Stenographisches Protokoll

59. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 6. Mai 2004

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 


Stenographisches Protokoll

59. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode                   Donnerstag, 6. Mai 2004

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 6. Mai 2004: 9.00 – 19.19 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körper­schaftsteuergesetz 1988, das Mineralölsteuergesetz 1995, das Schaumweinsteuer­ge­setz 1995, das Biersteuergesetz 1995, das Finanzstrafgesetz, die Bundesabgabenord­nung und das Finanzausgleichsgesetz 2001 geändert werden und ein Pauschal­ab­ga­begesetz eingeführt wird (Steuerreformgesetz 2005 – StReformG 2005)

2. Punkt: Bericht und Antrag betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ergänzende Regelungen über das Vorgehen der Zollbehörden im Verkehr mit Waren, die ein Recht am geistigen Eigentum verletzen, erlassen werden (Produktpirateriegesetz 2004 – PPG 2004)

4. Punkt: Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (093 Hv 8/04h) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Chris­toph Matznetter

5. Punkt: Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (095 Hv 34/04x) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dietmar Keck

6. Punkt: Wahl eines Schriftführers/einer Schriftführerin

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Inhalt

Nationalrat

6. Punkt: Wahl eines Schriftführers/einer Schriftführerin ............................................ 186

Wahlergebnis:

Schriftführerin: Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ........................................................ 186


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Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 9

Geschäftsbehandlung

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Ausschussberichtes 476 d.B. gemäß § 44 (2) der Geschäftsordnung ...................................................................................... 31

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeant­wortung 1328/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................ 33

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsord­nung                         123

Redner:

Anton Gaál .................................................................................................................. 123

Bundesminister Dr. Ernst Strasser ......................................................................... 125

Walter Murauer ........................................................................................................... 126

Dr. Josef Cap .............................................................................................................. 128

Dr. Reinhard Eugen Bösch ....................................................................................... 130

Dr. Peter Pilz ............................................................................................................... 131

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 34

Unterbrechungen der Sitzung .....................................................................  35, 174, 176

Antrag des Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen im Sinne des § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Anwesenheit des Bundeskanzlers – Ableh­nung ...............................................  38, 39

Wortmeldungen im Zusammenhang mit dem von Abgeordnetem Dr. Alexander Van der Bellen gestellten Antrag:

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 38

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 38

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 39

Antrag der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Aufklärungen im Zu­sammenhang mit der Anschaffung von Kampfflugzeugen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung .................................... 186

Bekanntgabe ................................................................................................................... 73

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG .......................................................................................................... 73

Redner:

Dr. Günther Kräuter ................................................................................................... 189

Alfred Schöls .............................................................................................................. 191

Mag. Kurt Gaßner ....................................................................................................... 192

Dr. Reinhard Eugen Bösch ....................................................................................... 193

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 193

Ablehnung des Antrages .............................................................................................. 195

Verlangen auf Durchführung von namentlichen Abstimmungen .......................  173, 175


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59. Sitzung / Seite 3

Ersuchen des Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer auf Erteilung eines Ord­nungsrufes                        195

Mitteilung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer auf Grund des Ersuchens auf Erteilung eines Ordnungsrufes ....................................................................................................................................... 195

Fragestunde (7.)

Inneres ............................................................................................................................ 9

Rudolf Parnigoni (56/M); Walter Murauer, Detlev Neudeck, Mag. Terezija Stoisits

Günter Kößl (51/M); Dr. Helene Partik-Pablé, Mag, Terezija Stoisits, Otto Pendl

Mag. Terezija Stoisits (54/M); Kai Jan Krainer, Matthias Ellmauer, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann

Dr. Helene Partik-Pablé (60/M); Mag. Ulrike Lunacek, Mag. Johann Maier, Karl Freund

Mag. Walter Posch (57/M); Matthias Ellmauer, Mag. Eduard Mainoni, Mag. Te­rezija Stoisits

Werner Miedl (52/M); Dr. Reinhard Eugen Bösch, Mag. Ulrike Lunacek, Mag. Gi­sela Wurm

Mag. Terezija Stoisits (55/M); Ulrike Königsberger-Ludwig, Erwin Hornek, Bar­ba­ra Rosenkranz

Dr. Helene Partik-Pablé (59/M); Mag. Brigid Weinzinger, Anton Gaál, Alfred Schöls

Katharina Pfeffer (58/M); Jochen Pack, Mag. Eduard Mainoni, Mag. Ulrike Lunacek

Ing. Norbert Kapeller (53/M); Mares Rossmann, Sabine Mandak, Karl Dobnigg

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ....................................................................................................... 9

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 32

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (451 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaft­steuergesetz 1988, das Mineralölsteuergesetz 1995, das Schaumweinsteuer­ge­setz 1995, das Biersteuergesetz 1995, das Finanzstrafgesetz, die Bundesabga­benordnung und das Finanzausgleichsgesetz 2001 geändert werden und ein Pauschalabgabegesetz eingeführt wird (Steuerreformgesetz 2005 – StReformG 2005) (461 d.B.) ................... 34


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59. Sitzung / Seite 4

2. Punkt: Bericht und Antrag des Finanzausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird (462 d.B.) .............................. 34

Redner:

Dr. Christoph Matznetter ....................................................................................  35, 114

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 39

Dr. Alexander Van der Bellen ..................................................................................... 43

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn ....................................................................................... 47

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser ................................................................ 52

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 56

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ...................................................................................... 59

Mag. Werner Kogler ............................................................................................  62, 172

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 65

Josef Broukal ................................................................................................................ 68

Fritz Neugebauer .......................................................................................................... 69

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................... 71

Josef Bucher ................................................................................................................. 73

Vizekanzler Hubert Gorbach ....................................................................................... 74

Doris Bures ................................................................................................................... 77

Fritz Grillitsch ............................................................................................................... 78

Michaela Sburny ........................................................................................................... 79

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................... 80

Mag. Hans Moser ................................................................................................  81, 133

Dr. Michael Spindelegger ............................................................................................ 83

Karl Öllinger .................................................................................................................. 85

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................................... 88

Mag. Dietmar Hoscher .......................................................................................  89, 168

Jakob Auer .................................................................................................................... 91

Dieter Brosz .................................................................................................................. 93

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................... 96

Kurt Eder ....................................................................................................................... 98

Dr. Werner Fasslabend .............................................................................................. 100

Sabine Mandak ........................................................................................................... 101

Klaus Wittauer ............................................................................................................ 103

Mag. Kurt Gaßner ....................................................................................................... 105

Karl Donabauer .......................................................................................................... 108

Theresia Haidlmayr .................................................................................................... 110

Mares Rossmann ....................................................................................................... 113

Mag. Walter Tancsits ........................................................................................  122, 133

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 138

Dkfm. Dr. Hannes Bauer ........................................................................................... 139

Ridi Steibl .................................................................................................................... 140

Heidrun Silhavy .......................................................................................................... 141

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................. 144

Dr. Christian Puswald (tatsächliche Berichtigung) ................................................... 145

Mag. Melitta Trunk ..................................................................................................... 145

Dr. Ferdinand Maier ................................................................................................... 147

Ing. Kurt Gartlehner ................................................................................................... 148

Maximilian Walch ....................................................................................................... 149

Georg Oberhaidinger ................................................................................................. 150

Ing. Hermann Schultes .............................................................................................. 151

Mag. Christine Lapp ................................................................................................... 153

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................. 154

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ........................................................................................... 156

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 157


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59. Sitzung / Seite 5

Mag. Peter Michael Ikrath .......................................................................................... 159

Mag. Karin Hakl .......................................................................................................... 160

Mag. Hans Langreiter ................................................................................................ 161

Franz Glaser ................................................................................................................ 162

Gabriele Tamandl ....................................................................................................... 164

Carina Felzmann ........................................................................................................ 165

Dr. Andrea Wolfmayr ................................................................................................. 166

Dr. Peter Sonnberger ................................................................................................. 168

Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer ..................................................................................... 169

Herta Mikesch ............................................................................................................. 171

Entschließungsantrag der Abgeordneten Jakob Auer, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend die angemessene Berücksich­tigung der Gemeinden im Finanzausgleich – Annahme (E 48) .....................................................................................................................  91, 177

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Kurt Gaßner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzausgleich mit Rücksicht auf die finanzielle Situation der Gemeinden – Ablehnung ..........  106, 177

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Umsetzung einer echten Steuerreform – Ab­lehnung ..........................................  135, 177

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 461 und 462 d.B. (namentliche Ab­stim­mungen zu dem Gesetzentwurf in 461 d.B.) ........................................................................................... 173

3. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (452 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ergänzende Regelungen über das Vorgehen der Zollbe­hörden im Verkehr mit Waren, die ein Recht am geistigen Eigentum verletzen, erlassen werden (Produktpirateriegesetz 2004 – PPG 2004) (463 d.B.) ............................................................................................................................. 178

Redner:

Mag. Johann Maier ..................................................................................................... 178

Dr. Ferdinand Maier ................................................................................................... 182

Heidemarie Rest-Hinterseer ..................................................................................... 182

Josef Bucher ............................................................................................................... 184

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines jährlichen Berichtes über die Vollziehung des Produktpirateriegesetzes – Ablehnung          180, 185

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 185

4. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Lan­desgerichtes für Strafsachen Wien (093 Hv 8/04h) um Zustimmung zur behörd­lichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Christoph Matznetter (453 d.B.) ............................................................................. 185

Annahme des Ausschussantrages .............................................................................. 185

5. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landes­gerichtes für Strafsachen Wien (095 Hv 34/04x) um Zustimmung zur behörd­lichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dietmar Keck (476 d.B.) ............................................................................................... 186

Annahme des Ausschussantrages .............................................................................. 186


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59. Sitzung / Seite 6

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen ................................................................................................... 32

466: Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz 2004 – GesRÄG 2004

467: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher (Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz – FernFinG) erlassen wird und das Konsumentenschutzgesetz, das Versicherungs­vertragsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz sowie das Versicherungsauf­sichtsgesetz geändert werden

469: 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2004 – 2. SVÄG 2004

470: Bundesgesetz, mit dem das Gebührengesetz 1957, das Bewertungs­ge­setz 1955, das Bodenschätzungsgesetz 1970 und das Abgabenverwaltungs­orga­nisationsgesetz geändert werden

471: Familien- und Erbrechts-Änderungsgesetz 2005 – FamErbRÄG 2005

472: Bundesgesetz über die Organisation der Bezirksgerichte in Graz und die Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988

473: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regie­rung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Ergänzung des Abkommens vom 29. März 1961 über die ERP-Counterpart-Regelung

474: Chemikaliengesetz-Novelle 2004 – ChemGNov 2004

475: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden

Anträge der Abgeordneten

Gerhard Reheis, Kolleginnen und Kollegen betreffend verstärkte Markteinführung lärmarmer Reifen (387/A) (E)

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Garantiegesetz 1977 geändert wird (388/A)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gewährleistung des Inter­pellationsrechts für Bundesrat und Nationalrat sowie Vorlage eines jährlichen Berichts durch die AGES (389/A) (E)

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend Errichtung einer Arbeitslosen­anwaltschaft (390/A) (E)

Erika Scharer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verschiebung der Semester­ferien 2005 für Wien und Niederösterreich vom 7.2.05 – 12.2.05 auf die Woche vom 31.1.05 – 5.2.05 (391/A) (E)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen betreffend Novellierung der „Änderung der Verordnung zur Bestimmung jener Güter und Dienstleistungen, die nach dem BG über die Errichtung einer Bundesbeschaffungs Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BB-GmbH-Gesetz) zu beschaffen sind“ (BGBl 312/2002) (392/A) (E)


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Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Verwirklichung von Gen­der Mainstreaming im Sport (393/A) (E)

Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Verwirklichung von Gen­der Mainstreaming im Sport (394/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines jährlichen Berichtes über die Vollziehung des Produktpirateriegesetzes (395/A) (E)

Mag. Kurt Gaßner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzausgleich mit Rück­sicht auf die finanzielle Situation der Gemeinden (396/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Tages- und Nächtigungsgelder (1711/J)

Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Tages- und Nächtigungsgelder (1712/J)

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Stand der Auswertung der Elek­tronischen Register gemäß § 22 (3) des AWG 2002 (1713/J)

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Kapazitätsengpässe der Westbahn im Bereich St. Pölten (1714/J)

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Anerkennung der umwelttech­ni­schen Gleichwertigkeit von Deponien (1715/J)

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend drohende 10-Millionen-€-Verschwendung der Justizverwaltung (1716/J)

Gerhard Reheis, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Akademienverbund „Pädagogische Hochschule Tirol“ (1717/J)

Erika Scharer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissen­schaft und Kultur betreffend 100 000 statt 250 000 SchülerInnen auf Schulschiwoche (1718/J)

Erika Scharer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Schließung des Bezirksgendarmeriekommandos Tamsweg (1719/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen LebensgefährtInnen bei der Schenkungssteuer (1720/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Bewertung oberöster­reichi­scher Gewässer: Die schönsten Bäche als kaputte Kanäle eingestuft! (1721/J)

Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Absetzung des Leiters des Finanzamtes Amstetten-Melk-Scheibbs (1722/J)


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Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Aus­zeichnungen für Feuerwehrleute nach der Hochwasserkatastrophe 2002 (1723/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Mitfinanzierung des Bundesministeriums für Finanzen bei der Innsbrucker Straßenbahn und der Regionalbahn „Innsbruck-Hall-Völs“ (1724/J)

Anita Fleckl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Zugsverbindungen durch den Nationalpark Gesäuse (1725/J)

Anita Fleckl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Zugsverbindungen durch den Na­tionalpark Gesäuse (1726/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend widersprüchliche Aussagen des Bundesminis­ters für Verkehr, Innovation und Technologie in 1462/AB (1727/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Hochrisikolenker auf Österreichs Autobahnen (1728/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend Hochrisikolenker auf Österreichs Autobahnen (1729/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, In­novation und Technologie betreffend Hochrisikolenker auf Österreichs Autobahnen (1730/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend angemeldete Demonstrationen im Jahre 2004 (1731/J)

Konrad Steindl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Änderung des Liegenschaftsteilungsgesetzes (1732/J)

Mag. Barbara Prammer, Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend diesjährige Session der Frauenstatuskommission der Vereinten Nationen (1733/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Ab­geordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen (1543/AB zu 1552/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen (1544/AB zu 1599/J)



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Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweiter Präsident Dr. Heinz Fischer, Dritter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Sitzung ist eröffnet.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Verzetnitsch und Hagenhofer.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundeskanzler­amt über Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitglie­dern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter wird durch den Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser vertreten.

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein wird durch den Bun­desminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Jo­sef Pröll vertreten.

Fragestunde

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen jetzt, um 9.01 Uhr, zur Fragestunde.

Bundesministerium für Inneres

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen zur 1. Anfrage, und zwar zur Anfrage des Abgeordneten Parnigoni an den Bundesminister für Inneres. – Bitte, Herr Abgeord­ne­ter.

 


Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

56/M

„Was unternehmen Sie gegen die seit Ihrem Amtsantritt als Innenminister von weniger als 500 000 auf über 700 000 Delikte explodierte Kriminalitätsrate?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben es mit einer Welle importierter Kriminalität zu tun, vor allem aus Ländern wie Moldawien, Ukraine, Weiß­russland, Serbien, also aus Ländern, die über die EU-Grenzen hinausreichen. Wir ha­ben ein ganzes Bündel an Maßnahmen zum Ersten in der internationalen Zusam­men­arbeit, zum Zweiten in der Reform vor allem der Polizei in den Großstädten, insbe­son­dere in Wien, zum Dritten im verstärkten Personaleinsatz an den Grenzen ange­ordnet, und ich freue mich sehr, dass die Kriminalstatistik, die seit einigen Monaten an jedem 10. eines Monats veröffentlicht wird, am nächsten Montag, also dem nächsten 10., zum ersten Mal zeigen wird, dass die Aufklärungsrate steigt, insbesondere in der Großstadt


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Wien mit 3,65 Prozent steigt. Das ist ein großer Erfolg für unsere Kollegen, und zwar insbesondere in Wien. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Da ist den Kollegen der Exekutive natürlich zu gratulieren. Aber ist es nicht vielmehr so, Herr Bundesminister, dass trotzdem die dramatische Entwicklung der Kriminalität vor allem darauf zurückzuführen ist, dass sie in Ihrer Amtszeit in etwa 4 000 Exekutivbeamte abgebaut haben?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Diese Angabe entspricht nicht den Tatsachen, denn, wie Sie als Sicherheitssprecher Ihrer Partei sicher wissen, waren die Mehrzahl der abgebauten Stellen Verwaltungsbeamte. (Abg. Mag. Molterer: Hoffent­lich weiß er es!) So haben wir das Meldeamt, das Passamt, andere Bereiche, die nicht zu den Kernaufgaben der Exekutive gehören, an die Städte, an die Magistrate über­ge­ben, in personeller Hinsicht über 25 Prozent des Verwaltungsapparates eingespart, aber nur einen ganz kleinen Teil bei Gendarmerieposten und Wachzimmern. Das In­nenministerium ist das einzige Ministerium, das im Jahre 2004 mehr Personal haben wird als im Jahre 2003, insbesondere deshalb, weil wir über 1 100 Beamte aus dem Zollbereich für die Arbeit zur Sicherheit auf den Straßen und zur Kriminalitäts­bekämp­fung einsetzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Murauer. – Bitte.

 


Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Bundesminister! Sie setzen ja einen be­sonderen Schwerpunkt, dem Verbrechen im Inland und im Ausland vorzubeugen. Meine Frage lautet: Welche Maßnahmen wurden in der Verbrechensprävention ge­setzt?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Die Verbrechensprävention ist ein ganz wichtiger Teil unserer Arbeit, weil jedes Verbrechen, das nicht begangen wird, die Sicherheitslage in Österreich verbessert. Deshalb gehören wir laut einer internationa­len Studie schon zum zweiten Mal zu den sichersten Ländern der Welt. Prävention wird an den Schulen und auch bei unseren älteren Mitbürgern angeboten und auch sehr gerne angenommen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Neudeck. – Bitte.

 


Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Die Kriminalitäts­rate in Wien ist im ersten Quartal 2004 gegenüber dem Vorjahr um 11,2 Prozent gestiegen. Sie sagten vorhin, dass laut der neuesten Statistik die Aufklärungsrate erfreulicherweise steigt. (Rufe bei der SPÖ: Frage!) Gerade im Geschäftsbereich kommt es aber immer wieder und immer häufiger zu Überfällen. Wie wollen Sie nicht nur die Aufklärungsrate verbessern, sondern auch die Prävention in Bezug auf der­artige Überfälle verstärken?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Tatsächlich haben wir noch immer ein Ansteigen bei den Kriminalitätsfällen, aber durch die sehr punktgenauen Maß­nah­men, die die Kollegen von der Wiener Polizei seit einem halben Jahr gesetzt ha­ben – durch gezielten Einsatz von Kriminalbeamten gemeinsam mit der Sicherheits­wache, durch Zugriffe sowohl im Drogenbereich als auch im Bereich der Beschaffungs­krimina-


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lität, im Kampf gegen organisierte Kriminalität, was die Überfälle auf Banken, auf Juweliere et cetera betrifft –, konnte der Anstieg der Zahl der Kriminalfälle abge­schwächt werden. Wir halten jetzt bei einem zusätzlichen Anstieg von 6 Prozent, und wir hatten vor einem Jahr 22 Prozent. Wir gehen davon aus, dass sich diese Rate Mo­nat für Monat weiter verbessert und Kriminelle und Gangster den Platz Wien meiden, weil sie wissen, dass sie dort bitter und genau verfolgt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Guten Morgen, Herr Bundesminister! – Herr Bundesminister, Sie haben soeben gesagt: 1 000 Personen mehr in der Sicher­heitsexekutive. Ich frage mich: Warum nehmen, wenn dem so ist, die Bürger und Bür­gerinnen immer weniger uniformierte Sicherheitskräfte in der Öffentlichkeit wahr? (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Frage!) Das subjektive Sicherheitsempfinden des Einzelnen ist maßgeblich davon beeinflusst, dass er sieht, dass die Polizei um ihn herum ist – oder die Gendarmerie auf dem Land. Aber man sieht sie nicht. Wo sind sie denn? (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Molterer: Im Einsatz!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Polizeiliche Arbeit umfasst mehrere Tätigkeitsbereiche. Wichtig ist zum einen das subjektive Sicherheitsgefühl, es ist gut, wenn man unsere Mitarbeiter sieht. Daher haben wir das Konzept des Rayons­polizis­ten entwickelt, der einen direkten Kontakt in der Stadt mit den Geschäftsläuten, mit den Einwohnern, mit den Hausmeistern, mit jenen Menschen hat, die sich im Grätzl, im Viertel auskennen, aber Polizeiarbeit bedeutet zum anderen auch, dass wir Kriminal­beamte in Zivil an Gefährdungsstellen haben, die dafür sorgen, dass die, die kriminell werden oder kriminell sind, auch festgenommen werden können. Es liegt in der Natur der Sache, dass nicht jeder Polizist auch erkannt werden soll, weil er damit das Er­gebnis seiner Arbeit erschweren würde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen zur 2. Anfrage an den Herrn Bundes­minister, und diese formuliert Herr Abgeordneter Kößl. – Bitte, Herr Kollege.

 


Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Bundesminister! Die Zusammenlegung der bestehenden Wachekörper zu einem einheitlichen Bundeswachekörper wurde von al­len vier im Parlament vertretenen Parteien gefordert. (Abg. Parnigoni: Das ist ja ein Schwachsinn! Das stimmt ja überhaupt nicht!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter, Sie haben eine Frage zu stellen! Die Zuseher bekommen da etwas Anderes. Formulieren Sie die Frage, die Sie eingebracht haben!

 


Abgeordneter Günter Kößl (fortsetzend): Ja; ich komme zur Frage, die lautet:

51/M

„Welche Effekte werden durch die Zusammenlegung der Wachekörper erwartet?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Zuerst möchte ich mich bei allen hier im Parlament vertretenen Parteien für ihr grundsätzliches Ja zur Zusammenlegung der Wachekörper bedanken. Das ist eine wichtige gemeinsame Angelegenheit, die in


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den Regierungsverhandlungen, die mit allen vier Parteien geführt wurden, auch ein­hellig, also von allen, unterstützt wurde.

Wir sind jetzt in der Umsetzung dieses Konzepts, und wir gehen davon aus, dass mindestens 500 Mitarbeiter, die derzeit Verwaltungstätigkeiten ausführen, nach der Umsetzung für die operative Ebene zur Verfügung stehen werden. Wir gehen davon aus, dass wir die Arbeitsabläufe wesentlich vereinfachen können und damit für unsere Mitarbeiter eine bessere Arbeitssituation schaffen können.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Kollege Kößl.

 


Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Was kann die Zusammenlegung der Wachekörper in Bezug auf die steigende Kriminalität bewirken, Herr Minister?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Vor allem erwarten wir uns eine we­sentliche Verbesserung in den urbanen Räumen. Derzeit ist es ja so, dass zum Bei­spiel vom Wachzimmer in Strebersdorf zur Gendarmeriedienststelle in Korneuburg nicht einmal der E-Mail-Verkehr möglich ist. Das bedeutet einen Vorsprung für Krimi­nelle. Wir wollen das daher zusammenführen und über die Landesgrenzen, über die Stadtgrenzen hinaus ermöglichen, dass unsere Polizisten erfolgreich arbeiten. Das werden wir mit der Zusammenführung zustande bringen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Beamte befürchten, dass es bei der Zusammenlegung zu einer Verschlechterung ihrer Position oder auch ihrer Einkommenssituation kommt. Wie können Sie diesen Ängsten entgegenwirken beziehungsweise solche verhindern?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Solche Sorgen sind sehr ernst zu nehmen. Deshalb habe ich auch in 25 Veranstaltungen in ganz Österreich mit unseren Mitarbeitern diskutiert, und wir haben ein gemeinsames Konzept entwickelt, dass genau diese Fragen gemeinschaftlich beantwortet werden sollen. Über 4 000 Mitar­beiter haben daran teilgenommen, und wir haben auch gemeinsam mit unseren Mitar­beitern einen Probebetrieb für das neue Dienstzeitsystem organisiert, der mit 1. Juni beginnen wird. Ich hoffe, dass wir die Ergebnisse dieses Probebetriebes im Oktober vorliegen haben. Sollte sich eine Sorge im Einkommensbereich oder in anderen Be­reichen ergeben, sind wir gesprächsbereit, um unseren Mitarbeitern diese Sorgen zu nehmen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Ich verfolge jetzt seit Monaten ihre Aktivitäten im Zusammenhang mit der Zusammenlegung der Wache­körper. Was mich jetzt interessieren würde, das ist: Was sagt denn eigentlich die Per­sonalvertretung zu Ihren Plänen? – Die Personalvertretung der Sicherheitsexekutive natürlich.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Wir haben nicht eine Personal­ver­tretung, sondern vier; und die sind sehr unterschiedlicher Meinung. Zum Beispiel ha­ben beim Probebetrieb zwei von vier Personalvertretungen zugestimmt, zwei sind


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dagegen. Zum Gesamtkonzept gibt es zum Teil widersprüchliche Aussagen der Per­sonalvertretungen. Es ist unsere Aufgabe, dass wir das irgendwie koordinieren und zu gemeinsamen Ergebnissen kommen. Wichtig ist, dass wir da miteinander einen Weg suchen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Bundesminister, lassen Sie mich einleitend nur ganz kurz feststellen: Die SPÖ ist nicht für die Zusammenlegung! Das nur, damit das auch in aller Klarheit hier dargestellt ist.

Aber nun zur Frage. – Nach dem vorliegenden Entwurf sollten Dienst- und Fachauf­sicht über die Exekutivbeamten auf beinahe allen Ebenen auseinander fallen. Weshalb haben Sie, Herr Minister, nicht auf die Einhaltung Ihrer eigenen Vorgabe im Projekt­auftrag bestanden, wonach eine gemeinsame Dienst- und Fachaufsicht auf allen Ebenen ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter, formulieren Sie bitte Ihre Frage! (Abg. Parnigoni: Wir formulieren sie ja!)

 


Abgeordneter Otto Pendl (fortsetzend): Das war die Frage, genau die Frage!

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Zunächst einmal möchte ich fest­halten, dass selbstverständlich zu akzeptieren ist, wenn eine große Partei wie die der Sozialdemokraten ihre Meinung ändert. Im Jänner 2002 haben wir in sehr guten ge­meinsamen Gesprächen auch gemeinsame Papiere verabschiedet (Abg. Parnigoni: Das stimmt ja nicht! Wo haben Sie die Papiere? Zeigen Sie die Papiere her!), in denen klipp und klar festgehalten worden ist, dass die Sozialdemokraten und die Volkspartei die Zusammenlegung der Wachekörper fordern. Wenn Sie ihre Haltung inzwischen geändert haben, ist das zur Kenntnis zu nehmen.

Zu Ihrer Frage: Selbstverständlich versuchen wir die Dinge zusammenzuführen. Das gilt für die Fach- und auch für die Dienstaufsicht, die Sie genannt haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen nun zur 3. Anfrage, welche die Frau Ab­geordnete Mag. Stoisits formuliert. – Bitte, Frau Kollegin.

 


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister, von der Sicherheit zu den menschlichen Aspekten Ihres Amtes und Ihres Jobs, zum Thema Obdach­losig­keit von AsylwerberInnen in Österreich.

Meine Frage lautet:

54/M

„Warum haben Sie nicht vor Inkrafttreten der Bund-Länder-Vereinbarung zur Grund­versorgung von AsylwerberInnen für genügend Unterbringungsplätze gesorgt, sodass im April zahlreiche AsylwerberInnen nicht in Bundesbetreuung aufgenommen wurden und somit obdachlos waren?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Zunächst einmal möchte ich sagen: Ich glaube, dass wir einer Meinung sind in der Hinsicht, dass Polizeiarbeit auch sehr viel mit menschlichen Aspekten zu tun hat. Sehr oft müssen Polizisten ungeheures persönliches Leid mitansehen und bei Konflikten klären helfen, die ich niemandem


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sonst zumuten möchte. Ich möchte an dieser Stelle auch dafür danken, dass unsere Mitarbeiter diese oft sehr schwierige Arbeit sehr, sehr verantwortungsbewusst und im Sinne der Menschlichkeit erledigen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage, Frau Magistra? – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident, das war die Einleitung vom Herrn Minister, das war nicht die Antwort.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Herr Präsident, wenn Sie gestatten, würde ich gerne noch im Detail auf die Frage der Fragestellerin eingehen.

Ich möchte mich offenen Herzens bedanken: bei der österreichischen Bevölkerung, bei den österreichischen Gemeinden, bei den Ländern und auch bei unseren Mitarbeitern im Innenministerium, denn es war deren Leistung, dass wir von 2 200 Be­treu­ungs­plätzen, die wir im Februar 2000 hatten, Ende April über 11 000 Betreuungsplätze in Österreich für Asylwerbende haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das ist ein Riesenerfolg der Menschlichkeit der österreichischen Bevölkerung! (Abg. Brosz: Das war jetzt die Antwort?!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Magistra, Ihre Zusatzfrage bitte.

 


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Das war keine Antwort, Herr Minister! Erstens einmal ist es die krasse Unwahrheit, dass es im Februar 2002 nur 2 200 Be­treuungsplätze in Österreich gegeben hat. Ich weiß nicht, warum Sie hier so offen Dinge sagen, die nicht stimmen. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol (das Glockenzeichen gebend): Frage!

 


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Das ist die Zusatz... (Ruf bei der ÖVP: Fragen Sie ihn!) – Lieber Herr Präsident! Das, was er kann, kann ich auch oder darf ich auch, ja? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Rollenverteilung ist hier die, dass der Minister antwortet und Sie fragen. Also fragen Sie, bitte! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Herr Präsident, würde er antworten oder Antworten auf das geben, was ich ihn frage, gäbe es kein Problem. Wenden Sie sich an ihn! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Herr Bundesminister, zu meiner Zusatzfrage. – Erstens stimmt es nicht, dass es nur 2 200 Betreuungsplätze gegeben hat.

Meine Frage ist, Herr Minister: Sie haben diese wirklich prekäre Situation mit Hun­derten von obdachlosen AsylwerberInnen in Österreich unter anderem dadurch verur­sacht, dass Sie Signale an die österreichischen Bürgermeister ausgeschickt haben, die gelautet haben: Bitte, nur ja nicht entgegenkommen! Es gibt aber Bürgermeister, die dem nicht Folge geleistet haben, sondern der Menschlichkeit. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Diese Bürgermeister haben der Menschlichkeit den ersten Rang eingeräumt.

Jetzt gibt es immer noch zu wenig Betreuungsplätze. Ich war am Dienstag in Trais­kirchen ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Frau Abgeordnete, formulieren Sie Ihre Frage! Ich unterbreche sonst die Sitzung!

 


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Herr Präsident, bitte um Entschul­digung! Die Frage lautet – in Traiskirchen sind immer noch 1 200 Menschen auf engs-


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tem Raum zusammengepfercht –: Wann wird dieses menschliche Elend ein Ende finden? Dafür sind nämlich Sie verantwortlich! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Ich hoffe, dass wir uns einig sind, auch über Partei- und Regierungs- und Oppositionsgrenzen hinweg: Das Konzept einer riesigen Betreuungsstelle, wie das Traiskirchen ist und war, muss man sagen, ist voll gescheitert. Es ging zu Lasten der Bürger in Traiskirchen, zu Lasten der Menschen in der gesamten Region, auch zu Lasten der Flüchtlinge und zu Lasten unserer Mit­ar­beiter. Daher wollen wir das beenden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist ein Konzept, das vor 20, 30 Jahren von irgendwelchen Vorgängern von mir er­funden worden ist. Wir wollen das beenden! Deshalb habe ich auch eine Artikel-15a-Vereinbarung mit den Ländern getroffen. Drei Minister haben verhandelt, ich habe sie zustande gebracht. Wir haben jetzt so viele Betreuungsplätze – es gibt da eine Verfünf­fachung! –, wie wir gehabt haben, als ich das Amt übernommen habe, und wir werden sukzessive die Betreuungsstelle verkleinern, in eine Erstaufnahmestelle umwandeln, damit Flüchtlinge, die zu uns kommen, rasch eine Betreuung bekommen und dann über Quartiere in ganz Österreich verteilt werden können. Das ist unser Konzept! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte, Herr Kollege.

 


Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Minister, ich glaube, den Dank, den Sie an die Länder und an die Gemeinden in der Frage der Flüchtlingsunterbringung aus­gesprochen haben, kann ich auf die NGOs, auf die Volkshilfe, auf die Caritas, auf das Rotes Kreuz und auch auf die zehntausend ehrenamtlichen Mitarbeiter ausdehnen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Bundesminister! Zu Ihren Aufgaben als Minister gehört ja auch der Zivildienst. Zivildiener werden ja nicht von der Einsatzstelle verpflegt, sondern müssen sich selbst verpflegen. Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass eine angemessene Verpflegung in etwa 12 € kostet. (Rufe bei der ÖVP: Frage!)

Meine Frage ist: Wie viele Zivildiener, die heute noch im Rahmen Ihrer Ressort­verantwortlichkeit Zivildienst ableisten, gibt es eigentlich, die weniger als diese vom Verwaltungsgerichtshof vorgeschriebenen zirka 12 € Verpflegungsgeld am Tag bekommen, und was tun Sie dagegen? – Danke.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter, es ist Ihnen sicher klar, dass das eine Frage zum Asylrecht ist, aber Sie stellten eine Frage zum Zivildienst. Der Herr Minister wird sie aber wahrscheinlich dennoch beantworten.

Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Die ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er hat nicht eine Frage gestellt, sondern er hat seine Meinung langatmig kundgetan! Wir wer­den das jetzt alle so machen, Herr Präsident!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Am Wort ist der Herr Bundesminister!

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Die Zivildienstregelung wurde neu gestaltet. Das gibt uns die Möglichkeit, dass wir wesentlich mehr Zivildienern, als wir vorher beschäftigen konnten, Beschäftigung geben können. Es sind auch wesentlich mehr Institutionen – jetzt auch Jugendorganisationen, Umweltorganisationen – berech­tigt, Zivildiener zu beschäftigen. Das ist auch ein wesentlicher Fortschritt, weil wir leider


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einen „Rucksack“ von etwa 16 000 jungen Leuten übernehmen mussten, den wir jetzt sukzessive abbauen.

„Angemessene Verpflegung“ ist in Vorarlberg natürlich etwas anderes als im Südbur­genland. Daher ist es sinnvoll und vernünftig, dass der Gesamtausdruck „angemes­sene Verpflegung“ gilt, und es kann ja sein, dass eine Zivildienstorganisation nicht in Geldwert, sondern durch eine Verpflegungseinrichtung, die im Hause ist, die Zivildiener verpflegt – ich weiß das von mir selbst, ich war in einer solchen Einrichtung Zivildiener. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ellmauer, bitte.

 


Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich halte noch einmal fest: Seit Ihrem Amtsantritt im Februar des Jahres 2000 wurden die Bundesbetreuungsplätze von 2 200 auf über 11 000 erhöht. (Rufe bei der SPÖ: Frage! Frage! – Abg. Dr. Partik-Pablé – in Richtung SPÖ –: Also jetzt seid aber ruhig!) Seit 1. Mai sind die Kompetenzen für die Betreuung der Flüchtlinge bei den Bundesländern.

Meine Frage, Herr Bundesminister: Was unternimmt das Bundesministerium für Inne­res, um eventuell auftretende Engpässe bei den Bundesländern auszugleichen? (Abg. Mag. Wurm: ... eine Einleitung machen! – Abg. Dr. Partik-Pablé – in Richtung der Abg. Mag. Wurm –: Aber schaut doch auf den Krainer! ...!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Wir haben in den Artikel-15a-Ver­trägen die Verantwortung dafür übernommen, dass wir Notquartiere einrichten. Wir sind derzeit dabei. Ab morgen wird es in Thalham in Oberösterreich diese Möglichkeit geben, und sobald wir in der Betreuungsstelle in Traiskirchen die entsprechenden Ka­pazitäten frei haben, werden wir dort die Möglichkeit der Errichtung von Notquartieren schaffen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann, bitte.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Seit dem 1. Mai dieses Jahres sind die verbleibenden EU-Außengrenzen Österreichs nur mehr Grenzen zu sicheren Drittstaaten, sprich zur Schweiz und zu Liechtenstein.

Woher und auf welchem Wege werden Ihrer Einschätzung nach die Asylwerber nach Österreich kommen, speziell jene, die dann in Thalham untergebracht werden sollen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Derzeit kommen die meisten Asyl­werber über Gmünd. Es sind vor allem russische Staatsbürger aus Tschetschenien oder solche, die angeben, aus Tschetschenien zu kommen. Es sind sehr viele auch türkische Staatsbürger, die per Flugzeug oder über die Grenzen zu Ungarn oder der Slowakei Österreich erreichen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit haben wir den dritten Fragenkomplex erledigt.

Die 4. Frage formuliert Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte, Frau Kollegin.

 


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage lautet:


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60/M

„Welche Maßnahmen werden Sie setzen im Hinblick auf den Druck der USA auf Europa bezüglich der Einführung der im Rahmen der Terrorbekämpfung geforderten biometrischen Daten in EU-Pässen?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Grundsätzlich ist es vernünftig und sinnvoll, hier einen Gleichklang der Maßnahmen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika vorzusehen. Derzeit arbeitet eine Projektgruppe aus Brüssel intensiv mit den amerikanischen Experten. Es ist vorgesehen, dass es im Juni zu einem Gipfeltreffen Europa – USA kommen wird. Es geht vor allem darum, dass neben dem Lichtbild „in the long run“ – auf lange Sicht – ein zweites biometrisches Merkmal eingeführt wird, das bei der Identifizierung von Reisenden mithelfen soll.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.

 


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Wir Freiheitlichen waren ja vorausschauend: Wir haben schon vor ungefähr drei Jahren gefordert, dass es einen Fingerabdruck in den Reisepässen geben soll. Wir begrüßen auch, dass jetzt auf EU-Ebene diese Forderung gestellt wird.

Herr Minister, wann glauben Sie, dass dieses Vorhaben verwirklicht wird?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Wir gehen nach den heutigen Diskussionsprozessen davon aus, dass wir Ende 2005 mit einem Ergebnis rechnen können.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Minister! Die Vereinigten Staaten von Amerika haben auch großen Druck auf die europäischen Fluglinien ausgeübt, das Datenmaterial über die Passagiere zur Verfügung zu stellen.

Was haben Sie getan, um die europäischen Fluglinien in diesen Auseinander­setzun­gen auf EU-Ebene zu unterstützen, vor allem im Hinblick auf den Datenschutz der Pas­sagiere?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Es gibt jedenfalls eine Fluglinie, die – mit Hilfe des österreichischen Innenministeriums – diesem Druck standgehalten hat: Das ist die AUA, die österreichische Airline. Sie hat keine solchen Daten über­mittelt. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich möchte an die Frage von Kollegin Lunacek anschließen: Das Europäische Parlament hat den Antrag des Rates, die Frage des Abkommens über die Fluggastdaten zwi­schen EU und USA erneut als dringlich auf die Tagesordnung zu setzen, abgelehnt.

Meine konkrete Frage: Welche Haltung hat in der Angelegenheit Weitergabe von Flug­gastdaten Ihr Ressort eingenommen, und wann erwarten Sie eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes über die Zulässigkeit dieses Abkommens?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 



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Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Erstens: Ich würde weder wagen, über Terminpläne österreichischer noch europäischer Gerichte eine Aussage zu tref­fen. Das steht mir nicht zu.

Zweitens: Eine gemeinsame Vorgangsweise ist sinnvoll und vordringlich. Wir werden hier Kommissar Vitorino bei seinen Gesprächen mit den Amerikanern sehr unter­stützen, und wir werden selbstverständlich darauf Wert legen und haben immer darauf Wert gelegt, dass die europäische Datenschutzrichtlinie in dieser Frage voll einge­hal­ten wird.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Freund. – Bitte, Herr Kollege.

 


Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Bundesminister! Die Bevölkerung erwartet sich einen effizienten Schutz vor Terror, und da scheint tatsächlich der Fingerprint in Reisedokumenten eine Möglichkeit zu sein. In der EU gibt es diesbezüglich bereits Überlegungen.

Wie sieht der genaue Zeitplan der EU in dieser Richtung aus?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Der Fingerprint ist eine Möglichkeit. Da gibt es den Fingerprint, den wir alle kennen, aber auch den elektronischen Finger­print. Es gibt weitere technische Möglichkeiten wie die Iris-Erkennung, die Gesichts­erkennung und anderes mehr. Wir haben derzeit bei all diesen Verfahren nicht die technische Reife erreicht, die einen Einsatz in diesem Bereich ermöglichen könnte. Wir gehen davon aus, dass wir entsprechende Entscheidungsgrundlagen bis zur zweiten Hälfte 2005 haben werden.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Den nächsten Fragenkomplex leitet Herr Abgeordneter Mag. Posch durch seine Frage ein. – Ich bitte Sie, diese zu formulieren.

 


Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

57/M

„Welche Staaten wird Österreich im Rahmen seiner nationalen Liste als ,sichere Drittstaaten‘ definieren, durch die keine Flüchtlinge mehr nach Österreich kommen dürfen?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Die Schweiz und Liechtenstein.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage, Herr Kollege? – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Bundesminister! Wir wird es etwa im Fall eines Bürgerkriegs, wie er zum Beispiel in Bosnien stattfand, Flüchtlingen in Zukunft möglich sein, außer auf einem Business-Ticket der Austrian Airlines, also auf dem Landweg, nach Österreich zu kommen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Wie bisher: zu Fuß, mit dem Auto, mit jedem Fahrzeug.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Ell­mauer. – Bitte.

 



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Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Herr Bundesminister! Auf EU-Ebene hat es in der Vergangenheit viele Verbesserungen im Asylbereich unter der tatkräftigen Mit­wirkung Österreichs, besonders durch Ihren persönlichen Einsatz, gegeben.

Meine Frage: Wie sieht es mit der Position der Europäischen Union zum sicheren Drittstaatenkonzept überhaupt aus?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Ich freue mich sehr, dass der Rat der Innenminister, der Kommissionspräsident und die Kommission dem Vorschlag Österreichs gefolgt sind. Wir haben in der letzten Sitzung der Innenminister eine grundsätzliche Einigung darüber, dass es eine Liste sicherer Drittstaaten geben soll und dass es eine Liste supersicherer Drittstaaten geben soll, wo eine Zurückweisung an der Grenze erlaubt ist, erzielt. Das ist das österreichische Konzept, das jetzt in Europa auch umgesetzt und anerkannt worden ist. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Partik-Pablé.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. – Bitte, Herr Kollege.

 


Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Das neue Asylgesetz, das seit 1. Mai dieses Jahres in Kraft ist, hat natürlich einen pawlowschen Reflex, kann man sagen, bei der Opposition ausgelöst: Sie schimpft.

Ich stelle folgende konkrete Frage dazu: Seit 1. Mai ist dieses Gesetz in Kraft. Gibt es betreffend die Drittstaatenregelung bereits erste Auswirkungen, erste Erfahrungs­wer­te?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Zunächst darf ich feststellen, dass ein ganzes Bündel von Maßnahmen, zum Teil über Jahre geplant, für den 1. Mai 2004 vorbereitet worden ist und jetzt umgesetzt ist:

Zum Ersten: ein neues Asylgesetz, das vorsieht, dass wir jenen, die Asyl brauchen, dieses auch rascher geben können.

Zum Zweiten: eine neue Organisation mit den Erstaufnahmestellen.

Zum Dritten: der Bund-Länder-Vertrag, die Artikel-15a-Vereinbarung, die vorsieht, dass es eine gemeinsame Verantwortung für die Quartiere von Flüchtlingen gibt, wobei die Länder hauptverantwortlich sind.

Zum Vierten: das soeben – jetzt, vor wenigen Tagen – im Rat der Innenminister ge­meinsam verabschiedete Konzept über die europäischen Asylverfahren, das genau dem österreichischen Konzept entspricht.

Ich weiß, dass es hier viele Diskussionen gegeben hat und auch viel Kritik von den Op­positionsparteien, aber umso mehr freue ich mich, dass Mitglieder des Innen­aus­schusses von den Grünen und der SPÖ sich vor kurzem, vor einigen Tagen, die Be­treuungsstelle Traiskirchen angesehen haben und sehr positive Worte über die Arbeit unserer Beamten gefunden haben. Ich glaube, dass wir da auf dem richtigen Weg sind, nämlich, dass wir damit jenen, die Asyl brauchen, rasch Asyl geben können, aber jenen, die aus anderen Gründen zu uns kommen, klar signalisieren, dass das Asylrecht für ihren Fall nicht anwendbar ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Die Opposition findet immer lobende Worte für Beamtinnen und Beamte des Innenressorts. Ich würde mich freuen, wenn ich auch einmal lobende Worte über Sie finden könnte! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf: Das ist doch keine Frage! – Zwi­schenruf des Abg. Neudeck.)

Zurück zur Unterbringungssituation in Österreich: Sie haben uns gerade vorhin mitge­teilt, dass es im Februar 2000, zum Zeitpunkt Ihres Amtsantritts, 2 200 Betreuungs­plät­ze gegeben hat. Ein einfacher Blick auf die Homepage des Innenministeriums hat mir jetzt gezeigt, dass am 29. Februar 2000 4 443 Menschen in Bundesbetreuung waren: Dann wird es wohl auch 4 443 Betreuungsplätze gegeben haben! (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) – Das zu Ihrem Verhältnis zu Zahlen und zur Wahrheit!

Herr Minister! Ganz konkret: Sie haben uns vorhin gesagt, sukzessive (Abg. Mag. Mai­noni: Das ist wieder keine Frage!) wird Traiskirchen, dieses Großlager, abgebaut. (Abg. Steibl: Das ist keine Frage!) Als Minister haben Sie die Verantwortung, der Be­völkerung einen konkreten Zeitplan vorzulegen. (Abg. Mag. Mainoni: Die redet eine Viertelstunde! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich finde das ungerecht unseren Abgeordneten gegenüber! Die halten sich alle an die ...! – Ruf bei der ÖVP: Das ist eine „Zwei-Klas­sen-Gesellschaft“!)

Ich frage Sie: Vier Jahre haben Sie Zeit gehabt, Traiskirchen abzubauen, wie lange wird es konkret noch dauern?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Wenn wir ein Quartier haben, werden wir das Quartier nehmen. Aber wir werden – und das sei auch sehr klar an all jene gesagt, die in diesem Bereich oft durch ihre Wortwahl und durch ihre Wortmel­dun­gen mit dazu beitragen, dass es unsere Mitarbeiter schwerer haben, Quartiere zu organisieren – keinen Bürger und keinen Bürgermeister dazu zwingen, dass er Quar­tiere zur Verfügung stellen muss (Abg. Mag. Stoisits: ... ermutigen ...!), sondern wir sind dafür, dass wir im Einvernehmen mit der Bevölkerung, im Einvernehmen mit den regional Verantwortlichen gemeinsam dafür sorgen, dass sich Flüchtlinge dort, wo sie Quartier bekommen, auch grundsätzlich integrieren können. Dieser Weg ist der rich­tige, diesen Weg werden wir auch fortsetzen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen damit zum 6. Fragenkomplex, den Herr Abgeordneter Miedl durch seine Fragestellung einleitet. – Bitte, Herr Kollege.

 


Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

52/M

„Welche konkreten Maßnahmen haben Sie auf Grund der Terroranschläge vom 11. März 2004 in Madrid ergriffen?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Herr Abgeordneter! Der 11. März 2004 hat auch einer breiten Öffentlichkeit sehr klar werden lassen, dass Terror auch in Europa ein Thema Nummer eins ist und dass es leider auch in Europa keine hundert­prozentige Sicherheit gibt. Das müssen wir auch für Österreich so sehen.


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Dennoch: Nach allem, was wir wissen, nach den Recherchen unserer Mitarbeiter, nach der Konsultation befreundeter Polizeiorganisationen und Geheimdienste dürfen wir sa­gen, dass keine konkrete Gefahr für terroristische Anschläge auf österreichischem Staatsgebiet besteht, dass es aber gefährdete Personengruppen und Einrichtungen gibt, wo wir sehen, dass wir ein erhöhtes Sicherungspotential brauchen. Das sind ins­besondere Personengruppen und Einrichtungen, die aus Ländern kommen, die der so genannten Koalition für den Irakkrieg angehören.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.

 


Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Zum Unterschied von Frau Kollegin Stoisits ein großes Lob von mir, Herr Bundesminister, weil ich als Mitglied des Innenausschusses Ihre raschen Reaktionen kenne und gekannt habe.

Ich frage Sie aber noch einmal, weil das die Bevölkerung doch sehr bewegt: Hat sich auf Grund Ihrer Erkenntnisse die Gefährdungslage in Europa in irgendeiner Weise verändert? Wie gefährdet ist Österreich aus Ihrer Sicht jetzt konkret? – Sie haben schon angedeutet, Sie sehen es nicht so. Ich denke mir, wir sind es der Bevölkerung schuldig (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen – Rufe bei der SPÖ: Frage! Frage! – Abg. Steibl – in Richtung SPÖ –: Das ist nur der Ausgleich ...!), hier eine ganz klare Antwort zu geben, und ich weiß, dass Sie es tun können.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Ja, in Teilen Europas gibt es eine erhöhte Gefährdungssituation. Diesbezüglich sind insbesondere europäische Länder wie England, Spanien, Polen und andere zu nennen. – Wir in Österreich haben auch auf Grund der sehr guten, jahrzehntelang gepflogenen Außenpolitik Österreichs, die durch Staatsmänner wie Dr. Waldheim oder Dr. Kreisky begonnen wurde und jetzt von Bundeskanzler Schüssel, auch von unserer Außenministerin Benita Ferrero-Waldner, aber auch von unserem Bundespräsidenten und, wie ich weiß, auch von unserem zu­künftigen Bundespräsidenten fortgeführt wird – diese trägt einen wichtigen Teil dazu bei – Sicherheit für die Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Abgeord­neter Dr. Bösch zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Wie beurteilen Sie im Rahmen der weltweiten Terrorbekämpfung die kürzlich beschlossene Solidaritätsklausel auf europäischer Ebene?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Ich halte sie für nützlich und für gut für die österreichische Sicherheit. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Luna­cek, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Minister! Sie haben zuvor gesagt, dass es bezüglich des Terrorismus für das österreichische Gebiet, für die österreichi­sche Bevölkerung im Allgemeinen keine akute Gefahr gibt.

Herr Minister, warum argumentieren Sie dann pro Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen zur Terrorismusbekämpfung, wenn Sie sagen, auf öffentlichen Plätzen, für die österreichische Bevölkerung im Allgemeinen gebe es diese Gefahr ohnedies nicht? Glauben Sie denn wirklich, dass Terroristen auf öffentlichen Plätzen mit Videoüber­wachung zu erkennen sind? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Drogendealer!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 



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Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Ich glaube schlicht und einfach, dass die Polizei ähnliche Befugnisse haben soll wie jeder Tourist: Ein Tourist darf in der Kärntner Straße videofilmen (Zwischenrufe bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ), er darf den Stephansdom aufnehmen, er darf das dokumentieren, er darf das auch senden, er darf das archivieren. Die österreichische Polizei darf auf Grund der derzeitigen Gesetze das nicht. – Das möchten wir auch tun können (Zwischenrufe der Abgeordneten Sburny, Mag. Stoisits und Mandak), damit wir in einer besonderen Gefährdungssituation auf dieses Material zurückgreifen können. Das ist der Sinn des neuen Gesetzes! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Schicken Sie Ihre Polizisten auf Urlaub, dann können sie filmen!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere und letzte Zusatzfrage formuliert Frau Mag. Wurm. – Bitte, Frau Kollegin.

 


Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Bundesminister! Die von Kollegin Lu­na­cek erwähnte Videoüberwachung ist im Sicherheitspolizeigesetz verankert, das ja jetzt in Begutachtung gegangen ist. Zusätzlich ist in diesem Sicherheitspolizeigesetz auch geregelt, dass Schutzzonen errichtet werden können sollen.

Jetzt die Frage an Sie – und es war ja in den Pressemeldungen nachzulesen, dass Sie glauben (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Frage?!), dass durch Videoüberwachungsanlagen und durch Schutzzonen der Terrorismus bekämpft werden sollte –: Wie, Herr Innen­minister, stellen Sie sich denn das vor? (Abg. Mag. Mainoni: Das ist doch ganz einfach: biometrische Maße!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Nein, Schutzzonen sind für unsere Kinder und für ältere Menschen gedacht, die durch Drogenhändler, durch Diebsbanden und Ähnliches mehr gefährdet sind. Es soll grundsätzlich die Möglichkeit bestehen, dass durch die Betroffenen selbst Anträge gestellt werden können, Schutzzonen im Bereich von Schulen, von öffentlichen Plätzen, von Altersheimen, von Kranken­häu­sern, dort, wo eine akute Gefährdungssituation für Menschen, die besonders schutz­bedürftig sind, besteht, einzurichten. – Das ist unser Konzept! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zum 7. Fragenkomplex, den Frau Abgeordnete Mag. Stoisits mit ihrer Frage einleiten wird. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Ich komme wie­der zurück zum Asyl und zu den AsylwerberInnen.

Meine schon schriftlich an Sie gerichtete Frage lautet:

55/M

„Wie konnte die Betreuungsstelle Traiskirchen mit 1. Mai 2004 als Erstaufnahmestelle für AsylwerberInnen funktionieren, wenn sie nach offiziellen Angaben am 2. Mai mit 1 400 Untergebrachten völlig überbelegt war?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Die Praxis zeigt – Sie haben sich selbst ein Bild davon machen können –, dass es funktioniert. Danke an die Beamten, die das penibel und gut vorbereitet haben und dafür gesorgt haben, dass die Erst­aufnahmestelle ab dem ersten Tag funktioniert. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Inzwischen sind wir noch ein Stück weiter, denn statt der 1 400 Betreuungsplätze, die wir noch am 1. Mai in Traiskirchen zur Verfügung gestellt haben, gibt es dort heute nur


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mehr etwa 1 200, und wir werden die Belegung sukzessive reduzieren, sobald es Quartiere in den Bundesländern gibt.

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit bei den Ländern und bei den Gemeinden bedanken, die alles daransetzen, diese Quartiere zu organisieren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Stoisits, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister, ehrlich gesagt: Es beeindruckt mich nicht sehr, dass, wenn die Bund-Länder-Vereinbarung in Kraft tritt, 200 Menschen weniger in Traiskirchen sind. Ich weiß nicht, wen man da loben sollte. Sie jedenfalls nicht! (Abg. Dr. Stummvoll: Zusatzfrage!) Aber auch die Bundesländer nicht, denn das ist ein bisschen wenig! (Abg. Grillitsch: Wo ist die Frage? – Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Frage!)

Ich habe jetzt eine entscheidende Zusatzfrage zur Zukunft. Sie haben einen Verord­nungsentwurf über die Frage, wer künftig Betreuungsstellen betreten darf, in Begut­achtung geschickt. Wir waren am Dienstag in Traiskirchen, und (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen) – das ist die Frage, Herr Präsident! (Abg. Grillitsch: Wo ist die Frage?) – man hat die Medien ausgesperrt, obwohl es ja dort, wie Sie sagen, nichts gibt, was zu verstecken ist. Jetzt planen Sie laut besagtem Verordnungsentwurf, NGOs, also nichtstaatlichen Organisationen, den Zutritt zu Betreuungseinrichtungen zu verbieten.

Was steckt da dahinter, Herr Bundesminister? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Mainoni: Was darf Sie mehr als andere Abgeordnete?)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Zunächst: Es ist halt eine tragische Angelegenheit, aber offensichtlich kann ich es Ihnen nicht leicht recht machen. Noch im Dezember haben Sie verlangt, dass wir die Betreuungsstelle Traiskirchen öffnen, und zwar über 1000 Plätze hinaus. Im Einvernehmen mit dem Herrn Bürgermeister und dem Gemeinderat von Traiskirchen haben wir das auch getan, weil es mir lieber war, dafür zu sorgen, dass dort bis zu 1 600 Betreute leben, als 600 stehen auf der Straße. (Abg. Mag. Mainoni: So schaut es aus!) Das ist nicht optimal, aber besser so als anders.

Jetzt wieder sind Sie dagegen, dass zu viele dort sind! Ich kann es Ihnen offensichtlich nicht immer recht machen (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Nie!), aber ich werde mich nach Kräften bemühen.

Was Ihre Frage betrifft, so darf ich Ihnen sehr klar sagen: Niemand schließt irgend­jemanden aus, aber Voraussetzung ist, dass unsere Beamten in Ruhe arbeiten kön­nen, dass es keinen Wirbel gibt, dass es keine unnötigen Fotografen, dass es keine Ka­meras gibt – bei Menschen, die in die Erstaufnahmestelle kommen! (Ruf bei der SPÖ: Was sind unwürdige Fotografen?) Das ist ein unwürdiges Bild! Das ist eine unwürdige Tatsache! Das wollen wir unterbinden, das wollen wir nicht haben! (Abg. Mag. Stoisits: Unwürdige Zustände!)

Das werden wir auch in Zukunft so halten, Frau Abgeordnete! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig, bitte.

 


Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Sehr geehrter Herr Minister! Auch ich habe eine Frage zum neuen Asylgesetz: Wie wird nach dem neuen Asylgesetz im


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Falle eines an der Grenze zu Tschechien oder zur Slowakei gestellten Asylantrages vorgegangen? Lässt man den Asylwerber, die Asylwerberin in Zukunft einreisen, damit das Verfahren nach der Dublin-Verordnung auch ordnungsgemäß stattfinden kann?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Selbstverständlich haben wir alle Voraussetzungen erfüllt, unsere Beamten geschult, dass alles, was Dublin vorsieht, auch umgesetzt werden kann.

Im Übrigen darf ich Sie, Frau Abgeordnete Stoisits, darauf hinweisen, dass in den Erläuterungen ... (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Schieder: Das ist nicht die Frau Stoisits!)

Ist es mir gestattet, zur Frau Abgeordneten Stoisits (Abg. Mag. Stoisits: Aber ja! Natürlich!) noch etwas zu sagen, Herr Abgeordneter Schieder?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Das entscheidet die Geschäftsordnung, Herr Bundes­minister! Aber ich glaube, Frau Abgeordnete Stoisits wird sich über Ihre Antwort freuen. (Abg. Mag. Stoisits: Jede Antwort erfreut mich, wenn er eine gibt! – Abg. Öllinger: Wenn er eine gibt!)

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Darf ich zu Ihrer Frage nachtragen, dass Sie einen Satz in den Erläuterungen zum Besonderen Teil, § 1 übersehen haben dürften? Ich zitiere:

„Damit besteht die Möglichkeit, etwa angemeldete Gäste – ob nun Vertreter von Medien oder NGO’s – jedenfalls das Betreten der Betreuungseinrichtungen zu ermög­lichen.“ (Abg. Mag. Stoisits: Ja! Und Sie wollen ja das Gegenteil tun!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, haben Sie noch weitere Antworten oder ist die Frage von Frau Königsberger-Ludwig endgültig beantwortet? – Danke! (Rufe bei der SPÖ: Ungeheuerlich!)

Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Hornek, bitte.

 


Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Welche Maß­nahmen wurden Ihrerseits vor dem 1. Mai 2004 zur Umsetzung der Asylgesetz­novelle gesetzt?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Wir haben eine ganze Reihe von Schulungen durchgeführt, um unsere Mitarbeiter vorzubereiten. Wir haben die bau­lichen Voraussetzungen geschaffen. Wir haben Gendarmerie, Flüchtlingsbetreuung und Flüchtlingsbeamte, die in diesem Bereich arbeiten, gemeinsam auf die neue Auf­gabe vorbereitet, und wir haben zahlreiche zusätzliche Mitarbeiter – ungefähr 60 –seit 1. Mai in diesem Bereich eingesetzt.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Rosenkranz, bitte.

 


Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Die durch die ständig steigende Zahl von Asylbewerbungen chronische Überbelegung des Lagers Trais­kirchen beschäftigt seit langem die Öffentlichkeit. Nunmehr ist seit dem 1. Mai eine neue rechtliche Situation eingetreten, da nun das Dublin II-Abkommen, das vor­sieht, dass Asylanträge in jenem Staat gestellt werden müssen, der als Erster betreten wird, in Kraft ist.


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Welche Maßnahmen, welche Vereinbarungen haben Sie mit Tschechien, der Slowakei und Ungarn getroffen, um Dublin II umzusetzen und die Rücküberweisung zu bewerk­stelligen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Auf Grund der Vorgaben von Dub­lin II haben wir jeweils Arbeitsübereinkommen mit Tschechien in Ausarbeitung, mit Slowakei und Ungarn in Umsetzung. Unsere Mitarbeiter an der Grenze und die für einen Teilbereich zuständigen Bezirkhauptmannschaften wurden verständigt, dass hier konsequent nach den Vorgaben von Dublin vorzugehen ist.

Diese sehr konsequente Arbeit zeitigt auch Früchte, sowohl an der Grenze und bei der Ersteinvernahme als auch dann im Asylverfahren. Wir konnten damit die Asylwer­berzahlen um mindestens die Hälfte verringern. Das bedeutet, dass jene, die wirklich Asyl brauchen, eher zu uns kommen, rascher Asyl bekommen, während man jene, die aus anderen Gründen zu uns kommen, klar darauf hinweisen muss – und man tut das auch –, dass das Asylrecht in diesem Fall nicht greift. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit gelangen wir zum 8. Fragenkomplex, der mit einer Frage von Frau Abgeordneter Dr. Partik-Pablé eingeleitet wird. – Bitte.

 


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Werter Herr Minister, meine Frage lautet:

59/M

„Wie stehen Sie zur Schaffung eines eigenständigen Exekutivdienstgesetzes, wie es von der FPÖ im Zusammenhang mit der Zusammenlegung der Exekutivkörper ge­fordert wird?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Das Innenressort unterstützt sowohl die Überlegungen der Personalvertretungen als auch jene der Gewerkschaften für eine besondere Beachtung der besonderen Arbeitssituation von Exekutivbeamten sehr. Ich bin auch sehr dankbar dafür, dass die Bundesregierung in ihrer Regierungserklärung und in ihrem Regierungsprogramm ein klares Bekenntnis zu einem neuen Bundes­mitarbeitergesetz, in dem die Frage der Behandlung von Exekutivbeamten in einem eigenen Kapitel sinnvoll geregelt werden soll, abgegeben hat. Die Vorarbeiten dazu werden im Herbst beginnen. Das Innenministerium wird sich daran intensiv beteiligen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Eder.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé.

 


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Wir wissen ja alle, dass der Exekutivdienst nicht mit anderen Beamtenbereichen zu verein­baren ist, sondern dass es dort eine ganz spezifische Aufgabe und viele andere Unter­schiede gibt, sodass es daher gerechtfertigt wäre, ein Exekutivdienstgesetz mit einem eigenen Berufsbild und so weiter zu schaffen.

Woran scheitert es, dass es ein eigenes Exekutivdienstgesetz gibt? Ist es richtig, dass es, wie ich gehört habe, Bundeskanzler Schüssel ablehnt, ein solches Gesetz zu ge­nehmigen? (Zwischenruf bei der SPÖ. – Abg. Parnigoni: ... Idee!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 



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Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Im Gegenteil: Der Herr Bundes­kanz­ler hat ja Auftrag gegeben, die Vorarbeiten für ein Bundesmitarbeitergesetz aufzu­nehmen (Abg. Parnigoni: Er schwindelt sich an der Frage vorbei!), und in diesem Bun­desmitarbeitergesetz werden die Exekutivbeamten auf Grund ihrer besonderen Ar­beitssituation auch einen eigenen Schwerpunkt bilden. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger. – Bitte, Frau Kollegin.

 


Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Minister! Der Frauenanteil in der Exekutive ist ja nicht gerade überwältigend hoch, in den Führungspositionen ist er sogar so gering, dass Sie in einer der letzten Ausschusssitzungen imstande waren, alle betroffenen Personen, glaube ich, namentlich aufzuzählen.

Meine Frage lautet daher: Welche Maßnahmen planen Sie jetzt im Zuge der Zusam­menlegung der Exekutivkörper und im Rahmen der damit verbundenen Personalent­wicklungspläne, um den Frauenanteil insbesondere in den Führungspositionen deutlich zu erhöhen? Ich nehme doch an, dass auch Sie Frauen für qualifiziert genug halten. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPÖ.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Frauen sind für exekutivdienstliche Tätigkeiten genauso qualifiziert wie Männer. Wir haben die Situation, dass es erst seit etwa 13, 14 Jahren Frauen überhaupt gibt im Exekutivdienst. Wir haben daher einen großen Anteil junger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich außerordentlich bewäh­ren, die ihre Frau und ihren Mann stehen, sich dankenswerterweise sukzessive für Füh­rungspositionen bewerben und diese auch erhalten, wenn die Bestellungs­kom­mission zustimmt und wenn es die Möglichkeit zur Betrauung gibt. (Abg. Mag. Wein­zinger: ... Antwort ...!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Gaál. – Bitte, Herr Kollege.

 


Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Bundesminister! Die Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie war ja im Rahmen der Sondierungsgespräche ein Anliegen der ÖVP, dem wir nie zugestimmt haben. Daher war es unrichtig, was Sie gesagt haben, und wir brauchen auch nicht unsere Meinung zu ändern.

Selbiges gilt für das Exekutivdienstgesetz. Herr Bundesminister, werden Sie dafür eintreten, dass die sehr umstrittene und ungeliebte Reform – Team 04 erst dann umge­setzt wird, wenn dieses Exekutivdienstgesetz in Kraft tritt?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Der Zeitplan für die Umsetzung der Zusammenführung der Wachekörper ist bekannt, seit mehr als eineinhalb Jahren wird er sehr genau eingehalten. Wir haben die Vorarbeiten und das Expertenteam vor et­was mehr als einem Jahr eingerichtet. Diese Experten haben im November ein Exper­tenpapier vorgelegt. Wir haben im Dezember, Jänner und Februar in 25 Veranstaltun­gen mit über 4 000 Mitarbeitern diskutiert und danach dieses Expertenpapier verfeinert. Wir haben in mehr als zehn, zwölf informellen Gesprächen sowie drei formellen Ge­sprächen mit der Personalvertretung das gesamte Papier diskutiert und diese Dis­kus­sion dann vorläufig abgeschlossen. Es ist jetzt ein Gutachten der PVAK notwendig.

Gleichzeitig haben wir ein Sicherheitspolizeigesetz in Begutachtung geschickt. Ich gehe davon aus, dass wir uns nach der Begutachtung, etwa in der zweiten Junihälfte, damit im Ministerrat befassen werden und es dann dem Parlament zur Diskussion und


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Beschlussfassung übergeben können. Wenn das Parlament zu Ergebnissen kommt, wollen wir im Herbst mit der Umsetzungsvorbereitung und – wenn der Terminplan in jener Präzision eingehalten wird, wie er im März 2003 erstellt wurde – mit Jahres­wechsel 2004/2005 mit der Umsetzung beginnen. Ich möchte alles tun, damit Mitte 2006 die Umsetzung dieser Zusammenführung abgeschlossen ist. (Abg. Parnigoni: Aber die Frage haben Sie nicht beantwortet!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Schöls, bitte.

 


Abgeordneter Alfred Schöls (ÖVP): Herr Bundesminister! Die Gewerkschaft Öffent­licher Dienst fordert ja bereits seit Mitte der neunziger Jahre für den speziellen Dienst der Exekutivbediensteten erforderliche Regelungen. Wir hatten bei den früher Zustän­digen Schlögl, Einem und Ruttenstorfer wenig Erfolg. (Abg. Heinzl: Frage!) Welche Regelungen können Sie sich für ein eigenständiges Pensionsrecht der Exekutivbeam­ten vorstellen? (Ruf: Harmonisierung!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Wir haben dazu sehr gute Ge­spräche mit der Personalvertretung und den Gewerkschaften geführt. Es gibt auch ein gemeinsames Verständnis der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst mit dem Dienstgeber, dem Innenministerium. Jetzt geht es darum, diese Konzepte mit dem zuständigen Per­sonalamt der Republik, mit dem Bundeskanzleramt, zu verhandeln und im Parlament die entsprechenden legistischen Vorschläge vorzulegen, zu diskutieren und zu be­schließen. Das soll im Herbst dieses Jahres beginnen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Anfrage 9 stellt Frau Abgeordnete Pfeffer. – Bitte, Frau Kollegin.

 


Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

58/M

„Sehen Sie im Bereich der inneren Sicherheit die Möglichkeit der Schaffung zu­sätz­licher gemeinsamer Kompetenzen auf EU-Ebene, um den internationalen Terrorismus wirksam zu bekämpfen?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Ja! Wir haben uns aus österreichi­scher Sicht sehr dafür eingesetzt, dass EUROPOL eine stärkere Rolle bekommt. Es gibt einen aus Österreich kommenden Beamten, der für die Terrorbekämpfung bei EUROPOL zuständig ist. Wir glauben auch, dass wir in der Zusammenarbeit und Koordinierung der Geheimdienste weiterkommen müssen. Ich halte den Anti-Terror­koordinator, der vor einigen Wochen bestellt worden ist, für einen richtigen Schritt in die richtige Richtung.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Heißt das, dass die Gespräche und Verhand­lungen diesbezüglich abgeschlossen sind? Oder gehen sie weiter? Ich möchte nur wissen, wann wir dann ein Ergebnis sehen werden.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Die Frage des Konvents steht beim nächsten Gipfel der Regierungschefs auf der Tagesordnung. Sollte dort ein Ergebnis herauskommen, dann wird EUROPOL jedenfalls zusätzliche Möglichkeiten haben. Die


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59. Sitzung / Seite 28

Frage betreffend Arbeit des Anti-Terrorkoordinators wird jetzt aufgenommen. Vom Ergebnis dieser Koordination wird es dann abhängen, ob es zu weiteren Verflech­tungen kommen wird. Aus unserer Sicht, aus Sicht eines kleinen Mitgliedslandes, wä­ren sie jedenfalls sinnvoll.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Pack. – Bitte, Herr Kollege.

 


Abgeordneter Jochen Pack (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wie wird die Terrorismusbekämpfung in Österreich koordiniert? (Abg. Öllinger: Eine „Wahnsinns­frage“!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Das ist Aufgabe der General­direk­tion für die öffentliche Sicherheit. Der Herr Generaldirektor und BVT-Chef Dr. Polli sind dafür hauptzuständig.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Mai­noni, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Ich möchte noch einmal auf die internationale Zusammenarbeit bei der Terrorbekämpfung zurück­kommen. Es gibt den Plan für einen europäischen Geheimdienst, der ins Spiel ge­bracht wurde. Wie sehen die Kompetenzen oder, besser gesagt, wie würden die Kompetenzen dieses Geheimdienstes aussehen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Ja, der europäische Geheimdienst ist ein Thema! Ich glaube, dass der Anti-Terrorkoordinator ein wichtiger erster Schritt dorthin ist. Wir müssen im Zuge der Arbeit des Anti-Terrorkoordinators sehen, ob es Sinn macht, weitere Verflechtungen durchzuführen. Das lässt sich nach etwa einem Jahr feststellen. Dann sollten wir uns diese Frage wieder stellen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Lu­nacek, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Minister! Eine stärkere Zusam­menarbeit zur Terrorismusbekämpfung auf europäischer Ebene ist auch für uns sinn­voll, solange sie auch auf Basis des Datenschutzes funktioniert. Dieser funktioniert aber nicht einmal in Österreich immer!

Wie können Sie garantieren, dass es in Zukunft keine Fälle gibt wie jenen im Som­mer 2001 rund um das G7-Treffen in Genua und die Verhaftung einiger Mitglieder der VolxTheater-Karawane, als vertrauliche Personalakten des Innenministeriums ins Außenministerium gelangten und die Außenministerin daraus öffentlich zitiert hat?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Dieser Vorgang ist mir in dieser Art nicht bekannt. (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.) Ich habe eine klare Information darüber, dass alle datenschutzrechtlichen Bestimmungen, nicht nur in diesem Fall, sondern in allen anderen Fällen, in denen österreichische Beamte am Werk waren, eingehalten worden sind. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist ja ungeheuerlich!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir haben damit den 9. Fragenkomplex erledigt.

Wir kommen zur letzten, zur 10. Anfrage, der Frage des Herrn Abgeordneten Ing. Ka­peller. Ich bitte ihn um die Formulierung.

 



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59. Sitzung / Seite 29

Abgeordneter Ing. Norbert Kapeller (ÖVP): Herr Minister, meine Frage lautet:

53/M

„Welche Mittel wurden Ihrem Ressort zur Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung zusätzlich zur Verfügung gestellt?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Ich möchte mich einmal mehr bei Mitgliedern des österreichischen Nationalrates herzlich dafür bedanken, dass wir für die zusätzlichen Sicherheitsaufgaben, die wir für die österreichische Exekutive auf Grund der internationalen Kriminalitätsentwicklung und der Terrorismusgefahr sehen, ein Sonderbudget für das Jahr 2004 zur Verfügung gestellt bekommen haben. Es sind insgesamt 36 Millionen €, die wir heuer in neue EDV-Systeme, in neues technisches Equipment, in Autos, in Baulichkeiten investieren können, damit unsere Mitarbeiter ihre Arbeit tun können, und wir haben auch 150 zusätzliche Planstellen zur Kriminalitäts­be­kämpfung bekommen. Ich möchte mich daher bei den Abgeordneten der ÖVP und der FPÖ für dieses zusätzliche Paket herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Kapeller.

 


Abgeordneter Ing. Norbert Kapeller (ÖVP): Einer veränderten Sicherheitslage, Herr Minister, im grenzenloser gewordenen Europa kann nicht ausschließlich durch ein Mehr an Geld und ein Mehr an Beamten begegnet werden.

