk­schaftlich orientierte und andere. Arbeitsplätze in nicht organisierten Betrieben sind nicht schützenswert, hat er gesagt. Mir wird angst und bang, wenn ich das höre!

Wenn ich mir das Ganze für den Tourismus anschaue und an das Jahr 1997 zurück­denke: Wir hatten in Salzburg – und der Tourismus ist einer der wesentlichen Träger der Wirtschaft in Salzburg – 1997 unter einem sozialistischen Arbeitsminister nur 570 Saisonniers zur Verfügung. Heute haben wir dank einer ÖVP-Regierung 3 000 Saisonniers. Das stützt die heimische Tourismuswirtschaft – (in Richtung Bun­des­minister Dr. Bartenstein:) danke vielmals! (Abg. Brosz: Und wie viele arbeitslose Salzburger haben wir heute?) Darauf ist die Tourismuswirtschaft stolz, denn die Tou­rismuswirtschaft braucht diese Saisonniers.


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Wie es zugeht, wenn die SPÖ das Sagen hat, sieht man am Beispiel des AMS. Im „profil“ ist festgehalten, dass es Probleme mit dem AMS in Salzburg gibt: Hier ist allein schon die Vermittlung pro Job mit 20 000 € pro Person die höchste in ganz Österreich. Ich denke, dass wir diese Zustände hier nicht brauchen.

Ich kann nur vor Deutsch-Grün in Salzburg warnen. (Ruf bei der SPÖ: Deutsch-Grün? – Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.) CSU-Stoiber hat es bereits gesagt: Der deutsche Kanzler ist der teuerste Lehrling Europas. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Wir möchten uns diese Experimente in Salzburg ersparen! – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)

17.03

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Dr. Bartenstein zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim: Sie haben sich die Ant­wort des Mainoni verdient, das kann ich Ihnen sagen!)

 


17.03

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Haupt! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich danke Ihnen herzlich dafür, dass ich einmal zur wirtschaftlichen Situation eines Bundesländer-Standortes Stellung nehmen kann; heute ist Salzburg an der Reihe. Es tut gut, das als Wirtschafts- und Arbeitsminister tun zu können.

Abgeordneter Haubner hat schon Stellung genommen, natürlich zum Kulturland, zur Kulturstadt Salzburg. Uns allen fallen zuerst Kultur, Mozart und Festspiele ein – ein wichtiger Teil Salzburgs, aber natürlich nur ein Teil der Geschichte! Trotzdem oder gerade deswegen freuen wir uns und sind wir stolz darauf, dass wir nicht nur die Salzburger Festspiele jährlich mit einem namhaften Millionen-Euro-Betrag unterstützen dürfen, sondern dass auch das schon zitierte Kleine Festspielhaus – ganz wichtig für das Mozartjahr 2006 – mit knapp 10 Millionen € aus Bundesmitteln gefördert werden wird und dass auch das von Abgeordnetem Haubner zitierte Museum der Moderne am Mönchsberg mit rund 9 Millionen € aus Bundesmitteln gefördert wird.

Salzburg ist aber, wie gesagt, nicht nur Kulturstandort, sondern vor allem auch Wirtschaftsstandort. Da wiederum fällt einem, insbesondere jetzt in der Winterszeit, Salzburg als Tourismusstandort ein. Ich war vor einigen Tagen gemeinsam mit dem Herrn Bundeskanzler bei einem großartig organisierten und großartig abgelaufenen Tag der Salzburger Tourismuswirtschaft. Man hat dort gesehen, dass der Tourismus einer der Lebensnerven dieses Landes ist. Salzburg ist zu Recht eine der Hochburgen des Tourismus in Österreich: an Stelle zwei in Österreich gelegen, nach Tirol, mit einem Marktanteil von knapp 20 Prozent. So ist es kein Zufall, meine Damen und Herren, dass drei der zehn wichtigsten Tourismusgemeinden Salzburger Gemeinden sind: die große Gemeinde Salzburg-Stadt und die deutlich kleineren Gemeinden Zell am See und Salzburg-Hinterglemm. (Ruf bei der ÖVP: Saalbach-Hinterglemm!)

Herr Abgeordneter Haubner hat auf die herausragende Bedeutung des Tourismus für den Arbeitsmarkt in Salzburg verwiesen: fast 10 Prozent der Jobs, 18 000 Arbeits­plätze, viele Lehrplätze sind im Tourismus verankert. Wissen Sie, sehr verehrter Herr Abgeordneter Nürnberger, vor einem fürchten sich Salzburger und andere Lehrherren, Lehrberechtigte und Ausbildner: davor, dass das, was in Deutschland ohnehin auch bei den Sozialdemokraten kontrovers diskutiert wird, nach Österreich herüberschwappt, nämlich eine verpflichtende Ausbildungsabgabe, eine Lehrlingsstrafsteuer. Das wäre für Salzburger und für Österreichs Lehrplätze insgesamt sehr, sehr schlecht, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)


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Aber so sehr wir uns darüber freuen, dass gerade Salzburg eine gute Sommersaison hinter sich hat und eine glänzende Wintersaison, in der wir mittendrin stecken, vor sich hat: Lassen Sie mich jetzt zu anderen Bereichen Salzburgs als Wirtschaftsstandort kommen.

Kaum jemand denkt an hervorragende Industrien, an hervorragende Unternehmun­gen – größere, mittlere und auch kleinere. Kaum jemand denkt bei Sony zuerst an Salzburg, kaum jemand denkt daran, dass nicht nur dieses wichtige Investment eines japanischen Unterhaltungselektronik-Weltkonzerns in Salzburg gleich zweifach existent ist, sondern es ist auch so, dass VW und Porsche nicht etwa von Wien aus, nicht etwa von Wolfsburg aus, sondern von Salzburg aus den gesamten Osten und die Mitte Europas mit Automobilen versorgen. Ich durfte vor kurzem gemeinsam mit dem Salz­burger Landeshauptmann Schausberger ein Teilevertriebszentrum eröffnen, aus dem nicht weniger als 6 Millionen Ersatzteile für VW und verwandte Marken von Salzburg aus nach Mittel- und Osteuropa gehen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Hervorragende Industrien wie „Kaindl“ oder das Headquarter von „SPAR“, all das ist in Salzburg ebenso zu Hause wie ein breiter Mittelstand. Kein Wunder, dass all das an Wirtschaftsdynamik dazu führt, dass Salzburg in Sachen Kaufkraft an der Spitze von Österreichs Bundesländern steht und dass Salzburg, wie Peter Haubner schon gesagt hat, zu einem der Unternehmensgründungsländer Österreichs geworden ist, mit mehr als 2 000 Unternehmensgründungen im Jahr 2003. Wir freuen uns ja gemeinsam darüber, dass im letzten Jahr erstmals die magische 30 000er-Schwelle überschritten wurde, dass nämlich Österreich erstmals pro Jahr mehr als 30 000 Unternehmens­gründungen erfahren konnte – und damit, netto saldiert, 33 000 Arbeitsplätze! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Salzburg ist aber auch ein glänzender Arbeitsmarkt. Es liegt auch hier an zweiter Stelle, so wie im Tourismus, in dem Fall hinter den Oberösterreichern, mit einer Arbeitslosenquote, die immerhin um 40 Prozent oder um fast die Hälfte niedriger liegt als der österreichische Durchschnitt. Da nimmt es nicht wunder, dass Salzburg in Sachen Beschäftigungszuwachs deutlich besser liegt als der Bundesdurchschnitt: mit 1,3 Prozent mehr an Beschäftigung im letzten Jahr, 2003, gegenüber Rest-Österreich mit 0,9 Prozent.

Ein Kompliment an das AMS Salzburg, dessen Arbeitsmarktpolitik dazu führt, dass Salzburger Arbeitslose im Schnitt nur 74 Tage arbeitslos sind, während wir in Österreich insgesamt immerhin noch mit 101 Tagen zu rechnen haben! Aber auch da einmal der Vergleich mit Deutschland: Wir liegen um gut die Hälfte besser, als das in Deutschland der Fall ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Apropos Deutschland – Herr Abgeordneter Haubner hat schon ausführlich dazu Stel­lung genommen –: Das ist etwas, worüber Sie in Salzburg zu diskutieren haben. Kein Wunder, gibt es doch kaum ein Bundesland, das so eng mit Deutschland verschränkt ist und so viel an gemeinsamer Grenze mit Deutschland hat. So gesehen ist es von der deutschen Wirtschaftsschwäche, von der deutschen Wachstumsschwäche, von der deutschen Arbeitsmarktschwäche überproportional betroffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da ist es besonders wichtig, darauf hinzu­weisen, dass Österreich, anders als Rot-Grün in Deutschland, im letzten Jahr eben nicht eine rote Null geschrieben hat – in Sachen Wachstum eine kleine Rezession mit minus 0,1 Prozent –, sondern dass wir in Österreich ein Wachstum von knapp 1 Pro­zent erzielen konnten; dass wir, anders als unter Rot-Grün in Deutschland, eben nicht ein ausuferndes Budgetdefizit zu verantworten haben, mit einem Minus von unglaub­lichen 4,2 Prozent, sondern dass Finanzminister Grasser und Staatssekretär Finz im Vollzug wiederum ein exzellentes Budget melden konnten, mit weniger als 1 Prozent


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Budgetdefizit im Jahr 2003, obwohl das Gros der Hochwasseraufwendungen in das Jahr 2003 gefallen ist.

Lassen Sie mich abschließend sagen, auch ein Blick auf den Arbeitsmarkt macht uns und die Salzburger sicher, dass es uns in Österreich deutlich besser geht als unter Rot-Grün in Deutschland. Wir hatten in Österreich eine Arbeitslosenquote, Herr Präsi­dent Verzetnitsch, von – aber auch das ist mir zu hoch – 4,4 Prozent im Jah­res­durchschnitt des letzten Jahres. Die Deutschen liegen über 10 Prozent. Herr Abge­ordneter Haubner hat sogar von 11 Prozent gesprochen.

Salzburg kann sich sicher sein, dass wir, dass der Nationalrat hinter diesem wichtigen Bundesland Österreichs steht und dass Salzburg und die Salzburger Wirtschaft sich stärker an Österreichs Aufschwung, an Österreichs Wirtschaftsstärke messen kann und nicht fürchten muss, vom rot-grünen Wirtschaftsabschwungsbazillus Deutschlands infiziert zu werden. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei den Freiheit­lichen.)

17.12

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Redezeit der nunmehr zu Wort gemeldeten Abge­ordneten beträgt gemäß der Geschäftsordnung 5 Minuten.

Erster Redner dazu ist Herr Abgeordneter Steindl. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


17.12

Abgeordneter Konrad Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Natürlich ist die globale Wirtschafts­krise auch an Salzburg nicht vorbeigegangen; sie hat auch in Salzburg Spuren hinter­lassen. Verschärft wird das aber eben dadurch, dass sich in der Bundesrepublik Deutschland hartnäckig eine Wachstumskrise festgesetzt hat. Das macht die Sache für uns nicht einfacher.

Dennoch, meine sehr geehrten Damen und Herren, liegt die wirtschaftliche Entwick­lung des Landes Salzburg über dem österreichischen Durchschnitt. So beträgt das Bruttoregionalprodukt, gemessen im Jahr 2002, in etwa 15,1 Milliarden €, was einem Anteil von 7,3 Prozent am gesamtösterreichischen BIP entspricht. Das Bruttoregional­produkt je Einwohner lag bei 29 200 € und ist damit um 15 Prozent über dem gesamt­österreichischen Durchschnittswert. Wir nehmen damit im Bundesländervergleich hin­ter Wien den zweiten Platz ein und sind darauf natürlich sehr stolz. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Auch die Salzburger Industrieproduktion ist rascher gewachsen als im österreichischen Vergleich. Zusätzlich konnte die Sachgüterproduktion stark ausgeweitet werden. Wir haben innovative Leitbetriebe wie beispielsweise die Firma CarboTech oder Red Bull in Fuschl. (Abg. Nürnberger: EMCO!) Ja, kleinere Betriebe verlassen uns, aber wir bekommen täglich viel größere Betriebe dazu, die sehr viel Geld im Bundesland Salzburg investieren und dadurch neue, großartige wirtschaftliche Maßstäbe setzen. (Abg. Nürnberger: EMCO!)

Die Exporte der Salzburger Wirtschaft in die neuen EU-Beitrittsländer sind mit etwa 40 Prozent ausgezeichnet und haben die Verluste bei den Exporten in die alten EU-Länder entsprechend ausgleichen können.