Meine Zusatzfrage: Welche weiteren Maßnahmen sind neben diesen zusätzlichen Be­schaffungen für die Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung Ihrerseits geplant?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Wir haben dazu ein sehr klares Konzept, das wir seit vier Jahren penibel und konsequent verfolgen.

Es bedeutet zum Ersten: die Neuorganisation der österreichischen Exekutive für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. – Wir haben das Bundeskriminalamt, die Staatspolizei, die Wiener Polizei, und jetzt die Zusammenführung von Gendarmerie und Polizei deshalb neu organisiert, weil wir diesen Herausforderungen optimal ge­wachsen sein wollen.

Zweitens: Wir pflegen intensiven Kontakt mit unseren direkten Nachbarn. Die Zusam­menarbeit über die Grenze mit unseren Nachbarn ist lebensnotwendig für die öster­reichische Sicherheit. Das bedeutet ein Mehr an Sicherheit.

Drittens: Wir werden die Schengen-Grenze selbstverständlich auch nach dem 1. Mai in voller Mann- und Fraustärke aufrechterhalten, um dafür zu sorgen, dass auch in Zu­kunft niemand ungerechtfertigt österreichischen Boden betreten kann. Aber wir bekom­men eine wesentlich besser geschützte EU-Außengrenze an den Grenzen Polens, an den Grenzen der Slowakei, Ungarns und Sloweniens dazu. Das bedeutet einen zwei­ten „Sicherheitsgurt“ für die Sicherheit Österreichs.

Viertens: Wir wollen uns stärker als bisher in die Europäische Union einbringen. Das gerade verabschiedete Asylverfahren in Europa zeigt, dass der österreichische Weg von den europäischen Mitgliedsländern voll anerkannt, unterstützt und auch umgesetzt wird.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Rossmann, bitte.

 



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Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Bei meinen zahlreichen Besuchen von Wachzimmern muss ich immer wieder fest­stellen, dass Exekutivbeamte viel Schreibarbeit verrichten müssen und zu wenig Com­puter-Arbeitsplätze vorhanden sind. Außerdem gibt es zwar ein flächendeckendes Intranet, aber vielfach noch keine Internet-Anschlüsse. Das heißt, die Bevölkerung kann mit den Exekutivbeamten nicht per Internet kommunizieren.

Wie denken Sie, das in nächster Zeit flächendeckend, österreichweit zu bewerk­stelligen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Frau Abgeordnete, ich muss Ihnen leider Recht geben. Wir haben eine durchaus skurril zu nennende Situation übernom­men: Wenn zum Beispiel ein Diebstahl angezeigt wird, dann haben wir in jeder der 14 Polizeidirektionen eigene Formulare zur Aufnahme des Delikts, und ein 15. gibt es bei der Gendarmerie. Es ist mir völlig unverständlich, warum man nicht ein einheit­liches ausarbeiten konnte.

Wir haben keine EDV-Verbindungen zwischen Polizei und Gendarmerie, deshalb ar­beiten wir daran, ... (Abg. Parnigoni: Vier Jahre! – Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.) Liebe Frau Abgeordnete Wurm: Was fünf, sieben, zehn, zwölf sozialdemokratische Innenminister in 30 Jahren sozusagen hinterlassen haben, braucht einige Zeit, bis es aufgearbeitet ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber ich kann Ihnen sagen: Die Dinge entwickeln sich gut! Ihrem Wunsch wird Rech­nung getragen werden, denn wir haben zurzeit in der Bundespolizeidirektion Steyr und im Gendarmeriebezirk Perg ein neues Aktenverwaltungssystem, das IPOS, in Erpro­bung, das unsere Mitarbeiter von der Verwaltungsarbeit enorm entlasten soll.

Ich freue mich sehr, dass dieses System in der nun seit einigen Wochen laufenden Erprobungsphase hervorragend funktioniert und auch angenommen wird. Wir wollen die Kinderkrankheiten dieses Systems noch in der Probezeit beseitigen, und wir wollen mit Ende des Jahres ein Roll-out beginnen und für alle unsere Mitarbeiter dieses neue Aktensystem zur Verfügung stellen, denn wir wollen, dass unsere Mitarbeiter von der Verwaltungstätigkeit entlastet werden und für die Arbeit, für die Sicherheit auf der Straße, für die Kriminalitätsbekämpfung zur Verfügung stehen.

Wir werden auch hier einen Meilenstein weiter zu einer besseren Koordinierung und Arbeit der österreichischen Polizei setzen. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heit­lichen. – Abg. Heinzl: Blablabla!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mandak, bitte.

 


Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Herr Minister! Seit 1995 gibt es in Österreich Kriminalreferate. Sie ändern jetzt durch eine Reform die Stellenanforderungen, was wiederum zur Folge hat, dass sehr erfahrene, gut eingearbeitete Beamte ihre bisherige Stellung nicht mehr behalten können, weil sie den Maturaabschluss als Voraussetzung nicht haben. Das heißt, Sie verzichten als Folge dieser Reform auf sehr viel Know-how und Erfahrung – noch dazu ohne jegliche Übergangsbestimmung! Warum tun Sie das?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Frau Abgeordnete! Das Gegenteil ist der Fall! Wir wollen die Durchlässigkeit erhöhen. Wir wollen die Möglichkeit schaffen, dass sich mehr Mitarbeiter an mehr Stellen bewerben können.


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Ich muss an dieser Stelle sehr klar sagen: Kriminalitätsbekämpfung ist nicht etwas für eine eigene Kaste innerhalb der Polizei – Kriminalitätsbekämpfung soll in Zukunft jeder Polizist machen können und auch machen. Deshalb schaffen wir ein neues System, das die Kriminalitätsbekämpfung für alle unsere Mitarbeiter zu einer Hauptaufgabe macht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die letzte Zusatzfrage in dieser Fragestunde stellt Herr Abgeordneter Dobnigg. – Bitte.

 


Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage: Stimmt es, dass es in Zukunft bei der Exekutive nur mehr in jeder Landeshauptstadt eine Hun­de­staffel geben soll – gerade angesichts der ansteigenden Kriminalität wäre das ein Rückschritt –, oder besteht doch noch die Hoffnung, dass die bereits bestehenden Hundestaffel-Einsatzleitungen erhalten bleiben?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Es ist richtig, dass das Experten­papier dieses Konzept, das Sie zitieren, vorgesehen hat. Wir haben in vielen, in 25 Dis­kussionen mit unseren Mitarbeitern viele gute Informationen gerade in diesem Bereich bekommen, sodass wir in dem jetzt vorliegenden Endpapier eine Adaptierung dieses Konzepts vornehmen konnten, die Rücksicht nimmt auf die Besonderheiten des länd­lichen Raumes und die Möglichkeit eines gemischten Systems beinhaltet: auf der einen Seite in urbanen Räumen fixe Hundestaffeln, auf der anderen Seite in ländlichen Räu­men Hundestaffeln, die ähnlich wie bisher bei der Gendarmerie organisiert werden können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Fragestunde ist beendet.

Alle zehn gestellten Fragen wurden beantwortet. Ich bedanke mich beim Herrn Bun­desminister und bei allen Anfragestellerinnen und Anfragestellern für die Präzision.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Um Punkt 5 der Tagesordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erforderlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des Ausschussberichtes abzusehen.

Es handelt sich um den Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (095 Hv 34/04x) um Zustimmung zur behörd­lichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dietmar Keck in 476 der Beila­gen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für die­sen Ausschussbericht ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir können daher Punkt 5 der Tagesordnung behandeln.

Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.


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Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 1543/AB und 1544/AB.

2. Regierungsvorlagen:

Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz 2004 – GesRÄG 2004 (466 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den Fernabsatz von Finanzdienst­leis­tungen an Verbraucher (Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz – FernFinG) erlassen wird und das Konsumentenschutzgesetz, das Versicherungsvertragsgesetz, das Wert­papier­aufsichtsgesetz sowie das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (467 d.B.),

2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2004 – 2. SVÄG 2004 (469 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Gebührengesetz 1957, das Bewertungsgesetz 1955, das Bodenschätzungsgesetz 1970 und das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz geän­dert werden (470 d.B.),

Familien- und Erbrechts-Änderungsgesetz 2005 – FamErbRÄG 2005 (471 d.B.),

Bundesgesetz über die Organisation der Bezirksgerichte in Graz und die Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988 (472 d.B.),

Chemikaliengesetz-Novelle 2004 – ChemGNov 2004 (474 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden (475 d.B.).

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Arbeitsmarktreformgesetz (464 d.B.);

Bautenausschuss:

Antrag 382/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Energieeffizienzverbesserung bei Bundesgebäuden;

Finanzausschuss:

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglo­merats (Finanzkonglomerategesetz – FKG) erlassen wird sowie das Versiche­rungs­aufsichtsgesetz, das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz, das Finanz­markt­aufsichtsbehördengesetz, das Börsegesetz und das Pensionskassengesetz geändert werden (456 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen erlassen und das Bundesimmobiliengesetz geändert wird (465 d.B.),

Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Ergänzung des Abkommens vom 29. März 1961 über die ERP-Counterpart-Regelung (473 d.B.),

Antrag 378/A (E) der Abgeordneten Mag. Kurt Gaßner, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Novellierung des Grunderwerbssteuergesetzes und des Liegenschaftstei­lungsgesetzes“,


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Antrag 386/A der Abgeordneten Fritz Neugebauer, Josef Bucher, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Personalvertre­tungs­gesetz, BGBl. Nr. 133/1967, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 130/2003, geändert wird;

Gesundheitsausschuss:

Antrag 383/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung einer verpflichtenden, klaren und transparenten Kennzeichnung von tierischen Produkten;

Justizausschuss:

Antrag 376/A der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem vorüber­gehen­de Maßnahmen für die Anhaltung in Untersuchungshaft und im Strafvollzug getroffen werden,

Antrag 377/A der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­desgesetz über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von eu­ropäischen Rechtsanwälten in Österreich geändert wird,

Antrag 379/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Novellierung des Liegenschaftsteilungsgesetzes und des Grunderwerbs­steuergesetzes“;

Ausschuss für Sportangelegenheiten:

Antrag 384/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen zur Bekämpfung von Doping (verunreinigte NEM) im Freizeit- und Leistungssport durch den Bundeskanzler“;

Verfassungsausschuss:

Antrag 381/A (E) der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wahlkartenausstellung bei den Europawahlen;

Verkehrsausschuss:

Antrag 385/A der Abgeordneten Klaus Wittauer, Mag. Karin Hakl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenver­kehrsord­nung 1960 – StVO 1960), geändert wird;

Ausschuss für Wissenschaft und Forschung:

Antrag 380/A (E) der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungsoffensive für wissenschaftliche Alternativmethoden zum Tier­versuch.

*****

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1328/AB

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 1328/AB der Anfrage 1321/J der Abgeordneten Anton Gaál, Kolleginnen und Kollegen betreffend Eurofighter-Probleme und endende Einsatz­bereit-


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schaft der Draken-Flugzeuge durch den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung abzuhalten.

Diese kurze Debatte findet gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung nach Erledi­gung der Tagesordnung, jedoch spätestens um 15 Uhr statt.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Dauer und Gestaltung der Debatte erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 8 „Wie­ner Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP und SPÖ je 140 Minuten, Freiheitliche 96 Minuten, Grüne 104 Minuten.

Weiters wurde folgende Redezeitvereinbarung für die Debatten bis 13 Uhr, die vom Österreichischen Rundfunk übertragen werden, getroffen: zunächst je eine Wortmel­dung pro Fraktion mit je 15 Minuten, anschließend ein Regierungsmitglied mit 15 Minu­ten, sodann je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 10 Minuten, in weiterer Folge je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten, danach ein Regierungs­mit­glied mit 10 Minuten und schließlich je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten.

Die restliche Redezeit bis 13 Uhr wird vom Vorsitz führenden Präsidenten nach Rück­sprache mit den Klubvorsitzenden auf die vier Fraktionen in der Weise verteilt, dass noch alle Fraktionen gleichmäßig zu Wort kommen.

Weiters besteht darüber Einvernehmen, dass tatsächliche Berichtigungen erst nach 13 Uhr aufgerufen werden.

Darüber entscheidet das Hohe Haus. Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Wer mit dieser Gestaltung der Tagesordnung einverstanden ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. Wir werden daher so vorgehen.

1. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (451 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuer­ge­setz 1988, das Mineralölsteuergesetz 1995, das Schaumweinsteuerge­setz 1995, das Biersteuergesetz 1995, das Finanzstrafgesetz, die Bundesabgabenord­nung und das Finanzausgleichsgesetz 2001 geändert werden und ein Pauschal­abga­begesetz eingeführt wird (Steuerreformgesetz 2005 – StReformG 2005) (461 d.B.)

2. Punkt

Bericht und Antrag des Finanzausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird (462 d.B.)

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. Redezeit: 15 Minuten. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


10.09

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Guten Morgen, meine Damen und Herren an den Fernsehgeräten! Sie haben ja in der Vergangenheit mithören dürfen, als wir darüber gesprochen haben, wie die Millionen von der Industriellenvereinigung an Vereine im Umfeld unseres Herrn Finanzministers geflossen sind. (Rufe bei der ÖVP: Nein, nicht schon wieder! Sie haben ein Trauma!)

Heute unterhalten wir uns darüber, was jetzt zurückfließt – zurückfließt aber nicht aus der Privattasche, sondern es ist wirklich so, dass das aus der Staatskasse kommt. Es sind die Gelder der Österreicherinnen und Österreicher, die dafür eingesetzt werden, um Österreich zu dem zu machen, was die „Presse“ bereits im Jänner als Schlagzeile gebracht hat: „Österreich wird Konzernsteuer-Paradies“.

Die „Presse“ hat die Schlagzeile sicher nicht deshalb gebracht, um der Opposition Munition zu geben, sondern man hat sich ehrlich darüber gefreut. Natürlich ist es für jene, die in einem Paradies leben wollen, schön, wenn es Helfer und Helferinnen gibt, die dazu beitragen, dass so ein Paradies entsteht. Die Frage ist aber, ob der öster­reichische Nationalrat mit seinen 183 gewählten Volksvertreterinnen und Volksvertre­tern das richtige Gremium ist, um dafür zu sorgen, dass ein ganz kleiner Teil, letztlich rund 900 Großkonzerne, in einem Steuerparadies leben kann.

Ich möchte aber, bevor wir uns der Frage, ob wir uns das leisten können, widmen, einen Blick auf die Entwicklung der Wirtschaft, auf die Entwicklung des Budgets legen.

1999, als noch ein sozialdemokratischer Finanzminister, nämlich Rudolf Edlinger, ver­antwortlich war, betrug das Wachstum 2,7 Prozent, im Jahr 2000 als Ergebnis der neu gestalteten Politik 3,4 Prozent. (Die Abgeordneten Neudeck, Dipl.-Ing. Scheuch und Wittauer verteilen Blumen an die weiblichen Abgeordneten der ÖVP und der Frei­heitlichen. – Unruhe im Saal.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren von den Vergissmeinnicht verteilenden Freiheitlichen! Bitte, stören Sie nicht den Redner, verteilen Sie die Blumen während der Ausführungen eines Redners Ihrer Fraktion! (Beifall bei der ÖVP.) – An sich sind Myosotis sehr schöne Blumen.

Am Wort ist der Redner!

 


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (fortsetzend): Angesichts der Qualität des Gesetzes, das Sie hier vorlegen, wollen Sie gerne mit Blumen davon ablenken. (Die Abgeordneten Neudeck, Dipl.-Ing. Scheuch und Wittauer setzen mit der Verteilung der Blumen fort. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich unterbreche die Sitzung und bitte die Klubobleute zu mir!

(Die Sitzung wird um 10.12 Uhr unterbrochen und um 10.13 Uhr wieder aufge­nommen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und bitte Kollegen Matznetter, seine Ausführungen fortzusetzen.

 



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Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (fortsetzend): Wenn jetzt die Verteilung des Flieders beendet ist (Heiterkeit – Abg. Lentsch: Er kennt sich nicht einmal bei Blumen aus!), können wir uns wieder jenen großen Fliederbüschen zuwenden, die hier aus­geteilt worden sind. – Das Vergissmeinnicht war schon geplant: Jene, die diese Steu­ergeschenke erhalten, sollen auch daran denken! Man sollte aber der Bevölkerung einmal sagen, wer die Geschenknehmer sind. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ein sozialdemokratischer Finanzminister hinterließ – unter Berücksichtigung einer bes­seren Konjunktur weltweit – ein Wirtschaftswachstum von 2,7 und dann 3,4 Prozent. Dann hatten wir weltweit einen Rückgang der Konjunktur zu verzeichnen. Jede Regie­rung hat danach zu trachten, in Zeiten einer rückläufigen Konjunktur Impulse für Wirt­schaftswachstum, für Investitionen und für Arbeitsplätze zu setzen. Was hat diese schwarz-blaue, Entschuldigung, damals noch blau-schwarze Regierung gemacht? – Das Lehrbeispiel einer falschen Budgetpolitik! (Ironische Heiterkeit bei den Freiheit­lichen.)

Wenn Volkswirtschaft-Studenten betreffend den Konjunkturzyklus gefragt werden: Wann ist das Defizit höher, und wann hat es geringer zu sein?, dann lautet die Antwort, dass man expansiv ist, wenn die Konjunktur lahmt, und wieder konsolidiert, wenn die Konjunktur anzieht. – Was macht Herr Mag. Grasser? Er hat in den Jahren 2001 und 2002 das restriktivste Budget erarbeitet – Schuldenstand-Zwischenstand heuer: 1,3 be­ziehungsweise 1,1 Prozent Defizit – und erreicht jetzt wieder ein Defizit, somit eine Neuverschuldung – wie er in seiner „Gewinnwarnung“ in seinem Interview in der „Neuen Zürcher Zeitung“ am 25. April selbst bestätigt hat –, für 2005 von 2 Prozent.

Das heißt, er ist, obwohl das prognostizierte Wachstum geringer als jenes beim Kolle­gen Edlinger ist, bereits wieder bei einem Defizit von 2 Prozent angelangt. Das letzte von Minister Edlinger vorbereitete Budget für das Jahr 2000 hat ein Defizit von 1,5 Pro­zent ausgewiesen. Das heißt ein schlechteres Wachstum und ein höheres Defizit. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Mainoni: Das ist so falsch wie nur was! – Zwischen­bemerkung von Bundesminister Mag. Grasser.) Sie werden doch nicht behaupten, dass Sie das Budget 2000 in allen Details ausverhandelt haben, Herr Minister, also können Sie sich derartige Zwischenbemerkungen sparen!

Aber jetzt kommen wir zur großen Entlastung, die die große Ernte für die Öster­reicherinnen und Österreicher gewesen sein soll. Im Mittelbauch der Progression, bei dem, was die Menschen im Schnitt verdienen, beträgt die Entlastung bei 1 900 €  brut­to nur 12 € im Monat. Der Durchschnitt liegt kaum darüber. Gleichzeitig wird bei der Körperschaftsteuer das Gesamtsteueraufkommen von 4,3 auf 3,2 Milliarden reduziert – aber nicht für die 29 000 GesmbHs, die viele Beschäftigte haben, die Handwerks­betriebe, Handelsbetriebe, kurzum brav arbeitende Wirtschaftstreibende sind und schon jetzt mehr als 34 Prozent zahlen, weil sie die MindestKöSt zahlen müssen. Die­se Mindestkörperschaftsteuer haben Sie unverändert gelassen. Sie haben den kleinen Betrieben nichts gegeben und die großen in Gießkannenmanier überschüttet! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Somit wollen wir uns der Frage zuwenden: Was bringt das für Investition und Be­schäftigung? Wenn wir den Hausverstand einschalten (Rufe bei den Freiheitlichen: Oje! – Abg. Wattaul: Falls vorhanden!), dann wissen wir: Investiert wird dann, wenn die Investition steuerlich angereizt wird. Und was macht diese Regierung? In den Medien ist im Zusammenhang mit den großen Konzernen nur von Abbau die Rede, und dann steigt der Kurs, wenn der Generaldirektor einer großen Bank in Österreich abgelöst wird, weil es nicht so einfach war, 1 500 von 11 500 Bankbediensteten zu entfernen, damit die deutsche Muttergesellschaft einen höheren Gewinn bekommt. (Abg. Mag. Mainoni: Er spricht in Rätseln!) Und genau dieser höhere Gewinn, den Sie jetzt fördern, sei, behaupten Sie, ein Beitrag zur Beschäftigung. – Die Antwort ist: Nein!


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Richtig wäre es gewesen, Investitionen im Inland zu fördern und nicht jene in Verlust­betrieben im Ausland. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn.)

Damit sind wir bei der Gruppenbesteuerung. – Präsident Prinzhorn meldet sich schon zu Wort, das ist schön. Sie sind ein Unternehmer, Herr Präsident – ich wollte Sie gerade loben –, und investieren 150 Millionen € in ein Werk in Brandenburg. In der Ex-DDR ist, obwohl von Helmut Kohl damals blühende Wiesen versprochen worden sind, die Situation für Arbeitnehmer immer noch trist. (Abg. Rädler: 40 Jahre Sozialismus!) Lobenswert, dass Kollege Prinzhorn dort investiert, aber wenn er einen Anlaufverlust hinnehmen muss, dann zahlt die Steuersubvention nicht der deutsche Steuerzahler, nicht der deutsche Finanzminister, nein, sondern die Österreicherinnen und Öster­reicher sollen mit ihrem Steuergeld die Verlustbetriebe im Ausland subventionieren. – Das sind Maßnahmen dieser Regierung! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Nürnberger: Unerhört!)

Wir haben im Hearing zum Beispiel von Professor Doralt erfahren, was das wirkliche Problem ist: Es gibt keine Kontrolle! Wenn heute jemand in einer Liste vermerkt, dass er einen Verlustbetrieb – zum Beispiel in Kasachstan, Aserbaidschan, Südafrika, Frankreich, wo auch immer – hat, dann braucht der dortige Geschäftsführer das nicht einmal zu unterschreiben. Es genügt die Deklaration des Verlustes in der Gruppen­besteuerung, und die Steuermillionen fließen in diese Richtung.

Aber was bekommen die Menschen, die dafür zahlen? Die Antwort darauf ist ganz klar: 1,5 Millionen Menschen haben schon bisher keine Steuern gezahlt, 43 Prozent der Steuerpflichtigen – hat uns gestern Kollege Stummvoll im Fernsehen gesagt; er hat sich darüber gefreut – zahlen keine Steuern mehr.

Kollege Stummvoll freut sich noch darüber! Er sollte darüber nachdenken, dass es kein Anlass zur Freude sein kann, wenn Menschen unter der Steuerfreigrenze verdienen. Wir sollten uns, wenn wir schon so viel Geld bewegen, dafür einsetzen, dass das untere Einkommensdrittel, das fleißig gearbeitet hat und fleißig arbeitet, Geld aus diesem Topf bekommt und nicht die Subventionierung von Betrieben im Ausland mit österreichischem Steuergeld erfolgt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Haben Sie die gelesen, die Steuerreform?)

Wenden wir uns dem weiteren Stückwerk dieser Steuerreform zu! Natürlich hätte Österreich eine wirkliche Steuerreform gebraucht, aber es kommt keine (Abg. Wattaul: Geh!), denn eine Steuerreform besteht nicht nur in einer Steuersenkung, sondern in einer sinnvollen Veränderung der Steuerstrukturen. (Abg. Mag. Molterer: Peinlich!) Es gibt in Österreich eine Belastung des Faktors Arbeit, bei der das Land Weltspitzenreiter ist. Eine Angestellte oder ein Angestellter mit 2 000 € brutto zahlt, vom Nettogehalt hinaufgerechnet, direkt, weil es ihr/ihm abgezogen wird, indirekt, weil es auf der Lohn­summe lastet, insgesamt 89,5 Prozent Steuern. Dort hätten Sie einmal anfangen sollen, mit den Steuern hinunterzugehen. Dort hätten Sie die Entlastung ansetzen sollen. Sie machen eine Lohnsteuerentlastung, die im Volumen geringer ist als jene von 2000, letztlich nur die Abgeltung der kalten Progression.

Aber kommen wir zurück zur Fragestellung: Was hätte man tun sollen? – Die Antwort wäre gewesen: Es gibt eine zu hohe Belastung des Faktors Arbeit. In diesem Bereich hätte man absenken sollen. Man hätte aber nicht die effektive Steuerlast bei den Gewinnen der Großkonzerne absenken dürfen, sondern mit diesem Volumen Inves­titionsbegünstigungen für die kleinen und mittleren Betriebe einführen sollen.

Das wäre ein Beitrag zur Beschäftigung gewesen. Unser IFB-Vorschlag mit 30 Prozent hätte zwar auch fast eine Milliarde gekostet, aber dieser hätte uns vor zwei Jahren nach den eigenen Ergebnissen der Regierungsaufträge an das Wifo ein Prozent an Wachstum gebracht. Da hätte die Refinanzierung schon die Hälfte betragen, und wir


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hätten im Land mehr Beschäftigung gehabt. Die kleinen und mittleren Betriebe, die weder von Ihrer Begünstigung des nicht entnommenen Gewinnes noch von der Kör­perschaftsteuersenkung profitieren können, werden nämlich von Ihnen im Stich gelas­sen.

Die Großen bekommen etwas, die Kleinen nicht. Wir von der SPÖ wollen ein Europa für die Menschen und nicht für die Konzerne. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.23

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Matznetter, das Lämpchen hat die zweiminütige Redezeitunterbrechung bei Ihnen nicht berücksichtigt. Das heißt also, Ihre Fraktion bekommt jetzt 2 Minuten Redezeit dazu, denn die Unterbrechung soll nicht zu Ihren Lasten gehen. (Abg. Großruck: Ist aber niemandem abgegangen!)

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


10.23

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Nach § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung beantrage ich die Beiziehung des Herrn Bundeskanzlers, denn von Seiten der Bundesregierung wird diese Steuer­reform als die Reform des Jahrhunderts, wenn nicht des Jahrtausends, zu verkaufen versucht, während wir Grünen der Ansicht sind, dass sie an den beschäftigungs­politischen Prioritäten und Notwendigkeiten der jetzigen Situation der hohen Arbeitslo­sigkeit völlig vorbeigeht. Es wäre daher sehr nützlich, wenn der Herr Bundeskanzler an dieser Debatte teilnimmt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

10.24

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Scheibner zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


10.24

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist natürlich das Recht der Opposition, auch zu einer interessanten Sendezeit hier Geschäftsordnungsanträge zu stellen. Klar ist aber, dass es sich hiebei um die größte Steuerreform der Zweiten Republik handelt, die der Finanzminister mitverantwortlich verhandelt hat. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) Der Staatssekretär ist auch anwesend, deshalb ist rein vom Fachlichen her die Anwesenheit des Bundeskanzlers sicherlich nicht notwendig.

Aber Sie wissen ja, laut Geschäftsordnung ist es natürlich möglich, dessen Anwesen­heit zu verlangen, und es wird entsprechend geschäftsordnungsmäßig vorzugehen sein. Wir alle hier im Haus und die Zuseher zu Hause können sich ein Bild über den Inhalt dieses Antrages machen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.25

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Klubobmann Mag. Molterer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


10.25

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Es ist tatsächlich interessant, dass von der Opposition sehr häufig Kritik daran geübt wird, dass nicht zuständige Regierungsmitglieder auf der Regierungsbank sitzen. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) Heute sitzt der zuständige Bundes­minister für Finanzen auf der Regierungsbank, und es ist offensichtlich wieder nicht recht. (Rufe bei der ÖVP: Wo ist Gusenbauer?)


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Es ehrt natürlich Bundeskanzler Schüssel, dass Sie ihm vertrauen, dass er diese große Steuerreform, die größte der Zweiten Republik, brillant vertritt. Das tut er. (Abg. Dr. Puswald: Er war nicht dabei! – Abg. Gaál: Wo ist er denn?) Aber gehen Sie davon aus, dass selbstverständlich auch Bundesminister Grasser im Sinne der Bundesre­gie­rung, im Sinne der Republik uns hier im Parlament diese größte und erfolgreichste Entlastung der Arbeitnehmer und der Wirtschaft in brillanter Weise präsentieren wird! (Abg. Eder: Schrecklich erfolgreich! – Abg. Öllinger: Weihrauch!) Ich freue mich darauf und bitte darum, dass wir nun rasch in die parlamentarische Diskussion eintre­ten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.26

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort hat sich weiters der Klubobmann der Sozial­demokraten Dr. Cap gemeldet. – Bitte. (Abg. Dr. Brinek: Wo ist Gusenbauer?)

 


10.26

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist ja kein Geheimnis, dass ein Bundeskanzler eine Regierung zu koordinieren und zu führen hat (Abg. Wattaul: Wo ist der „Gusi“?) und dass er natür­lich im höchsten Maße in die Erarbeitung der Steuerreform, vor allem auch als ehe­maliger Wirtschaftsminister, einbezogen war. Umso interessanter ist es, dass er sich heute offensichtlich mit seiner Nichtanwesenheit optisch von dieser Steuerreform zu distanzieren versucht. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.)

Wir wollen ihm hier die Gelegenheit bieten, dass er mittels dieses Beschlusses herbei­geholt wird, auf der Regierungsbank Platz nimmt und eventuell dazu auch Stellung bezieht.

Interessant ist auch, dass hier sofort die Klubverantwortlichen dafür sorgen, dass die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ vollzählig da sind (Heiterkeit bei der SPÖ), damit sie mit ihrem Abstimmungsverhalten die Entbehrlichkeit des Bundeskanzlers noch unter­streichen können. Wir verstehen das nicht! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.27

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Gemäß der Geschäftsordnung ist über den Antrag des Abgeordneten Dr. Van der Bellen sofort zu entscheiden. Ich stelle ihn damit zur Abstimmung. (Anhaltende Rufe bei der ÖVP: Wo ist der Gusenbauer? – Abg. Grillitsch: Stimmt Gusenbauer nicht mit?)

Wer diesem Antrag auf Herbeiholung des Bundeskanzlers zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Antrag findet nicht die notwendige Mehrheit. Er ist daher abge­lehnt.

Wir gehen nunmehr in der Debatte weiter.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Molterer. Redezeit: 15 Minuten. – Bitte.

 


10.27

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Van der Bellen, der Ordnung halber, damit es auch die Zu­sehe­rinnen und Zuseher wissen: Das, was heute hier auf der Regierungsbank an Ver­tretung mit Minister Grasser gegeben ist, ist selbstverständlich in der Präsidiale einstimmig so beschlossen worden. (Abg. Dr. Stummvoll: Einstimmig!) Halten Sie sich bitte an Ihre eigenen Beschlüsse! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wer Kollegem Matzenetter zugehört hat (Rufe bei der SPÖ: Matznetter! Ohne „e“!), muss eigentlich zu einer Erkenntnis kommen, nämlich dass sozialistische Ideologie den Blick auf den wirtschaftlichen Hausverstand verstellt


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(Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen), muss zur überein­stim­menden Meinung kommen, dass sozialistische Ideologie die Notwendigkeiten des Wirt­schaftsstandortes Österreich negiert, muss den Eindruck gewinnen, dass sozialistische Ideologie wichtiger ist als die Sicherung und die Schaffung von Arbeitsplätzen. (Abg. Dr. Stummvoll: So ist es!)

Meine Damen und Herren! Das ist das, was bei Matzenetter eigentlich übrig geblieben ist. (Rufe bei der SPÖ: Matznetter! Ohne „e“!) Was mir dabei auffällt – das müssen Sie sich schon auf der Zunge zergehen lassen –, ist Folgendes: Wir diskutieren heute die größte Steuerentlastung der Zweiten Republik, und wer ist nicht hier im Plenum anwe­send? (Rufe bei der ÖVP: Gusenbauer!) Nicht anwesend ist der SPÖ-Vorsitzende Alfred Gusenbauer! (Oh-Rufe bei der ÖVP.) Er hat offensichtlich Wichtigeres zu tun.

Nicht anwesend, meine Damen und Herren, ist der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes! (Neuerliche Oh-Rufe bei der ÖVP.) Er hat offensichtlich Wichtigeres zu tun. (Ruf bei der ÖVP: Fischer! Prammer!) Daran sehen Sie, was offensichtlich der Wille ist: Es gibt etwas Wichtigeres in der SPÖ als die Entlastung der Bürger, die Entlastung der Wirtschaft und die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie haben eine Prioritätenreihung, die nicht die unsere ist. Unsere Prioritätenreihung heißt: Arbeit entlasten, Wirtschaft entlasten, Jobs schaffen und für Österreich arbeiten! Das macht den Unterschied! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Tatsächlich haben wir die größte Entlastung, die es in der Zweiten Republik jemals gegeben hat, vor uns – die größte Steuerentlastung für Arbeitnehmer und für die Wirtschaft im Ausmaß von 3 Milliarden €. 3 Milliarden €, meine Damen und Herren, sind umgerechnet über 42 Milliarden Schilling. (Abg. Eder: Für wen?)

Diese größte Steuerentlastung hilft der Arbeit, hilft der Wirtschaft, hilft damit Österreich. Und das ist der Maßstab, den auch beispielsweise die „Frankfurter Allgemeine Zei­tung“, eine der renommiertesten Wirtschaftszeitungen der Welt, anerkennt, indem sie schreibt:

„Österreichs (...) Regierung ist mit ihrem Entwurf zur Steuerreform ein großer Wurf gelungen. Die vorgelegten Eckpunkte bringen dem Mittelstand deutliche Entlastungen.“

Das ist das objektive Urteil einer der anerkanntesten Zeitungen der Welt, meine Da­men und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese größte Entlastung trägt dazu bei – darauf sind wir stolz –, dass die Belastung der Bürgerinnen und Bürger mit Steuern und Abgaben von derzeit etwa 44 Prozent im Jahre 2005 auf 42,3 Prozent sinken wird. Österreich wird durch diese Steuerreform attraktiver, und die Bürger werden entlastet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Diese Steuerreform, diese größte Entlastung kommt zum absolut richtigen Zeitpunkt (Abg. Dr. Gusenbauer betritt soeben den Sitzungssaal), wirtschaftspolitisch zum absolut richtigen Zeitpunkt – im Gegensatz zu Gusenbauer, denn er ist zum richtigen Zeitpunkt, nämlich zu Beginn der Debatte, nicht da gewesen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Dieser richtige Zeitpunkt der Steuerreform ist deswegen jetzt gegeben, weil die Europäische Union am 1. Mai größer und der Wettbewerb daher schärfer geworden ist. Deshalb ist die Reaktion jetzt richtig, weil sie Betriebe und Arbeitsplätze in Österreich hält. Diese Steuerentlastung ist jetzt richtig, weil wir in dieser beginnenden Aufschwungphase der Konjunktur das richtige Signal setzen, so wie es etwa auch das Wirtschaftsforschungsinstitut bestätigt und sagt, dass durch die-


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se Steuerentlastung der Wachstumsimpuls heuer mit plus 0,4 und im nächsten Jahr mit plus 0,5 Prozent gegeben ist. Diese Steuerreform, diese Steuerentlastung stärkt das Wachstum und stärkt die Kaufkraft. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Diese Steuerentlastung, diese Steuerreform dieser Bundes­regierung ist fair und sozial gerecht. Warum? – Das müssen wir selbstverständlich durch Fakten belegen. Meine Damen und Herren! Es ist ein Faktum, dass diese Steuerreform, diese 3 Milliarden €, zu 50 Prozent, also genau zur Hälfte, zur Ent­lastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Familien eingesetzt wird und zur anderen Hälfte zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes und damit zur Schaffung von Arbeit. Fair und sozial gerecht! Die Hälfte zur Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Familien und die zweite Hälfte zur Stärkung des Wirtschafts­standortes. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Diese Steuerreform ist fair und sozial gerecht, weil sie gerade den kleineren und mittleren Einkommen die größte Entlastung bringt. (Abg. Mag. Kogler: Falsch!) Das sagt beispielsweise das Institut für Höhere Studien. (Abg. Mag. Kogler: Schon wieder falsch!) Das sagt beispielsweise Professor Felderer.

Er sagt: Die zwei Etappen der Reform der Einkommensteuer führen zu einer deutlichen Verringerung der Steuerlast für die österreichischen Steuerpflichtigen. Die erste Etappe begünstigt ausschließlich Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen. Die zweite Etappe wird zu einer deutlichen Verringerung der Steuerlast für alle Steuerzahler führen. – Sie haben es durch das IHS schwarz auf weiß: Die Steuerreform ist fair und gerecht!

Diese Steuerreform führt bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zur Steuer­freiheit von Lohn- und Einkommensteuer bei Einkommen von bis zu 15 700 € brutto, bei den Pensionistinnen und Pensionisten von bis zu 13 500 € und bei den Selbstän­digen von bis zu 10 000 €. Und es sind 2,5 Millionen Österreicherinnen und Öster­reicher, die nach dieser Reform ab dem Jahr 2005 keine Lohn- und Einkommensteuer mehr bezahlen.

Diese Steuerreform ist fair und sozial gerecht, weil sie im Familienbereich gerade jene Familien entlastet, die in besonderer Weise dieser Entlastung bedürfen. Sie brauchen es einfach! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Auch hier ein offenes Wort: Es kann und darf nicht sein, dass sozialistische Ideologie den Blick verstellt, dass dort, wo Hilfe notwendig ist, auch geholfen wird. (Abg. Gaál: Wo denn?) Sie haben Ideologie, wir helfen dort, wo diese Hilfe notwendig ist. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir helfen etwa mit den erhöhten Kinderzuschlägen oder mit der Erhöhung des Allein­verdiener- und Alleinerhalterabsetzbetrages. Herr Präsident Nürnberger! Absetz­betrag! Sie haben das gestern offensichtlich verwechselt. Es ist interessant, dass ein Gewerkschaftspräsident diesen Unterschied nicht kennt. (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Glawischnig: Wie der Finanzminister!)

Meine Damen und Herren! Diese Steuerreform ist nicht nur fair und sozial gerecht, diese Steuerreform stärkt den Arbeits- und Wirtschaftsstandort Österreich. Diese Steuer­reform bringt eine massive Senkung der Körperschaftsteuer.

Herr Kollege Matzenetter! (Abg. Dr. Puswald: Warum sagen Sie dauernd „Matzenet­ter“?) Wenn Sie hier herausgehen und sagen, es handle sich um Geschenke an Unternehmen, dann frage ich Sie: Haben Sie denn schon vergessen, dass in einem großen Unternehmen wie der Voest tausende Österreicherinnen und Österreicher Arbeit finden? Haben Sie denn vergessen, dass etwa die Schaffung von zusätzlichen Jobs in der Firma Magna, in der Firma Voest, in einer Firma in Pöls – man könnte


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weitere aufzählen – bis hin zu den Klein- und Mittelbetrieben deswegen geschieht, weil wir heute diese Steuerentlastung beschließen? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Murauer: Jawohl! So ist es!)

Herr Abgeordneter Matzenetter! Ich helfe Ihnen auf die Sprünge. (Abg. Grillitsch: Das ist aber schwer!) Ich helfe Ihnen auf die Sprünge, ich weiß nicht, ob es etwas nützt. (Ruf bei der SPÖ: Sie sollten sich schämen!) Es steht hier schwarz auf weiß ein Zitat, und das lautet: Dabei sollen auch die Wettbewerbsnachteile bei der Körperschaftsteuer beseitigt werden. So spricht sich ... – Punkt, Punkt, Punkt, ich sage es Ihnen dann – für die Absenkung des nominellen Steuersatzes (Abg. Dr. Matznetter: Nominell!) auf 25 Prozent KöSt-Steuer ab dem Jahr 2005 aus.

Wissen Sie, wer sich dafür ausgesprochen hat? – Gusenbauer und Matzenetter! (Oh-Rufe bei der ÖVP.)

Jetzt frage ich Sie schon: Wie ernst nehmen Sie sich selbst, wenn Sie 25 Prozent ab 2005 fordern? Wir tun es, und Sie lehnen es ab! (Abg. Dr. Matznetter: Sie kennen nicht einmal den Unterschied zwischen nominell und ...!)

Sie lehnen das übrigens genauso ab wie die Steuerentlastung für die kleineren und mittleren ArbeitnehmerInnen. Sie lehnen etwa genauso die Familienentlastung durch Ihr politisch-ideologisch geprägtes Verhalten ab. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Steibl: Genau! So ist es!)

Meine Damen und Herren! Diese Steuerreform stärkt den Arbeits- und Wirtschafts­standort, und wir spüren das schon. Wir spüren das ganz deutlich (Abg. Silhavy: Ja, bei den Arbeitslosen!), denn entgegen der bisherigen Tendenz, die es, zugegeben, gab, nämlich dass sich Betriebe angesichts der EU-Erweiterung überlegt haben, ihren Standort aus Österreich wegzuverlagern, schaut es heute anders aus. Heute können wir sagen, dass wir durch die Politik der Bundesregierung, durch die Steuerreform, durch die Attraktivierung des Forschungsstandortes Österreich, des Arbeitsstandortes Österreich die genau gegenteilige Tendenz eingeleitet haben. Betriebe kommen nach Österreich und schaffen Arbeit in Österreich, meine Damen und Herren. Darauf sind wir besonders stolz! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie von der SPÖ haben heute wiederum die Körperschaftsteuer als eines dieser Ge­schenke kritisiert. Ich zitiere nur Hannes Androsch, der sagt: Ich müsste lügen, wenn ich das nicht begrüße. – Also wir vermeiden, dass Androsch lügen muss. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Er kann es guten Gewissens begrüßen, weil das Österreich und dem Standort Österreich hilft, meine Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese Steuerreform ist nicht nur sozial und gerecht, sie sichert nicht nur den Standort, den Wirtschafts- und Arbeitsstandort, meine Damen und Herren, diese Steuerreform wird auch ohne Gegenfinanzierung vorgenommen. (Abg. Dr. Matznetter: Ja, leider!)

Wissen Sie, was die Sozialisten getan hätten? – Sie hätten die Erbschaftssteuer er­höht, sie hätten die Grundsteuer erhöht, ich weiß nicht, was sie noch alles erhöht hätten. Das machen wir nicht, weil es nicht fair ist dem Bürger gegenüber, auf der einen Seite zu geben und mit der anderen Hand zu nehmen. Das tun wir nicht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Vier Jahre haben Sie das getan!) Wir haben uns von dieser sozialistischen Politik verabschiedet und werden zu dieser sozialistischen Politik auch nicht mehr zurückkehren!

Herr Kollege Gusenbauer, Sie wissen, ein „profil“-Artikel hat Sie einmal als „Zickzack-Gusenbauer“ gekennzeichnet. In der Defizitfrage sind Sie der lebende Beweis dieses Zickzack-Gusenbauers: Einmal sagen Sie, dass das Defizit zu viel ist, dann sagen Sie wieder, dass Sie das Nulldefizit in die Verfassung schreiben wollen. Sie kritisieren,


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dass die Steuerentlastung zu viel ist, dann kritisieren Sie, dass sie zu wenig ist, dass das Budgetdefizit zu hoch ist – ich kenne mich nicht aus. (Abg. Dr. Matznetter – demonstrativ Beifall spendend –: Sie kennen sich nicht aus! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Den Österreicherinnen und Österreichern geht es genauso, meine Damen und Herren. Kein Wunder, das ist offensichtlich wirtschaftspolitische Inkom­petenz der Sonderklasse. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie haben von der notwendigen Vereinfachung gesprochen. Ich möchte den Öster­reicherinnen und Österreichern nicht vorenthalten, was der sozialistische Steuervor­schlag bedeutet hätte, nämlich wie man die Einkommensteuer berechnet hätte.

Meine Damen und Herren! Die Einkommensteuer berechnet man nach dem SPÖ-Vor­schlag wie folgt: (0,015 x (y – 22000) + 4400) x (y – 22000) / 10000 + 4344. Das ist SPÖ-Vereinfachungspolitik! Wir machen das klar, einfach, korrekt und als Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich komme damit zum Schluss. Diese Steuerreform, die fair und sozial gerecht ist (Zwischenruf des Abg. Brosz), kommt zum richtigen Zeitpunkt. (Ruf bei den Grünen: Primitive Polemik!) Und es gilt das Motto: Wann, wenn nicht jetzt?!

Diese Steuerreform ist fair und sozial gerecht, weil sie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Wirtschaft entlastet und gerade in den kleinen und unteren Einkommensbereichen hilft. Sie stärkt den Arbeits- und den Wirtschaftsstandort. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Der Schlusssatz lautet daher: Mit dieser Steuerreform gewinnt Österreich! (Anhalten­der Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.43

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächster zum Rednerpult gelangt Herr Abgeord­neter Dr. Van der Bellen. Seine Redezeit beträgt 15 Minuten.

Ich teile mit, dass die 2 Minuten, die dem sozialdemokratischen Klub durch die Unterbrechung verloren gegangen sind, der Redezeit von Josef Cap hinzugefügt werden, der daher 12 Minuten hat.

Bitte, Herr Kollege Van der Bellen. (Abg. Dr. Puswald: Herr Präsident, zur Geschäfts­behandlung! – Ruf bei der ÖVP: Zu spät, da gibt es keine Geschäftsbehandlung!)

 


10.43

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Kollege Molterer! Als Präsident Fischer einmal den Vorsitz führte, rief er mich als „Abgeord­neter Voggenhuber“ auf. Das war Präsident Fischer sehr unangenehm. (Abg. Mag. Molterer: Das war Ihnen peinlich wahrscheinlich!) Mir war es Wurscht, aber es war ein eindeutiger Versprecher. Aber warum sprechen Sie Abgeordneten Matznetter kontinuierlich immer mit „Matzenetter“ an? Schauen Sie auf der Rednerliste nach – das ist ein „e“ zu viel! Er heißt nicht Matzenetter, er heißt Matznetter. – Das ist mir schon oft aufgefallen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Danke, Herr Professor, für die Belehrung!)

Bevor ich zum Inhaltlichen komme: Herr Kollege Molterer, man kann ja viel an den bud­getpolitischen Vorschlägen der SPÖ kritisieren – das tun wir auch –, aber Ihren letzten Hinweis auf den Vorschlag eines Formeltarifs in der Lohn- und Einkom­mensteuer fand ich schon sehr billig. Das ist genau das Gleiche, was Sie machen, nur stehen jetzt im Gesetz schon konkrete Zahlen und nicht „x“ und „y“.

Wenn Sie das als Vereinfachung des Tarifs verkaufen, na bitte schön, bisher musste man zur Berechnung der eigenen Lohn- und Einkommensteuerbelastung die vier


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Grundrechenarten beherrschen. Nach Ihrem Tarif wird man auch die vier Grund­rechenarten brauchen, nämlich Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren und Dividieren. Der Unterschied ist, dass jetzt so genannte Durchschnittssteuersätze im Gesetz stehen, früher Grenzsteuersätze. Früher musste man sich den Durchschnittssteuersatz ausrechnen auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen, jetzt muss man sich, wenn man sich dafür interessiert, den Grenzsteuersatz ausrechnen aus dem Gesetz. Da­gegen ist ja nichts einzuwenden, nur: Verkaufen Sie das nicht als Vereinfachung! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Herr Staatssekretär Finz hat uns einmal mit seinem Bierdeckel-Vergleich belästigt, würde ich fast sagen. Im Tarif des § 33 liegt nicht das große Potential für die Verein­fachung. Die Schwierigkeit ist nach wie vor – und das wissen wir doch alle –: Wie wird Einkommen abgegrenzt, nämlich das, was besteuert wird? Was kann abgesetzt werden, was nicht? Was sind Betriebsausgaben, was sind Werbungskosten, und so weiter? Darin liegen die großen Schwierigkeiten, nicht im § 33, dem Tarif-Paragra­phen! – So, genug davon.

Meine und unsere Hauptkritik an dieser Steuerreform ist, dass sie ein großes Budget­loch aufmacht, das Defizit unnötig erhöht – unnötig insofern, als sie zu wenig fokussiert auf die tatsächlichen Prioritäten, die es derzeit gibt, und diese sind Beschäftigungs­förderung, Wachstumsförderung, Klimaschutzpolitik. Vor allem die Beschäftigungs- und die Wachstumsförderung kommen mit diesem Steuerpaket zu kurz, Herr Kollege Mol­terer! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich werde das anhand unserer eigenen Vorschläge erläutern. Über diese Steuerreform wurde ja schon sehr viel diskutiert und wird weiterhin diskutiert werden.

Was hätten wir, die Grünen, vorgeschlagen? – Wir hätten im Bereich der Lohn- und Ein­kommensteuer ein etwa gleich hohes Paket vorgeschlagen, nämlich eine Steuer­senkung von 1,2 Milliarden €. Aber 1,2 Milliarden € für wen? Bei wem in erster Linie gesenkt? – Wir hätten davon rund 500 Millionen € reserviert für die Einkommen im untersten Bereich – nicht im unteren, sondern im untersten Bereich – im Bereich der Beschäftigten. (Abg. Mag. Molterer: So wie wir!) Nicht so wie Sie, Herr Kollege Molterer, denn was Sie tun, was Kollege Grasser tut und was plötzlich leider auch Kollege Felderer vom IHS tut, ist, zu behaupten, man könne für jene Personen, die so wenig verdienen, dass sie ohnehin keine Lohn- und Einkommensteuer zahlen, nichts tun über die Reform der Lohn- und Einkommensteuer. Aber selbstverständlich kann man etwas tun! (Abg. Dr. Fasslabend: Aber es ist falsch!)

Seit vielen, vielen Jahren, spätestens seit den Lacina-Reformen, gibt es einen so ge­nannten negativen Ast in der Lohn- und Einkommensteuer (Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll), das ist ein Betrag, der dem Steuerpflichtigen vom Finanzamt ausbe­zahlt wird, statt dass er oder sie etwas an das Finanzamt zu zahlen hat. (Abg. Mag. Molterer: Sie als Ökonom wissen, dass das die zweitbeste Lösung ist!) Und so gesehen kann man selbstverständlich für die untersten Einkommen im Bereich der Lohn- und Einkommensteuer etwas tun, im Gegensatz zu dem, was Karl-Heinz Gras­ser sagt und was Felderer heute in der Zeitung nachbetet, was völlig falsch ist. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Warum die Konzentration dieser 500 Millionen € auf die untersten Einkommen? – Die brauchen es am dringendsten. No na, das sind die untersten Einkommen, die, die am wenigsten verdienen. Es ist zweitens konjunkturpolitisch richtig, weil die so wenig verdienen, dass von dem Zusatzeuro, der jetzt hinzukommt, am wenigsten in die Spar­quote geht, am wenigsten in Auslandsreisen nach Thailand oder Australien oder anderswohin fließt und so weiter, sodass die Streueffekte oder die Sickereffekte gering sind. Das heißt, das kurzfristige Wachstum wird dadurch gefördert.


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Und last not least – Herr Kollege Prinzhorn, es würde mich interessieren, was Sie dazu sagen –: Es hat einen beschäftigungsfördernden Effekt, weil die Differenz zwischen Transfereinkommen und Erwerbseinkommen durch diese Maßnahme erhöht wird. Dadurch wird es attraktiver, im Niedriglohnbereich – von diesem reden wir jetzt – Arbeit zu suchen und anzunehmen, sofern es sie gibt.

Dieses letzte Problem ist natürlich auch mit unserem Vorschlag nicht gelöst, aber die Incentive-Frage, die Anreizfrage, wird endlich einmal angegangen durch diese Erhöhung der Diskrepanz zwischen Transfereinkommen und Erwerbseinkommen, oh­­ne die Transfereinkommen zu senken! Das ist ein springender Punkt. – 500 Mil­lio­nen €.

200 Millionen € für die Pensionisten und Pensionistinnen im selben Einkommens­be­reich, also für die Bezieher der niedrigsten Pensionen (Abg. Mag. Molterer: Genau das ist das Problem, das Sie aufmachen ökonomisch!), und weitere 500 Millionen € für die Einkommen, die darüber liegen – das ist unser Zugeständnis, wenn man so sagen kann, an die Durchsetzbarkeit eines solchen Programms –, konzentriert auf die Ein­kom­men in etwa bis zum Medianeinkommen – das sind derzeit rund 22 000 € im Jahr – und danach absinkend, sodass Leute wie Sie und ich von dieser Steuersenkung nichts oder fast nichts mehr hätten, wir brauchen es ja auch nicht. Das ist unserer Meinung nach fairer und gerechter, wenn Sie diese Begriffe schon so strapaziert haben, Herr Kollege Molterer, als das, was Sie vorschlagen. Machbar, fairer und gerechter! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Zum Bereich der Körperschaftsteuer möchte ich nur so viel sagen ... – Herr Präsident, die Uhr hier am Rednerpult funktioniert nicht, ich kann da nicht kontrollieren, wie lange ich schon gesprochen habe! (Ruf bei der ÖVP: Zu lange!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Sie haben 7 Minuten gesprochen – und haben noch 8 Minuten.

 


Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (fortsetzend): Schade, dass das nicht funktioniert!

Im Bereich der Körperschaftsteuer hätten wir über eine Steuersatzsenkung durchaus reden können. (Abg. Mag. Molterer: Wir machen es!) Ja, Sie machen sie, aber wie!? (Abg. Dr. Stummvoll: Gut!) Sie senken den Satz einfach ab. Ich hätte mit den Unternehmen geredet und sie gefragt: Und was seid ihr bereit im Gegenzug zu bieten? Und zwar in einem ganz wichtigen Bereich, der in Österreich nach wie vor unter­belichtet ist – niemand weiß das besser als Herr Prinzhorn. Was sind die Unter­nehmen, die Firmen, was ist insbesondere die Industrie bereit dafür zu tun, dass die Forschungs- und Entwicklungsausgaben der Wirtschaft steigen?

Österreich gibt im öffentlichen Bereich nicht so wenig für Forschung und Entwicklung aus (Abg. Mag. Mainoni: Auch ein Erfolg!), wo wir nachhinken, das ist der Wirt­schaftsbereich. Sie werden das genauso wissen wie ich, aber ich sage es Ihnen zur Erinnerung: In Schweden sind die Ausgaben der Wirtschaft für Forschung und Entwick­lung zweieinhalbmal so hoch wie in Österreich, in Finnland etwa doppelt so hoch wie in Österreich, in den USA und in Japan doppelt so hoch wie in Österreich. Und das gehen wir nicht an? (Abg. Mag. Molterer: Daher unser Forschungspaket, das Sie ja begrüßt haben!) – Natürlich, aber das reicht ja nicht aus, um an diese internationalen Refe­renzwerte heranzukommen!

Herr Kollege Molterer, wir haben nicht zehn Jahre Zeit dafür, das muss rasch gehen. Jedes Jahr, das vergeht und in dem wir im Forschungs- und Entwicklungsbereich hin­ter­herhinken, verlieren wir Wachstumspunkte, bekommen wir Probleme im Sozialbe­reich, verlieren wir den Anschluss an die Spitzenreiter der internationalen Wirtschaft,


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und an diesen müssen wir uns orientieren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Nicht, wie soll ich sagen, an den Fußkranken, unter anderem an Deutschland. Das muss doch die Entwicklung sein!

Dritter Punkt, nach Lohn- und Einkommensteuer und Körperschaftsteuer: Was in Ihrem Vorschlag, in dem, was Sie heute beschließen werden, zur Gänze fehlt, ist eine Ent­lastung des Faktors Arbeit. Das Problem ist, dass wir eine hohe Besteuerung des Faktors Arbeit haben, nicht nur bei den Individuen, nicht nur über die Lohn- und Ein­kommensteuer, nicht nur über die Sozialversicherungsbeiträge, sondern insbesondere auch über die Lohnsummenabgaben der verschiedensten Art.

Über die Jahre wurde das immer wieder von der OECD und anderen kritisiert, zuletzt im letzten Wirtschaftsbericht über Österreich, wo noch einmal darauf hingewiesen wird, dass die so genannte tax wedge, das ist sozusagen die Schere, die sich auftut zwi­schen dem, was der Unternehmer zahlt für eine Arbeitskraft, und dem, was der Ar­beitnehmer oder die Arbeitnehmerin dann netto sozusagen in der Tasche nach Hause trägt. Diese Differenz, diese Diskrepanz ist in Österreich sehr hoch, und das ist mit Sicherheit nicht beschäftigungsfördernd, sondern – ganz im Gegenteil – beschäfti­gungshinderlich. Deswegen verlangen wir schon seit langem, dass die Frage der Senkung der Lohnsummenabgaben endlich einmal angegangen wird. (Abg. Mag. Mol­terer: Werden wir machen!) – Ja, werden Sie machen, das hören wir schon seit dem Jahr 2000!

Unser Vorschlag ist, das aufkommensneutral zu machen. Wir wollen das Defizit in diesem Bereich nicht erhöhen, sondern im Rahmen der international schon endlos durchdiskutierten so genannten ökologisch-sozialen Steuerreform bei der Energie die Steuern erhöhen – abgesehen vom Benzin, das sage ich gleich dazu, aber beim Diesel gibt es zum Beispiel Spielraum, und da ist es auch ökologisch erwünscht – und das abtauschen einerseits mit der Lohn- und Einkommensteuer für die Privathaushalte, sodass diese netto keine Belastung haben, und ungefähr zur anderen Hälfte bei der Wirtschaft kürzen, sodass man nach unserem Steuermodell, wenn man das über drei Jahre machen würde – jedes Jahr 1 Milliarde €, in der Schlussphase 3 Milliarden € –, bei den Lohnsummenabgaben um 1,2 Milliarden € heruntergehen könnte. Und damit hätten wir den Faktor Arbeit doppelt so stark entlastet wie Sie mit diesem angeblichen Jahrhundertprojekt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wir hätten sie doppelt so stark entlastet – bei geringerem Defizit, bei der Hälfte des Defizits, das Sie dem Budget und damit allen anderen Ausgabenkategorien im Budget zumuten.

So macht man, finde ich, vernünftige Wirtschaftspolitik, wenn man sie fokussiert auf das, was notwendig ist, nämlich die Beschäftigungspolitik, die Konjunkturpolitik, die Wachstumspolitik. Das wäre ein Steuerpaket, das billiger gewesen wäre, was die Budgetkosten betrifft, stärker fokussiert auf den Arbeitsmarkt und stärkere Effekte gehabt hätte, statt den Unternehmen, muss ich leider sagen, im Rahmen der Körper­schaftsteuer das nachzuwerfen. (Abg. Mag. Molterer: Was heißt „nachwerfen“ in diesem Zusammenhang, bitte?)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und FPÖ! Lassen wir einmal die Senkung des Körperschaftsteuersatzes beiseite: Welchen Beschäftigungseffekt im Inland, in Öster­reich – und das ist nach wie vor das Primäre für die Österreicherinnen und Österreicher –, hat es, dass Kapitalgesellschaften in Zukunft Verluste, die sie im Aus­land erzielen, im Inland von der Körperschaftsteuer abschreiben können? Das erklären Sie einmal irgendjemandem! Sie haben es ja heute nicht einmal ansatzweise versucht. (Abg. Mag. Molterer: Sie werden Headquarters nach Österreich bringen!)


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Zweitens: Welchen Sinn hat es, über die so genannte Firmenwertabschreibung Un­ternehmenskäufe zu subventionieren? Beschäftigung wird ja nicht erzeugt durch einen Unternehmenskauf, sondern Beschäftigung wird erzeugt, wenn ich einen Markt finde, wenn ich investiere in Realkapital, also in Maschinen zum Beispiel, und wenn wir in­vestieren in das Humankapital, also in unsere Köpfe über Bildung, Forschung und Ausbildung. Da wird Beschäftigung kurzfristig und langfristig erzeugt, aber nicht, indem der Ankauf von Firmen subventioniert wird. Das ist doch albern, verehrte Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wenn wir schon dabei sind, weil Sie das als Jahrhundertwerk anpreisen: Eine wichtige Gruppe haben Sie 2004 und 2005 vergessen, die profitieren weder von der Begüns­tigung des nicht entnommenen Gewinns noch von der Senkung der Körperschafts­teuer, und das sind alle Freiberufler. Tragen die Freiberufler nichts zur Beschäftigung in Österreich bei? Haben Sie die völlig vergessen? (Abg. Mag. Hakl: Einkom­men­steuer!) Die können von der jetzt schon in Kraft getretenen Begünstigung des nicht entnommenen Gewinns nicht profitieren, weil sie auf Gewerbetreibende und Landwirte beschränkt ist. Die Freiberufler sind draußen – und von der Körperschaftsteuersenkung haben sie auch nichts (Abg. Mag. Hakl: Aber von der Einkommensteuersenkung! – Abg. Dr. Stummvoll: Von der Tarifsenkung!), weil die üblicherweise nicht als Körper­schaft organisiert sind, sondern anders.

Warum ist uns die Budgetdisziplin so wichtig, ist es uns so wichtig, das Defizit nicht ausufern zu lassen? – Hier bin ich auch mit vielen Punkten der SPÖ nicht einver­standen, ich sage das ganz deutlich. (Demonstrativer Beifall des Abg. Kopf.) Wir wollen kein Budgetdefizit von 3 Milliarden €, wir beschränken uns hier auf 1,2 Mil­liarden €, die schwierig genug zu verkraften sein werden. Warum? Weil wir auf der Ausgabenseite unaufschiebbare Dinge sehen, die uns, man kann es drehen, wie man will, Geld kosten werden und die eben nicht aufschiebbar sind.

Das betrifft insbesondere den riesigen Bereich Bildung, Ausbildung, von den Kinder­gärten bis zu den über 50-Jährigen in der Erwachsenenfortbildung. Herr Kollege Molterer, das wird nicht zum Nulltarif gehen! Wir können nicht von den Universitäten und ihrer Weltklassebedeutung schwafeln und gleichzeitig glauben, das werde nichts kosten. Wir können nicht davon ausgehen, dass wir die Konsequenzen aus der PISA-Studie endlich ziehen, und das werde nichts kosten.

In der Erwachsenenfortbildung erinnert mich das langsam an die furchtbaren Ergeb­nisse der PISA-Studie – Karl Öllinger hat gestern wieder darauf hingewiesen. Welchen Sinn hat es – das AMS gibt sehr viel Geld aus für Fortbildung, das ist prinzipiell gut (Prä­sident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen) –, wenn eine arbeitslose Chefsekretärin angehalten wird, einen Kurs zu besuchen, in dem sie lernt, wie man ein Be­wer­bungsschreiben verfasst? Die ganze Requalifikation, Umbildung in diesem Sektor, Herr Kollege Molterer, wird es nicht zum Nulltarif geben. Und jedes Jahr, das vergeht, kostet uns überflüssig Zeit. – Tut mir Leid, dass ich auf meine Zeit nicht besser achten konn­te. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

10.59

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Prinz­horn. Seine Redezeit beträgt 15 Minuten. (Rufe bei der SPÖ – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn –: Danke! – Abg. Marizzi: Dan­kesrede! „Danke, Karl-Heinz!“)

 


10.59

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Bundespräsident! Herr Minister! Meine Herren Staatssekretäre! Hohes Haus! Es ist selten, dass ein Mitglied des Präsidiums zum Rednerpult geht, aber heute


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ist es notwendig (Abg. Reheis: Danksagung!), weil ich als oberster Berater unseres Chefverhandlers hier spreche und unser Chefverhandler heute verhindert ist – schöne Grüße nach Kärnten. Daher ergreife ich gerne das Wort. (Beifall bei den Freiheit­lichen.)

Die gestrige Plenarsitzung mit der Dringlichen Anfrage an den Bundesminister für Ar­beit und Wirtschaft zum Thema Beschäftigungspolitik hat schon einiges an Vorah­nungen in mir hervorgerufen, insbesondere über die grundsätzlichen Unterschiede in den Meinungen der Oppositions- und Regierungsparteien zu Fragen der Beschäfti­gungspolitik und zu Fragen der Wirtschaftspolitik. Hier die Opposition, die nach wie vor an die Allmacht des Staates glaubt und die sich offensichtlich immer gerne an ihren Wirtschaftsguru Bruno Kreisky erinnert, der gesagt hat: Lieber ein Haufen Schulden als Arbeitslose. (Zwischenruf des Abg. Nürnberger.) – Gehen Sie zu Ihrem Kollegen Schröder nach Deutschland! Bei Ihrem sozialistischen Kollegen sehen Sie, wie Sie einen Haufen Schulden machen können, einen Haufen Arbeitslosigkeit damit erzeugen und auch noch eine hohe Inflation. Also Sie sind Ewiggestrige in dieser Frage. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Da halte ich es schon lieber mit der Außenpolitik Ihres bereits verstorbenen früheren Parteivorsitzenden, der zumindest in der Außenpolitik eine gewisse Affinität zu uns Freiheitlichen hatte, weil er gewisse Entwicklungen erkannt hat, die letztlich auch unser Landeshauptmann in Kärnten wahrgenommen hat. Das ist aber schon die einzige Affinität, die wir zu dieser auf Schulden beruhenden Wirtschaftspolitik der Sozial­demo­kraten haben. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

In der gestrigen Debatte haben von Ihrer Seite ausschließlich Beamte und Berufs­funktionäre zum Thema Beschäftigung gesprochen, was auch interessant ist, zum Teil wage ich zu behaupten: Wie der Blinde von der Farbe. Gehen Sie einmal in Per­sonalbüros, gehen Sie einmal in Wiener Betriebe! Schauen Sie in meinen Betrieben, wie schwer es ist, heute Mitarbeiter zu finden! Wir haben eine sehr gute Be­schäf­tigungssituation in Österreich, wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit in Europa, gemeinsam mit Holland und Luxemburg. Sie wissen das. (Abg. Öllinger: Hören Sie doch auf! Nein!)

Wir haben auch die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Österreich, worauf wir beson­ders stolz sind, weil wir unserer Jugend im Wort sind. Nach einer EU-Berechnung der letzten Monate haben wir die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa! Das, obwohl die Gemeinde Wien und das Land Wien zusätzlich Arbeitslose geradezu horten. Die Gemeinde Wien ist dafür zuständig, und das Land Wien ist dafür zu­ständig. Denken Sie an diese Wirtschaftspolitik, gerade des Landes Wien, denken Sie an die Bank Austria, an Investitionen der Gemeinde Wien, wie viel Geld Sie da ab­gelegt haben. Mit dieser Wirtschaftspolitik haben Sie dem Land nichts Gutes getan. Der Erfolg ist eine zurückgehende Beschäftigung in Wien. Genau das Gegenteil machen wir! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber die Dringliche hat auch gezeigt, dass der Ruf nach dem Staat, die Meinung, der Staat schaffe Beschäftigung, eingefrorene Posthorntöne sind, meine Damen und Herren. Längstens seit dem Fall des Eisernen Vorhangs weiß man, das ist nicht wahr. Das Gegenteil ist der Fall.

Warum geht es denn in Österreich bei der verstaatlichten Industrie bergauf? – Weil wir sie entstaatlicht haben! Was haben wir mit den Austria Tabakwerken gemacht? – Wir haben sie in die Freiheit der Privatwirtschaft geführt und seither zusätzliche Beschäf­tigte aufgenommen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Was machen Sie? – Sie rufen nach dem Staat! Das ist der falsche Weg. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)


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Aber wissen Sie, der Vergleich macht einen sicher. Wenn Sie die Steuerreformen unter Lacina 1989, unter Lacina 1994, unter Edlinger 2000 anschauen, dann werden Sie sehen, das sind Peanuts zwischen 0,8 und 1,2 Milliarden €. Wir machen eine Steuer­reform im Volumen von 3 Milliarden €. Diese macht genauso viel aus wie alle Ihre drei Steuerreformen zusammen.

Eines scheint mir ganz wichtig zu sein. Wenn Sie bei dieser Steuerreform den Hebel angesetzt hätten, wenn man den Spitzensteuersatz gesenkt hätte, wie das Ihre sozialdemokratischen Kollegen in Deutschland vorschlagen, dann hätte ich das ja noch verstanden. Aber genau das Umgekehrte haben wir gemacht. Wir haben eine Entlas­tung der untersten Einkommensbereiche gemacht. Wir haben darüber hinaus über die Kinderzuschläge auch die Negativsteuer erhöht, die Sie nämlich unter Ihrem Finanz­minister Edlinger im Jahre 2000 nicht erhöht haben! Als Sozialdemokraten haben Sie die Negativsteuer nicht erhöht. Wir sind sie angegangen – gerade über die Allein­erzieher, gerade über die Alleinerhalter. Das nenne ich sozial ausgewogene, treff­sichere Steuerpolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Dass wir dabei Prioritäten setzen und nicht nach dem Gießkannenprinzip vorgehen, das zeichnet meiner Meinung nach diese Regierung aus. Die Priorität hat gelautet: der Arbeitnehmer im untersten Einkommensbereich, die Ärmsten der Armen, so wie wir letztlich auch das Pflegegeld valorisiert haben, wo Sie die Valorisierung abgeschafft haben, also die Ärmsten der Armen und die Beschäftigung. Wir haben ganz bewusst den Spitzensteuersatz nicht angerührt, sondern wir haben gesagt, wir wollen mit der Kör­perschaftsteuer ein Signal in Richtung Beschäftigung setzen. Dieses Signal hat wirklich gepunktet.

Europaweit sehen Sie in den Medien überall Schlagzeilen wie: Beispiel Österreich. Die deutschen Medien schreiben: Beispiel Österreich. Warum kommen denn gerade so viele süddeutsche Unternehmen derzeit nach Österreich? Warum versuchen denn gerade so viele aus Deutschland geradezu zu flüchten, wie seinerzeit in Schweden – erinnern Sie sich noch daran? –, und in Österreich zu investieren? – Unter anderem auch, weil wir neben der Körperschaftsteuersenkung auch eine Gruppenbesteuerung eingeführt haben.

Da ein Wort an Herrn Kollegen Matznetter. Wenn Sie allen Ernstes glauben, dass meine Unternehmensgruppe deswegen erfolgreich ist, weil Sie mir Verluste im nächs­ten Jahr in der Höhe des halben Grundkapitals vorhersagen, Herr Matznetter, dann leben Sie in einer anderen Welt. Beträge wie die in Brandenburg investiere ich im heurigen Jahr in Österreich in eine neue Papiermaschine, und in zwei Monaten bin ich aus den schwarzen Zahlen heraus. Ich brauche kein ganzes Jahr! (Abg. Dr. Matz­netter: Ohne Steuerreform!)

Lassen Sie sich als Steuerberater noch etwas sagen! Sie müssen doch schon einmal gehört haben, dass bisher ein Gewinn- und Verlustausgleich bei Personengesell­schaften über die Grenze möglich war – also etwas, was Kapitalgesellschaften bisher nicht hatten. Wenn Sie von einem Privileg von Kapitalgesellschaften reden, dann ver­stehen Sie nichts von Steuern. Das ist für einen Steuerberater bedenklich, und daher fürchte ich eher um Ihre Ergebnisse in Ihrer Kanzlei als um meine Ergebnisse in meiner Firma. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber dass Sie mir gerade heute in einem österreichischen Seitenblicke-Magazin vor­werfen, dass die Körperschaftsteuer niedriger wird, nämlich auf 25 Prozent gesenkt wird, und somit die Eigenmittel österreichischer Unternehmen gestärkt werden, wo­durch Investitionen ermöglicht werden, dass Sie mir das vorwerfen, wo Ihnen gleich­zeitig Abgeordneter Molterer Ihre eigenen Begehren nach 25 Prozent Körperschaft­steuer vorgelesen hat, das zeigt den Hokuspokus-Kurs, den Ihre Fraktion in der


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Steuer- und Wirtschaftspolitik, aber auch in der Industriepolitik geht. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Zauberlehrling Matznetter!) Aber das ist für uns alle nichts Neues, Herr Kollege Matznetter! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben in zwei Etappen – 2004 und 2005 – Einkommen bis zu einer bestimmten Höhe steuerfrei gestellt. Noch ist es nicht vorbei, denn der 1. Jänner 2005 kommt erst. Wir machen die Steuerentlastungen so schnell, dass Sie gar nicht mitkommen und gleich sagen: Das ist Schnee von gestern!

Wir entlasten laufend von Steuern – das ist das Wesentliche. Wir machen laufend Re­formen – das ist das Wesentliche. Wir stellen auch die Pensionisten mit 13 500 € steuerfrei und auch Selbständige. Nahezu 50 Prozent der österreichischen Lohn- und Einkommensbezieher werden ab 2005 keine Steuer mehr bezahlen. Es gibt kein Land in Europa, wo Sie mir vorhupfen können, dass es in der Lage ist, das zu finanzieren und dabei die Maastricht-Kriterien locker einzuhalten. Wir können die Stabilitäts­krite­rien einhalten. Erinnern Sie sich an die sozialistische Finanz- und Budgetpolitik: Defizite, Defizite, Schulden über Schulden!

Wir zahlen die Schulden zurück. Wir machen die ÖIAG schuldenfrei und machen daraus ein dynamisches Unternehmen, von den Austria Tabakwerken bis zur voest­alpine. Alles andere, was Sie hier erzählen, ist Polemik im Rahmen des Wahlkampfes für die Arbeiterkammerwahlen, sonst nichts! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bin ganz besonders froh darüber, dass wir gerade für die Familien etwas machen, denn die Familien sind wichtig, und gerade die Alleinerzieher und Alleinverdiener sind wichtig. Wenn nach dem Kindergeld jetzt auch noch die Kinderzuschläge erhöht wer­den, und zwar in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit, dann spricht das für eine aus­gewogene, kluge Budget- und Finanzpolitik und vor allem für eine Gesellschafspolitik, für die ich als Unternehmer stehe, dass unsere Kinder auch in Zukunft in diesem Land versorgt werden, indem sie einen Job, also Beschäftigung finden, denn das ist die Grundlage für unseren künftigen Erfolg. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben die Pendlerpauschale angehoben, die Sie abgeschafft haben. Ich muss Ich­nen sagen, all das sind keine Zeichen einer wirklich umsichtigen und nachhaltigen Sozialpolitik, die ich gerade in Ihrer Partei vermisse.

Wir haben gerade auch bei den Zukunftsthemen Bildung, Forschung und Entwicklung sehr viel gemacht. Wir haben hier ein Erbe angetreten, nicht nur, dass wir einen Rie­senberg an Schulden übernommen haben, nein, darüber hinaus gab es auch einen Rückstand bei den Infrastrukturinvestitionen. Sie können heute täglich in Wien erleben, was es heißt, einen sozialistischen Verkehrsminister in den neunziger Jahren, in denen bereits der Zusammenbruch des Ostsystems da war und damit die Integration dieser Länder vorhersehbar war, gehabt zu haben.

Was hat man auf dem Infrastruktursektor gemacht? Die Länder, die heute beitreten – die Slowakei, Ungarn –, haben sich darauf vorbereitet, obwohl sie in einer wirtschaftlich schwierigen Situation waren. Was haben sozialistische Infrastrukturminister ge­macht? – Wir holen das nach. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir dotieren Schiene und Straße so hoch wie nie zuvor und machen noch die größte Steuerentlas­tung der Zweiten Republik. Das ist letztlich die Quadratur des Kreises, die unser Finanzminister Grasser geschafft hat.

Ich begrüße sehr herzlich den Herrn Bundeskanzler und den Herrn Vizekanzler – jetzt ist die Regierungsmannschaft wirklich fast komplett. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Sie von der SPÖ haben moniert, dass Forschung und Entwicklung in diesem Land stiefmütterlich behandelt wurden. Ja was war denn? – Sie haben in verschiedenen Ministerien Forschung und Entwicklung politisch besetzt, haben sie nicht dotiert, und herausgekommen ist eine Forschungs- und Entwicklungsquote von 1,5 Prozent des BIP: Das war Schlusslicht in Europa! Das war Ihre Forschungs- und Entwick­lungs­politik! Und wenn Sie diese heute kritisieren ... (Zwischenruf des Abg. Eder.) – Ich glaube, Sie sind sehr vergesslich. Wir sind bei 1,5 Prozent gestartet und haben heute 2,2 Prozent des BIP. Wir haben Forschung und Entwicklung noch nie so hoch dotiert wie in den Jahren 2004 und 2005. Nehmen Sie doch einfach Fakten zur Kenntnis! Es hat doch keinen Sinn, wenn Sie polemisieren. Ich weiß, Politiker tun sich mit Zahlen hart, aber ich komme aus der Wirtschaft. Glauben Sie mir, Zahlen sind mein Tages­ge­schäft. Ich bin auch nicht vergesslich, was das betrifft. Da könnten Sie gerne von mir wenigstens ein bisschen etwas lernen – viel ist es sicherlich nicht. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Ihre Personalentscheidung!)

Aber ich glaube, dass unsere Finanz- und Wirtschaftspolitik beim Rückzahlen der Schulden letztlich einen neuen Höhepunkt haben wird. Wir führen unsere Schulden­quote zurück, und ich denke, dass Schulden und die Zinszahlung von Schulden über­haupt das Asozialste und Beschäftigungswidrigste ist, was es gibt.

Wie wollen Sie Sozialleistungen finanzieren, wenn Sie im Prinzip in erster Linie mit Ihrem Zinsendienst beschäftigt sind? (Abg. Öllinger: Das gilt auch für die Kranken­kas­sen!) Und das war unter sozialistischen Finanzministern. Sie waren hauptsächlich be­schäftigt mit dem Wieder- und Wieder- und Wieder-Schuldenmachen und sich letztlich nur mehr um den Zinsendienst Kümmern. Daher hatten sie kein Geld für eine Steuer­reform. Wir machen sie, und wir sind stolz darauf. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Eder.) Aber ich kann Ihnen sagen: Der Vergleich macht uns sicher!

Standort und Wettbewerb in Europa. Österreich ist unter den Top 3. (Der Redner ver­weist auf eine schriftliche Unterlage.) Ich weiß, da sind Sie natürlich sprachlos, denn das hat es zu Ihrer Zeit nicht gegeben. Wir haben gerade durch unsere Struktur­reformen, auch auf dem ÖBB-Sektor, wo wir ein neues Dienstrecht hervorragend ver­handelt haben, auch durch Investitionen in die Zukunft heute ein Ranking erreicht, bei dem wir Nummer drei in Europa sind. Wir haben Ihre sozialdemokratischen Kollegen fast in ganz Europa überholt, und ich bin wirklich stolz auf eine Regierung, die eine maßvolle Pensionsreform macht, auch eine Angleichung der Arbeiter und Angestellten. (Abg. Nürnberger: Wo haben Sie denn das gemacht?) – Sie haben ganz vergessen, Ihre Arbeiter den Angestellten anzugleichen. Das machen wir noch nebenbei, neben all den Dingen, die wir erledigt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Aber, wie gesagt, sozial- und wirtschaftskompetent muss man sein.

So kann ich Ihnen abschließend nur eines sagen: Sie werden nicht umhinkommen, an weiteren Strukturreformen in diesem Land mitzuwirken, nicht nur wegen Wien und den Bundesländern, sondern Sie werden, wenn Sie je wieder einmal in die Regierung kommen, sicherlich nicht dasselbe Chaos, nicht dieselben Schulden und nicht die­selben Strukturen übernehmen wollen wie wir.

Wenn Sie etwas Positives für die nächste Steuerreform machen wollen, dann springen Sie doch über Ihren Schatten. Stimmen Sie, wenn verfassungsmäßig vorgesehene Mehrheiten notwendig sind, zu, um die Strukturen in Österreich dahin gehend zu än­dern, dass letztlich auch Wien ein modernes Land mit einer sparsamen Verwaltung wird! (Abg. Nürnberger: Damit Sie noch mehr Profit haben!) Das wünsche ich uns allen – und Ihnen besonders! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


11.14


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Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister für Finanzen. Die Redezeit beträgt 15 Minuten. Ich erteile Ihnen das Wort.

 


11.14

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Regierungskollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Als ich mir die beiden Redner der Op­position anhörte, hatte ich ein wenig den Eindruck, als ob sich die besonders positiven Auswirkungen dieser Steuerreform noch nicht bis zur Opposition durchgesprochen hätten. Ich möchte daher gleich zur Sache kommen und konkret werden, meine Da­men und Herren.

Kritisiert wird, wir täten nicht genug für Leute mit kleinem Einkommen. Meine Damen und Herren! Eine allein erziehende Mutter mit zwei Kindern – ein Beispiel für eine armutsgefährdete Bevölkerungsgruppe – hat ein kleines Einkommen von monatlich brutto 1 300 €. Diese allein erziehende Mutter hat bisher 862 € Steuer im Jahr gezahlt; sie zahlt jetzt keine Steuer mehr, sondern bekommt 14 € als Sozialtransfer direkt vom Finanzamt ausgezahlt. Das heißt, die Entlastung ist 876 € für diese allein erziehende Mutter, kleines Einkommen – sehr viel mehr netto in der Brieftasche. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Im Wirtschaftsbereich: Alexander Van der Bellen hat hinterfragt, was wir tun und welche Effekte das für die Arbeitsplätze hat.

Ein Industrieunternehmen, ein Mittelbetrieb, ein Betrieb mit 100 Mitarbeitern aus Kärn­ten, Ampex Industriemontagen, macht 8 Millionen € Umsatz. Es werden jetzt 800 000 € in den Betrieb investiert und 30 neue Mitarbeiter aufgenommen.

Ein größeres Beispiel: Lebensmitteleinzelhandel Hofer. Ich war auf einem Betriebs­besuch dort. Geschäftsführer Dr. Burger hat mir gesagt, ich kann dies verwenden: Es werden auf Grund dieser Steuerreform, weil sie ein wichtiges Signal für den Standort ist, heuer mehrere hundert Millionen € investiert, und die Zahl der Mitarbeiter wird von 4 200 auf 5 000 aufgestockt. – 800 Beschäftigte mehr als Auswirkung dieser Steuer­reform, meine Damen und Herren! Das ist aktive Beschäftigungspolitik, das ist Wirt­schaftspolitik, das ist eine Steuerreform, die gut für Österreich ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir haben seit dem Jahr 2000 nichts anderes gemacht, als ganz konsequent auf diese Steuerreform hinzuarbeiten. Es ist angesprochen worden, welches Defizit wir übernommen haben. – Ein Defizit von 2,3 Prozent aus dem Jahr 1999; dazu ist eine nicht finanzierte Steuerreform des Jahres 2000 gekommen; in Summe also ein Defizit von 3,5 Prozent.

Wir haben gesagt, wir nützen die Hochkonjunktur des Jahres 2000, wir konsolidieren, das Nulldefizit ist das Ziel, seriöse Staatsfinanzen. Wir haben es versprochen, wir ha­ben es gehalten, und zwar deswegen, weil es Voraussetzung dafür war, dass wir ab dem Jahr 2002 der wirtschaftlichen Abschwächung, die man in der ganzen Welt ge­sehen hat, gegensteuern konnten.

Wir haben zwei Konjunkturbelebungspakete beschlossen. Wir haben ein Wachstums- und Standortpaket beschlossen. Wir haben eine erste Entlastung beschlossen, woge­gen die Opposition gestimmt hat. Wir sind jetzt dabei, die zweite große Entlastung zu beschließen, weil wir wissen: Das ist wichtig für das Wachstum, das ist wichtig für die Beschäftigung und es ist besonders wichtig, damit Österreich möglichst schnell und möglichst stark am Aufschwung teilhaben wird. Das ist eine Politik, die gut für Österreich ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Eine Politik, die schon im Jahr 2003 ganz nachvollziehbar, überprüfbar sehr gut für Österreich ausgeschaut hat.

Schauen wir uns ökonomische Eckdaten 2003 an: Österreich im Durchschnitt zur Euro-Zone. Österreich hatte das doppelte Wachstum im Vergleich zu den anderen elf Län­dern, die die Wirtschafts- und Währungsunion formen. Wir hatten weniger als das hal­be Defizit im Vergleich mit dem Durchschnitt der Euro-Zone. (Abg. Öllinger: Bei der Arbeitslosigkeit!) Und wir hatten die halbe Arbeitslosigkeit im Vergleich zur Euro-Zone. (Abg. Öllinger: Die steigt!)

Unsere Politik war nichts anderes als zu sagen: Verstärken wir diesen Weg, setzen wir diese Politik so fort und machen wir nicht eine reaktive Politik! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Schauen wir nicht zu und warten wir nicht, wie das in Deutschland passiert ist!

Schauen Sie sich das an: Rekorddefizit dort, Rekordarbeitslosigkeit, ein Nullwachstum und noch immer hohe Steuern. Wir haben gesagt, wir gehen einen offensiven Weg, wir gehen eine proaktiven Weg. Wir machen eine Steuerreform mit drei wesentlichen Elementen.

Erster Punkt: ein neuer Tarif. Es wurde ein Tarif verlangt, der die kleinen und mittleren Einkommen entlastet. – Genau das haben wir umgesetzt. Die SPÖ hat 1 Milliarde an Entlastung in diesem Bereich gefordert. – Wir haben diese 1 Milliarde an Entlastung gemacht.

Und, Professor Van der Bellen, kleiner technischer Exkurs: Wenn Sie sich den § 33 ansehen, dann erkennen Sie, dass dort der allgemeine Absetzbetrag geregelt ist. Dann diskutieren wir gerne darüber, welch signifikante Vereinfachung in diesem Tarif gelungen ist, weil die Einschleifung des allgemeinen Absetzbetrages nicht mehr vorge­nommen wird. Ich sage nur, es ist ein neuer Tarif, der kleine und mittlere Einkommen entlastet, und es ist eine ganz wesentliche Vereinfachung mit diesem neuen Tarif gelungen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zweiter Punkt: Familienpaket. Meine Damen und Herren, wir haben gesagt: Wir wollen dieses Thema ganz offensiv aufgreifen, unsere Kinder sind unsere Zukunft! Wir wollen dort weitertun, wo wir mit dem Kindergeld auch schon wichtige Initiativen gesetzt haben, und die Kaufkraft der Alleinverdiener, der Alleinerzieher stärken und die Refor­men im Bereich der Unternehmensbesteuerung vorantreiben, damit wir den attrak­tivs­ten Wirtschafts- und Arbeitsstandort seit Jahrzehnten in Österreich realisieren können. Und genau das gelingt uns mit dieser Steuerreform.

Diese Steuerreform – es ist angesprochen worden – hat das größte Volumen, bringt die größte Entlastung, die es bisher jemals in Österreich bei einer Steuerreform gege­ben hat. Diese Steuerreform ist ausgewogen: Auf der einen Seite 1,5 Milliarden für die Arbeitnehmer, für die unselbständig Beschäftigten, auf der anderen Seite 1,5 Milliar­den € an Entlastung für die Wirtschaft. Wir sagen, sozial ist das, was Arbeit schafft, und da muss der Standort natürlich mit dabei sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es handelt sich um eine Steuerreform, die sozial gerecht ist, weil die größte Entlastung im Bereich der niedrigen Einkommen liegt. Meine Damen und Herren, schauen Sie sich das an: Im Einkommenssegment 10 000 € bis 25 000 € finden sich zwei Drittel der Steuerzahler, 2,25 Millionen Menschen – sie bekommen eine Entlastung im Ausmaß von 1,070 Milliarden €, lukrieren also den überwiegenden Anteil an der Entlastung.

Weiters ist die Negativsteuer angesprochen worden. Meine Damen und Herren! 1994 hat man die Negativsteuer für den ganz kleinen Einkommensbereich eingeführt, wo überhaupt keine Steuer bezahlt wird. Und die Sozialdemokratie kritisiert uns, dass wir


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59. Sitzung / Seite 54

die Negativsteuer nicht stärker anheben! Wir heben Sie an von 60 Millionen € auf 95 Millionen €, erhöhen sie somit um mehr als 50 Prozent. Sie hätten über Jahre hinweg die Gelegenheit gehabt, die Negativsteuer zu erhöhen – Sie haben es nicht gemacht! Ich sage Ihnen, Sie verlieren Ihre Glaubwürdigkeit, wenn Sie jene kritisieren, die hier handeln, die hier Akzente setzen für die kleinsten Einkommen, die Sozialtrans­fers machen für jene, die gar keine Steuern zahlen. Das ist sozial gerechte Politik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein weiteres konkretes Beispiel, damit Sie sehen, auch in Bezug auf Durchschnitts­werte ist diese Steuerreform ein ganz, ganz großer Fortschritt, bringt sie für die Menschen eine Entlastung. Das Durchschnittseinkommen nach Median für eine Arbei­terin: Monatsbrutto 1 080 €. Sie hat bisher 569 € Steuer gezahlt, zahlt jetzt keine mehr, bekommt 110 € direkt vom Finanzamt ausbezahlt. Die Entlastung für diese Frau be­trägt 679 €. Für den durchschnittlichen Arbeiter beträgt die Entlastung 364 €; beim Angestellten, bei der Angestellten genau das gleiche Muster.

Meine Damen und Herren! Diese Steuerreform macht „steuerfrei“, auch das ist ange­sprochen worden. Es ist eine riesige Leistung, ein riesiger Erfolg für uns, auf den wir stolz sein können, wenn 2,55 Millionen Lohn- und Einkommensteuerpflichtige keine Steuer mehr bezahlen. 43 Prozent zahlen keine Steuer. Wir entlasten jeden Steuer­zahler im Durchschnitt mit 500 €. Das heißt: weniger Steuern und Abgaben, mehr Geld in der Brieftasche, mehr Geld zum Leben, mehr Geld zum Investieren, mehr Geld für den Konsum. Das tut der Wirtschaft gut, das tut den Arbeitsplätzen in unserem Land gut. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn man sich ansieht, wie die Auswirkungen dieser Steuerreform auf die heimische Wirtschaft sind, dann muss man sagen, es ist eine Stärkung der Wirtschaft und es ist ein Quantensprung für den Wirtschafts- und Arbeits­standort, weil wir die Körperschaftssteuer von 34 auf 25 Prozent reduzieren, weil wir eine begünstigte Besteuerung der nicht entnommenen Gewinne vornehmen, weil wir die Gruppenbesteuerung einführen, weil wir den 13. Umsatzsteuer-Vorauszahlungs­termin abgeschafft haben, weil wir ein enorm attraktives Forschungspaket gemeinsam verhandelt haben.

Das sind Effekte, meine Damen und Herren, die dazu geführt haben, dass wir vor der Beschlussfassung dieser Steuerreform in den ersten drei Monaten 899 internationale Anfragen bekommen haben, dass Unternehmen sagen, sie seien daran interessiert, in Österreich zu investieren. Vor der Beschlussfassung gab es 899 Anfragen; das ist eine Steigerung von 77 Prozent im Vergleich zum letzten Jahr. Aus Deutschland kamen 692 Anfragen; das ist eine Steigerung von 147 Prozent.

Weitere Beispiele, die ich Ihnen nennen kann, wo ganz konkrete Auswirkungen sicht­bar werden: Wagger, ein kleiner Betrieb aus St. Andrä mit zehn Mitarbeitern, sagt, er wird jetzt 200 000 € investieren und drei neue Mitarbeiter aufnehmen.

Oder: das Sägewerk Offner in Wolfsberg in Kärnten mit 100 Mitarbeitern. Es werden in den nächsten Jahren 30 Millionen € investiert und zehn Mitarbeiter zusätzlich aufge­nom­men.

Oder: Lebensmitteleinzelhandel Billa. 169 Millionen € werden zusätzlich heuer inves­tiert, 500 Mitarbeiter werden aufgenommen.

Meine Damen und Herren! Das sind die ganz konkreten Auswirkungen: mehr Beschäf­tigung, mehr Wachstum, mehr Investitionen – eine ganz, ganz wichtige Reform für den Wirtschafts- und Arbeitsstandort Österreich, die wir damit erreichen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Manche haben gefragt: Wer ist denn Zielgruppe dieser Steuerreform? Für wen machen wir denn diese Reform? Die Grünen haben gesagt: Das ist Klientelpolitik! (Abg. Mag. Molterer: Unser Klientel heißt Österreich!) – Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen gerne, wer unsere Klientel bei dieser Steuerreform ist: 2,6 Millionen Ar­beitnehmer profitieren mit 990 Millionen €. 2,6 Millionen Arbeitnehmer werden mit 990 Mil­lionen € entlastet. 1 050 000 Pensionisten werden mit 450 Millionen € entlastet. 900 000 Alleinverdiener, davon 100 000 Alleinerzieher, werden mit 230 Millionen € entlas­tet. 680 000 Pendler werden mit 20 Millionen € entlastet. (Abg. Öllinger: Jetzt sind wir schon bei 12 Millionen Österreichern!) 130 000 Bauern werden mit 50 Mil­lionen € entlastet. 100 000 Einzelunternehmen und Personengesellschaften werden mit 400 Millionen € entlastet. 100 000 GesmbHs und AGs werden mit 1,1 Milliarden € entlastet; wir haben damit die breite Masse der Klein- und Mittelbetriebe abgedeckt.

Jene, die die Arbeitnehmer beschäftigen, jene, die die Steuern zahlen, jene, die die Wertschöpfung in unserem Land erarbeiten, all jene werden entlastet! Österreich, meine Damen und Herren, ist unsere Zielgruppe! Jeder Steuerzahler in diesem Land ist unsere Zielgruppe – und jene sozial schlechter Gestellten, die keine Steuern zahlen, mit der Negativsteuer. Das heißt, es werden mit dieser Steuerreform auch ganz wich­tige soziale, familienpolitische Akzente gesetzt. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Meine Damen und Herren, Sie können sicher sein, dass diese Steuerreform damit zu einem Turbo wird, was Wachstum und Investitionen und Beschäftigung in Österreich anbelangt, und dass es eine Erfolgsdividende für all jene gibt, die mit dazu beigetragen haben, dass wir die Staatsfinanzen in Ordnung bringen können.

Wenn man das schon in Österreich nicht sieht, dann darf ich Ihnen sagen, die „Financial Times“ beispielsweise schreibt: Deutschland kommt in Zugzwang, weil diese Steuerreform ein Standortvorteil für das Alpenland ist. „Das ist ein großer Schritt nach vorne“, sagt Frau Jutta Förster vom Pharmakonzern Schering auf einer Presse­konferenz in Berlin.

In Berlin spricht man über unsere Steuerreform, in Bayern spricht man über unsere Steuerreform, in den anderen Ländern der Europäischen Union spricht man über un­sere Steuerreform!

Rechtsanwalt Staringer von Freshfields Bruckhaus Deringer sagt: Das ist im inter­nationalen Vergleich „ein echter Quantensprung“, der in Österreich gelingt. Univer­sitäts­professor Hügel sagt, ebenfalls in der „Financial Times“: Das ist eine Sensation! Die „Neue Zürcher Zeitung“ schreibt: Das ist ein großer Wurf, der Österreich hier gelingt. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schreibt: Diese Steuerreform beflügelt den ATX, beflügelt die Wiener Börse. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Mit dieser Reform beschließen wir zum richtigen Zeitpunkt eine sehr substanzielle Entlastung, die uns damit für alle Steuerzahler gelingt, wobei ich dazusagen möchte, dass es große Anstrengungen erfordert, um sie auch zu finanzieren. Es ist das Defizit angesprochen worden. Wir haben nie ein Geheimnis daraus gemacht: Wir gehen mit dem Defizit auf 1,5 bis 2 Prozent kurzfristig, temporär im Jahr 2005 hinauf, danach wieder hinunter. Das heißt, Sie können sicher sein, das Nulldefizit über den Kon­junkturzyklus bleibt unser Ziel. 2008 wollen wir es wieder erreichen.

Bitte vergleichen Sie die Zahlen: Wir haben 3,5 Prozent Defizit übernommen, werden jetzt trotz Steuerreformen bei 1,5 bis 2 Prozent stehen. Wir haben eine Abgabenquote von 44,4 Prozent übernommen. Wir erreichen eine Abgabenquote von 42,3 Prozent. (Ruf bei der SPÖ: Und wie viele Arbeitslose haben Sie übernommen?) Wir sind wesentlich besser, was das Defizit betrifft, wesentlich besser, was die Steuern und


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Abgaben betrifft, und deswegen ersuche ich Sie und fordere Sie auf, diese Möglichkeit der Entlastung zu nützen.

Sie von der SPÖ haben schon einmal gegen eine Entlastung gestimmt. Diese Steuer­reform ist auch die beste Antwort zur Vorbereitung auf die Erweiterung. Diese Woche hat mit der Erweiterung, mit der Wiedervereinigung Europas sensationell begonnen. Wir haben jetzt die Möglichkeit, eine ganz große Entlastung zu beschließen: für die Arbeitnehmer, für die Angestellten, für die Wirtschaft in unserem Land – ein ganz, ganz wichtiger Schritt. (Abg. Dr. Niederwieser: Das ist ja ein Größenwahn!)

Entlastung ist die Verantwortung von uns allen in der Politik. Gehen Sie diesen Weg mit! Stellen Sie die Weichen für den Aufschwung, für Beschäftigung, für Investitionen in Österreich! – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.30

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Rede­zeit: 12 Minuten. – Bitte.

 


11.30

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Finanzminister! Ich glaube nicht, dass Sie mit dieser Selbstloborgie, mit diesem Redeschwall die Bedenken, die Skepsis, die Kritik der Bevölkerung an dieser Steuerreform niederreden konnten. Ich bezweifle das. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich sage Ihnen: Je mehr Sie hier reden mussten, je schneller das Redetempo war, desto mehr spürte man das schlechte soziale Gewissen, das Sie in Wirklichkeit damit zum Ausdruck gebracht haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist einfach so: Nicht entscheidend ist die Redaktion der „Financial Times“, ent­scheidend ist, was der einzelne Zuschauer, die einzelne Zuschauerin empfindet, wenn er oder sie an diese Steuerreform 2005 denkt. Sie empfinden, dass mit dieser Reform einzelnen Personen nur ein Bruchteil dessen zurückgegeben wird, was ihnen auf andere Art und Weise genommen wurde.

Franz Fiedler hat gesagt: Nicht einmal die kalte Progression wurde mit dieser Steuer­reform ausgeglichen! – Ihre Nase wird von Rede zu Rede immer länger und länger, Herr Finanzminister! Und Sie stellen das heute einmal mehr unter Beweis. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie mit Hofer kommen (Ruf bei der ÖVP: Mit dem „Konsum“ kann er nicht mehr kommen!) und darauf hinweisen, bei Loosdorf wird Hofer einen großen Verteiler hinstellen, das wird 100 bis 200 Millionen € kosten, und wenn Sie dann sagen, aus­schlaggebend dafür war die KöSt-Senkung, dann sage ich Ihnen, der Verteiler für die österreichischen Märkte muss in Loosdorf stehen und nicht in Bratislava, denn er muss die österreichischen Märkte versorgen. Also: Nase um einen Zentimeter länger – falsches Beispiel, Herr Finanzminister! (Beifall bei der SPÖ.)

Nächster Punkt, und damit komme ich schon zu Ihrem segensreichen Vorredner Prinz­horn, zu dem ich nur eines sagen möchte: Er sollte vorsichtig sein, wenn er auf die Bank Austria schimpft. (Abg. Großruck: Der hat ein bisschen mehr wirtschaftliches Verständnis als der Herr Cap!) Und er sollte vorsichtig sein, wenn er auf die sozial­demokratischen Finanzminister schimpft, denn: Ohne Hannes Androsch und ohne die Bank Austria gäbe es den Herrn Prinzhorn als Unternehmer heute in Wirklichkeit gar nicht mehr! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Daher soll er sich hier nicht zum Wirtschaftsberater aufschwingen. Er hat damals gerade noch die Kurve gekratzt. Wir wünschen ihm viel Erfolg; auch bei ihm geht es um Arbeitsplätze. Ich bin dafür, dass jedes Unternehmen florieren soll, das sinnvolle


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Produkte herstellt. Aber die Belehrungsnummer braucht er hier nicht abzuziehen. Das wollte ich hier eindeutig deponieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Wieso haben Sie eigentlich in Ihrer Werberede nicht über die Defizitwarnung ge­sprochen, die Sie in Brüssel aussprechen mussten, Herr Finanzminister? – 1999: 133 Milliarden € Verschuldung, 2004: 152,8 Milliarden € Verschuldung. (Abg. Groß­ruck: Jetzt ist der Tiefflieger wieder unterwegs!) Also in Wahrheit ist es so: Sie zahlen überhaupt keine Schulden zurück. Nein, der Schuldenberg wird unter Ihrer Finanz­ministerschaft größer und größer und größer! Daher hören Sie auf, hier nur heiße Luft zu produzieren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn das alles so segensreich ist, was Sie hier versuchen uns und den Zu­schauerin­nen und Zuschauern unter viel Weihrauch zu erklären, dann erklären Sie mir bitte, wieso immer noch das subjektive Gefühl der Bevölkerung gegenüber dieser Steuer­reform so negativ ist! Erklären Sie mir bitte, wieso wir immer noch so ein schwaches Wirtschaftswachstum haben – 1,5 Prozent real dieses Jahr! Wieso ist das so? Erklären Sie mir bitte, wenn Sie wirklich segensreich tätig sein wollen, warum Sie dabei bleiben, dass die öffentlichen Investitionen nur 1,1 Prozent des BIP ausmachen sollen, und Sie daher nicht daran interessiert sind, Wirtschaftsimpulse zu setzen! Erklären Sie mir bitte, wieso Sie die steigende Arbeitslosigkeit in Österreich in Kauf nehmen – diese Woche wurden die Zahlen einmal mehr präsentiert –, die mittlerweile eine Rekord­arbeitslosigkeit ist: wieder plus 4 Prozent! (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Wien! Wien! Wien!)

Herr Finanzminister, das nennt man eigentlich Desaster, was Sie hier zu vertreten haben, und nicht erfolgreiche Wirtschaftspolitik! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Mol­terer: Desaster in Wien!) – Die nervösen Zwischenrufe beweisen ja nur einmal mehr, dass Sie schon unsicher werden, weil bereits auch die Kritik aus der Wirtschaft wächst. Es mag ja sein, dass Sie, wenn die Opposition kritisiert, schon automatisch weghören. Leider ist das so, das ist auch undemokratisch, und Sie wären gut beraten, uns zuzuhören.

Es kommt auch die Kritik aus der Wirtschaft. Sie, Herr Klubobmann Molterer, haben Hannes Androsch zitiert, Sie haben ihn nur nicht vollständig zitiert. Er hat nämlich noch sehr viel mehr gesagt. Er hat nicht nur die KöSt-Senkung begrüßt, sondern er hat auch die Abschaffung der vorzeitigen Abschreibung und der Investitionsprämie kritisiert. Anders formuliert hat er gesagt: Diese Regierung setzt keine Investitionsanreize. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel.) Herr Bundeskanzler, warum wollen Sie eigentlich keine Investitionsanreize setzen? Wieso sind Sie daran nicht interessiert? Wieso wählen Sie diesen Weg? (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich sage Ihnen, die Kritik aus der Wirtschaft an dieser Regierung ist ja nicht nur eine Kritik, die die nationale Politik betrifft, es ist ja auch eine Kritik, die Ihre Politik in der Europäischen Union betrifft ... (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Aber nein!) – Nicht „aber nein“, aber ja, die Betonung liegt auf ja, nicht auf nein! Denn in Wirklichkeit ist es so, dass einzelne Länder eine Investitions-, eine Wachstumsinitiative gestartet haben. Da hätten Sie eben im öffentlichen Bereich investieren müssen, im Infrastrukturbereich. Wir hätten sogar davon profitiert: Einzelne große Projekte wären von der Europäischen Union gefördert worden. – Aber Sie haben kein Ohrwaschel gerührt! Das hat Sie nicht interessiert! Nein, Sie haben Finanzminister Grasser nach Brüssel geschickt, der mit dem Rohrstaberl in der Hand die ganze Zeit gesagt hat: Geldwertstabilität, Geldwert­stabilität, Defizit senken, nichts aufweichen, nichts flexibilisieren! – Nein, wir nehmen lieber wachsende Arbeitslosigkeit, sinkendes Wachstum und damit höhere Staatsaus­gaben in Kauf.


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Das war die Philosophie, die Sie durch Ihren Finanzminister in Brüssel verbreiten haben lassen und die Sie, Herr Bundeskanzler, mit Ihrer Politik abgedeckt haben! Das ist eine Politik, die unverantwortlich ist und in Wahrheit die Grundlagen für eine pros­perierende österreichische Wirtschaft langfristig zerstört. Das muss Ihnen einmal wirklich ins Stammbuch geschrieben werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Erklären Sie uns bitte, warum Sie sich gegen eine Reform oder Neuinterpretation des Stabilitätspaktes wehren, wenn schon viele namhafte andere Länder und Finanz­minister das zur Disposition stellen! Erklären Sie uns das! (Abg. Mag. Molterer: Neue Schulden machen, das ist SPÖ!) – Nein, nein!

Wieder Kritik aus der Wirtschaft: Ihnen wird vorgeworfen, dass Sie eine heroische Untätigkeit an den Tag legen. Ich habe heute richtig Lust, den ehemaligen Finanz­minister Androsch zu zitieren, den Sie als Zeugen aufgerufen haben, Herr Klubobmann Molterer. Er wirft Ihnen heroische Untätigkeit auf der Ebene der nationalen Wirt­schaftspolitik und auf der Ebene der europäischen Wirtschaftspolitik vor.

Wo sind die heldenhaften Auftritte, damit Österreich endlich gehört wird? Nur wenn man nichts zu sagen hat, dann kann Österreich auch nicht gehört werden. Und wenn man das Falsche sagt, dann ist es besser, Österreich wird aus Ihrem Munde nicht gehört, Herr Bundeskanzler, denn das nützt der Wirtschaft nicht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Und dann höre ich die Kritik aus der Wirtschaft, Sie hätten überhaupt einen ganzen Konjunkturzyklus verschlafen. – Darunter kann sich der Zuschauer, die Zuschauerin wirklich etwas vorstellen. (Abg. Neudeck: Seit wann redet die Wirtschaft mit Ihnen?) Die Menschen sind daran interessiert – deswegen wollen sie nämlich eine Regierung haben –, wenn es konjunkturelle, wirtschaftliche Probleme gibt, wenn man Angst um den Arbeitsplatz hat, wenn in der Geldtasche weniger Euro sind, wenn die Pensionen in Frage gestellt werden mit Ihrer Pensionskürzungspolitik, die Sie betreiben, dass sich eine Regierung vor die Öffentlichkeit hinstellt und Programme präsentiert (Abg. Rädler: Geld austeilen!), mit denen die Wirtschaft in Schwung kommt, Arbeitsplätze geschaffen werden, die dafür sorgen, dass die Arbeitslosenrate nicht steigt, sondern sinkt, dass die Jugend eine Perspektive hat, dass man eine Lebensplanung machen kann, die Pensionen gesichert sind, die Pensionen nicht mutwillig gekürzt werden. Dafür brauchen sie eine Regierung! Für das, was diese Regierung macht, brauchen sie diese Regierung nicht!

Ich sage Ihnen, es wird Zeit, dass es endlich einen politischen Denkzettel für diese Regierung, für diese Wirtschaftspolitik gibt. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) – Ja, lachen Sie nur! Lachen Sie nur! (Abg. Neudeck: Ihre Rede ist heute eher zum Weinen! – Zwischenruf des Abg. Rädler.) – Sie in der vorletzten Reihe da hinten sollten sich eigentlich mit mir solidarisieren (neuerliche ironische Heiterkeit bei der ÖVP), denn wenn diese Wirtschaftspolitik und diese Regierungspolitik nicht geändert wird, dann wird es Sie hier herinnen nicht mehr geben! Das ist das Problem. (Beifall bei der SPÖ. – Lebhafte Heiterkeit bei der ÖVP.)

Dann können Sie weiter in den Versammlungslokalen in Ihrem Wahlkreis schimpfen, es hört Sie dann niemand mehr. Heute haben Sie wenigstens noch eine Fernseh­kamera, nutzen Sie diesen raren Momente, dass Sie hier herinnen sitzen, eine Fern­sehkamera haben und noch Zwischenrufe machen können. Nutzen Sie sie! Ich sage Ihnen: Es wird immer knapper und kürzer und kürzer für Sie werden! (Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Daher die Anregung, dass es hier zu einer Umorientierung kommt! (Abg. Neudeck: ... einen Arbeitsplatz!) Diese Umorientierung macht nur Sinn, wenn sie auf nationaler


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Ebene und auf internationaler Ebene stattfindet. Ich sage Ihnen, die Opposition und die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen hier für konstruktive Gespräche zur Verfügung. Für uns ist das eine nationale Frage, das ist keine Frage des partei­politischen ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Prä­sident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das glauben Sie aber selber nicht!)

Sie sollten jetzt zuhören, es geht um nationale Fragen, das heißt Fragen, die jenseits der Parteigrenzen alle betreffen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Konstruktiv kommt von Ihnen überhaupt nichts!) Wir bieten an, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen sollten, weil die österreichische Wirtschaft wichtig ist. Und es ist wichtig, dass wir außerhalb Österreichs, in der Europäischen Union, möglichst mit einer Stimme sprechen und dass wir dort zu den Kräften gehören, die das Ruder endlich einmal herumreißen wollen. Das wäre, so glaube ich, sinnvoll, und dafür sollte man sich hier zusammentun. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Dazu haben Sie 30 Jahre lang Gelegen­heit gehabt!)

Da sage ich Ihnen, in dem Zusammenhang ist es auch wichtig (Abg. Dr. Partik-Pablé: 30 Jahre lang hätten Sie Gelegenheit dazu gehabt!) – wir werden am 13. Juni die Wahlen zum Europäischen Parlament haben –, dass wir uns alle gemeinsam dafür einsetzen. (Abg. Mag. Molterer: Ach so! Eine Wahlrede!) Das Europäische Parlament spielt eine ganz wichtige Rolle (Abg. Mag. Molterer: Eine Wahlrede Josef Cap!), was den Haushalt in Brüssel betrifft, was die Reformen betrifft, was die strukturellen Refor­men betrifft. (Abg. Mag. Molterer: Das ist der Hans-Peter-Martin-Korrekturversuch!)

Haushaltsreform! (Abg. Mag. Molterer: Der Hans-Peter-Martin-Korrekturversuch!) Dass sich der ehemalige Agrarminister mit einem Zwischenruf zu Wort meldet, finde ich sehr konstruktiv. Dann könnten Sie nämlich gleich mitwirken, wenn es darum geht, den Haushalt zu reformieren, diese Riesen-Ausgaben für den Landwirtschaftsbereich und die Strukturfonds anders zu verteilen, damit auch die Erweiterung besser finan­zierbar wird und dann die nötigen Wirtschaftsimpulse und Wirtschaftseffekte eintreten (Abg. Mag. Molterer: Ich sage nur: Hans-Peter Martin!), und die Förderungen sozialer zu staffeln und zu verteilen. Herr ehemaliger Landwirtschaftsminister, das wäre ein Beitrag, da könnten Sie sich einbringen! (Präsident Dr. Fischer gibt das Glocken­zeichen.)

Wir stehen hier wirklich zur Verfügung, weil wir die Änderung wollen. Es geht uns um Österreich, es geht um eine Politik, dass Österreich in Brüssel wirklich wieder gehört wird! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

11.42

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dipl.-Ing. Kum­me­rer: Der 16 000-€-Redner!)

 


11.43

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Herren auf der Regierungsbank! Ich möchte nach diesem capschen Tages-Hick­hack (Zwischenrufe bei der SPÖ – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) wieder zum Thema Steuerreform zurückkehren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Ich möchte auch eine Brücke zu der Debatte schlagen, die wir gestern hatten. Wir haben gestern in diesem Hohen Haus die Erklärung des Bundeskanzlers zur Erweite­rung der Europäischen Union debattiert. Unser außenpolitischer Sprecher Michael Spindelegger hat dabei gemeint, die Fragestellung, wie wir sie häufig hören: was bringt


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uns die Erweiterung?, wäre eigentlich nicht richtig. Die Herausforderung lautet ja an­ders, sie lautet: Was machen wir aus dieser Chance, die sich aus der Erweiterung ergibt?

Meine Damen und Herren! Einen Tag später, also heute, geben wir die erste Antwort darauf, was wir aus dieser Chance machen. Wir beschließen hier eine Steuerreform, die den Betrieben und ihren Mitarbeitern eine faire Chance gibt, in diesem größeren Europa in diesem Land erfolgreich tätig zu sein. Das ist die erste Antwort auf diese Herausforderung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Lassen Sie mich eines auch sagen: Es ist verständlich, dass im Zuge einer solchen Debatte immer wieder Expertenmeinungen zitiert werden, ich bin selbst froh darüber. Wir hatten gestern etwa die Experten des Währungsfonds bei uns, die sich sehr positiv über diese Steuerreform und überhaupt über die Reformpolitik dieser Bundesregierung geäußert haben. Es besteht da große Wertschätzung! Aber ich sage Ihnen eines auch ganz offen: Noch mehr Wertschätzung und noch mehr Hochachtung als vor den Ex­perten habe ich vor denjenigen, die Arbeitsplätze schaffen, und das sind die unter­nehmerischen Menschen, die Unternehmer in diesem Land, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Machen wir uns nichts vor! Seien wir so ehrlich, es zuzugeben: Alle Versuche der Vergangenheit, die Unternehmerfunktion zu ersetzen und zu sagen: auch der Staat, auch eine Partei, auch eine Gewerkschaft kann Arbeitsplätze schaffen, sind fürchterlich gescheitert! Denken wir an den „Konsum“, die größte Handelspleite in der Geschichte der Zweiten Republik! (Abg. Dr. Matznetter: Die Börse!) Denken wir an die Ver­staatlichte, die größte Industriepleite in dieser Republik!

Das heißt, wenn wir hier eine Steuerreform machen, von der wir sagen: wir wollen Arbeitsplätze schaffen, Beschäftigung sichern, Kaufkraft erhöhen, dann ist das etwas, was im Grunde ausschließlich jenen zugute kommt, die in diesem Land Jobs haben sollen, Arbeitsplätze haben sollen.

Wenn wir hier eine Umfrage des Market-Instituts unter 900 Unternehmen haben, die vor einem halben Jahr zu 66 Prozent gesagt haben, sie haben große Sorge, dass Arbeitsplätze ins Ausland abwandern, und wenn es dann nach dem Bekanntwerden dieser Steuerreform nicht mehr 66 Prozent, sondern nur noch 13 Prozent sind, die das sagen – was heißt denn das, meine Damen und Herren? (Abg. Dr. Pirklhuber: Eine Inszenierung ...!) – Das heißt, dass wir aus der Gefahr der Abwanderung die Chance der Zuwanderung gemacht haben, eine historische Chance! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn heute allein aus Bayern über 800 Anfragen von bayerischen Betrieben vorliegen und wenn sich auch der bayerische Wirtschaftsminister darüber ärgert, dass diese Firmen überlegen, nach Österreich zu kommen, dann zeigt das den richtigen Weg dieser Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Es ist Politik für die Arbeitsplätze, es ist Politik für Einkom­mens­chancen, es ist eine Politik der sozialen Sicherheit. Für uns ist der sozial, der Arbeit schafft.

Wenn wir von Standortsicherung sprechen, wenn wir sagen, dass diese Steuerreform eine Priorität hat, nämlich jene, den Standort zu sichern, dann heißt Wirt­schafts­standort ganz einfach Folgendes: Das heißt erstens Arbeitsplätze, zweitens Einkom­menschancen und drittens soziale Sicherheit. Das verstehen wir unter Standortpolitik! (Abg. Sburny: Warum haben wir dann eine immer größere Arbeitslosigkeit?)


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Lassen Sie mich noch eines sagen. Ich habe schon einmal die Unternehmer zitiert. (Abg. Dr. Pirklhuber: Nivellierung nach unten!) Ich höre immer wieder die Meinung etwa des Kollegen Matznetter, so auch heute wieder: Das alles sind ja nur Geschenke an die Unternehmen. Er zitiert auch immer wieder dort, wo sie hineinpassen, Ex­pertenmeinungen.

Meine Damen und Herren! Auf jene, die die Einzigen sind, die Arbeitsplätze schaffen können, sollten wir wirklich hören. Und was sagen die? – Es liegt hier ebenfalls eine Um­frage unter 900 Unternehmen vor. (Abg. Sburny: ... Unternehmer, die nicht weggehen, wenn die Steuersenkung niedriger ist!) Da sagen 86 Prozent, die KöSt-Senkung sei richtig und notwendig. Da sagen 90 Prozent, Frau Kollegin, die Halbierung des Steuersatzes beim nicht entnommenen Gewinn sei notwendig und richtig. (Abg. Sburny: ... und dann wandern sie in die Nachbarländer ab!) Und da sagen 86 Prozent, die Senkung der Lohnnebenkosten bei älteren Mitarbeitern sei wünschenswert und notwendig. Das ist die breite Zustimmung zu dieser Politik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nehmen wir ein Beispiel, ein bekanntes Unternehmen: Die Voest war in den siebziger Jahren und auch noch in den achtziger Jahren ein schwer verschuldeter, defizitärer Staatsbetrieb. Jetzt, nach der Privatisierung, ist das ein unglaublich erfolgreicher, bör­sennotierter, gewinnorientierter Betrieb, auf den wir stolz sind. (Abg. Dr. Puswald: Wie viele Arbeitsplätze sind dort verloren gegangen?) Die Voest hat schon vor der Steuerreform ihr Konzept „Voest 2010“ auf den Tisch gelegt, im Sinne einer Vorwärts­strategie. Und die Voest hat gesagt: Wir müssen im Sinne dieser Vorwärtsstrategie 1 Milliarde € bis zum Jahr 2010 investieren. Die Frage war nur: Wo wird diese 1 Milliarde € investiert: in Arbeitsplätze im Ausland oder in Arbeitsplätze im Inland?

Nach dieser Steuerreform hat Generaldirektor Eder, übrigens ein Spitzenmanager, erklärt, man werde diese 1 Milliarde € in Arbeitsplätze in Österreich investieren. Das ist ein konkretes Beispiel, meine Damen und Herren. Das heißt Steuerpolitik für die Menschen in diesem Land! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte auch etwas zu dieser ironischen Argumentation der Opposition sagen: Na ja, wenn 43 Prozent der an sich Steuerpflichtigen keine Lohn- und Einkommensteuer mehr zahlen, dann haben die ja gleichsam nichts von einer Steuersenkung. – Meine Damen und Herren, seien Sie so ehrlich: Das ist nicht fair! Es ist nicht korrekt, wenn man sich jahrelang bemüht hat, dass die niedrigen Einkommen möglichst gar keine Steuer zahlen, dann, wenn wir diesen Zustand erreichen, zu sagen: Die haben von weiteren Steuersenkungen nichts. (Abg. Mag. Wurm: ... nicht mehr leisten können!) Das ist unehrlich und unkorrekt, Frau Kollegin! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Das würde ja im Umkehrschluss heißen: Ohne erste und zweite Etappe würden 310 000 Menschen nach wie vor Lohn- und Einkommensteuer zahlen. Wäre Ihnen das lieber gewesen? (Abg. Mag. Kogler: Wir haben eh 300 000 bei 2 Millionen ...!) Hätten Sie 300 000 Menschen mit Lohn- und Einkommensteuer belastet? – Wir schaffen für diese Menschen die Steuer ab, es gibt Einkommen- und Lohnsteuer für 310 000 Men­schen nicht mehr! Das heißt, 2,5 Millionen Österreicher, die an sich lohnsteuerpflichtig wären, zahlen heute auf Grund dieser Steuerreform keine Lohnsteuer mehr. Ein Erfolg dieser Bundesregierung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich gehe auf ein weiteres Argument der Opposition ein. Ich habe gestern im Fernsehen in der Diskussion mit Kollegem Matznetter gemeint, er spricht wirklich wider besseres Wissen bei dieser berühmten Propaganda, dass die Körperschaftsteuersenkung nur den Großbetrieben, nur den Konzernen zugute kommt. Er weiß es genau, meine Damen und Herren! Er weiß genau, dass 70 Prozent unserer GesmbHs weniger als


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zehn Mitarbeiter haben. (Abg. Großruck: ... ehrlich zu sein!) Er weiß genauso gut wie ich, dass 83 Prozent unserer GesmbHs weniger als 20 Mitarbeiter haben. Er weiß ge­nauso gut wie ich, dass ungefähr 60 Prozent des gesamten Steuervolumens der Körperschaftsteuersenkung für Klein- und Mittelbetriebe gilt. (Abg. Parni­goni: ... Steuersatz 30 Prozent!) Aber nein, aus Gründen der Oppositionspolitik tritt er hier heraus und negiert die Realität!

Meine Damen und Herren! Ich bin dankbar dafür, dass wir heute diese Fernseh­übertragung haben. Der Fernsehzuschauer kann sich ein objektives, faires Bild machen, wer hier ehrlich und seriös argumentiert und wer hier die Parteitaktik, die Op­positionspolitik vor die Sachpolitik stellt. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, Sie sollten sich in Zukunft wirklich überlegen, welche Red­ner Sie hier an das Rednerpult senden: jene, die seriös und sachbezogen argumen­tieren – oder jene (Abg. Mag. Molterer: Vielleicht gibt es sie nicht!), die glauben, nur mit Parteitaktik, mit Populismus vorgehen zu können. Aber vielleicht – Zwischenruf des Klubobmannes Molterer – haben Sie solche Persönlichkeiten nicht in Ihren Reihen, das wäre natürlich schlimm! (Abg. Mag. Kogler: ... aber nicht den Finanzminister meinen!)

Wir sind froh, dass wir solche Persönlichkeiten in der Bundesregierung und auch in unserem Klub haben. Wir sind froh, dass wir heute diese Steuerreform beschließen können. (Abg. Sburny: ... die nicht einmal rot werden, wenn sie die Unwahrheit sagen!) Sie ist ein erfolgreicher, großer Schritt auf jenem Weg, auf dem unter die Top drei in Europa kommen wollen. Wir werden dieses Ziel erreichen, genauso wie wir die Stabilität im Staatshaushalt erreicht haben und genauso wie wir die größten Investitionen in die Zukunft dieses Landes in den letzten Monaten beschlossen haben. In diesem Sinne: Glück auf! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.51

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dipl.-Ing. Kum­merer – in Richtung des Abg. Dr. Stummvoll –: 16 000 € war das wert!)

 


11.52

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Bundesminister für Finanzen macht es einem wirklich schwer, ohne weiteres das Licht wieder auf die großen Zusammenhänge, auf die großen Probleme und auch auf die adäquaten Lösungen zu werfen, da er selbst es konsequent verweigert, auf diese einzugehen. Es ist schon ein bisschen enttäuschend, dass Sie Ihren Höhepunkt der Rede dort erreicht haben, wo Sie festgestellt haben, dass überraschend und sensationell am 1. Mai die neuen Beitrittsländer zu begrüßen waren. Hätten Sie Ihre Rede fortgesetzt, wären wir wahrscheinlich zu dem Punkt gelangt, dass der 1. Mai heuer überraschend und sensationell am Monatsanfang stand und wir ihn deshalb feiern sollen! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich sage das deshalb mit einem gewissen Ärger, weil etwa überhaupt keine Replik auf die Vorschläge, die hier Klubobmann Van der Bellen gemacht hat, vorhanden war. In einem großen Bogen hat er in dem Zusammenhang alle aus meiner Sicht relevanten Bereiche angesprochen, die da etwa der Zeitpunkt von Reformen wären – wenn man das überhaupt als Reform bezeichnen kann; darauf werden wir noch eingehen.

Das zweite große Problem ist die Frage der richtigen Defizitpolitik, und damit ist in Wirklichkeit die viel wichtigere Frage verbunden: Was ist eigentlich die öffentliche Aufgabe? Was ist die Rolle des Staates? Wo soll investiert werden und wo nicht? – Dazu wird es Geld brauchen.


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Die dritte Frage ist: Was ist hier, wenn man schon Steuersenkungen aus Gründen der Wirtschaftspolitik macht, die adäquate Maßnahme für den Wirtschaftsstandort?

Und der vierte Bereich ist das, was Kollege Molterer unter anderem mit „sozialer Gerechtigkeit und Fairness“ bezeichnet hat.

Wenn wir uns jetzt diesen Fragen der Reihe nach zuwenden, dann, muss ich sagen, fällt die Bilanz bei weitem nicht so positiv aus, wie das hier dargestellt wird. Ich bin der Letzte, der sagt, dass alles schlecht ist; Österreich steht in vielen Bereichen ganz gut da. Aber die Frage ist ja: Was war die Rolle von Schwarz-Blau seit 2000? Was war da der Beitrag? Was waren gegebenenfalls die Fehler? Und was könnte heute noch anders gemacht werden, wenn Sie endlich einsichtig wären? – Das wäre ja die relevante Fragestellung. (Abg. Mag. Molterer: Ist es nicht möglich, dass die Regierung einmal Recht hat? Denkbar?)

Die Bilanz Ihrer Wirtschaftspolitik, Herr Bundesminister, ist bei weitem nicht so rosig, wie Sie das hier darstellen. Fast möchte man Mitleid haben und eine Opfersammlung beginnen, weil Sie Opfer Ihrer eigenen Propaganda geworden sind; die war ja bekanntlich nicht so billig. Opfer der eigenen Propaganda – man stellt sich hin und verkündet: 3 Milliarden € Senkung, 3 Milliarden €, gebetsmühlenartig! (Abg. Mag. Mol­terer: Es stimmt!) Und wissen Sie: kein Wort darüber, was für Belastungen Sie seit 2000 eingeführt haben! Nicht, dass jede Finanzierungsmaßnahme deshalb schlecht gewesen wäre, aber schenken Sie doch den Leuten endlich reinen Wein ein und machen Sie einmal eine vernünftige Nettorechnung auf. Von Ihren 3 Milliarden bleibt ja in Wirklichkeit fast nichts übrig! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das wäre noch nicht unbedingt das Malheur. Das Malheur ist ja, dass dies – Stichwort: soziale Gerechtigkeit – wesentlich unterschiedliche Verteilungswirkungen hat, je nach­dem, wo die Belastungen auftreffen und zutreffen und wo dann im Nachhinein wieder entlastet wird. Das ist das Problem Ihrer wahltaktischen Wirtschaftszyklen, die Sie hier veranstalten: nach der Wahl belasten und vor der Wahl senken.

Und jetzt stellen wir fest, dass sehr, sehr viele Menschen – entgegen Ihrer Ankün­digung einer Entlastung für alle – nur von den Belastungen betroffen sind, nicht aber von den Entlastungen.

Womit haben Sie sich denn die Probleme bei den Pensionistinnen und Pensionisten eingebrockt? Ist es nicht viel weniger das Problem, dass vielleicht der Krankenkas­senbeitrag tatsächlich noch moderat angehoben wird, damit dort auch eine gewisse Finanzierungssicherheit herrscht, und ist es nicht viel mehr das Problem, dass sie schon so wenig an Pensionen haben und auch steuerlich nicht weiter entlastet werden, weil Sie die Einsicht verweigern, dass mit dem steuerlichen Instrument auch die Pensionisten noch besser gestellt werden können? – So hätten wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Dann stellen Sie sich hierher und sagen „Entlastung für alle“: Hohn und Spott – und jetzt kommt es – für über 2 Millionen! Herr Kollege Stummvoll, natürlich ist es richtig, dass jetzt durch die letzte Etappe 200 000 Personen zusätzlich keine Steuer zahlen; ich will das überhaupt nicht abstreiten. Sie vergessen nur, dass wir die zehnfache Anzahl von Personen haben, die bis jetzt tatsächlich keine gezahlt haben – aber doch nicht, weil sie so privilegiert sind, sondern weil sie jetzt schon so wenig verdienen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Und weil Sie es konsequent verweigern, dass mit diesem steuerpolitischen Instrument – der so genannten negativen Einkom­men­steuer, sagen wir: einem positiven Auszahlungsbetrag – auch gegengesteuert werden könnte, im besten Sinn des Wortes.


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Das ist überhaupt keine verfehlte Steuerpolitik – weil angeblich Sozialpolitik –, sondern das ist einfach ein Instrument, das man über das Budget einsetzen kann, wenn man will. Denn richtig ist auch, dass diese Personen sehr viel an Steuern zahlen, nämlich Umsatzsteuer für alles, was sie konsumieren – an ihrem Einkommen gemessen sogar sehr viel, da sie ja praktisch nicht sparen können, weil sie eben nicht so gut gestellt sind –, und sie zahlen vor allem Sozialversicherungsabgaben, in Prozent genauso viel wie einer, der sehr viel verdient. Und da sagen Sie, das ist irgendein sozialer Unfug oder sonst irgendetwas?

Das wäre eine klassische Maßnahme, die gegen die soziale Ungerechtigkeit – da Sie das Wort schon gebraucht haben – ergriffen werden könnte (Abg. Mag. Molterer: Nein, Gerechtigkeit!), wenn Sie sich endlich nicht mehr zu dieser Polemik versteigen würden, hier zu sagen: Wir haben ohnehin 2,5 Millionen Menschen entlastet. (Abg. Mag. Molterer: Nicht Ungerechtigkeit! Das ist ein wesentlicher Unterschied!) Wahr ist, dass 2,3 Millionen seit 2000 nur belastet worden sind und jetzt durch die Finger schauen! (Abg. Mag. Molterer: Gerechtigkeit, nicht Ungerechtigkeit!) Das musste jetzt einmal gesagt werden, und da wird Ihnen Ihr Predigtdienst auch nicht mehr weiter­helfen. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Aber wenden wir uns dem nächsten Problem zu: Wann ist der optimale Zeitpunkt für Reformen? – In Wirklichkeit ist das aus unserer Sicht weniger eine Reform als eine undifferenzierte Steuersenkung, weil sie, wie erwähnt, auf bestimmte Ziele nicht zutrifft. Aber selbst der Zeitpunkt ist fragwürdig. Jetzt gilt auf einmal Wachstum, Beschäftigung, Kaufkraft – „Kaufkraftsteigerung“, müssen wir uns anhören –, aber damals, als sich, auch für Laien und nicht nur für Experten erkennbar, der Wirtschaftsabschwung abge­zeichnet hat, haben Sie sich diesem Argument verweigert, ebenfalls aus wahltak­tischen Gründen. Jetzt aber wird, in Ihrer Welt jedenfalls, das Füllhorn ausgeschüttet. (Zwischenruf der Abg. Mag. Hakl.) Also auch vom Zeitpunkt her ist das falsch! Früher hätte eine geringere Senkung als jetzt mehr für das Wachstum gebracht, und am Schluss hätte es weniger Defizit gegeben.

Da bin ich jetzt beim Punkt, und da unterscheiden wir uns vermutlich immer noch von den Sozialdemokraten: Sie gehen ohne Not her und erhöhen das Defizit, werfen Ihre eigenen Grundsätze – so Sie welche haben, man hat es zumindest einmal glauben können – über Bord, und das alles ist jetzt plötzlich nichts wert. Wir melden nach Brüssel 0,9 Prozent, 1,5 Prozent – völlig Wurscht; 2 Prozent werden es werden. Das werden Sie bei den Budgetverhandlungen gar nicht halten, ich gratuliere Ihnen zu den nächsten Finanzausgleichsverhandlungen! Es geht sich hinten und vorne nicht mehr aus, aber Sie schütten mit dem Füllhorn für 2005, rechtzeitig vor der nächsten Wahl, Steuergeschenke aus mit Geld, das wir gar nicht haben, und noch dazu zum falschen Zeitpunkt! (Abg. Mag. Molterer: Die Wahl?) Es passt also auch hier die Linie hinten und vorne nicht zusammen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Mol­terer: Die Wahl ist in zweieinhalb Jahren!)

Sie wissen ganz genau, oder lesen Sie das nach in der apostrophierten Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts – sie liegt auf meinem Platz oben, vielleicht kann man sie Ihnen noch rechtzeitig überreichen, damit Sie nicht ständig zwischenrufen müs­sen –, dass dort festgehalten ist, dass der Wachstumseffekt dieser Steuerreform sehr, sehr gering ist. – Also ich habe übertrieben, es steht dort: sehr gering, und nicht: sehr, sehr gering. – Aber da können Sie doch nicht sagen, das hätte keine Auswirkungen. Und ich sage Ihnen: Es ist auch der falsche Zeitpunkt!

Kommen wir zum Abschluss zum so genannten Problem des Wirtschaftsstandortes. – Jawohl, wir haben da ein Problem, aber das liegt ganz woanders. Sie lösen ein Problem, das wir gar nicht haben, weil Sie Klientelpolitik betreiben. Es ist richtig, was hier gesagt wurde: Es profitieren in erster Linie die größeren Unternehmen und es


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profitieren vor allem jene Unternehmen, die zumindest Gewinne machen. (Abg. Scheibner: Die haben auch die Arbeitsplätze!)

Sie senken die Gewinnsteuern. Denken Sie doch einmal mit: Wenn Sie die arbeits­platzbezogenen Abgaben senken würden, würden alle Unternehmen in diesen Genuss kommen. Verteilen wir doch die Milliarde, die Sie für den Unternehmenssektor zur Ver­fügung zu haben glauben, wenigstens so, dass wir damit die lohnsummen­bezogenen Abgaben senken! Das würde den arbeitsintensiven Unternehmungen mehr helfen als den gewinnorientierten – womit nichts gegen Gewinne gesagt worden sein soll. Nur: Wenn wir das Strukturproblem haben, dass wir tragischerweise Weltmeister bei den lohnsummenabhängigen Abgaben sind, dann muss auch hier angesetzt werden und nicht dort, wo Österreich ohnehin hintennach hinkt, nämlich bei der Besteuerung von Unternehmensgewinnen. Hier haben wir jetzt schon sehr wenig Einnahmen, und trotzdem beteiligen Sie sich an der Propaganda, dass auf diesem Gebiet noch mehr getan werden muss. (Abg. Mag. Molterer: Die Unternehmen gehen sonst fort!) Kommen Sie noch einmal hier heraus und erklären Sie, warum das keine Klientelpolitik sein soll! Das bleibt einfach die falsche Antwort zum falschen Zeitpunkt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Abschließend: Ich frage mich, was hiebei überhaupt das Tolle und Großartige sein soll! Manchmal hat man ja das Gefühl, es wird hier eine „GRÖSTAZ“ ausgerufen, eine „Größte Steuerreform aller Zeiten“. Dazu besteht kein Anlass! Und: Eine gute Woche wird mit einer anderen Wirtschaftspolitik enden und wahrscheinlich mit einer anderen Bundesregierung, die endlich in der Lage sein wird, ein solches Wendeprojekt einzuleiten. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.02

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

 


12.03

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Ich verstehe schon, dass es die Op­position heute schwer hat. Herr Kollege Cap, Sie schütteln den Kopf, das weiß ich schon, denn mit Ihren Methoden, da hat man es vielleicht nicht so schwer. Aber die Methoden, die Sie angewendet haben, gehören Gott sei Dank auch in Österreich der Vergangenheit an. Dass man nämlich erfolgreiche Unternehmer wie den Präsidenten Prinzhorn kritisiert und ihnen sagt, dass sie nur schön ruhig sein und nur ja nichts über gewisse Banken sagen sollen, weil sie dort vielleicht eine Kreditlinie laufen haben – mit solchen Drohungen, Herr Kollege Cap, hat man vielleicht einmal Politik machen können. (Abg. Mag. Posch: Genau so war es! – Abg. Neudeck: Diktatur!) Heute aber – und ich bin davon überzeugt – haben Banken solche Ratschläge von Politikern nicht notwendig, sondern die arbeiten mit den erfolgreichen Unternehmungen zusam­men, und das ist die beste Garantie für den Wirtschaftsstandort Österreich und für die Sicherung von Arbeitsplätzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich verstehe schon, es ist eben schwierig, diese größte steuerliche Entlastung der Zweiten Republik zu kritisieren und auch zu argumentieren, warum man dieser steuerlichen Entlastung nicht zustimmen möchte und nicht zustimmen kann. Herr Matznetter hat sich auch sehr schwer getan. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.) – Passt das, Herr Kollege Puswald? Gott sei Dank, dass ich auch einmal Ihre Zu­stimmung habe. – Kollege Matznetter hat sich auch sehr schwer getan, denn seine Vorschläge und Meinungen sind ja auch sehr interessant. Da gab es ja immer wieder einen Schwenk. Wenn er heute hier wieder die Senkung der Körperschaftsteuer auf 25 Prozent kritisiert hat, dann frage ich mich beispielsweise, ob er seine eigenen


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Anträge kennt. Und ich muss das hier heute noch einmal sagen, da gibt es zum Beispiel einen Entschließungsantrag ... (Abg. Dr. Puswald: Die Steuerreform ist ein Ganzes!)

Kollege Puswald, vielleicht hast du das auch nicht gelesen – aha, nein. Es ist schade, dass ihr eure eigenen Entschließungsanträge nicht kennt, dabei ist das noch gar nicht so lange her: 22. Jänner 2003. (Abg. Dr. Puswald: Alles lesen!) Ja, alles lesen! Richtig! Aber es reicht mir, wenn ich hier lese, dass man im Bereich der Unter­nehmensbesteuerung die Beseitigung von Wettbewerbsnachteilen untersuchen und eine Absenkung des nominellen Steuersatzes der Körperschaftsteuer auf 25 Prozent anstreben soll. (Rufe bei den Freiheitlichen: Oh! Hört, hört!)

Herr Kollege Puswald! Herr Kollege Matznetter! Das waren eure Anträge 2003 – und jetzt stimmt ihr dagegen, weil wir das machen. (Abg. Walch: Nichts wissen, was machen!) Und es ist eine sinnvolle Maßnahme, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, gerade jetzt, da wir seit wenigen Tagen die erweiterte Europäische Union haben mit den Wettbewerbsnachteilen, die manche Länder durch die hohen Unternehmenssteuern haben (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Puswald und Dr. Matznetter), mit dieser Absenkung den Wirtschaftsstandort Österreich auf Dauer zu sichern. Das können Sie halt nicht zugeben, Herr Matznetter – aber das ist Ihr Problem. Kommen Sie aber nicht hier heraus und versuchen Sie hier nicht, Glaub­würdigkeit vorzutäuschen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Maßnahme wirkt ja schon! Ich verweise in diesem Zusammenhang nur auf Ihr Vorzeigeland Deutschland – ich weiß schon, Sie wollen jetzt diesen Vergleich nicht mehr so gerne. Ich möchte auch diesen Vergleich gar nicht anstellen, denn wir haben uns mit niemand anderem zu vergleichen. Wir sind stolz darauf, dass es uns in Österreich gelungen ist, diese größte Steuersenkung durchzuführen, dass wir den Wirtschaftsstandort sichern und trotzdem das Budgetdefizit nicht ausufern lassen, so wie Ihre Vorbilder Rot-Grün in Deutschland. Deshalb ist es kein Zufall, dass der „Economist“ sagt: Deutsche Firmen stürmen Österreich. Das ist so, weil sie hier eben bessere Standortbedingungen vorfinden als im eigenen Land. (Neuerlicher Zwischen­ruf des Abg. Dr. Matznetter. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Es ist doch eine tolle Sache, dass wir keine Abwanderung zu verzeichnen haben – das, was Sie uns hier immer wieder weiszumachen versuchen –, sondern dass jetzt Unternehmungen aus dem Ausland nach Österreich kommen und hier mit öster­reichischen Arbeitsplätzen und Arbeitskräften entsprechend produzieren und wirt­schaftliche Handlungen betreiben. Das ist doch positiv, das sollten Sie doch endlich zur Kenntnis nehmen, noch dazu, wo Sie doch selbst diese Anträge eingebracht haben.

Ich verstehe schon, meine Damen und Herren von der SPÖ, dass Sie da mit der Kritik ein Problem haben, denn eines haben wir nicht gemacht, und dazu stehen wir auch: Wir haben keine Gegenfinanzierungen umgesetzt, so wie Sie das auch einmal verlangt haben. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.) Keine Gegenfinanzierun­gen ...

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Puswald, jetzt ist das Kontingent an Zwischen­rufen für einen Redner nahezu ausgeschöpft, sage ich einmal! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Na endlich reagiert der Präsident!)

Bitte setzen Sie fort, Herr Abgeordneter Scheibner!

 


Abgeordneter Herbert Scheibner (fortsetzend): Herr Präsident, das macht überhaupt nichts! Ich finde diese Zwischenrufe, die man zwar nur selten versteht, weil Kollege Puswald leider so weit hinten sitzt, durchaus befruchtend, aber wenn er sie deutlicher bringen könnte, dann könnte ich auch noch besser darauf eingehen. (Abg. Dr. Partik-


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Pablé: Ein Hinterbänkler ist das!) Das ist eben der Diskurs. Ich denke, ich halte das aus, Kollege Puswald. Aber wenn du dann auch noch erklärst, warum du jetzt einer Maßnahme nicht die Zustimmung gibst, die du selbst in einem Entschließungsantrag verlangt hast, dann kommen wir vielleicht noch in einen besseren, objektiveren Diskurs. (Abg. Mag. Molterer: Das kann er nicht!)

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Wir machen das nicht, was Sie vorgeschlagen und gefordert haben, nämlich Gegenfinanzierungen etwa auch durch steuerliche Belastungen anzusetzen. Sagen Sie jetzt nicht wieder, das hätten Sie nicht getan, denn Sie bereiten sich ja auf die nächste Regierungsbeteiligung vor. Ihren Optimismus in Ehren, aber vor den Plänen, die Sie hier verankert und vorgeschlagen haben, werden und müssen wir die Österreicher schützen, denn in Ihren Steuer­konzepten, meine Damen und Herren ... (Zwischenruf des Abg. Parnigoni.)

Kollege Parnigoni, hast du das auch nicht gelesen, was ihr hier fabriziert habt? Darin ist ja einiges enthalten: Entfall der Steuerbegünstigung von Sonderzahlungen wie zum Beispiel Urlaubs- und Weihnachtsgeld und der Abfertigung, meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Mainoni: Volle Besteuerung!) – „Wunderbar“! Da werden sich die Öster­reicherinnen und Österreicher freuen, wenn eine künftige SPÖ-Regierungspartei die privilegierte Besteuerung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes in Frage stellt. – Weiters: Entfall der Steuerbegünstigung der ersten fünf Überstunden – nach dem Konzept der Sozialdemokratie – und eine Erhöhung der Grundsteuer und der Erb­schaftssteuer, meine Damen und Herren! Das sind die Vorschläge Ihrer Arbeitsgruppe, die für ein neues Regierungsprogramm unter Ihrer Vorsitzführung eingerichtet worden ist, und die Kollege Gusenbauer hier noch begrüßt. Er sagt, er freue sich darauf, dass diese Vorschläge konkretisiert und auch politisch umgesetzt werden.

Nein, meine Damen und Herren! Solange wir in der österreichischen Bundesregierung die Möglichkeit haben, für Österreich zu arbeiten, werden wir verhindern, dass Ihre Steuererhöhungen, Ihre Steuerbelastungen in die Realität umgesetzt werden. Da können Sie sicher sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Matznetter! Ich weiß schon, jetzt distanzieren Sie sich wieder von den eigenen Papieren. (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Dr. Matznetter. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Das sind wörtliche Zitate aus Ihren Papieren gewesen. Herr Kollege Matznetter, Sie haben auch gesagt, diese steuerliche Entlastung, das sei ja nichts, das seien ja bei den meisten nur 2 € im Monat. – Bei Ihnen vielleicht, denn bei den Höchsteinkommensbeziehern ist die steuerliche Entlastung eben gering, das aber ganz bewusst.

Herr Kollege Matznetter! Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Warum stimmen Sie heute nicht zu, dass etwa ein Alleinerzieher mit einem Kind 638 € im Jahr weniger Steuer zahlen wird? Warum sind Sie dagegen, Herr Kollege Matznetter, dass ein allein stehender Pensionist in Zukunft um 644 € im Jahr weniger Steuer bezahlen wird? Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Warum stimmen Sie heute dagegen, dass eine Alleinerzieherin mit zwei Kindern in Zukunft 876 € weniger Steuer bezahlen wird? Das werden Sie den Wählerinnen und Wählern berichten und erklären müssen, wie Sie sich hier und heute bei der Abstimmung verhalten haben. Wir stehen dazu!

Budgetdisziplin – das ist keine Frage –, aber dabei auch Entlastungen für die Steuer­zahler umsetzen, für die Infrastruktur, für die Forschung zusätzliche Potentiale mobilisieren, so wie wir das gemacht haben, und durch die Senkung der Körperschaft­steuer auch die Zukunft für den Wirtschaftsstandort Österreich garantieren, das ist die


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beste Voraussetzung für gute Arbeitsplätze und ein gutes Wirtschaftswachstum und damit auch für Wohlstand in Österreich.

Sie sind dagegen – ist in Ordnung. Aber in Österreich gibt es Gott sei Dank eine Mehrheit von Freiheitlichen und Österreichischer Volkspartei, und wir werden die Österreicher auch in Zukunft vor Ihren Steuerkonzepten schützen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Nicht mehr lange!)

12.12

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir haben jetzt vier Wortmeldungen zu je 5 Minuten. Ich bitte, die Redezeit genau einzuhalten, denn dann geht sich das bis 13 Uhr einiger­maßen aus.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Broukal. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


12.12

Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Klubobmann Scheibner, ich verstehe, dass Sie und die anderen Redner der ÖVP und der FPÖ diesen Vormittag nützen, um das, was in dieser Steuer­reform Ihrer Ansicht nach Gutes drinnen ist, so gut es geht darzustellen. Die größte Steuerreform aller Zeiten ist sie nicht. Das sind schöne Worte, das ist ein schöner Begriff – geboren vom Nutznießer der teuersten Homepage aller Zeiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Homepage, die übrigens völlig steuerfrei finanziert wurde, auf Grund sehr eigen­williger Ansichten über die österreichischen Steuergesetze: sozusagen eine ganz private Steuerreform neben der, die Sie heute hier für den Finanzminister beschließen wollen, von der jeder andere in Österreich nur träumen kann. Und in der Tat können viele Menschen nur davon träumen, von Ihrer Steuerreform etwas zu haben, und von diesen Menschen möchte ich Ihnen heute erzählen.

Mehr als 2 Millionen Menschen in unserem Land sind so arm, dass sie als Pensionist oder auch als Arbeiter, Angestellte, als Bauer oder Bäuerin keine Steuer zu zahlen brauchen. Diese Menschen haben von der Steuerreform nichts, obwohl auch sie – und das ist das, was Sie falsch dargestellt haben, Herr Molterer und Herr Stummvoll – in den letzten Jahren immer mehr Steuer bezahlen müssen. (Abg. Mag. Molterer eine Tafel in die Höhe haltend –: Schuster, bleib bei deinem Leisten!) Wer hat denn die Energiesteuern erhöht? Wer war denn das? – Sie waren es! Und die bezahlen die Reichen genauso wie die Armen. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Wer hungert denn die Länder und Gemeinden aus, sodass diese gezwungen sind, die Gebühren für die Müllabfuhr, für die Straßenreinigung und für andere Dinge ständig zu erhöhen? (Beifall bei der SPÖ. – Heftige Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es zahlen also auch die Menschen, denen Sie keine Lohnsteuer wegnehmen, durch Ihre Politik immer mehr Steuern. Und das finde ich „super“: Auf der Bühne einigen ein bisschen etwas unter Applaus zurückgeben und hinter der Bühne allen Menschen etwas wegnehmen, besonders denen, die sich nicht wehren können. (Abg. Rädler: Wenn er doch nur ORF-Journalist geblieben wäre!)

Dazu kommt noch eines: Wer wenig Geld hat in Österreich, der spürt die Teuerung besonders stark. Er oder sie lebt sozusagen in einem Land, in dem es jedes Jahr an die 3 Prozent Teuerung gibt, und das seit vielen Jahren. (Bundeskanzler Dr. Schüs­sel: Woher nehmen Sie das?) Ich erkläre es Ihnen gleich, Herr Bundeskanzler!