Somit liegt das Pro-Kopf-Einkommen in Salzburg mit 17 150 € über dem österreichi­schen Durchschnitt.

Die Arbeitslosenzahlen sind, wie heute schon angeführt wurde, mit rund 5 Prozent weit unter dem Vergleichswert der europäischen Zahlen, aber auch unter dem Vergleichs­wert der österreichischen Bundesländer. Dass diese positive Entwicklung letztlich mög-


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lich war, ist der klugen und umsichtigen Politik von Landeshauptmann Dr. Franz Schausberger und seinem Regierungsteam zuzurechnen. (Abg. Nürnberger: Warum tritt er dann zurück?) Landeshauptmann Schausberger hat rechtzeitig entsprechende Maßnahmen gesetzt und mit den Impulsprogrammen I bis III zusätzlich Beschäftigung geschaffen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) So hat beispielsweise die Arbeitsleistung der Bauwirtschaft im Jahr 2003 um 19 Prozent zugenommen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Herren! Lassen Sie bitte den Redner ungestört reden! (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


Abgeordneter Konrad Steindl (fortsetzend): Das sind Fakten, die für sich sprechen. Aber andererseits hat natürlich auch Bundeskanzler Schüssel mit seinem Regierungs­team mit den Impulsprogrammen I und II entsprechende Maßnahmen getroffen und hat auch ein entsprechendes Wirtschaftsklima in Österreich geschaffen, was uns natürlich angesichts dieser großen Flaute des deutschen Nachbarn sehr zugute gekommen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch die landwirtschaftliche Entwicklung ist in Salzburg besser, als vor dem EU-Beitritt vorhergesagt wurde. Wir haben bei weitem nicht so viele Betriebsschließungen, als das ursprünglich prognostiziert wurde. Ich bin darüber auch sehr froh, weil die Land­wirtschaft einen wesentlichen Anteil an der Erfolgswirtschaft in Salzburg hat.

Sollte die Bedrohung Rot-Grün in Salzburg tatsächlich Realität werden, würde das wirtschaftliche Klima in unserem Bundesland sehr darunter leiden. Die von der SPÖ bereits mehrmals aufgezeigten Wirtschaftsmaßnahmen lassen mich als Unternehmer wirklich staunen und erschüttern mich teilweise. Wenn ich etwa höre, dass beispiels­weise nur gewerkschaftlich organisierten Betrieben Förderungen zukommen sollten, erzürnt mich das besonders.

Die sehr erfolgreiche duale Lehrlingsausbildung in Salzburg – immerhin haben wir mehr Angebote für Lehrlinge als Lehrstellensuchende – sollte durch einen Fonds aus­getauscht werden, was natürlich auch nicht im Sinne des Erfinders ist.

Die verstärkte Ansiedlung von Einkaufszentren auf der „grünen Wiese“, wie sie die SPÖ immer forciert und auch verstärkt durchführen will, wäre eine arge Belastung für die Ortskerne, die jetzt schon veröden. Darüber hinaus ist es auch wissenschaftlich untermauert, dass durch einen Job in einem Einkaufszentrum 2,5 Arbeitsplätze im Einzelhandel verloren gehen. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Khol gibt das Glocken­zeichen.) Aber das alles geschieht unter dem Motto „Mehr Staat und Macht für die SPÖ“ – und damit verbunden weniger private Verantwortung und Leistung.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel und sein Team arbeiten sehr verantwor­tungsvoll – und sie haben Mut zu Reformen, auch wenn diese manchmal nicht populär sind. Aber letztlich wird damit die Zukunft aller Österreicher und Österreicherinnen gesichert. (Bravorufe und Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.18

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prähauser. Auch seine Redezeit beträgt 5 Minuten. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


17.18

Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wahlkampf ist. Wer könnte es meinem Vorredner verdenken, eine ÖVP unter­stützen zu wollen, die es vor Ort nicht geschafft hat, in der Bevölkerung so durchzu­dringen, dass diese das, was wir heute gehört haben, auch für bare Münze nimmt?


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Das ist nicht so in Salzburg. Das eine war die Theorie – die Praxis darf ich Ihnen schildern. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Werdet ihr live übertragen via Satellit?)

Die Praxis schaut in Salzburg so aus: Ich bin zum Beispiel ein Jungunternehmer (ironische Oh-Rufe bei den Freiheitlichen) und habe gemeinsam mit meinem Sohn in dieser angesprochenen Zeitspanne vier Unternehmungen gegründet. Wir beschäftigen 50 Arbeitnehmer. Wenn ich aber, um eine Replik abgeben zu können, nachschauen lasse, was der Staat dazu geleistet hat, was die Wirtschaftskammer geleistet hat: Es war nichts feststellbar! Das war auch nicht notwendig, denn Eigenkapital hat es gegeben, und das wurde investiert.

Ich möchte Ihnen nur sagen, dass es leichter ist, von Förderungen zu reden, als welche zu bekommen. Wenn ich mir diesen Bericht hier anschaue, sehe ich, es gibt eine ganze Reihe von Unternehmungen, die Förderungen bekommen haben. Es steht nicht dabei, wer die wenigen Unternehmer waren, die Förderungen bekommen haben. Es wäre interessant, ob das irgendwelche Unternehmer sind, die sich dann später oder in einigen Wochen als Freunde von irgendwelchen Regierungskolleginnen und Re­gierungskollegen Ihrer Koalitionsregierung darstellen oder ob es da irgendwelche anderen Zusammenhänge gibt. Ich möchte gerne wissen, wie zum Beispiel 1 Million € für den Bergbau in Salzburg investiert wurde, ich möchte wissen, wie hoch zum Bei­spiel der Anteil der Schotterbarone an dieser Förderung war. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Na geh!) Ich möchte das im Interesse der Salzburger gerne wissen.

Wenn ich weiß, dass wirklich vernünftige Investitionen, wie etwa die Tauerntunnel­röhre, wie zum Beispiel die ungerechte Dreifachbemautung im Lungau, nicht einmal Gesprächsthema dieser Regierung sind, dann sorge ich mich schon, ob diese Regierung die wahren Probleme Salzburgs erkennt. Die ÖVP erkennt sie nicht. Die Wählerinnen und Wähler – das signalisieren sie in Umfragen – verzeihen das nicht und verstehen das auch nicht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)

Nun zu einer kleinen Notiz, die dick untergestrichen ist: Lehrlingsbeschäftigung. Wis­sen Sie, meine Damen und Herren, wisst ihr, Kollege Haubner und Kollege Steindl, überhaupt, dass unser Wahlkreis 5C die höchste Zunahme an Jugendarbeitslosigkeit österreichweit hat? (Ruf bei der SPÖ: Hört! Hört!) Da brauchen wir hier nichts zu bejubeln, da haben wir Kritik zu üben, gemeinsam die Ärmel hochzukrempeln, um das zu beenden und dafür zu sorgen, dass Umlandgemeinden von Salzburg wirtschaftlich nicht abgenabelt sind. Es müsste uns gelingen, da gemeinsam etwas in Bewegung zu bringen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Da ist es natürlich notwendig, zu arbeiten, nicht irgendetwas weiterzuspintisieren, was irgendjemand aufsetzt. Da muss man der Realität ins Auge schauen. Da genügt es nicht, wenn der Wirtschaftskammerpräsident sagt, die Jugend sei generell faul. Das hat er wirklich gesagt; das muss man sich vorstellen! Ich verwahre mich dagegen. Die Jugend hat nur keine Chance, zu arbeiten, und ihr da vorzuwerfen, sie sei faul, ist wirklich der falsche Weg! (Beifall bei der SPÖ.)

Und wenn der Jugend vorgeworfen wird, zu viel in Discos zu gehen, so denke ich, es sollte auch nicht der Auftrag der Älteren sein, dieses festzustellen. Wir haben uns zu un­serer Zeit auch nicht vorschreiben lassen, wie wir unsere Freizeit gestalten, meine Damen und Herren. Das ist keine geeignete Politik, die Jugend zur Arbeit zu ani­mieren, vor allem dann, wenn man sie ihr mangels Verfügbarkeit vorenthält.

Wir haben es so schön in Salzburg, wir sind viel besser als der Bundesschnitt, haben wir gehört, aber wenn man sich die Statistik genau ansieht, merkt man, dass diese das Gegenteil besagt. Herr Bundesminister! Sie wissen, dass die offenen Stellen bun­desweit ein Minus von 6,4 Prozent aufweisen. In Salzburg sind es minus 7,6 Prozent! Wo sind wir da besser als andere? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sie müssen schauen,


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was Sie vergleichen!) Außerdem ist es nicht gut, nach Westen zu schielen. Ob in Deutschland die Politik erfolgreich ist oder nicht, sollte nicht unsere Sache sein. In Österreich ist die Wirtschaftspolitik auch nicht sehr erfolgreich. Sie haben es geschafft, an die vorletzte Stelle zu kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Salzburgerinnen und Salzburger haben nichts davon, wenn der Stoiber bei einer Aschermittwochrede über das Ziel hinausschießt. Wir haben nur dann etwas davon, wenn wir gemeinsam die Probleme angehen.

Kollege Haubner, ich lade dich ein, mit dem Kollegen Steindl alles dazu beizutragen, mit den Sozialdemokraten in Salzburg ... (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Den Mainoni nicht?) Der Eduard Mainoni schaut sich das immer ein bisserl aus der Distanz an. Der muss nicht unbedingt dabei sein. Aber wir sollten es als die großen Parteien in Salz­burg schaffen, gemeinsam die Ärmel hochzukrempeln und für Salzburg wirklich das Beste zu erreichen. Wir sind bereits auf dem besten Weg dazu. Die ÖVP ist ins Schwimmen gekommen – und das zu Recht. (Beifall bei der SPÖ.)

17.23

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. Redezeit: 5 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 


17.23

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ja, ja, Wahlkampf ist in Salzburg. Man merkt es schon an den kämpferischen Aussagen. Aber ich bekenne mich dazu. Ja, es ist erfreulich, dass Wahlkampf ist! Ich als Salzburger, und zwar – ich möchte das jetzt dazusagen – als geborener Salzburger, freue mich auch über diesen Wahlkampf, mei­ne Damen und Herren. Als geborener Salzburger hat man eine Identität zu seiner Heimat, und diese Identität zur Heimat werden Sie mir auch zugestehen. Jeder hat zu seinem Bundesland seine Identität. Diese Identität fehlt manchen in Salzburg. Die Identität mit Salzburg hat der Herr Landeshauptmann Schausberger nicht, er ist nämlich kein geborener Salzburger. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grü­nen. – Abg. Sburny: Und wie ist das mit dem Haider in Kärnten? Kommt der Haider aus Kärnten?) Die Identität hat auch die Frau Landeshauptmann-Stellvertreterin Burg­staller nicht. Sie kommt nämlich auch nicht aus Salzburg. Und auch Bürgermeister Schaden aus der Stadt Salzburg kommt nicht aus Salzburg. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Für mich zeigt sich die mangelnde Identität mit Salzburg daran, dass man zum Beispiel ein Fussballstadion an einem derart unsäglichen Platz in Salzburg errichten lässt. Es ist unglaublich! Das kann nur jemand machen, der mit Salzburg keine Identität hat. Da ist Schloss Kleßheim, daneben Taxham mit 15 000 Bewohnern, der Flughafen in der Nähe, eine Spannplattenfirma, 80 000 Fahrzeuge auf der A 1, Westösterreichs größtes Einkaufszentrum – und da kommt auch noch ein Fußballstadion hin! Meine Damen und Herren, die Sie nicht aus Salzburg sind, schauen Sie sich das einmal an – es ist unglaublich!

Ein zweites Beispiel: das Museum auf dem Mönchsberg. Wenn Sie nach Salzburg kommen, werden Sie es sehen: Was dort verbrochen wird, ist unglaublich! Die ein­malige Silhouette Salzburgs wird mit einem Bunkerbau gründlich zerstört. Dort kommt ein Museum hinein. Auf dem schönsten Platz, dem Mönchsberg! Der schönste Aus­blick der Stadt Salzburg wird dafür benützt, dass man hineinschaut in ein Museum, und nicht hinausschaut. Und noch dazu baut man ein Museum, das viel zu klein ist. Große zeitgenössische Exponate können dort nicht ausgestellt werden. Das ist die Re­alität!