Es sind Hunderttausende, wenn nicht Millionen Menschen und es sind genau jene Menschen, die Sie bei Ihrer so genannten Steuerreform vergessen haben. Der Herr


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Bundeskanzler und der Herr Finanzminister glauben mir nicht, das verstehe ich. Aber vielleicht glauben die beiden Herren der Statistik Austria, die am 21. Jänner 2004 Folgendes gesagt hat: Nun ist statistisch bewiesen, was viele Österreicher seit vier Jahren – seit dem Jahr 2000 – beobachten. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist der Euro!) Die Preise für einen etwas größeren täglichen Einkauf steigen stärker als die allgemeinen Verbraucherpreise. Eine Sonderauswertung der Statistik Austria für einen Mikro-Warenkorb, der alles enthält, was man für einen Tag zum Leben braucht – Nahrungsmittel, Kaffee, Zeitung –, zeigt, dass die Teuerung hier – und jetzt bitte aufpassen! – bis zu doppelt so hoch liegt wie die Gesamtinflation.

Meine Damen und Herren! Doppelt so hoch, also im Jahr 2003 beispielsweise 2,7 Prozent. Und das bedeutet für all jene Menschen in diesem Land, deren Geld, eine kleine Pension oder ein kleines Arbeitseinkommen, zu nicht mehr reicht als für die Aus­gaben fürs tägliche Leben, dass sie in einer Welt mit drei Prozent Teuerung leben. Und was geben Sie ihnen bei der Steuerreform als Ausgleich dafür? Nichts! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber es gibt dafür andere, die haben sehr viel von dieser Steuerreform; wir haben von ihnen in Inseraten gelesen, etwa Herr Claus Raidl oder Herr Peter Mitterbauer oder auch Siegfried Wolf, vom Herrn Bundeskanzler hier im Hause auch schon liebevoll Sigi Wolf genannt. (Abg. Mag. Molterer: Pepi Broukal!) Sie alle haben uns in ihren In­seraten erzählt: Weniger Steuern, mehr zum Leben! – Und so ist es: Für die Millionäre und für die großen Unternehmen sorgt die ÖVP bei ihrer Steuerreform – die kleinen Leute schauen durch die Finger. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Khol: Klassenkampf-Rhetorik! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Felzmann, wir beide wissen sehr wohl, wovon ich rede, wenn ich Ihnen jetzt noch einmal in Erinnerung rufe, dass Sie heuer für die Besitzer, die Eigentümer von Per­sonengesellschaften schon ein Steuerprivileg der Sonderklasse geschaffen haben: Halbsteuersatz für die ersten 100 000 € nicht entnommenen Gewinn. Das heißt: Jemand wie Sie oder ich, dem es beruflich so gut geht, dass er das Geld, das er in der Firma verdient, gar nicht braucht, um die Firma zu erhalten oder davon zu leben, der lässt es am Firmenkonto und zahlt nicht 50 Prozent Einkommensteuer wie jeder Arbeiter, Angestellte, Beamte oder Bauer, sondern nur 25 Prozent. Und damit dieses Privileg gleich ein ordentliches Privileg ist, können wir dann im nächsten Jahr diese Firma stilllegen, können die Steuerersparnis lukrieren und gründen die nächste. (Abg. Rädler: Das ist reiner Sozialismus!) Ein Steuerprivileg der Sonderklasse für 120 000 Unternehmer! Kosten: 300 Millionen € im Jahr. – Dafür haben Sie das Geld. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

 


Abgeordneter Josef Broukal (fortsetzend): Pensionisten, Bauern können von solcher Großzügigkeit nur träumen. Aber sie wird kommen, wenn wir wieder imstande sein werden, eine ordentliche Steuerreform durchzuführen. – Danke. (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie Beifall der Abg. Dr. Gabriela Moser.)

12.12

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Neugebauer. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


12.18

Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Herr Präsident! Mitglieder der Bundes­regierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich zitiere das „Morgenjournal“ des heu­tigen Tages:


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Im Nationalrat wird heute viel gestritten werden. Sozialdemokraten und Grüne werden die Steuerreform kritisieren. Die Koalitionspartner werden die Leistung der Steuer­reform herausstreichen, und mit den Stimmen der ÖVP und der FPÖ wird die Reform 2005 schließlich beschlossen werden. – Zitatende.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn dem nach der Debatte bei der Abstimmung wirklich so sein sollte, dann halte ich fest, dass die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion sich gegen eine Steuerentlastung und gegen die Sicherung der Arbeitsplätze aussprechen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In diesem Zusammenhang hätte mich ein Redebeitrag des sicher gerechtfertigt abwesenden Kollegen Fritz Verzetnitsch interessiert. Liebe Freunde! Kollege Dr. Matz­netter hat in diesem Zusammenhang von Geschenken gesprochen. Herr Kollege, ich lade dich ein, etwas sensibler damit umzugehen, denn wenn mit den Reformen 2004 und 2005 3 Milliarden € brutto bewegt werden, dann ist das deswegen möglich – und dies trotz der notwendigen Budgetkonsolidierung –, weil die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Wirtschaftstreibenden in diesem Lande dieses Volumen erar­beitet haben. Und das ist kein Geschenk, sondern das geben wir ihnen auch gerechtfertigt zurück. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Reform des Einkommen- und Lohnsteuertarifes, eine Entlastung je nach Ein­kommen zwischen 160 und 720 € im Jahr ist ein Anliegen der Arbeitnehmer. Das wird durchgesetzt.

Es war uns ein Anliegen, Alleinverdiener, Alleinerzieher zu stärken. – Das kommt im Familienpaket!

Es ist uns ein Anliegen, das Pendlerpauschale anzuheben. – Das kommt in diesem Paket!

All jene, die sich zu einer anerkannten Religionsgemeinschaft bekennen und dort Beiträge leisten, werden entsprechend besser gestellt.

Und in der Frage der KöSt registriere ich bei den bisherigen Beiträgen, lieber Kollege Parnigoni, dass offensichtlich die Trennschärfe zwischen dem Begriff „Unternehmer“ und dem Begriff „Unternehmen“ nicht wirklich ausgereift ist. In Ihrer klassen­kämpferischen Diktion schlagen Sie die Unternehmer! (Abg. Parnigoni: Geh, bitte!) Mir sind arbeitsplatzsichernde Unternehmen wichtig im Sinne der Arbeitnehmer, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Wichtigkeit der Standortfrage lässt sich leicht erkennen, wenn man die Körper­schaftsteuer in den soeben beigetretenen Nachbarländern ansieht. Es ist darüber hinaus auch wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen, den Standort zu sichern, denn wenn in einer Region ein großer Betrieb den Bach hinuntergeht, dann ist das für Hunderte ein trauriger Anlass, aber er zieht viele kleine und mittlere Betriebe ebenso mit. Daher ist die Standortfrage für die Beschäftigung und für unsere Arbeitnehmer wichtig. (Beifall bei der ÖVP.)

Dass einerseits manche Kolleginnen und Kollegen bisher in Ihrer Fraktion sagen, es ist alles zu wenig, und die anderen meinen, das Budget ufert aus, diesen Spagat müssen Sie mit sich selbst ausmachen. (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Dr. Cap hat mit Recht eingefordert: Wenn zitieren, dann vollständig! – Da bin ich bei Ihnen, Herr geschäftsführender Klub­ob­mann. „Salzburger Nachrichten“ vom 6. Mai: 

„Androsch vermisst einen wirtschaftspolitischen Beitrag der Sozialpartner und geht auch mit der eigenen Partei scharf ins Gericht. SPÖ-Vorsitzendem Alfred Gusenbauer habe er gesagt,“ – Anführungszeichen – „,ich verstehe, dass man einige Zeit von der


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berechtigten Unzufriedenheit der Menschen lebt, aber irgendwann muss man auch das Geheimnis der Alternativen lüften‘“. – Anführungszeichen oben, Punkt. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Und zur spannenden Frage nach dem großen Wurf – eine Zeitung hat gestern „Top oder Flop“ getitelt – im Folgenden ein Zitat:

Ob es sich bei dem Reformwerk tatsächlich, wie angekündigt, um die größte Steuer­reform der Geschichte seit 1945 handelt, kann man mit Ja beantworten. Frühere Steuerreformen haben nämlich zum Teil nicht unbeträchtliche Gegenfinanzierungen gehabt. Bei dieser hat man darauf verzichtet, und damit ist sie vom Volumen her jedenfalls die größte der Zweiten Republik. – Zitatende. (Abg. Parnigoni: Sie haben das schon vorher gemacht! Sie haben schon Jahre vorher der Bevölkerung das Geld aus der Tasche gezogen!)

Das sagt jener, der das mit der Beamtenschaft – der ich sehr zu Dank verpflichtet bin, die eine hohe Leistung erbracht hat – in einer hervorragenden Zusammenarbeit und Kooperation mit dem politischen Willen umgesetzt hat, das sagt der Leiter der Sektion IV des Finanzministeriums, Dr. Wolfgang Nolz. Und auch auf diese Leistung können wir stolz sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.23

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Birgit Wein­zinger. – Bitte, Frau Kollegin. (Ruf: Brigid!) Brigid Weinzinger. (Abg. Großruck: Da müsste sich der Kollege Van der Bellen schon wieder beschweren, wenn er kon­sequent wäre!)

 


12.24

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Mit dieser Steuerreform beweist die Regierung, falls es denn dieses Beweises noch bedurft hätte, dass diese Republik linke Emanzen braucht. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Die Rednerin trägt ein rosa T-Shirt mit der Aufschrift „Linke Emanze“.)

Mit „linken Emanzen“ meine ich Frauen, die einfach selbstbewusst einfordern, was ihnen zusteht, nämlich gleiche Vorteile wie die Männer, gleiche Behandlung wie die Männer, gleiche Macht wie die Männer, auch gleiche Steuervorteile in einer Steuer­reform wie die Männer. (Abg. Großruck: Gleiche Chancen wie die Männer!) Ich verstehe darunter Frauen, die sich für gemeinsame Interessen von Frauen engagieren und dafür eintreten, sei es in einer Pensionsreform, die von der Bundesregierung frauenfeindlich ausgestaltet wurde, sei es bei einer Steuerreform, die die Bundes­regierung als Männerbegünstigungsaktion missversteht, oder sei es, wenn es darum geht, sich dagegen zu wehren, in ein enges Rollenbild eingeschränkt und eingeklemmt zu werden, wie das die schwarz-blaue Bundesregierung macht. Das verstehe nämlich ich unter Frauensolidarität. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich glaube, dass es ganz, ganz viele Frauen in Österreich gibt, die zu dieser Frauen­solidarität stehen, die das praktizieren, dass es auch einige Männer gibt, die sich mit Frauen solidarisch erklären, nur dass wir in der Regierung danach vergeblich suchen, dass dort eine Frauensolidarität spärlich gestreut ist und sich dort, wo sie vielleicht in Ansätzen vorhanden sein mag, jedenfalls nicht durchsetzt. Ich bedauere jedenfalls zutiefst, dass ausgerechnet eine Frauenministerin ihre Stimme nicht erhebt, um Fraueninteressen zu vertreten (Abg. Steibl: Das haben die Grünen gezeigt, das hat die Kollegin Prammer gezeigt, was sie von Frauensolidarität halten!), sondern ihre Stimme erhebt, um die frauenfeindliche Politik ihres Bundeskanzlers zu verteidigen. Das verstehe ich nicht unter Frauensolidarität. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


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Vielleicht noch ganz kurz zu diesem Frauenbild und Rollenmodell, das uns die Regierung anbietet, weil das so schön zum Ausdruck kommt mit den Blümchen, die heute verteilt wurden: Erstens einmal sind es Vergissmeinnicht – in der Sprache der Blumen die Aufforderung zur Bescheidenheit und zum unauffälligen Leben. Ist es das, was Sie den Frauen sagen wollen? (Abg. Großruck: Aber nein! Das ist Ihre Inter­pretation!)

Zweitens gibt es ein Zettelchen dazu, das die FPÖ mit verteilt hat, das mir wirklich zu denken gibt. Da steht drauf: „Wir denken am Muttertag an alle Frauen“. – Also erstens einmal sehe ich das hier herinnen nicht ganz so, und zweitens rätsle ich seit einiger Zeit, ob Vizekanzler Gorbach jetzt unter die Kategorie „Mutter“ oder unter die Kategorie „Frau“ fällt. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Jedenfalls aber halte ich das für eine Botschaft, die einigermaßen skurril ist. Wenn Sie an alle Frauen und die gesellschaftliche Leistung, die wirtschaftliche Leistung der Frauen, die wissenschaftliche und wirtschaftliche Leistung der Frauen denken wollen, gibt es mindestens 365 Tage im Jahr, an denen Sie das tun könnten; und wenn Sie es nur an einem Tag machen wollen, bietet sich der Internationale Frauentag dafür irgendwie an. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Was haben Sie gegen den Muttertag? Haben Sie etwas gegen den Muttertag, Frau Kollegin?)

Ich würde durchaus dafür plädieren, den Muttertag den besonderen Leistungen der Mütter in der Gesellschaft zu reservieren und ihnen diesen besonders zu widmen und nicht wieder zu vermantschen, es sei denn, Ihre Botschaft meint mit dem Vergiss­meinnicht dazu: Liebe Frauen, wenn ihr noch nicht Mütter seid, habt ihr euren Bestimmungszweck verfehlt. Vergesst nicht darauf, Kinder zu bekommen! – War es das, was Sie sagen wollten? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist wirklich nicht anzu­hören!)

Die einzige andere Interpretation, die es zu den Vergissmeinnicht heute noch gibt, wäre, dass das die selbstkritische Eigeneinschätzung der FPÖ zur österreichischen Parteienlandschaft ist: ein paar spärliche blaue Blüten im üppigen Grün! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Worauf Sie jedenfalls vergessen haben, sind die Fraueninteressen in der Steuerreform. Wir haben eine Unmenge an Frauen, die so wenig verdienen, dass sie sowieso schon keine Steuer zahlen, und die keine Entlastung von Ihnen bekommen in dieser Steuer­reform. Ganz im Gegenteil! Sie machen eine lineare Tarifreform. Wir wissen – nicht zuletzt auf Grund von Studien des Finanzministeriums –, dass Männer davon über­proportional profitieren. Es gibt Absetzbeträge – etwa das Pendlerpauschale –, von denen wir wissen, dass Männer überdurchschnittlich davon profitieren. Und es gibt ein so genanntes Familienpaket, mit dem Sie den Alleinverdienerabsetzbetrag um einen Kinderzuschlag erhöhen. De facto heißt das in Ihrem Rollenmodell: Wir geben Männern mehr Geld, wenn sie es schaffen, dass ihre Frau zu Hause bleibt und sich um Kinder, den Mann und den Haushalt kümmert. (Abg. Steibl: Da schauen Sie her! – Die Abgeordneten Steibl und Mag. Molterer halten Plakate in die Höhe, auf denen Berechnungen zur Steuerreform aufgelistet sind.) – Ist das Ihr zukunftsorientiertes Familienmodell? – Nein, danke! Es kann jedenfalls nicht Ihre Frauenpolitik sein. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Zu fordern wäre ein Frauenpaket in Ihrer Steuerreform und die gleiche Berück­sichtigung von Männern und Frauen, denn diese Steuerreform kann im Unterschied zu den Blümchen durchaus vergessen werden. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.29


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Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Bevor Herr Abgeordneter Bucher als nächster Redner das Wort ergreift, darf ich bekannt geben, dass die Abgeordneten Dr. Kräuter, Kollegin­nen und Kollegen gemäß § 33 der Geschäftsordnung den Antrag eingebracht haben, einen Untersuchungsausschuss betreffend Aufklärungen im Zusammenhang mit der Anschaffung von Kampfflugzeugen einzusetzen.

Es liegt darüber hinaus das von fünf Abgeordneten geschäftsordnungsgemäß gestellte Verlangen vor, über diesen Antrag eine Debatte durchzuführen.

Nach § 33 Abs. 2 finden die Debatte und die Abstimmung über diesen Antrag nach Erledigung der heutigen Tagesordnung statt.

*****

Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Bucher. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


12.30

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohe Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht nur einen kurzen Satz zu Ihnen, Frau Weinzinger, weil es doch sehr bemerkenswert war, dass Sie eigentlich zur Steuerreform sehr wenig sagen konnten und Ihnen der Ausflug in die Botanik wichtiger war. (Abg. Scheibner: Eine Blümchen-Rede!) Ich sage Ihnen, für uns sind die Mütter ein sehr wichtiger Bestandteil der Bevölkerung. (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.) Daher war es für uns sehr entscheidend, diesen Muttertag auch zu würdigen, und daher diese nette Geste von uns am heutigen Tag. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Was die Frauen im Speziellen betrifft, setzen wir mit der Anhebung des Allein­erzieher­absetzbetrages doch einen sehr wichtigen, markanten Beitrag für die Mütter in un­serem Land.

Herr Kollege Broukal, weil Sie angeführt haben, dass beispielsweise die steuerlichen Abgaben und Gebühren bei den Gemeinden in den letzten Jahren erhöht wurden, frage ich mich schon, warum beispielsweise Wien diesem Beispiel auch so in dieser großen Art und Weise gefolgt ist und etwa 800 Millionen € Überschuss pro Jahr bei den Abgaben für Kanalisation und Abwasser erzielt. Von der Europäischen Union wurde Wien sogar gerügt für diese steuerlichen Maßnahmen, die es hier gesetzt hat. Also wenn Sie dieses Beispiel heranziehen, dann beachten Sie auch, dass hier Wien nicht mit jener Genauigkeit und Sorgfalt vorgeht, wie das eigentlich üblich wäre.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vom Herrn Kollegen Cap habe ich heute ein wenig das Gefühl vermittelt bekommen, dass Österreich eine in sich und nach außen autarke Volkswirtschaft ist, die mit den Nachbarländern überhaupt nicht durch Importe und Exporte verbunden ist, denn Sie haben gerade so getan, als ob wir Politiker und auch hier das Hohe Haus in der Lage wären, für Wachstum und Beschäftigung die alleinige Verantwortung zu tragen. Also ich darf Ihnen schon sagen, dass Österreich nicht eine Insel der Seligen ist, sondern dass wir die Rahmenbedingungen so setzen müssen, dass die Wirtschaft eine prosperierende Entwicklung nehmen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Beachten Sie bitte auch, dass eine enorme weltwirtschaftliche Umschwungphase auf uns zukommt und dass wir in der Europäischen Union gut beraten sind, für Auf­schwung selbst zu sorgen. Sie wissen, dass es bei den Vereinigten Staaten von Amerika in nächster Zukunft zu erheblichen Veränderungen kommen wird. Dort hat


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durch Deviseninterventionen von Japan und China der Dollar einen sehr hohen Wert, der nicht gerechtfertigt ist. Es wird daher der Verbrauchermarkt in Amerika in nächster Zukunft zurückgehen, und es werden die Exporte einbrechen. Wir haben in Europa durch die Exporte sehr stark profitiert. Das wird sich in nächster Zukunft verändern. Daher ist es wichtig, dass die europäischen Mitgliedstaaten Vorkehrungen und Maßnahmen treffen, damit hier auch Wachstum in nächster Zukunft möglich gemacht wird.

Mit dieser Steuerreform, mit dieser Steuersenkungsreform, die wir heute besprechen, diskutieren und auch beschließen, wird ein Meilenstein der österreichischen Finanzpolitik gesetzt, der es der Wirtschaft erleichtert, die Rahmenbedingungen so auszunützen, dass es zu Expansionen kommt.

Herr Kollege Matznetter, Sie haben gesagt, dass uns die alte Bundesregierung unter Finanzminister Edlinger ein Wachstum hinterlassen hat. Da muss ich Ihnen Recht geben, aber das Wachstum war ein Schuldenwachstum, denn Sie haben innerhalb von nur zwei Jahren, von 1997 bis 1999, das Defizit auf 2,3 Prozent ansteigen lassen. Wir waren damals im Jahr 1999 das am schlechtesten dastehende europäische Mitglieds­land, meine sehr geehrten Damen und Herren. Sie haben uns 130 Milliarden € an Schulden hinterlassen, und wir zahlen heute noch jährlich 7 Milliarden € rein nur an Zinsen, was unseren Spielraum enorm einengt. Also wenn Sie da von einem Wachs­tum sprechen, das Sie produziert haben, dann ist das schlichtweg falsch. (Abg. Dr. Matznetter hält eine Graphik in die Höhe.)

Wir sind heute in der Situation, dass wir von einem Nachzugsschüler zu einem Musterschüler geworden sind. Wenn Sie den internationalen Vergleich hernehmen, wie er vor zwei Tagen beispielsweise im „WirtschaftsBlatt“ sehr gut herausgekommen ist, dann liegt Österreich an 13. Stelle, international gemessen, mit den USA an vorderster Front. Die Schweiz liegt hinter uns, Deutschland an 21. Stelle und Frankreich an 30. Stelle.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Summe wird dieses Steuerentlastungs­paket eine ausgewogene Entlastung für die Wirtschaft und für die Beschäftigten darstellen. Es wird langfristig ein Wachstum in der Größenordung von 0,7 Prozent real in Aussicht gestellt, und es werden dadurch zusätzlich in etwa 12 000 Arbeitsplätze in Österreich möglich gemacht. Es ist dies eine Sternstunde der Fleißigen und Tüchtigen (ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen), es ist dies eine Sternstunde für die Familienerhalter, für die kleinen und mittleren Unternehmen und für die Kleinverdiener. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.35

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren, wir haben jetzt noch 25 Mi­nuten. 10 Minuten Vizekanzler und viermal 5 Minuten würden sich nicht aus­gehen. 9 Minuten Vizekanzler und viermal 4 Minuten – 16 plus 9 ist 25 – würde pas­sen, wenn es exakt eingehalten wird.

Gibt es Einwendungen dagegen? – Das ist nicht der Fall.

Bitte, Herr Vizekanzler.

 


12.35

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Herr Finanzminister! Herr Staatssekretär! Diese tolle Steuerreform kann man als Vizekanzler und Infrastrukturminister auch in 9 Minuten sehr gut erklären, das soll kein Problem sein.


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Lassen Sie mich dort beginnen, wo mein Vorredner aufgehört hat. Kollege Abgeord­neter Bucher hat einen kleinen Rückblick in die Vergangenheit gemacht, einen für einen Teil dieses Hohen Hauses natürlich unangenehmen Rückblick, das ist mir schon klar, aber gesagt werden muss einfach, dass im Jahr 2000, als wir die Regierungs­verantwortung übernommen haben, das Budgetdefizit, das Österreich hatte, auf dem vorletzten Platz der damaligen EU-Mitgliedsländer lag.

Wir lagen also auf dem vorletzten Platz. Das war nicht so lustig, deshalb hatten wir als Erstes einmal vor, das Budget zu sanieren. Es ist auch heute noch eine wichtige Aufgabe, das Budget zu sanieren und zu stabilisieren, und mit den bisherigen Maß­nahmen haben wir heute auch schon über die Hälfte der EU-Mitgliedsländer überholt. Wir liegen bereits jetzt, meine Damen und Herren, nach der ersten Etappe der Steuerreform, unter der Abgabenbelastung des Jahres 1999 – damals war sie 44,4 Prozent – und werden nach der nächsten Etappe mit 42,3 Prozent um zwei Pro­zentpunkte unter der Abgabenbelastung des Jahres 1999 liegen.

Meine Damen und Herren! Das Wifo sagt, dass die Steuerreform im nächsten Jahr ein zusätzliches Wachstum des BIP von 0,4 Prozent und im Jahr 2006 von 0,5 Prozent bringen wird. Was bedeutet das? – Das bedeutet Beschäftigung durch die zweite Stufe dieser größten Steuerreform in der Zweiten Republik, Beschäftigung in den Jah­ren 2005 und 2006 in der Größenordnung von 4 000 bis 5 000 Personen. Und das ist aktive Arbeitsmarktpolitik. Das ist nicht nur Entlastung um 4 Milliarden €, inklusive der zwei Konjunkturpakete und des Wachstumspakets, das ist Arbeitsmarktpolitik, das ist Wirtschaftsstandortpolitik, wie sie sich diese Regierung vorgenommen hat und jetzt auch umsetzt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Cap, ich habe es eigentlich sehr unpassend gefunden – nicht, weil ich auch aus der Wirtschaft komme –, dass Sie sich sehr abfällig über einen praktizie­ren­den und noch dazu sehr erfolgreichen Wirtschaftler geäußert haben. Solche Leute würde ich mir mehr wünschen, nicht nur in der Politik – dort auch –, sondern in Österreich und überhaupt in Europa. Leute, die Risiken eingehen, etwas unternehmen und nicht unterlassen, die erfolgreiche Unternehmer sind und keinen Vergleich zu scheuen brauchen, wie Sie ihn mit einem Wirtschaftsberater gemacht haben. Die sind mir auch recht, aber im Zweifelsfall sind mir Entscheidungsgrundlagen, Argumente von einem praktizierenden, erfolgreichen Unternehmer wie Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn allemal lieber als von einem theoretisierenden Wirtschaftsberater, glauben Sie mir das! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Cap, da ich schon dabei bin: Ich habe mich auch darüber geärgert, dass Sie gemeint haben, die Regierung habe mit keinem Ohrwaschl gewackelt (Abg. Dr. Cap: Ohrwaschel!), als man gesehen hat, es gibt Arbeitslosenprobleme, als man gesehen hat, es gibt Verkehrsprobleme und Ähnliches mehr. Na ja, nicht mit dem Ohrwaschl zu wackeln (Abg. Dr. Cap: Ohrwaschel!), das ist vielleicht eine Methode, die Sie von früher her kennen. Aber ich sage Ihnen, in Dresden hat es Beschlüsse gegeben, was die TENs betrifft, die frühere Verkehrsminister ausgehandelt haben, die Ihrer Fraktion angehörig sind. Da waren wir mit einem wichtigen Projekt vertreten, nämlich mit dem Brenner-Basistunnel, mit der Nord-Süd-Verbindung – ich habe gestern schon darüber geredet –; heute sind wir auf Grund guter Verhandlungen mit sechs weiteren TEN-Projekten vertreten, die in Österreich ein kofinanziertes Inves­titionsvolumen von 12,25 Milliarden € bringen werden. – Das ist Politik! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich würde jetzt gerne noch näher auf Ihre Rede eingehen. Ich habe sehr intensiv zugehört, und es ist mir auch aufgefallen, dass Sie einem Kollegen sehr abfällig zugerufen haben: Sie werden dann in Ihrem Wahllokal im Wahlkreis schimpfen müssen, dort hört Sie niemand mehr. – Wissen Sie, wir sind


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eigentlich ganz gerne auch in diesen Wahllokalen, denn dort hört uns der „kleine Mann“, der Wähler. Sie sind schon so abgehoben, dass man Sie dort wirklich nicht mehr hört. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber zur Sache, zur Steuerreform: Meine Damen und Herren! Die Initiativen zeigen bereits deutlich positive Folgen. Österreich – und das sei gesagt – ist für High-Tech-Unternehmen die Nummer drei in der EU hinter Estland und Irland. Das heißt, Österreich ist auch nach der Erweiterung unter den 25 EU-Mitgliedsländern eines der attraktivsten Länder in Europa.

Und diesen Standortvorteil, meine Damen und Herren, werden wir brauchen. Wir wer­den ihn nicht nur halten, sondern ausbauen müssen. Steuerreform war und ist daher ein Gebot der Stunde.

Es ist schön, dass man eine moderne Steuerreform vorweisen kann, die eine Redu­zierung der Körperschaftsteuer einerseits und andererseits die Einführung einer neuen Gruppenbesteuerung bringt. Damit ist klar, dass wir als Wirtschaftsstandort wieder attraktiver denn je sind. Zukunftsorientierte Steuer- und Wirtschaftspolitik nennt man das.

Meine Damen und Herren! Wenn in Ungarn der Steuersatz bei 16 Prozent liegt, in der Slowakei bei 19 Prozent, in Slowenien bei 20 Prozent, wird deutlich, dass diese Regierung etwas getan hat. Sie reagiert auf Dinge, die rund um Österreich passieren, sie agiert in Österreich, weil es notwendig war, der internationalen Entwicklung, was die Arbeitsplatzproblematik betrifft, entgegenzusteuern, und weil es notwendig war, die Kaufkraft zu stärken, weil es notwendig war, den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken, weil es notwendig war, in früheren Jahren Versäumtes endlich umzusetzen.

Sie wissen ganz genau, dass bis Weihnachten vorigen Jahres die großen Steuer­beratungskanzleien zahlreiche Anfragen erhalten hatten, was Verlegungen von Öster­reich in die Slowakei betrifft. Jede Menge! Reden Sie mit den Leuten! Und als wir die Steuerreform verkündet haben, insbesondere den Steuersatz im Bereich der Körper­schaftsteuer in Höhe von 25 Prozent, ist das schlagartig abgerissen. (Abg. Schopf: Stimmt ja nicht!)

Wissen Sie, was das ist? – Das ist Verhindern von Abwanderung von Steuer­ein­nahmen, das ist Verhindern von Abwanderung von Arbeitsplätzen. (Abg. Schopf: Das stimmt ja nicht!) Das ist aktive Arbeitsmarkt- und Arbeitsplatzpolitik, wie sie sich diese schwarz-blaue Regierung vorgenommen hat und jetzt umsetzt. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

Jedenfalls, meine Damen und Herren, wurden damit Tausende von Arbeitsplätzen im Land gehalten – das stimmt, auch wenn Sie noch fünf Mal rufen: Das stimmt nicht. – Das weiß jedes kleine Kind. Es ist eine Politik für unser Land, für unsere Bürger, für unsere Wirtschaft und damit auch für Arbeitsplätze.

Wenn ich immer höre, das sei Politik für wenige Unternehmen, für Großunternehmen à la Thomas Prinzhorn, dann sage ich Ihnen: Vergessen Sie nicht, dass von 88 418 kör­perschaftsteuerpflichtigen Unternehmen 80 Prozent weniger als 20 Mitarbeiter haben und in diesen KMUs 61 Prozent der unselbständig Beschäftigten angestellt sind. Das heißt, diese Steuerreform trifft punktgenau die Beschäftigten, die wir auch erreichen wollten, und ist ein voller Landungserfolg! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Der Herr Finanzminister hat schon gesagt, wie die Zunahmen bei der Austrian Business Agency nach dieser Steuerreform waren, nämlich etwa das Doppelte vom Vergleichszeitraum des Vorjahres. – Bei dieser Gelegenheit darf ich dem Herrn Finanz­minister auch gratulieren – nicht nur zur Steuerreform, wo wir aktiv mitarbeiten durften, sondern auch zum Vorsitz des Gouverneurrates der EBRD-Osteuropabank, einer Bank


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mit 60 Mitgliedsländern und einem österreichischen Vorsitzenden. – Herzliche Gratulation! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich könnte jetzt noch zitieren, welche Fachleute sich positiv über diese Steuerreform geäußert haben, weil die Familien angesprochen werden, weil die Unternehmen angesprochen werden – kleine wie mittlere –, weil die normalen Einkommensbezieher angesprochen werden, mehr die kleinen und mittleren als die anderen, vor allem aber auch, weil die Alleinverdiener, die Alleinerzieher angesprochen werden und weil uns etwas gelungen ist mit dieser Steuerreform: den Wirtschafts­standort Österreich zu verbessern, die Kaufkraft zu verbessern, die Arbeitnehmer zu bedienen, die Familien zu bedienen, die Industrie- und Headquarter-Entscheidungs­träger zu bedienen. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Abschließend: Wir werden erreichen, dass der in Österreich begonnene Weg nach oben, die Aufwärtsentwicklung fortgesetzt wird. Gehen Sie ein Stück mit! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.45

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Bures. Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


12.45

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschus­ses zum Ankauf der Abfangjäger eingebracht, und es ist festzustellen, dass es eine Parallelität auch zu der Diskussion, die wir jetzt führen, gibt: Die Abfangjäger werden 3 Milliarden € kosten, und damit werden völlig sinnlos 3 Milliarden € in die Luft gesetzt. Das ist die Parallelität zu dieser Steuerreform, denn auch hier werden leider 3 Milliar­den € an Steuergeld verpufft. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Auf wie viele Jahre finanziert? Das ist Realitätsverweigerung! – Abg. Scheibner: Auf wie viele Jahre? – Zehn Jahre! Kennen Sie den Unterschied zwischen einem Jahr und zehn Jahren?)

Dieses Geld wird deshalb verpufft, weil es keine Entlastungseffekte geben wird, weil es keine Ankurbelung für die österreichische Wirtschaft geben wird und weil das, was Sie heute hier auf den Tisch legen, leider auch überhaupt keine Auswirkungen auf die Be­schäftigung haben wird, also keine Impulse für den Arbeitsmarkt gesetzt werden. Das ist die verantwortungslose Politik, die Sie betreiben: 3 Milliarden in die Luft zu setzen und zu verpuffen, ohne jeglichen Beschäftigungsimpuls! (Abg. Neudeck: Aber Ihre Rede hat Gott sei Dank auch keine Auswirkungen!)

Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler, Sie sagen, das sei die größte Steuerreform der Zweiten Republik. Das ist nicht die größte Steuerreform der Zweiten Republik! (Abg. Dr. Stummvoll: Die größte Entlastung!) Wissen Sie, was wir in der Zweiten Republik haben? – Die höchste Arbeitslosigkeit haben wir in der Zweiten Republik, und um die kümmern Sie sich überhaupt nicht, weder in dieser Steuerreform noch in einer sons­tigen politischen Maßnahme! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir haben 284 000 Menschen, die keinen Job haben. (Abg. Neudeck: Wie viele sind es in Wien?) Wir haben 800 000 Menschen, die zumindest einmal im Jahr von Arbeits­losigkeit betroffen sind. Das heißt, jeder dritte Beschäftigte ist einmal im Jahr arbeitslos, und das haben Sie zu verantworten! Das ist die falsche Politik, die Sie machen!

Und ich sage Ihnen noch etwas, was mich besonders bestürzt: dass diese Arbeitslosig­keit auch immer weiblicher wird. Ich möchte in diesem Zusammenhang an den gestrigen „Kurier“ erinnern: Arbeitslosigkeit steigt: „Es trifft vor allem Frauen“. – Es sind


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Ihre politischen Maßnahmen, die dazu führen, dass immer mehr Frauen keinen Job haben und damit immer mehr Frauen und Familien armutsgefährdet sind. Das ist die falsche Politik, eine Politik, die Sie zu verantworten haben! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Finanzminister, ich ersuche Sie daher, Ihre siebente Wolke, auf der Sie sich befin­den, zu verlassen und wieder Bodenhaftung zu bekommen, sich wieder mit der Lebensrealität und der Lebenssituation der Menschen zu befassen.

Die ÖVP hat damit ein Problem. Das weiß ich, und das sieht man auch, wenn man sich die Plakatserie der ÖVP anschaut, wo Ihnen zu den Themen Zukunft, Arbeit, Chancen nichts anderes einfällt als Schmarrn, Wurscht und Powidl. Das wundert mich nicht, denn Ihre Politik zeigt ja deutlich, dass Ihnen die Probleme der Menschen völlig Wurscht und „Powidl“ sind, und das ist das Traurige! (Beifall bei der SPÖ.)

Für 40 Prozent der Steuerpflichtigen wird es keinen Cent Entlastung geben, für 80 Pro­zent der Klein- und Mittelbetriebe wird es keinen Cent Entlastung geben. Die Arbeits­losigkeit wird leider weiter steigen. Es wird keinen Entlastungseffekt geben, und leider wird das auch auf das Wirtschaftswachstum hemmend wirken.

Weil die Bevölkerung spürt, dass Sie sich um ihre Interessen überhaupt nicht küm­mern, dass Sie sich weder in Österreich noch in Europa um die Interessen der Menschen kümmern, die uns aber wichtig sind, hat die SPÖ ein Steuerreformmodell eingebracht, das auf dem Tisch liegt, das im Haus liegt, das Sie gerne nachlesen können, wo es um eine Entlastung der kleineren und mittleren Einkommensbezieher und um eine Entlastung der investierenden Betriebe geht. Das wäre der richtige Weg! (Abg. Scheibner: Redezeit einhalten! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glocken­zeichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für Ihre falsche Wirtschaftspolitik und Ihre unsoziale Steuerpolitik werden Sie von den Menschen am 13. Juni zu Recht die Rechnung bekommen, weil Österreich wieder gehört werden muss. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.49

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Grillitsch. – Bitte.

 


12.50

Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Herren der Bundesregierung! Eigentlich wollte ich mich jetzt bei der Bundesregierung bedanken für diese Reformarbeit (Rufe bei der SPÖ: Tun Sie’s!), aber vorerst bedanke ich mich bei den Wählerinnen und Wählern, und zwar dafür, dass sie am 24. Novem­ber 2002 die richtige Wahl getroffen haben, dass sie Weitblick gezeigt haben (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen), denn spätestens seit heute würden sie wissen, dass Sie (in Richtung Oppositionsparteien) es nicht können, meine Damen und Herren. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Ja, die Großbauern!)

Diese Arbeit, die wir heute hier machen, ist in Wahrheit eine Saat: eine Saat, die wir auslegen, um am 1. Jänner 2005 einen Erntedank zu feiern – einen Erntedank für Arbeitnehmer, für Familien und für den Wirtschaftsstandort Österreich. Das ist sozial!

Sie wissen ganz genau: Arbeit schaffen und den Wirtschaftsstandort sichern ist letztlich für die Zukunft ganz, ganz entscheidend.

Diese Steuerreform, meine Damen und Herren, ist ein großer Wurf. 50 Prozent gehen in Richtung Arbeitnehmer und Familien, 50 Prozent werden für die Stärkung des Wirtschaftsstandortes verwendet. Und wir wissen, dass das Investitionsinteresse in Österreich enorm gestiegen ist. Die durchschnittliche Entlastung für den Arbeitnehmer


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beträgt 500 €, die durchschnittliche Entlastung für den Bauern 600 €; die Schaum­wein­steuer fällt weg.

Die Sicherung des Wirtschaftsstandortes, meine Damen und Herren, erläutere ich Ihnen jetzt anhand eines Beispiels. In meiner Heimatregion, Aichfeld-Murboden, gibt es die Papierfabrik Pöls – mit einer unendlichen Geschichte. Dass es Pöls überhaupt noch gibt, ist dem Umstand zu verdanken, dass sich alle politischen Kräfte in dieser Region angestrengt haben, um dieses Werk aufrechtzuerhalten, um Arbeitsplätze in der Region zu sichern.

Was passiert jetzt durch die Senkung der KöSt? Was passiert dadurch? – Weil Sie immer sagen, das ist eine Steuerreform für ein paar Industrielle und ein paar Bauern, für ein paar Traktorfahrer. – Dort werden 300 Arbeitsplätze gesichert, weil der Eigen­tümer die Produktion verdoppelt, weil er dort investiert. Dort werden neue Arbeitsplätze geschaffen, dort erhält die Forstwirtschaft für das Industrieholz zusätzliche Absatzmög­lichkeiten, dort profitiert das Transportgewerbe, dort profitiert der Nahversorger, dort profitiert der Gastwirt, die Wertschöpfung bleibt in der Region.

Insgesamt ist das eine positive Auswirkung für mindestens 5 000 bis 6 000 Menschen in dieser Region, wo Sie jahrzehntelang Verantwortung getragen haben mit Ihrer ver­staatlichten Industrie und wo Sie viele Arbeitsplätze vernichtet haben, meine Damen und Herren. Das ist die Sicherung des Wirtschaftsstandortes, und daher, glaube ich, ist diese Steuerreform absolut ein großer Wurf. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Und: Es gibt keine Erhöhung. Ihr Konzept kennen wir ja: Diskussionen und Vorschläge und Visionen, die Grundsteuer zu erhöhen, die Erbschaftssteuer zu erhöhen, die Schenkungssteuer zu erhöhen. – Wir machen das nicht! Sie werden heute Ihr Gewis­sen prüfen müssen: Stimmen Sie gegen Arbeitsplatzsicherung? Stimmen Sie gegen Entlastung der Familien? Stimmen Sie gegen Entlastung der Pendler? Stimmen Sie gegen die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit in Österreich? Tun Sie das? Wir kennen die Handschrift Ihrer Politik, die gelautet hat, leere Produktionsstätten und möglichst viele Arbeitslose in den Regionen zurückzulassen.

Ich gratuliere der Bundesregierung zu dieser großartigen Steuerreform! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.53

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Sburny. – Bitte.

 


12.53

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bun­desregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Grillitsch, ich kann Ihnen sagen, wogegen wir stimmen werden: Wir werden nämlich gegen eine völlig falsche Umverteilung stimmen, die Sie mit dieser Steuerreform auslösen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie tun das in zwei Bereichen: Sie tun das sowohl bei den unselbständig Erwerbs­tätigen – davon war heute schon öfter die Rede, dass Sie nämlich im untersten Bereich absolut nichts machen, dass genau die, die es am dringendsten brauchen, von dieser Steuerreform überhaupt nicht profitieren –, und Sie tun es ganz genauso bei den Unternehmen, wo Sie – und diese Zahlen sind mir auch wichtig, weil das immer von Ihnen verdreht wird – über 40 Prozent der Unternehmen nicht entlasten. Es werden nämlich – und das sind Ihre eigenen Zahlen – maximal 19,3 Prozent, wenn sie Gewinn haben, von der Senkung der Körperschaftsteuer profitieren und maximal 38 Prozent von der günstigeren Besteuerung der nicht entnommenen Gewinne; das heißt also: Über 40 Prozent – und das sind die kleinen und kleinsten Unternehmen – werden von


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Ihrer Steuerreform überhaupt nichts haben und werden im Gegenzug jede Menge Belastungen haben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich würde auch noch gern ein Wort zur Gruppenbesteuerung sagen, weil das Kollege Prinzhorn, der jetzt, glaube ich, nicht da ist, auch noch einmal aus seiner Sicht an­gezogen hat. Vielleicht denkt er auch einmal daran, selbst wenn er aus seiner Sicht und aus Ihrer Sicht so ein großartiger Wirtschaftstreibender ist, dass er hier als Politiker sitzt.

Kollege Prinzhorn hat gesagt: Die Verlustabschreibung über die Grenzen hat es bisher auch schon gegeben. Verlustabschreibung über die Grenze heißt: Mutterfirma hier macht Gewinn, Tochterfirma im Ausland macht Verlust; kann ich gegenrechnen, zahle ich weniger Steuern. Er hat gesagt: Das konnte ich bis jetzt auch schon. Und da fällt er ganz offensichtlich in einen Passus, der auch in den Erläuterungen des Finanz­minis­teriums zum Gesetz steht. Er gehört offenbar zu denen, wo das Finanzministerium sagt, es wurde in letzter Zeit „verstärkt mit Umgehungsmaßnahmen versucht“ – das steht da drinnen! –, „steuerlich optimale Effekte zu erreichen“. (Abg. Mag. Molterer: Sie unterstellen das dem Prinzhorn! Ich halte das für eine Zumutung!) Und das, was Sie jetzt machen, ist, etwas, was bis jetzt möglich war, nämlich unter Umgehung die Steuer zu verkürzen, jetzt zu legalisieren, mit dem Argument ... (Abg. Scheibner: Was wollen Sie da jetzt sagen?) Ich will damit das sagen, was da drinnen steht: Es haben sehr viele Konzerne bis jetzt versucht, die Steuer zu verkürzen und zu umgehen, mit allen möglichen Konstruktionen. Und weil das so viele tun, werden wir es jetzt legalisie­ren. – Das müssen Sie einmal den Kleinen und den ArbeitnehmerInnen erklären, die zu so etwas überhaupt keine Möglichkeit haben! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Überhaupt kein Anstand mehr!)

Das heißt, wenn Ihr größtes Ziel ist, in Österreich möglichst wenig Steuern einzu­heben – was ja aufs Erste gut klingt, das gebe ich ja zu: die Unternehmen zahlen weniger Steuern (Abg. Mag. Molterer: Frau Sburny! Wo haben Sie Ihren Anstand abgegeben? Das ist unglaublich!) –, dann werden Sie aber in Zukunft auch erklären müssen, woher Sie das Geld nehmen werden für die großen Aufgaben, die uns im Bildungsbereich, im Forschungsbereich und im Gesundheitsbereich bevorstehen, denn dafür werden Sie nämlich Steuereinnahmen brauchen. Und wenn Ihr größtes Ziel ist, möglichst wenig Steuern zu bekommen, werden Sie in diesem zukunftsweisenden Bereich tatsächlich sehr schnell ein Problem bekommen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Entschuldigen Sie sich!)

12.57

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

 


12.57

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Ein sehr bekannter Wirtschafts­journalist in Österreich hat gesagt: Wenn man den Blick über den Tellerrand des eigenen Landes hebt, dann zeigt das sehr schnell, dass wir eigentlich viel besser unterwegs sind, als wir es selbst von uns glauben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich ergänze das, indem ich sage: Wir sind besser, als die Opposition es zugibt. Und bei solchen Diskussionen wie heute frage ich mich immer wieder: Was bezwecken Sie eigentlich damit, dass Sie alles mies machen? Ja, Frau Weinzinger von den Grünen hat sogar nicht einmal gelten lassen, dass wir heute Vergissmeinnicht austeilen, sondern hat auch das noch kritisch betrach­tet! Da sieht man, es ist Ihnen wirklich kein Anlass und keine Gelegenheit zu gering, als dass Sie das nicht mies machen und verteufeln. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Ich frage mich: Was haben Sie davon, wenn Sie die Bevölkerung verunsichern? Herr Cap fragt heute ganz unschuldig: Warum ist die Bevölkerung gegen die Steuer­reform? – Na, ich kann es Ihnen sagen: Weil Sie tagtäglich dagegen Propaganda machen, meine sehr geehrten Damen und Herren, und weil Sie keine Gelegenheit auslassen, die Steuerreform, die eine enorme Entlastung aller Österreicher bringt, mies zu machen, sehr geehrter Herr Abgeordneter Cap! Deshalb ist die Bevölkerung gegen die Steuerreform – was im Übrigen ja gar nicht stimmt.

Es war ja bezeichnend: Als der Finanzminister das Positive dargestellt hat, nämlich dass 43 Prozent der Österreicher keine Steuern zahlen (Ruf bei der SPÖ: Weil sie zu wenig verdienen!), dass durch die Steuerreform eine Entlastung für alle Arbeitnehmer im Ausmaß von 1,5 Milliarden gegeben ist, dass die Wirtschaft mit 1,5 Milliarden profitiert, da haben Sie Zwischenrufe gemacht: „Kalauer“, „Cäsarenwahn“; „obszöner Unsinn“ hat Herr Kogler gesagt. Ja, sagen Sie einmal, haben Sie überhaupt eine sach­liche Beurteilung dieser Steuerreform durchgeführt? – Ich bin überzeugt davon: nein!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Wirtschaftsjournalist sagt auch, es ist kein Zufall, dass sich immer mehr Firmen für einen Standort in Österreich inter­essieren. Für Sie sind alle ausländischen Kommentare in Fachzeitschriften uninteres­sant. Für Sie ist interessant, was „NEWS“ schreibt, denn dort ist man traditionell gegen die blau-schwarze Bundesregierung, gegen diese Wirtschaftspolitik. (Abg. Mag. Kog­ler: Was für Wirtschaftspolitik?) Aber Sie sollten auch zur Kenntnis nehmen, was Fachleute sagen. Die sehen das nämlich mit objektiven Augen und nicht so ten­denziös, wie Sie das tun. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich erkenne immer wieder: Es geht Ihnen nicht um Österreich, sondern es geht Ihnen um Ihre kleinkarierte Oppositionspolitik!

Herr Abgeordneter Cap hat das ja auf den Punkt gebracht, als er gesagt hat, er wünsche sich für diese Regierung einen politischen Denkzettel. (Abg. Dr. Puswald: Das ist auch notwendig! – Ruf bei der SPÖ: Den werden Sie auch bekommen!) Diesem Ziel ordnen Sie auch Ihre gesamte Politik unter, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Das ist unsachlich! Sie von der SPÖ sagen, es gebe keine Investitionsanreize. – Haben Sie denn die Konjunkturbelebungspakete I und II vergessen, die wichtige Anreize gegeben haben, auch für Unternehmer, die keine Gewinne machen: Die krie­gen Beträge bar auf die Hand. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter.)

Noch einen Satz: Wir haben auch wirklich Frauenpolitik gemacht. Das hat mit dem Kindergeld begonnen und wurde mit dem Kinderzuschlag für Alleinverdiener und für Alleinerziehende und auch mit der Negativsteuer fortgesetzt, die von 60 Millionen auf 90 Millionen € erhöht wurde, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Cap: Österreich soll wieder gehört werden, Frau Abgeordnete!) Das hat die SPÖ und haben auch die Grünen nicht zuwege gebracht. (Abg. Dr. Cap: Österreich muss wieder gehört werden! Österreich!)

Sie haben gezeigt, dass nicht Sie die soziale Kompetenz besitzen. Diese Bundes­regierung hat soziale Kompetenz gezeigt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.01

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Moser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: nunmehr 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.01

Abgeordneter Mag. Hans Moser (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Präsident! Da die Fernsehübertragung vorbei ist, kann man sich ja wieder


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mehr an der Sachlichkeit orientieren. (Abg. Scheibner: Ah, ist das bei Ihnen so? – Abg. Neudeck: Jetzt wissen wir, was ihr bisher gemacht habt!)

Gerade bei dem, was Sie vorher gesagt haben, ist Sachvorstand wichtig. Bei der Polemik, die Sie betrieben haben, muss man sich schon die Frage stellen – es wird ja von einer epochalen Steuerreform von 3 Milliarden gesprochen –, wie diese Beträge volkswirtschaftlich, ökonomisch wirken, wie durch diese Beträge das Wachstum angekurbelt werden kann und wie durch diese Beträge die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft verstärkt werden kann. – Ich glaube, das ist wirklich ein wesentlicher Punkt.

Man muss sich einmal die Frage stellen, welche Anreize von der Unternehmensseite – ich bleibe jetzt bei diesem Blickwinkel – die Gruppenbesteuerung, die KöSt-Senkung und die Regelung bezüglich nicht entnommener Gewinne für die Volkswirtschaft haben können. Ich versuche, das wirklich aus ökonomischer Sicht zu betrachten. Immerhin geht es bei der KöSt-Senkung um 1 Milliarde €. Man muss sich also jetzt fragen, wie diese Milliarde aus der Sicht der Unternehmen verwendet werden kann.

Eine Variante ist es, diese Milliarde zum Aufbau von Eigenkapital zu verwenden. Wenn sie dafür verwendet wird, dann hat das noch keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Beschäftigung, sondern es werden nur die Kreditzahlungen reduziert. Man könnte damit vielleicht Investitionen günstiger finanzieren. – Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt: Man könnte diese Milliarde für Investitionen verwenden. Tut man das, entsteht ein Investitions-Multiplikator und auch Beschäftigung. – Das wäre ein positiver Effekt. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Die dritte Möglichkeit ist, diese Milliarde an die Aktionäre auszuschütten. Dann gibt es keinen Effekt, sondern es findet eine Umverteilung zu den Aktionären statt.

Kein Mensch weiß, wie die Unternehmen diese Milliarde in Anspruch nehmen werden! Daher haben sich auch alle Wirtschaftsforschungsinstitute bei der Einschätzung der Auswirkungen sehr schwer getan. Die positiven Auswirkungen, die 0,4 oder 0,5 Pro­zent Wachstumsrate für 2005 und 2006, resultieren in erster Linie aus den Massen­einkommensbewegungen und nicht aus den Investitionen. – Lesen Sie die Prognose genau durch!

Daher muss ich Androsch zitieren, der sagt, dass die österreichische Industrie keine Investitionsanreize mehr hat. Ab dem Jahr 2005 gibt es keine Investitionsanreize für die österreichische Industrie mehr, weil die Übertragung stiller Reserven und die Investitionsprämie weggefallen ist. Es gibt auch keine Abschreibungsvorteile mehr, so­dass eigentlich die gesamte Wirtschaftspolitik auf das Verhalten von Dritten ange­wiesen ist. Wir alle wissen aus der ökonomischen Theorie, dass das ein sehr un­sicherer Zustand ist.

Das ist aber noch nicht alles in Zusammenhang mit der Körperschaftsteuer. Neben diesen nicht erkennbaren ökonomischen unmittelbaren Auswirkungen gibt es ja auch innerhalb der Unternehmen – und das wurde hier sehr oft diskutiert – eine ungleiche Verteilung. Durch die Senkung der Körperschaftsteuer sind nur etwa 1 000 Unter­nehmen begünstigt. – Es zahlt sich also nur bei 1 000 von insgesamt 80 000 Unter­nehmen aus. Das ist eine wirklich verschwindende Größenordnung. (Abg. Wittauer: Wie viele Arbeitnehmer haben die 1 000?)

Ich möchte in diesem Zusammenhang schon die Vertreter des Wirtschaftsbundes, die nicht da sind, oder der Wirtschaftskammer, die auch nicht da sind, ansprechen. (Abg. Dr. Brinek: Sie sind ja da! – Ruf bei der ÖVP: Schauen Sie auf Ihre Seite!) Wie argumentieren Sie diesen Steuerschwindel gegenüber dem Großteil Ihrer Mitglieder? –


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Sie müssen klarstellen, wie Sie den Steuerbetrug aus dieser Sicht Ihren Bereichen erklären können! (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek.)

Ein zweiter Punkt: Es wurde die Austrian Business Agency – das ist die österreichische Ansiedlungsgesellschaft – immer wieder wirklich missbraucht. (Abg. Dr. Brinek: Schauen Sie in die Slowakei! Dort sind die Mitwettbewerber!) Es heißt, dass es durch diese KöSt-Senkung 900 Anfragen gegeben hat. Ich möchte die Seriosität dieser Anfragen hinterfragen, und zwar deshalb, weil beim letzten Jahresbericht bei der Pres­sekonferenz mit Bartenstein gesagt wurde, die Ansiedlungen hätten sich im Jahr 2003 gegenüber dem Jahr 2002 von 78 Projekten – hören Sie genau zu! – auf 82 Projekte erhöht.

Wir haben nachrecherchiert: Unter diesen Projekten war auch eines, bei dem die Antwort auf die Frage, was für dieses Projekt getan wurde, lautete, Sie hätten einen Steuerberater vermittelt. (Abg. Mag. Molterer: Sicher nicht den Matznetter, sonst wären sie nicht gekommen!)

Wenn die Qualität der Aussage über diese 899 Ansiedlungen dieselbe ist, dann muss ich eigentlich eher pessimistisch in die Zukunft schauen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Letzter Punkt: die Gruppenbesteuerung. Ich will wirklich ein konkretes Beispiel nennen. Die OMV hatte im Jahr 2003 einen Jahres­überschuss von 400 Millionen €: Sie würde daher nach dem jetzt geltenden System 133 Millionen € KöSt zahlen, und im Jahr 2005 bei gleichem Gewinn 100 Millionen €.

Die OMV ist an der Übernahme des rumänischen Tankstellennetzes interessiert. Die Summe ist noch auszuverhandeln. Wenn sie im nächsten Jahr dieses Tankstellennetz kauft, dann finanzieren die Österreicherinnen und Österreicher diesen Kauf. (Abg. Jakob Auer: Wer ist dort Generaldirektor?) Man muss also überlegen: Was ist der unmittelbare Beschäftigungseffekt für Österreich? (Abg. Mag. Molterer: Wie heißt der Generaldirektor?) Was ist der unmittelbare Effekt für die Investitionen in Österreich? (Abg. Mag. Molterer: Woher kommt der Klima? – Abg. Jakob Auer: Der Klima kommt von der OMV!) Das kann man als typisches Beispiel nennen.

Noch absurder ist die Situation, wenn die OMV Parmalat kauft: OMV kauft Parmalat und zahlt über Jahre keine Körperschaftsteuer. Daher ist in diesem Bereich ganz deutlich zu erkennen, dass keine Anreizwirkungen für Österreich zu erwarten sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass man Investitionspolitik über direkte Förderungspolitik betreiben muss, sodass unmittelbar in Österreich Inves­titionen getätigt werden und man von diesen indirekten Maßnahmen wirklich abgehen kann. Reden wir in zwei Jahren weiter! Dann hat der Finanzminister die Ausfälle jener Steuern auszugleichen, die Sie durch Ihre Maßnahmen jetzt eigentlich den Konzernen schenken.

Wir Sozialdemokraten wollen ein Österreich und ein Europa für die Menschen und nicht für die Konzerne! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.08

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.08

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geschätzter Herr Präsident, Herr Vizekanzler, Herr Staatssekretär! Nach drei Stunden Diskussion zum Thema Steuer­reform sieht man auch sehr deutlich die unterschiedlichen Zugänge und Entwürfe zu einer Steuerentlastung.


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Wir schlagen eine Steuerentlastung in einer Größenordnung von 3 Milliarden € vor. Die SPÖ sagt uns gleich am Beginn durch Herrn Kollegen Matznetter, eigentlich vertrage das das Budget gar nicht. Das heißt: Die SPÖ, die für 30 Jahre Schuldenpolitik in Österreich Verantwortung trägt, sorgt sich auf einmal um das Budgetdefizit. Meine Damen und Herren, das ist ein Hohn – nichts anderes! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir schlagen vor, einen Durchschnittsteuersatz einzu­führen, sodass die Tarife erheblich gekürzt werden. Was sagt die SPÖ? – Sie sind dagegen, meine Damen und Herren! Wir werden Sie in jedem Wahlkreis und in der Diskussion mit jedem Ihrer Abgeordneten daran erinnern, dass Sie dagegen sind, dass alle Steuerzahler weniger Steuern zahlen. Sie sind dagegen, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Puswald: Wir sind dagegen, dass Sie die Leute anschwindeln!)

Sie von der SPÖ verwenden zum Beispiel die Wendung, es würden „Geschenke verteilt“. – Das ist ein Hohn, meine Damen und Herren! Sie, die Sie immer versuchen zu beweisen, dass Sie für die breite Masse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stehen, sagen, das seien Geschenke, wenn alle von Steuern entlastet werden. – Das werden wir uns sehr genau merken.

Meine Damen und Herren! Wir nehmen heute eine Steuerentlastung nach dem Motto vor, dass die, die mehr verdienen, weniger profitieren und die, die weniger verdienen, mehr profitieren. Ihre Kollegin Bures, die fluchtartig das Plenum verlassen hat, sagt dazu, das habe überhaupt keinen Effekt. (Abg. Gradwohl: Herr Kollege Spindelegger, Sie müssen genau zuhören!)

Wir werden jedem Pensionisten, der im Monat 1 000 € Bruttopension hat und zukünftig pro Jahr um 588 € weniger Steuer zahlt, sagen, Frau Bures meint, das habe keinen Effekt. – Meine Damen und Herren! Lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen! Das hat keinen Effekt, wenn jemand mit so einem geringen Bruttoeinkommen um 588 € weniger Steuern im Jahr zahlt?

Meine Damen und Herren! Frau Bures meint, das ist kein Effekt. (Abg. Gradwohl: Das haben Sie den Pensionisten aber heuer und im vorigen Jahr doppelt weggenommen!) Wir werden uns vornehmen, das auch jedem Pensionisten zu sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! In der Familienpolitik zeigen sich gesellschafts­politische Unterschiede. Wir stehen dafür, dass im Bereich Familie im Steuerrecht auch diejenigen Entlastungen bekommen, die es besonders nötig haben: Das sind die Alleinverdiener und die Alleinerzieher – 900 000 Menschen in Österreich!

Da ist die Opposition dagegen! Wir werden all denen, die die Solidarität dieser Gesellschaft verdienen, weil sie Kinder haben und Kinder Geld kosten, sehr genau sagen, dass Sie dagegen sind.

Meine Damen und Herren! Wenn ich mir den Redebeitrag von Frau Kollegin Wein­zinger vergegenwärtige, kann ich nur sagen: Jeder kann nach seinem Lebensentwurf leben, nur: Wer Kinder hat, hat die Solidarität der Gesellschaft verdient. Mit jemandem, der Alleinverdiener diskreditiert, haben wir nichts am Hut. Das sage ich ganz klar! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Das ist ja jämmerlich!)

Meine Damen und Herren! Wir versuchen, in dieser Steuerreform für jeden Pendler 15 Prozent mehr an Pauschale zu verwirklichen. (Zwischenruf des Abg. Heinzl.) Kein Redner der SPÖ hat auch nur ein Wort zum Thema Pendler verloren. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Alles, was positiv ist, haben Sie ausgelassen!) Auch das muss man sich vergegenwärtigen. Es gibt in diesem Land 680 000 Menschen, die täglich zu ihrem


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Arbeitsplatz pendeln müssen und nun um 15 Prozent mehr an Pauschale erhalten. Ihnen liegen sie nicht am Herzen – uns schon. Das ist der Unterschied, und das werden wir auch ganz klar allen Pendlern mitteilen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Heinzl: Seit 1997 wurde die Pendlerpauschale nicht erhöht!)

Meine Damen und Herren! Jetzt kommen wir zur KöSt. Es ist ja interessant, dass Sie einem Standort Österreich, wo Arbeitsplätze gesichert oder vielleicht auch neu ge­schaffen werden, weil wir interessanter werden, nichts abgewinnen können. – Eine sehr interessante Feststellung. Ihnen wäre es offenbar lieber, es würden Betriebe abwandern. Dann würden Sie die Globalisierung beklagen und hätten mehr Arbeits­lose. – Das ist Ihr Entwurf.

Unserer ist ein anderer. Wir geben genau jetzt eine Antwort darauf, indem wir – was Sie ja auch selbst früher verlangt haben – die KöSt senken, damit es in Österreich mehr Arbeitsplätze gibt und damit vielleicht auch mehr Konzerne nach Österreich kommen und hier qualifizierte Arbeitskräfte nachfragen. Das ist eine konkrete Antwort auf eine Situation, die einfach da ist und die man nicht wegleugnen kann.

Meine Damen und Herren! Dass da die Sozialdemokraten dagegen sind, ist ebenfalls etwas, was wir jedem Arbeitnehmer in diesem Land mitteilen müssen. Wir entlasten den Mittelstand. – Sie sind dagegen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.13

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.13

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Natürlich würde es mich jetzt sehr jucken, auf meinen Vorredner noch etwas näher einzugehen, wenn zum x-ten Mal die Leier von den Leistungen für die Kinder heruntergespult wird. (Abg. Dr. Spindelegger: Das ist der Unterschied!)

Herr Kollege Spindelegger, Sie sollten sich die Frage stellen – diese Frage ist wirklich ernsthaft zu stellen, und es gibt auch schon Untersuchungen darüber –, warum das Land mit den weltweit höchsten Transferleistungen für Kinder, nämlich Österreich, eine derart niedrige Geburtenrate hat, während Länder, die wesentlich mehr in die „be­gleitende“ Infrastruktur für Familien mit Kindern, nämlich in Kinderbetreuungs­einrich­tungen, investieren, eine wesentlich höhere Geburtenrate haben. (Abg. Felz­mann: Die haben mehr Selbständige! Die haben viel mehr Selbständige als wir!)

Offensichtlich ist das entscheidender als der Geldschein, den Sie den Familien geben und sagen, jetzt bekommt ihr Geld, also seid ruhig, alles andere schauen wir uns nicht an. – Das ist offensichtlich der Unterschied! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Spin­delegger: Unglaublich, wie Sie die Familien diskreditieren!)

Ich will mich nicht bei diesem Thema aufhalten. Wir werden das, hoffe ich, noch gründ­lich diskutieren, und es passt nicht so unmittelbar zu diesem Anlass. (Abg. Dr. Spin­delegger: Das passt nicht dazu? Das ist ein Teil der Steuerreform!) – Ja, Herr Kollege Spindelegger! Ein Teil der Steuerreform ist auch die Senkung der Sätze bei der Körperschaftsteuer. Das ist auch noch nicht mein Thema. Nur ein Nachtrag: Sie sagen, die Senkung der Körperschaftsteuer werde Arbeitsplätze sichern. Es gibt nach allen internationalen Untersuchungen keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen nied­rigen Körperschaftsteuersätzen und einem tatsächlichen Arbeitsplätzewachstum. (Ruf bei der ÖVP: Den Zusammenhang gibt es schon!)

Spannend für Österreich ist aber Folgendes: Wissen Sie, wer die meiste Körper­schaftsteuer in Österreich zahlt? – Die Nationalbank. 12 Prozent des Volumens der


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gesamten Körperschaftsteuer – insgesamt waren es 500 Millionen € pro Jahr in den Jahren 2001 und 2002 – wurden von der Nationalbank aufgebracht. 12 Prozent von einem Einzelzahler! Den Rest teilen sich etwa 1 000 Betriebe von den 88 000, die eigentlich der Körperschaftsteuer unterliegen. Etwa 1 000 Betriebe von 88 000 zahlen Körperschaftssteuer, die anderen unterliegen dem Mindeststeuersatz oder zahlen faktisch keine. (Abg. Neudeck: Es zahlt jeder Betrieb Körperschaftsteuer, weil es einen Mindeststeuersatz gibt!)

12 Prozent des gesamten Volumens kommt von der Nationalbank. Jetzt bekäme ich gerne vom Finanzstaatssekretär Finz erklärt, worin der Wachstumsimpuls und der Beschäftigungsimpuls liegt, wenn die Körperschaftsteuer der Nationalbank gesenkt wird. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Stan­dort!) Ob der Herr Finanzstaatssekretär und der Herr Finanzminister den Betrag von der Nationalbank über die Körperschaftsteuer hereinbekommen, oder ob sie einfach direkt den Gewinn abschöpfen, was ja in den letzten Jahren auch immer wieder passiert ist, das wird ihnen wahrscheinlich ziemlich gleichgültig sein – aber egal.

Angesichts der Untersuchungen, die es tatsächlich gibt, angesichts des Aufkommens bei der Körperschaftsteuer, angesichts der Durchschnittsätze, die Banken und Ver­sicherungen in Österreich jenseits der Nationalbank zahlen, angesichts des Um­standes, dass die Sätze in Österreich im europäischen Vergleich auch gemäß den Untersuchungen der Europäischen Union schon die niedrigsten oder im internationalen Vergleich zumindest ziemlich niedrige Sätze sind, sollten Sie sich fragen, ob es wirklich sinnvoll ist, dass wir in Österreich diese Spirale der Konkurrenz zwischen den europäischen Nationalstaaten jetzt um ein Stück vorwärts drehen.

Ich würde jetzt gerne mit dem Thema der Konkurrenz zwischen den Ländern fortfahren. Die Körperschaftsteuer eignet sich an und für sich sehr gut dafür, denn wir hatten sie ja schon einmal gesenkt, woraufhin in Deutschland unter der Regierung Kohl eine Debatte eingesetzt hat: wenn die Österreicher das machten, könnte man es auch! Jetzt senken wir die Körperschaftsteuer wieder, und natürlich wird jetzt auch in Deutschland und in anderen Ländern wieder eine Debatte darüber einsetzen, und zwar so lange, bis aus der Körperschaftsteuer wahrscheinlich europaweit überhaupt keine Einnahmen mehr zu erzielen sind. – Sind Sie dann zufrieden, wenn wir faktisch bei null angelangt sind? Das kann doch keine Perspektive sein! (Beifall bei den Grünen.)

Ich hätte mir von der Bundesregierung gewünscht, dass sie auf dem Sektor inter­nationale, europäische Standards beziehungsweise Mindeststandards oder Durch­schnittstandards für die Körperschaftsteuer – was auch immer Ihre Intention dabei ist – einen Schritt nach vorne geht. – Das brauchen wir im neuen Europa!

Letzter Punkt: Was mich wundert – damit komme ich noch einmal auf den Steuer­wettlauf zurück –, ist, dass noch überhaupt kein Wort zu den Auswirkungen dieser Steuerreform auf Länder und Gemeinden – vor allem auf die Gemeinden – gesagt wurde. (Abg. Jakob Auer: Darauf werden wir noch zu sprechen kommen!)

Kollege Auer, wir alle wissen, dass einerseits die Verschuldensrate bei den Gemeinden steigt, dass aber andererseits die Investitionen sinken und dass diese Steuerreform für die Gemeinden einen Einnahmenausfall in der Höhe von 300 oder 400 Millionen € – je nachdem, wie man es interpretiert – bedeutet.

Wir alle wissen, dass die Gemeinden in den letzten Jahren mit wachsenden Be­lastungen für Sozialausgaben konfrontiert sind und mehr Aufwendungen erbringen sollen und müssen. (Abg. Jakob Auer: Sie hätten uns helfen können, beim Finanz­ausgleich!)


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Sowohl die Ausgaben für die Sozialhilfe als auch die Ausgaben für die Pflege­leistungen sind gestiegen beziehungsweise steigen, und eigentlich sollten auch die Ausgaben für die Kinderbetreuung ansteigen. – Das sind einmal drei große Blöcke.

Jetzt kommt diese Steuerreform mit den Einnahmenkürzungen daher, obwohl ein Zustand herrscht, angesichts dessen die Gemeinden schon jetzt und auch in den letzten Jahren gesagt haben, sie können diese zusätzlichen Belastungen auch ohne die Steuerreform so nicht mehr hinnehmen.

Da würde ich mir schon wünschen, Herr Kollege Auer, dass Sie dazu auch ein ganz klares Wort sagen (Zwischenruf des Abg. Jakob Auer), denn eines wissen wir auch: dass die Investitionen, die die Gemeinden setzen, arbeitsplatzintensiver sind als der­selbe Geldbetrag, wenn er in die Privatwirtschaft investiert wird. (Abg. Mag. Molterer – zu dem in Richtung des Abg. Jakob Auer gewandten Redner –: Das finde ich gut, wenn Sie auf den Auer so gespannt ...!) Das schafft tatsächlich Arbeitsplätze! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nicht unter allen Umständen – auch das wissen wir: Wenn die Gemeinde XY das 724. Hallenbad in der Region baut, dann wird es nicht sehr sinnvoll sein. Wenn die Gemeinde in soziale, ökologische Dienstleistungen investiert, dann wird es sinnvoll sein!

Und da, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht Österreich jetzt den Weg, den die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Steuersenkungsreform im Jahr 2000 schon vorexerziert hat: Die Bundesrepublik Deutschland hat im Jahr 2000 eine Steuer­senkungsreform mit katastrophalen Auswirkungen auf die Gemeinden gemacht. (Abg. Jakob Auer: Richtig, ja!) – Österreich macht 2004 eine Steuersenkungsreform mit im prozentuellen Ausmaß denselben Auswirkungen für die Gemeinden wie in Deutsch­land. Bundesrepublik Deutschland: 17 Prozent Einnahmenminderungen; Österreich: nicht ganz das Gleiche, aber doch 14 Prozent Einnahmenminderungen.

Und da, Herr Kollege Auer – und auch die anderen Bürgermeister, nicht nur im ÖVP-Bereich, auch im SPÖ-Bereich; diese wissen es aber, nehme ich an –, würden wir uns schon erwarten, dass von den Gemeinden – vor allem von den Gemeinden! – ein etwas klareres Wort in Richtung des Herrn Finanzministers und seines Staatssekretärs kommt. (Abg. Mag. Gaßner: Kommt schon!) Sie können natürlich noch auf den Finanzausgleich und die Verhandlungen zum Finanzausgleich hoffen, aber Sie wissen genauso gut wie ich, Herr Kollege Auer, dass allein die Auswirkungen der Pensions­reform – nicht mitgedacht jetzt bei den Auswirkungen durch die Steuerreform – die Gemeinden treffen: durch die sinkenden Einnahmen, die die Gemeinden erhalten, wenn sie beispielsweise Pflegeheime oder Altersheime betreiben.

Wie wollen die Gemeinden in diesem Bereich mit diesen steigenden Belastungen fertig werden? Warum stellen sich hier Mitglieder der Bundesregierung und Mitglieder Ihrer Regierungsparteien her und brüsten sich, indem sie sagen: Wir schaffen Arbeitsplätze!, obwohl ganz klar ist: Sie vernichten durch die Kürzung für die Gemeinden im selben Ausmaß Arbeitsplätze in den Regionen! (Abg. Zweytick: Das stimmt nicht! Im Gegen­teil! Das ist doch nicht wahr!) – Selbstverständlich, Kollege Zweytick! (Abg. Zweytick: Du kennst ... überhaupt nicht!)

Das sollten Sie sich überlegen, bevor Sie hier eine Steuerreform beschließen, die wahrscheinlich in ihren Auswirkungen für die Gemeinden, für die Arbeitsplätze ebenso katastrophal ist wie die letzte Steuerreform in der Bundesrepublik Deutschland. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


13.23


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.23

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Zielsetzung dieser Steuerreform ist, mit dem Senken der Steuern natürlich das prognostizierte Wachstum zusätzlich zu erhöhen, Einkommen und Kaufkraft zu stär­ken, Familien zu entlasten und den Wirtschaftsstandort Österreich zu sichern – und man sichert mit dem Wirtschaftsstandort Österreich natürlich auch die Arbeitsplätze.

Weiters ist anzuführen, dass es ein wesentlicher Part ist, auch die internationale Wett­bewerbsfähigkeit zu sichern und zu verbessern, gerade in Anbetracht der am 1. Mai vollzogenen Erweiterung der Europäischen Union.

Bevor ich aber auf die Aspekte betreffend den Wirtschaftsstandort Österreich und hierbei insbesondere auf die Körperschaftsteuer, auf die Gruppenbesteuerung und auf die „kleine Aktiengesellschaft“ eingehen möchte, erlauben Sie mir eine Feststellung: Ich darf in Erinnerung rufen, dass diese Bundesregierung diese Steuerreform, und zwar die erste Phase der Steuerreform und die zweite Phase der Steuerreform, immer als ein Gesamtpaket gesehen hat, das in zwei Etappen realisiert wird. Bei der ersten Etappe wurde das Augenmerk insbesondere auf Bezieher kleiner Einkommen und auf kleine Unternehmungen gelegt. Es war aber, wie gesagt, immer die Intention der Bun­desregierung und der Regierungskoalition, dies als ein Paket zu sehen.

Die Opposition versteht es nun bestens, gerne auf diese erste Etappe der Steuer­reform zu vergessen. Die Darstellung ist so, als gäbe es keinerlei Maßnahmen für Bezieher kleiner Einkommen, als würde also für diese Einkommensgruppe nicht ge­nügend getan, und zusätzlich wird natürlich auch verschwiegen, dass es sehr wohl eine Negativsteuer gibt, also dass durch diese Steuerreform auch von jenen, die keine Steuer bezahlen, ein Vorteil lukriert werden kann.

Sehr geehrte Damen und Herren! Nun zur Senkung der Körperschaftsteuer – eine Ab­senkung, wie Sie wissen, von 34 auf 25 Prozent. Wir wissen, dass eine Reihe euro­päischer Staaten, auch in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, Nominalsätze von in etwa 20 Prozent und sogar darunter haben – österreichische Nachbarländer, die natür­lich im Zuge der Erweiterung nicht nur eine Chance, sondern auch eine Herausfor­derung an unsere Wirtschaft darstellen.

Jetzt, mit dieser zweiten Phase, dem zweiten Schritt der Steuerreform wird die KöSt auf einen effektiven Wert von in etwa 21 Prozent abgesenkt werden. Es ist dies eine Sicherung und eine Steigerung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich.

Es stimmt ganz einfach nicht, wenn immer wieder behauptet wird, dass diese Körper­schaftsteuersenkung ein Geschenk für die Großunternehmen, für die großen Industrie­konzerne ist – das ist falsch! Der überwiegende Teil der körperschaftsteuerpflichtigen Unternehmungen, nämlich 88 Prozent haben, wie der Herr Vizekanzler das auch aus­geführt hat, einen Mitarbeiterstand, der geringer als 20 ist. (Abg. Dr. Pirklhuber: ... an­dere Rechtsformen!)

Ich weise auch nochmals darauf hin – um einmal mehr sozusagen den Zickzackkurs der Sozialdemokraten aufzuzeigen –, dass noch im Jahr 2003 mit einem Ent­schließungsantrag die Körperschaftsteuer auf 25 Prozent abgesenkt werden sollte – Klubobmann Scheibner hat es angeführt. Ich rufe das in Erinnerung, weil heute so getan wird, als wäre das, was hier und heute mit diesem zweiten Schritt der Steuer­reform beschlossen wird, ein Geschenk für die Großunternehmer. Ich gehe davon aus, dass sich die Sozialdemokraten bei diesem Entschließungsantrag Gedanken über die


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Sinnhaftigkeit dieses Schrittes gemacht haben, auch wenn sie heute nichts mehr davon wissen wollen.

Geschätzte Damen und Herren! Es ist das, was die Bundesregierung und die Regie­rungskoalition machen, eine aktive Wirtschaftspolitik, eine Standortsicherung, und es ist eine aktive Arbeitsmarktpolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nun kurz zur Gruppenbesteuerung: Anstelle der bestehenden Organschaftsregelung soll nun beziehungsweise wird nun eine zeitgemäße Besteuerung von Unternehmen erfolgen, eine moderne und internationale Gruppenbesteuerung.

Mit all diesen Anreizen, die natürlich auch im Vorspann – diese Steuerreform betref­fend – bereits bekannt waren, ist es im Zusammenhang mit der Senkung der Körper­schaftsteuer auch gelungen, dafür zu sorgen, dass Headquarters nach Österreich kommen, dass Forschungs- und Entwicklungszentren nach Österreich kommen, in Österreich angesiedelt werden. So war bereits das Jahr 2003 ein Rekordjahr – dies vermeldet jedenfalls die Austrian Business Agency, die von 2002 auf 2003 eine Steigerung, was die Investitionen anlangt, von rund 260 Prozent zu verzeichnen bezie­hungsweise zu vermelden hatte.

Abschließend noch ganz kurz zur „kleinen AG“: Es ist diese Vereinfachung der Grün­dung von Aktiengesellschaften, eine, wie ich meine, Deregulierung des Aktienrechts, zu begrüßen. Sie ist ein Vorteil speziell für Familienbetriebe, die damit die Möglichkeit bekommen, Management- und Eigentümerfunktion zu trennen, und im Falle von Erb­ansprüchen gehen bei „kleinen Aktiengesellschaften“ die Auswirkungen nicht dahin, dass es zu einer Unterkapitalisierung oder gar Entkapitalisierung kommt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag für die Österreicherinnen und Österreicher! (Rufe bei der SPÖ: Nur für manche!) Heute wird diese Reform beschlos­sen, die den Wirtschafts- und Arbeitsstandort Österreich sichert. Diese Beschlussfas­sung ist eine aktive Zukunftssicherung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.29

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Mag. Hoscher zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.30

Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es gäbe, nachdem wir jetzt bereits einige Rednerrunden hinter uns haben, sehr viel zu den Vorrednern zu sagen. Vielleicht nur einige Anmerkungen: Kollege Grillitsch hat seinen Dank an die Wähler für die Wahlentscheidung 2002 ausgesprochen. – Wenn ich jetzt den Dank an alle Wähler bei allen Wahlen, die wir seit 2002 gewonnen haben, aussprechen würde, dann würde ich die Tagesblockredezeit meiner Fraktion ausschöpfen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Grillitsch und Neudeck.)

Offenbar bereuen viele dieser Wähler bereits ihre Entscheidung vom Jahr 2002 – an­gesichts dieser Steuerreform tun sie dies zu Recht.

Einige weitere interessante Erkenntnisse, die wir hier gewonnen haben, sind zum Bei­spiel: dass der Bundeskanzler für die Steuerreform nicht verantwortlich ist – so nach dem Motto: Auch da bin ich nicht dabei gewesen! (Beifall des Abg. Mag. Gaßner.)

Oder: dass sich Klubobmann Molterer und Klubobmann Scheibner offensichtlich abge­sprochen haben in Ihrer Unkenntnis, was ein effektiver Steuersatz ist und was ein nomineller Steuersatz ist – aber vielleicht könnten sie da beim Kollegen Doralt Nach­hilfe bekommen.


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Oder: dass sich Kollege Molterer wieder mokiert hat über unseren Tarif beziehungs­weise über die Berechnung dieses Tarifes. Jeder von uns, der schulpflichtige Kinder hat, weiß, dass das eine Formel mit einer Unbekannten ist. In welcher Schulstufe der­artige Formeln gelöst werden, wissen all jene von uns, die Kinder haben. (Abg. Dr. Ja­rolim: Hat er den Durchblick, der Herr Molterer?) – Das ist offensichtlich die Frage bei dieser Meldung! (Abg. Dr. Brinek: Sie sind angetreten unter „Vereinfachung“! Wie schaut das aus, was kompliziert ist, wenn das einfach ist?)

Was bei dem Ganzen ein bisschen nachdenklich stimmt, ist eine Aussage des Prä­sidenten Prinzhorn, der in Richtung der SPÖ, in Richtung Bruno Kreisky und in Rich­tung Wirtschaftspolitik von „Ewiggestrigen“ gesprochen hat. Nun sollte man, glaube ich, mit dem Begriff „Ewiggestrige“ politisch sehr vorsichtig umgehen. Ich möch­te daher jetzt nicht parteipolitisch-polemisch replizieren, sondern wirtschafts­politisch-historisch.

Wenn Sie wirtschaftshistorisch bezüglich „ewiggestrig“ etwas weiter zurückgehen, möchte ich Sie in diesem Zusammenhang auf ein Buch verweisen, das an der Wirt­schaftsuniversität Wien – nicht wirklich eine linksmarxistische Einrichtung – im Jahr 2002 herausgekommen ist, und zwar unter dem Titel: „Im Vorfeld der Katas­trophe: Die Wirtschaftspolitik des Ständestaates. Österreich 1934 bis 1938“. Sie finden dort auch in der Diktion frappante Ähnlichkeiten zwischen wirtschaftspolitischen Grund­satzaus­sagen und Thematiken damals und seit 2000. (Abg. Dr. Jarolim: Ich glaube, da kennt sich aber der Herr Molterer wieder besser aus!) Ich glaube, da sollte man mit dem Begriff „ewiggestrig“ wirklich sehr, sehr vorsichtig umgehen.

Es ist legitim, denke ich, dass verschiedene Auffassungen bezüglich der Auswirkungen der Steuerreform, darüber, wie sie sich in Zukunft entwickeln wird, bestehen. Es ist klar, dass Opposition und Regierung diesbezüglich unterschiedlicher Meinung sind – auch sein sollen. Die Zukunft wird weisen, wer Recht hat – wobei ich, wenn ich mir den Wifo-Bericht ansehe, laut dem der Multiplikator-Effekt 0,25 betragen soll, sagen muss: Na, da hat es schon bessere Maßnahmen gegeben!

Was man allerdings unmittelbar berechnen kann – da braucht man nicht auf die Zukunft zu warten –, sind die Inzidenzwirkungen dieser Steuerreform, also die Auswir­kungen der Abgabenänderungen auf die Verteilung. Da haben wir schon einiges gehört zur personellen Inzidenz – bedenklich insbesondere durch die Nichtanhebung der Negativsteuer, und unter Einrechnung der kalten Progression hat sich hier dann kaum eine Verschiebung der Verteilungskurve ergeben.

Aber ich denke, wir sollten uns insbesondere auch die funktionelle Einkommens­ver­teilung ansehen, das heißt also die Verteilung der Auswirkungen auf die Produktions­faktoren. Wenn man vom finanzwissenschaftlichen Ansatz ausgeht, so ist es ganz klar, dass der Begriff einer Reform – das heißt in diesem Zusammenhang: einer Steuer­reform – eine Veränderung der Steuerstruktur erfordert, damit man sie überhaupt „Reform“ nennen kann. Und, bitte, eine Veränderung der Steuerstruktur hat mit dieser Steuerreform mitnichten stattgefunden, denn in absoluten Zahlen ist die Entlastung der Gewinne ebenso hoch wie die Entlastung der Lohneinkommen, nur: Insofern als die Lohneinkommen bis jetzt ja einen wesentlich größeren Anteil zur Steuer beitragen als die Gewinne, verschiebt sich dieses Ungleichgewicht zu Lasten des Faktors Arbeit natürlich weiter. Da passt gut ins Bild, dass sämtliche Investitionsbegünstigungen in diesem Jahr auslaufen.

Das heißt, was hier passiert, ist eine generelle Entlastung der Gewinne, aber nicht eine Entlastung der Gewinnverwendung. Und damit werden Sie ökonomisch die Effekte, die Sie haben wollen, nicht erzielen können. Wenn Sie nämlich die Gewinnverwendung, insbesondere die Gewinnverwendung im Inland, nicht begünstigen, so kann es durch­aus passieren – und das entspricht nicht nur der gängigen ökonomischen Theorie,


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sondern wir haben hiefür genügend praktische Beispiele auch aus anderen Ländern –, dass Sie mit diesen Maßnahmen sogar eine Verlagerung ins Ausland bewirken, weil dadurch, dass Sie die Gewinne generell entlasten, Auslandsinvestitionen natürlich leich­ter möglich werden.

Auch Doralt – in diesem Zusammenhang möchte ich auch erwähnen, dass ich nicht ganz verstanden habe, dass Professor Doralt auch von Vertretern der ÖVP, und nicht nur von jenen der FPÖ, von denen ich das ja erwartet habe, beim Hearing in seiner Reputation als Wissenschaftler angegriffen wurde, aber sei es drum – hat bestätigt, dass Österreich mittlerweile Schlusslicht bei den Investitionsbegünstigungen ist. Das heißt, dieser Multiplikatoreffekt von 0,25, den Sie hier offensichtlich anstreben, lässt sich leicht nachrechnen.

Ein letztes Wort noch zur Lissabon-Strategie. Weil immer betont wird, dass diese Steuerreform auch der Lissabon-Strategie der EU entsprechen würde, möchte ich festhalten: Das tut sie mitnichten! Die Lissabon-Strategie erfordert zusätzliche Inves­titionen im Bereich des Humankapitals, eine Entlastung des Faktors Arbeit und auch, wenn man sie sinnvoll umsetzen möchte, ein Beenden des Steuerwettbewerbes. – In allen drei Bereichen tun Sie genau das Gegenteil! Lissabon erfordert eine Ver­schiebung der Steuerbelastung von Arbeit zu Kapital – und damit das Gegenteil dieser Steuerreform.

Das heißt, Sie müssten eigentlich auch Ihre Europapolitik ändern. Was erfolgen muss, ist eine enorm stärkere Koordinierung im Steuerbereich, eine echte europaweite Kapitalertragsteuer und eine steuerliche Strategie zur antizyklischen Stimulierung von privatem Kapital.

Das ist unsere Europa-Politik, und daher ist uns vor den anstehenden Europawahlen nicht bang. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Jarolim: Bravo! Ich hätte mir halt gewünscht, dass der Herr Molterer das auch ein bisschen verstanden hätte, damit die Diskussion ein wenig anders ...! – Gegenruf der Abg. Steibl. – Abg. Dr. Jarolim: Ich glaube, der Staatssekretär versteht das besser als Sie!)

13.36

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Auer. – Bitte.

 


13.37

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staats­sekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich nun im Rahmen die­ser Steuerreformdebatte, dieser größten Entlastungsdebatte, ein wenig jenem Teil widmen, den Kollege Öllinger angesprochen hat, nämlich der Frage: Wie sieht die Auswirkung dieser Steuerentlastung bei den Gemeinden aus?

Ich bringe daher gleich zu Beginn meines Debattenbeitrages folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Jakob Auer, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Kollegen und Kolleginnen betref­fend die angemessene Berücksichtigung der Gemeinden im Finanzausgleich einge­bracht im Zuge der Debatte zu TOP 1 Bericht des Finanzausschusses über das Steuerreformgesetz 2005 (451/461 d.B.)

Laut den Prognosen des Bundesministeriums für Finanzen, steigen trotz der Minder­einnahmen aus der Steuerreform die Ertragsanteile der Gemeinden im Zeitraum 2000 – 2006.


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Den Gemeinden kommen wichtige und unverzichtbare Aufgaben vor allem im Bereich der Daseinsvorsorge zu. Diese können nur dann erbracht werden, wenn ihnen dafür ausreichende Finanzmittel zur Verfügung stehen. Im Zuge der kommenden Finanz­ausgleichsverhandlungen wird darauf Rücksicht zu nehmen sein.

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, dass bei den kommenden Finanzausgleichs­ver­handlungen die Belastungen aller Gebietskörperschaften aus ihren Aufgaben, ins­be­sondere auch die der Gemeinden, in einem bedarfsgerechten und fairen Finanz­aus­gleich berücksichtigt werden.

*****

So weit zu diesem Antrag.

Meine Damen und Herren! Nun aber konkret: Ich danke dem Kollegen Öllinger für diesen flammenden Appell, den er zu Gunsten der Gemeinden heute hier zum Aus­druck gebracht hat. Aber: Etwas glaubwürdiger – und für uns als Gemeindevertreter wesentlich hilfreicher – wäre es gewesen, wenn dieser Appell beim letzten Finanz­ausgleich auch in Taten umgesetzt worden wäre. Ich erinnere mich zu gut – und ich habe mir aus dem Internet alle Debattenbeiträge hiezu besorgt –: Damals gab es keine einzige Unterstützung seitens der grünen Fraktion für eine Stärkung der kleineren und finanzschwachen Gemeinden! (Abg. Mag. Kogler: Klein ist nicht gleich finanz­schwach!) Es gab Gegenstimmen seitens der grünen Fraktion unter der – von Klub­obmann Van der Bellen vorgetragenen – Begründung der vermeintlich prekären Lehrer­situation und des Rückganges der Volksschulbetreuung in Wien. Das war der Hauptkritikpunkt seitens der Grünen, meine Damen und Herren.

Es gab weiters seitens der SPÖ-Fraktion – obwohl man insgesamt dem Paket zuge­stimmt hat – nicht einmal die Zustimmung für den kleinsten Anteil, für den kleinen Verstärkeranteil von rund 30 Millionen Schilling für die Kleinstgemeinden. – Sie können es nachlesen! (Abg. Mag. Kogler: Das war schon ... Schwarz-Blau, oder?)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich dann heute hier herstellen und beklagen, dass die Gemeinden finanzielle Probleme haben – die sie tatsächlich haben! (Abg. Öllinger: Aber nicht nur kleine, auch große! – Abg. Mag. Kogler: Doch wegen dieser Reform zusätzlich!) –, dann ist mir das ein bisschen zu spät. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Öllinger hat natürlich Recht, wenn er darauf hinweist, dass auf Grund der Problematik Pflege- und Altersheime die Kosten für die Gemeinden explodieren. Ja, das ist so! (Zwischenruf des Abg. Faul.) Ich werde später noch darauf zurückkommen. Ein Grund dafür ist auch die demographische Entwick­lung, weil die Gesellschaft infolge der medizinischen Versorgung immer älter wird – Gott sei Dank! Die Verweildauer in diesen Pflege- und Altersheimen ist dadurch natür­lich immer länger, und der Anteil der Selbstzahler sinkt.

Da gibt es unterschiedliche Zugänge. In Oberösterreich zahlt bis jetzt kein Angehöriger einen Beitrag (Abg. Dr. Brinek: In Wien schon!), in vielen beziehungsweise in fast allen Bundesländern ist mitzuzahlen. (Abg. Dr. Brinek: In Wien auch!) Es wäre vielleicht auch einmal in Oberösterreich selbst über die Finanzierung nachzudenken. Es wäre


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aber auch auf Bundesebene darüber nachzudenken (Abg. Silhavy: Super! ... Das ist aber sehr toll!), dass das Geld, wenn jemand das Pflegegeld zu Hause bezieht, weil die Pflege zu Hause erfolgt, zu 100 Prozent ausbezahlt wird, während in Altersheimen, in Pflegeheimen nur 90 Prozent ausgezahlt werden, 10 Prozent verbleiben als Taschen­geld. Es gäbe also auch hier, im eigenen Bereich, etwas zum Nachdenken!

Meine Damen und Herren! Ich habe vorhin gesagt, dass die Ausgaben der Gemeinden Schwierigkeiten machen. Dazu habe ich mir aus meiner kleinen Gemeinde mit knapp 1 300 Einwohnern die Daten und Fakten geben lassen, die ich im Großen und Ganzen im Kopf habe.

Wir hatten 2001 Einnahmen von rund 580 000 € infolge Ertragsanteile. Ein Jahr später hatten wir 660 000 € – aber nicht, weil die Steuereinnahmen so großartig gestiegen sind, sondern weil wir bei der Volkszählung 2001 einen Zuwachs von 16 Prozent im Vergleich zu vor 10 Jahren verzeichnen konnten. Das hat natürlich dann positive Aus­wir­kungen. Gleichzeitig jedoch stiegen die Ausgaben in den letzten Jahren um 103 000 €, und zwar nur auf Grund folgender zwei Positionen: SHV und Kranken­anstalten­abgangsfinanzierung, wo der Bund seine Ausgaben gedeckelt hat, die Mehrausgaben die Länder und die Gemeinden zu tragen haben! (Abg. Mag. Gaßner: Und Landesumlage!) – Die habe ich hier noch gar nicht eingerechnet. Allein aus den beiden Positionen SHV und Krankenanstaltenabgangsdeckung gab es eine Steigerung um 103 000. (Abg. Mag. Gaßner: Sage ich ja! – Abg. Öllinger: Aber im Bund sitzt ja Ihre Partei!)

Meine Damen und Herren! Die Sozialausgaben im Land Oberösterreich – damit man vielleicht einen genaueren Einblick erhält – stiegen von 100 Millionen € im Jahr 1990 auf veranschlagte 342,6 Millionen € für 2004. Eine derart dramatische Entwicklung – ich habe 2004 in meiner Gemeinde etwas weniger Ertragsanteile als 2002, Herr Staatssekretär (Abg. Mandak: Das ist Ihre ÖVP-Regierung!) – macht es notwendig, im Rahmen des Finanzausgleiches darauf zurückzukommen. (Abg. Öllinger: Das ist doch der Punkt, Kollege Auer!)

Uns ist bewusst, dass natürlich alle drei Gebietskörperschaften, Bund, Länder und Gemeinden, die Steuerreform mitzutragen haben – das ist gar keine Frage! –, aber ich lade Sie ein, meine Damen und Herren, dann, beim Finanzausgleich der kommenden Jahre, aktiv mitzugestalten (Abg. Öllinger: Da sitzen wir nicht drinnen!) und dabei nicht immer nur die großen Städte im Auge zu behalten. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.)

13.43

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Auer, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


13.43

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staats­sekretär! Sehr geehrter Herr Kollege Auer, Sie haben es sich mit Ihrer Argumentation schon etwas leicht gemacht! Wenn Sie schon Kollegen Öllinger angreifen und ar­gumentieren, die Grünen hätten sich beim Finanzausgleich nicht für die Aufgaben der Gemeinden eingesetzt (Abg. Jakob Auer: Es ist so!), dann sollten wir das vielleicht ein bisschen in der Gesamtdiskussion sehen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Grillitsch: Gerne!)

Ich überlege mir, wie Sie das zusammenbringen, dass Sie auf der einen Seite – be­rechtigterweise, ähnlich wie wir – die Probleme der Gemeinden auf der Ausgabenseite


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darstellen, auf der anderen Seite aber kein Wort darüber verlieren, wie Sie dann dieses Schema, das Finanzminister und Bundeskanzler fahren, nämlich das Wichtigste sei, die Steuer- und Abgabenquote zu senken, wir müssten auf unter 40 Prozent kommen, „mehr privat, weniger Staat“, wie es da heißt, verwirklichen wollen, wenn Sie doch gleichzeitig genau die Auswirkungen erkennen, die diese Politik mit sich bringt. (Abg. Jakob Auer: Finanzausgleich!)

Sehen Sie da keine Zusammenhänge? Sehen Sie nicht, dass das vielleicht doch zusammenhängen könnte und nicht so voneinander losgelöst betrachtet werden kann? Kollege Öllinger hat das schon angesprochen, ich versuche, das auch einmal mit Zahlen zu belegen.

Die Budgetrede des Finanzministers war im vorderen Teil eher auf der lyrischen Ebene angesiedelt – wie das die Frau Bildungsministerin sagen würde –, im hinteren Teil, in dem die Daten sind, wird es dann schon spannender. Wenn man sich die Entwicklung der Steuereinnahmen anschaut, dann kriegt man ein Gefühl für die Größenordnungen. Ich habe jetzt gehört: 1 Milliarde € an Steuerentlastung bei der KöSt, 1,2 Milliarden in etwa im Bereich der unselbständig Erwerbstätigen. Wenn man nun nachschaut, wie viel an Steuereinnahmen man eigentlich hat, dann kommt man drauf: 4 Milliarden € – genauer: 4,3 Milliarden – wurden für heuer bei der KöSt budgetiert, 20 Milliarden € bei den Unselbständigen. Und dann schaut man sich das noch einmal an: für beide gleiches Entlastungspotential! Beide kriegen in etwa 1 Milliarde €, der eine ein biss­chen mehr, nämlich 1,2 Milliarden, und das angesichts des Faktums, dass der andere, nämlich die Unternehmen, nur ein Fünftel der Steuerleistung beitragen. (Abg. Öllinger: 1 000 Unternehmen!)

Da kann man doch wohl schon fragen, ob diese Gewichtungen einigermaßen gerecht, einigermaßen fair sind! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Man kann das auch in Prozentsätzen darstellen: 1998 hat der KöSt-Anteil an den Ge­samtsteuereinnahmen 7,8 Prozent betragen, 2004 7,4, er ist somit nicht unwesentlich gesunken. Hochgerechnet mit den Entlastungen, hätten wir also jetzt schon die Steuerreform, würde diese Quote statt bei 7,4 bei 6 Prozent liegen.

Damit sind wir nicht mehr weit von dem entfernt, was Karl Öllinger gesagt hat: Wenn wir noch zwei, drei KöSt-Reformen machen, dann brauchen wir ohnehin nicht mehr darüber zu diskutieren, denn unter Null wird es wahrscheinlich nicht gehen. Und dann haben wir zumindest diese Diskussion erledigt. (Rufe bei den Grünen und der SPÖ: Negativ-KöSt!) – Negative KöSt! Ja, das wäre noch eine Variante, die man einführen könnte. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: War das ein Antrag auf negative KöSt?)

Ich überlege mir natürlich schon: Es stimmt, dass es eine problematische Situation gibt, dass diese Steuerspirale für die Unternehmen eine schwierige Ausgangsposition schafft. Das stimmt bis zu einem gewissen Grad. Nur: Warum wird nicht einmal aktiv dagegen argumentiert? Sie kritisieren ja Ähnliches wie wir – und wir sind in der Op­position! Das ist schon interessant bei Ihnen: Sie sitzen in der Regierung, kritisieren das Gleiche wie wir und beschließen dann eine Steuerreform und ein Budgetziel, bei denen wir sagen, dass das ein Problem macht. Wie Sie das Ihren Wählerinnen und Wählern erklären, ist mir schleierhaft! (Ruf bei der ÖVP: Wir reden schon von der nächsten Reform!)

Wir würden es anders angehen. Wir würden nicht sagen: unbedingt 3 Prozent runter mit der Steuer- und Abgabenquote, denn man muss sich vorher anschauen, welche Auswirkungen das hat. Wenn man sich das dann in Detailbereichen anschaut – man kann ja tiefer gehen; ich schaue mir jedes Jahr den OECD-Bericht zur Bildung an, von dem ich jetzt sprechen werde –, nimmt man Erstaunliches zur Kenntnis: Während die Bildungsausgaben der OECD-Staaten in Prozenten am Bruttoinlandsprodukt gemes-


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sen insgesamt steigen – vor allem einige europäische Staaten haben da kräftig nachgezogen! –, hat es Österreich fertig gebracht – Sie können sich die Daten 2003 selbst anschauen! –, seine Bildungsausgaben von einem Niveau, das um 1 Prozent des BIP über dem Durchschnittswert lag, innerhalb von 10 Jahren auf das Durch­schnittsniveau zu reduzieren. Innerhalb ... (Abg. Wittauer: Europaweit sind wir auf dem vierten Platz!) – Schauen Sie die Zahlen 2003 an, dann werden Sie sehen, dass wir den Durchschnitt mittlerweile erreicht haben.

Man wird ja sehen, welche Auswirkungen das hat. Sie sehen es auch genau. Sie sehen es an den Schulen, Sie sehen es in allen Bereichen!

Ich frage mich, warum höre ich nicht von dieser Regierung – bei Grasser frage ich mich nicht, bei dem ist es mir klar –, warum höre ich nicht von Bundeskanzler Schüssel, der immer die Wahrheit vor sich her trägt, das Pensionssystem müsse verändert werden, da kämen Probleme auf uns zu, warum höre ich das nicht bei ihm, wenn er den Steuerwettbewerb anspricht? Warum kommt er nicht her und sagt einmal: Das ist ein zentrales Problem!? Wir müssen uns dem stellen! Es kann nicht so weitergehen, dass die Steuerspirale in diesem Ausmaß weiter gedreht wird, dass wir darauf warten, bis die Slowakei auf 15 ... (Abg. Dr. Fasslabend: Waren Sie nicht im Ausschuss?) – Ich war nicht im Ausschuss, wir stellen dort zwei Mitglieder, aber leider sind wir ungefähr 17 Abgeordnete, daher können nicht alle im Ausschuss sein. Das werden Sie vielleicht zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei den Grünen.)

Aber ich weiß zumindest aus meiner Beobachtung der Medien und meiner Beobach­tung der Diskussion in Europa (Abg. Dr. Fasslabend: Wir sind nicht Zeitungsleser, sondern Abgeordnete! – Abg. Gradwohl: Herr Fasslabend, sind Sie in allen Ausschüs­sen!), dass beispielsweise diese Abwärtsspirale – Slowakei 19 Prozent, auch das ist schon angesprochen worden – immer weitergehen wird, wenn Sie dem nicht Einhalt gebieten, nämlich in dem Sinn, dass Sie sich einmal dafür stark machen und dass man einmal auch auf europäischer Ebene darüber nachdenkt.

Man könnte ja fragen: 1. Mai, EU-Erweiterung – hat da irgendjemand darüber ge­sprochen? Aus diesem Anlass hätten wir versuchen können, genau diese Probleme einmal anzugehen! Eine Steuerharmonisierung fordern wir schon seit langem, aller­dings nicht in dem Sinn, dass kein Unternehmen mehr Steuern zahlt, sondern dass man einmal definiert, was die Aufgaben des Staates sind und wo nicht mehr weiter reduziert werden kann, damit diese Aufgaben auch ausgeübt werden können. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Zweytick: ... einmal mit Voggenhuber reden!)

Ich weiß nicht, was ich mit Kollegen Voggenhuber in diesem Fall noch reden soll, der wird Ihnen genau das Gleiche, nur noch verschärfter sagen. Er mahnt die soziale Dimension Europas dringend ein und hat seit langem erkannt, dass, wenn dieser Steuerwettbewerb so weitergeht, extreme Probleme auf Europa zukommen werden, weil dann die soziale Situation auch nicht mehr verträglich sein wird. Sie werden das in ein paar Jahren erleben, auch wenn Sie jetzt die Augen noch so fest zumachen. (Abg. Felzmann: Sie machen die Augen zu! Das ist das Problem!) Auf Dauer gesehen ist das nicht verträglich, wird das die Gesellschaft nicht vertragen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Fasslabend.) Und diese Verantwortung tragen Sie, solange Sie noch in der Regie­rung sitzen.

Auch wenn Sie drei Mal sagen, das gibt es nicht, Kollege Fasslabend: Vielleicht kön­nen Sie irgendwann einmal eine globalere Diskussion wahrnehmen. (Beifall bei den Grünen.)

13.50

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch zu Wort gemeldet. – Bitte.

 



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13.50

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Herr Vizekanzler! Herr Staats­sekretär! Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren! Kollege Brosz fasziniert mich: Er stellt sich 5 Minuten hier heraus, hält eine Schimpforgie auf die ÖVP und sitzt mit ihnen in Oberösterreich in der Landesregierung! (Abg. Dr. Pirklhuber: Er ist nicht Oberösterreicher! Ich bin Oberösterreicher!) Also ich würde Ihnen empfehlen, einmal zu versuchen, Ihre Regierungskollegen auf oberösterreichischer Ebene zu läutern und zu verbessern. (Zwischenruf der Abg. Mandak.) Vielleicht gelingt es Ihnen auch, bundesweit etwas umzusetzen. Und: Wer schreit, hat nicht Recht, das bleibt immer gleich. Es nützt nichts! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und wenn wirklich so interessante Themen im Ausschuss sind, kann man ja, auch wenn man nicht 17 Ausschussmitglieder stellt, immer noch als Zuhörer hingehen, dann ist man aus erster Hand informiert, dann braucht man nicht die Zeitungen zu lesen und irgendetwas zu interpretieren, was vielleicht gar nicht stimmt. (Abg. Öllinger: Da ist ja der Auer noch kritischer als Sie!)

Bevor ich zur Steuerreform komme, noch ein Wort zu Herrn Kollegen Hoscher. – Herr Kollege! Sie haben keinen schlechten Redebeitrag geliefert, da war viel Interessantes dabei. (Abg. Mag. Gaßner: Über dieses Lob ist er aber besonders froh!) Nur, Sie haben etwas gesagt, was Sie wirklich entlarvt hat, Sie haben gesagt, es sei natürlich klar und logisch, dass die Opposition und die Regierung unterschiedlicher Meinung sind. – Das ist faszinierend, denn das ist Ihre wirkliche Denkweise. Das heißt aber, dass Sie vom Prinzip her anders denken als wir. (Abg. Mag. Prammer: Sie könnten ja auch so denken wie wir! Sie könnten ja auch die Meinung vertreten!) Und das halte ich für schlecht.

Ich glaube, dass das schlecht für die Politik ist. Ich bin davon überzeugt, dass das schlecht für die Menschen und auch schlecht für unser Land ist, denn wir sollten doch irgendwann einmal lernen, etwas Gutes das eine oder andere Mal gemeinsam zu machen! In vielen Bereichen schaffen wir es ja, etwa in der Verteidigungspolitik; es gibt Gebiete – Justiz und dergleichen –, wo man vieles zusammenbringt. Legen Sie doch endlich einmal auch bei der Finanz- und Wirtschaftspolitik die Scheuklappen ab! Sie glauben, Sie müssen anders denken, Sie müssen dagegen sein. Das ist wirklich nicht in Ordnung! (Zwischenruf des Abg. Gradwohl.) – Heinz, ich komme noch zu dir! Das passt ganz gut dazu, dass du mir diesen „Aufgelegten“ gibst. (Beifall bei den Frei­heitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das beste Beispiel: Ein Teil der Steuerreform betrifft mich als Agrarsprecher und Obmann der Freiheitlichen Bauernschaft schon in gewisser Weise. Es wird von Seiten der SPÖ permanent versucht, eine Art Klassenkampf zu führen: Die reichen Bauern bekämen wieder mehr! Als Fritz Grillitsch an diesem Rednerpult gestanden ist und das erwähnt hat, da waren noch mehr Abgeordnete anwesend, da war nämlich noch ORF-Zeit, da war noch Anwesenheitspflicht. Und da gab es wieder einige Unkenrufe aus der SPÖ: Die Bauern, die Traktorfahrer, jetzt bekommen sie noch mehr Geld, jetzt geht es ihnen noch besser!

Ich sage euch ganz ehrlich: Ich halte diesen Klassenkampf für bedenklich. Und ich bleibe dabei, das ist nicht in Ordnung! Ich glaube, dass die über 300 000 Arbeitsplätze in der Landwirtschaft wichtig sind, und ich bin davon überzeugt, dass dieser Agrar­diesel, der ein kleiner, aber ein sehr wichtiger Bestandteil dieser Steuerreform ist, sehr wichtig ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jeden Tag sperren 22 Bauern ihren Betrieb zu! (Abg. Silhavy: Weil Sie die falsche Agrar­politik machen!) Jetzt könnten wir darüber nachdenken, welche Agrarpolitik dafür verantwortlich ist oder nicht. (Abg. Faul: Die Agrarpolitik dieser schwarz-blauen


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Bundesregierung!) Aber Frau Silhavy kann ja einmal den Landwirtschaftsausschuss besuchen, dann können wir dort intensiv darüber diskutieren.

Faktum ist, dass dies – das möchte ich hier einmal ganz klar sagen – keine Geschenke für die Landwirtschaft sind! So hat es heute geheißen, Kollege Matznetter ist an diesem Rednerpult gestanden und hat von „Geschenken für die Landwirtschaft“ ge­sprochen. Der Agrardiesel ist kein Geschenk für die Landwirtschaft! Ich bin davon überzeugt, dass die Bauern diese Verbesserung des Wettbewerbes, diese Chancen­gleichheit gegenüber anderen brauchen und dass dies irrsinnig wichtig ist, um damit die flächendeckende Landwirtschaft aufrechtzuerhalten. (Zwischenruf des Abg. Grad­wohl.)

Ein zweites Beispiel für Ihren Klassenkampf, eines, das von vielen Vertretern der SPÖ und der Grünen ins Kalkül geführt worden ist und bei dem ich Ihnen zum Teil auch Recht gebe: Es stimmt, dass wir Tausende Familien haben, die finanzielle Probleme haben. Gar keine Frage, das ist wahr! Es stimmt auch, dass wir mit der Arbeitslosigkeit Probleme haben. Es wäre ja jeder (Abg. Neugebauer: Blind!) – jetzt hätte ich fast gesagt: blöd oder blind oder so ähnlich, würde er das nicht sehen. No na! Natürlich gibt es diese Probleme! Und es stimmt auch zweifelsohne, dass man diesen Leuten helfen muss. Nur: Der Ansatz, das Wie des Helfens, zeigt einen ganz gewaltigen Unterschied zwischen Opposition und Koalition.

Während Sie meistens noch in dieses antiquierte sozialistische Denken verfallen, das seit dem Fall der Mauer eigentlich von gestern sein sollte, gibt es bei uns Experten, gute und wichtige Experten: Thomas Prinzhorn, unser Landeshauptmann Jörg Haider, Seppi Bucher, verschiedenste Leute der FPÖ, aber auch der ÖVP, Stummvoll, Gras­ser – das sind gute Leute –, die eine tolle Reform produziert haben. (Abg. Mag. Gaß­ner: Gehört der Grasser zur ÖVP?) – Grasser gehört für mich zur ÖVP, ja!

All diese Experten haben wirklich binnen kürzester Zeit eine tolle Reform auf die Beine gestellt und wirklich eine tolle Mischung aus zukunftsorientierter Wirtschaftspolitik und ausgewogener Familienpolitik geschafft! (Abg. Mandak: Ah geh!)

Das Beispiel der Familienpolitik ist mir in der heutigen Diskussion bisher ein bisschen abgegangen. Es wurde sehr viel darüber diskutiert, ob jetzt Thomas Prinzhorn viel oder wenig von dieser Steuerreform hat. Faktum ist, dass ich Kollegen Cap, wenn er einmal hier ist, fragen werde, wie viel er an Steuern bezahlt und wie viel Thomas Prinzhorn Steuern zahlt. (Abg. Eder: Der Cap zahlt mehr!) Ich glaube, das ist ein bisschen unverhältnismäßig, hier zu sitzen und über irgendwelche Leute zu schimpfen. Das gehört, glaube ich, nicht hier her.

Faktum ist, dass sehr viel für die Familien getan wurde. Ich glaube, dass in einer Steuerreform erstmalig auch ein Bekenntnis für die Familien abgelegt wurde.

Frau Kollegin Weinzinger ist im Moment leider nicht anwesend. Ich bin da heute in der zweiten Reihe gesessen und habe mir überlegt, ob ich auf ihre Ausführungen hier eingehen soll. Zuerst habe ich mir gedacht, dass das nicht wirklich sinnvoll ist, weil ich damit diese mehr als überflüssige Wortmeldung noch aufwerte; nur Folgendes möchte ich schon einmal sagen: Hier heraußen zu stehen und über die Sinnhaftigkeit des Muttertages zu diskutieren, hier heraußen zu stehen und Kinder und Familien in Frage zu stellen (Abg. Wittauer: Das ist eine Frechheit!), mit permanenter Politik der gren­zenlosen Emanzipation, ist, glaube ich, nicht in Ordnung! Ich bin davon überzeugt, dass jeder, der hier sitzt, eine Mutter haben muss – das ist Gott sei Dank so und das wäre sonst ja auch „rein technisch“ nicht möglich – und stolz auf sie sein kann.


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Gerade wir Freiheitlichen sind stolz auf unsere Mütter, wir sind stolz auf unsere Familien, und wir werden uns durch diese überzogene Emanzipationspolitik, die zum Teil von den Grünen kommt, sicher nicht von unserem Weg abbringen lassen.

Abschließend, weil das Lämpchen schon leuchtet: Seppi Bucher hat heute hier von einer Sternstunde der Steuerpolitik gesprochen. Damit hat er Recht! Allerdings ist mir danach etwas Interessantes eingefallen: Vor zwei Tagen hat es eine Mondfinsternis gegeben, die hat mich dann mehr an die Politik der SPÖ bezüglich Wirtschafts- und Steuerpolitik erinnert, denn eine Mondfinsternis ist zwar ein beeindruckendes Schau­spiel – das hat Kollege Cap heute auch abgehalten –, aber leider hat es wenig Inhalt und wenig positive Auswirkungen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Neugebauer: Die Mondfinsternis hat den Vorteil, dass sie vorübergeht!)

13.57

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Eder zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.57

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staats­sekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist heute schon sehr viel über Steuer­reform, pro und contra, diskutiert worden. Auch mein Vorredner hat soeben keine so lichtvollen Ausführungen gemacht, dass man wirklich auf einzelne Punkte eingehen könnte. Es tut mir Leid, ich wollte mich darauf vorbereiten, aber es ist unmöglich! Er hat von Sternstunde gesprochen und von Lob. (Zwischenruf des Abg. Wittauer.) Dazu muss man wissen: Wenn die Sterne leuchten, gibt es rundherum viel Finsternis – und diese Steuerreform befindet sich eher im anderen Bereich, nicht in dem der Sterne!

Sehr geehrte Damen und Herren! Grundsätzlich darf man zu dieser Steuerreform jedoch sehr wohl anmerken, dass sie sowohl wirtschafts- und konjunkturpolitisch zu spät kommt, als auch verteilungspolitisch meines Erachtens völlig irrelevant ist. Faktum ist, dass 2,2 Millionen Steuerzahler durch diese Steuersenkungen, die hier in so blumiger Sprache angekündigt werden, keinen einzigen Cent mehr bekommen werden. Stattdessen werden mehr als 2 Milliarden – Klubobmann Molterer sprach sogar von 3 Milliarden – an Steuergeldern, die ja auch aufgebracht werden müssen, so verteilt, dass eine bestimmte Klientel, bestimmte Lobby-Gruppen davon profitieren. (Abg. Kopf: Wie deine Firma zum Beispiel!) Es profitieren – das sieht man immer deut­licher – die Vermögenden, es profitieren Eigentümer von Grundstücken, es profitieren Unternehmer. (Abg. Kopf: Die OMV!) Aber die Kaufkraft der Massen wird dadurch nicht höher.

Die Zeche dafür muss auch jemand bezahlen, und diese bezahlen natürlich der Mittel­stand und die vielen Kleinverdiener!

Der Faktor Arbeit wird überhaupt nicht entlastet. Und trotz der hohen, leider nach wie vor steigenden Arbeitslosigkeit ist hier auch keinerlei strukturelle Auswirkung bemerk­bar. Die Bundesregierung unternimmt jedenfalls im Rahmen dieser Steuerreform nichts für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und gegen den Anstieg der Arbeitslosigkeit. (Zwischenruf des Abg. Wittauer.)

Nun zum Grundsätzlichen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Man darf nicht vergessen – wenn wir von großer Steuerreform sprechen –, dass diese Bundes­regierung und auch schon die vorhergehende ÖVP/FPÖ-Bundesregierung unsere Mit­menschen in einem ungeahnten Ausmaß belastet haben. Es gab ein Belastungs­paket 1, es gab ein Belastungspaket 2, und wenn man sich die Statistiken ansieht, dann sieht man sehr deutlich, dass die Arbeitnehmer und Pensionisten mit 1,6 Milliar-


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den € belastet und die Unternehmungen oder jene, die vermögend sind, mit 1,3 Milliar­den entlastet wurden.

Das heißt klipp und klar: Die Zeche für diese Steuerreform zahlen die arbeitenden Menschen in unserem Land. Und wir sehen nicht ein, dass diese Reform nur zu Lasten dieser Menschen gemacht wird! (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich ein paar Anmerkungen zur Körperschaftsteuer machen. Wenn jemand glaubt, dass die Senkung der Körperschaftsteuer von 34 auf 25 Prozent automatisch zu mehr Beschäftigung führt, so kann sich derjenige sehr stark täuschen. Wie schon so manche hier gestanden sind und gemeint haben, sie seien Unter­nehmenseigentümer oder in der Wirtschaft tätig, kann auch ich das als ein in der Wirtschaft Tätiger von mir behaupten, und wer die Mechanismen in den modernen multinationalen und internationalen Unternehmen kennt, der weiß ganz genau, dass neben dem Gehalt der Manager Bonifikationen ausbezahlt werden.

Diese Bonifikationen sind teilweise schon weit höher als das Grundgehalt. Die Höhe der Bonifikationen orientiert sich in den einzelnen Unternehmen daran, wie viel Kapital an die Eigentümer ausgeschüttet wird. Wenn jetzt der Staat in Form dieser KöSt-Senkung Geschenke an Unternehmen verteilt, dann können Sie sich ausrechnen, wohin dieses Geld fließt, nämlich zunächst einmal in die Ausschüttungen an die Eigentümer. Das machen die Vorstände, und die erhalten somit ein weitaus höheres Gehalt.

Dieser Mechanismus ist ein Mechanismus, der eben so ist, wie er ist, und daher bitte nicht zu glauben, dass hier eine Automatik entsteht. Eine Senkung der Körper­schaft­steuer ist gleich mehr Geld für die Unternehmen – ist aber auch mehr Geld für jene, die die Unternehmen besitzen. Ich möchte jetzt nicht Herrn Präsidenten Prinzhorn oder anderen Unternehmern wie etwa Herrn Bartenstein nahe treten, aber: Bei allem Lob, das Unternehmern selbstverständlich gebührt, haben sie jetzt die Chance, sich über Steuermittel ein schönes Taschengeld aus den Unternehmen zu holen! (Abg. Kopf: Dann sind sie aber noch einmal zu versteuern! Das weißt du ganz genau! Also, bitte, so einen Unsinn zu behaupten! – Abg. Dr. Fekter: Die haben einen 50-prozentigen Steuersatz!)

Es ist, Kollege Kopf, auch ein fataler Irrtum, wenn man meint – Kollege Brosz hat das schon angeschnitten –, dass es hier eine Dumping-Spirale von Steuerangeboten geben wird. Nur weil unser Nachbarland Slowakei, das jetzt löblicherweise in die Euro­päische Union aufgenommen wurde, nur 19 Prozent Körperschaftsteuer, 19 Prozent Mehrwertsteuer und 19 Prozent Einkommensteuer verlangt, soll man nicht glauben, dass wir dadurch, dass wir jetzt nur mehr 25 Prozent verlangen, einen besonderen Vorteil haben.

Wichtig ist – und das muss man auch wissen –, dass wir zahlender Staat in der EU und die Slowakei und einige andere Staaten empfangende Staaten von der EU sind. Was passiert? – Durch diese steuerliche Situation 19 – 19 – 19 gibt es natürlich eine Reihe von Unternehmen – ich denke nur an die Autoindustrie –, die sich mittlerweile in der Slowakei ansiedeln, die von uns wegziehen, aber dann bei uns ihre Produkte verkaufen wollen. Wir aber müssen von den weniger Steuereinnahmen, die wir auf Grund dieser Politik erzielen, in die EU einzahlen, und daher ist diese Spirale für uns nicht sehr gut.

Ich meine, wir wären besser beraten – ich schließe mich da den Ausführungen meines Kollegen Brosz an –, wenn man auf europäischer Ebene versuchen würde, zu ver­nünftigen Steuerharmonisierungen zu kommen, um Arbeitsplatz- und Firmenabwan-


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derun­gen auf Grund von ungleichen Steuersystemen hintanzuhalten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.03

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Fasslabend. – Bitte.

 


14.04

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte in aller Kürze auf die Ausführungen meiner beiden Vor­redner eingehen.

Kollege Brosz von den Grünen hat eingangs kritisiert, dass mit der Senkung der Körper­schaftsteuer die Frage der Steuerharmonisierung in Europa aufgeworfen wird und das ein großer Nachteil wäre. Ich habe in einem Zwischenruf angemerkt: Sie waren offensichtlich nicht im Ausschuss! Wäre er dort gewesen, dann hätte er gehört, dass der Finanzminister erklärt hat, es sei die österreichische Regierungslinie, dass es im Rahmen bestimmter Grenzen sehr wohl einen Steuerwettbewerb geben soll, der aber nicht ungehindert sein soll, sondern dass es durchaus eine Harmonisierung geben soll. Er hat sogar eine Zahl genannt: die Untergrenze sollte bei zirka 20 Prozent liegen.

Es hat dann sogar der Hauptsprecher der Oppositionsparteien, nämlich Herr Abgeord­neter Matznetter, den Finanzminister dafür gelobt. Daher ist es meiner Meinung nach schade, wenn dann mitten in der Debatte hier im Plenum zwei Redner – wie eben Kollege Brosz und auch Kollege Eder – auftreten, die offensichtlich nicht im Ausschuss waren, sich nur aus der Zeitung informieren und dann genau das Gegenteil von dem verkünden, was man eigentlich wissen sollte.

Ich muss Ihnen – trotz des persönlich sehr guten Verhältnisses zu beiden Abgeord­neten; ich schätze sie persönlich – sagen: Wir haben bei uns im Klub eine Regelung, die besagt, dass im Plenum nur derjenige ans Rednerpult tritt, der auch im Ausschuss mit dabei war. Das soll gewährleisten, dass auch der entsprechende Informationsstand gegeben ist, und das vermisse ich in Ihrem Fall, das muss ich wirklich sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Matznetter hat sowohl im Ausschuss als auch heute gesagt, seiner Ansicht nach sei das weniger eine Steuerreform als eine Steuersenkung. Ich sage ihm heute: Wir bekennen uns dazu! Jawohl, für uns heißt das: Steuersenkung, Steuer­senkung, Steuersenkung, nämlich Steuersenkung für die Arbeitnehmer, Steuersen­kung für die Pendler und die Familien und Steuersenkung auch für die Wirtschaft, nämlich für die Arbeitsplätze! Wir glauben sogar, dass das mit Abstand das Wichtigste dabei ist. Selbstverständlich muss die Senkung im Vordergrund stehen und nicht irgendein anderes Kriterium, weil wir ja die Wirtschaft entlasten wollen, weil wir die Arbeitnehmer entlasten wollen und damit Kaufkraft schaffen möchten – und das in einem System, in dem es darum geht, nicht nur intern unsere eigene Befindlichkeit zu betrachten, sondern natürlich auch darauf zu reagieren, was woanders passiert.

Meine Damen und Herren! Vielleicht haben Sie sich die Wirtschaftsentwicklung in den einzelnen Volkswirtschaften in Europa in den letzten Jahren angesehen. Ein heraus­ragendes Beispiel ist da Irland: vor wenigen Jahren immer noch als das „Armenhaus Europas“ bezeichnet, heute im Wachstum und im BIP eine der besten Nationen überhaupt. Worauf ist das zurückzuführen? Hat Irland innerhalb ganz weniger Jahre plötzlich eine Bildungsexplosion erfahren? Haben plötzlich alle Englisch gelernt? Was war der Grund? – Englisch gesprochen haben die Iren immer schon, und Bildungs­explosion hat es auch keine gegeben, aber sie haben die Körperschaftsteuer auf


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12,5 Prozent abgesenkt und haben damit fast wie ein Magnet Investitionen aus dem Ausland angezogen.

Natürlich ist es auch das Recht der neu beitretenden Länder in Europa, niedrigere Steuersätze als die anderen zu haben; sie haben ja etwas aufzuholen. Wir als ein Land, das geographisch in der Mitte liegt, finden uns natürlich in der Situation, dass wir sowohl auf unsere Nachbarn im Norden und Westen als auch im Süden und Osten Rücksicht nehmen müssen. Wenn wir in Deutschland einen Steuersatz über 30 Pro­zent, in den neuen Beitrittsländern Steuersätze zwischen 16 und 19 Prozent haben, wir aber bei 34 Prozent liegen, das heißt, das Doppelte an Steuern verlangen, dann müs­sen wir unseren Steuersatz senken, wenn wir nicht Arbeitsplätze verlieren wollen.

Genau das ist der Grund für diese offensive Strategie. Wir glauben, dass wir damit einen Beitrag zur Steuerharmonisierung in Mitteleuropa und damit auch in Europa überhaupt geleistet haben. Das kann nicht sprunghaft von einem Land zum anderen erfolgen, sondern das muss allmählich erfolgen.

Kurz noch etwas, was mir besonders wichtig erscheint. Ich meine, das Wesentliche an dieser Steuerreform ist nicht nur, dass die Menschen netto mehr in der Tasche haben – es ist eine echte Steuersenkung, eine Nettosteuersenkung! –, sondern auch, dass von dieser Steuersenkung eine Wirtschaftsdynamik ausgeht, die nicht nur Öster­reich betrifft, sondern die auch unsere Position in Mitteleuropa weiter festigt.

Ich glaube daher, und das wollte ich dem Kollegen Eder sagen, dass jetzt haargenau der richtige Zeitpunkt dafür ist. Wenige Tage, nachdem die neuen Länder beigetreten sind, setzen wir das Zeichen. Wir senken die Steuern, wir sind wettbewerbsfähig nach Ost und nach West, nach Nord und nach Süd. Und ich kann Ihnen sagen: Jene Menschen, die Arbeit finden, werden uns dankbar dafür sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.09

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mandak. – Bitte.

 


14.09

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Kollege Scheuch! Überzogene Emanzipationspolitik – das gibt es nicht! Man kann nicht ein bisschen emanzipiert sein, ebenso wie man nicht ein bisschen schwanger sein kann. Entweder man ist es oder man ist es nicht – ganz ein­deutig! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es ist heute die Rede von der größten Steuerreform, die es je gegeben hat und je geben wird, und es ist die Rede von einer Steuerreform, bei der alle gewinnen wer­den. – Das wage ich zu bezweifeln. Ich möchte eine Frage stellen: Wenn Sie diese 3 Milliarden € in diese Steuerreform investieren werden, investieren wollen, woher wollen Sie denn diese 3 Milliarden nehmen?

Stichwort: profitieren. – Es profitieren einige. Ich habe heute den Ausführungen des jetzt den Vorsitz führenden Präsidenten Prinzhorn zugehört, und ich muss sagen, er war der Einzige, der wirklich leuchtende Augen gehabt hat, als er von dieser Steuer­reform gesprochen hat. Und das wundert mich nicht, denn er profitiert ja davon. (Abg. Wittauer: Wer?) Präsident Prinzhorn als Unternehmer, als Großunternehmer. Er profitiert sehr, sehr stark. (Abg. Wittauer: Was ist das nur für eine Neidgesellschaft?!)

Wenn Sie an die 2 Millionen Menschen in Österreich denken ... (Neuerlicher Zwischen­ruf des Abg. Wittauer.) Würden Sie mir zuhören, dann könnten Sie vielleicht nachvoll­ziehen, was ich sagen will: Ich habe von den leuchtenden Augen des Präsidenten Prinzhorn gesprochen und von den traurigen Augen jener 2 Millionen Menschen in


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Österreich, die von dieser Steuerreform nichts haben – nichts! –, weil sie nämlich weder einkommen- noch lohnsteuerpflichtig sind. Gerade diese Menschen, die die finanzielle Unterstützung am notwendigsten brauchen würden, gehen bei dieser Steuerreform völlig leer aus. Völlig leer! Aber das ist Ihnen offenbar gleichgültig.

Sie sagen, Sie wollen Weichen stellen. Sie stellen die Weichen ganz klar in eine Rich­tung, aber die führt nicht hin zur Umverteilung von Einkommen, zur Umverteilung von Reichtum, sondern sie führt dorthin, dass jene, die viel haben, noch mehr haben, und jene, die fast nichts beziehungsweise ganz wenig haben, noch weniger haben.

Die Frage ist: Woher kommt diese Finanzierung? An dieser Stelle danke ich Ihnen, Herr Kollege Auer – momentan ist er nicht im Saal –, für diese sehr offenen Worte aus der Sicht eines Bürgermeisters. Ich weiß, wie sich die Entwicklung in den Gemeinden in den letzten Jahren dargestellt hat. Die Situation ist die, dass die Ertragsanteile für die Gemeinden immer geringer geworden sind, daher immer weniger Geld in den Ge­meinden zur Verfügung gestanden ist und zur Verfügung steht und die Gemeinden somit immer weniger ihren eigentlichen Aufgaben nachkommen können.

Das Gleiche wird uns auf Bundesebene passieren. Es ist ja jetzt schon so, dass Sie mit der Begründung: Wir haben zu wenig Geld! zum Beispiel im Bereich der Pensionen immer mehr an öffentlichen Aufgaben, an öffentlicher Verpflichtung an die Betroffenen abwälzen und sagen: Wir können nur mehr einen Teil der Pension finanzieren, den Rest finanziert euch selbst, denn dazu haben wir das Geld nicht! (Abg. Wittauer: Wer soll es denn zahlen?) Wer es zahlen soll? Ich weiß nur, wer von dieser Steuerreform sehr satt profitiert, und ich finde, jene, die jetzt so satt profitieren, könnten gut einen Teil dieses Geldes abgeben, denn es gehört nicht dorthin, sondern es gehört dorthin, wo die Aufgaben des Staates liegen, nämlich in der Sicherung von Pensionen, in der Sicherung des Bildungsbereiches, und so weiter. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Als Familiensprecherin stelle ich natürlich auch die Frage, welche familienpolitischen Auswirkungen diese Steuerreform hat. Es war heute schon ein paar Mal von diesem Stichwort „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ die Rede, und in diesem Zusam­menhang ist natürlich der AlleinverdienerInnenabsetzbetrag zu nennen, der de facto in den meisten Fällen ein Alleinverdienerabsetzbetrag sein wird.

Sie wollen mit dieser Steuerreform Weichen stellen, aber Sie stellen auch hier die Weichen nicht in die Richtung, die Sie nach außen immer vertreten, sondern genau in die entgegengesetzte. Und das ist das, was mich wirklich verärgert! Sie sagen nach außen: Wir wollen die Wahlfreiheit zwischen Beruf und Familie, wir wollen, dass die Frauen entscheiden können, wir wollen, dass die Frauen berufstätig sein können. Im gleichen Atemzug aber machen Sie eine Steuerreform, durch die genau jene Familien bestraft werden, die sich das Erwerbseinkommen und die Familienarbeit gerecht aufteilen. Genau jene Familien, in denen beide erwerbstätig sind, beide ihren Beitrag zum Familieneinkommen leisten und sich beide um die Familie kümmern, werden bestraft. Die bekommen nämlich nichts, die fallen durch! (Abg. Wittauer: Das Wort „Männer“ habe ich nicht gehört! Nur das Wort „Frauen“!) Schauen Sie sich Ihren eigenen Entwurf, den Sie heute beschließen wollen, einmal an, dann werden Sie es sehen. Wenn Sie es bis jetzt noch nicht verstanden haben, dann sage ich es Ihnen noch einmal, und vielleicht überlegen Sie es sich noch, ob Sie aufstehen und genau diesen Weg mitbeschließen wollen. (Beifall bei den Grünen.)

Diese Familien verlieren also. Andererseits bevorzugen Sie auch Familien, in denen ein Teil unheimlich viel verdient, denn diese erhalten trotzdem den Alleinverdiener­absetzbetrag.


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Eine ganz klare Entscheidung also in die Richtung, dass Frauen doch bei den Familien zu Hause bleiben sollen oder vielleicht ein bisschen erwerbstätig sind, einen kleinen Nebenverdienst haben. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wittauer.) Da gibt es eben nicht mehr die freie Entscheidung, wenn Sie immer Ungerechtigkeiten schaffen. Dann ist einmal Schluss mit der freien Entscheidung. Sie schaffen keine Kinderbetreuungs­einrichtungen, Sie benachteiligen die Familien finanziell, und dann reden Sie von freier Entscheidung. Na super! Das stimmt einfach nicht! (Beifall bei den Grünen.)

Abschließend möchte ich Ihnen noch etwas sagen. In Ihrem Regierungsprogramm steht unter dem Titel „Frauenpolitik“ ganz groß und breit und dick geschrieben: Gender Mainstreaming. Sie haben gesagt, diese Regierung wird alle Maßnahmen, die gesetzt werden, auf ihre Auswirkungen auf Frauen und Männer untersuchen lassen. – Das haben Sie schon bei der Pensionsreform nicht getan, und jetzt tun Sie es wieder nicht! Auch bei dieser Steuerreform ist nicht untersucht worden, inwieweit sie Frauen zugute kommt und inwieweit sie Männern zugute kommt.

Ich kann Ihnen auch sagen, warum: weil nämlich von diesen 2 Millionen Menschen, die ich vorhin angesprochen habe, die das geringste Einkommen haben und die von dieser Steuerreform null profitieren, 70 Prozent Frauen sind. Das ist Ihnen aber gleichgültig. Sie schreiben schöne Sätze in Ihr Regierungsprogramm, aber wie die Realität Ihrer Politik ausschaut, ist Ihnen gleich, da handeln Sie genau gegenteilig.

Das ist das, was ich Ihnen immer am meisten zum Vorwurf mache. Nicht, dass Sie die Dinge so machen, wie Sie sie machen, das ist eine politische Entscheidung, aber nach außen zu verkaufen: Wir wollen, dass eine Gleichberechtigung kommt, wir wollen, dass Frauen gleich behandelt werden wie Männer! und dann Entscheidungen zu treffen, die genau in die gegenteilige Richtung gehen, das mache ich Ihnen zum Vorwurf! – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.17

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wittauer. – Bitte.

 


14.17

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Mandak! Es ist schon eigenartig: Ich habe mir ge­dacht, wir führen hier eine Steuerreform- oder eine Steuersenkungsdebatte und nicht eine Emanzipationsdebatte.

Wie auch immer, man versucht, so manchen ans Bein zu pinkeln – auch dem Prä­sidenten Prinzhorn –, nur weil sie erfolgreich sind. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich weiß, Neid muss man sich erarbeiten, und dann kommen die Neider und sagen eben solche Dinge. Ich bin froh, dass wir Abgeordnete und auch einen Präsidenten haben, die als Unternehmer erfolgreich sind, die nicht nur theoretisch über so manches sprechen, was andere wiederum wahrscheinlich nicht verstehen und deshalb eben nur versuchen können, sich theoretisch anzunähern.

Herr Abgeordneter Eder hat von einem Belastungspaket 1 und einem Belastungs­paket 2 gesprochen. – Nein, wir haben ein Sanierungspaket 1 und ein Sanierungs­paket 2 geschnürt, weil wir nämlich von der sozialdemokratischen Regierung Schulden in Höhe von 2 200 Milliarden Schilling übernommen haben. Das ist nicht etwas, das man so leicht wegstreichen kann. Dass dann auch noch Abgeordnete von diesem Red­nerpult aus den Finanzminister angreifen, ihn kritisieren, weil er versucht, Arbeit zu unterstützen – wir haben jetzt, da wir die Sanierung des Unternehmens Österreichs schon vollzogen haben, ein kleines Defizit –, ist schon eigenartig. Ich wundere mich, dass Sie sich trauen, auch das zu kritisieren.


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Es stimmt, dieses Entlastungspaket – zuvor gab es natürlich ein Sanierungspaket; das Unternehmen Österreich muss gut gerüstet sein, um erfolgreich in die Zukunft gehen zu können – haben wir zeitgleich mit dem EU-Beitritt der Ostländer geschnürt, und zwar mit folgenden Zielen: Wachstumspotential wird gestärkt, Standortqualität oder Aktivität wird verbessert, Faktor Arbeit wird entlastet, und – was mir als Umwelt­sprecher auch wichtig ist – umweltschonende Maßnahmen werden gefördert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Eigenkapitalbasis kleiner und mittlerer Unternehmen wird gestärkt, und die Ent­lastung der kleinen und mittleren Einkommen erhöht die Kaufkraft – etwas, das Sie immer kritisieren, dass es nicht stattfindet. Die vorliegende Steuerreform ist auch, glaube ich, ein großer Schritt in Richtung mehr Steuergerechtigkeit, und das Steuer­system wird vereinfacht.

Das, was mir als Landwirt auch Freude macht – das hat Uwe Scheuch richtig gesagt –, ist, dass endlich wieder einmal die Wettbewerbsfähigkeit der Bauern gefördert wird. Es ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, dass der Dieseltreibstoff, der in der Land­wirtschaft genutzt wird, entlastet wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Lackner.)

Im Großen und Ganzen kann diese Regierung auf ihre Arbeit stolz sein. Unser Vize­kanzler hat es schon erwähnt: Bezüglich Investitionspaket Straße/Schiene sagt die Bau­wirtschaft, man habe noch nie so gute oder so viele Arbeitskräfte zur Verfügung stellen können, man habe gute Ergebnisse erzielt. – Das ist erst vor kurzem in der Zeitung gestanden. Das sagt die Bauwirtschaft, weil sie natürlich auch über diese Investitionen, die für die Zukunft gut sind, gefördert wird.

Wenn dann auf einmal das Klagelied der Sozialdemokraten kommt und es heißt, wir hätten diejenigen, die keine Steuern zahlen, nicht entlastet, dann gebe ich Ihnen schon Recht: Wir haben sie nicht so stark entlastet, aber bei den Kollektivvertrags­verhand­lungen sind schon Sie und die Sozialpartner dafür zuständig, dass es diesen Men­schen besser und nicht schlechter geht – nicht wir als Regierungspartei.

Da müssen Sie ein bisschen besser arbeiten, dann wird für diese Gruppe vielleicht etwas Besseres herauskommen. Wir haben auf alle Fälle probiert, auch diese Per­sonen zu entlasten. (Abg. Lackner: ... Bartenstein ...! Genau das Gegenteil!) Wir ha­ben gerade mit diesen Maßnahmen kleinere Unternehmen wirklich steuerfrei gestellt. Man muss dieser Regierung wirklich zugestehen, dass dieses Steuerpaket vor allem für die unteren Einkommen gut ist.

Sie, Herr Kollege Lackner, als Gewerkschafter oder von mir aus als langjähriger Funk­tionär haben anscheinend keine Sorgen, aber jemand, der ganz normal da draußen lebt, der will etwas, nämlich Arbeit, denn ohne Arbeit hat er gar nichts. Sie wissen das ganz genau. Ich glaube, es ist ein wichtiger Faktor, dass wir ihm Arbeit besorgen.

Was den Standort Österreich angeht, ist schon ein paar Mal das „WirtschaftsBlatt“ zitiert worden. Österreich ist bis jetzt auf dem 13. Platz. Wir haben aufgeholt, wir haben die Schweiz überholt, wir haben Deutschland überholt. Irland ist knapp vor uns, aber das, was da geschrieben steht, ist, so glaube ich, wichtig:

Da sind allerdings die steuerlichen Förderungen von Forschungsausgaben, die Lehr­lingsprämien noch nicht berücksichtigt. Das und die 2005 kommende KöSt-Senkung sind für Wifo-Experten Karl Aiginger durchaus Dinge, die unsere Wettbewerbsfähigkeit noch mehr verbessern.

Ich denke, dass mit diesem Paket eine Steigerung möglich ist. Wir werden mit unserem Finanzminister, mit unserem Vizekanzler sicher unter die ersten Zehn kommen. Ich


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glaube, da wäre es angebracht, ein bisschen Applaus zu spenden, diese Steuerreform zu unterstützen und ihr zuzustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.23

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. – Bitte. (Bundesminister Mag. Grasser – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Gaßner –: Bitte positiv!)

 


14.23

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Aber gerne, Herr Finanzminister – wenn ich nur könnte, Herr Finanzminister.

Herr Präsident! Der Herr Finanzminister hat mich aufgefordert, positiv zu reden. Das geht bei dieser Steuerreform leider nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Mainoni: Na geh!)

Kollege Wittauer ist noch da. Er hat wieder die alte Platte aufgelegt mit dem Schul­den­berg und so weiter. (Abg. Wittauer: Ist ja Faktum!) – Ist ja Faktum. Faktum ist aber auch, dass die Schulden seit 1999 um 23,3 Milliarden € gestiegen sind – für dich: 320 Milliarden Schilling mehr Schulden. Das ist auch Faktum. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Die Zinsen sind das vom Schuldenberg! Das sind deine Zin­sen! Da brauche ich nicht einmal studiert sein! – Abg. Gradwohl – in Richtung des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch –: Uwe!)

Es ist wirklich spannend, diese Diskussion beziehungsweise die Realitäts­verweige­rung, die hier zum Teil geschieht, mitzuverfolgen. Herr Abgeordneter Fasslabend stand hier und sagte, es sei eine Steuerreform, bei der die Menschen mehr in der Tasche haben; nicht nur deswegen sei sie gemacht worden, aber die Menschen hätten mehr in der Tasche.

Herr Kollege Fasslabend, Sie wissen ganz genau, dass die Mehrbelastungen der schwarz-blauen Regierung von 2000 bis zum heutigen Tag weit mehr ausmachen, als Sie den Menschen jetzt durch die Steuerreform zurückgeben. Sie haben nicht mehr in der Tasche!

Sie wissen ganz genau, dass schon vor Ihrem „großen Wurf“ 2 Millionen Einkommens­bezieher überhaupt keine Steuern bezahlt haben. (Abg. Grillitsch: Wie viel macht das aus? Sagen Sie uns, wie viel es ausmacht, Herr Kollege Gaßner!) Was haben denn die mehr in der Tasche? – Mehr Zahlscheine für erhöhte Abgaben und Gebühren haben sie in der Tasche. So schaut es aus! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Vorwurf gegen uns, also gegen die sozialdemokratischen Vorschläge, war immer, wir würden Gegenfinanzierungen einführen. Ja, was macht denn der Finanzminister? Er gesteht nur ... (Zwischenruf des Abg. Wittauer.) – Das stimmt auch, dass er nichts macht. Danke.

Der Finanzminister macht nur (Bundesminister Mag. Grasser: ... eine große Steuer­reform!) oder sagt uns nur – über die „Neue Zürcher Zeitung“ hat er es uns mitgeteilt –, dass er das Budgetdefizit erhöhen wird. Ist das keine Gegenfinanzierung? (Abg. Grad­wohl: Oja!) Natürlich! Aber über erhöhte Staatsschulden, die alle treffen. Der große Wurf trifft wieder alle, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Grasser.)

Wen der Herr Finanzminister seit dem Jahr 2000 als Gegenfinanzierer lieb gewonnen hat – ich würde eher sagen: als „Melkkuh“ lieb gewonnen hat –, das sind die Gemein­den. Seit dem Jahr 2000 nimmt er den Gemeinden, wo es nur geht. (Abg. Reheis: Sauerei!) Ich fragte den Herrn Finanzminister, wie das denn bei der Steuerreform ausschauen werde. Da hat er mir mitgeteilt, dass von 2004 bis 2007 die Gemeinden


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exakt 977 Millionen € löhnen müssen – also knapp eine Milliarde € ist der Beitrag der Gemeinden –, ohne auch nur mit einem Deut darauf hinzuweisen, dass die Gemeinden irgendwie entlastet würden. (Abg. Dr. Fekter: Finanzausgleichsverhandlungen!)

Das ist Gegenfinanzierung, meine sehr geehrten Damen und Herren, und diese Gegenfinanzierung trifft wieder alle Menschen in den Gemeinden! (Abg. Reheis: So ist es! Eine Frechheit!) Für meine Gemeinde würde das ungefähr 150 000 € pro Jahr ausmachen! Wissen Sie, was das in meiner Gemeinde genau ist? – Das ist genau der Posten, das sind genau die Ausgaben, die wir brauchen, um unsere Kinderbetreuungs­einrichtungen, von der Krabbelstube bis zum Hort, zu finanzieren.

Wie wollen wir denn das einsparen, meine Damen und Herren? Schließen wir diese Einrichtungen? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Den Bürgermeistern die Gage kürzen!) Ich höre dann immer im Hintergrund: Nein, nein, verkaufen wir das vielleicht, privatisieren wir das, das wäre vielleicht ganz günstig.

Oder aber ich höre: Ihr müsst eben die Gebühren erhöhen. Und das höre ich nicht nur, sondern das schrieb mir sogar der Landesrechnungshof: Erhöht die Gebühren, dann ist alles wieder in Ordnung! (Abg. Reheis: Wen belastet es?)

Ja, wen belastet es? – Wieder genau jene, die von der Steuerreform überhaupt nichts spüren. Diese belastet es natürlich wieder am meisten. (Abg. Dr. Mitterlehner: Was kostet ein Kindergarten?) – Ich gebe euch dann gerne Unterricht, was das alles kostet und wie das finanziert wird.

Ich bringe aus diesem Grund gerne auch einen Entschließungsantrag ein (Abg. Steibl: Das brauchen wir nicht!), in dem es darum geht, dass die Gemeinden im Zuge der jetzt anstehenden Finanzausgleichsverhandlungen einen Ausgleich bekommen. (Abg. Dr. Mitterlehner: Was zahlt die Firma ...?) Ich stelle fest, dass die sozial­demo­kratischen Abgeordneten (Abg. Schöls: Wo sind die SPÖ-Bürgermeister? So schwach sind sie! – Gegenruf der Abg. Silhavy), die sich um die Gemeinden echte Sorgen machen, folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gaßner, Dr. Matznetter, Pendl, Heidrun Walther, Steier, Rose­marie Schönpass, Reheis, Ing. Kaipel, Gradwohl, Beate Schasching, Faul, Gabriele Binder, Gabriele Heinisch-Hosek, Dobnigg, Krist, Katharina Pfeffer, Erika Scharer, Schopf, Ulrike Königsberger-Ludwig, Dr. Wittmann und KollegInnen betreffend Finanz­ausgleich mit Rücksicht auf die finanzielle Situation der Gemeinden

Die ÖVP/FPÖ-Regierung entzieht seit dem Jahr 2000 den Gemeinden kontinuierlich Finanzmittel. Gleichzeitig werden den Kommunen neue Aufgaben aufgebürdet. Dies führt zu einer prekären Finanzlage vieler Gemeinden und zu drohenden Nachteilen für die Bevölkerung vor Ort. Viele Gemeinden sind derzeit bereits nicht mehr in der Lage, finanziell auszugleichen. Das jeweilige Bundesland muss mit Direktzahlungen einspringen.

Kommunen werden insbesondere durch die gegenständliche Steuerreform (wirksam ab 2005) wesentlich geringere Einnahmen verzeichnen. Die Senkung der Körper­schafts­steuer und der Lohnsteuer für bestimmte Einkommensgruppen wird sich mit ca. 300 Mio. jährlich negativ auswirken. Wie das WIFO festgestellt hat, weist die Steuer­reform bloß einen Selbstfinanzierungsanteil von 15% auf. Der Rest erfolgt auf Pump: als Budgetdefizit im Bundeshaushalt und durch Überwälzung auf Länder und Gemein­den.


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Im Zuge der kürzlich angelaufenen Verhandlungen zum Finanzausgleich zeichnet sich ab, dass die Bundesregierung nicht bereit ist, den Gemeinden einen bedarfsgerechten Anteil am Finanzkuchen zu geben. Dabei bietet gerade der Finanzausgleich eine Mög­lichkeit, die durch den Bund verursachten Finanznöte der Gemeinden zu lindern und sie wieder zu entlasten.

Gemeinden sind der größte öffentliche Investor. Ihre Investitionsbereitschaft ist wesent­lich für die wirtschaftliche Entwicklung der Region (gebündelt für die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs), womit insbesondere Arbeitsplätze geschaffen und erhalten werden.