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Kommen wir zu den Betriebsansiedlungen, meine Damen und Herren, kommen wir zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen! – Hier ist die Attraktivität eines Stand­ortes wichtig, und das ist eben auch für Salzburg wichtig. Faktum ist, dass die Attrak­tivität Salzburgs leidet. Wir waren 1998 hinsichtlich der Attraktivität der Standorte eu­ropaweit noch an dritter Stelle hinterm Gelderland und hinter dem Großraum Mai­land. Wir sind leider zurückgefallen. (Abg. Dr. Bauer: Na ja, mit einem Schausberger!)

Es sind rationale Gründe, aber es sind auch irrationale Gründe, die dazu geführt ha­ben. Rationale Gründe sind Infrastruktur, Verkehrsanbindung, Lohnentwicklung, Grundstückspreise, Arbeitsplatzsituation und dergleichen mehr. Aber es sind auch irrationale Gründe, die eine Rolle spielen, ob Salzburg als Standort attraktiv ist oder nicht. Und einer dieser irrationalen Gründe ist zum Beispiel das Interesse der Ent­schei­dungsträger. (Abg. Dr. Niederwieser hält, in der ersten Reihe sitzend, einen Zettel vor die Bankreihe, auf dem „Gabi gewinnt!“ steht.)

Der Herr Bundesminister hat richtigerweise gesagt, die Kultur spielt für Salzburg eine sehr wichtige Rolle. Es sind nicht nur die Festspiele, aber es sind vor allem die Salz­burger Festspiele. Es spielt aber auch das Weltkulturerbe eine große Rolle und der Umstand, wie wir Salzburger mit unserem Kulturgut umgehen. Das ist nämlich unwie­derbringlich, wenn es zerstört wird. Und da mache ich mir schon Sorgen, was so man­che Politikerinnen und Politiker in Salzburg aufzuführen versuchen. Dagegen wehren wir uns! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch die Lebensqualität spielt eine Rolle. Leider Gottes vermisse ich auch Aussagen beziehungsweise Aktivitäten der Grünen in Salzburg zum Thema Lebensqualität. Wichtig ist, dass wir Grünraum in Salzburg haben. Das macht uns ja so beliebt. Das ist ja das, warum Salzburg bei einer Umfrage an erster Stelle steht, was die Präferenz eines Hauptwohnsitzes betrifft. Natürlich ist es die Lebensqualität, natürlich ist es der Grünraum, natürlich ist es auch der sorgsame Umgang mit dem Kulturerbe. Und das sollten wir bewahren. (Abg. Dr. Puswald: Aber nicht mit dem Schausberger!) Das ist wichtig. Salzburg lebt zu einem gut Teil davon, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Unsere Heimat darf keine Handelsware werden. Ein wichtiges Thema in diesem Zu­sammenhang: Was passiert mit dem Quellwasser? Das ist ein Wahlkampfthema, und es ist ein wichtiges Thema.

Meine Damen und Herren! Wir bekennen uns auch zu sinnvollen Infrastrukturbauten, etwa zur zweiten Tunnelröhre bei der Tauern Autobahn mit Begleitschutzmaßnahmen. Unser Bundesminister Gorbach hat erst letzte Woche den dazugehörigen Vertrag un­terschrieben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir bekennen uns auch zu den Klein- und Mittelbetrieben und dazu, dass sie sinnvoll gefördert werden. In Salzburg gibt es ein Spezifikum – ich weiß nicht, wie es in anderen Bundesländern ist –, in Salzburg gibt es eine Wirtschaftsförderung, aber man weiß nicht, wer gefördert wird. Das bleibt ein gut gehütetes Geheimnis der Lan­des­regierung. Man darf es nicht wissen. Also wir sind sehr wohl für die Offenlegung dieser Förderung, damit wir auch wissen, wer tatsächlich gefördert wird. (Beifall bei den Frei­heitlichen. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitli­chen.)

Meine Damen und Herren! Wir sind letztlich natürlich auch gegen Machtmissbrauch und Freunderlwirtschaft, denn Machtmissbrauch und Freunderlwirtschaft feiern in Salz­burg frohe Urständ! Wir Salzburger schauen darauf, dass das nicht passiert. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Anhaltende Rufe bei der SPÖ.)

17.28

 



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51. Sitzung / Seite 147

Präsident Dr. Andreas Khol: Letzte Rednerin hiezu ist Frau Abgeordnete Rest-Hinterseer. Redezeit: 5 Minuten. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort. (Abg. Sburny – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Rest-Hinterseer –: Kollegin, du musst in Salzburg geboren sein, sonst darfst du nicht reden! – Abg. Öllinger: Bist du, Kollegin, eine Salzburgerin?)

 


17.28

Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Hohes Haus! Ich weise mich als Salzburgerin, Innergebirg-Pinzgauerin, aus, deren Wurzeln 400 Jahre zurückreichen. Ich hoffe, ich muss keinen Ahnennachweis vorlegen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Ich bin auch Erbhofbäuerin auf einem 400 Jahre alten Erbhof. Ich hoffe, Herr Abgeordneter, ich bin jetzt berechtigt, auch zu Salzburger Problemen Stellung zu nehmen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Mir fehlen eigentlich die Worte beziehungsweise weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll, zu erwidern. (Abg. Mag. Mainoni: Dann geh wieder!) Kollege Steindl hat es ja auch fast lächelnd berichtet. Er glaubt also seinen Worten selbst nicht ganz, kommt mir vor. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Auch wenn jemand lacht, kann man es glauben!)

Wohin geht die Entwicklung bei den AMS-Mitteln zum Beispiel? – Ich habe gerade diese Woche ein Zusammentreffen mit Vertretern der sozialökonomischen Betriebe in Salzburg gehabt, die nicht wissen, ob sie im nächsten Jahr weiterhin Förderungen erhalten. An Mitteln für die aktive Arbeitsmarktpolitik wurden im Vergleich zum Vorjahr, wo 692 Millionen € zur Verfügung standen, 46 Millionen € eingespart. Diese Zahl ver­schleiert der Herr Minister elegant damit, dass er Unternehmensubventionen zur aktiven Arbeitsmarktpolitik dazuzählt.

Früher hat es einmal so etwas wie eine experimentelle Arbeitsmarktpolitik gegeben. Mittlerweile geht man dazu über, die so genannten Einstellungshilfen als experimen­telle Arbeitsmarktpolitik zu bezeichnen. Das erhalten Betriebe, die Langzeitarbeitslose einstellen, und das soll nach Meinung der Unternehmervertreter im Landesdirektorium des AMS Salzburg weiter ausgebaut werden. Es wäre aber eine viel kostengünstigere Methode, Langzeitarbeitslose wieder einzugliedern.

Dazu ein paar Zahlen. – Jährlich werden in Salzburg 4,31 Prozent vom gesamtöster­reichi­schen Budget für Einstellungsbeihilfen und knapp unter 4 Prozent des Gesamt­budgets für sozialökonomische Betriebe ausgegeben, also doch etwas mehr als für diese Arbeitsmarktexperimente.

Die bisher erwähnten Maßnahmen wenden sich aber an unterschiedliche Gruppen; das muss man der Redlichkeit halber dazusagen. Während Betriebe sehr oft Leute ein­stellen, die nicht massive Schwierigkeiten in der Vermittlung haben, bleiben sozusagen für die sozialökonomischen Betriebe Menschen mit großen Problemen, zum Beispiel fehlende oder mangelnde Ausbildung, Schulden, Haftentlassung, Scheidungen und Unglücksfälle, die nicht unbedingt in ihrem Bereich liegen.

Es wird vom Herrn Wirtschaftskammerpräsidenten behauptet, dass die sozial­ökono­mischen Betriebe nicht evaluiert werden. Das ist unrichtig. Sie werden natürlich evaluiert, sonst würden sie gar nichts bekommen.

Nun zu den aktuellen Zahlen. – Wir haben in Salzburg im Jänner 2004 insgesamt 14 320 Arbeitslose, davon sind jugendliche Arbeitslose, Arbeitslose zwischen 15 und 24 Jahren 2 576. Das ist nicht eine Zahl, die Anlass zum Jubeln gibt, finde ich. Das ist eine Steigerung von 9 Prozent gegenüber dem Jahr 2000!


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Lehrstellensuchende haben wir 195; das sind 19,6 Prozent gegenüber 2000. Wir haben dafür aber eine Erhöhung der Saisonniers: Innergebirg arbeiten in der Haupt­saison, im Winter, 3 000 Menschen.

Zum Beispiel wurde eine Lehrlingsstiftung in Bischofshofen vor drei Jahren sang- und klanglos eingestellt. Man hat gesagt, man brauche diese Maßnahme nicht. Zwei Jahre später wurde dieselbe Maßnahme dem Wirtschaftsförderungsinstitut angeboten; die mussten komplett neu anfangen. Ich wurde damals von einem Poly-Lehrer gefragt, ob ich Unterlagen zur Arbeit mit langzeitarbeitslosen Jugendlichen hätte. Es gibt Jugend­liche, die zwei Jahre lang auf der Straße gestanden sind, weil solche Projekte einfach eingestellt worden sind, ohne dass man dafür ein anderes Konzept vorweisen konnte!

Jetzt noch zu einem anderen Thema, weil es mit auch mein Thema ist: die ÖVP-Ab­sage an das Kyoto-Ziel. Das ist ein umweltpolitischer Offenbarungseid der ÖVP. Lan­deshauptmann-Stellvertreter Wolfgang Eisl hat angekündigt, Salzburg werde sich vom Kyoto-Ziel abwenden und keine Reduzierung der Treibhausgase durchführen. Wir fin­den, dass mit diesem Steinzeit-Wirtschaftsliberalismus keine Entwicklung stattfindet, sondern ein Rückschritt. Die Folgen sind auch für die Wirtschaft fatal, denn Klima­schutz ist gerade für die Klein- und Mittelbetriebe keine Behinderung, sondern eine echte Chance. (Beifall bei den Grünen.)

Und wenn ich von Ihrer Regierung, Herr Minister, immer wieder höre, dass privat bes­ser ist als Staat, dann weiß ich schon, was Sie meinen: Die Gewinne werden priva­tisiert – und die Verluste werden verstaatlicht. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen.)

17.34

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen in dieser Debatte liegen nicht vor. Ich schließe daher diese Debatte.

Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir nehmen die Verhandlungen über die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung wieder auf.

Am Wort ist die in ihren Ausführungen unterbrochene Abgeordnete Marek. Restliche Redezeit im Rahmen der freiwilligen Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Frau Kollegin.

 


17.35

Abgeordnete Christine Marek (fortsetzend): Klarerweise sind Geldbußen und Probe­zeiten mit deutlich weniger hohem Aufwand für die Justiz verbunden, insbesondere deshalb, weil die Situation der Opfer dabei eigentlich kaum bis gar nicht berücksichtigt werden muss.

Die Anwendung von außergerichtlichem Tatausgleich und unterschiedlichen Auflagen­modellen macht einfach eine weitaus differenziertere Befassung mit dem jeweiligen Fall notwendig.

Daher sieht der nun vorliegende Gesetzentwurf deutliche Verbesserungen der Diver­sionsmaßnahmen in Bezug auf die bereits erwähnte Win-Win-Situation Opfer – Täter vor. Damit wird die Neuregelung auch einer Forderung von NEUSTART gerecht, für die etwa eine verbesserte Kooperation zwischen Gericht, Staatsanwalt und NEUSTART die Voraussetzung für nachhaltige Maßnahmen ist.

In Zukunft müssen die Opfer entsprechend gehört werden, angerichteter Schaden muss wieder gutgemacht werden.


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Besonders wichtig ist für mich diese Neuregelung als Familienpolitikerin, denn Gewalt in Familie und Partnerschaft ist für mich einer der gravierendsten Bereiche, in denen Maßnahmen durch diese Neuregelungen hilfreich sein können. Verhaltensthera­peu­tische Maßnahmen für Gewalttäter in der eigenen Familie können zwar Geschehenes nicht wieder gut machen, aber wieder ein Miteinander nach den diversionellen Maß­nahmen möglich machen.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass mit den vorliegenden Verbesserungen im Bereich der Diversion nun endgültig ein Instrument vorliegt, das zu einer echten Win-Win-Situation von Täter und Opfer führt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

17.36

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rest-Hinterseer. – Bitte. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Jetzt können wir über Salzburg weiterreden!)

 


17.37

Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Ich möchte nur eine kurze Ergänzung zu den Anmerkungen der Frau Abge­ordneten Marek vornehmen. Als Bewährungshelferin kann ich das, glaube ich, auch kompetent sagen. Es ist nicht so, dass es neu ist, dass Opfer und Täter einander tatsächlich begegnen. Es ist vielmehr so, dass sich die Gerichtspraxis in den letzten Jahren sehr verändert hat, und zwar haben Staatsanwälte immer mehr in der Diversion Geldstrafen verhängt und keine anderen diversionellen Maßnahmen, wie zum Beispiel den außergerichtlichen Tatausgleich.

Im außergerichtlichen Tatausgleich begegnen sich eben genau Täter und Opfer. Ich habe das selbst auch miterlebt. Es ist dies eine andere Form der Schadenswieder­gut­machung, die sehr viel besser wirkt.

Warum wird das nicht gemacht? – Das ist teurer. Das wird Sie jetzt überraschen, dass Qualität teurer ist, es ist aber so. Sie können nicht zu Diskontpreisen etwas bekom­men, was einfach mehr Geld kostet und was auch mehr Personen braucht, mehr Per­sonen in den Gerichten, aber auch mehr Personen in der Betreuung. Und das wird ver­mutlich auch dieses neue Gesetz nicht verändern, sondern nur eine Maßnahme des Bundesministers, neues Personal zu ermöglichen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.38

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Praßl. – Bitte.

 


17.38

Abgeordneter Michael Praßl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Opfer einer Straftat zu werden, ist eine der schlimmsten Erfahrungen, die ein Mensch in seinem Leben machen kann. Diese Erkenntnis hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in immer größeren Kreisen der Rechtswissenschaft durchgesetzt und gehört heute zum rechtspolitischen Allge­meingut.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser täterzentriertes Strafverfahren hat in der Praxis der vergangenen Jahrzehnte zu einer zwangsläufigen Vernachlässigung des Opfers geführt. Dass der Täter nicht zum bloßen Objekt staatlichen Handels de­gradiert werden darf, ist eine uralte rechtsstaatliche Überzeugung. Dass aber auch das Opfer mehr als nur ein Beweismittel ist, wurde bisher nicht gebührend berücksichtigt. Besonders belastete Opfer sollten daher auch eine Unterstützung bekommen, zum Beispiel eine juristische und psychosoziale Prozessbegleitung.


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Jedes Opfer soll die Möglichkeit haben, sich dem Verfahren als Privatbeteiligter anzu­schließen und hat in diesem Fall besondere Verfahrensrechte, wie zum Beispiel das Beweisantragsrecht.

Neu ist aber auch, dass Opfer und Personen, deren strafrechtlich geschützte Interes­sen durch die Straftat verletzt wurden, das Recht haben, die Fortführung eines Verfah­rens durch den Staatsanwalt zu verlangen. Kommt der Staatsanwalt diesem Verlangen nicht nach, ist zur Entscheidung darüber das Oberlandesgericht berufen, das dem Staats­anwalt die Fortführung dieses Verfahrens auftragen kann.

Der heutige Ausgangspunkt aller Überlegungen ist die Erkenntnis, dass das Opfer einer Straftat im Strafverfahren gegen den Täter eine Stellung erhalten soll, die seine eigene Rechtspersönlichkeit anerkennt. Diese Neuerungen in der Strafprozessordnung zugunsten der Opfer von Straftaten entsprechen der langjährigen Forderung nach einer durchgängig opferfreundlichen Ausübung des staatlichen Strafanspruchs.

Sehr verehrte Damen und Herren! Ich stimme dieser Reform sehr gerne zu. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.41

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Sonnberger. – Bitte.

 


17.41

Abgeordneter Dr. Peter Sonnberger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Justizminister! Geschätzte Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag. Wa­rum? – Jahrzehntelang hat man sich bemüht, die Strafprozessordnung zu ändern, von 1974 beginnend, und heute wird eine moderne Strafprozessreform beschlossen, die seit April 2003 in sechs Unterausschuss-Runden unter Beiziehung von Experten be­raten wurde. Universitätsprofessoren, Standesvertreter, erfahrene Anwälte, Legisten und Experten sind Garant für dieses praxisorientierte Reformwerk.

Wenn Frau Kollegin Mag. Becher diese Reform unter anderem als herzlos bezeichnet hat, so müsste man dem eigentlich gegenüberstellen, dass ein Vierteljahrhundert die Möglichkeit bestanden hätte, eine Besserstellung für die Opfer und für die Beschul­digten zu erreichen. Von dieser Möglichkeit hat man aber nicht Gebrauch gemacht, ob­wohl in diesem Bereich durchaus Handlungsbedarf gegeben war. Diese Regierung ist angetreten, Probleme zu erkennen, zu diskutieren, Experten beizuziehen und dann auch entsprechende Verbesserungen umzusetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte im Speziellen auf die zukünftige Rolle des Gerichts im Ermittlungs­verfah­ren eingehen. Die Rolle des Gerichts ist grundsätzlich auf den Grundrechtsschutz be­schränkt – Beispiele hiefür sind Haftbefehle, Telefonüberwachung, Hausdurchsuchung und Beschwerden. Bei diesen Entscheidungen kann das Gericht, sofern erforderlich, weitere Ermittlungen durch die Kriminalpolizei anordnen. Das Gericht kann darüber hinaus von Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei tatsächliche Aufklärungen über den Fall verlangen. Darüber hinaus soll aber auch das Gericht Beweise aufnehmen, und zwar dann, wenn diese in der Hauptverhandlung voraussichtlich nicht zur Verfügung stehen werden.

Abgesehen von der Genehmigung von Zwangsmaßnahmen hat das Gericht ferner in Fällen der kontradiktorischen Vernehmung tätig zu werden, und der Staatsanwalt hat ge­richtliche Ermittlungen oder Beweisaufnahmen zu beantragen, wenn an der Strafver­folgung wegen des Gewichts der aufzuklärenden Straftat und der Person des Tatver­dächtigen ein besonderes öffentliches Interesse besteht.

Ich habe begonnen mit: Heute ist ein guter Tag. Goethe meinte einst: Nichts ist schwe­rer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen. – Ich verstehe, dass die Opposition


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nicht gut „drauf“ ist, hat doch diese Regierung für viele gute Tage in diesem Haus gesorgt.

Abschließend möchte ich mich bei allen bedanken, die zum Gelingen dieses Gesetzes­werkes beigetragen haben, an der Spitze beim Justizminister, bei der Ausschuss­vor­sitzenden und bei allen Experten. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.44

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schiefermair. – Bitte.

 


17.44

Abgeordnete Notburga Schiefermair (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Minis­ter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun. Im Rahmen der Reform des nun lang diskutierten Strafprozessgesetzes möchte ich nun auf die Opfer eingehen, denn wer Schaden hat, bekommt nun endlich Hilfe.

Heute vor der Unterbrechung durch die Dringliche ist gesagt worden – und das ist einfach falsch –, dass die Opfer über ihre Rechte nicht informiert werden. Bereits bei der ersten Befragung werden sie über die Prozessbegleitung und die Opferschutz­ein­richtungen informiert – dies bereits bei der Polizei und nicht erst im Prozess!

Auch die Forderung nach einer schonenden Vernehmung ist im Entwurf verwirklicht, und zwar für alle, die diese schonende Vorgangsweise brauchen. Dies generell zu ver­langen oder zu veranlassen widerspricht dem Unmittelbarkeitsprinzip. Richter, Ge­schworene und Staatsanwalt sollen das Opfer im Verfahren unmittelbar befragen können. Von diesem Grundsatz gehen wir jedoch ab, wenn es die Schonung der Opfer verlangt.

Endlich wird die Hauptaufmerksamkeit nicht nur den tatverdächtigen und angeklagten Personen gewidmet, sondern auch den Opfern wird die angemessene Aufmerksamkeit des Gesetzgebers zuteil.

Nun, von wie vielen Betroffenen gehen wir denn aus? – Im Vorjahr waren 312 895 Per­sonen von Straftaten betroffen, davon 207 000 in bezirksgerichtlichen Verfahren und über 100 000 in landesgerichtlichen Verfahren.

Neben der Aufklärung von Straftaten als Grundprinzip des Verfahrens wird auf die Bedürfnisse und Ansprüche der geschädigten Personen eingegangen. Niemand kann eine Straftat ungeschehen machen. Diese Erfahrung kann man nur bestmöglich zu verarbeiten versuchen. Dazu dient sicher auch die beabsichtigte Regelung, dass Opfer von Sexual- und Gewaltdelikten Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozess­begleitung haben sollen – bisher freiwillig, jetzt aber haben sie gesetzlichen Anspruch darauf.

Hierher gehört auch das Recht der Opfer, über die Entlassung des Beschuldigten aus der Haft informiert zu werden, und sie haben das Recht, einen Antrag auf Fortführung des Verfahrens einzubringen, wenn das Verfahren eingestellt wird.

Besonders wichtig erscheint es mir aber, dass auf die vielfältigen, subtilen Methoden des Verbrechens nun auch mit verbesserten Ausstattungsmerkmalen für die Exekutive reagiert wird. Gerade in der Verbrecherszene bedient man sich aller neuen tech­nischen Möglichkeiten. Es kann nicht angehen, dass sich der Kriminelle bester Aus­stattung erfreut, während sich der Exekutivbeamte mit veralteten Mitteln behelfen muss. (Abg. Sburny: Das weiß man nicht, ob er kriminell ist, oder? Es gilt noch immer die Unschuldsvermutung!) Überspitzt formuliert: Bisher ist die Exekutive mit dem


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Fahrrad unterwegs und soll einem modern ausgestatteten Rennfahrzeug des Kriminel­len nachfahren.

Jetzt werden die Möglichkeiten im Bereich der verdeckten Ermittlung oder bei Schein­geschäften gesetzlich festgeschrieben. Die Beamten müssen sich nicht mehr in einer Grauzone bewegen.

Ich denke, es ist ein gutes Reformpaket, zu dem man einfach Entschlusskraft braucht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.48

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte.

 


17.48

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte diesen Tag nicht vorbeigehen lassen, um vor allem auch – und das habe ich heute noch nicht getan – den Mitgliedern des Justizausschusses für die letztlich doch produktive und koopera­tive Zusammenarbeit zu danken.

Insbesondere richte ich meinen Dank an die Frau Vorsitzende Dr. Fekter und an die Justizsprecherin der Freiheitlichen Partei, Dr. Helene Partik-Pablé (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), weil von beiden wichtige Anregungen ausgegangen sind, aber auch die Justizsprecher der Oppositionsparteien sind von diesem Dank nicht ausgenommen. Vielen Dank! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.49

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Ja­rolim. – Bitte.

 


17.49

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren, nur ganz kurz. Wir alle haben – und dafür möchte ich danken – ein Schreiben von den Richtern und von den Staatsanwälten bekommen – Sie werden es in Ihren Fächern haben; ich habe es jetzt gerade aus meinem Fach geholt –, und ich darf Ihnen dieses Schreiben vielleicht noch einmal als Appell an die Vernunft am Abschluss dieser Debatte vor Augen führen.

Herr Bundesminister, Sie haben ja hier Dankesworte gefunden, und ich würde er­suchen, dass Sie vielleicht – aber wahrscheinlich ist es zu spät – auch noch die Zeit finden, sich diesen Appell noch einmal durchzulesen, damit Sie sich wirklich dessen bewusst sind, was Sie hier gleich beschließen werden; wir haben Sie vormittags gewarnt, wir haben Sie nachmittags gewarnt.

In diesem Brief – und man kann Richtern und Staatsanwälten ja wohl nicht abspre­chen, dass sie wissen, wovon sie sprechen, und dass sie hier wirklich besorgt sind um die Entwicklung – heißt es in einem Schlusssatz – die anderen Passagen können Sie sich durchlesen; dafür ist genügend Zeit, glaube ich, aber ich möchte Ihre Zeit nicht noch länger in Anspruch nehmen –: Wer den Inhalt des Gesetzes mitträgt, hat auch die uneingeschränkte Verantwortung dafür, dass das Gesetz in der Praxis umsetzbar ist. Bisher ist das Gegenteil von umsetzbar garantiert. – Dramatischer, glaube ich, kann man nicht mehr appellieren!

Sie haben gemeint, dass heute ein guter Tag ist. Ich wünsche Ihnen „Guten Tag!“ – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.50

 



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Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Rückverweisungsantrag der Abgeordneten Dr. Jarolim, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für Rückverweisung stimmen, um ein Zeichen. – Der Rückverweisungsantrag ist mehrheitlich abgelehnt.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 406 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage zustimmen, um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf wurde in zweiter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest: Die Vorlage ist in dritter Lesung stimmenmehrheitlich angenommen.