Die Projekte, in die sie investieren bzw. die sie finanzieren, sind für das Leben der Bür­gerinnen und Bürger essenziell wichtig: Kindergärten, Schulen, Straßen, Kultur- und Informationsveranstaltungen, Freizeiteinrichtungen, Sportmöglichkeiten, Wasserver­bau­un­gen, Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime, Feuerwehr usw. Ein Verzicht auf derartige Einrichtungen der Daseinsvorsorge ist für die BürgerInnen unzumutbar. Die Gemeinden als unmittelbarer Lebensraum der Menschen müssen weiterhin in der Lage sein, die genannten Leistungen erbringen zu können.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, bei den aktuellen Finanzausgleichsverhand­lun­gen darauf zu achten, dass Länder und insbesondere Kommunen entsprechende Mittel zur Bewältigung ihrer Aufgaben bekommen. Die Belastung der BürgerInnen durch Ge­bührenerhöhung oder die Reduzierung von Leistungen der Daseinsvorsorge, die sonst notwendig wären, darf nicht die Alternative zu einem fairen Finanzausgleich sein.

*****

Ich lade Sie ein, meine sehr geehrten Damen und Herren, diesem Entschließungs­antrag auch zuzustimmen. Ich würde sogar so weit gehen, einen Vorschlag zu machen, aber Kollege Auer ist nicht einmal da. Da sein Entschließungsantrag die Stär­kung der Gemeindefinanzen beinhaltet hat, unser Entschließungsantrag ebenfalls die Stärkung der Gemeindefinanzen beinhaltet hat, meine ich: Stimmen wir beiden zu! (Abg. Grillitsch: Unserer ist besser!) Aber Sie werden nur Ihrem zustimmen, weil Sie geschwind einen einbringen mussten, da wir auch einen eingebracht haben. Aber ich biete das wirklich an, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Das haben wir vorher gemacht!)

Leider reicht die Redezeit nicht, noch weiter über die Gemeindefinanzen zu reden. Da würde ich wirklich noch einige Stunden benötigen.

Eine letzte Bemerkung möchte ich noch zum zweiten Tagesordnungspunkt, der heute unter einem verhandelt wird, machen. Es wird das Katastrophenfondsgesetz geändert, in dem auch in Zukunft für die Feuerwehr die Gerätschaften gesichert sind. (Abg. Dr. Fekter: Eine gute Sache!)

Frau Kollegin Fekter, eine hervorragende Sache! (Abg. Dr. Fekter: Eben!) Wir stimmen dem natürlich zu, nur ist der Haken dabei – und da geben Sie zu, dass diese Steuer­reform ein Schmarren ist –, dass Sie den Katastrophenfonds nicht mehr in der bis­herigen Form dotieren können. Das heißt, der Katastrophenfonds hat in Zukunft we­niger Geld zur Verfügung. Ich bin natürlich dafür, dass die Feuerwehren ihre Geräte


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bekommen. Aber wie schaut es denn mit den anderen Hilfsorganisationen aus, die wir im Katastrophenfall auch dringend brauchen? Bekommen auch die die Geräte, die sie brauchen?

Oder aber: Wie schaut es denn damit aus, dass im Zusammenhang mit der leider großen Katastrophe des August 2002 noch lange nicht alle Sanierungen abgeschlos­sen sind und vor allem noch lange nicht tatsächlich alle Präventivmaßnahmen gesetzt wurden?

Die Betroffenen werden sich schön anschauen, wenn Sie feststellen: Oje, dazu ist jetzt plötzlich kein Geld mehr da, weil die Mittel dieses Fonds durch die Steuerreform gesenkt werden müssen. – Die werden Augen machen, dort, wo Sie in geputzten Stiefeln gestanden sind und gesagt haben, dass Sie ihnen helfen werden.

Meine Damen und Herren! Dass die Feuerwehren mehr bekommen, dazu stehen wir, dem stimmen wir zu. Dass aber diese Steuerreform beschlossen wird, das ist nicht un­sere Sache. (Beifall bei der SPÖ.)

14.31

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gaßner, Dr. Matznetter, Pendl, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.

 


14.31

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Keine Frage, diese Steuerreform bringt eine Verän­derung der Finanzströme innerhalb der Gebietskörperschaften, auch innerhalb der Bürgerschaft.

Deshalb möchte ich gleich zu Beginn einen Abänderungsantrag einbringen, weil ich nicht den Vorredner tatsächlich berichtigen möchte. Ich möchte ihn nur darauf hin­weisen, dass er nichts Richtiges gesagt hat.

Mein Vorredner hat von den Feuerwehren gesprochen und meinte, die Steuerreform koste die Feuerwehren Geld. (Abg. Dr. Bauer: Hat er überhaupt nicht gesagt! – Abg. Mag. Gaßner: Ich habe zwei Mal gesagt: Dem stimmen wir zu! Das sind Doppel­sinnigkeiten der ÖVP!) Ich darf Herrn Mag. Gaßner sagen: Die Zuwendungen steigen auf 54 und in weiterer Folge auf 55 Millionen €.

Der Katastrophenfonds, dessen Zuwendungen heuer 264 Millionen € betragen, wird nächstes Jahr geringfügig gesenkt; 2006 werden es wieder 265 Millionen € sein. Wir haben hier bitte dokumentiert, dass das, was Sie gesagt haben, eine falsche Betrach­tung – oder wie immer Sie das nennen – war.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Bucher und Kollegen zum Bericht und Antrag des Finanzausschusses (462 der Beilagen) über den Antrag gemäß § 27 GOG betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Bericht und Antrag des Finanzausschusses (462 der Beilagen) über den An­trag gemäß § 27 GOG betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophen­fonds­gesetz 1996 geändert wird, angeschlossene Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:


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Die Änderung im § 7 entfällt und wird durch folgende Änderungen ersetzt:

1. In § 3 Z 2 wird die Wortfolge „und in den Jahren ab 2003: 8,49 vH“ durch ,„in den Jahren 2003 und 2004: 8,49 vH und in den Jahren ab 2005: 8,89 vH“ ersetzt.

2. In § 3 Z 4 wird die Wortfolge „und in den Jahren ab 2003: 73,67 vH“ durch ,„in den Jahren 2003 und 2004: 73,67 vH und in den Jahren ab 2005: 73,27 vH“ ersetzt.

*****

Ich bitte darum, dass dieser Abänderungsantrag auch angenommen wird.

Ich erinnere mich noch an die Zeit, als wir hier gesessen sind und diskutiert haben: nicht über eine Entlastung, nicht über eine Steuerreform, sondern über eine Belastung.

Wir müssen die Steuerreform heute so sehen, dass natürlich eine ganz gewaltige Altlast da ist – das muss man einmal ganz klar sagen –, die in 30 Jahren angehäuft worden ist. Da waren viele Parteien mit dabei, aber die Sozialdemokratische Partei stellte den Bundeskanzler und den Finanzminister.

Es gab Staatssekretäre von der Freiheitlichen Partei, es gab Staatssekretäre von unse­rer Partei, aber die Hauptverantwortung lag bei Ihnen. (Abg. Mag. Mainoni: Immer!) Und deshalb müssen wir diese Dinge ganz klar sehen. – Punkt eins.

Punkt zwei: Ich habe mir heute zu Beginn der Rede des Budgetsprechers oder Finanz­sprechers der SPÖ, Dr. Matznetter, erwartet, dass er eine sachliche Bewertung vor­nimmt. Ich konnte eigentlich nur feststellen, dass es eine Regierungsattacke war.

Ich möchte hier nicht urteilen, es steht mir auch nicht zu, aber eines ist klar, Herr Dr. Matznetter: Sie haben sich sicherlich nicht die Voraussetzung für den nächsten Finanzminister geschaffen. Dazu war Ihr Redebeitrag zu wenig bedeutungsvoll oder zu wenig inhaltsreich. Sie haben das Ganze nur in der Farbe gesehen und nicht in der Sache; das ist das Problem. Wenn Sie immer nur die Farbe betrachten und nie zur Sache kommen, kann von Ihnen natürlich keine positive Beurteilung kommen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Tatsache ist, dass Sie durchgehend den Regierungsansatz für falsch gehalten haben. Aber ich habe, bei größter Aufmerksamkeit, keinen einzigen Vorschlag von Ihnen gehört, aber auf den hätten viele gewartet. Das war das Manko Ihres Redebeitrages, der Rede eines Vertreters der größten Oppositionspartei. Das darf hier festgestellt wer­den. (Abg. Mag. Molterer: Auch Androsch hat das gesagt!) – Auch Androsch hat das gesagt.

Diese Reform ist ein gewaltiger, großer Akt im Steuerbereich, und zwar insofern, als es keine Neubelastung gibt. Ich sage es noch einmal – so habe ich angefangen –: Früher hat man immer von Belastung gesprochen, jetzt können wir umverteilen und entlasten.

In weiterer Folge ist diese Reform eine Antwort auf die Entwicklung, wie wir sie derzeit haben, ein erster Schwerpunkt: die Entlastung der heimischen Wirtschaft. Sie kennen die entsprechenden Zahlen, sie sind heute schon alle genannt worden.

Worum geht es? – Es geht darum, dass wir Arbeitsplätze, die wir haben, auch halten und Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass neue in Österreich angesiedelt werden, dass sie nicht an Österreich in andere Länder vorbeigehen und wir dann das Nach­sehen haben. Dann ist es zu spät. Mit dieser Reform erbringen wir positive Voraus­setzungen; ich denke, das könnten Sie doch wirklich mittragen und mitverantworten.


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Es gibt eine Reihe weiterer Änderungen, die Sie bereits kennen, und vor allem legen wir großen Wert darauf – auch diese Tatsache ist noch einmal anzusprechen –, dass wir gerade im familienpolitischen Bereich aktiv sind.

Meine Damen und Herren! Das alles ist durchaus herzeigbar. Wenn Sie den Ein­kom­mensbericht der Bundesregierung lesen, dann merken Sie – lesen Sie ihn genau –, dass da Handlungsbedarf besteht. Und dieser Tatsache wird mit dieser Reform ent­sprochen.

Bitte vergessen Sie auch nicht: Wenn Sie alles ablehnen, dann Sie lehnen auch die Pendlerpauschale ab, die ebenfalls angehoben wird. Wollen Sie denn das wirklich? – Wir müssen den Menschen draußen sehr deutlich sagen, dass Sie in Wirklichkeit gegen die Familien, gegen Arbeitsplatzsicherung, gegen Arbeitsplatzschaffung, gegen die Pendler sind und dass Sie auch gegen eine Entlastung der Mineralölsteuer in der Landwirtschaft sind. Auch das muss gesagt werden: Auch dort sind Arbeitsplätze angesiedelt, die gehalten werden müssen. Wenn die Arbeitsplätze von dort weg­wan­dern, werden sie woanders sein, und das belastet wieder die Wirtschaft. Das werden Sie doch nicht wollen?!

Daher bitte ich Sie: Denken Sie nach, bevor Sie nein sagen! Wenn Sie nein sagen, machen Sie einen unverzeihlichen Fehler. Dann können Sie sich auf den Wahltag freuen! Die Bürger werden wissen, wer in diesem Land Politik für die Zukunft macht – und wer in diesem Land Politik für die Zukunft verhindert. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.38

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Bucher und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Ich erteile es ihr.

 


14.38

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Grasser, ich habe an Sie bereits letztes Jahr eine Anfrage gestellt, als damals zur Diskussion stand, dass es eine Steuerreform geben wird.

Sie haben mir am 17. Juni 2003 zurückgeschrieben, so nach dem Motto: Was wollen Sie denn, wir haben doch ohnehin so viel für die Behinderten getan?! Wir haben ein Bundesbehindertengleichstellungsgesetz erarbeitet – das gibt es noch nicht –, wir haben die österreichische Rechtsordnung durchforstet – das haben nicht Sie gemacht, das war die Regierung Klima – und, und, und. Das haben Sie alles in die Anfrage­beantwortung hineingeschrieben, was Sie nicht alles gemacht hätten.

Deshalb sähen Sie es auch überhaupt nicht ein, warum Behindertenfreibeträge nach 16 Jahren angehoben werden sollen beziehungsweise dass sie in Form von Negativ­steuern, in Form von Absetzbeträgen auch ausbezahlt werden können. Das haben Sie mir alles geschrieben.

Jetzt stellen Sie sich vor, wir drehen die Geschichte einmal um! Gehen wir davon aus, Sie würden das jemand anderem antworten, wobei es zum Beispiel um die Erhöhung der Kinderabsetzbeträge geht, und Sie würden dann zurückschreiben: Bekommt ihr nicht, ihr habt die Familienbeihilfe, es gibt das Kinderbetreuungsgeld. Was wollt ihr denn noch alles?


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Ich bin überzeugt davon, das würden Sie politisch nicht überleben. Aber wenn es um behinderte Menschen geht, ist anscheinend wirklich alles drinnen, da kann man tun und lassen, was man will. Das sieht man ja jetzt bei dieser Steuerreform.

Herr Minister! Wenn Sie sagen – und so oft können Sie das gar nicht sagen, dass es wahrer wird, weil es ist einfach nicht wahr ist –, dass auch behinderte Menschen von dieser Steuerreform profitieren, so sage ich: Einen Schmarren profitieren sie!

Wissen Sie, dass in Österreich 80 Prozent der Pflegegeldbezieher ein Einkommen unter 1000 € haben? 80 Prozent! Das sind über 250 000 Menschen, und denen kön­nen Sie nicht sagen: Na gut, wenn dein Aufwand höher ist, dann machst du das eben im Rahmen der Steuererklärung! – Man kann es schicken, aber man bekommt nichts, weil man ja keine Steuer zahlt. (Bundesminister Mag. Grasser: Frau Kollegin Haidl­mayr! Die Behindertenmilliarde ...!)

Herr Minister! Solch eine Frotzelei muss man sich, ehrlich gesagt, wirklich von nieman­dem gefallen lassen – auch nicht von Ihnen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der SPÖ. – Bundesminister Mag. Grasser: Frau Kollegin Haidlmayr! Die Behin­dertenmilliarde zum Beispiel, die wir eingeführt haben!)

Herr Minister, ich habe mich schon mit Steuerrecht beschäftigt, da sind Sie noch in die Volksschule gegangen. Es ist halt einmal so. (Beifall bei den Grünen.) Und was das Steuerrecht der Bürgerinnen und Bürger mit geringerem Einkommen betrifft, kenne ich mich wahrscheinlich hundert Mal besser aus als Sie, denn Sie decken ja nur die obere Ebene ab; wer viel hat, der soll noch mehr bekommen. Das machen Sie gut, da kann man wirklich nichts sagen.

Aber von den Menschen mit geringem oder geringstem Einkommen haben Sie über­haupt keine Ahnung, denn wenn Sie nur einen Hauch von Ahnung hätten, hätten Sie mir nicht solch eine Anfragebeantwortung zukommen lassen können. Das war wirklich der Gipfel dessen, was ich in letzter Zeit an Anfragebeantwortungen bekommen habe! Ich habe schon wieder eine Anfrage an Sie gerichtet und bin neugierig, was Sie in deren Beantwortung schreiben werden. Wahrscheinlich lassen Sie die Stehsätze von der letzten hineinkopieren, und das bekommt dann wieder die Haidlmayr, denn bei den Behinderten ist es sowieso egal – so nach diesem Motto.

Herr Minister, so geht es ganz einfach nicht! Sie wissen genau, dass es seit 16 Jahren keine Änderung bei Freibeträgen von behinderten Menschen gegeben hat. Ganz im Gegenteil: 1996 haben SPÖ und ÖVP gemeinsam den Behindertenfreibetrag abge­schafft; für PflegegeldbezieherInnen wurde er abgeschafft. Es hat geheißen: Jetzt be­kommt ihr ohnehin das Pflegegeld, was wollt ihr denn noch alles haben?! Also wurde er abgeschafft. Dies war die letzte Änderung, und die war negativ. – Seit 16 Jahren hat sich in dieser Richtung nichts mehr positiv verändert.

Herr Minister! Bei dieser Gruppe von Menschen, von denen ich jetzt gesprochen habe, nämlich von Menschen mit Behinderungen, betrifft die Steuerreform, wo die Leute wieder nichts bekommen, zu zwei Drittel Frauen. Das heißt, die Frauen sind durch­gehend auf jeder Ebene benachteiligt. Und Sie, Herr Minister, setzen sich wirklich hier her und sagen: So ist es halt, wir sind wir, und wir lassen das so; wenn ihr etwas anderes wollt, dann fragt um Weihnachten nach, aber dann kriegt ihr es auch nicht, denn dann gibt es ohnehin die Aktion „Licht ins Dunkel“! – Das ist keine Politik, Herr Minister! Das ist verwerflich, und das haben sich Menschen mit Behinderung nicht verdient! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Jetzt möchte ich noch auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Auer zu sprechen kommen. Während seiner Rede habe ich mir gedacht, er sei aus der Opposition, denn so viel Wahrheit, wie er hier gebracht hat, kommt eigentlich selten


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von einem Abgeordneten einer Regierungspartei, der noch dazu heute ein Gesetz beschließt, bei dem es ihm im Bauch alles umdreht – aber er wird es mitbeschließen, und dafür habe ich überhaupt kein Verständnis.

Ich möchte das jetzt noch einmal sagen: Herr Auer hat als einen Punkt das Pflegegeld angesprochen, man habe so viele Aufwendungen und das Pflegegeld sei seit 1996 nicht valorisiert worden. – Es ist nicht valorisiert worden, denn 1996 hat die SPÖ gemeinsam mit der ÖVP die Valorisierung abgeschafft, bis heute gibt es sie nicht. Herr Auer war aber damals, was ich weiß, schon in einer Regierungspartei und ist es auch heute. Hier also darüber zu jammern, dass das Pflegegeld nicht valorisiert worden ist, ist ein Witz, denn er sitzt in einer Regierungspartei.

Wenn es ein ernsthaftes Anliegen wäre, dass die Gemeinden für den Pflegebereich mehr Geld bekommen sollen, dann müssten Sie ganz einfach das Pflegegeld valorisie­ren. Wenn man es aufrechnet seit 1996, sind das 26 Prozent. Er möchte ohnehin nur 20 Prozent, hat er gesagt. Das wäre locker drinnen, man müsste es nur auch machen und nicht nur davon reden. Aber getan wird nichts!

Noch ein Punkt: Besteuerung der Unfallrenten. – Herr Minister, dass Sie von den UnfallrentenbezieherInnen heuer kein Geld mehr bekommen, haben Sie sich selbst zuzuschreiben, denn wenn Sie schon solche Gesetze machen, dann sollten Sie sie so machen, dass sie vor dem Verfassungsgerichtshof halten. Dieses Gesetz hat nicht gehalten, und es war klar, dass es nicht halten kann. Dass Sie die Unfallrenten über­haupt besteuert haben, war sowieso das Letzte, das Sie aus behinderten Menschen noch „heraussaugen“ konnten. Da ist Ihnen jetzt ein Strich durch die Rechnung gemacht worden, und das ist gut so.

Herr Minister, Sie bekommen von mir noch jede Menge Anfragen, und irgendwann werden Sie es sich abgewöhnen, mir Stehsätze zu schreiben, was Sie alles getan haben, das Sie gar nicht getan haben, und irgendwelche Dinge zurückzuschreiben, die mit der Realität überhaupt nichts zu tun haben. Glauben Sie mir, da sitze ich auf dem längeren Ast, da haben Sie Pech gehabt. Sie werden von mir mit Anfragen wirklich überschwemmt werden – nicht nur, damit ich den Genuss habe, sondern weil die Antworten, die Sie mir da immer geben, zu jenen Personen hinausgetragen werden, die das betrifft.

Frau Pablé hat heute gesagt, dass die Opposition alles so schlecht macht, sodass die Leute das nicht mehr glauben, weil die Opposition so böse ist. – Bitte, was schlecht ist, kann man nicht gut machen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Dass die Leute kapiert haben, was gut und was schlecht ist, das müssten gerade die Regierungsparteien in den letzten vier Jahren mitbekommen haben. Die Bevölkerung ist nicht dümmer als die Abgeordneten dieses Hauses. Aber offensichtlich wird das immer noch falsch eingeschätzt. Die Rechnung dafür bekommen Sie regelmäßig, und Sie bekommen sie auch weiterhin. Und ich freue mich darüber das nächste Mal noch viel stärker als diesmal. Da können Sie sicher sein.

Ich garantiere Ihnen: Wenn heuer das Behinderten-Gleichstellungsgesetz in diesem Parlament nicht beschlossen wird, nämlich ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz, das seinen Namen auch verdient, dann steht nächstes Jahr kein Stein mehr auf dem anderen, denn die behinderten Menschen haben es nicht verdient, Tag für Tag dis­kriminiert zu werden. – Und Sie grinsen dazu und finden das auch noch lustig. So geht es nicht mehr! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.46

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rossmann. – Bitte.

 



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14.47

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Kollegin Haidlmayr, man muss die Kirche schon im Dorf lassen. Ich denke, keine Bundesregierung der letzten Jahre hat so viel für Behinderte getan wie diese Bundesregierung (Abg. Öllinger: Nein!) unter Sozialminister Herbert Haupt. (Abg. Öllinger: Seien Sie froh, dass die Kollegin Haidlmayr gerade hinausgegangen ist!)

Viele behinderte Menschen sind Gott sei Dank in den Arbeitsprozess integriert, und die profitieren genauso von dieser Steuerreform. (Abg. Öllinger: Wo? Wo denn? Sie hat ja die Zahlen genannt!) Vielfältigst, Computerarbeit, vieles von zu Hause aus (Abg. Grad­wohl: Nur zwei Beispiele!), durchaus auch im neuen Networking-Verkauf; ich denke dabei an diverse Gesundheitsprodukte und so weiter. Da kommt ganz schön etwas an steuerpflichtigem Einkommen zusammen, und auch diese Personen profitieren. Ich kenne viele, die über genau diese Steuerreform glücklich sind.

Diese Regierung hat sich auch dazu bekannt, Fehler, die sie macht, wieder gut zu machen. So ist die Unfallrentenbesteuerung seit 1. Jänner 2004 wieder generell abge­schafft (Abg. Mag. Mainoni: So ist es! Während die SPÖ auf ihren Fehlern drauf­geblieben ist!), und das muss man auch in Erinnerung rufen. Da haben Sie nicht mitgestimmt, da haben Sie dagegen gestimmt! (Abg. Gradwohl: Das war der VfGH!) – Nein, das hat mit dem VfGH nichts zu tun. Es gibt generell keine Unfallrenten­besteu­erung mehr seit 1. Jänner 2004. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Da haben Sie nicht mitgestimmt, genauso wie Sie bei der Abschaffung der Ambulanz­gebühr nicht mitgestimmt haben! (Abg. Öllinger: Dafür werden wir gewesen sein!) Sie werden auch heute nicht mitstimmen, was wir ja nicht verstehen, wo Sie und Ihr Kollege Matznetter doch noch vor einem Jahr vehement die Steuerreform gefordert haben. Kollege Scheibner hat ja die Anträge mit Ihren Forderungen heute vorgelesen. Sie haben vehement die Steuerreform zur Kaufkraftstärkung gefordert. Ich sage durch­aus: Über den Zeitpunkt können wir reden. Auch damals war die Freiheitliche Partei der Meinung, die Steuerreform hätte schon kommen sollen (Abg. Mag. Gaßner: So schaut es aus!) – allen voran unser Herr Landeshauptmann in Kärnten, der letztendlich Chefverhandler dieser Steuerreform war.

Wir können über den Zeitpunkt reden, aber dann reden wir auch über den Zeitpunkt, den seinerzeit Finanzminister Edlinger gewählt hat für sein so genanntes Steuer­reförmchen, über das wir damals gesagt haben, dass es unfinanzierbar ist, dass ein Budgetloch aufgerissen wird. (Abg. Gradwohl: Und was passiert jetzt?) Er hat dann vehement – auch in vielen Pressemeldungen – gesagt, es werde kein Budgetloch geben. Was sich dann nach dem Kassasturz des Finanzministers jedoch gezeigt hat, war kein Budgetloch, sondern ein ganzer Budgetkrater, mit dem wir heute noch zu kämpfen haben.

Wenn diese Steuerreform jetzt nicht gegenfinanziert wird, dann ist das auch das Verdienst, das sage ich auch, dieser Regierung (Abg. Öllinger: Wie schaut es dann mit dem Krater aus?), die rechtzeitig so gewirtschaftet hat, dass diese Steuerreform machbar ist, nämlich über einen langen Budgetzyklus ein minimales Defizit zustande zu bringen, dass man diese Steuerreform finanzieren kann.

Was ich in dieser heutigen Debatte schon überhaupt nicht mehr hören kann, weil es nicht ernst zu nehmen ist – Ihnen fällt aber anscheinend überhaupt nichts anderes ein –, ist, dass Sie sagen, die kleinen Betriebe profitieren nicht. (Abg. Mag. Gaßner: Ich glaube eh, dass Sie das nicht mehr hören können!) Das ist doch bitte lächerlich!


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Bitte, Herr Matznetter, wenn Sie das sagen, dann muss ich dem entgegenhalten, dann waren Sie noch nie in einem kleinen Betrieb.

Erstens: 10 000 € sind auch für die kleinen Betriebe die Grenze. Zweitens muss ich sagen: Genau mit dieser Steuerreform kommen auch diverse Pauschalierungs­verord­nungen zur Umsetzung. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe: Das Ermächtigungs­gesetz für die Pauschalierungsverordnungen liegt seit Lacina im Finanzministerium, wurde aber noch nie umgesetzt. Diese Regierung wird jetzt diese Verordnung zum ersten Mal umsetzen, damit auch die kleinen Gewerbetreibenden endlich diese Pau­schalierung, die sie verdienen und die wir auch immer gefordert haben, bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie davon sprechen, dass die Kleinstverdiener nicht von dieser Steuerreform profitieren, dann kann ich nur einmal mehr sagen: 900 000 AlleinerzieherInnen und Alleinverdiener profitieren, selbst wenn sie keine Steuer zahlen, profitieren sie jetzt vehement auf Grund einer Negativsteuer, weil die Kinderabsetzbeträge erhöht wurden. Das hat diese Regierung zustande gebracht. Sie hätten Zeit genug gehabt, das zu machen, aber Sie haben das alles verabsäumt.

Jetzt sind Wehklagen und Mitleid zu hören. Und ich sage durchaus auch: Sie stimmen aus reinem Neid nicht zu (Abg. Öllinger: So wie bei der Ambulanzgebühr und bei den Unfallrenten! Das war der Neid!), weil Sie es einfach dieser Regierung gar nicht vergönnen, dass sie sagen kann, die größte Steuerreform aller Zeiten zustande ge­bracht zu haben. Sie können es nicht.

Der beste Beweis dafür, dass Sie aus reinem Neid nicht zustimmen, ist, dass Ihr Vorsitzender heute in dieser Debatte kein einziges Mal das Wort ergriffen hat. Er ist nicht auf der Rednerliste, hat sich nur kurz anschauen lassen und ist wieder gegangen. (Abg. Dr. Matznetter: Und der Herr Bundeskanzler?) Das ist ja überhaupt der beste Beweis dafür, dass Ihr Fraktionsvorsitzender in der Fraktion nicht das entsprechende Gewicht hat, um zu diesem wichtigen Thema zu reden. (Abg. Mag. Mainoni: Das sind Grabenkämpfe in der SPÖ!) Das Ganze steht unter dem Motto: Schicken wir eben einmal andere hinaus, ich sage dazu nichts, wir schauen uns das Ganze an und stimmen trotzdem dagegen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.52

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ein weiteres Mal zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. Ich erteile es ihm.

 


14.52

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Meine Damen und Herren! Kollegin Rossmann hat darauf hingewiesen: Es gibt Parteivorsitzende, die nichts dazu zu sagen haben. Der Bundeskanzler war kurz da. Er ist ja unzuständig, wie die Begründung des eigenen Klubobmanns war, und man merkt die Unzuständigkeit. Sie sollten also eher auf die eigene Regierung schauen.

Weil die Zeit knapp ist, gehe ich auf ein paar Punkte ein, die wichtig sind. Erstens zur Feststellung des Kollegen Stummvoll, dass es bei den Großbetrieben angeblich so viele Beschäftigte gäbe. Damit Sie nicht darüber streiten müssen: Ich habe das Statistische Jahrbuch 2003 der Wirtschaftskammer zur Hand genommen. Betriebe mit 1 000 und mehr Beschäftigten haben von insgesamt 2 568 279 Beschäftigten 2003 nur 375 255 beschäftigt. Das ist im Übrigen jene Gruppe von Betrieben, die seit 1990 eine rückläufige Beschäftigung haben. Die anderen, die mehr haben, sind die ganz kleinen bis 99. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.) Die Kammer zeigt auch sehr schön in einer Graphik, dass die Klein- und Mittelbetriebe jene sind, die Beschäftigung bieten.


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Da Kollegin Rossmann die Frage der Pauschalierung als einzige Maßnahme für die KMUs aufgeworfen hat, möchte ich zwei Dinge anmerken:

Erstens: Sie stimmen heute mit, dass die Mindest-KöSt aufrecht bleibt, das heißt, 30 000 KMUs weiterhin mehr als 34 Prozent Steuer zahlen müssen, sonst hätten sie bisher keine Mindest-Körperschaftsteuer zahlen müssen.

Zweitens: Sie haben als Maßnahme bei den Einzelfirmen und Personengesellschaften nur zugestimmt, den nicht entnommenen Gewinn zu fördern. Jene Betriebsinhaber, die von ihrem Einkommen leben müssen und den Gewinn nicht auf die Sparkasse tragen können, bleiben über – und das wissen Sie ganz genau –, die lassen Sie im Regen stehen. Das ist die Politik von ÖVP und FPÖ! (Beifall bei der SPÖ.)

Da Sie sich darüber beschweren, dass wir dem Gesetz nicht zustimmen, möchte ich betonen: Ich bin heute noch froh, dass wir auch dem Budgetbegleitgesetz 2003 nicht zugestimmt haben.

Außerdem bringen wir heute einen Abänderungsantrag ein – da können Sie nämlich zeigen, wo Sie zustimmen –, in dem wir unsere Formel durchsetzen wollen, die eine Entlastung in jeder Stufe der Progression bringt. Wir wollen gleichzeitig beim Pend­lerpauschale eine wirkliche Abgeltung der Inflation, die seit der letzten Änderung ein­getreten ist, das heißt eine Erhöhung um 30 Prozent. Wir wollen die Negativsteuer verdoppeln, wie es unser Vorschlag bereits 2002 war. Frau Kollegin Rossmann, dem hätten Sie damals als Regierungsmitglied eigentlich zum Durchbruch verhelfen sollen. Damals war es nämlich richtig, denn damals hat die Konjunktur gelahmt. Richtiger­weise wollte 2002 dann auch die FPÖ, dass die Steuerentlastung vorgezogen wird. Das war aber unser Antrag. Sie haben es nicht gemacht – wir stellen ihn hier neu.

Wir wollen, dass das Kapitel Kinderzuschläge aufgeschoben wird, und wir wollen, dass bei der Kirchensteuer auch Spenden für mildtätige Zwecke berücksichtigt werden kön­nen. Wir wollen weiters den Entfall aller Artikel betreffend Körperschaftsteuer, Grup­penbesteuerung und flankierende Maßnahmen, nämlich Artikel 2 Ziffer 3, Artikel 3, Artikel 7. – Ich brauche es nicht vorzulesen, weil es schriftlich im Plenum aufliegt.

Mit diesem Abänderungsantrag, meine Damen und Herren, plus dem Entschließungs­antrag, den Kollege Mag. Moser einbringen wird, werden wir darstellen, wer wo nicht zustimmt. Unser Vorschlag heißt: etwas mehr für die Arbeitnehmer und zurück an den Start für eine gescheite Steuerreform durch die Regierung, die die Strukturen behebt.

Nur zur Erinnerung, meine Damen und Herren: Bei den direkten Steuern brauchen wir nicht mit der Körperschaftsteuer hinunterzugehen. Da sind wir unter dem Durchschnitt der Europäischen Union. Das, wo wir mit Österreichs Steuern und Abgaben über dem Schnitt sind, sind die Lohnsummensteuern und die Sozialversicherungsbeitrags­finan­zierungen. Dort müsste eine Steuerreform ansetzen, an der wir alle zusammen ar­beiten sollten. Sie haben uns bisher dazu nicht einmal eingeladen, weil Sie Ihre Geschenke an die Lobbyistengruppen verteilt haben. Und die Zeche zahlen die Steuerzahler mit einer Budgetbombe, die im Jahr 2006 oder 2007 losgeht, denn die 1,1 Milliarden bei der KöSt werden nicht reichen. Die Gruppenbesteuerung ist dabei das Scheunentor; es wird extrem teuer werden.

Herr Präsident! Ich bitte darum, meinen Abänderungsantrag in Verhandlung zu neh­men. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.56

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben in seinen Kernpunkten erläu­ter­te Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Matznetter, Mag. Moser, Mag. Hoscher ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung. Gemäß § 53 Abs. 4 der


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Geschäftsordnung wird er an die Abgeordneten verteilt und auch dem Steno­gra­phischen Protokoll beigedruckt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Matznetter, Mag. Moser, Mag. Hoscher und KollegInnen zum Gesetzesentwurf im Bericht des Finanzausschusses 461 der Beilagen über die Re­gierungsvorlage 451 der Beilagen betreffend Steuerreformgesetz 2005 – StReformG 2005

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

1. Artikel I Ziffer 2 entfällt.

2. Artikel I Ziffer 6 lautet:

„6. In § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b treten an die Stelle der Beträge von „384 Euro“, „768 Euro“ und „1.152 Euro“ die Beträge von „516 Euro“, „1.014 Euro“ und „1.512 Euro“.“

3. Artikel I Ziffer 7 lautet:

„7. In § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c treten an die Stelle der Beträge von „210 Euro“, „840 Euro“, „1.470 Euro“ und „2.100 Euro“ die Beträge von „276 Euro“, „1.104 Euro“, „1.914 Euro“ und „2.742 Euro“.“

4. Artikel I Ziffer 8 lautet:

„8. § 18 Abs. 1 Z 5 lautet:

‚5. Beiträge an gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften sowie an inländische juristische Personen, die gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen, höchstens jedoch „100 Euro“ jährlich.’“

5. Artikel I Ziffer 10 lautet:

„10. In § 33 lauten Abs. 1 und 2:

‚(1) Die Einkommensteuer beträgt jährlich für ein Einkommen

bis 10 000 Euro: 0;

von 10 001 bis 22 000 Euro:

( 0,01 . ( y – 10 000 ) + 3 500 ) . ( y – 10 000 ) / 10 000;

von 22 001 bis 35 000 Euro:

( 0,01 . ( y – 22 000 ) + 4 300 ) . ( y – 22 000 ) / 10 000 + 4 344;

von 35 001 bis 50 870 Euro:

( 0,028 . ( y – 35 000 ) + 3 900 ) . ( y – 35 000) / 10 000 + 10 103;

von 50 871 Euro an:

0,5 . y- 8 437,5.

"y" ist das auf ganze Euro abgerundete Einkommen (§ 2 Abs 2).

(2) Von dem sich nach Abs. 1 ergebenden Betrag sind die Absetzbeträge nach Abs. 4 bis 6 abzuziehen. Dies gilt nicht für Kinderabsetzbeträge im Sinne des Abs. 4 Z 3 lit. a. Absetzbeträge im Sinne der Abs. 5 oder des Abs. 6 sind insoweit nicht abzuziehen, als


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sie mehr als 22 % der zum laufenden Tarif zu versteuernden lohnsteuerpflichtigen Einkünfte betragen. Im Falle des § 3 Abs. 2 ist der sich aufgrund der Umrechnung ergebende Jahresbetrag heranzuziehen.’“

6. Artikel I Ziffer 12 lautet:

„12. § 33 Abs. 4 Z 1 und 3 werden wie folgt geändert:

‚a) In der Z 1 tritt an die Stelle des Betrages von „4.400 Euro“ der Betrag von „10.000 Euro“

b) In der Z 3 lit. a tritt an die Stelle des Betrages von „50,90 Euro“ der Betrag von „70 Euro“ monatlich.’“

7. Nach Artikel 12 wird folgender Artikel 12a eingefügt:

„12a. § 33 Abs. 5, 6, 8 und 10 werden wie folgt geändert:

‚a) § 33 Abs. 5 lautet:

„(5) Bei Einkünften aus einem bestehenden Dienstverhältnis stehen folgende Absetzbeträge zu:

1.Ein Verkehrsabsetzbetrag von 291 Euro jährlich.

2.Ein Arbeitnehmerabsetzbetrag von 220 Euro jährlich, wenn die Einkünfte dem Lohnsteuerabzug unterliegen.

3. Ein Grenzgängerabsetzbetrag von 220 Euro jährlich, wenn der Arbeitnehmer Grenzgänger

(§ 16 Abs. 1 Z 4) ist. Dieser Absetzbetrag vermindert sich um den im Kalenderjahr zu berücksichtigenden Arbeitnehmerabsetzbetrag.“’

‚b) § 33 Abs. 6 lautet:

„(6) Soweit einem Steuerpflichtigen die Absetzbeträge nach Abs. 5 nicht zustehen, hat er Anspruch auf einen Pensionistenabsetzbetrag bis zu 511 Euro jährlich, wenn er Bezüge oder Vorteile im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 1 oder Z 2 für frühere Dienst­verhältnisse, Pensionen und gleichartige Bezüge im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 3 oder Abs. 1 Z 4 bis 6 bezieht. Bei Einkünften, die den Anspruch auf den Pensionis­ten­absetzbetrag begründen, steht der Werbungskostenpauschbetrag nach § 16 Abs. 3 nicht zu. Der Pensionistenabsetzbetrag vermindert sich gleichmäßig einschleifend zwischen zu versteuernden Pensionsbezügen von 20 000 Euro und 30 000 Euro.“’

‚c) § 33 Abs. 8 lautet:

„(8) Ist die nach Abs. 1 und 2 errechnete Einkommensteuer negativ, so sind

der Alleinverdienerabsetzbetrag bei mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) oder der Alleinerzieherabsetzbetrag in Höhe von höchstens 364 Euro sowie

bei Steuerpflichtigen, die Anspruch auf den Arbeitnehmerabsetzbetrag haben, 10% der Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 3 lit. a (ausgenommen Betriebsrats­umlagen) und der Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 4 und 5, höchstens aber 220 Euro jährlich,

gutzuschreiben. Die Gutschrift ist mit der nach Abs. 1 und 2 berechneten negativen Einkommensteuer begrenzt und hat im Wege der Veranlagung oder gemäß § 40 zu erfolgen. Der Kinderabsetzbetrag gemäß Abs. 4 Z 3 lit. a bleibt bei der Berechnung der Steuer außer Ansatz.“’


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‚d) § 33 Abs. 10 lautet:

„(10) Ist im Rahmen einer Veranlagung bei der Berechnung der Steuer ein Durch­schnittssteuersatz anzuwenden, so ist dieser nach Berücksichtigung der Abzüge nach den Abs. 4 bis 6 (ausgenommen Kinderabsetzbeträge nach Abs. 4 Z 3 lit.a) zu ermitteln. Diese Abzüge sind nach Anwendung des Durchschnittssteuersatzes nicht nochmals abzuziehen.“’“

8. Artikel II Ziffer 3 entfällt.

9. Artikel III entfällt.

10. Artikel VII entfällt.

Begründung

1) Allgemeines:

Die Steuerreform 2005 orientiert sich nicht am Bestreben, mehr Arbeit und Wachstum in Österreich zu schaffen, sondern alleine am nächsten Wahltag und die aus Sicht der Bundesregierung dafür notwendigen Wahlgeschenke.

Die Steuersenkung kommt konjunkturpolitisch nicht nur für die hunderttausenden Arbeitslosen in Österreich zu spät. Nur eine signifikante Steuersenkung für kleine und mittlere Einkommen schon im Jahr 2003 oder wenigstens spätestens im Jahr 2004, wie die SPÖ das vorgeschlagen hat, hätte die Massenkaufkraft erhöhen und damit für mehr Wachstum und Beschäftigung sorgen können.

Die von der Regierung geplante Steuersenkung erreicht daher auch die falschen Gruppen. Es profitieren nicht jene ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen, die eine Entlastung nach den zahlreichen schwarzblauen Belastungspaketen der letzten Jahre bräuchten. Auch die kleinen und mittleren UnternehmerInnen haben von dieser Reform nichts.

Die Kleinverdiener und der Mittelstand schauen durch die Finger. Es profitieren gut und best verdienende kinderreiche Familien mit einem Erhalter, dessen Frau zu Hause „am Herd“ bleiben soll sowie große Kapitalgesellschaften mit hohen Gewinnen.

Die Steuersenkung ist auch in ihrer Verteilung zwischen Unternehmen und Arbeitneh­merInnen und PensionistInnen zu wenig ausgewogen. Rund zwei Drittel des Gesamt-Steueraufkommens wird durch den Faktor Arbeit erbracht. Da die Steuerreform die Entlastung in etwa Halbe-Halbe auf Arbeit und Gewinn verteilt, werden daher in Wahrheit die Gewinne doppelt so stark entlastet wie die Arbeit. Angesichts der EU-Osterweiterung wäre eine deutlicher Entlastung des Faktors Arbeit für den Wirt­schaftstandort Österreich besser gewesen.

Die Steuer- und Abgabenbelastungen der schwarzblauen Bundesregierung betragen seit dem Jahr 2000 einschließlich der Pensionskürzungsreform zusammengerechnet 4.930 Millionen Euro. Demgegenüber stehen Entlastungsmaßnahmen einschließlich der Steuerreform 2005 im Ausmaß von insgesamt 4.600 Millionen Euro (lt. Angaben des BMF bzw. des Sozialministeriums sowie Berechnungen der AK). Daher bleiben unter dem Strich immer noch 330 Millionen Euro an Belastungen im Jahr 2005 über, die den Österreicherinnen und Österreichern Jahr für Jahr an Kaufkraft fehlen werden.

2) Einkommensteuertarif

Die Reform ist verteilungspolitisch völlig falsch: während beispielsweise ein Jahres­einkommen von 22.000,– Euro um lediglich 145 Euro entlastet wird, darf sich ein Verdiener von 35.000,– Euro im Jahr über eine Entlastung von 550,– Euro freuen.


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2,2 Millionen Steuerzahler werden durch diese Steuersenkung überhaupt keinen Cent mehr verfügbares Einkommen haben, weil sie ein Jahreseinkommen von unter 14.500 Euro beziehen und damit schon bisher keine Lohnsteuer zahlten. Sie können daher auch von der im Rahmen der Tarifreform geplanten Steuersenkung nicht profitieren. Für sie gibt es keine Entlastungen, sondern nur Belastungen – wie die hö­here Energiesteuer. Grasser sagt daher in diesem Zusammenhang die Unwahrheit, wenn er behauptet, dass alle ÖsterreicherInnen von der Steuerreform profitieren werden.

Um die BezieherInnen kleinerer und kleinster Einkommen zu entlasten, hätte die soge­nannte Negativsteuer angehoben werden müssen, wie das die SPÖ vorgeschlagen und im Rahmen ihres im Parlament eingebrachten Steuerreformkonzeptes beantragt hat.

640.000 ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen mit Einkommen im mittleren Bereich bekommen weniger als 20 Euro Steuerentlastung monatlich. Betroffen sind Arbeitneh­merInnen mit einem Monatsbrutto zwischen 1.600 und 2.000 Euro. Auch für sie werden die Belastungen der vergangenen Jahre bei weitem nicht wettgemacht.

3) Kirchenbeitrag

Von der Anhebung der Absetzbarkeit von Beiträgen an Kirchen und Religionsgesell­schaften von 75 auf 100 Euro sollten nach Ansicht der SPÖ auch andere gemein­nützige und mildtätige Aktivitäten profitieren können. Dies ermöglicht einerseits auch jenen Steuerpflichtigen, die nicht Mitglied einer gesetzlich anerkannten Religions­gemeinschaft sind, im gleichen Ausmaß Beiträge für gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke abzusetzen, und andererseits die steuerliche Anerkennung jener Wahlmöglichkeit, die die katholische Kirche bereits ihren BeitragszahlerInnen alternativ in Form der Anrechnung von Zahlungen z.B. an die Caritas einräumt.

4) Kinderzuschläge

Von der groß gerühmten gestaffelten Kinderzuschläge zum Alleinverdienerabsetz­betrag profitieren in erster Linie sehr gut verdienende Alleinerhalter mit drei oder mehr Kindern. Familien mit zwei Kleinverdienern, die definitionsgemäß den Alleinverdiener­absetz­betrag nicht in Anspruch nehmen können, gehen leer aus. Für über 800.000 Kinder die in Familien leben, wo beide Elternteile arbeiten müssen, bringt diese Reform überhaupt nichts.

Es gehen aber vor allem auch jene tausenden alleinverdienenden Mütter mit mehreren Kindern defacto leer aus, die ein Durchschnittseinkommen aktiv beschäftiger Frauen in Höhe von 1.040 Euro im Monat oder noch weniger verdienen. Sie verdienen damit schlicht zu wenig, um Steuern zu zahlen, und können daher auch nicht von der Tarifsenkung profitieren. Für sie besteht die „größte Entlastung aller Zeiten“ darin, dass die Regierung 10 Euro im Monat für das erste und 15 Euro im Monat für das zweite Kind übrig hat. Das ist zynisch und ungerecht.

5) Anhebung der Zuverdienstgrenze

Die Anhebung der Zuverdienstgrenze beim Alleinverdienerabsetzbetrag mit Kind von 4.400 auf 6.000 Euro ist nach Ansicht der SPÖ zu gering ausgefallen angesichts der in den letzten Jahren erfolgten Belastungen, die Kleinverdienerinnen mit Kind relativ stärker betroffen haben.

6) Pendlerpauschale

Die Anhebung der Pendlerpauschale um 15% ist ebenfalls zu gering ausgefallen angesichts der Verdopplung des Vignettenpreises und der in erheblichem Ausmaß


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erfolgten Anhebung der Steuer auf Treibstoffe. Die unzureichende Anhebung der Pendlerpauschale gleicht die Belastungen der letzten Jahre in keiner Weise aus.

7) Senkung der Körperschaftssteuer

Auch die Prioritäten bei der Entlastung der Wirtschaft sind falsch gesetzt. Die Senkung der Körperschaftsteuer kostet dem Budget 1,1 Milliarden Euro, erfolgt mit der Gieß­kanne und bringt daher kaum positiven Effekte für Wachstum und Beschäftigung.

Auch wenn die Absenkung des nominellen Satzes auch von der SPÖ gefordert und begrüßt wurde, ist dennoch an der konkreten Umsetzung Kritik angebracht.

Die Art der Senkung, ohne Korrektur bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage, wird dazu führen, dass das Aufkommen erodiert. Die großen Kapitalgesellschaften werden mit ihrem Einkommen weniger zur Finanzierung der gesellschaftlichen Auf­gaben und damit zum sozialen Frieden und Zusammenhalt beitragen.

Die relative Belastung des Faktors Arbeit steigt damit weiter an, mit negativen Effekten für den Wirtschaftsstandort und die Beschäftigung in Österreich.

Schließlich werden damit in Zukunft auch wenig bis keine Spielräume mehr für steuerliche Investitionsanreize, Förderung von Aus- und Weiterbildung, Forschung und Entwicklung sowie andere Maßnahmen mit wirtschaftslenkenden Effekten bestehen.

Die kleinen Kapitalgesellschaften mit kleinen Gewinnen haben nichts von der Reform, weil sie auch weiterhin ohne Reduktion mit der Mindest-KöSt belastet werden.

Hier wird sich die SPÖ auch weiterhin für Nachjustierungen einsetzen.

8) Gruppenbesteuerung

Mit dem neuen Steuerprivileg für internationale Konzerne sollen in Hinkunft auch die Verluste ausländischer Beteiligungen die Steuerleistung in Österreich reduzieren können. Österreich leistet sich damit den Luxus, Verluste ausländischer Unternehmen vom österreichischen Steuerzahler subventionieren zu lassen.

Diese Maßnahme wird unabsehbare Folgen auf das KöSt-Aufkommen haben. Es besteht die Gefahr, dass die Einkommenssteuer für Kapitalgesellschaften gegen Null geht und sich diese von der Mit-Finanzierung des sozialen Zusammenhalts in Öster­reich verabschieden. Im Jahr 2006 wird das KöSt-Aufkommen nach Regierungs­angaben mit rund 3,1 Milliarden Euro nur mehr rund die Hälfte des Jahres 2001 mit damals noch rund 6,2 Milliarden Euro betragen. Der Anteil des KöSt-Aufkommens gemessen am BIP wird laut Wifo dann von 2,1% im Jahr 2000 auf 1,27% im Jahr 2006 zurückgegangen sein.

10) Agrardiesel

In das Gesamtbild der Steuerreform passt auch, dass Treibstoff (Diesel) für die Bauern weniger besteuert werden soll, während alle anderen Österreicherinnen und Österreich im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes 2003 mit einer höheren Mineralölsteuer belastet wurden.

11) Aufweichung der Verjährungsvorschriften

Entgegen den Ankündigungen der Bundesregierung werden Steuersünder und Abga­benhinterzieher nicht strenger verfolgt und bestraft, sondern dürfen mit Erleichterungen und Vorteilen rechnen.

So wird die Frist der „absoluten“ Verjährung von 15 auf 10 Jahre verkürzt und die Verjährungsfrist für hinterzogenen Abgaben von 10 auf 7 Jahre verkürzt.


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Während Lohnsteuerzahler brav ihre Steuer zahlen, wird es mit dieser Maßnahme für Abgabenhinterzieher leichter gemacht, ihrer Strafe zu entgehen. Das passt ganz in den Geist der von Schüssel und Grasser geplanten, aber letztlich zurück genommen Steueramnestie, und wird von der SPÖ strikt abgelehnt.

12) SPÖ für stärkere Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen im Rahmen echter Strukturreformen

Oberstes Ziel der Einkommensteuersenkung als Teil einer SPÖ-Steuer-Reform ist die steuerliche Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen. Kleine und mittlere EinkommensbezieherInnen sollen um jeweils etwas mehr eine Milliarde Euro entlastet werden. Die Tarifreform ist Teil eines umfassenderen Steuerreformkonzepts der SPÖ, das auch erhebliche Entlastungen für die Wirtschaft und wichtige Investitionsanreize für den Wirtschaftsstandort Österreich enthält.

Darüber hinaus tritt die SPÖ für eine echte Strukturreform zur nachhaltigen Finanzie­rung der Sozial, Pensions- und Gesundheitssysteme sowie der Daseinsvorsorge ein.

Mit der Umsetzung der SPÖ-Steuerreform können folgende positiven Effekte auf Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich erreicht werden:

Stärkung der Massenkaufkraft angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation

Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen mit Hilfe des Steuersystems

Stärkung der sozialen Gerechtigkeit mit Hilfe des Steuersystems

Konkret bedeutet dies, Einkommen bis zu 10.000 Euro Steuer-Bemessungsgrundlage jährlich und bei ArbeitnehmerInnen, die AlleinverdienerInnen oder AlleinerhalterInnen sind, die Bezüge bis zu einer monatlichen Lohnsteuerbemessungsgrundlage von 1.000 Euro steuerfrei zu stellen.

Zusätzlich sollen auch Besserverdienende von Steuererleichterungen nicht ausge­schlossen werden. Denn schließlich belastet die Regierung durch die erhöhte Steuerquote auch alle Österreicherinnen und Österreicher. Es gelte allerdings das Prinzip, dass kleine Einkommensbezieher am höchsten und BezieherInnen höherer Einkommen geringer entlastet werden sollen. Die Entlastung bei der Lohn- und Einkommenssteuer soll in einer Bandbreite von rund 850 Euro (für niedrige Ein­kommen von ca. 11.000 Euro jährlich) und 430 Euro (für höhere Einkommen über 51.000 Euro jährlich) pro Jahr erfolgen.

Die Ziele im einzelnen:

Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen um ca. 2,5 Mrd. €

Bis zu einem Einkommen von 10.000 € (137.603 ATS) pro Jahr Steuerfreiheit

Alleinverdiener mit Kind / Alleinerzieher sollen bis zu einer Lohnsteuergrundlage von 1.000 € pro Monat (d.h. bei einem Einkommen von 12.000 € pro Jahr) steuerfrei gestellt werden

Entlastung gegenüber bisher bei Arbeitnehmern in Höhe von

ca. jährlich 850 € / ca. mtl. 71 € bei Einkommen von ca. 11.000 € abfallend bei höheren Einkommen auf

eine verbleibende Entlastung in Höhe von ca. jährlich 430 € / ca. mtl. 36 € für Ein­kommen über 51.000 € pro Jahr

Anhebung des Kinderabsetzbetrages für alle Kinder um rund 20 Euro pro Monat

Anhebung der Zuverdienstgrenze zum Alleinverdiener(erzieher)absetzbetrag von 4.400 Euro auf 10.000 Euro


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Verdopplung der von der Regierung vorgesehenen Anhebung der Pendlerpauschale als Ausgleich der Belastung von ArbeitnehmerInnen durch Mineralölsteuer-Erhöhun­gen

Absetzbarkeit von Spenden bis zu 100 euro jährlich nicht nur für Kirche und Religionsgesellschaften, sondern auch für gemeinnützige und mildtätige Zwecke

Vereinfachung durch Formeltarif in Anlehnung an § 32a deutsches Einkommen­steuergesetz

Steuer soll ohne (Lohns-)Steuertabellen mit einer Anleitung und einem einfachen Taschenrechner ermittelbar sein

Gleichmäßiger Progressionsverlauf ohne „Ecken und Kanten“

Weniger „Sprünge“ beim Grenzsteuersatz

Erhöhung des Arbeitnehmerabsetzbetrages auf 220 € und Verdoppelung der bis­herigen Grenze für die Negativsteuer auf ebenfalls 220 €

Angleichung des Pensionistenabsetzbetrages um 111 € auf 511€ (dies entspricht der Summe aus Arbeitnehmer- und Verkehrsabsetzbetrag)

Einbau des allgemeinen Steuerabsetzbetrages in die Tarifformel

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. – Bitte.

 


14.57

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Mein Vorredner hat eigentlich das Zurück der Steuerreform verlangt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir dem die Zustimmung geben werden. Es ist meiner Ansicht nach auch von der SPÖ her unverständlich.

Ich bin seit 1999 in diesem Hohen Haus und kann mich an kein Vierteljahr erinnern, in dem die SPÖ nicht einen Antrag auf Steuerreform und Steuersenkung gestellt hätte. Nicht immer perfekt ausformuliert, am Anfang wäre manchmal ein bisschen eine Erhöhung herausgekommen, aber mit der Zeit hat sie es dann gelernt. Jetzt liegt die größte Steuersenkung in der Geschichte der Republik vor – jetzt will sie dagegen stim­men, und zwar aus Gründen, bei denen (Zwischenruf bei der ÖVP) – ich bedanke mich für den Zwischenruf, vielleicht hätte ich es nicht so deutlich gesagt – man manches Mal den Eindruck hat, es ist eigentlich gar keine politische Begründung, sondern sie verstehen es wirklich nicht. Wenn es zum Beispiel heißt, dass die Körperschaftsteuer ein eigener Steuersatz für Unternehmer wäre, dann muss ich sagen, das ist natürlich unsinnig. Der Unternehmer unterliegt demselben Einkommensteuertarif wie jeder andere auch.

Es wäre auch ein schlechtes Geschäft, wie ich heute gehört habe, wenn ich den Ge­winn aus der Körperschaftsteuer dann ausschütten würde, weil er dann ja noch einmal besteuert würde, und zwar zu einem noch immer höheren Tarif. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Die Familienentlastung wird als Klientelpolitik bezeichnet – nicht wissend oder nicht wissen wollend, dass der Alleinverdienerabsetzbetrag natürlich nur ein geringer Aus­gleich für die sonst doppelt auftretende steuerliche Berücksichtigung von Kindern ist. So sagt uns die Statistik Österreich auch bei der Armutsgefährdung ganz eindeutig, dass etwa zwei Erwachsene und zwei Kinder als Alleinverdiener zu 25 Prozent


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armutsgefährdet sind, als Doppelverdiener zu 14 Prozent oder Alleinerzieher mit einem Kind zu 15 und mit zwei Kindern schon zu 33 Prozent dem armutsgefährdeten Per­sonenkreis angehören.

Trotzdem hat uns Frau Kollegin Sburny von den Grünen, die heute schon nach Hause gegangen sind, gesagt: Wir stimmen gegen diese Umverteilung. Danke für die klare Erklärung! Sie stimmen gegen die Umverteilung zu den einkommensschwächeren Gruppen in diesem Land.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Kollege! Entweder Sie formulieren den Schluss­satz, oder ich unterbreche Sie, und Sie können nach der Besprechung der Anfrage­beantwortung fortsetzen. Was wünschen Sie? (Abg. Mag. Tancsits: Ich setze nachher fort! – Ruf bei der SPÖ: Besser wäre der Schlusssatz! – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ich unterbreche somit die Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 1 und 2.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 1328/AB

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zu der kurzen Debatte über die Anfrage­beantwortung des Bundesministers für Landesverteidigung mit der Ordnungs­zahl 1328/AB. Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Der Herr Bundesminister für Landesverteidigung wird, wie am Beginn der Sitzung mitgeteilt, in dieser Debatte durch den Bundesminister für Inneres verfassungsmäßig vertreten.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Wortmeldung kommt von Herrn Abgeordnetem Gaál. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort, Herr Abgeordneter.

 


15.01

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Aus unserer Sicht handelt es sich um eine mangel­hafte Beantwortung unserer Anfrage vom 17. März 2004 betreffend die Eurofighter-Werbeveranstaltung in Manching. Das zeigt schon die Zusammenfassung der Fragen. Auf das Kernthema als solches wurde überhaupt nicht eingegangen, und die Beant­wortung hat auch nicht den nötigen Tiefgang, daher heute diese Anfragebesprechung.

Meine Damen und Herren! Was Sie bei dieser Werbeveranstaltung zu sehen bekom­men haben, war ja nicht jener Eurofighter, den Sie bestellt haben, sondern ein Flug­zeug der Tranche 1 und nicht der Kampfjet der Tranche 2, dieses hoch agile Kampf­flugzeug mit sehr kostspieligen radargelenkten Waffensystemen mit sehr hohen Betriebs- und Wartungskosten. – Diese Geräte sind nur für den Luftkrieg erforderlich. Es handelt sich also um ein Kriegsgerät, wie der Herr Finanzminister richtigerweise gesagt hat, das niemand braucht und das nichts mehr mit Luftraumüberwachung oder mit luftpolizeilichen Aufgaben zu tun hat.

Aber diese Kampfjets der Tranche 2 sollen wir angeblich bekommen, meine Damen und Herren! Ich sage deshalb „angeblich“, weil der Vertrag für die Fertigung dieser Maschinen bereits im Vorjahr unterzeichnet werden sollte, es aber die Vereinbarungen bis zum heutigen Tage nicht gibt. Also diese Flugzeuge, die wir gekauft haben, gibt es nicht, sind nicht fertig, nicht serienreif und stehen nirgendwo in Verwendung, obwohl das natürlich eine Muss-Forderung ist, in einer Armee eingeführt zu sein. All das wurde in den Ausschreibungskriterien verlangt, aber Sie haben aus den Muss-Forderungen,


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wo immer das möglich war, Soll-Forderungen gemacht, um unbedingt diesen Euro­fighter-Kauf durchzuziehen.

Was es jetzt gibt, ist ein Funktions-Prototyp mit enormen technischen Problemen, ein Schulflugzeug im Testeinsatz, das jetzt zur Pilotenerprobung freigegeben worden ist und für das wir Milliarden von Euro zu bezahlen haben.

Meine Damen und Herren! Die „Süddeutsche Zeitung“ vom 30. April spricht von „leere Hülle in der Luft“, und das wurde Ihnen in Manching vorgeführt: unbewaffnet, langsam, im Winter kaum einsetzbar. – Das sind die ersten Eurofighter, die sehr viele Mängel haben und mit denen nunmehr die Piloten ausgebildet werden sollen. Also man kann wirklich sagen: Ein „Vogel“ der Rekorde, allerdings der Negativ-Rekorde, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Bereits 1997 wurde im deutschen Bundestag davon gesprochen, dass für dieses Flugzeug, das im Kalten Krieg als Jagdflugzeug, als Jagdbomber vorgesehen war, heute kein Bedarf mehr besteht, und dafür sind Sie bereit, Milliarden von Euro auszu­geben, meine Damen und Herren! Dafür bekommen Sie von uns keine Zustimmung! Das sprengt den Etat in Deutschland – und Gleiches gilt auch für uns in Österreich! (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Beschaffung ist sehr, sehr schwer zu verstehen in Zeiten eines beinharten Spar­kurses, in Zeiten der Leistungskürzungen. Trotz Ihrer so genannten Steuerreform, die Sie heute hier beschließen, wird den mittleren und kleinen Einkommensbeziehern tief in die Tasche gegriffen. Gnadenlos wird hier drübergefahren, werden schmerzhafte Einschnitte im Pensionssystem vorgenommen – und auf der anderen Seite sind Sie bereit, diese sündteure Beschaffung durchzuziehen!

Selbst der Herr Finanzminister, der hinter mir sitzt, hat nicht nur von einem Kriegsgerät gesprochen, sondern immer wieder gesagt – und das ist in allen Protokollen nach­zulesen –: unfinanzierbar, nicht leistbar, ein Kriegsgerät, das niemand benötigt. –Jetzt plötzlich hat er aus durchschaubaren, durchsichtigen Gründen seine Meinung geän­dert. Herr Finanzminister! Diese Meinungsänderung kostet den österreichischen Steuerzahler Milliarden von Euro, wofür Sie die Verantwortung übernehmen müssen.

Aber wir werden das 2006 ändern, indem wir aus diesem Vertrag aussteigen werden. Wir werden uns bemühen, diesen Kauf rückgängig zu machen, auch wenn das Hunderte Millionen Euro kostet, aber wir ersparen damit Milliarden von Euro der österreichischen Bevölkerung. (Beifall bei der SPÖ.)

Weil diese Beschaffung nicht finanzierbar und nicht leistbar ist, wie Sie zu Recht sagen, gibt es bis zum heutigen Tage kein schlüssiges Finanzierungskonzept. Daher werden nunmehr die Uralt-F5 aus der Schweiz angekauft – oder auch nicht, denn laut „Kleiner Zeitung“ vom 5. Mai gibt es da ein neues Problem, wo es heißt: „Groteske um Import unserer Abfangjäger. Weil Genehmigungen fehlen, sitzen die F5-Jets in der Schweiz fest.“ – Eine 70 Millionen teure Übergangslösung ist wieder einmal in Frage gestellt, Herr Bundesminister. Die Wartezeit wird weiter verlängert, der Vertrag fehlt, die USA haben bis heute noch nicht die Genehmigung erteilt.

Mit jedem neuen Detail zu diesem Beschaffungsvorgang rund um den Eurofighter-Deal wird das Ausmaß des Desasters immer deutlicher. Der Rechnungshof beziehungs­weise Präsident Dr. Fiedler im Rechnungshofausschuss hat die Kritik der Opposition vollinhaltlich bestätigt, meine Damen und Herren! (Widerspruch bei der ÖVP.) Er äußerte Zweifel und Bedenken an den nicht nachvollziehbaren Bewertungskriterien, dem Entscheidungsprozess, dem angegebenen Gesamtpreis im Ministerrat – da wurde ja auch herumgeflunkert und wurden verschiedenste Zahlen genannt – und an der Beurteilung der Gegengeschäfte, die sich als reine Luftgeschäfte entwickelt haben. –


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Das ist Traumdeuterei, das ist Großmannssucht, das ist unseriös, meine Damen und Herren, und hat mit einer verantwortungsvollen Politik nichts mehr zu tun! (Beifall bei der SPÖ.)

Nächster Punkt: Heute steht in der „Kronen Zeitung“ zu lesen – das bestätigt auch wieder unsere Kritik –: „Deutsche kriegen Eurofighter billiger“, weil sie geschickter ver­handelt haben. Die „Kronen Zeitung“ spricht da zu Recht von einem neuen Abfang­jäger-Preisschock. Die Deutschen bekommen auf Grund von Rabatten diese Geräte um 50 Millionen Schilling – und wir bezahlen 75 Millionen Schilling! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Minister Platter sagte in dem Interview: Der Vergleich ist unseriös, weil die Betrei­bernation für Forschung und Entwicklung große Summen bezahlt.

Meine Damen und Herren! Wie immer man das rechnet, auch wenn man diese Kosten mit einbezieht, man wird draufkommen, dass die Eurofighter, die wir bestellt haben, die wir kaufen und die die gleichen sind wie jene, die die Deutschen bekommen, immer noch um Millionen von Euro teurer sind. – Das ist eine unverantwortliche Einkaufs­politik, und das wird von uns auf das Schärfste abgelehnt! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir fordern die Regierung auf – „ersuchen“ hilft nichts, die Forderung muss klar for­muliert werden –, sofort alle Schritte zu setzen, um den Beschaffungsvorgang für diese sündteuren Kampfflugzeuge zu stoppen. Andernfalls wird diese Entscheidung zu einem finanziellen Waterloo für das österreichische Bundesheer, denn Sie haben mit den Eurofightern die mit Abstand teuerste Variante gewählt. In Zeiten knapper Budgets und unsozialer Pensionskürzungen ist das ganz einfach unverantwortlich, und das wird von uns auf das Entschiedenste abgelehnt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Bevölkerung hat kein Verständnis für diese teure Beschaffung dieser Luxus­kampfjets, meine Damen und Herren! Sie sind sicherheitspolitisch ganz einfach nicht notwendig und haben mit Luftraumüberwachung und luftpolizeilichen Aufgaben über­haupt nichts zu tun. Mit dieser Beschaffung wird das Heeresbudget auf Jahrzehnte hinaus belastet, und es bleibt kein einziger Euro über für notwendige Beschaffungen für den Dienst und zum Schutz der österreichischen Soldaten. Daher ein entschie­denes Nein zu dieser Ihrer Politik! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.10

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desminister Dr. Strasser, der heute den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung vertritt. – Herr Bundesminister, Sie sind am Wort. Ihre Stellungnahme soll 10 Minuten nicht überschreiten.

 


15.11

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die österreichische Bundes­regierung bekennt sich zu einer aktiven Luftraumüberwachung. Sie ist notwendig, sinnvoll und muss ausgebaut werden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Jeder Experte, ja darüber hinaus die ganze Weltöffentlichkeit weiß, eine der größten Bedrohungen kommt aus der Luft. (Widerspruch bei der SPÖ.) Wir nehmen diese Bedrohung ernst, und wir werden ihr in geeigneter Weise entgegentreten. Die Sicher­heit im Luftraum kann nur mit entsprechenden Luftraumüberwachungs­flug­zeu­gen gewährleistet werden. Wir müssen wissen, was in unserem Luftraum geschieht, und wir wollen auch darauf Einfluss nehmen – für unsere eigene Sicherheit, aber auch weil


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wir damit einen Beitrag zur internationalen Sicherheit leisten, wenn wir unseren eige­nen Luftraum entsprechend schützen.

Österreich wird 2006 die EU-Präsidentschaft innehaben, und es entspricht dem inter­nationalen Sicherheitsstandard, dass wir auch die Sicherheit im Luftraum garantieren, dass Gefahren aus der Luft frühzeitig erkannt werden und abgewehrt werden können. Es gibt keine internationale Großveranstaltung ohne einen geeigneten Schutz des Luft­raumes. Diese Bundesregierung steht für diese Sicherheit, und das ist auch unsere staatspolitische Verantwortung.

Die Anfrage, die wir heute debattieren, bezieht sich auf den Verhandlungsstand zur Luftraumüberwachung im Jänner 2004. Durch die Anmietung von zwölf F5 Tiger kann rasch die schrittweise Reduktion des Flugbetriebes der Draken vorgenommen werden. Der Abschluss eines teuren Materialerhaltungsvertrages hat sich damit erübrigt. Die Variante, eine Übergangslösung mit angemieteten Eurofightern durchzuführen, wie dies im letzten Jahr ebenfalls überlegt wurde, war nicht mehr weiterzuverfolgen, weil mit der nunmehr vorliegenden Lösung das beste Ergebnis gefunden werden konnte.

Verteidigungsminister Platter ist für die Zeit bis zur Einführung der Eurofighter in Österreich eine ganz hervorragende Lösung gelungen: Österreich wird von der Schweiz zwölf F5 Tiger anmieten; meinem Kollegen Günther Platter waren dabei folgende drei Punkte besonders wichtig: die Sicherheit für die Piloten, die lückenlose Luftraumüberwachung und eine kostengünstige Lösung.

Die F5 Tiger sind Flugzeuge, mit denen unser Luftraum mindestens bis 2008 effektiv überwacht werden kann. Diese Flugzeuge stehen seit Jahren erfolgreich im Einsatz. Von mehr als 20 Staaten werden sie weltweit betrieben und zeichnen sich durch eine hohe Betriebszuverlässigkeit aus. Sie werden noch heuer im Sommer in Österreich eintreffen. Der erste Eurofighter wird 2007 geliefert werden. Es gibt damit keine Lücke in der Überwachung des österreichischen Luftraumes.

Es geht hier außerdem um ein Gesamtpaket von 75 Millionen € für zwölf Flugzeuge inklusive Wartung, Ausbildung und der damit verbundenen Mehrwertsteuer.

Zu den Kosten der Eurofighter im Vergleich zu dem deutschen Konzept. Der in der „Financial Times“ veröffentlichte Preis wurde bis heute von offiziellen Stellen weder bestätigt noch dementiert. Die veröffentlichten Preise sind nicht vergleichbar, weil Deutschland zu den Betreibernationen gehört, die gemeinsam die gesamten Entwick­lungskosten der Eurofighter mit einem Gesamtvolumen von zirka 20 Milliarden € finan­ziert haben. Es ist nicht bekannt, welche Ausstattungskonfiguration der veröffentlichten Preisberechnung zugrunde gelegt wurde, und die Zahlungskonditionen sind ebenfalls nicht vergleichbar, haben aber jedenfalls einen Einfluss auf die Preisgestaltung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

15.15

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Redezeit der nunmehr zum Wort gemeldeten Abgeordneten beträgt 5 Minuten.

Zu Wort gemeldet hat sich als Nächster Herr Abgeordneter Murauer. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


15.15

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Sie gestatten, meine geschätzten Damen und Herren, dass ich einiges richtig stelle. (Abg. Parnigoni: Was der Strasser gesagt hat, da ist vieles richtig zu stellen!) – Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Jawohl, Herr Minister, Sie haben Recht, die österreichische Bundes­regierung steht zur lückenlosen Luftraumüberwachung und tut alles, um die Sicherheit


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für unser Land und deren Bevölkerung zu gewährleisten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Auch mein Freund Antonius Gaál war seinerzeit für eine solche Luftraumüberwachung. Er meinte nämlich am 17. April 1997 noch gegenüber „News“, für Draken-Nachfolger müsse aber jedenfalls vorgesorgt werden, Verteidigung begänne schließlich mit Luft­hoheit. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Im Juli 1999 war er noch dieser Meinung und hat über die APA vom 22. Juli 1999 ein Ja zur Draken-Nachfolge von SPÖ und Anton Gaál verlau­ten lassen. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Im Februar 2000 war es dann damit vorbei damit, da kam die Parteiorder: Nein, wir sind gegen die Luftraumüberwachung! Wir brauchen keine Flugzeuge! Ein neutraler Staat kann den Luftraum durchaus freigeben, weil wir ja umzingelt sind von NATO-Staaten, von befreundeten EU-Staaten, also wir lassen das!

Mittlerweile hat sich die Position noch einmal geändert, also nach der Drehung um 180°Grad noch weiter; manche bezweifeln, dass das überhaupt möglich ist. Jetzt sagt man: Nein, diese sündteuren Überwachungsflugzeuge, „Kampfbomber“ nach Gaál, brauchen wir auf keinen Fall! – Jetzt geht es also gegen die Typen.

Du, Kollege Gaál, hast Manching angesprochen. Jawohl, wir sind nach Manching gefahren, haben uns erkundigt und haben gesehen, dass diese Flugzeuge – Sie werden es nicht glauben – fliegen. (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Noch dazu war es ein kühler Tag. Kollege Kummerer, du glaubst es noch immer nicht. Fahr hinaus und überzeug dich selber! Es geht einfach nicht, zu sagen: Nein, wir fah­ren nicht mit, damit wir ja nichts wissen, damit wir ja nichts sehen, damit wir ja nichts hören und weiter (Ruf bei der ÖVP: Polemisieren!) – „polemisieren“ ist das richtige Wort; danke vielmals – polemisieren können! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.) – Meine Damen und Herren, das wird sicher jeder überziehen!

Jene, die bereit sind, mit mir eine Rechnung anzustellen ... (Abg. Wimmer: Das ist schwierig!) Ich weiß, dass das für manche schwierig ist, ich möchte es aber trotzdem versuchen. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: 36 Flugzeuge, 30 Flugzeuge, 24 Flugzeuge, 18 Flugzeuge, 12 Flugzeuge!) Kollege Kummerer, nimm einen Schreiber und versuch, das mitzurechnen! – Die Österreicher haben 18 Flugzeuge bestellt, die Deutschen 180, also ungefähr zehnmal so viel. Wenn man heute in ein Großkaufhaus geht, dann bekommt man Mengenrabatt, und wer jemals versucht hat, mehrere Stück einer Ware ... (Abg. Riepl: Der Bartenstein kriegt bei den Schuhen Rabatt, aber sonst niemand!) – Na waren Sie noch nie einkaufen? Dann gehen Sie einmal mit Ihrer Frau mit, dann werden Sie es überreißen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Außerdem waren die Deutschen bereit, für Forschung und Investition 4,3 Milliarden zur Verfügung zu stellen – mit allem Risiko! Die haben nicht gewusst, ob das etwas wird, haben aber gesagt: Jawohl, wir brauchen in diesem gemeinsamen Europa, mit den Engländern, mit den Spaniern, mit den Italienern, ein Flugzeug, das gerecht wird, den Luftraum zu überwachen! Dafür haben sie 4,3 Milliarden zur Verfügung gestellt.

Das macht also zusammen 16,1 Milliarden aus. Dividiert durch 180 – ich glaube, da kann noch jeder mitrechnen – kommt man auf 89,4 Millionen pro Flugzeug. Das sind um 14,4 Millionen mehr, als die von Österreich bestellten Eurofighter kosten. (Aha-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ich hoffe, dass jeder auf dasselbe Ergebnis kommt, damit endlich dieser kühne Vergleich mit den Deutschen und den 50 Prozent vom Tisch ist.


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Wir haben laut Rechnungshofbericht I und laut Rechnungshofbericht II sowie laut Staatsanwaltschaft – obwohl du, Kollege Kräuter, dir immer wieder noch und noch eine Sonderüberprüfung durch den Rechnungshof wünschst – das Ergebnis vorliegen. Es liegt der Befund vor, dass diese Beschaffung in Ordnung ist und dass wir da ordentlich und ohne doppelten Boden vorgegangen sind. (Präsident Dr. Khol gibt das Glocken­zeichen.)

Letzter Satz: Sicherheit, meine Damen und Herren, kann und darf nicht von Partei­politik abhängen! Die Bundesregierung wird dazu stehen (Präsident Dr. Khol gibt neuerlich das Glockenzeichen), jetzt und auch in Zukunft! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.21

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächster spricht Herr Abgeordneter Cap 5 Minuten zu uns. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


15.21

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! (Abg. Neudeck: Seine Standardrede!) Ich meine, Sie sind uns einige Fragen nach wie vor schuldig geblieben, sehr geehrter Herr Murauer! (Ruf bei der ÖVP: Antworten oder Fragen?) Dass Herr Innenminister Strasser nicht unbedingt in die Materie eingearbeitet sein muss, mag schon sein.

Aber was ich bis heute nicht weiß, ist: Warum 18? Warum ursprünglich 24? (Zwischen­rufe bei der ÖVP.) – Einmal hat es geheißen: 30, dann wiederum noch weniger: 12. Wissen Sie, das ist ein Signal einer völligen Konzeptlosigkeit (Abg. Murauer: Meinen Sie wirklich, 36 wären billiger gewesen, Kollege Cap?), was Sie hier ausstrahlen, wenn Sie nicht einmal der Bevölkerung, die diesem Projekt ohnehin schon ablehnend gegenübersteht, mitteilen können, warum man überhaupt wie viele Flugzeuge braucht. (Abg. Murauer: Cap will 36!)

Der zweite Punkt war: Sie haben der Bevölkerung, die dem skeptisch und ablehnend gegenübersteht (Abg. Mag. Molterer: Wie viele dürfen es denn sein?), nie erklären können, warum gerade die Eurofighter. Warum? (Abg. Gaál: Die teuerste Variante!) – Für ein Luftfoto-Taxi brauchen Sie nicht eines der höchst gerüsteten, teuersten und vor allem „out of area“ einsatzfähigen Flugzeuge. (Abg. Scheibner: Er lernt es nicht!) Dahinter scheint ein anderes Konzept zu stehen als das, was Sie den Österreichern hier gerade erzählen wollen. Wissen Sie, das ist unseriös!

Es ist genauso unseriös, dass Sie gesagt haben: Bei der Übergangslösung bekommen wir Eurofighter – und dann habt ihr keine Eurofighter bekommen, weil es nicht möglich war, dass die Eurofighter überhaupt als Übergangslösung zur Verfügung gestanden sind.

Danach hat man gesagt: Jetzt kommen die F5 Tiger – da hat sich der Herr Innen­minister auf der Regierungsbank vor Begeisterung fast überschlagen! Wahrscheinlich hat er das Privileg, dass er dieses Flugzeug nicht kennt: ein Modell aus den fünfziger Jahren, ein bisschen weiterentwickelt, aber im Prinzip in den fünfziger Jahren ent­wickelt. (Abg. Neudeck: Was sind Sie für ein Jahrgang? – Abg. Murauer: Sie sind auch nicht ...!) Es wurde damals in der Auswahl gegenüber dem Draken ausge­schieden, jetzt ist es plötzlich das Übergangsflugzeug. (Abg. Neudeck: Sie reden ja auch im Parlament! Sind Sie auch ...?)

Das Allerbeste ist die Rabatttheorie, Murauers Rabatttheorie. Einmal abgesehen davon, dass nur ein Einziger in der Regierung kompetent ist, über Rabatte zu reden: Das ist der Minister Bartenstein – der weiß, wie man ein Paar Schuhe mit Rabatt kaufen kann! (Beifall bei der SPÖ.) Vielleicht sogar zwei Paar Schuhe, aber auf alle


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Fälle mit Rabatt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Da geht es, bitte, um mittlerweile 18 Flugzeuge. Hätten Sie doch den Minister Bartenstein damit betraut! Wenn er ein so talentierter Rabattier ist, dann hätte er das vielleicht bei den Flugzeugen probieren können. (Abg. Murauer: Er kümmert sich um die Gegengeschäfte!) Faktum ist jedenfalls: Das sticht nicht! (Abg. Murauer: Weil er so gut ist, kümmert er sich um die Gegengeschäfte!)

Sie müssen sich die Frage stellen lassen: Wieso zahlen wir für die „nackten“ Flug­zeuge – so heißt das mit dem Fachbegriff; also ohne den Firlefanz an Bewaffnung, den Sie dann noch brauchen, wenn Sie „out of area“ Einsätze machen wollen – 74,4 Millio­nen € pro Flieger und die Deutschen nur 50 Millionen € pro Flieger? (Abg. Neudeck: Wir haben ...! Sie hören überhaupt nicht zu!) – Dazwischen liegen 24 Millionen € Differenz! Entweder sind die Verhandler über den Tisch gezogen worden, oder ... Ich will gar nicht wissen – das ist Gegenstand eines Untersuchungsausschusses –, was vielleicht noch der Grund dafür sein könnte, dass da eine Differenz von 24 Millionen € besteht. Was war hier los, bitte schön?

Das sollte Sie (in Richtung Freiheitliche) als die ehemaligen Aufdecker, die jahrelang durchs Land geritten sind und gesagt haben: aufdecken, aufdecken, aufdecken, überall hineinschauen, überall, wo es dunkel ist, Licht machen!, eigentlich interessieren, Sie von der FPÖ! Sie sitzen da und sind einfach bereit, bei allem mitzustimmen, was die Eurofighter betrifft. Ich muss Ihnen sagen: Das gibt ein Bild ab, das schlichtweg unfassbar ist! (Beifall bei der SPÖ.)

Dann aber sind Sie noch gekommen und haben gesagt: Okay, es kostet eh nichts, weil wir eine Wirtschaftsplattform haben! Dann kommt der Rechnungshof drauf, dass das eine ganz schleißige Geschichte ist: Eigentlich gibt es die Wirtschaftsplattform gar nicht!

Man hat also nie wirklich den Preis der Eurofighter gekannt. Man hat nicht einmal gewusst, ob es sie jemals geben wird und wann es so weit sein wird, und man hat sich verschätzt in dem Moment, dass es sie geben wird. Man hat sie auch nie Probe geflogen, und man hat außerdem nie wirklich genau gewusst, wie hoch die Kosten der Bewaffnung sein werden. Man hat vor allem nicht gewusst, wie hoch die Betriebs­kosten sind. Wenn ich nur daran denke, was wir uns schon bemüht haben, heraus­zufinden, wie hoch die Betriebskosten sind! Man hat aber auch nicht wirklich gewusst, wie die Wirtschaftsplattform zusammengestellt ist und ob sie funktioniert.

Wissen Sie, was das ist? – Es hat schon etwas mit Luft zu tun: Das alles ist heiße Luft! (Abg. Scheibner: So wie manche Reden hier!) Das alles ist ein Sammelsurium an Luftgeschäften. (Abg. Scheibner: Das ist wirklich heiße Luft! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Dass Sie überhaupt noch den Mut haben, sich vor die österreichische Bevölkerung hinzustellen, und hier nicht schleunigst ein Ausstiegs­zenario entwickeln und sich von diesen Verträgen verabschieden, wundert einen schon! Vielleicht haben Sie sich da auch selbst geknebelt oder knebeln lassen, näm­lich: zuerst über den Tisch ziehen lassen, dann knebeln lassen und fesseln lassen. – Sie geben ein Bild ab, ich sage Ihnen: unfassbar!

Dafür müssen Sie aber jetzt geradestehen, das sage ich Ihnen! Da werden wir nicht lockerlassen, gerade angesichts des heutigen Tages, an dem es nach Ihrer Diktion darum gegangen ist, sparsam zu sein (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen), an dem Sie aber im selben Atemzug bereit sind (Abg. Rädler: ... Sparsamkeit bei der Rede!), hier Milliarden zum Fenster hinauszuwerfen – Milliarden an Geldern der österreichischen Steuerzahler! (Beifall bei der SPÖ.)

15.26

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 


15.26

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bun­des­minister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Cap, die Bundesregierung hat in dieser Frage ein klares Konzept. (Widerspruch bei der SPÖ.) Das Konzept heißt, die Luftraumüberwachung für unser Land sicherzustellen – das ist es! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wissen Sie, als diese Bundesregierung darangegangen ist, dieses Konzept zu verwirk­lichen, war uns klar, dass die Opposition gegen jede Typenauswahl mobil machen wird. Ja selbst wenn diese Regierung die Luftraumüberwachung abgeschafft hätte, wäre heute Kollege Cap hier heraußen gestanden und hätte diese Regierung der Ver­antwortungslosigkeit geziehen – und zwar zu Recht! (Abg. Scheibner: Dann aber zu Recht!)

Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie machen einfach aus jeder Mücke einen Elefanten. Sie haben auch heute hier bei dieser Anfragebesprechung, Herr Kollege Gaál, keine neuen sachlichen Argumente vorbringen können. Diese umfassen­de Anfrage, die Sie an den Bundesminister für Landesverteidigung gestellt haben, hat er auch umfassend zusammenfassend beantwortet. (Widerspruch bei der SPÖ.) Der Herr Bundesminister ist in Ansätzen schon darauf eingegangen.

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitliche haben nie ein Hehl daraus gemacht, dass diese Beschaffung von Luftraumüberwachungsflugzeugen schwierig ist und dass es auch schwierig ist, eine Übergangslösung zu finden. Wir haben nie ein Hehl daraus gemacht. Aber der Grund, warum es soweit gekommen ist, meine Damen und Herren von der SPÖ, liegt auch bei Ihrer Verantwortung! Sie nämlich sind es als bestimmende Partei in der Bundesregierung gewesen, die es über Jahre, ja in diesem Fall sogar über Jahrzehnte verabsäumt hat, rechtzeitig Schritte zu setzen, damit die Luftraum­überwachung in Österreich rechtzeitig wieder in die Zukunft weisend sichergestellt wird. Das liegt auch in Ihrer Verantwortung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Gaál, Sie haben auch heute wieder vom Rechnungshofausschuss ge­sprochen, in dem wir ja sehr detailliert über diese Fragen gesprochen haben und in dem der Herr Bundesminister für Landesverteidigung den Fragen der Oppositions­politiker in umfassender Form, wie ich meine, Rede und Antwort gestanden ist. Dieser Rechnungshofausschuss hat ja noch kein Ende gefunden, sondern wird weitergeführt und auch mit diesem Thema befasst werden. In diesem Rechnungshofausschuss ist klar gesagt worden – und das wird auch im Rechnungshofbericht klar festgestellt, so­wohl im ersten Rechnungshofbericht über die Ausschreibungsmodalitäten als auch jetzt in Bezug auf die Typenauswahl –, dass es in den Grundzügen ein korrekter Vor­gang gewesen ist. In den Grundzügen! Ich räume ein, dass jeder Prüfer in den Details anderer Ansicht sein kann. Wenn wir hier herinnen vier Parteien sind, wird es vier Ansichten geben – vielleicht sogar noch mehr – zu diesen Vorgängen, das kann ich mir alles vorstellen. Nur: Es ist vom Rechnungshof festgestellt worden, dass in den Grundzügen die Bundesregierung korrekt gehandelt hat!

Der Rechnungshof hat festgestellt, dass unter Zugrundelegung der vom Landes­vertei­digungsministerium festgesetzten Maßstäbe das Kampfflugzeug Eurofighter zutreffend als Bestbieter erkannt worden ist. Das hat sich ja die Bundesregierung nicht unter sich – ich darf das so sagen – ausgemacht, sondern es hat eine unabhängige Bewer­tungskommission den Eurofighter als Bestbieter klassifiziert, und die Bundesregierung ist dann dieser Empfehlung gefolgt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Im Rechnungshofbericht steht festgeschrieben, dass bei den Erhebungen überhaupt keine Manipulationen in Bezug auf die Bewertungsergebnisse festgestellt werden konnte. Oder was Geschenkannahme und all die inkriminierenden Vorwürfe betrifft, die von Ihrer Seite eine Zeit lang auch gegen Funktionäre meiner Partei erhoben worden sind: Der Rechnungshof hat auch festgestellt, dass bei der Angebotseinholung und bei der Bewertung keine Einflussnahme auf Bedienstete des Bundesministeriums für Landesverteidigung zwecks Präferierung eines bestimmten Kampfflugzeuges nach­gewiesen werden konnte.

Meine Damen und Herren! Das ist jetzt der zweite Rechnungshofbericht. Wir werden einen dritten Rechnungshofbericht (Abg. Mag. Kogler: Der hat sich mit dieser Frage überhaupt nicht beschäftigt!), Herr Kollege Kogler, in Ihrem Ausschuss auch umfassend diskutieren. Erst dann wird man, glaube ich, ein Gesamtbild dieses ganzen Ablaufes haben können.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Bis dahin sollten Sie sich neue Argu­mente in dieser Sachfrage ausdenken. Was Sie hier heute an Argumenten gebracht haben, ist in Bezug auf den Sachverhalt nichts Neues. Dies bestätigt eigentlich das, was die Bundesregierung in diesem Fall getan hat, nämlich sicherzustellen, dass die Luftraumüberwachung in Österreich auch in den nächsten Jahren funktioniert. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.31

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Auch er spricht 5 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 


15.31

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein freiheitlicher Vorredner hat darauf hingewiesen (Ruf bei den Freiheitlichen: Ein guter Mann!), dass wir hier eine „umfassende Beantwortung“ durch den Verteidigungs­minister behandeln. Diese „umfassende Beantwortung“ von acht sehr unterschied­lichen Fragen hat eine Gesamtlänge von siebeneinhalb Zeilen. Mich interessiert in diesem Zusammenhang nur, was eine weniger umfassende oder nicht umfassende Be­antwortung einer Anfrage ist. Wenn es einmal unter einer Zeile liegen wird, Herr Abgeordneter Bösch, könnten wir uns vielleicht darin finden, dass das Mitteilungs­bedürfnis des Ministers mit gemeinsamen Kräften gesteigert werden sollte. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Ich bin schon jetzt etwas unzufrieden.

Zweitens sollte etwas nicht einreißen, und gerade Sie sollten sich das überlegen, weil ja alles dafür spricht, dass Sie spätestens in zwei Jahren wieder Oppositionspartei sein werden: Gerade Sie sollten sich überlegen, wie mit parlamentarischen Minderheiten und Oppositionsrechten umgegangen wird! Die Fragen 7 und 8 sind überhaupt nicht beantwortet. Das sind Fragen nach den Eurofightern – in der Anfragebeantwortung kommt das Wort „Eurofighter“ gar nicht vor. Sie, Herr Dr. Bösch, können lesen, Ihre Kolleginnen und Kollegen können lesen, warum überlesen Sie das? Warum machen Sie einem an und für sich von mir persönlich durchaus geschätzten Verteidigungs­minister in einem Punkt, in dem er die notwendige Sorgfalt aus guten oder schlechten Gründen hat vermissen lassen, sinnloserweise die Mauer?

Es ist wichtig, dass diese Fragen beantwortet werden. Der Innenminister kann sie nicht beantworten, daraus sollten wir ihm gar keinen persönlichen Vorwurf machen. Aber eine große Frage neben den vielen, die bis heute nicht beantwortet worden sind und die zum Teil von meinen Vorrednern wiederholt worden sind, steht im Raum – und ich spreche hier aus Sicht der Bundesheer-Reformkommission (Abg. Murauer: Aus dieser Sicht sprechen wir auch, Herr Kollege!) –, und die heißt: Glauben Sie, dass eine große und sehr sinnvolle Heeresreform und noch dazu die Beschaffung der Eurofighter


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finanzierbar sind? Glauben Sie wirklich, dass bei nur ungefährer Erfüllung der Maastricht-Kriterien aus dem Budget einerseits für die Eurofighter zusätzliche 3 Milliar­den € über neun Jahre flüssig gemacht werden können und gleichzeitig Konversions­kos­ten von mindestens 1,5, eher aber 2 Milliarden € bezahlt werden sollen? Wie soll denn das gehen?

Das Geld gibt es nicht. Das Geld muss irgendwo beschafft werden, und zwar aus dem ordentlichen Bundeshaushalt. Deshalb stellt sich heute und nicht erst für eine kommende Regierung die Frage: Wo? – Bis jetzt ist Ähnliches immer finanziert worden aus Einsparungen in den Bereichen Soziales – insbesondere dort, wo es um die Schwächsten gegangen ist –, Bildung sowie Forschung und Entwicklung. Es darf in diesem Haus oder in einem Ministerium nichts beschlossen werden, ohne dass es die notwendige finanzielle Bedeckung dafür gibt. (Abg. Murauer: Kollege, das dürfen Sie den Sozialdemokraten nicht vorwerfen!) Sie können einfach nicht zukünftige Regie­rungen und zukünftige Generationen in einer wirklich nicht verantwortbaren Art und Weise finanziell belasten!

Allein wenn wir die Kosten für die Eurofighter durchrechnen, so ergibt sich, dass wir ab dem Jahr 2007 bei gleichen Budgetstrukturen eine negative Investitionsrate im öster­reichischen Bundesheer haben. Jetzt können Sie natürlich herausgehen und sagen: Wir beschaffen nichts mehr, sondern wir verkaufen vielleicht noch zusätzlich etwas, was das Bundesheer weniger braucht, damit wir die Investitionsrate noch irgendwie stabil halten können. – Alles, was im Rahmen des Bundesheeres in Zukunft investiert werden kann, wird von den Kosten für die Eurofightern gefressen werden! Das muten Sie der österreichischen Sicherheit zu? Das muten Sie dem österreichischen Beitrag zur europäischen Sicherheit zu? Das muten Sie dem österreichischen Beitrag zu internationalen Friedensaktionen und Friedenssicherungen zu? (Zwischenruf des Abg. Murauer.)

Sie von ÖVP und FPÖ geben das Signal an die internationalen Organisationen: Weil wir ohne jeden erkennbaren sicherheitspolitischen Sinn die größte Investition der Zweiten Republik in den politischen und sicherheitspolitischen Sand gesetzt haben, bleibt für sinnvolle Projekte nicht ein einziger Cent übrig! (Abg. Murauer: Also zwei verschiedene Stellungnahmen! Im Parlament und in der Kommission!) Darum geht es: Wir müssen heute das Verteidigungsbudget vor der Österreichischen Volkspartei und vor der Freiheitlichen Partei schützen! (Abg. Murauer: Das wird man sich anschauen müssen!) Ich hätte nie geglaubt, dass wir als Grüne einmal in diese Situation kommen. Das ist eine völlig neue Situation, das Verteidigungsbudget gegen Sie schützen zu müssen, die österreichische Sicherheit gegen Sie schützen zu müssen und den österreichischen Beitrag zu einer gemeinsamen europäischen Sicherheit vor Ihnen in Schutz nehmen zu müssen! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Fahren Sie einmal in die Bundesrepublik Deutschland. Nicht nur die deutsche Ge­neralität lacht sich schief über die österreichische Beschaffungspolitik! (Abg. Mag. Mol­terer: Das hat Österreich nicht verdient, von den Grünen geschützt zu werden!) Alle, die in Europa etwas von Sicherheitspolitik verstehen, wundern sich über den Größen­wahn der österreichischen Fliegerpolitiker. (Präsident Dr. Khol gibt das Glocken­zeichen.)

Deswegen, meine Damen und Herren: Denken Sie doch nach, wem Sie eine Chance geben wollen – und das ist mein Schlusssatz (Abg. Großruck: Nehmen Sie den Herrn Cap nicht ...!) –: jenen, die, aus welchen Gründen auch immer – und ich glaube, dass es eher persönliche als sicherheitspolitische Gründe sind –, den Eurofighter beschaffen wollen, oder jenen, die ein wirkliches Interesse an einer neuen europäischen Ent-


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wicklung der österreichischen Sicherheitspolitik haben! Auch Sie werden sich ent­scheiden müssen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

15.37

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Diese Debatte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. Herr Abgeordneter, Sie haben 2 Minuten Restredezeit. – Bitte.

 


15.37

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP) (fortsetzend): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren Minister! Vielleicht ist die Nachdenkpause für die Op­position ganz gut gewesen, um festzustellen, ob sie es wirklich darauf anlegen will, gegen eine Entlastung und Umverteilung zu stimmen: eine Umverteilung der Unterneh­menssteuern in Richtung Arbeitsmarktstärkung, eine Umverteilung zu und Entlastung von Familien, und, als abrundenden Punkt, eine Umverteilung bei der Lohn- und Ein­kommensteuer, die so aussieht, dass wir im Durchschnitt eine Entlastung von 400 € im Jahr haben werden, bei den niedrigsten noch zu besteuernden Verdiensten von 720 € im Jahr und bei den höchsten von 160 €, und 2,5 Millionen bezahlen nichts!

Das wagen Sie zu kritisieren, weil Ihnen in Wirklichkeit die Steuersenkung und -reform suspekt ist. Ihnen wäre es viel lieber, die Steuern hoch zu lassen, und wenn etwas übrig bleibt, dann erfinden Sie eben – ich glaube, „Negativsteuer“ haben Sie es genannt – eine neue Transferleistung, denn der Einzelne soll nicht die Chance bekom­men, mit seiner eigenen Arbeit zu mehr Wohlstand zu kommen, sondern er soll auf Dauer von Transferleistungen und von Subventionen abhängig sein müssen. Das ist der Weg, den wir ablehnen!

Ich bin überzeugt davon, es werden die 2,5 Millionen weniger werden, weil wir mit dieser Steuerreform wohlstandssteigernd agieren und weil mehr Leute schon in einem Jahr mehr verdienen werden. Das ist der umgekehrte Weg, das ist nicht die Abhän­gigkeit des Menschen. Daher können Sie dieser Steuerreform, die – das gebe ich schon zu – eine bürgerliche Handschrift trägt, die solide finanziert ist und die auf Zukunft und Wohlstandsvermehrung ausgerichtet ist, mit gutem Gewissen die Zustim­mung geben! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Reheis: Solide? Die Reichen reicher, die Armen ärmer machen!)

15.39

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Hans Moser. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


15.40

Abgeordneter Mag. Hans Moser (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Prä­sident! Der letzte Beitrag erinnert mich ein bisschen an die sogenannte Laffer Curve. Laffer war ein amerikanischer Ökonom, der unter Reagan behauptet hat: Wenn man die Steuer senkt, dann steigt die Wirtschaftsleistung. Ausgegangen ist dieses Spiel damals so, dass Reagan ein historisch beispielloses Budgetdefizit übergeben hat. Das ist, wie ich meine, auch Ihr ökonomisches Verständnis.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Steuerreformgesetz erinnert mich auch an das Wachstums- und Standortgesetz, das wir im Herbst beschlossen haben. Damals ist auch ein großartiges Wachstum versprochen worden, aber in Wirklichkeit finden wir uns wieder mit einem mickrigen Ergebnis: 2,5 Milliarden € an Entlastung, Wachstumszuwachs 0,4 Prozentpunkte. Das ist ein Drittel des Multiplikators, das ist in Wirklichkeit gar nichts.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe vor kurzem, nämlich vor zwei Tagen, in der „Presse“ gelesen: „Österreich fehlt Wachstumsstrategie“. – Das ist ein Punkt, den wir seit 2000 einfordern. Aber wissen Sie, von wem dieser Ausspruch ist? – Dieser Ausspruch ist von Josef Christl. Josef Christl war bis vor kurzem Büroleiter, Chefberater von Finanzminister Grasser.

Da stellt sich natürlich die Frage: Was ist mit dem Burschen passiert? Ist ihm das erst jetzt eingefallen, oder konnte er sich früher nicht durchsetzen? Es ist dramatisch, dass ihm das jetzt erst einfällt. Er fordert sogar einen Wachstumsbeauftragten, weil er nicht glaubt, dass diese Reformen, die Sie uns hier permanent verkaufen wollen, zu mehr Wachstum führen. Das ist eigentlich eine Situation, die massiv zu denken geben müsste.

Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, stelle ich fest, dass Reformen anders ausschauen. Der Bund der Steuerzahler sagt in seiner Publikation vom ersten Quartal 2004: Aus unserer Sicht ist das keine Steuerstrukturreform, sondern lediglich eine Etappe zur Tarifsenkung.

Wir sind ähnlicher Meinung. Daher bringe ich den Entschließungsantrag der Ab­geordneten Matznetter und Kollegen betreffend Umsetzung einer echten Steuerreform ein. Unsere Steuerreform hätte folgende Eckpunkte, meine sehr geehrten Damen und Herren:

Wir wissen, dass diese Wachstums-, Beschäftigungs- und Verteilungseffekte, die uns hier permanent verkauft werden, nicht in dieser Form eintreffen werden. Für uns ist es wichtig, dass die Steuerlast fair verteilt wird. Wir wollen Steueroasen austrocknen und den Produktionsfaktor Arbeit entlasten, damit wir wieder wettbewerbsfähiger sind.

Wir wollen aber auch die Negativsteuer verstärken und kleine und mittlere Einkommen um 2 Milliarden € entlasten, um damit zusätzliche Nachfrage, zusätzliches Wachstum, zusätzliche Beschäftigung zu schaffen. Wir wollen aber auch, dass die Steuer­progression bleibt und dass die Negativsteuer entsprechend erhöht wird.

Wir wollen auch, dass alle Einkommensarten einer fairen Besteuerung unterzogen wer­den. Wir wissen, viele Bemessungsarten werden nicht genützt, es gibt Spe­kulations­bereiche, Vermögensbereiche, die nicht der Besteuerung unterzogen werden, was zu einer Verunsicherung und zu einer Schwächung des Sozialsystems führen wird.

Wir sind auch dafür, dass wir die Investitionen direkt fördern, direkt über entsprechen­de Abschreibungsmöglichkeiten, über Investitionsfreibeträge. Wir wollen auch, dass das Steuersystem nachhaltig ökologisch ausgerichtet ist. Das ist für uns ein wichtiger Punkt, dass hier nämlich auch Lenkungseffekte eintreten, die eine Schonung der Umwelt bewirken.

Wir wollen auch, dass wir bei diesem schädlichen Steuerwettbewerb, der international läuft, nicht mitziehen. Ich erinnere nur an die dramatische Lizitationspolitik bei Betriebsansiedlungen in den vergangenen Jahren, aber bei der Steuersenkungs­dum­pingpolitik machen Sie mit. Hier geht es um ein geschlossenes, koordiniertes Vorgehen in Brüssel gegen dieses Dumping.


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Das sind im Wesentlichen die Punkte, die wichtig sind. Wir wollen auch, dass das Steuersystem wesentlich vereinfacht wird.

In diesem Sinne bitte ich Sie: Unterstützen Sie unseren Antrag, damit wir ein gerechtes, wachstumsträchtiges Steuersystem in Österreich bekommen können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.44

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Matz­netter, Mag. Moser und Mag. Hoscher wurde gemäß § 53 Abs. 4 GOG verteilt, wurde in seinen Eckpunkten vom Redner erläutert, ist hinreichend unterstützt und steht damit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Matznetter, Mag. Moser, Mag. Hoscher, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Umsetzung einer echten Steuerreform, eingebracht im Zusammenhang mit dem Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage 461 d.B.: Steuer­reformgesetz 2005 – StReformG 2005 (451 d.B.)

Das Steuerreformgesetz 2005 hält nicht, was die schwarz-blaue Bundesregierung mit ihr versprechen will. – Reformen sehen anders aus. Eine echte Reform würde Struk­turen ändern und sich nicht mit einer Senkung bestimmter Steuern begnügen.

Die Steuersenkung der schwarz-blauen Bundesregierung ist keine Reform. Sie kommt darüber hinaus um zwei Jahre zu spät und ist für die Falschen gemacht. Kleinverdiener und -pensionisten sowie kleine und mittlere Unternehmen schauen dabei weitgehend durch die Finger.

Die dringend notwendige strukturelle Reform, vor allem im Hinblick auf die nachhaltige Finanzierung und Sicherung unserer Sozial-, Pensions-, Gesundheits- und Bildungs­systeme, ist weit und breit nicht in Sicht. Das zeigte sich kürzlich sehr deutlich am hilflosen Umgang der Regierung mit dem Wiener Kassenvertrag.

Die Steuersenkung im Jahr 2005 bzw. in ihren vollen Auswirkungen 2006 verschärft daher nur die Disparitäten des österreichischen Steuersystems im internationalen Vergleich. Sie führt darüber hinaus auch zu unabwägbaren Finanzierungsproblemen mit unabsehbaren Folgen für das Budget.

Die Steuersenkung kommt schließlich zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt und wirkt daher auch wegen falscher Schwerpunktsetzungen nicht entsprechend auf die Kon­junktur. Die Regierung hat seit dem Jahr 2001 trotz entsprechender Aufforderungen seitens der SPÖ nichts gegen die Konjunkturkrise getan, damit wertvolle Zeit verloren und immer neue Höchststände an Arbeitslosen zu verantworten.

Die SPÖ drängt seit bereits mehr als zwei Jahren auf eine steuerliche Entlastung der Einkommen und der Wirtschaft. Zahlreiche konkrete Gesetzes- und Entschließungs­anträge wurden in diesem Zeitraum im Parlament eingebracht und von Schüssel und Grasser konsequent nicht als Chance wahrgenommen, gemeinsam mehr Wachstum und Beschäftigung für die Menschen in Österreich zu erreichen.

Seit Beginn der laufenden Legislaturperiode drängt die SPÖ darüber hinaus auf eine längst überfällige umfassende Reform des österreichischen Steuersystems. Die SPÖ hat sich für eine tabulose Diskussion des österreichischen Steuersystems ausge­sprochen und zur Mitarbeit an einem umfassenden Reformwerk bereit erklärt. Es bleibt


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zu hoffen, dass Schüssel und Grasser diese Chance für eine echte Steuerreform erkennen und wahrnehmen.

Im österreichischen Steuersystem besteht erheblicher Reformbedarf, wobei sich dieser insbesondere auf die Struktur der Abgaben bezieht. Der Anteil der Vermögensteuern am gesamten Steueraufkommen ist in Österreich im internationalen Vergleich sehr gering. Die Hauptlast des Steueraufkommens in Österreich trifft die Arbeitnehmer (Lohnsummenaufkommen). Wachstums-, Beschäftigungs- und Verteilungseffekte von Steuern und Beiträgen müssen verbessert werden.

Die Reform des österreichischen Steuersystems muss eine gleichmäßige Belastung von Arbeit und Kapital zum Ziel haben. Notwendig ist eine durchgreifende Steuer­reform, welche unser Steuersystem an die seit der letzten wirklichen Reform (1988-1993) eingetretenen Veränderungen adaptiert. Dazu ist zu konstatieren:

Der Anteil der Vermögensteuern am gesamten Steueraufkommen in Österreich im europäischen und internationalen Vergleich ist sehr gering.

Die Hauptlast des Steueraufkommens trifft in Österreich die Arbeitnehmer und Pen­sionisten in der mannigfachen Form der Besteuerung der Ressource Arbeit und in der Form hoher indirekter Steuern auf den Konsum.

Die Steuer- und Abgabenquote hat in Österreich zuletzt ein Höchstmaß von 45,6 % erreicht und hält sich aufgrund immer neuer Belastungen auf sehr hohem Niveau.

Das österreichische Steuersystem berücksichtigt ökologische Zielsetzungen, unter anderem auch das Kyoto-Ziel, nicht entsprechend der möglichen Lenkungseffekte.

Die Besteuerung von Kapitalerträgen und Spekulationseinkünften aller Art ist im Verhältnis zur Höhe der Besteuerungslast bei Erwerbseinkünften, insbesondere bei den Lohneinkünften und Pensionsbezügen, deutlich unterentwickelt.

Auch Unternehmenserträge sind gegenüber Erträgen, die auf den Finanzmärkten erzielt werden, steuerlich auch dann benachteiligt, wenn die Gewinne mit entsprechen­den Arbeitsplatzeffekten reinvestiert werden.

Es mangelt an einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlagen für die dauerhafte Sicherung unserer Sozial- und Bildungssysteme.

Das Steuersystem ist im Bereich der direkten Steuern (Lohn- und Einkommensteuer, Körperschaftsteuer) sehr unübersichtlich und kompliziert, wobei insbesondere Arbeitnehmer und Pensionisten ohne Hilfe durch Experten nicht in der Lage sind, ihre Besteuerung nachzuvollziehen.

Die SPÖ tritt für eine echte Strukturreform zur Verbesserung des österreichischen Steuersystems ein.

Die SPÖ will das österreichische Steuersystem grundlegend ändern, weil Österreich dringend eine umfassende Steuerreform braucht, die die Strukturen ändert.

Die SPÖ will ein modernes Steuersystem, das zukunftsorientiert die Wirtschaft fördert und die Steuer- und Abgabenlast fair verteilt.

Die SPÖ will eine Steuerreform, die Menschen und Wirtschaft entlastet.

Die SPÖ will ein Steuersystem, das leistungsfreundlich die Einkommen aus unselb­ständiger und selbständiger Arbeit erheblich entlastet und die Gegenfinanzierung durch eine fairere, stärkere steuerliche Einbeziehung anderer Einkommensarten sicherstellt.

Die SPÖ will ein österreichisches Steuersystem, das die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft unterstützt.


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Die SPÖ will ein Steuer- und Abgabensystem, das ein Höchstmaß an sozialer Sicherheit garantiert und die nötigen Ausgaben insbesondere für Aus- und Weiterbil­dung, Forschung und Entwicklung oder die Anhebung der Frauenerwerbsquote sicher­stellt.

Die SPÖ will ein ökologisches, nachhaltiges Steuersystem, das sich durch Beschäfti­gungs-, Investitions- und Wachstumsfreundlichkeit auszeichnet und damit eine positive konjunkturelle Entwicklung in Österreich unterstützt.

Die SPÖ will ein europäisches Steuersystem, das die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Wirtschaftsraumes und die Sicherheit des europäischen Sozialraumes unterstützt und den schädlichen Steuerwettbewerb beendet.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, raschestmöglich die rechtlichen Grundlagen bzw. Maßnahmen zu erarbeiten und dem Nationalrat vorzulegen, die eine umfassende Strukturreform des österreichischen Steuersystems sicherstellen und insbesondere die folgenden Punkte beinhalten bzw. berücksichtigen:

1) Wachstums-, Beschäftigungs- und Verteilungseffekte von Steuern und Beiträgen müssen nachhaltig verbessert werden.

2) Steuerlast fair verteilen – Arbeit entlasten; Österreich soll endlich ein „normaleres“ EU-Steuerland werden, weshalb Steueroasen ausgetrocknet und der Faktor Arbeit entlastet werden müssen.

3) Korrektur der Steuersenkung im StReformG 2005 – Einkommensteuer mit neuem SPÖ Formeltarif senken, Negativsteuer verdoppeln – kleine und mittlere Einkommen um 2 Mrd. Euro entlasten.

4) Steuerprogressivität erhalten – solidarischen Ausgleich und Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit durch das Steuersystem, das heißt unter anderem die Negativsteuer im Einkommensteuer-Tarif auszubauen.

5) Gerechte Steuerbasis für ein faires Steuersystem. – Das System durch eine ge­rechtere Steuerbasis fairer gestalten und sich dabei an internationalen Benchmarks orientieren, das heißt unter anderem, alle Einkommensarten einer fairen Besteuerung zu unterziehen, um damit auch eine nachhaltige Finanzierung und Sicherung unserer Sozial-, Pensions-, Gesundheits- und Bildungssysteme sicherzustellen.

6) Wachstum, Beschäftigung und Konjunktur unterstützen – Investitionen fördern durch steuerliche Investitionsanreize für Investitionen in die Unternehmen, in Aus- und Weiterbildung der MitarbeiterInnen sowie in Forschung, Entwicklung und Produkt­innovation – Umsetzung des SPÖ-Bildungsprämienmodells.

7) Das Steuersystem nachhaltig ökologisch ausrichten.

8) Initiative der österreichischen Bundesregierung, um faire Steuern in Europa sicher­zustellen und den schädlichen Steuerwettbewerb zu beenden.


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9) Entschlossene Bekämpfung der Steuerhinterziehung.

10) Vereinfachung des Steuersystems.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Neudeck. Wunschgemäß stelle ich die Uhr auf 5 Minuten ein. – Bitte, Sie sind am Wort, Herr Abgeordneter.

 


15.45

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Kollege Moser hat in seiner zweiten Rede einen Ent­schließungsantrag eingebracht, wobei er mehrmals gesagt hat: wir wollen, und dann hat er etwas angeführt, wo ich sage: Ich will auch, dass es weltweit Frieden gibt, ich will, dass es weltweit kein Hochwasser gibt, ich will, dass es weltweit keine Hungern­den gibt! Nur: Sie haben in Ihrem Entschließungsantrag nicht gesagt, wie Sie das alles, was Sie hier jetzt so plakativ wollen, finanzieren wollen. (Abg. Dr. Bauer: Ein schlech­ter Vergleich!)

Sie von der SPÖ wollen das finanzieren mit einer höheren Steuerlast auf Grundstücke, Sie wollen die Mehrwertsteuer erhöhen et cetera. Sie haben 30 Jahre lang dieses Land federführend regiert. Sie haben dieses Land zu einem Steuersystem geführt, wo die Arbeitssteuern im europäischen Vergleich unverhältnismäßig hoch sind und die Vermö­gensteuern verhältnismäßig gering. Sie wollen jetzt von einer anderen Regierung, dass sie dieses durch sozialdemokratische Regierungen eingeführte System innerhalb von wenigen Monaten und Jahren ändert.

Lieber Kollege Matznetter! Lieber Genosse Moser! (Abg. Reheis: Das ist nicht dein Genosse!) So geht es nicht, das geht vielleicht in der Kirche, und auch dort sind Wunder nicht sofort möglich, sondern brauchen Generationen und Jahrhunderte!

Meine Damen und Herren! Diese Steuerreform ist ein Schlussstein in einer Reihe von konjunkturbelebenden Maßnahmen – das ist zum großen Teil schon in Vergessenheit geraten –: das Konjunkturpaket 1 und 2 sowie das Wachstumspaket 2004. Die Vorteile haben Sie genommen. Mitstimmen wollten Sie bei all dem nicht.

Österreich liegt heute im Rahmen der EU bei allen Wirtschaftsdaten wesentlich besser als 1999. Die damals, im Jahr 2000, blau-schwarze Regierung hat Österreich mit einer unfinanzierten und dann von uns finanzierten Steuerreform, mit einem Defizit von mehr als 3,5 Prozent und einer Abgabenquote, die knapp unter 45 Prozent lag, übernom­men. Sie hat trotz dieser geerbten Steuerreform, trotz großer weltweiter wirtschaftlicher Schwierigkeiten diese große Steuerreform, die wir demnächst hier beschließen werden, durchgebracht und erwartet ein Budgetdefizit von 1,5 Prozent. Die Abgaben­quote wird bei etwa 42 Prozent liegen.

Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Mit dieser Steuerreform werden mehr als 300 000 Bürger und Bürgerinnen nunmehr nicht mehr Steuer zahlen müssen. Das ist eine wesentliche Ersparnis. In Summe werden damit mehr als 2 Millionen Österreicher keine Steuerlast mehr spüren – eine Steuerlast, die sie in jener Zeit, in der Sie regiert haben, im Wesentlichen noch fest haben tragen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der Finanzminister hat erklärt, dass die Negativsteuer um mehr als 50 Prozent im Auf­wand erhöht wird, und zwar von 60 Millionen auf 95 Millionen €. Das habe ich von SPÖ-geführten Regierungen nie gehört. Wenn ich mir Forderungen der Grünen


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anschaue, die dahin gehen, Lohnnebenkosten zu senken, statt bei der Körper­schaft­steuer etwas zu tun, dann muss ich Ihnen sagen: Ein Prozent Lohnnebenkosten­senkung hätte mehr gekostet als die jetzige Senkung der KöSt. Wenn ich die Signal­wirkung sehe, die diese KöSt-Senkung ausgelöst hat, dann meine ich: Es war die bessere Investition in Österreichs Wirtschaft und in Österreichs Arbeitsplätze. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Kollege Cap hat heute in einem – er ist zwar meistens sehr untergriffig – sein normales Maß der Untergriffigkeit noch bei weitem überschreitenden Redebeitrag dem Kollegen Prinzhorn, der heute eine sehr zukunftsweisende Rede zur Steuerreform gehalten hat, vorgehalten, wenn es Androsch und die Bank Austria nicht gäbe, dann gäbe es den Unternehmer Prinzhorn nicht.

Meine Damen und Herren! Rot-Grün würde bedeuten, dass wir immer mehr Schein­asylanten nach Österreich importieren würden und immer mehr Arbeitsplätze und Unter­nehmen ins Ausland exportieren würden. (Abg. Reheis: Das ist ein Blödsinn!) Ich nehme zur Kenntnis, dass dem Kollegen Cap ein Schlepper, der tausende Asylanten nach Österreich bringt, lieber ist als ein Unternehmer, der in Österreich Unternehmen und Arbeitsplätze sichert. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Reheis: Ein absoluter Blödsinn! – Abg. Mag. Hans Moser: Was sagt die christlich-soziale ÖVP dazu?)

15.50

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dkfm. Dr. Bau­er. Wunschredezeit: 6 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort, Herr Abgeordneter.

 


15.50

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich meine, die letzten Ausführungen und Sätze sind nicht weiter zu kommentieren, weil sie sich selbst entlarven und als das dastehen, was sie sind.

Aber ich möchte doch auf die Ausführungen einiger Vorredner eingehen. Es wurde nämlich gesagt, dass der Schwerpunkt der Arbeit dieser Bundesregierung auf der Beschäftigungspolitik liege. Das wäre gut, aber in Anbetracht der höchsten Arbeits­losigkeit, die Österreich seit dem Zweiten Weltkrieg zu verzeichnen hat, sollte man nicht gerade auf das hinweisen, wo man die größten Schwächen aufweist. Wenn im April mit 240 556 Arbeitslosen eine Arbeitslosenrate von plus 4,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnet wird, dann scheint das doch eine schiefe Optik zu bekommen, wenn man sich dann herstellt und so tut, als hätte man dieses Problem gut bewältigt.

Ferner wurde auf die Bildungs- und Sozialpolitik hingewiesen. – In der Bildungspolitik wurde gekürzt, in der Sozialpolitik wurde maßgeblich verschlechtert und ebenfalls ge­kürzt. Also wo liegen dann die Schwerpunkte? – In der Kürzung, in der Verschlech­terung, wie die Daten zeigen, oder meinen Sie, die Verbesserung sei nur eine sehr einseitige, nämlich dort, wo die Gruppen für Sie interessant sind?

Was mich besonders verblüfft, ist, dass ein Unternehmer sagt, dass die ATW, also die Austria Tabakwerke, nachdem sie verkauft worden sind, nun große Gewinne machen würden. Also die Austria Tabakwerke haben immer große Gewinne gemacht, so große Gewinne, dass sie sich in zweieinhalb Jahren sozusagen selbst kaufen. Sie wurden nämlich um 10 Milliarden Schilling verkauft, und es wurden rund 3,5 Milliarden Schilling Gewinn gemacht, im letzten Jahr sogar mehr. Wenn man sich dann als Unternehmer herstellt und sagt, dass man gerade die profitabelsten Unternehmen verkauft, statt sie auf Dauer zu nützen, dann ist das ja wirklich ein starkes Stück, denn das würde ein Privater nie tun. Das ist nämlich der Unterschied! (Beifall bei der SPÖ.)

Noch eine Richtigstellung. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich habe mich auch dazu zu Wort gemeldet und das als negativ beurteilt. Es wurde gesagt, dass das Pflegegeld


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von Ihnen valorisiert wurde. Die Wahrheit ist, dass es seit 1997 nicht mehr valorisiert wurde, ein Entwurf zwar seit dem Herbst des Vorjahres dem Hohen Hause vorliegt, allerdings noch nicht beschlossen ist. Also eine Ankündigung schon als Valorisierung zu bezeichnen, ist ebenfalls ein starkes Stück, meine geschätzten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Es klingt immer wieder so durch: Sozial ist, was Arbeit schafft. – Ich denke, wir alle wissen, wie wichtig Arbeit ist. Aber man muss auch sagen, dass nicht jeder, der Arbeit schafft, auch etwas mit sozial zu tun hat. Es gibt Arbeitsplätze, die den Arbeits­be­dingungen, so wie wir sie uns vorstellen, nicht gerecht werden, und es gibt Arbeits­kräfte, für die keine entsprechende Entlohnung bezahlt wird. Daher kann man nicht nur die Arbeit als Maß ansetzen, sondern, geschätzte KollegInnen, man muss auch sagen, welche Arbeit geschaffen wurde. Es kann nicht sein, dass Arbeit geschaffen wird, die letztlich krank macht oder so entlohnt wird, dass man davon nicht leben kann. Diese Unterscheidung ist unbedingt notwendig! (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Tancsits hat gemeint, wir wollen durch eine Ausweitung der Negativsteuer die Ab­hängigkeit der Menschen erhöhen. – Herr Kollege, Sie müssen sich entscheiden. Hier sitzt der Herr Finanzminister – jetzt der Staatsekretär –, und der erzählt immer wieder, dass infolge Ihrer Steuerpolitik nun 2 550 000 Österreicherinnen und Öster­reicher keine Steuer mehr zahlen müssen. Sie sind wahnsinnig stolz darauf, statt die verteilungspolitische Dimension zu erkennen. Entweder – das muss man ja immer wieder erwähnen – versucht man, ihnen auf Grund ihrer Leistungen – auch in den untersten Einkommenskategorien – eine Verbesserung ihres Einkommens zu ermög­lichen, oder man schließt sie von der künftigen Entwicklung aus. Das ist die Frage, die man stellen muss!

Ich halte es nicht für erstrebenswert, dass rund 45 Prozent der Bevölkerung keine Steuern zahlen, denn das heißt, dass die Einkommen so gering sind, dass sie immer im untersten Einkommensbereich verharren. Daher, geschätzte Damen und Herren: Diese Steuerreform bleibt eine Steuerreform, die die Schieflage Österreichs in der Ver­teilungsgerechtigkeit nur erhöht.

Wenn eine Steuerreform eine Aufgabe mit zu erfüllen hat, dann die, dass die Steuer­gerechtigkeit und die Verteilungsgerechtigkeit erhöht werden, und das bleibt diese Steuerreform zur Gänze schuldig, denn wenn ich nämlich die Steuerreform 2004 dazu­nehme, dann muss ich klar sagen, dass das Verhältnis von unternehmensbezogener Entlastung und arbeitnehmerbezogener Entlastung zwei zu eins beträgt, und das entspricht tatsächlich einer ungerechten zukünftigen Verteilung. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.55

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. 5 Minu­ten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


15.55

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatsekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin zwar die 39. Rednerin, aber wie heißt es doch so schön? – „Tue Gutes“ – in diesem Fall: diese Regierung – „und rede darüber!“ Deswegen werde ich wahrscheinlich einiges wiederholen müssen, es ist aber not­wendig, weil die Opposition vielleicht dann doch noch so weit kommt, dass sie dem einen oder anderen zustimmt. (Abg. Öllinger: Oje, können Sie uns das nicht schriftlich geben?)

Ich möchte deswegen wiederholen: Diese Steuerreform ist fair und sozial gerecht. Ich lade Sie ein, mitzugestalten, statt sich zu verweigern. Weniger Steuern bringen mehr


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Geld für unsere Familien und auch mehr Gerechtigkeit für Alleinerzieher und Allein­verdiener. Ich weiß, dass im SPÖ-Antrag zum Beispiel steht – es tut mir Leid, dass meine Kollegin Heidrun Silhavy sich jetzt von der Rednerliste hat streichen lassen, denn sie hätte sicher dazu etwas anmerken können –, dass die Kinderzuschläge nur für gut verdienende Alleinerhalter mit drei oder mehr Kindern gedacht seien. (Abg. Silhavy: Ich habe mich nicht streichen lassen!) Ich freue mich, dass Österreich so viele gut verdienende Alleinverdiener hat.

Ich möchte weiters anmerken, dass für uns alle Familienformen unterstützenswert und alle Kinder gleich viel wert sind. Das zeigt dieses Familienpaket in dieser Steuerreform mit 250 Millionen € Entlastung schon für 2004, mit der Anhebung des Allein­ver­dienerabsetzbetrages von 130 € auf 220 € pro Monat und auch mit der Anhebung der Zuverdienstgrenze beim Alleinverdienerabsetzbetrag. Dies ist auch eine Verbes­serung für alle AlleinerzieherInnen und unserer Meinung nach sehr wohl auch eine Wieder­gutmachung für eine jahrzehntelange Bevorzugung von Doppelverdiener­familien.

Wenn Kollegin Weinzinger in ihrer sehr langen Rede auf einen Punkt gebracht gemeint hat, dass die Frauen in dieser Steuerreform sehr benachteiligt sind, so sage ich Ihnen: Diese Steuerreform entlastet gerade die Bezieher von kleinsten und mittleren Einkom­men. Ich erwähne nur, dass es 30 Jahre SPÖ-Politik gab, auch Frauenministerinnen, aber anscheinend ist es diesen Damen nicht gelungen, gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit einzuführen. (Abg. Dr. Puswald: Die Löhne haben ja nicht sie gezahlt! – Abg. Reheis: Da ist schon einiges in Bewegung gekommen!) Das ist letztendlich auch der Grund, warum in gewissen Frauenberufen ein geringeres Gehalt gezahlt wird. Ich wün­sche mir, dass es uns in dieser Regierung noch gelingen möge, nicht nur den Min­destlohn einzuführen, sondern auch die Sozialpartner dazu zu bewegen, im Zuge der kollektivvertraglichen Verhandlungen diesbezüglich einiges weiterzubringen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese Steuerreform 2004 und 2005 unterstützt und entlastet 2,3 Millionen Familien, darunter 900 000 Alleinverdiener-Familien, und davon sind 100 000 Alleinerzieher. Zu erwähnen ist auch die Entlastung der Familien durch das Kinderbetreuungsgeld in Höhe von rund 650 Millionen € pro Jahr. – Das alles sind wichtige Punkte in der Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und für eine Wahlfreiheit der Lebensmodelle für Mütter und Väter.

Diese Steuerreform stärkt außerdem die Kaufkraft der Familien und bedeutet eine Verbesserung des Wirtschafts- und Arbeitsstandortes in diesem gemeinsamen Europa mit zehn neuen Beitrittsländern. Ich würde bitten und vorschlagen, dass die SPÖ einmal einen neuen Weg einschlägt und nicht zum Muttertag einen Rabenmuttertag ausruft, denn das haben sich die österreichischen Mütter nicht verdient. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Mainoni: Das haben sie sich nicht verdient! – Abg. Dr. Stummvoll: Bravo!)

15.59

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. 6 Minuten Wunschredezeit. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort.

 


16.00

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Steibl! Keine Sorge! Ich hatte nicht die Befürchtung, dass du wirklich etwas Neues bringst! Ich habe mich nicht streichen lassen, um mir zuerst deine Ausführungen anzuhören und danach zum Reden zu kommen, sondern die Reihenfolge hat sich offensichtlich durch eine Änderung in der Liste ergeben! (Abg. Steibl: Jetzt hast du wenigstens ein Thema!) – Keine Sorge! Du bringst nichts Neues, daher wirst du mir nicht viele Themen geben! (Abg. Dr. Brinek: Sie uns auch nicht!)


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Auf einen Punkt, nämlich auf den „Rabenmuttertag“, möchte ich aber doch ganz gerne eingehen. (Abg. Steibl: Ich bitte darum!) Genau das ist nämlich die Politik, die die Konservativen in diesem Haus machen: Frauen zurück ... (Abg. Steibl: Konservativ ist nichts Negatives!) – Wenn du dich schon verteidigen musst, dass es nichts Negatives ist, dann scheint es für dich doch etwas Negatives sein, denn sonst müsstest du das Konservative hier ja nicht verteidigen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl: Linke Emanze! – Abg. Prinz: „Konservativ“ heißt Positives bewahren und für Neues offen sein!)

Jedenfalls zeigt sich dabei genau die Politik, die ihr macht, nämlich die Frauen aus dem Beruf zu drängen oder drängen zu wollen! Dementsprechend sind ja auch die Maßnahmen, die ihr bisher gesetzt habt! Es ist durch Studien bewiesen, dass ihr die Frauen durch das Kinderbetreuungsgeld und durch die Nichtübereinstimmung zwischen Arbeitsrecht und Geldbezugsmonaten aus dem Arbeitsmarkt drängt. Genau das ist auch das Ziel eurer Politik: Es geht euch darum, die Frauen wieder zurück nach Hause an den Herd zu schicken und sie weiterhin als stille Arbeitsmarktreserve zu haben, um sie dann kostengünstig der Wirtschaft wieder zur Verfügung zu stellen, weil sie am Arbeitsplatz ja keine Sicherheit haben. – Das ist eine Politik, die wir ablehnen, das ist die falsche Politik, und mit dem „Rabenmuttertag“ weisen wir auf diese Fehler in eurer Politik hin! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl: Was ist in 30 Jahren geschehen? Nichts!)

Liebe Kollegin Steibl, auch Sprache ist verräterisch! Du redest die ganze Zeit von „Doppelverdienern“. – Eine Doppelverdienerin bist du, eine Doppelverdienerin bin ich, es gibt viele Doppelverdiener hier in diesem Hause! Aber wenn eine Frau einen Job hat und ein Mann einen Job hat, dann sind das ja keine Doppelverdiener, sondern zwei Menschen, die jeweils einen Beruf haben. Hiebei handelt es sich nicht um Dop­pelverdiener, darauf möchte ich doch aufmerksam machen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Steibl.)

Gerne! Ich gebe dir gerne Nachhilfe, aber vielleicht merkst du es dir auch! Das wäre sehr angenehm! – So! Ich hoffe, das hat nachhaltige Wirkung! (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nunmehr auf das Thema, das auf der Tagesordnung steht, eingehen und ein paar Punkte aufzählen, die bei dieser Steuer­reform aus unserer Sicht ernsthafte Kritikpunkte sind:

Österreich hat sich verpflichtet, zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung etwas zu tun. Kollege Tancsits – ich sehe ihn jetzt nicht – hat heute schon die Negativ­steuer angesprochen. Genau diese Negativsteuer wäre eine Möglichkeit, etwas für die einkommensschwächsten Familien und für die einkommensschwächsten Personen in diesem Lande etwas zu tun. Gerade da verweigern Sie jegliche Maß­nahmen, wie Sie überhaupt im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung überhaupt keine Taten setzen, die wirklich qualitativ wertvoll wären!

Zur Bewertung der Maßnahmen: Nach den Sparpaketen 2000, 2001 und 2003, dem Konjunkturbelebungspaket und der Steuerreform, die Sie jetzt hier so großartig be­schließen wollen, bleibt es trotzdem bei einer Nettobelastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Pensionistinnen und Pensionisten von 2,76 Milliarden €. Für die Unternehmer bringen genau dieselben Maßnahmen hingegen eine Entlastung von 1,79 Milliarden €. – So viel zur Umverteilung, die Sie vornehmen, und zur Politik, die Sie machen.

Sie von den Regierungsparteien bestreiten das die ganze Zeit. Sie sagen: Aber damit werden ja Arbeitsplätze gefördert und gesichert! (Abg. Mag. Donnerbauer: Ja!) Ich


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finde es „toll“, dass die Arbeitsplätze damit gefördert und gesichert werden, wenn gleichzeitig die Verlustabschreibung für Töchter im Ausland auf einmal möglich gemacht wird! Was geschieht dann nämlich? – Wir subventionieren auf diese Weise, dass heimische Betriebe Tochterfirmen im Ausland gründen, dass sie die Produktion dorthin verlagern und dass sie Schulden oder Verluste, die sie dort schreiben, auch noch bei uns abschreiben, und wir dürfen diese dann zahlen! Dafür, dass Arbeitsplätze und Produktion ins Ausland verlagert werden, zahlen wir alle dann noch, wenn es Verluste gibt! (Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer.) Super! Der Unternehmer hat überhaupt kein Risiko mehr, er kann die Arbeitsplätze locker ins Ausland verlagern, denn zahlen tun es eh die Österreicherinnen und Österreicher! Wenn das Standort­politik ist, dann sage ich: Gute Nacht, Österreich! (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Öllinger hat heute schon etwas Wichtiges angesprochen, nämlich die Finanzie­rungsmöglichkeiten der Gemeinden. – Wie schaut es mit Investitionsbegünstigungen im Gesundheitswesen und im gesamten Bereich der persönlichen Dienstleistungen aus, auf welche wir einen enormen gesellschaftlichen Zuspruch haben und hinsichtlich welcher wir immer mehr Nachfragen bekommen? Wo sind dafür die Entlastungs­faktoren in Ihrem Steuerpaket? Nichts ist da! Nirgends ist da etwas! Sie reden groß­artig und stellen sich hin, als wären Sie die Vertreter der Wirtschaft! Welche Wirtschaft vertreten Sie denn? – Höchstens vielleicht die Wirtschaftskammer, aber nicht die Wirt­schaft! (Zwischenruf des Abg. Gahr.) Die Klein- und Mittelbetriebe sind Ihnen vollkom­men egal! Die Gewerbetreibenden sind Ihnen vollkommen egal! Es ist Ihnen egal, wenn die Friseure nicht mehr überleben können, weil die Leute keine Kaufkraft mehr haben und nicht mehr dort hingehen! Dort sparen Sie ein, weil Sie es sich nicht mehr leisten können! Das ist Ihre Politik! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Ikrath.)

Das sind keine Unterstellungen! Sie haben heute hier Unterstellungen gegenüber Kollegem Cap gemacht! Ich will das, was Sie gesagt haben, hier nicht einmal demen­tieren, denn sie sind mir das nicht wert! Die Qualität Ihrer Debattenbeiträge zeigt sich hier ohnedies von selbst! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie machen Anschuldigungen, weil Sie selbst ein Versagen Ihrer Politik sehen! Sie selbst haben permanent eine Neuverschuldung im Staat produziert! – Sie reden immer vom Schuldenberg: Selbst wenn Sie einen Schuldenberg übernommen hätten, dann haben Sie ihn aber noch weiter aufgetürmt, meine Damen und Herren! Das ist Faktum, und das muss man den Leuten sagen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl: Das ist wirklich eine sehr „inhaltsvolle“ Rede!) – Ja, Kollegin Steibl! Sie ist inhaltsvoll, im Gegensatz zu deiner, das muss ich schon dazu sagen!

Meine Damen und Herren! (Abg. Steibl: Du beschäftigst dich nicht ernsthaft mit Inhalten, sondern schüttest nur an!) Meine Damen und Herren! Was ich sehr ungerecht finde, und das werden Sie den Leuten auch sagen müssen, ist: Die Leute, die durch die Steuerreform nicht entlastet werden, dürfen dafür mehr zahlen, zum Beispiel durch die Energieabgaben, die sie zu zahlen haben! Die Leute können sich das fast nicht mehr leisten. Ich habe daher heuer einen Antrag betreffend Heizkostenzuschuss ge­stellt, Sie haben ihn im Sozialausschuss aber nicht einmal auf die Tagesordnung genommen, meine Damen und Herren! So schaut Ihre soziale Einstellung aus! Und dann reden Sie von der größten Steuerreform aller Zeiten. Für wen? Für die Unter­nehmen! – Da sagen wir: Nein danke! (Beifall bei der SPÖ.)

16.06

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dolinschek. 5 Minuten Wunschredezeit. – Bitte, Herr Kollege.

 



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59. Sitzung / Seite 144

16.06

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staats­sekre­tär! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Silhavy, wenn Sie behaupten, dass der Schuldenberg jetzt angestiegen ist, den die SPÖ angehäuft hat, dann entspricht das einfach nicht den Tatsachen!

Sie von der SPÖ werden nicht müde, hier zu jammern, dass die Unternehmen die Profiteure dieser Steuerreform sind. – Jawohl, sie sind Profiteure, aber auch die Arbeit­nehmer profitieren! Wenn Sie behaupten, dass die Menschen nichts davon haben, dann sage ich: Von 5,9 Millionen Steuerpflichtigen in Österreich werden jetzt 2,55 Millionen Menschen steuerfrei gestellt. Das ist doch etwas! Diese Zahl setzt sich aus 1,65 Millionen Arbeitnehmern, 60 000 Selbständigen und 730 000 Pensionisten zu­sammen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Bauer.) Sie müssen einfach zur Kenntnis neh­men, dass es so ist!

Man muss immer beide Etappen der Reform zusammen sehen: Die von 2004 ist ein vorgezogener Teil von 2005, und vergleichen müssen Sie zwischen 2003 und 2005! (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Tatsache ist, dass bis zu 15 770 € Jahreseinkommen steuerfrei gestellt sind, und darüber hinaus gibt es die Senkung der Körperschaft­steuer, was enorm wichtig ist.

Bei dem Steuerwettbewerb, den es momentan in Europa gibt, nachdem gewisse Staa­ten schon die Flat-Tax eingeführt haben, müssen wir eben mithalten! Wenn Sie immer wieder sagen, dass die getroffenen Maßnahmen auch den kleinen und mittleren Betrieben nicht zugute kommen, sondern nur den Konzernen und den Kapitalgesell­schaften, dann möchte ich Sie daran erinnern, dass 1,4 Millionen Arbeitnehmer in Kapitalgesellschaften arbeiten, die oft nicht mehr als 10 oder 20 Mitarbeiter beschäf­tigen! Das sind Arbeitsplätze! Wenn dort entsteuert wird und Leute Beschäftigung finden, dann erhöht das die Kaufkraft und die österreichische Wirtschaft ist wett­bewerbsfähig! Das muss man ganz einfach zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie hier über die Menschen reden, die auf Grund ihres Einkommens schon vorher keine Steuern gezahlt haben, und sagen, dass diese jetzt nichts von der ganzen Steuerreform haben, dann muss ich Sie daran erinnern, dass es sehr wohl eine Negativsteuer gibt. Auf diese haben wir besonders geschaut: Wenn sich aus der Steuerberechnung nach Abzug der Absetzbeträge eine negative Steuer, also ein Minusbetrag ergibt, dann kann der Alleinverdienerabsetzbetrag bei mindestens einem Kind beziehungsweise der Alleinerzieherabsetzbetrag bis maximal 364 € pro Jahr, das sind zirka 5 000 S, zu einer Negativsteuer führen, und das ist eine Steuergutschrift. Wenn man sich im Euro nicht auskennt: 5 000 S sind 364 €.

Diese Gutschrift, Frau Kollegin, erfolgt auch im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung und ist relativ einfach zu handhaben. Und wenn Sie einkommenslose Alleinerzieher mit einem Kind beklagen: Alleinerzieher mit mindestens einem Kind können diese Steuer­gutschrift ebenfalls über einen gesonderten Antrag beim Finanzamt erhalten! Da haben wir für ein breites Spektrum etwas getan, sowohl für jene, die ganz wenig verdienen, als auch für diejenigen, die sich im Mittelbau befinden, und auch für die Unternehmen, geschätzte Damen und Herren!

Wenn ich mir das so anschaue, Frau Kollegin ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Bauer.) – Herr Kollege Bauer! Ihnen konnte ich überhaupt nicht folgen! (Abg. Dr. Puswald: Das ist eine Intelligenzfrage!) Die Verteilungswirkung dieser Steuerreform ist positiv für die Familien, für die Haushaltseinkommen, für die Arbeitnehmer und auch für die Unter­nehmen, für die Klein- und Mittelbetriebe genauso wie für die Konzerne. Wenn Sie mir das nicht glauben, dann lesen Sie bei Felderer nach! (Zwischenruf des Abg.


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Dr. Bauer.) Hinsichtlich der Entlastung der Haushalte, Kollege Bauer, kommt das IHS zum Schluss, dass alle Einkommensgruppen fast gleich stark von den beiden Steuer­reformen profitieren, selbst wenn man die Ökologisierung des Steuersystems gegen­rechnet! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

16.11

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeord­neter Dr. Puswald zu Wort gemeldet.

Sie kennen die Geschäftsordnung: Zunächst kommt die zu berichtigende Behauptung und dann die richtige. – Bitte.

 


16.11

Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Kollege Dolinschek hat gerade die Aussage gemacht: Die Behauptung von Kollegin Heidrun Silhavy, der Schuldenberg sei gestiegen, ist falsch!

Diese Behauptung des Herrn Kollegen Dolinschek ist falsch!

Der „Schuldenberg“, wie er ihn nennt, ist wie folgt gestiegen: Die Schulden betrugen im Jahr 2000 138,4 Milliarden €, im Jahr 2001 142,7 Milliarden €, im Jahr 2002 145,7 Mil­liar­den €, im Jahr 2003 148,2 Milliarden € und werden im heurigen Jahr 152,8 Milliar­den € betragen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.12

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Mag. Trunk ans Rednerpult. Wunschredezeit: 6 Minuten. – Bitte, Frau Kollegin.

 


16.12

Abgeordnete Mag. Melitta Trunk (SPÖ): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Gleich zu Beginn und ganz kurz: Es ist mir ein Anliegen, das Sittenbild, das sich aus den Wortmeldungen ergibt sowie die Diskrepanz zwischen Schein und Sein bei so manchen FPÖ-Abgeordneten aufzuzeigen, insbesondere beim Kollegen Dolinschek.

Herr Kollege Dolinschek! In Gegenüberstellung zu Ihren Aussagen und zu jenen Ihrer FPÖ-Kollegen – und auch so mancher ÖVP-Kollegen – zitiere ich jetzt den FPÖ-Finanzlandesrat Karl Pfeifenberger aus Kärnten, der ganz im Gegensatz zu Ihren Aussagen und auch zu den Lobeshymnen des Oberverhandlers Haider in der aktuellen Ausgabe der „Kärntner Woche“ im O-Ton meint – ich zitiere Pfeifenberger im Zusam­menhang mit dieser Steuerreform –: Wir brauchen einen gemeinsamen Schulter­schluss, um die Bedrohungen vom Bund abzuwenden! (Rufe bei der SPÖ: Hört! Hört!) Das ist die Wahrheit, und ausnahmsweise stimme ich sogar Pfeifenberger zu! Das ist die Wahrheit, Herr Kollege Dolinschek! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nun komme ich zu den immer wieder aufblitzenden Begriffen im Zusammenhang mit der Steuerreform: Kollegin Steibl hat von „Fairness“ und von „sozialer Gerechtigkeit“ gesprochen, manche haben sogar von „familienpolitischen Sozialleistungen“ geredet. – Auch diesbezüglich zitiere ich einen Kronzeugen, und zwar keinen Geringeren als Herrn Finanzminister Karl-Heinz Grasser himself. Der Herr Finanzminister hat sich gegenüber dem „Standard“ am 13. Jänner 2004 politisch geoutet, indem er wort­wörtlich sagte: Es geht mir bei der Steuerreform nicht um Sozialpolitik. – Einfach ehrlich, einfach Grasser! Und das steht im krassen Widerspruch zu Ihren Darstellungen hier in der Debatte über die Steuerreform! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Der Finanzminister, der in seiner Schulzeit auch Latein gehabt hat – das weiß ich genau! –, spricht somit unverschämt offen aus, dass es bei seiner Finanz- und Budgetpolitik, und das bezieht sich genauso auf diese Steuerreform, nicht um Sozial­politik, also nicht um eine Politik zum Wohle der Menschen geht, sondern ganz im Gegenteil!

Ich kann es Ihnen nicht ersparen: Glücklicherweise wurde Ihre abstruse Idee – und ich denke, Staatssekretär Finz war mit dabei – der Steueramnestie dank der Opposition und eines FPÖ-Ministers verhindert! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Dem Finanzminister ging es nicht um soziale Gerechtigkeit und nicht um bessere Steuer­moral und Gerechtigkeit, sondern er wollte, ganz präzise gesagt, Steuerhinterziehung unterstützen und am Ende sogar noch belohnen. – Dass dieser Kelch an uns vorüber­gegangen ist, ist ein Glück für die Steuerpolitik in Österreich! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) – Ich bespreche jetzt die Steueramnestie! Sie können sich ja zu Wort melden, Herr Staatssekretär!

Das dritte Kuriosum ist die Tatsache, dass Kollege Stummvoll von der ÖVP – wie gestern und heute auch viele andere – von einer Sensation gesprochen hat, dass über zwei Millionen Steuerpflichtige keine Steuer zahlen müssen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Mainoni.) Es ist dies eine sehr, sehr bedenkliche Sensation! Es geht dabei nämlich um die Tatsache, dass 2,2 Millionen erwerbstätige Menschen in Österreich so wenig verdienen, dass es gerade noch zum schlechten Überleben reicht, aber nicht mehr zum eigenberechtigten, selbständigen Leben! – Das ist eine Schande für die Republik Österreich und keine positive Sensation, wie Kollege Stummvoll es dargestellt hat! (Beifall bei der SPÖ.)

Tatsache ist aber auch, dass genau diese 43 Prozent der Menschen, die nicht ge­nü­gend verdienen, um qualitätvoll leben zu können, die volle Länge aller Gebühren­erhöhungen zahlen müssen, die diese Bundesregierung zu verantworten hat. Tatsache ist, dass der Kern dieser Reform einen unverhohlenen Lobbyismus im Sinne von Kapitalinteressen und Konzernen darstellt. Und ich erspare Ihnen auch nicht die Bemerkung, dass die 283 000 € an Sponsorgeldern der Industriellenvereinigung für den Finanzminister und die teuerste Homepage der Welt offensichtlich Wirkung gezeigt haben.

Tatsache ist auch – der Finanzminister ist nicht da, aber er weiß es, er muss es wissen, zumindest seine Eltern werden es ihm wohl gesagt haben –, dass Klein- und Mittelbetriebe nicht zu den Profiteuren gehören, sondern zu den Geschädigten. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Seine Familie hat nämlich einen Kleinbetrieb in Klagenfurt, in der Autobranche, und nicht aus Lust und Laune waren sie irgendwie genötigt, im Vorjahr diesen Betrieb – Vater Grasser hat es eine „friedliche Übernahme“ genannt – zu übergeben. Also auch seine Eltern wissen, welch negative Konsequen­zen diese Steuerpolitik auch für die kleinen und mittleren Unternehmen hat!

Letzter Punkt: Diese Reform bietet keinen steuerlichen Anreiz für Unternehmer, die Beschäftigung schaffen wollen. Sie bietet keinen steuerlichen Anreiz zur Entlastung des Faktors Arbeit.

Und wenn sich der Herr Arbeitsminister gestern rühmte, dass die Quote der erwerbs­tätigen Frauen auf 66 Prozent hinaufgegangen ist, dann hat er aber dabei verschwie­gen, dass es dabei nicht um Vollzeitarbeitsplätze und um Einkommen, die existenz­sichernd sind, geht, sondern um McJobs und die neue Selbständigkeit, die in Wirk­lichkeit Abhängigkeit bedeuten!

Wenn hier irgendjemand gemeint hat, es handle sich, wenn über die Betroffenheit von Frauen hinsichtlich der Steuerpolitik geredet wurde, um überzogene emanzipatorische Forderungen, dann sage ich Ihnen: Schämen Sie sich angesichts der Tatsache, dass


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die Lohnschere zwischen Frauen und Männern unter Ihrer Regierung noch weiter auseinander gegangen und dass die Armut in dieser Republik Österreich weiblich ist! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.18

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Maier. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


16.18

Abgeordneter Dr. Ferdinand Maier (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist an sich – und einige Vorredner haben das auch schon angesprochen – viel zur Steuerreform gesprochen worden.

Ich habe mir überlegt, dass man sich eigentlich ein bisschen mit der Geschichte der Steuerreform beschäftigen und sich ansehen sollte, wie die Sozialdemokraten, die sozialdemokratischen Finanzminister grundsätzlich zu Steuerreformen stehen. (Zwischenruf des Abg. Schieder.) – Ich lade Sie ein, Herr Kollege Schieder, einen Blick zurück zu werfen, und zwar ins Jahr 1984! (Abg. Schieder: Das wird uns heute sehr viel helfen!)

Da hatten Sie Herrn Finanzminister Salcher, der angesichts einer kleinen Koalition eigentlich ganz grundsätzlich das machen wollte, was die Sozialdemokratie immer wollte, wie ich annehme. (Abg. Schieder: Reden Sie nicht von der Vergangenheit, sondern kümmern Sie sich um die Zukunft!) Und er hat es auch tatsächlich geschafft. Im Regierungsübereinkommen 1983 war von einer etwas umfangreicheren Steuer­reform die Rede. Salcher hat dann gemeint: Ganz so groß wird sie nicht ausfallen. Und das eigentliche, zentrale Element dieser Steuerreform war, dass die Gültigkeit der Lohnsteuerkarte von drei auf fünf Jahre verlängert wurde. Das war der „Quanten­sprung“ des Herrn Finanzministers Salcher! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schieder.)