Wir stimmen ab über die dem Ausschussbericht beigedruckte Entschließung.

Ich bitte, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle die einstimmige Annahme der dem Ausschussbericht beigedruckten Entschließung fest. (E 43.)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag Dr. Jarolim, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Strafbarkeit juristischer Personen.

Für den Fall der Zustimmung bitte ich um ein Zeichen. – Der Entschließungsantrag Dr. Jarolim ist mehrheitlich abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entwurf eines Verfassungsgesetzes betreffend Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit von Rechtsschutzbeauftragten.

Zu diesem Verfassungsgesetz haben die Kollegen Dr. Fekter und Mag. Mainoni einen Abänderungsantrag eingebracht und das von 20 Abgeordneten unterstützte Verlangen auf namentliche Abstimmung. Dem ist Rechnung zu tragen.

Es handelt sich um ein Verfassungsgesetz. Ich stelle daher zunächst fest, dass das erforderliche Quorum gegeben ist.

Ich lasse zunächst über den Abänderungsantrag Dr. Fekter, Mag. Mainoni in nament­licher Abstimmung bei Vorliegen des Quorums abstimmen. In einem zweiten Schritt wird dann über den Gesetzentwurf selbst abgestimmt werden.

Die Stimmzettel befinden sich in den Laden, Sie kennen die Prozedur. Ich brauche sie nicht zu wiederholen. Die grauen Stimmzettel bedeuten „Ja“, die rosa Stimmzettel „Nein“.

Herr Abgeordneter Wimmer ist gebeten, mit dem Namensaufruf zu beginnen; Kollege Auer wird ihn dann ablösen. – Bitte mit dem Namensaufruf zu beginnen!

(Über Namensaufruf durch die Schriftführer Wimmer und Jakob Auer werfen die Ab­geordneten die Stimmzettel in die Urne.)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich stelle fest, dass die Stimmabgabe beendet ist, und bitte um Auszählung der Stimmen.

Die Sitzung ist für kurze Zeit unterbrochen.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenauszählung vor. – Die Sitzung wird um 17.59 Uhr unterbrochen und um 18.04 Uhr wieder aufgenommen.)

 



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Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt wie folgt:

Abgegebene Stimmen: 171, davon „Ja“-Stimmen 95, „Nein“-Stimmen 76.

Der Abänderungsantrag Dr. Fekter, Mag. Mainoni, Kolleginnen und Kollegen ist somit zwar mit Stimmenmehrheit angenommen, aber nicht mit der erforderlichen Zwei­drittelmehrheit. Es liegt somit kein Gesetzesbeschluss des Nationalrates im Sinne § 82 Abs. 2 GOG vor. (Abg. Dr. Fekter – in Richtung SPÖ –: Eine Kindesweglegung ist das!)

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenom­men.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Achleitner, Amon, Auer Jakob, Auer Klaus Hubert;

Bleckmann, Böhm, Bösch, Brader Alfred, Brinek, Bucher;

Dolinschek, Donabauer Karl, Donnerbauer Heribert;

Ellmauer, Eßl;

Fasslabend, Fekter, Felzmann, Franz, Freund, Frieser, Fuhrmann;

Gahr Hermann, Glaser, Grander, Grillitsch, Großruck;

Hakl, Haubner, Hofmann, Höllerer, Hornek, Huainigg, Hütl;

Ikrath;

Kainz, Kapeller, Keuschnigg, Khol, Kopf, Kößl, Kurzbauer;

Langreiter, Ledolter, Lentsch, Lichtenegger, Lopatka;

Machne, Maier Ferdinand, Mainoni, Marek, Miedl, Mikesch, Missethon, Mitterlehner, Molterer, Murauer;

Neudeck, Neugebauer;

Pack, Partik-Pablé, Praßl, Preineder, Prinz, Prinzhorn;

Rädler Johann, Rasinger, Regler Roderich, Riener, Rosenkranz, Rossmann;

Scheibner, Scheuch, Schiefermair, Schöls, Schultes, Schweisgut, Sieber, Sonnberger, Spindelegger Michael, Stadler, Steibl Ridi, Steindl Konrad, Stummvoll;

Tamandl, Tancsits, Trinkl, Turković-Wendl;

Walch, Wattaul, Winkler, Wittauer, Wöginger, Wolfmayr;

Zweytick.

Mit Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Bauer, Bayr, Becher, Binder, Brosz, Broukal, Bures;

Cap, Csörgits;

Eder;

Faul, Fleckl;

Gaál Anton, Gartlehner, Gaßner, Grossmann, Grünewald, Gusenbauer;

Hagenhofer, Haidlmayr, Heinisch-Hosek, Heinzl, Hoscher;


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Jarolim;

Kaipel, Kogler, Königsberger-Ludwig, Krainer, Kräuter, Krist, Kummerer, Kuntzl;

Lackner, Lapp, Lichtenberger, Lunacek;

Maier Johann, Marizzi, Matznetter, Moser Hans, Muttonen;

Niederwieser, Nürnberger;

Oberhaidinger, Öllinger;

Parnigoni, Pendl, Pfeffer, Pirklhuber, Posch, Prähauser, Prammer, Puswald;

Rada Robert, Rest-Hinterseer, Riepl;

Sburny, Scharer, Schasching, Schieder, Schönpass, Schopf, Silhavy, Sima, Spindelberger Erwin, Stadlbauer, Steier, Stoisits;

Trunk;

Van der Bellen, Verzetnitsch;

Walther, Weinzinger, Wimmer, Wittmann, Wurm.

*****

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschussberichts.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf in der Fassung des Aus­schussberichts zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, dass die Abstimmung ebenfalls eine Stimmenmehrheit, aber nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit erbracht hat. Auch hier liegt somit in zweiter Lesung kein Gesetzesbeschluss vor.

Die dritte Lesung muss daher entfallen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Cap, Kollegen und Kolleginnen auf Einsetzung eines Untersu­chungs­ausschusses betreffend Aufklärung über die Gebarung des Bundeskanzlers und aller Bundesminister betreffend Werkverträge, Beraterverträge, Verwaltungs-, Or­ganisationsberatung und Öffentlichkeitsarbeit.

Der Antrag ist verteilt worden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Cap, Dr. Kräuter, Mag. Gaßner und GenossInnen gemäß § 33 GOG betreffend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen den Antrag, einen Untersuchungsausschuss im Verhältnis V: 5, S: 4, F: 1 und G: 1 einzusetzen.


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Gegenstand der Untersuchung:

Aufklärung über die Gebarung des Bundeskanzlers sowie sämtlicher Bundesminister hinsichtlich der Vergabe, Abwicklung und (Einsparungs-) Wirkung von Werkverträgen für externe Berater betreffend Verwaltungs- und Organisationsberatung sowie Öffent­lichkeitsarbeit seit 4.2.2000.

Untersuchungsauftrag:

Der Untersuchungsausschuss soll durch Erhebung von mündlichen und schriftlichen Auskünften zum Untersuchungsgegenstand und durch Einsicht in die Akten des Bun­deskanzleramtes sowie sämtlicher Ressorts, deren Dienststellen und der ÖIAG im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand sämtliche Sachverhalte auf recht­liche und politische Verantwortlichkeiten überprüfen.

Begründung:

Mehrere Serienanfragen hinsichtlich der durch die schwarz-blaue Bundesregierung beauftragten externen Berater ergaben, dass seit 4.2.2000 mindestens 71.710.666 Euro für Verwaltungsberatung und externe Werbedienstleister verschwen­det wurden. Nicht in diese Berechnungen sind die Werbeeinschaltungen der Bundes­regierung während des Nationalratswahlkampfes 2002 eingeflossen. Diese belaufen sich für die Zeit von 14.9.2002 bis zum 24.11.2002 hochgerechnet auf mindestens 1,9 Millionen Euro. Daraus ergibt sich ein summiertes Beraterhonorar von mehr als 73,6 Millionen Euro oder einer Milliarde Schilling.

Ebenso unberücksichtigt blieben die frustrierten Aufwendungen für nicht in Anspruch genommene bzw. im Rahmen des Bundesbedienstetensozialplan-Gesetzes in den Ruhestand bzw. in den Karenzurlaub-Vorruhestand versetzte Beamte.

Laut Anfragenbeantwortungen zur Anfragenserie der Bundesräte Prof. Konecny und GenossInnen wurden seit 9.9.2002 523 Bundesbedienstete gem. den §§ 22a und 22c des Bundesbedienstetensozialplan-Gesetzes (sogenannte „Chance 55“) aus dem akti­ven Stand ausgelagert. Setzt man nun die durchschnittlichen Bruttojahreskosten für die entsprechenden Bundesbediensteten mit 50.000 Euro an, so ergibt dies eine monat­liche Kostenbelastung in Höhe von 2,179.156 Euro. Das entspricht einer Jahres­kostenbelastung von mehr als 26 Millionen Euro.

Gleichzeitig erhöhten sich die Kosten der Referenten in den Ministerbüros insofern, als in den einzelnen Büros der Bundesminister bzw. der Staatssekretäre jeweils durch­schnittlich 7,5 Referenten bedienstet sind und diese ein durchschnittliches Monats­einkommen samt Überstunden von 7.630 Euro (Berechnungsbasis ergibt sich aus den Erhebungsberichten zum Ständigen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses betreffend Ministerbüros) beziehen.

Für die Gesamtanzahl von Ministersekretären ergibt sich daher ein monatlicher Kos­tenansatz von 915.600 Euro, sohin Jahreskosten von fast 11 Millionen Euro.

Noch nie wurden entsprechend hohe Ausgaben für externe Berater trotz Vorhanden­seins eines entsprechenden Beamtenapparates samt interner Ressortexperten durch eine Bundesregierung getätigt. Trotz vermehrter Kritik an der kostenintensiven und ergebnisarmen Auslagerung an Externe, wurden diese durch die Mitglieder der Bundesregierung vor allem im Jahr 2003 vermehrt beauftragt.

Diese Auslagerungen führten ausschließlich zu einer enormen Belastung des Steuer­zahlers.


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Mit der Vergabe von Beraterverträgen in Höhe von 1,9 Millionen Euro durch die Bun­desministerin a.D. Forstinger und ihren Kabinettchef Miko beschäftigt sich seit mehreren Monaten die Staatsanwaltschaft Wien und es wurde diesbezüglich ein Strafverfahren gegen Kabinettchef Miko eingeleitet. Ob und in welcher Höhe Rückforderungsansprüche bzw. Regressansprüche durch den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie geltend gemacht wurden, blieb bisher unklar.

Sämtlichen Aufträgen ist gemein, dass immer wieder Problemstellungen bei der Vergabe dieser Werkverträge auftauchen, oft fehlt auch eine ausreichende Begrün­dung für die Vergabeentscheidung.

In zahlreichen Fällen wurden durch die einzelnen Ressorts sogenannte „Verfahrens­experten“ für die Vergabe von externen Beratungsverträgen auf Werkvertragsbasis herangezogen. Diesbezüglich ist anzumerken, dass in sämtlichen staatlichen Dienst­stellen grundsätzlich ausreichende fachspezifische Kompetenz der Mitarbeiter vor­handen ist, um Vergabeverfahren ohne externe Hilfe abzuwickeln.

Ein extrem negatives Beispiel für die Vergabe einer Leistung an einen externen Berater unter Zuziehung eines externen Vergabeexperten ist das Veräußerungsvorhaben des Bundesministers für Finanzen hinsichtlich der Bundeswohnungsgesellschaften. Allein für die Vorberatung dieses bisher nicht realisierten Projektes, wurden durch Finanz­minister Grasser 10,9 Millionen Euro für Beratungskosten an externe Berater ver­schleudert, darunter mehrere Rechtsanwaltskanzleien und die Lehman & Brothers Bankhaus AG, an die exakt 10,23 Millionen Euro an Beratungssalär gingen.

Ein ebenso teurer Beratungsfehler unterlief bei der Vergabe des Projektes „Adonis“ durch den Bundesminister für Inneres, diesbezüglich scheiterte die Herstellung eines bundesweiten Funknetzes für Blaulichtdienste an den fremd erstellten Ausschreibungs­bedingungen sowie an der Definition von Funkprioritäten und der entsprechenden Zusammenarbeit der Nutzer.

Auffällig an den diversen Vergaben der Ministerien ist vor allem auch der Umstand, dass sich in vielen Fällen persönliche Beziehungen zwischen den auftraggebenden Ministern und den jeweiligen Unternehmens- und Werbeberatern nachweisen lassen. Ein Kontrollproblem resultiert auch aus dem Umstand, dass bisher keine Informationen über Zahlungsflüsse in Form von Subvergaben durch die Bundesminister offengelegt wurden. Die Erstellung der KHG-Homepage zeigte klar, dass Netzwerke rund um den politischen Entscheidungsträger – getarnt als Subauftragnehmer – durch dessen Ver­gaben profitieren.

Ebenso unklar wie die tatsächlichen Geldflüsse im Rahmen dieser 73,6 Millionen Euro Aufträge sind deren Abwicklungsstatus und Einsparungswirkungen.

Aus der enormen Kostenhöhe sowie den genannten Fakten und Darstellungen ist die sofortige Einsetzung eines Untersuchungsausschusses geboten.

Unter einem verlangen die unterzeichneten Abgeordneten gem. § 33 Abs. 2 GOG die Abhaltung einer kurzen Debatte über diesen Antrag.

*****

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Debatte geht eine Wortmeldung des Antragstellers voraus.

Das Wort erhält Herr Abgeordneter Dr. Cap. Redezeit: 10 Minuten. Alle anderen Abgeordneten 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 



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18.06

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Die Basis für die Initiative, hier einen Untersuchungsausschuss zu fordern, war eine Serie von ungefähr 112 Anfragen, auf die die diversen Ressorts und das Bundeskanzleramt auch geant­wortet haben. Das wurde einer Analyse unterzogen, ein ganz normaler demokratischer Kontrollprozess, und es hat sich herausgestellt, am vorläufigen Endpunkt dieser Anfragenserie, denn wir werden sie selbstverständlich noch fortsetzen, dass insgesamt für Beratertätigkeit und Werbetätigkeit für die Bundesregierung in der Summe der Ressorts an die 73 Millionen € ausgegeben worden sind. Das ist in Altwährung zirka 1 Milliarde Schilling. Da muss man sich schon die Frage stellen, wozu es dann eigentlich die höchst qualifizierten Beamten in den verschiedenen Ressorts gibt. Hat das keine Bedeutung? Werden die nicht mehr beschäftigt? Sucht man also daher grundsätzlich den Weg zu Beraterfirmen, oder gibt es einen anderen Grund, weswegen man sich an Beraterfirmen wendet, vielleicht auch noch Subfirmen beauftragt, vielleicht dann noch irgendwelche Freunde mit diesen Aufträgen beglücken kann, damit sich ihre Bilanzen verbessern? Was ist da der Hintergrund?

Sie werden verstehen, dass es bei einer derartigen Riesensumme ein ganz selbst­ver­ständliches Bedürfnis ist, viel mehr Details als Information zu bekommen und wissen zu wollen, was da in Wirklichkeit eigentlich dahinter steckt. Das ist einer der Gründe, warum wir zu dem Schluss gekommen sind, dass man in dieser Sache einen Unter­suchungsausschuss einsetzen sollte.

Wenn Sie die Liste der verschiedenen Ressorts durchgehen, werden Sie feststellen, dass da sehr unterschiedlich hohe Ausgaben für diese Zwecke getätigt worden sind. Zum Beispiel verbrauchte das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Gene­rationen für Beratungstätigkeit 2,434 Millionen €, für Werbung bereits 9,221 Millionen €. Wahrscheinlich waren die Beratung und der Erfolg so bescheiden und die Fett­näpfchen so zahlreich, dass man eben versucht hat, das dann mit besonders viel Geld für die Werbung auszugleichen.

Ich könnte das jetzt Ressort für Ressort durchgehen, ich möchte mich aber nur auf die ganz dicken Brocken konzentrieren. Das ist in Wahrheit das Bundesministerium für Finanzen, und es ist natürlich auch das Bundeskanzleramt, wobei sich Letzteres mit Beratungskosten von fast 7 Millionen € und Werbungskosten von fast 9 Millionen € zu Buche schlägt. Das sind insgesamt immerhin fast 16 Millionen €. Das muss man sich einmal vorstellen! (Abg. Neudeck: Das ist nur ein Viertel der Summe, die Häupl in Wien jährlich ausgibt!)

Das Bundesministerium für Finanzen verbrauchte an Beratungskosten 15,366 Mil­lionen € und an Werbungskosten fast 7 Millionen €, und da habe ich die ganze BUWOG-Sache mit den 10 Millionen € noch gar nicht eingerechnet. Das müssen Sie sich einmal vorstellen! Allein das Finanzministerium hat also, wenn ich das zusam­menaddiere, über 22 Millionen € ausgegeben.

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Ich kann mich daran erinnern, wie Sie jahrelang hier herausgegangen sind, jahrelang geschrieen und die im Vergleich dazu weit geringeren Werbeausgaben kritisiert haben. Von den Beratungskosten rede ich gar nicht, denn damals hat sich die Regierung in erster Linie auf die hoch qualifi­zierten Beamten verlassen. Damals sind Sie von den Freiheitlichen herausgegangen, Jörg Haider und alle, die zu dieser Zeit dort gesessen sind, und haben von Privilegien und Sauerei im Zusammenhang mit Werbung und allem Möglichen gesprochen. Jetzt sitzen Sie lammfromm da und werden wahrscheinlich einen Verteidigungsredner herausschicken, der sagt: Mein Gott, eine Milliarde, was ist das schon!? Ist ja lächerlich! (Abg. Neudeck: Ich bin schon auf dem Weg!)


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Aber es ist ja nicht nur das, sondern ich denke auch an die Wortmeldungen des Finanzministers. Das ist der, der das meiste Geld kassiert, nämlich alles, und das meiste Geld laut dieser Liste hinaushaut. Das muss man einmal in aller Deutlichkeit sehen. Da gibt es ein Beispiel – wir haben ihn ja hier schon einige Male sich in dieser Richtung äußern gehört –: Es hat eine Begleitung gegeben, „Change Process“ heißt das auf Neusprech, gemeint ist damit eine Reorganisation der Finanzverwaltung. Durchgeführt wurde der Auftrag von Infora, das Honorar betrug 452 000 € – übrigens fast identisch mit dem Auftrag für McKinsey & Company, für den Kosten im Ausmaß von 344 000 € angefallen sind. Es ist eigentlich der gleiche Auftrag. Insgesamt ange­fallen sind 6 000 Arbeitsstunden, wenn man das nach den bisherigen Erfahrungs­werten und diesem Honorar, das hier zu beobachten ist, umrechnet.

Wie schaut das Ergebnis aus? Grasser behauptet, die Reduzierung von 80 Finanz­ämtern auf 43 Finanzämter war Gegenstand des Zieles und daher auch der Beratung – bisher nicht passiert. Reduzierung der Zahl der Finanzamtsvorstände von 80 auf 43 – nicht passiert. Reduzierung der Hierarchieebenen von vier auf zwei innerhalb eines Finanzamtes – nicht passiert. Abbau von einem Drittel der Führungskräfte – nicht passiert. Standardisierung betreffend Erledigungsdauer – nicht passiert. Nur damit man das Ergebnis sieht.

Ich frage mich: Wozu hat Grasser so viel Geld hinausgeworfen? Wozu hat es zwei Beraterfirmen gegeben? Wozu hat er sich hierher gestellt und Ziele aufgezeigt, wenn dann das Ergebnis null ist, außer dass über 700 000 € beim Fenster hinausgeworfen worden sind?

Wieso interessiert Sie das eigentlich nicht? (Abg. Neudeck: Weil es nicht stimmt!) Sie sollten doch auch hier aufstehen und eine Untersuchung verlangen. Da halten Sie in Ihren Wahlkreisen den Kopf hin für die höchste Steuer- und Abgabenquote – die Sie übrigens mitbeschließen, weshalb Sie zu Recht den Kopf hinhalten, muss ich dazusagen –, für Pensionskürzungen, und dann sagen Sie: Mein Gott, 1 Milliarde, 700 000 €! – Da fliegen die Millionen da oben auf der Regierungsbank nur so umher, dass man sich schon förmlich ducken muss, wenn man da am Rednerpult steht.

Oder: Veräußerung des Österreichischen Bundesverlages. Da gibt es die Alpen- und Treuhand GmbH, die das Finanzministerium beraten hat; Honorar: 788 000 €. Und die Beratungstätigkeit bezog sich auf die Frage: Wie verkaufe ich den Österreichischen Bundesverlag? (Abg. Neudeck: Sehr erfolgreich!) Na super! Finanzminister Grasser hat sich hingestellt und gesagt: Das Einsparungspotential ist 24 Millionen €! – Wissen Sie, was 24 Millionen € sind? Nichts anderes als der erzielte Kaufpreis. (Abg. Öllinger: Nicht einmal das!) Lachhaft ist das! Lachhaft! Dafür brauchen Sie eine Beraterfirma, die kommt und sagt: Wissen Sie was, verkaufen ist verkaufen! Ich werde Ihnen das jetzt lernen: Sie suchen einen Käufer!? – Und das macht ein Honorar von 788 000 €!

Oder: Veräußerung der Bundeswohnbaugesellschaften – Beratung durch Leh­man & Brothers. Wenn mich nicht alles täuscht, hat man, bevor man das dieser Vergabefirma gegeben hat, zuerst einmal einen Vergabeberater gesucht, wie man es eigentlich fachkundig macht. Das waren die Universitäts-Professoren Dr. Bogner: 77 000 €, und Dr. Kletecka: 102 000 €, eine Rechtsanwaltskanzlei: 506 000 € Honorar. Wenn ich das addiere, ergibt das fast 700 000 €, damit überhaupt einmal eine Ver­gabeberatung stattfindet, die mir sagt, wie man richtig eine Vergabefirma betraut. Letztere hat aber dann 10 Millionen € abkassiert, bis dann endgültig – in welcher Form, das ist eine andere Diskussion – auch noch diese Veräußerung der Bundeswohn­baugesellschaften vonstatten gegangen ist. 10 Millionen € allein für die Vergabefirma, umgerechnet 140 Millionen Schilling!


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Ich und alle anderen meiner Fraktion, wir würden uns das gerne im Detail ansehen, sowohl was das Finanzministerium betrifft als auch alle anderen Ministerien, als auch das Bundeskanzleramt. Ich möchte wissen, wie viele Subaufträge es gegeben hat. Ich möchte wissen, wer hier was genau bekommen hat und warum und mit welchem Ergebnis und wie hier die verschiedenen Freundeskreise letztendlich bedient wurden. Möglicherweise treffen wir dann auf den einen oder anderen Freundeskreis, der bei der Debatte um die Homepage und so weiter auch eine Rolle gespielt hat.

Ich sage Ihnen: Das ist doch einen Untersuchungsausschuss wert. Wenn Sie hier wirklich Ihre Aufgabe als unabhängige Abgeordnete ernst nehmen, wenn Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, Ihre Geschichte der letzten Jahre ernst nehmen, wo Sie tagtäglich aufgetreten sind, um so genannte oder auch wirkliche Missstände aufzuzeigen, wenn Sie das alles wirklich ernst nehmen, dann erklären Sie mir bitte, wieso Sie nicht dafür sein können, in dieser Sache einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.

Ich möchte mir das gerne anhören, aber übertragen Sie das gleich direkt nach Kärnten und Salzburg, denn die Leute dort wird das auch interessieren, wie aus der einstigen so genannten Aufdeckerpartei, Missstände-Kritisierer-Partei, Antiprivilegienpartei ein lammfrommes Häufchen wurde, das zuschaut und zunickt, wenn da oben (auf die Regierungsbank weisend) die Millionen in der Gegend herumfliegen, die Sie vorher den Österreicherinnen und Österreichern aus der Geldtasche herausgepresst und den Pensionistinnen und Pensionisten durch Kürzungen aus der Hosentasche und aus dem Geldbörsel gezogen haben. Das ist moralisch ungemein verwerflich, was sich hier in Wirklichkeit abspielt! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Bei Ihnen sind die Kriterien für Rücktritte andere: Da muss man erst von da oben (wieder auf die Regierungsbank weisend) abgeführt werden, vorher braucht da keiner zurückzutreten. Das Wort „politische Verantwortung“ ist aus Ihrem Vokabular ge­strichen. Für uns ist das nicht so, und daher wollen wir einen Untersuchungs­ausschuss haben, und ich appelliere an Sie, diesem Untersuchungsausschuss auch zuzustim­men. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.16

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen je 5 Minuten.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte.

 


18.17

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt ist er also da, der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, wie er breitspurig in den Medien angekündigt wurde. Es war tatsächlich interessant, was als Begründung in diesem Antrag drinnen stehen wird. Ich darf Ihnen nur sagen, Herr Kollege Cap: Die Suppe ist tatsächlich sehr, sehr dünn! Das, was Sie hier zum Besten gegeben haben, sind Allgemeinplätze, sind Unter­stellungen, sind keine konkreten Angaben und sind bei Gott keine konkreten Vorwürfe. Und die gibt es auch nicht, denn der Skandal, den Sie suchen, hat nicht stattgefunden.

Wenn Sie Äpfel und Birnen addieren, dann kommt irgendwann eine Summe heraus, das ist richtig. Sie haben dann eine Anzahl von Obst. Das sagt aber noch lange nicht, dass der Korb deswegen faul sein muss. Lieber Herr Kollege Cap, ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie kritisieren, dass Beraterverträge vergeben wurden, wissen aber, dass viele Ver­gaben heute sehr komplex sind und dass ... (Abg. Öllinger: Ja, ja, ja!) – Ja, das ist so, Herr Kollege Öllinger! Auch Sie werden nicht alles wissen, auch wenn Sie der Meinung sind, überall mitreden zu können. (Beifall bei der ÖVP.)


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Es gibt aber Abwicklungen, die komplex sind und die anständig und eingehend vor­bereitet gehören, und genau um diese Vorgänge geht es hier, ob das jetzt die Frage der BUWOG-Verkäufe ist, ob das die Frage der Einführung des Funknetzes ADONIS ist. – Alles das, was Sie hier behaupten, hat in Wahrheit nicht stattgefunden! Sie kön­nen das alles nachkontrollieren. Die Sache ist ja durch Ihre Anfragen eindeutig deter­miniert und eindeutig beantwortet worden, denn sonst hätten Sie ja die Angaben nicht! Es gibt nichts zu verschleiern, es gibt nichts zu untersuchen, es gibt in Wahrheit keine Skandale! Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen. Wenn es den Skandal gäbe, dann würden Sie ihn ja gar nicht kennen, dann hätten Sie nicht heute hier Zahlen aus den Anfragebeantwortungen zitieren können!

Sehr geehrter Herr Kollege Cap, ich frage Sie wirklich: Was wollen Sie noch unter­suchen? Was hätten Sie noch gerne gewusst? Dann stellen Sie halt noch eine An­frage! Sie tun das ja gerne. Sie beschäftigen ja die Ministerien sehr gerne und kriti­sieren dann, dass diese Arbeit auch Geld kostet. Also bitte schön, irgendwann müssen Sie sich entscheiden, was Sie wollen.

Ich darf Ihnen nur eines sagen: Dort, wo die Sozialisten am Werk sind, ist die Aus­kunftspraxis nicht so erfreulich. Ich habe hier eine Anfrage an den Bürgermeister der Gemeinde Wien bezüglich Aufwendungen für Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit. Ich darf Ihnen sagen, was er geantwortet hat: Eine seriöse Beantwortung der auf­geworfenen detaillierten Fragen, wenn überhaupt, ist nur mit dem forcierten Einsatz von Methoden der Rasterfahndung möglich. – Grete Laska hat das unterschrieben. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Das ist die Auskunftspraxis der Sozialdemokraten! Dabei wäre sehr wohl die eine oder andere Frage zu beantworten gewesen. Ein Beispiel: Sie kritisieren hier eine Summe von 71 Millionen €. Okay, das ist sehr viel Geld, das gebe ich Ihnen zu, in der Summe: Äpfel mal Birnen ist gleich Warenkorb. Aber Ihr Freund, der stellvertretende Bun­desparteiobmann der SPÖ, Herr Bürgermeister Häupl, gibt in einem Jahr 30 bis 40 Millionen € nur für Propaganda aus! Nicht für irgendwelche Beratungsverträge – rein für Propaganda! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist mehr, als die gesamte Bun­desregierung, inklusive der Beratungsverträge, in der ganzen Legislaturperiode ausgibt!

Sehr geehrter Herr Kollege Cap, das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen! Ich bitte Sie: Kehren Sie vor der eigenen Tür!

Aber das ist nicht alles, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich habe hier eine Presseaussendung vor mir, aus der hervorgeht, dass die Stadtgemeinde Wien für die SPÖ die Propaganda für das SPÖ-Pensionsvolksbegehren finanziert und übernommen hat. (Ah-Rufe bei der ÖVP.) Das ist ein „behutsamer“ Umgang mit Steuermitteln: Die Stadtgemeinde Wien finanziert das SPÖ-Pensionsvolksbegehren, meine sehr geehrten Damen und Herren! – Und das ist kein Missbrauch der Finanzmittel, das ist kein Missbrauch der Steuermittel?! Sie sollten sich schämen, sich hier heraus zu stellen und selber solche Dinge verantworten zu müssen! Das möchte ich Ihnen sagen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Im Übrigen kritisieren Sie auch die Kompetenz der Ministerbüros. (Zwischenruf des Abg. Schieder.) Herr Kollege Schieder, ich darf Ihnen sagen: Die Ministerbüros waren Gegenstand des Rechnungshof-Unterausschusses. Dort haben Sie die Mitarbeit verweigert, dort sind Sie davongelaufen. Obstruktion kann bitte nicht eine Methode der Aufklärung sein. Herr Kollege Kogler, das wissen Sie, und alle, die sich damals verweigert haben, wissen, warum sie es getan haben: weil nichts drinnen war, weil Sie einfach nichts erreicht haben mit diesem Unterausschuss.


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Es gibt sogar einen Rechnungshofbericht, der sich mit den Werkverträgen der SPÖ-Minister auseinander setzt und auch sehr interessant ist: Sie liegen um zig, zig Prozent über dem Bezug der höchsten Bundesbeamten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Suppe ist zu dünn. Alles, was Sie hier behaupten wissen zu wollen, wissen Sie bereits, und ich darf Ihnen eines sagen: Die Zeiten der SPÖ-Regierung sind vorbei! Wir haben nichts zu verleugnen, aber es ist auch nicht notwendig, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.22

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte.

 


18.23

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eingangs möchte ich mich bei der SPÖ Wien herzlich bedanken und die SPÖ Wien beglückwünschen. Sie unterstützt nämlich dieses wichtige Volks­begehren für die ältere Generation, das ist eine gute Sache. Vielen Dank an die SPÖ Wien! Das ist eine gute Sache, sehr richtig! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Mol­terer: Steuergelder! Steuergelder! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Leider, meine Damen und Herren, entnehme ich den Worten Ihres Redners, dass Sie nicht bereit sind, dem Untersuchungsausschuss zuzustimmen, also konzentriert sich die ganze Hoffnung, dass endlich untersucht wird, auf die FPÖ. Dabei wäre es auch im Interesse der ÖVP, hier aufzuklären.

Wie ist es denn mit der Aufklärung, zum Beispiel im „kleinen Untersuchungs­ausschuss“, etwa was die Ministerbüros betrifft? Sie haben alle Ladungen abge­schmettert, alle Informationen unterdrückt. Was war das Ergebnis? Ein Rücktritt der Frau Minister Forstinger.

Oder: Gendarmerieposten. Sie haben Strassers parteipolitische Agitation gedeckt, die Aufklärung verhindert. Was ist das Ergebnis? Die Kriminalitätsrate ist gestiegen, die Aufklärungsrate gesunken, der Minister von der Bildfläche verschwunden.

Oder: Grasser. Meine Damen und Herren, Sie haben weißgewaschen, versteckt, ver­heimlicht. Was ist das Ergebnis? Traurige 15 Prozent der Bevölkerung vertrauen noch diesem Finanzminister, und Finz ist ein Ex-Rechnungshofpräsidentenkandidat. – Also ich gratuliere!

Und Sie setzen das ja ungeniert fort, was den Ausschuss bezüglich Landwirtschaft betrifft. Sie haben die Ladung von Kommissar Fischler abgelehnt, Sie haben einen befangenen Vorsitzenden, Sie haben den Erhebungsbericht verzögert. Was ist das Ergebnis? Das öffentliche Interesse an den Dingen nimmt zu, meine Damen und Herren!

Woran gibt es noch öffentliches Interesse? An den Inseraten. Ich muss schon sagen, Sie sagen hier mit diesen Inseraten das Blaue, die Nichtwahrheit vom Himmel herun­ter. (Der Redner hält ein Zeitungsinserat in die Höhe.) „Das neue Jahr beginnt mit guten Nachrichten“ – angeblich hat hier Vizekanzler Gorbach sogar selbst unter­schrieben. Sie schreiben nämlich in dieses Inserat hinein, dass die Pensionen erhöht werden.

Ja, meine Damen und Herren, was glauben Sie, was Hunderttausende Pensionistinnen und Pensionisten auf ihrem Gehaltszettel sehen? Dass sie weniger Pension haben! Wie kommen Sie dazu, hier zu inserieren, dass die Pensionistinnen und Pensionisten mehr Pension bekommen?! Das ist ja unerhört!


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Der Gipfel des Ganzen ist ja der Herr Lopatka, der sagt: Äußerst bescheiden sind diese Inserate, das ist Information pur. Mehr an Information habe er noch nie ge­sehen. – Das ist ja wirklich unglaublich.

Der Rechnungshof mahnt ja eindeutige Regelungen für diese Werbeinserate ein. Inter­essanterweise hat Frau Bleckmann im Juni des Vorjahres gesagt, dass auch die Freiheitlichen für klare – unter Haupt war das damals ein sehr beliebtes Wort – Regelungen sind: Auch die Freiheitlichen treten dafür ein, eine klare Regelung für Po­litikerwerbung anzudenken, wie sie Rechnungshofpräsident Franz Fiedler vorge­schlagen hat. – Ja, wo ist das? Kollege Neudeck wird uns ja dann hoffentlich berichten, wo diese Regelung für Politikerwerbung in Inseraten geblieben ist, wie sie der Herr Rechnungshofpräsident verlangt.

Ein sehr teures Inserat ist auch das berühmt-berüchtigte Professoren-Inserat. (Ruf bei der ÖVP: Das Fischer-Inserat!) Das hat nämlich den Finanzminister auch ein gutes Stück Glaubwürdigkeit gekostet, lieber Kollege. Ich zitiere Ihnen hier den Finanz­minister, der von der Regierungsbank aus gesagt hat:

„Da ich nicht der Auftraggeber bin, kann ich Ihnen auch nicht sagen, wer es bezahlt hat und von wem die Graphik gemacht worden ist.“

Das ist eine schlichte Unwahrheit, und einmal mehr hat hier der Finanzminister das Parlament hinters Licht geführt.

In der Folge hat dann die Kärntner FPÖ groß getönt: Skandal, das Maß an Toleranz ist überschritten. Die FPÖ ist eine Kontrollpartei! Also dieser Strutz von Kärnten hat sich schon zu einigem hinreißen lassen. „Strutz verwies auf die Funktion der Freiheitlichen in der Regierung als Kontrollpartei.“ Also, meine Damen und Herren, Kollege Neudeck, da halte ich es wirklich mit einem Kommentar im „Standard“ vom September: Die FPÖ, die lächerliche Drohpartei. Die Umfallgewissheit der Freiheitlichen ist todsicher. – Also, Herr Neudeck, stellen Sie sich hier heraus, und fallen Sie dann um! Wir werden das alles mit Kopfschütteln beobachten.

Meine Damen und Herren, die Rechnung bekommen Sie präsentiert am 7. März, und das wird eine Abrechnung sein! (Beifall bei der SPÖ.)

18.27

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Neudeck. – Bitte.

 


18.27

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! (Abg. Heinzl: Passen Sie auf, wo Sie hinfallen!) – Ich stehe gut, ich falle nicht um! Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.

Kollege Kräuter wird schon die Plakate für die Steiermark vorbereitet haben, auf denen hingewiesen wird, dass er der große Aufdecker ist. Er hat zu den Fragen, die Sie untersucht haben wollen, Kollege Cap, eigentlich gar nichts gesagt, er hat da mit alten Geschichten herumgegossen, die er aus Anfragen hat, die ja alle ausreichend beantwortet sind, die er aus seinem Wissen aus dem Unterausschuss hat. Also es ist zumindest einmal gesichert, dass er dort aufpasst.

Wissen Sie, es ist interessant, ich habe jetzt schon mehrmals, auch die Kollegen der ÖVP, hier betont, dass Bürgermeister Häupl dem zweiten Klubobmann Cap mitgeteilt hat, dass er 40 Millionen € in Wien für PR ausgibt. Er solle sich einmal ein Beispiel nehmen und sich nicht aufregen, hat Häupl zu Cap gesagt. Aus den letzten Reihen hinten kommt immer: Stimmt nicht! – Also sind es mehr als 40 Millionen €, denn wenn es weniger wären, wäre schon irgendjemand von Ihnen herausgegangen und hätte eine tatsächliche Berichtigung gemacht.


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Meine Damen und Herren! Die SPÖ hat keine Visionen, die SPÖ hat nur Ver­dächtigungen zu bieten. Es liegt nämlich alles auf dem Tisch, und, Kollege Kräuter, kon­trollieren kann man auch in der Regierung. (Ironische Heiterkeit des Abg. Dr. Cap.) Da braucht man nicht in der Opposition zu sein. (Abg. Öllinger: Schaffen Sie am besten die Opposition ab!)

Sie werfen uns vor, dass die Regierung zirka 70 Millionen € ausgegeben hat für Wer­bung, PR, Beratungsmaßnahmen. – Meine Damen und Herren, die SPÖ hat es ge­schafft, in einem Jahr, und zwar im Jahre 1998, für Werbeeinschaltungen et cetera 424 Millionen Schilling auszugeben! Das ist fast eine halbe Milliarde Schilling, meine Damen und Herren! 163 Millionen Schilling alleine für Einschaltungen im ORF, in Privatsendern, in Tageszeitungen et cetera. Natürlich war das eine Koalitionsregierung von SPÖ und ÖVP. Die ÖVP hat sich da aber anständig über den Tisch ziehen lassen, denn von diesen 163 Millionen Schilling, die allein 1998 aufgewandt wurden, fallen auf SPÖ-Ressorts und das Bundeskanzleramt 83,82 Prozent – auf die ÖVP 16,18 Pro­zent! – Ich hätte gar nicht geglaubt, dass ihr so sparsam seid, aber die Anfragen der SPÖ führen dazu, dass man sich mit dem beschäftigt. Das war im Verhältnis dazu sehr sparsam.

Aber, meine Damen und Herren, Repräsentationsaufgaben: Sie haben den Finanz­minister, Ihren Lieblingsfeind, wieder am Krawattl gehabt und gesagt, was er ver­braucht hat. Repräsentationsaufwendungen Grasser 2001 bis 2003: 165 000 €. Edlin­ger in zwei Jahren: 174 000 €. – Das ist ein bisschen mehr, aber es sind nur zwei Drit­tel der Zeit!

Öffentlichkeitsarbeit und Selbstdarstellung auf Kosten des Steuerzahlers: Edlinger: 6,4 Millionen € im Zeitraum 1998/1999. Grasser in drei Jahren: 4,7 Millionen €. – Da sieht man wieder, dass sich ein Nulldefizit besser verkauft als diese „Punktlandungen“, die Ihr Krawattenträger Edlinger gebracht hat! – Meine Damen und Herren, und da sind so erfolgreiche Großveranstaltungen wie die KMU-Offensive des Finanzministers schon inkludiert.

Externe Berater – das ist etwas „ganz Neues“ –: Die SPÖ hat bei AMAG und der­gleichen um einen Schilling Management-Buyout gemacht. – Dazu brauche ich keinen Berater, da muss ich nur schauen, dass ich nicht erwischt werde.

Aber wir hatten bei Finanzminister Edlinger – oder jedenfalls bei einem SPÖ-Finanz­minister – Beratungsaufträge, bei denen es um die CA-Privatisierung gegangen ist. Eine „erfolgreiche“ Privatisierung: Heute stützt die BA-CA die HVB. Die Gemeinde Wien hat durch diesen Verkauf der CA Milliarden verloren, meine Damen und Herren. Und dieser Beratervertrag für den CA-Verkauf schlägt sich zu Buche mit 7,5 Mil­lionen €. (Ruf bei der ÖVP: Da schau her!) Ein sozialistischer Finanzminister! (Ruf bei der ÖVP: Das gibt es ja nicht! – Abg. Mag. Molterer: So schaut es aus!) Das sind 103 Millionen Schilling Beratungskosten für den Verkauf der CA an die Bank Austria. (Abg. Mag. Molterer: So schaut es aus!) Das hat sich ausgezahlt – für die Bank Austria. Das hat sich ausgezahlt – für die HVB. Es hat sich nicht ausgezahlt für die österreichischen Aktionäre. Es hat sich nicht ausgezahlt für die Gemeinde Wien, wo man einen Aktientausch auf HVB-Aktien durchgeführt hat, die heute, weil sie sich ein bisschen erholt haben (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist wie beim „Konsum“!), wieder die Hälfte wert sind von dem, was sie damals wert waren.

Meine Damen und Herren! Der Vergleich macht Sie sicher! Wir brauchen dem Unter­suchungsausschuss nicht zuzustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.32

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte. (Abg. Dr. Cap – in Richtung des sich zu seinem Platz begebenden Abg. Neu-


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deck –: Das war jämmerlich! – Abg. Dr. Gusenbauer: „Detlev der Jämmerliche“! – Abg. Dr. Cap: „Detlev der Jämmerliche“ war das! – Abg. Mag. Molterer: Immer, wenn der Cap das sagt, hat er ein schlechtes Gewissen!)

 


18.33

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielen von uns geht es ja bei der Rechtfertigung von Regierungsabgeordneten da herinnen so, dass man zunächst insoweit emotional ergriffen ist, weil man nicht weiß, ob man lachen oder manchmal auch weinen soll – nämlich lachen auf Grund der argumentativen Darbietung der Beiträge und weinen, weil in Wahrheit in diesem Land von solchen Leuten wie Ihnen ein Kontrollnotstand herbeigeführt wird, der gleichzeitig gefährlich ist. (Abg. Dr. Fekter: „Kontrollnotstand“? – Seid ihr eine schlechte Op­position oder was?)

Deshalb erscheint es mir, auch wenn die Redebeiträge in der Debatte zum Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses immer die letzten in einer Sitzung sind, als guter Kompromiss für Oppositionsabgeordnete, das Ganze mit teilweisem Humor zu nehmen und trotzdem dann noch für das Richtige zu kämpfen.

Ich werde Ihnen jetzt sagen, warum mich das so ärgert, was Sie hier aufführen: Wenn Sie hier behaupten, Herr Kollege Trinkl, der Unterausschuss des Rechnungs­hof­ausschusses hätte sich irgendwie nicht korrekt verhalten, jedenfalls die darin vertre­tenen SPÖ-Abgeordneten, weil sie nämlich – ich erinnere mich ja daran, wie es war – zumindest phasenweise ausgezogen sind, dann sage ich Ihnen, dass das richtig und begründet war, und zwar durch den Umstand, dass sie damit genau auf diesen Kon­trollnotstand, den Sie absichtlich herbeiführen, hinweisen wollten. (Abg. Mag. Molterer: Sind Sie der Pflichtverteidiger?)

Wenn es damals nämlich nicht möglich war, dass eine Frau Ministerin Forstinger ge­laden wird, weil Ihre Mehrheit das verhindert hat, obwohl in diesen Ministerbüros hinten und vorne nichts mehr gepasst hat, gerade bei ihr, wo heute der Staatsanwalt wegen dieses Ministerbüros einen Dauerauftrag hat, dann ist das Kontrollverweigerung! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wenn heute im Rechnungshofausschuss wieder mit Ihrer Mehrheit – gerade haben wir die Fraktionsführerbesprechung gehabt – die Ministerin Forstinger mit dem Argument nicht geladen werden soll, dass sie nicht mehr Ministerin ist, dann sieht man, wie ernst Sie diese Sache nehmen und wohin Sie das noch treiben wollen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir werden Ihnen das aber, auch wenn es der letzte Punkt ist, nicht durchgehen las­sen. Das kann man Ihnen einfach nicht durchgehen lassen, denn das hat nämlich mit Mehrheit und Minderheit nichts mehr zu tun, sondern das hat einfach mit einem Mindestbewusstsein über korrekte Abläufe hier im Haus zu tun. (Abg. Mag. Molterer telefoniert.) – Da sollten Sie nicht herumtelefonieren, Herr Klubobmann Molterer, sondern da sollten Sie aufpassen, in sich gehen und Ihren nächsten Predigtdienst einfach umschreiben, denn das ist wirklich unerträglich! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wenn hier erkannt werden will, dass die Suppe zu dünn sei – so viel zum Humo­ristischen –: Sie von der ÖVP sind wirklich eine kulinarische Wunderveranstaltung, denn diese Suppe, die regelmäßig von Ihnen als zu dünn befunden wird, ist in Wahr­heit nur mehr mit Messer und Gabel zu verzehren! (Heiterkeit und Beifall bei den Grü­nen und der SPÖ.)


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Da darf es einen auch nicht wundern, wenn Wurstsemmeln bis zu 10 € kosten. Das dürfte alles den gleichen Grundsinnzusammenhang haben in Ihrer Fraktion, aber bitte. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Dann kann man offensichtlich auch zur Auffassung kommen, dass es in Ordnung ist, wenn ein Beratervertrag 800 000 € kostet – ich nehme jetzt nur mehr jene Beispiele, die Kollege Cap erwähnt hat, denn da gibt es dann wieder nichts zu lachen, das ist nämlich in Wahrheit purer Ernst. Die 24 Millionen – die es gar nicht mehr waren – Verkaufserlös für die entsprechende Angelegenheit sind ja gar nicht der Punkt. Der Punkt war, dass hier 800 000 € Beraterhonorar verwendet worden sind. Das ist einzig­artig auf der Welt! Das gibt es ja normalerweise nur mehr unter dem Titel „Korruption“, dass 3 Prozent der Auftragssumme irgendwo als Beraterhonorar hinüberwachsen. – Ja dämmert Ihnen da nichts? Das verteidigen Sie hier am Rednerpult? – Seien Sie doch wenigstens so anständig und sagen Sie, dass da ein Fehler unterlaufen ist! Das können Sie doch nicht ernst meinen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Genau diese Fragen sind in einem anderen Unterausschuss aufgetaucht, und dort haben wir sie auch behandelt. Da haben Sie mit Ihrer Mehrheit nur einen ganz anderen Bericht verabschiedet, wo Sie sogar Aussagen von Auskunftspersonen hineinge­nommen haben, die – wie sich im Nachhinein herausgestellt hat – offensichtlich ab­sichtlich falsch waren. Und auch das ist Ihnen wieder Wurscht: Soll das Parlament be­schwindelt werden, soll die Öffentlichkeit beschwindelt werden durch protokollierte Tat­bestände, die überhaupt nicht den Wahrheiten entsprechen – und dann wird man irgendwie weiterschauen.

Nein! Wir werden jetzt in den Kontrollausschüssen anders vorgehen, was das betrifft, und alle diese Dinge öffentlich machen. Wir lassen uns das einfach nicht mehr gefallen – schlicht und ergreifend! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Fällt die Vertraulichkeit?)

Wir werden das jetzt auskosten bis zum Schluss. Es bleibt noch Zeit für die berühmt-berüchtigte KMU-Kampagne. Diese ist von einem Vertreter der Wirtschaft gelobt worden – das muss man auch zusammenbringen! 2,4 Millionen €, bitte, dafür, dass der Herr Finanzminister in Opernhäusern und sonst wo herumtänzeln und irgendetwas erklären kann, von dem dann exakt nichts kommt, denn die Klein- und Mittelbetriebe haben fast nichts von dieser Steuerreform, fast nichts! – Da hätte er gleich bei der Industriellenvereinigung weiterspeisen können. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Last but not least: Wenn wir schon bei den Beraterverträgen sind, hier noch einmal ein klassisches Beispiel: Ein Beratervertrag wurde vom Rechnungshof kritisiert, eigentlich in Grund und Boden gestampft – und was hat der Herr Finanzminister gemacht? Er hat einen neuen Beratervertrag in Auftrag gegeben, um diese Kritik des Rechnungshofes zu widerlegen. – Das ist einzigartig. Auch das wird untersucht werden müssen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.38

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Debatte ist geschlossen.

Wir stimmen ab über den Antrag Cap, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Für den Fall der Zustimmung bitte ich um ein Zeichen. – Der Antrag Cap auf Ein­setzung eines Untersuchungsausschusses findet keine Mehrheit.


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Einlauf

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 353/A bis 358/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 1514/J bis 1547/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßigen Mitteilungen dient, berufe ich für 18.39 Uhr ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 18.39 Uhr

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