Und dann, Herr Kollege Schieder, kam das Jahr 1987. (Abg. Schieder: Das hilft Ihnen auch nicht! – Abg. Mag. Mainoni: Schieder stört die Rede!) Ihr Kollege Lacina hat wiederum verteidigt, was alles nicht geht, und es war in Wirklichkeit die ÖVP, damals unter Alois Mock, die in diese Regierung eingetreten ist und Folgendes durchgesetzt beziehungsweise auch verhindert hat (Abg. Dr. Bauer: Sie haben damals nichts durchgesetzt und auch heute nicht!), und zwar:

Statt einer Null-Lohnrunde im öffentlichen Dienst, wie es die SPÖ wollte, wurden die notwendigen Einsparungen von 2,4 Milliarden Schilling durch Einsparungen im Verwal­tungsaufwand und durch eine flache Lohnrunde realisiert. Um die Familien zu entlasten erreichte die ÖVP eine spürbare Erhöhung der Kinderabsetzbeträge, gegebenenfalls sogar direkte Beihilfen im Rahmen dieser Steuerreform.

Ich könnte Ihnen noch viele andere Punkte vorlesen, wie zum Beispiel auch die Ver­hinderung von Beiträgen, ein ganz aktuelles Thema. (Abg. Schieder: Lesen Sie nichts vor, sondern reden Sie frei!) Wenn Sie und Ihre Finanzverantwortlichen nicht weiter­wissen, dann müssen Sie auch wissen, dass die Erhöhung von Beiträgen oder Steuern nicht der Weisheit letzter Schluss ist.

Jetzt möchte ich kurz auf Kollegen Bauer zu sprechen kommen, der über die Austria Tabak gesprochen hat, und ihm nur in Erinnerung rufen: Sie haben einmal einen Genossen als Generaldirektor dort gehabt. Er war auch Präsident des Öster­reichischen Fußballbundes. (Abg. Bucher: Beppo Mauhart!) Beppo Mauhart. Dieser Mann – damals noch ein Kind der Verstaatlichten und somit der Sozialdemokratie – hat geschaltet und gewaltet und geglaubt, weil damals gerade die Frage der Diversifikation hochgekommen ist, dass man jetzt zu diversifizieren anfängt. (Abg. Dr. Fekter: Das hat


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er geglaubt!) – Ja, ja, so ist es. Das Ganze wäre beinahe den Bach hinuntergegangen, und viel Steuergeld ist hineingeflossen. Ein Glück war, dass Mauhart sich dann dort zurückziehen musste.

Dass Sie jetzt aber glauben, dass der eigentliche Schritt der Privatisierung ein schlech­ter ist, zeigt ja nur, dass Sie die Problematik noch nicht erkannt haben, oder auch, dass Sie unter Alzheimer leiden, denn Beppo Mauhart ist ja ein Synonym für diese Politik. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Wahrheit wollt ihr nicht hören!)

Ich glaube daher, wenn Sie sich die Regierungsverhandlungen anschauen, die diesmal zur Steuerreform geführt haben, dann ist das eins zu eins umgesetzt worden, und dazu ist dieser Regierung auch zu gratulieren. Dass Sie nicht mitkönnen, habe ich mit dem Hinweis auf Salcher, aber auch auf Lacina nur darzulegen versucht. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.22

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. 6 Minuten Wunschredezeit. – Bitte. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Aber jemand, der nur Langzeitfakten bringt, sollte nicht von Alzheimer reden! Das waren alles nur Langzeitfakten!)

 


16.22

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Anhaltende Zwischenrufe. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Also Beppo Mauhart vorzuwerfen, dass er als Patriot versucht hat, diese maroden österreichischen Privatunternehmen zu ret­ten, um die österreichischen Marken zu erhalten, was ihm natürlich nicht gelungen ist, ist, glaube ich, ein sehr fragwürdiger Vorwurf. Daher sollte man, glaube ich, ganz vorsichtig sein, insbesondere wenn man aus dem Raiffeisenkonzern kommt. (Abg. Dr. Fekter: Und was hat das die Republik gekostet?) – Die Republik hat das überhaupt nichts gekostet! Die Republik hat den größten Schaden durch den ATW-Verkauf erlitten, muss ich sagen, und das ist dieser Bundesregierung zu verdanken, denn jeder weiß, dass heute jede Luftblase im Shareholder-Niveau, was die Gewinne betrifft, sozusagen einen mit dem Faktor 8 umgerechneten Preis wert ist, und wenn man den Preis so festsetzt, dass nach zweieinhalb Jahren mehr oder weniger die Kosten für die Akquisition herinnen sind, dann ist das fast schon Wirtschaftskriminalität, wenn man so agiert. – Das nur zu diesem Thema.

Ich glaube aber, grundsätzlich ist es heute schon eine sehr spannende und umfas­sende Debatte – natürlich auch deshalb, weil eine sehr ideologisch motivierte Steuer­reform beschlossen wird und hier selbstverständlich die unterschiedlichen Positionen auseinander klaffen, weil ganz gezielt einzelne Zielgruppen bei dieser Steuerreform bedient werden, während andere Zielgruppen vernachlässigt werden.

Konjunktur und Beschäftigung sind bei dieser Steuerreform offensichtlich kein Thema, denn man kann nirgendwo entdecken, dass sich diese Steuerreform auf die Konjunktur oder auf die Beschäftigung in Österreich positiv auswirken würde.

Die Kosten-Nutzen-Struktur dieser Steuerreform, meine Damen und Herren, ist auch sehr fragwürdig und sehr ungerecht auf die einzelnen Gruppen, auf die Zahler – sage ich jetzt einmal –, die in dieses System österreichische Staatsorganisation hinein­zah­len, verteilt.

Es ist auch fragwürdig – da gibt es natürlich einen gewissen Druck, das gebe ich schon zu –, dass damit sozusagen die Flat-Tax-Annäherung bei den Unternehmenssteuern so stark forciert wird. Ich glaube, man müsste da andere Wege gehen. Es ist jedenfalls


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mit dem Effekt verbunden, dass in den nächsten Jahren eine so genannte Steuer­exklusivität für die Arbeitnehmer in unserem Land entstehen wird.

Die Gruppenbesteuerung ist natürlich eine sehr diskussionswürdige Angelegenheit, aber ich glaube, das Motiv hat uns Kollege Neudeck eigentlich klargemacht: Bevor die da herüberkommen zum Fladern, sollen sie lieber für uns da drüben arbeiten. Dass damit natürlich ein Arbeitsplatzexportprogramm in die Reformstaaten stattfindet, das ohnegleichen in der Geschichte ist, sei hier nicht unerwähnt.

Ich glaube, dass es notwendig wäre, in der Debatte zum Ausdruck zu bringen – das ist heute noch nicht wirklich diskutiert worden, nur Kollege Dolinschek hat das einmal kurz angesprochen –, dass wir eine europäische Steuerharmonisierung dringend benötigen würden. Wir haben eine einheitliche Währung, und es wäre höchst an der Zeit, dass es hier auch zu einer Harmonisierung der europäischen Unternehmens- und Sozial­steu­ern kommt. Das wäre nur logisch und gut.

Daher hoffe ich natürlich, dass es eine starke sozialdemokratische europäische Parla­mentariergruppe geben wird, die dieses Projekt auf dieser Ebene verfolgt. (Abg. Dolin­schek: Da müssen Sie aber auch mit den Freiheitlichen zusammenarbeiten!) Es wäre aber natürlich auch sehr schön, wenn sich die österreichischen Parlamentarier in Zukunft fraktionsübergreifend mit diesem Thema beschäftigen könnten und sich wirk­lich in einer ernsthaften Debatte dazu bekennen würden.

In diesem Sinne, muss ich sagen, sind wir natürlich mit dieser Steuerreform absolut nicht zufrieden. (Beifall bei der SPÖ.)

16.27

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Walch. Wunsch­redezeit 5 Minuten. – Bitte.

 


16.27

Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zu ein paar Vorred­nerinnen und Vorredner muss ich etwas sagen. (Abg. Silhavy: Nein! – Abg. Öllinger: Nein! Bitte nicht!)

Kollege Silhavy, du hast da gesagt: Frauen zurück an den Herd! Es ist richtig, Frauen zurück an den Herd, das war unter einer SPÖ-Regierung so. Was war bei euch? – Bei euch hat nur jene Frau, die berufstätig war, einen Anspruch auf Karenzgeld gehabt, und sie hat nur geringfügig dazuverdienen dürfen. Da hat sie beim Herd bleiben müs­sen oder sie hat das Kind irgendwohin weitergeben müssen. – Das ist das Erste.

Jetzt können die Frauen zusätzlich zum Kindergeld 14 600 € dazuverdienen. Zusätz­lich hat diese Regierung die Familienbeihilfe um 100 S erhöht – also es gab eine Erhöhung der Familienbeihilfe! Ihr habt das Karenzgeld von zwei Jahren eineinhalb Jahre gekürzt, wir haben es auf drei Jahre erhöht. Also da ist viel geschehen. Und noch dazu erfolgt für die Frauen eine Anrechnung auf die Pension. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Ich weiß eh, dass es schwierig ist, immer aufzupassen, aber ich würde darum ersuchen. Ich habe dir auch nicht dreingesprochen. (Beifall bei den Freiheit­lichen.)

Nächster Punkt: 18 Monate Beitragsanrechnung und zusätzlich bei Mehrlingsgeburten auch noch mehr Geld.

Dann für unseren Kollegen Tuswald, den man, auch wenn er nicht am Rednerpult ist, immer hört: Kollege Dolinschek hat gemeint, im Verhältnis zum BIP sind die Schulden reduziert worden. – Kollege Tuswald, stell dir vor (Abg. Mag. Lapp: Puswald!), allein durch die Zinsen für den Schuldenstand, den ihr von der SPÖ uns hinterlassen habt,


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müssten ja die Schulden entsprechend in die Höhe gehen, aber diese Regierung bringt es zusammen, dass sie trotz des hohen Schuldenstandes, den wir von euch über­nommen haben, die Schulden reduziert und trotzdem noch eine Steuerreform durch­zieht, wodurch mehr als 2,5 Millionen Menschen in Österreich in Zukunft keine Steuer mehr zahlen.

Und wenn ich dann immer von der Opposition von den Armen höre, die unter der Armutsgrenze sind und gar keine Entlastung haben, dann frage ich einmal: Wer hat sie so weit geführt? Welche SPÖ und Sozialpartner von der Gewerkschaft haben diesen in guten Zeiten keinen gescheiten Lohn ausgehandelt? Habt ihr geschlafen, oder wo wart ihr denn überhaupt? Guten Morgen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denkt einmal zurück, wer das gemacht hat! Ihr seid die Verursacher, nicht wir. Wir können über Nacht diese Schlamassel, die ihr in Österreich angerichtet habt, nicht einfach wieder revidieren. – So viel dazu. (Abg. Reheis: Wie lange regieren Sie schon?)

Zum Kollegen Matznetter möchte ich nur sagen: Typisch SPÖ! – Kollege Matznetter, ihr wart noch nie eine Steuerentlastungspartei, ihr wart eine Bürgerbelastungspartei. Über eure Belastungspakete, die ihr in 30 Jahren gemacht habt, müsste ich wahr­scheinlich zwei Stunden reden, damit ich euch alles sage. Wenn ich nur alleine die Abschreibungen nehme, die ihr von 100 Prozent auf 25 Prozent reduziert habt, und vieles mehr, das 13. und 14. Monatsgehalt habt ihr reduziert und vieles mehr, und jetzt, mit diesem Programm, mit eurem Vorschlag würdet ihr wieder versuchen, bei den Kleinen zu reduzieren und sie zu belasten.

Wenn ich dann höre: Ihr schiebt den Unternehmen alles in den Hintern hinein, die bekommen mehr Geld!, dann frage ich, werte Kolleginnen und Kollegen: Kann denn ein Arbeitnehmer eine Steuerentlastung haben, wenn er keinen Arbeitsplatz hat? Das ist ja das Wichtigste, dass der Unternehmer in Österreich konkurrenzfähig ist, da man doch ganz genau weiß, dass die Konkurrenz aus dem Ausland nicht schläft, dass die auf den österreichischen Arbeitsmarkt hereinkommen kann, dass die uns womöglich die Arbeit wegnimmt, wenn der nicht mehr existenzfähig ist. Darum muss ich dem auch Geld geben, damit der existenzfähig ist. Wenn in einem Topf etwas drinnen ist – ich bin ja schon über 20 Jahre oder noch länger Betriebsrat in einer Baufirma und Betriebs­ratsvorsitzender –, dann kann ich etwas herausholen, und wenn ich etwas herausholen kann, dann sind alle zufrieden. Und da muss man zusammenhelfen.

Daher freut mich natürlich ganz besonders diese erste Etappe der Steuerreform, auf Druck von uns Freiheitlichen durchgeführt, mit 14 500 € steuerfreiem Einkommen, mit der kleinen und großen Pendlerpauschale von plus 15 Prozent und vieles mehr. Für Familien wurde viel gemacht, für die Wirtschaft wurde etwas gemacht, um den Standort Österreich zu sichern. Ihr werdet sehen, dass damit jetzt auch die Wirtschaft wieder angekurbelt wird.

Dass ihr nicht dafür stimmt, wissen wir eh, denn ihr seid eine Polemisierungspartei in Österreich, aber die Bevölkerung wird dann mit 1. Jänner 2005 sehen, was sie im Geldtaschel mehr drinnen hat. Dann wird eure Verbreitung von Unwahrheiten hintan­gestellt. (Bravorufe und Beifall bei den Freiheitlichen sowie Beifall bei der ÖVP.)

16.32

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächster spricht Herr Abgeordneter Oberhaidinger. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte, Herr Kollege.

 


16.32

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Geschätzter Kollege Walch, wenn Sie Ihr Motto, das Sie


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uns einmal vorgetragen haben, selbst ernst nehmen würden, nämlich „rechnen, den­ken und dann sprechen“, dann wären Sie sicher zu einer anderen Aussage gekommen und nicht zu der, die Sie soeben getätigt haben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nicht einmal den Spruch können Sie!) Dann hätten Sie nämlich einmal zusammengerechnet, was Ihre Regierung den Arbeitnehmern und den Pensionistinnen und Pensionisten in den letzten Jahren aus der Tasche gezogen hat und über die so genannte Steuerreform jetzt nur in ganz geringem Umfang wieder zurückgibt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Silhavy: Aber das geht nur, wenn man denken kann!) – Ja, richtig, da muss man dann mitdenken.

Meine Damen und Herren! Es wurde heute schon mehrmals gesagt, aber man kann es nicht oft genug wiederholen: Diese Steuerreform kommt zu spät, sie ist zu wenig, bringt nichts für die Bezieher der unteren Einkommensgruppe, und gemessen am Effekt ist sie einfach zu teuer. Das Budget 2006 wird Sie das sicher lehren.

Finanziert wird sie auf Kosten der Arbeitnehmer und der Pensionisten. Es profitieren die Großen. Es gibt Beispiele, die nachweisen, dass einige wenige Große so viel an Steuererleichterung bekommen wie Zigtausende Arbeitnehmer zusammen.

Der Faktor Arbeit wird nicht entlastet, es werden ... (Zwischenruf des Abg. Gril­litsch.) – Kollege Grillitsch, Sie waren heute schon am Wort, wenn Sie noch einmal zu Wort kommen wollen, brauchen Sie sich nur zu melden, aber ich kann auf Ihre Zwischenrufe dankend verzichten. (Abg. Grillitsch: Das nützt auch nichts! Sie ver­stehen es ja trotzdem nicht!) – Herr Kollege Grillitsch, es werden keine neuen Arbeits­plätze geschaffen!

Da heute Wien angesprochen wurde: In Oberösterreich warten Schulabgänger aus dem Jahre 2003 heute immer noch auf Lehrstellen. Also das ist kein Spezifikum von Wien. Wir haben in Oberösterreich ähnliche Probleme, weil diese Bundesregierung, wenn sie handelt, viel zu spät handelt, zögerlich handelt und halbherzig handelt.

Zum Pendlerproblem, meine Damen und Herren: Schauen Sie sich an, wie viele alleine nach Wien einpendeln! 220 000 Menschen pendeln aus dem Burgenland, aus Nieder­österreich und aus der Steiermark nach Wien ein. (Abg. Hornek: Das ist eh gut! Die arbeiten wenigstens etwas!) Alleine die Bundesbahntarife wurden in den letzten Jah­ren, vom Jahr 2000 bis jetzt, um rund 30 Prozent erhöht, und Sie erhöhen die Pendler­pauschale um nebbiche 15 Prozent. Unterstützen Sie unseren Entschließungsantrag, zumindest Sie, Herr Kollege Walch, wenn Sie sich als Arbeitnehmervertreter verstehen!

Ein anderes Beispiel: die Energieabgabe. Sie kostet die Haushalte 250 Millionen €. Die ärmsten Haushalte trifft diese Abgabe am stärksten. Es ist dies eine Abgabe, die weder ökologisch ist noch die Arbeitskosten entlastet.

Meine Damen und Herren! Dieses Steuerdesaster stärkt weder die Kaufkraft noch schafft es Arbeitsplätze oder bringt Impulse für die Wirtschaft. Es ist schlicht und einfach ein Flop für die Mehrheit der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, der auch durch Ihr Schönreden nicht besser wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.36

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Schultes. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


16.36

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kollegen im Hohen Haus! Die Steuerreform ist für uns alle wichtig: für uns von den Regierungsfraktionen deswegen, weil wir damit zeigen


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können, welche guten Erfolge unsere gute Politik bis jetzt gebracht hat, und für Sie, weil Sie Ihr sozialistisches Sprechprogramm wieder brav abspulen können.

Jedenfalls wissen wir, dass wir mit der Steuerreform etwas Besonderes schaffen. (Abg. Mag. Posch: Das ist eine gewaltige Redeleistung!) Ich komme aus dem Weinviertel, und gerade für uns ist das besonders wichtig, weil wir durch die EU-Erweiterung eine besondere Herausforderung haben und gerade diesen Standort Weinviertel besonders schätzen und schützen müssen.

Wir führen deswegen eine Steuerreform durch, die besonders den kleinen und mitt­leren Unternehmen helfen wird, die aber ganz besonders auch die Einkommen der Arbeitnehmer entlasten wird und die den Familien helfen wird.

Das Weinviertel ist ein Wirtschaftsstandort, der häufig unterschätzt wird. Auch die Landwirtschaft wird häufig unterschätzt, erst recht der Tourismus im Weinviertel (Abg. Dr. Pirklhuber: Der gute Wein!) – ich erinnere Sie an die Therme – und der Wein. (Abg. Öllinger: Wir unterschätzen das Weinviertel nicht!) – Danke, wunderbar! Gerade da zeigt sich, dass diese Steuerreform vieles kann.

Wir werden ein Relikt aus einer Zeit wegschaffen, die noch vor dem EU-Beitritt datiert, denn es ist höchst an der Zeit, dass der Agrardiesel kommt. Wenn Kollege Matznetter in seinem Antrag schreibt, „Artikel III entfällt“, und damit meint, dass das eine aus­reichende Begründung ist, dann muss ich ihm sagen, er hat nicht begriffen, welch hochwertige Lebensmittel die österreichische Landwirtschaft produziert, aber nur produzieren kann, wenn sie wettbewerbsfähig ist. Mit dieser Entlastung des Agrar­diesels in dieser Steuerreform wird ein 40-prozentiger Mehrpreis, den wir für Diesel in der Produktion zahlen müssen gegenüber unseren Kollegen in den Nachbarländern, endlich auf Wettbewerbsverhältnisse reduziert, mit denen wir dann vielleicht bestehen können.

Es ist interessant, dass wir in dieser Frage des Agrardiesels erst zehn Jahre nach dem EU-Beitritt das bekommen, was wir dringend brauchen. Ich danke gerade dieser unserer Regierung, dass wir es jetzt bekommen. Es ist höchste Zeit, aber wir brauchen es dringend, und es wird uns helfen, dass wir bestehen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist ganz klar, dass die sozialdemokratische Fraktion das natürlich nicht will. (Abg. Grillitsch: Aus ideologischen Gründen!) – Danke fürs Einsagen! Es ist nicht nur die Ideologie, sie verstehen es einfach nicht. (Abg. Grillitsch: Ja, genau!) Wirtschafts­politik à la Rote Falken enthält das nicht. – Na gut. (Abg. Silhavy: Es ist zu bezweifeln, dass Sie es verstehen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir haben auch ein anderes interessantes Steuerphänomen in dieser Steuerreform, das ist das Abschaffen der Schaumweinsteuer – auch eine alte Ideologensteuer. Da­mals, als Schaumwein noch ein Luxusgut war, hat man das besteuert. Aber seit die Kollegen von den sozialdemokratischen Fraktionen auf Prosecco umgestiegen sind, verweigern sie die Schaumweinsteuer, und die anderen Österreicher sollen auch keine mehr zahlen müssen. Daher werden wir diese abschaffen, und zwar mit einer sehr vernünftigen Begründung. Bedenken Sie, dass diese Schaumweinsteuer nur auf Sekt zu bezahlen war! Sekt ist vom Kaloriengehalt dasselbe wie Prosecco. Er ist vom Alkoholgehalt dasselbe wie Prosecco.

Was ist der Unterschied? – Der Grundwein kommt aus Italien, Prosecco kommt aus Italien, der wirkliche Unterschied ist der Druck in der Flasche, der ist um 1 Bar höher. Das ist der ganze Unterschied, und daraus resultiert ein Preisunterschied von 1,3 € pro Flasche. Das ist der Preisvorteil des Prosecco, und das genügt, um daraus ein Modegetränk zu machen. – So weit, so gut. Es soll jeder trinken, was er will.


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Das Schlimme daran ist nur, dass sich ein Markt, der einmal 25 Millionen Flaschen umfasste – 18 Millionen davon Sekt aus unserer Region – dahin gehend verändert hat, dass er heute 38 Millionen Flaschen umfasst und unser Absatz um 25 Prozent zurück­gegangen ist.

Das heißt, Sekt aus unserer Region verliert an Markt. Wenn es uns gelingt, diese Schaumweinsteuer abzuschaffen – und heute werden wir das beschließen –, haben wir die Chance, 7,5 Millionen Flaschen aus Österreich mehr unter die Leute zu bringen und vielleicht auch die Prosecco-Spargel-Fraktion zu bekehren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Auf jeden Fall heißt das für uns, dass wir damit Absatz- und Marktchancen für viele Hunderte Weinbauern öffnen, für das Weinviertel einen echten Impuls schaffen und damit eine Rebfläche schützen, die dem Eineinhalbfachen der gesamten Rebfläche des Bundeslandes Wien entspricht.

Unser heutiger Beschluss hat ganz große Auswirkungen auf das Weinviertel – einer­seits, weil die Landwirtschaft dadurch wettbewerbsfähig gemacht wird, dass der Agrar­diesel endlich kommt, und andererseits, weil wir unsere Rebflächen und damit die Winzer im Prozess der Wertschöpfung behalten und so eine Möglichkeit für das Weinviertel schaffen, mit der nächsten Zeit fertig zu werden.

Ich danke allen Abgeordneten, die das Gesetz heute mit uns beschließen werden. Ich ersuche alle Abgeordneten aus dem Weinviertel, heute die Abschaffung der Schaum­weinsteuer und die Einführung des Agrardiesels mitzubeschließen. – Man wird euch zu Hause fragen, was ihr dazu zu sagen habt.

Alle anderen, die nicht mit uns stimmen, sollen weiter beim Prosecco bleiben. Sie verdienen nichts Besseres. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.42

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte, Frau Kollegin.

 


16.42

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ho­hes Haus! Vom Agrardiesel über die Schaumweinsteuer bis zum Sekt und zum Wein­viertel: Am Weinviertel interessiert mich auch immer der Herr „Inspektor Polt“, den man ja hie und da im Fernsehen beobachten kann.

Ansonsten erinnert mich die heutige Debatte aber an jene Debatten, die wir zum Budget geführt haben: Damals haben sämtliche Abgeordnete der Regierungsfraktionen darüber gesprochen, wie wesentlich und wichtig diese Budgets sind. – Wir haben darauf hingewiesen, welche Kürzungen bei den Pensionen stattfinden werden, und dann wurde uns gesagt: Welche Krankjammerei, welche Miesmacherei!

Zu Beginn des heurigen Jahres, als die Menschen am Gehaltszettel, Lohnzettel oder Pensionszettel gesehen haben, dass ihnen weniger übrig geblieben ist, ist bei den Regierungsparteien plötzlich das große Chaos ausgebrochen. So ähnlich ist auch die heutige Diskussion zur Steuerreform.

Sehr geehrter Herr Kollege, der vor mir gesprochen hat! (Abg. Grillitsch: Der Herr Kollege Schultes, Frau Kollegin! Schultes heißt er!) Wenn die Menschen immer öfter ihren Lebensstandard überdenken müssen, wenn immer mehr Menschen arbeitslos sind, wenn immer mehr Familien am Rande der Armut stehen, dann gibt es keine Diskussionen um Prosecco und Sekt, sondern um das tägliche Brot und die Milch. (Beifall bei der SPÖ.)


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Die Regierungsparteien müssen ja mit dieser Steuerreform die Versprechungen ein­lösen, die sie ihren Interessengruppen und auch den Geldgebern, die diverse Wahl­kämpfe finanziert haben, gegeben haben. Die anderen Menschen kommen bei Ihnen immer erst an zweiter Stelle.

Die Steuerreform bringt Steuergeschenke für Konzerne wie die Lannacher Heilmittel­werke – Sie erinnern sich, da gibt es den Schnäppchenjäger Minister Bartenstein – und für den Papierkonzern des Herrn Präsidenten Prinzhorn, der aus öffentlichen Mitteln saniert wurde und nicht aus Mitteln von Banken. (Abg. Marek: Können Sie etwas zur Sache beitragen? – Abg. Grillitsch: Das ist schon so alt!)

Ich möchte zu einem Absatz in Ihrem Steuerreform-Antrag kommen, der meiner Mei­nung nach sehr wesentlich und wichtig ist und anhand dessen sich auch zeigen wird, dass bei Ihnen immer nur der Schein vorherrschend ist: Sie erhöhen den Kirchen­steuer-Absetzbetrag von 75 € auf 100 €.

Humanitäre Hilfsorganisationen haben in den vergangenen Wochen die Absetzbarkeit von Spenden gefordert, die es innerhalb der Europäischen Union nur in Finnland und in Österreich nicht gibt. (Abg. Mag. Donnerbauer: Es waren 30 Jahre Sozialdemo­kratie!)

Vor allem Organisationen wie Caritas, Diakonie, Volkshilfe, Rotes Kreuz, Hilfswerk und viele andere mehr, die auch in Ihrem Einflussbereich sind, haben sich zusammen­gefunden, und Caritas-Generalsekretär Wallner-Ewald hat gemeint, NGOs müssen immer mehr soziale Löcher stopfen und staatliches Versagen kompensieren. – Da kann man nur zustimmen! (Abg. Mag. Donnerbauer: ... Verantwortung tragen!)

Es ist zum Beispiel so, dass bei der humanen Sterbebegleitung von Seiten des Staates, von Seiten der Regierung nicht sehr viel an Unterstützung kommt. – Sie sprechen immer von der Familienhospizkarenz. Sie wird aber auch mit 2 Millionen € aus privaten Spenden bei der Caritas finanziert.

Die Österreicherinnen und Österreicher sind Spenden-Weltmeister. – Die Regierung spricht immer nur in Sonntagsreden von sozialen Fragen und von Spenden et cetera. Deswegen haben wir in unserem Antrag zusätzlich zu dem erhöhten Kirchensteuer-Absetzbetrag und der Absetzbarkeit von Aufwendungen für Religionsgemeinschaften auch jene für gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke gefordert.

Stimmen Sie mit, oder Sie setzen wieder einmal einen Beweis dafür, dass Sie nur in Sonntagsreden gut sind, aber nicht, was das Leben der Menschen betrifft. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Grillitsch: Stimmen Sie bei uns mit! – Abg. Marek: Das haben wir bei Ihnen 30 Jahre lang gesehen!)

16.46

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte.

 


16.46

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte auf einige der angeschnittenen Fragen eingehen. (Abg. Gaál: Das ist nicht notwendig!)

Frau Abgeordnete Weinzinger hat gefragt: Wie profitieren die Frauen von dieser Steuerreform? – Ich möchte sagen: Sogar sehr viel, und auf Grund ihrer spezifischen Einkommenssituation im Vergleich zu den Männern mehr. Allein die Erhöhung des allgemeinen Absetzbetrages mit geänderter Einschleifbestimmung sowie die Erhöhung der Freigrenze für den 13. und 14. Monatsbezug kommen überproportional den Frauen zugute.


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Allein diese Regelung – die ja bereits geltendes Recht ist – für die Steuerreform 2004 bringt den Frauen eine Pro-Kopf-Entlastung von zirka 70 €, bei den Männern beträgt diese im Vergleich dazu nur 50 bis 60 €.

Nimmt man nun die Durchschnittswerte – die so genannten Mediane – her und ver­gleicht Arbeiterinnen mit Arbeitern und männliche mit weiblichen Angestellten, dann ergibt sich bei einer Arbeiterin mit einem Monats-Bruttoeinkommen von 1 080 € beim Vergleich der Steuerleistungen von 2003 und 2005 ein Entfall der bisherigen Jahres­steuer von 569 €. Dazu kommt jetzt erstmals eine Negativsteuer, daher ergibt sich insgesamt eine Entlastung von 679 €. Bei einem männlichen Arbeiter – mit einem Durchschnittseinkommen von 1 755 € – beträgt die Entlastung hingegen nur 364 €.

Vergleicht man die Durchschnittswerte bei männlichen und weiblichen Angestellten, so beträgt für eine Angestellte mit einem durchschnittlichen Monatseinkommen von 1 505 € die Entlastung 444 €; beim durchschnittlichen Monatseinkommen der männ­lichen Angestellten von 2 520 € beträgt die Entlastung 333 €. – Die Frauen sind also die Gewinner.

Herr Abgeordneter Puswald hat in einer tatsächlichen Berichtigung gesagt, der Schul­denstand wächst weiter. – Selbstverständlich wächst er weiter, denn wir können ein über 30 Jahre gewachsenes Defizitchaos ja nicht mit einem Schlag ändern! Aber wichtig ist: Wie ist die Relation zum Bruttosozialprodukt? – Im Jahr 1999, also unter Finanzminister Edlinger, hat der Schuldenstand in Proportion zum Bruttosozialprodukt 67,5 betragen. Seitdem geht dieser Schuldenstand zurück: 2001: 67,1; 2002: 66,6 und 2003: 64,9.

Im Übrigen haben wir einen Zinsendienst übernommen: 7 Milliarden € zahlen wir nur für Schulden, die 30 Jahre lang – egal, ob Hochkonjunktur oder nicht – aufgenommen wurden. – Mit diesem Betrag könnten wir viele Wünsche erfüllen, die da heute angeführt wurden. (Demonstrativer Beifall des Abg. Mag. Donnerbauer.)

Zur Steueramnestie: Frau Abgeordnete Trunk! Die Steueramnestie ist nicht von uns erfunden worden, zwei sozialistische Finanzminister haben solche durchgeführt. Wir haben eigentlich nur das nachgemacht, was vorher auch schon getan wurde. (Abg. Silhavy: Das stimmt ja nicht!) – Ich kann Ihnen die Gesetze zeigen! (Abg. Mag. Lapp: Sie kennen sich da nicht aus!)

Im Jahr 1983 hat es unter Finanzminister Salcher folgende Steueramnestie gegeben: Man musste Selbstanzeige erstatten, zwei Jahre ordnungsgemäß Steuer entrichten, und von was, glauben Sie, war man dann befreit? – Sämtliche Finanzstrafen und alle Steuerschulden wurden erlassen! Nicht einmal 10 Prozent, oder 20, 30, 40 Prozent, sondern gar nichts musste man an Steuern nachzahlen. – Eine solche Steueramnestie wollten wir wirklich nicht erlassen!

Zur Spendenabsetzbarkeit: Wissen Sie überhaupt, welche Forderung Sie da stellen? Wieso sollen nur Erlagscheinspenden abgegolten werden? Wenn man wirklich eine Spendenabsetzbarkeit einführt, dann müsste die natürlich für alle Spenden gelten, also zum Beispiel auch für alle Cash-Spenden, denn sonst wäre das ja wieder ungerecht. (Abg. Oberhaidinger: Grasser-Spende!)

Österreich hat ein Spendenvolumen von ungefähr 560 Millionen €. Würde man die volle Absetzbarkeit gewähren, würde das einen Betrag von bis zu 150 Millionen € erreichen. (Abg. Mag. Lapp: Das ist nicht unsere Forderung, Herr Staatssekretär!) Wir haben uns sehr wohl mit dieser Frage beschäftigt, und im Übrigen frage ich mich immer: Warum wurde das nicht unter sozialistischen Finanzministern gemacht? Wieso lastet man das jetzt uns an? (Abg. Mag. Lapp: Schon, aber das ist nicht unsere Forderung! – Zwischenruf des Abg. Reheis.) Führte man eine Begrenzung ein, würde


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man den Spendenorganisationen einen schlechten Dienst erweisen, denn dann würde man nur mehr so viel spenden, als die steuerliche Absetzbarkeit gerade noch ermög­licht. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Lapp.)

16.51

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. 5 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


16.52

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Opposition versucht nun schon seit Stunden in unzähligen Beiträgen mit Kampf und Krampf Negatives an dieser Steuer­reform zu finden. Ich bin der Meinung, trotz größter Anstrengung haben Sie noch kein einziges sinnvolles Argument gefunden, das diese gute Reform entkräften könnte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Heinzl: Sie sollten zuhören!)

Sie von der Opposition versuchen sogar ständig, Unwahrheiten zu verbreiten, indem Sie den Leuten immer einreden wollen, dass Arbeitnehmer und andere Menschen in Österreich nichts von dieser Maßnahme hätten. – Das stimmt nicht! Das sagen aber nicht nur die Regierungsparteien, sondern niemand Geringerer als der Chef des Instituts für Höhere Studien Bernhard Felderer. (Abg. Mag. Hoscher: Der mit der Re­gierung „nichts“ zu tun hat!)

In einer gerade aktuellen Studie über die Verteilungswirklichkeit in der Steuerreform kommt das IHS genau zu dem Schluss, den Sie heute den ganzen Tag verteufeln, nämlich dass alle Einkommensgruppen hinsichtlich der Entlastung im Haushalt profitieren, und zwar gleich stark. Weiters gibt es keine Umverteilung von Arm nach Reich. Davon könne laut IHS überhaupt keine Rede sein.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Freiheitlichen sind stolz darauf, dass in der Steuerreform gerade den Familien und den Frauen besonderes Augenmerk geschenkt wird. Auch wenn Kollege Öllinger von den Grünen sagt, dass die Leier dauernd wiederholt wird, und Herr Nürnberger gestern gemeint hat, dass die Regierung nichts für Familien täte, bekennen wir uns dazu, dass gerade die Arbeit in der Familie gewürdigt wird und dass diese Arbeit endlich auch einmal als Leistung anerkannt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Es ist gut so, dass gerade die Alleinerzieherinnen ganz besonders von dieser Steuerreform profitieren. Das sind nicht nur einige wenige Euro, wie Sie uns alle weismachen wollen, sondern auch der Finanzminister hat ja heute schon an einem Beispiel ganz klar dargelegt, dass es da um mehrere hundert Euro geht, die gerade Alleinerzieherinnen ab dem Jahr 2005 im Geldbörsel übrig bleiben.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition! Nehmen Sie endlich einmal zur Kenntnis, dass es auch und in erster Linie niedrige Einkommen sind, die von dieser Steuerreform profitieren. Die Steuerfreiheit wird auf Einkommen bis mehr als 15 700 € erhöht. Das bewirkt, dass über 2,5 Millionen Österreicher ab 2005 von der Steuer befreit sind, und das ist gut so – ebenso wie die Tatsache, dass Familien und Alleinerzieherinnen, die keine Steuern zahlen, noch einmal einen Vorteil haben, weil sie alle Entlastungen im Bereich der Absetzbeträge ausbezahlt bekommen.

Es ist mir schon klar, dass die SPÖ die Steuerreform oft nicht verstehen kann, denn es waren ja gerade Sie, die nach Steuerentlastungen sofort wieder neue Belastungen eingeführt haben. Ich fordere Sie daher wirklich auf: Hören Sie endlich auf, die Bevölkerung mit Ihren Unwahrheiten zu verunsichern (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ja,


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endlich!), und machen Sie nicht ständig alles schlecht, was für Österreich und seine Bürger in Zukunft wirklich gut sein wird! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.55

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Pirklhuber. 5 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


16.56

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Geschätzte BesucherInnen auf der Galerie – wenige, aber doch einige, die heute dieser Debatte folgen! (Abg. Freund: Männer sind auch dabei!) Zur Kollegin Achleitner nur eines: Wir haben ganz am Anfang eine intensive Diskussion über die alternativen Vorschläge der Grünen gehört. Mir ist schon aufgefallen, dass es in der ganzen heutigen Debatte keine einzige Bezugnahme auf die Vorschläge, die unser Klubobmann Van der Bellen oder unser Budgetsprecher Kogler eingebracht haben, gegeben hat. Das ist für mich schon ein deutliches Zeichen dafür, dass Sie mit unseren Argumenten nicht zurechtkommen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Die sind so haarsträubend, Ihre Argumente!)

Ich erinnere nur kurz an unsere Argumente: Es geht darum, gerade die niedrigsten Einkommen zu entlasten, und zwar durch eine negative Einkommensteuer, die gerade diese Menschen begünstigt, die dieses Geld dringend brauchen würden und die Sie in den letzten Jahren ja massiv geschröpft haben. – Das ist doch die Realität. Netto haben Sie eine Umverteilungspolitik betrieben, und das können Sie nicht beschönigen, Frau Kollegin Achleitner! Das ist einfach unglaublich.

Vor allem Ihr Sozialsprecher hat sich ja heute hier einen Lapsus geleistet, den ich Ihnen schon noch einmal vorexerzieren möchte: Er hat wirklich ernsthaft gemeint, die Konzerne und die Familien profitieren gleichermaßen. – So einen Satz muss man sich wirklich einmal auf der Zunge zergehen lassen: auf der einen Seite die Konzerne, die multinational globalisiert Profite verschieben, Investitionen tätigen und – keine Frage – wichtige Player in einem globalen Wettbewerb sind, und auf der anderen Seite die Familien, die vom Sozialabbau, vom verschärften Wettbewerb und von den Problemen im Bildungsbereich betroffen sind und die wirklich schauen müssen, dass sie sich über Wasser halten können. (Abg. Freund: Sozialabbau stimmt nicht!) So ein Vergleich von einem Sozialsprecher ist aus meiner Sicht unglaublich.

Ich möchte aber die Gelegenheit nützen, noch einmal auf den gestrigen Redebeitrag von Bundeskanzler Schüssel zurückzukommen, der in der europapolitischen Debatte mit einem Zitat von Sloterdijk sinngemäß gemeint hat, Europa müsse sich wieder auf sich selbst besinnen und die Wahrheitsfrage müsse wieder in das Zentrum der Politik treten.

Meine Damen und Herren! Eine interessante Feststellung, aber würde man diese Anforderungen an Ihre Steuerreform 2005 anlegen und ebenso die Wahrheitsfrage stellen, wie würde denn dann konkret die Frage lauten und welche Antworten gäben Sie denn tatsächlich? Wem nützt diese Steuerreform in Wirklichkeit? Welche Auswir­kungen hat diese Reform tatsächlich auf die Beschäftigung? Und welcher Logik entsprechen die Lösungen, die Sie vorschlagen?

Ich meine, viele der heutigen Redebeiträge haben schon gezeigt, dass Sie bei einem Wesenszug Ihrer Politik bleiben, der lautet: weniger Staat, mehr privat. Steuern sind gemäß dieser Logik per se eigentlich etwas Negatives, etwas Schlechtes, die muss man auf jeden Fall senken. Außerdem wird immer wieder deutlich und zeigt sich an einzelnen Fällen sehr klar, dass Klientelpolitik die oberste Maxime Ihrer Politik darstellt.


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Sie begünstigen die Wirtschaftsunternehmungen überproportional mit der Senkung der Körperschaftsteuer auf 25 Prozent und müssen sich jetzt ernsthaft die Frage stellen, welchen gesellschaftspolitischen Beitrag die Unternehmen in Österreich denn leisten. Welche soziale Verantwortung nehmen sie wahr? Ich erinnere daran, dass es in früheren Zeiten durchaus Usus und gängige Praxis war, dass sich auch Unterneh­mensvertreter ihrer sozialen Verantwortung klar bewusst waren. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Ich denke, dieser schrittweise Abschied der Politik aus einer gesamtwirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Verantwortung trägt Ihre Handschrift. Wir Grünen treten dafür ein, dass das Primat der Politik gelten muss, dass Zukunftsgestaltung gerade in einer erweiterten Europäischen Union durch politische Gestaltung erzeugt und durch politische Diskussion verursacht werden muss und nicht durch einen Steuerwettbewerb nach unten. – Das nennen Sie Standortpolitik! (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte aber auch auf einige konkrete Aspekte bezüglich der ökologischen Aus­richtung dieser Steuerreform eingehen. Kollege Schultes – ich glaube, er ist nicht mehr hier – hat den Agrardiesel erwähnt. Gerade der Agrardiesel ist ein gutes Beispiel für Klientelpolitik. Sie versprechen den Bauern seit Jahren einen Steuervorteil für den Diesel, der in der Landwirtschaft verwendet wird. Kein Zweifel, das ist in der Euro­päischen Union unterschiedlich geregelt, da gebe ich Ihnen Recht. Aber umgekehrt, meine Damen und Herren, stelle ich Ihnen schon die Frage: Wieso nützen Sie nicht die Möglichkeiten einer wirklichen Lenkung der Produktion, indem Sie zum Beispiel gerade erneuerbare Energie, gerade nachwachsende Rohstoffe, gerade jenen Sektor der Pflanzenöle, der ökologisch verträglich und zukunftsorientiert ist, wirklich als eine Chance für die Bäuerinnen und Bauern und Marktentlastung zugleich bevorzugen? (Abg. Freund: Machen wir ja!)

Gerade diesen Sektor, Kollege Freund, ernsthaft zu stützen und auch entsprechend steuerlich zu entlasten und von einem normalen Agrardiesel zu differenzieren, das wäre eine grüne Antwort, das wäre eine ökologische Antwort, und das hätte auch wirt­schaftspolitische, regionalpolitische Effekte.

Das Zweite, worauf ich eingehen möchte, ist ganz klar die Frage der Dimension für die ländlichen Räume, die Frage der regionalpolitischen Situation. Da haben Sie sich teilweise sehr deutlich widersprochen. Kollege Auer hat mehrfach meinem Klubkolle­gen Öllinger beigepflichtet, dass die Gemeinden Finanzausfälle in Höhe von 14 Pro­zent haben werden. – Und da können Sie diesem Gesetz zustimmen, Herr Kollege Schultes, der Sie hier das Weinviertel als Zukunftsregion darzustellen versuchen?

Gerade dieses Geld geht den Gemeinden ab. Dieses Geld geht den Gemeinden im ländlichen Raum ab, um Investitionen zu tätigen und damit zukunftssichere Arbeits­plätze auch in den Regionen zu erhalten und neue zu schaffen.

Insofern, kann ich nur sagen, ist Ihre Politik ein neoliberaler Kurs, den Sie auch in Ihrer Steuerreform durchziehen, mit einer Visionslosigkeit, die ihresgleichen sucht. Es zeigt sich auch sehr deutlich, dass Sie keine Stellungnahmen zu den Vorschlägen, die die Grünen eingebracht haben, abgeben; es gibt von Ihnen keine Beurteilung unserer wirklich profunden, guten Vorschläge.

Ich bin gespannt darauf, ob der eine oder andere doch noch auf unsere Argumente eingehen wird. (Beifall bei den Grünen.)

17.03

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Ikrath. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 



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17.03

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Kollegen im Hohen Haus, Sie können eines lernen bei dieser Steuerreform: was ein Paradigmenwechsel ist. Nicht zuletzt Kollege Ferry Maier hat dargestellt, wie Steuerreformen unter sozialdemokratischer Verantwortung ge­schaffen werden: halbherzig, defensiv, phantasielos, reaktiv. Die Lohnsteuerkarte von drei auf fünf Jahre zu verlängern ist nicht wirklich etwas besonders Originelles – und jedenfalls nichts Wirksames!

Wir haben jetzt eine Steuerreform zu Stande gebracht, die angebotsorientiert ist, die offensiv ist, die kreativ ist, die initiativ ist und die systematisch und intelligent ist. Und ich werde Ihnen das jetzt an einem Beispiel aufzeigen, von dem ich, glaube ich, wirklich etwas verstehe, nämlich: Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich.

Mit einem Bündel aus einer wirklich signifikanten KöSt-Senkung, einer Gruppen­besteuerung, die heute die modernste und attraktivste ist, die wir – in Europa jedenfalls – haben (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), mit einer Entlastung der kleinen und mittleren Unternehmen, so sie Personengesellschaften oder Einzel­unternehmen sind, durch die Privilegierung der Besteuerung des nicht entnommenen Gewinnes, durch die Konjunkturpakete 2 und 3 und die massiven Forderungen und Incentives für Forschung und Entwicklung haben wir heute eine Attraktivität für den Wirtschaftsstandort Österreich geschaffen, der bemerkenswert ist.

Ehrlich gesagt: Ich will Ihnen (in Richtung des Abg. Dr. Pirklhuber) jetzt keine man­gelnde Wertschätzung entgegenbringen, aber es ist relativ gleichgültig, wie Sie das einschätzen. Entscheidend ist, wie es der Markt aufnimmt, und entscheidend ist, wie es die Unternehmen aufnehmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Und die – lassen Sie sich das gesagt sein – nehmen es großartig auf.

Das beweist nicht nur die Fülle von Anfragen zur ÖIAG und anderen Institutionen. Allein in der Erste Bank – und ich habe mich heute noch einmal erkundigt – sind schon 850 substanzielle Anfragen von internationalen Unternehmen hinsichtlich einer Ansied­lung in Österreich gekommen, und zwar in den letzten zwei Wochen, vor dem Hinter­grund der EU-Erweiterung.

Ich war in London – und das müssen Sie sich halt von einem Praktiker sagen lassen –, und da haben Beratungsunternehmen wie Pricewaterhouse den österreichischen Standort als Empfehlung für Headquarters für Unternehmen, die jetzt in Zentraleuropa ihre Märkte suchen, bereits wieder unter die ersten drei gerankt.

Und das ist relevant, liebe Kollegen. Das ist relevant! Es ist wichtig, was Sie uns heute sagen, aber es ist nicht relevant (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), nicht relevant für den Wirtschaftsstandort, nicht relevant für die Arbeitsplätze, die wir damit sichern werden, nicht relevant für die Arbeitsplätze, die wir noch mehr schaffen werden. Das ist praktizierte soziale Politik – und nicht das, was Sie immer darunter verstehen, was Sie uns in Wien demonstrieren: dass die Arbeitsplätze immer weniger werden, dass die Arbeitslosigkeit immer mehr steigt.

Und dieselbe Fraktion, die dafür verantwortlich ist, nämlich die sozialdemokratische Fraktion, lehnt Maßnahmen ab, die genau das Gegenteil bewirken werden, und gerade für Wien, denn die meisten Headquarters plus alle Arbeitsplätze in der Folge – hoch­karätige Forschung und Entwicklung, Know-how-Center plus Folgaufträge an die kleinen und mittleren Unternehmen in dieser Region an die Selbstständigen, von Agenturen bis zu Anwälten – kommen insbesondere auch Wien zugute, weil die Head­quarters hier angesiedelt werden. (Abg. Dr. Brinek: Das verstehen sie nicht!) Es ist absurd, dass Sie aus ideologischer Fixiertheit das ablehnen, was genau an einem der


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schwachen Punkte, der Region Wien, massiv helfen wird! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich ein letztes Wort zur Gruppenbesteuerung sagen. Wir haben jetzt eine Gruppenbesteuerung, die genau diese Headquarters nach Wien holen und in Wien halten wird. (Abg. Öllinger: Halten?! – Ruf bei der ÖVP: Wir werden schon sehen!) Das ist deswegen so entscheidend, weil wir damit genau das erfüllen, was eigen­artigerweise in der Privatisierungsdiskussion von Ihnen, die Sie jetzt ablehnen, immer wieder gefordert wurde: Man möge den Staat als Kenaktionär bewahren, damit die Headquarters dieser Unternehmen nicht aus Österreich verloren gehen. Wir machen das nun in einer marktwirtschaftlichen und in einer attraktiven Weise – und Sie lehnen das ab. So glaubwürdig ist auch Ihre Argumentation und Politik.

Ein letztes Wort zu den Kollegen Matznetter & Co. Ich schätze Sie alle als Fachleute, aber es wäre halt sehr schon, wenn Sie das Mandat, das der Bürger uns gegeben hat und auf Grund dessen er erwartet, dass wir nach bestem Wissen und Gewissen unsere Fachkenntnis hier einsetzen, auch in diesem Sinne wahrnehmen würden (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), statt immer wieder ideologischer Fixierung den Vorzug zu geben, zu Lasten Österreichs, seiner Arbeitsplätze und seiner Men­schen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.09

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Hakl. Frei­willige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


17.09

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mir gedacht, damit es nicht so langweilig wird, weil noch so viele ÖVPler am Schluss reden – und uns liegt es ja sehr am Herzen –, halte ich heute eine sozialistische, eine rot-grüne Rede. (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Das macht sehr viel Sinn, denn unsere Steuerreform werden die Menschen verstehen. Jeder versteht, dass es einem besser geht, wenn man mehr Geld im Geldbörsel hat. Jeder Unternehmer weiß, er tut sich leichter, wenn die Steuern gesenkt werden. Und deswegen habe ich mir gedacht: Mach’s dir nicht zu leicht, fühl dich hinein in die Opposition und versuche zu verstehen, wie sie denkt, wenn sie diese Steuerreform ablehnt. Das war wirklich nicht einfach.

Ich beginne jetzt einmal mit der Körperschaftsteuer. Was kann einen dazu bringen, diese Körperschaftsteuersenkung abzulehnen? – Ich, rot-grün, denke, das sind alles riesige Konzerne. In ganz Österreich dürfte es eigentlich gar kein Arbeitslosigkeits­problem geben, denn wir sind voll mit riesigen Großkonzernen, in denen Tausende von Menschen beschäftigt sind.

Ich stelle mir vor, ich hätte einfach keine Ahnung davon, dass in all diesen Kapital­gesellschaften 90 Prozent aller Arbeitnehmer in Österreich beschäftigt sind. 90 Prozent aller Arbeitnehmer außerhalb des Bundes sind in Kapitalgesellschaften beschäftigt! 83 Prozent dieser Kapitalgesellschaften haben weniger als 20 Mitarbeiter. – Aber davon hätte ich keine Ahnung, und es würde mich auch nicht weiter scheren, wie es diesen Unternehmen geht, wie sie dem Wettbewerb standhalten. Und das müsste dann dazu führen – zwangsweise! –, dass ich diese Körperschaftsteuer absenke.

In weiterer Folge muss ich mir überlegen, wie gestern in dem Antrag der SPÖ auch ganz deutlich ausgeführt ist – ganz klar, kein Problem! –: Wir ändern die Stabilitäts­kriterien der Europäischen Union. Die SPÖ sagt: Wir haben überhaupt kein Problem


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damit, wieder mehr Schulden zu machen, alles wieder wie gehabt! – Ganz deutlich kommt diese Haltung schwarz auf weiß im Antrag der SPÖ zum Ausdruck.

Mit dieser Haltung kann ich natürlich alles fordern, auch das, was die Grünen fordern, zum Beispiel, dass wir ganz automatisch – ganz unabhängig davon, ob wir 57 Milliar­den € an Sozialtransfers gezielt ausgeben oder nicht – mit einer Negativsteuer jeden einzelnen Job subventionieren. Das hatten wir in der Voest schon. Diesmal wollen Sie es jedem direkt ins Börsel geben, damals haben Sie es der Voest als Unternehmen gegeben, dem „Konsum“ gegeben, und jeder fand es gut.

Das ist einmal in die Hose gegangen. Diese Subventionitis kommt in unserem Denken natürlich nicht vor. Wir wollen, dass Menschen, die Hilfe brauchen, diese Hilfe gezielt bekommen. Deswegen sind insbesondere die besonders armutsgefährdeten Gruppen, wie kinderreiche Familien, die Stellen, wo wir ansetzen, dort, wo die Menschen es wirklich notwendig haben.

SPÖ und Grüne müssen sich denken – auf gut Deutsch –, es ist scheißegal (Pst-Rufe bei Abgeordneten der SPÖ – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) – Ver­zeihung, ich nehme das zurück, es ist uns egal. (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.) Ich bitte um Entschuldigung, ist auch nicht meine Ausdrucks­weise. (Heftige Zwischenrufe bei Abgeordneten der SPÖ.) Sie müssen sich denken, es ist uns egal, ob eine Frau mit zwei Kindern, die 1 300 € verdient, im nächsten Jahr um 876 € mehr Geld hat oder nicht. Das bedeutet, dass sie sich die Miete für zwei Monate leisten kann. Das bedeutet vielleicht, dass auch diese Familie einmal auf Urlaub fahren kann, wenn es ohnehin an allen Ecken und Enden knapp ist.

Sie können mir glauben, dass dieses Denken von den Menschen nicht verstanden wird, und dass diese Mutter verstehen wird, dass es angenehm ist, auch einmal mit ihren beiden Kindern einen schönen Urlaub machen zu können, sich etwas extra leisten zu können.

Und in diesem Sinne danke ich Ihnen, denn mit diesem Denken könnten Sie unserer Steuerreform ohnehin nie zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.13

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Lang­reiter. – Bitte, Herr Bürgermeister. (Ruf bei der ÖVP: Guter Bürgermeister!)

 


17.14

Abgeordneter Mag. Hans Langreiter (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann das Blatt drehen und wenden, wie man will. Wir wollen die Entlastung – und Sie wollen das nicht.

Dieses Steuerentlastungsvorhaben ist wirklich ein großes Paket, das man durchaus unterstützen könnte. Es ist fair, sozial gerecht, stärkt die Familien und – das haben wir heute schon öfters gehört – sichert die Arbeits- und Wirtschaftsstandorte. Und – auch das ist entscheidend, und darum beneiden uns unsere Nachbarländer auch sehr stark – es braucht keine Gegenfinanzierung.

Wenn ich mir die Anträge der Opposition so anschaue, muss ich sagen, dass diese Anträge zum einen sehr dürftig formuliert sind – da dürfte der Finanzminister a. D. Androsch Recht gehabt haben, als er sagte, es seien zu wenig Alternativen von der Opposition da –, und zum Zweiten glaube ich, dass diese Anträge auch eine ent­sprechende Gegenfinanzierung brauchen. Das hat ja meine Vorrednerin mittlerweile schon skizziert.

Betrachten wir einmal unser Nachbarland Deutschland! Das hat nämlich ein bisschen Einfluss auf meine Region, die touristisch sehr stark durchwachsen ist und von dem


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auch lebt. Und wenn ich mir die Negativbilanz der rot-grünen Regierung in Deutschland betrachte: beim Wachstum Schlusslicht, Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung, Rekord­defizit, haben wir gestern gelesen, von 47 Milliarden €, die Zeitbombe Demographie erkannt, aber noch nicht entschärft, meine ich, dort ist sicher eine gewisse Sachthe­mendesorientiertheit vorhanden. Das sind sicher auch gescheite Leute, die Rot-Grünen in Deutschland, aber eines haben sie nicht zuwege gebracht, nämlich Vertrauen herzustellen, Vertrauen in der Bevölkerung herzustellen.

Letztendlich ist die Vertrauenskrise, die in Deutschland herrscht, das, was die deutsche Wirtschaft symbolisiert. Es ist in Deutschland nämlich seit Jahren keine Aufbruch­stimmung zu bemerken, und diese nicht vorhandene Aufbruchstimmung hat Auswir­kungen auf die Dienstleistung Tourismus in meiner Region. Das wissen großteils die grünen Abgeordneten nicht, weil sie mit dem Westen Österreichs wenig zu tun haben.

Jetzt ist es interessanterweise so, dass die letzte Saison von den Nächtigungen her durchaus keine schlechte Saison war. Die Frequenzen haben gepasst. Es hat zwar das stärkste Herkunftsland, Deutschland, etwas nachgelassen, aber die übrigen EU-Länder haben durchaus den Level gehalten, und letztendlich war die Saison auch eine gute.

Nur: Was war das Entscheidende? – Das Entscheidende war, dass gerade der bun­desdeutsche Markt oder zumindest die Gäste aus der Bundesrepublik Deutschland ihr Konsumverhalten ganz dramatisch geändert haben. Warum haben sie ihr Konsumverhalten geändert? – Weil sie einfach keine „Kohle“, kein Geld mehr haben. Das ist es! (Abg. Öllinger: Die Österreicher aber auch nicht!)

Die Inländer schon! Der Inländeranteil ist noch sehr gut. Wir sind stolz auf den Inlän­deranteil, der nach wie vor an die 30 bis 35 Prozent ausmacht, und wir sind stolz auf unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger in dieser Republik, dass sie unsere Region noch besuchen.

Die Gäste aus Deutschland haben einfach nicht mehr das notwendige Geld. Warum? – Weil Rot-Grün in Deutschland so vieles vermasselt hat, nicht nur vermasselt hat, sondern vor allen Dingen auch diese Aufbruchstimmung nicht erzeugen könnte. Reden Sie mit Unternehmungen im wunderschönen Freistaat Bayern! Dort sind die Unterneh­mer so weit, dass sie sagen: Wir können nicht mehr investieren, wir wissen nicht, wohin es geht, wir können auch nicht mehr Arbeitsplätze garantieren.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie sind in demselben Fahrwasser, weil Sie diese Paketlösung, diese Steuerreform auch nicht mittragen und damit keine Hoff­nung erzeugen.

Meine Damen und Herren! Wenn jemand von Wahlgeschenken, von Steuergeschen­ken gesprochen hat: Ich stehe dazu, dass wir unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, dass wir die Familien und die Unternehmen entlasten. Ich stehe dazu, denn diese Steuerreform bedeutet Entlastung, Aufschwung, Investitionen, Arbeitsplätze – und Sie sind schon wieder Zweiter. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.18

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Glaser. Eben­falls 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte. (Abg. Parnigoni: Das ist schon fad jetzt! Ist das jetzt immer dieselbe Rede?)

 


17.19

Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekre­tär! Es hat in der Zwischenzeit schon viele treffende Argumente für die Notwendigkeit dieser Steuerreform gegeben, meine ich. Und es hat wenige treffende dagegen gegeben.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nehmen Sie nur den Abänderungsantrag der Sozialdemokraten her! Der Wunschkatalog, den Sie hier mit den diversen Erhöhungen formuliert haben, würde sehr wohl ein Budgetloch verursachen, wie Sie es unserer Steuerreform ankreiden wollen.

Oder nehmen Sie Ihren Entschließungsantrag, der einen weiteren Wunschkatalog ohne wirklich konkrete Vorhaben darstellt.

Wie gesagt, viele treffende Argumente dafür, wenige wirklich treffende dagegen.

Herr Abgeordneter Pirklhuber hat gemeint, diese Steuerreform sei ungerecht gegen­über den Gemeinden.

Die Gemeinden sind in dieser Steuerreform genauso wie die Länder und wie der Bund solidarisch und zahlen genau den Betrag, den sie an Einnahmen bekommen, auch bei der Steuerreform mit. Das sind in etwa 16, 17 Prozent. (Zwischenruf des Abg. Reheis.)

Aber wir, die Gemeinden, vor allem die Gemeinden in den ländlichen Regionen, erwar­ten uns, dass diese Solidarität, die wir hier in der Steuerreform einbringen, dann auch beim Finanzausgleich eingebracht wird – zum Beispiel von der Gemeinde Wien oder von anderen großen Städten. Hier würden wir uns Solidarität erwarten! (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Reheis.)

Dass aber, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, diese Steuerreform sehr wohl einen aktuellen Bezug hat und eine aktuelle Entlastung für die ländlichen Regionen be­in­haltet, möchte ich Ihnen jetzt kurz demonstrieren: Wie es ein Ziel dieser Steuerreform ist, die kleinen Einkommen besonders zu entlasten, so ist damit nämlich automatisch verbunden, dass wir mit der Entlastung der kleinen Gemeinden und mit der Stärkung der Kaufkraft für diese kleinen Einkommen auch eine Kaufkraftstärkung in den länd­lichen Regionen haben – denn gerade in diesen ländlichen Regionen, Herr Kollege, finden wir die kleinen Einkommensbezieher, die kleinen Landwirte, die Teilzeitbeschäf­tigten. (Abg. Reheis: Aber die Gemeinden werden belastet, nicht entlastet!)

So darf ich Ihnen nur sagen, dass zum Beispiel im Bereich der Familie durch die Erhöhung der Alleinverdienergrenze von 4 400 auf 6 000 € sehr viele Menschen zu­sätzlich in den Genuss des Alleinverdienerabsetzbetrages kommen und damit natürlich auch gerade jene Familien, die Kinder haben, zusätzlich davon profitieren. Wie insge­samt von der Progression gerade die ländlichen Regionen speziell profitieren und wie natürlich insgesamt auch von der Erhöhung der Pendlerpauschale gerade die entfern­ten ländlichen Gebiete profitieren.

Auch der Agrardiesel ist ein zusätzliches Argument für die Stärkung der Kaufkraft in den ländlichen Regionen, sodass insgesamt sehr wohl gerade die ländlichen Re­gionen, und gerade die entfernten ländlichen Regionen, massiv von dieser Steuer­re­form profitieren. Deswegen wird sie auch von uns gemacht und von uns unterstützt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich gebe aber natürlich all jenen Recht, die sagen – das wurde heute auch schon mehrmals gesagt, auch von der Opposition –, dass damit nicht alle Probleme des ländlichen Raumes und der Gemeinden gelöst sind, sondern natürlich ist es so, dass wir nach wie vor in diesen Gebieten wirtschaftlich-strukturell benachteiligt sind und dass diese Gebiete auch nach wie vor von Abwanderung bedroht sind.

Ich glaube aber, dass diese Steuerreform ein Ansatz ist, der in die richtige Richtung geht. Ich glaube, dass diese Steuerreform die Schwachen in diesem Lande stärkt. Ich glaube, dass diese Steuerreform gerade die benachteiligten ländlichen Gebiete stärkt, weil Kaufkraft in diese Regionen kommt. Und ich glaube auch, dass mit dieser Steuer­reform die Konkurrenzfähigkeit Gesamtösterreichs und vor allem der Grenzgebiete


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gegenüber den Erweiterungsländern gestärkt wird, sodass ich abschließend mit Fug und Recht feststellen kann, dass mit dieser Steuerreform für mehr Steuergerechtigkeit und für bessere Lebensverhältnisse in Österreich gesorgt wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Lichtenegger.)

17.23

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Tamandl. Gleiche Redezeit. – Bitte.

 


17.24

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die Debattenbeiträge der Oppo­sitionsredner anhört, möchte man fast glauben, dass sie nicht wirklich wissen, wie sie diese Steuerreform schlecht machen sollen.

Ich weiß, dass es von Ihrer Seite sehr, sehr schwierig ist, dieser fairen und sozial gerechten Steuerreform und größten Steuerentlastung der Zweiten Republik zuzu­stim­men, weil es nicht Ihre Ideen sind. Wenn Sie sagen, dass es eine Schande ist, dass 2,55 Millionen Steuerpflichtige keine Steuer mehr bezahlen, dann sieht man daran nur, dass Sie gar nicht wissen, um welches monatliche Nettoeinkommen es sich hiebei handelt. Es handelt sich nämlich um 900 € netto, die ab 2005 steuerfrei verbleiben, und für eine Alleinerzieherin mit zwei Kindern immerhin um 1 000 €, für die sie keine Steuer zu bezahlen hat, wobei sie noch dazu 876 € pro Jahr an Steuerentlastung erfahren wird. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bucher.)

Wenn Sie sagen, dass die Bundesregierung zu wenig für kleine Unternehmer tut, dann wissen Sie nicht, dass auch Kleinstunternehmer, die 10 000 € Nettogewinn erzielt haben, keine Einkommensteuer bezahlen.

Verabschieden Sie sich doch bitte von der Idee, dass jene, die bis jetzt schon keine Steuer mehr bezahlt haben, besonders von der Steuerreform profitieren sollen: Es gibt die Negativsteuer, und wir haben sie jetzt für AlleinerzieherInnen und für Allein­verdiener mit den Kinderzuschlägen und natürlich, wie bereits jetzt, mit dem Allein­verdienerabsetzbetrag angehoben. Bei einer Familie mit drei Kindern, in der es nur einen Verdiener gibt, sind es fast 1 000 € mehr, die an Entlastung pro Jahr übrig bleiben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir haben natürlich auch die Zuverdienstgrenze für den Partner erhöht, und zwar auf 6 000 €. Da kann jemand in einer Zeit, in der er sich entscheidet, bei den Kindern zu Hause zu bleiben, schon in seinem Beruf verbleiben. Also machen Sie nicht immer alles schlecht!

Wenn Einzelunternehmer und Personengesellschaften höhere Gewinne erzielen, pro­fitieren sie natürlich von der günstigen Besteuerung von nicht entnommenen Gewin­nen. Man kann auch nicht davon ausgehen, dass die Gewinne der Einzelunter­nehmer mit dem Jahresnettoeinkommen der Arbeitnehmer zu vergleichen sind. Der Gewinn, der bisher nicht entnommen war, war voll zu versteuern; der Arbeitnehmer musste sein Nettoeinkommen aber monatlich versteuern, weil es ihm zugeflossen ist. Der Gewinn, den der Unternehmer im Jahr gemacht hat, ist ihm vielleicht nicht gleich in Geld zuge­flossen, und trotzdem musste er ihn versteuern. Also ist das nicht unge­recht, wenn die Unternehmer eine begünstigte Besteuerung für die nicht entnommenen Gewinne haben werden und bereits haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Aber das, meine sehr geehrten Damen und Herren der Opposition, zeichnet Ihre Politik aus: Sie spielen immer eine Gruppe der Gesellschaft gegen die andere aus und glauben, dass Sie mit dieser Verunsicherungspolitik den Menschen in diesem Land


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etwas Gutes tun. Alle werden nämlich entlastet, auch wenn Sie es nicht glauben wollen oder wenn Sie immer wieder dagegen sprechen.

Auch von der Unternehmensbesteuerung profitiert jeder in dieser Republik: entweder unmittelbar, indem das Unternehmen selbst profitiert und das Geld, das im Unter­nehmen bleiben kann, entweder im Kapital im Unternehmen belässt oder damit inves­tieren kann – oder das Unternehmen schafft Arbeitsplätze beziehungsweise kann auch Arbeitsplätze erhalten, Unternehmen können zuwandern, werden wahrscheinlich auch zuwandern, und es geht den Menschen gut. Haben Sie sich schon einmal überlegt, dass es einem Menschen, wenn er immer wieder davon hört, dass Arbeitsplätze ver­loren gehen, dann selbst auch schlechter geht, dass er um seinen Arbeitsplatz zittert, obwohl gar keine Gefahr besteht, dass er vielleicht gar kein Geld ausgeben möchte und es auf die hohe Kante legt? – Damit floriert dann auch die Wirtschaft nicht.

Was passiert dann? – Die kleinen Unternehmer, die Einzelunternehmer gehen dann zu Grunde, denn wenn der Konsum nicht funktioniert, gehen auch die kleinen Unterneh­men zu Grunde. Das ist wie ein Schneeballeffekt, der ganz Österreich und alle Bür­gerinnen und Bürger in diesem Land dann nur in einer schlechten Stimmung hinter­lässt.

Also: Zweifelsohne eine faire und gerechte Steuerreform – keine Sozialreform natür­lich, aber eine Steuerreform mit sozialer Komponente.

Wie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, werden Sie das den Männern und Frauen in dieser Republik erklären, wenn Sie dieser Entlastung nicht zustim­men? – Ich bin schon gespannt darauf! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.28

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Felz­mann. – Bitte.

 


17.28

Abgeordnete Carina Felzmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eines der bedeutend­sten Ereignisse in diesem Jahr stellt sicher die EU-Erweiterung dar, welche wir vor wenigen Tagen gemeinsam feiern konnten. Wir haben uns sehr gut auf die Erweite­rung und damit auch auf den größten Binnenmarkt der Welt vorbereitet.

Das zweite größte und bedeutendste Ereignis ist natürlich diese Steuerreform, die größte der Zweiten Republik – ich wiederhole das sehr gerne noch einmal, denn diese Steuerreform hat sich das wirklich verdient. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Entlastung bringt allen etwas, denn neben der Wirtschaft profitieren auch alle Steuerzahler durch die Tarifreform und auch jene, die jetzt mit der Anhebung der Freigrenze auf 1 000 € im Jahr ab dem Jahr 2005 überhaupt keine Steuer mehr zu zahlen haben werden. Das sind immerhin 2,5 Millionen ÖsterreicherInnen.

In gedanklicher Verbindung mit der EU-Erweiterung erwähne ich jetzt auch die Stand­ortqualität und die Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 34 auf 25 Prozent, welche die Basis dafür darstellt, dass Österreich im internationalen Vergleich einen Standortfaktor gewonnen hat, der seinesgleichen sicher sucht. Das wird auch durch eine Studie des Schweizer IMD-Instituts bestätigt, wo wir im Vergleich von 60 Ländern auf dem 13. Platz gelandet sind.

Ein anderes Beispiel dazu: Irland ist auf dem zehnten Platz gelandet, und es hat auch vielen Ländern vorgezeigt: Niedrige Unternehmenssteuern locken Investoren an. Durch die starke Steuersenkung für Kapitalgesellschaften ist es Irland gelungen, zahlreiche


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Investoren auf die grüne Insel zu bringen. Heute ist es so, dass Irland, das ja anno dazumal eines der ärmeren EU-Beitrittsländer war, mit seinem Bruttoinlandsprodukt mittlerweile über dem EU-Durchschnitt liegt. In Irland war es so, dass diese Senkung nur die Kapitalgesellschaften betroffen hat. Interessanter Nebeneffekt, der Sie sicher auch interessieren wird: In Irland ist die Arbeitslosenrate in einer Dekade von 20 auf 3,7 Prozent gesunken! – Also Sie sehen, dass Standortfaktoren sehr wohl mit Arbeits­marktfaktoren in Verbindung stehen. Das ist ein Faktum! (Abg. Öllinger: ... Förde­rungen! EU-Förderungen!) Natürlich wollen wir nicht eine Spirale der Steuerreduk­tionen der EU-Länder, aber hier haben wir sehr wohl Beispiele, die zeigen: Wirtschaft schafft Arbeit!

In Österreich profitieren durch die Senkung des KöSt-Satzes nicht nur die Kapital­gesellschaften, die ja auch über 60 Prozent der Arbeitnehmer beschäftigen, sondern natürlich auch alle Personengesellschaften, die ja mehrheitlich von Aufträgen der Kapitalgesellschaften profitieren. Ihr Vorwurf, die KöSt-Senkung bringe nur den großen Unternehmen etwas, geht ins Leere; das haben wir heute schon mehrfach gehört.

Dieser Vorwurf, den Sie immer wieder bringen, passt aber auch zu jenen Vorwürfen, die ich im Ausschuss wahrgenommen habe, wo ich gedacht habe, Ihnen fehlt wirklich die Erkenntnis, dass auf dem Arbeitsmarkt, in den Unternehmen bereits eine völlig andere Dynamik vorhanden ist. Im Alltag haben wir mit „offshore“ zu tun, das heißt mit der Verlagerung von Dienstleistung von einem Land in ein anderes Land: Wenn ich als Unternehmerin im Multimediabereich eine Leistung zu erbringen habe, ist es egal, ob diese in Wien, in Berlin oder in Bratislava erbracht wird. – Das sind die Fakten, und diesen muss man sich auch stellen. Und da hatte ich, muss ich gestehen, den subjektiven Eindruck, dass gerade Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, zum Teil den Zugang haben, dass Sie Ihre Politik schützen wollen, dass Sie einen Bereich schützen wollen wie unter einer Käseglocke. Aber bedenken Sie: Wenn man den Deckel zu lange drauf lässt, dann rennt das, was darunter war, irgendwann selbst davon.

Bitte anerkennen Sie, dass diese Bundesregierung in diesem Bereich das Gesetz des Handelns an sich gezogen hat, dass hier eine Dynamik vorhanden ist, die auch dem Markt und seinen Gesetzen gerecht wird.

Ich würde mir persönlich wünschen, dass diese Dynamik auch von Ihnen aufgegriffen wird, und zwar in einem konkreten Zusammenhang – ganz kurz: Stichwort Abschaffung der Werbesteuer. Da geht es um ein Volumen von zirka 90 Millionen €, da ist eine ganze Branche und auch unser Land wirklich schwer benachteiligt, sage ich. Erfreulich war, dass Bürgermeister Häupl im Rahmen der letzten „Medientage“ verkündet hat, er will sich persönlich dafür einsetzen, dass es zur Abschaffung dieser Werbeabgabe kommt. – Dabei ist gut zu wissen, dass diese Werbeabgabe ja den Ländern und großteils Wien zugute kommt. Insofern sage ich: Eine tolle Idee! Vielleicht gelingt es sogar, dass Sie unseren Finanzminister von dieser Idee überzeugen, dass er diese Idee aufgreift! Dann sage ich: Herzlichen Dank im Namen der Kreativwirtschaft! (Beifall bei der ÖVP.)

17.34

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Wolfmayr. – Bitte.

 


17.34

Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Die Entlastung unterer und mittlerer Einkommen durch Erhöhung der Steuerfreigrenze im Rahmen der ersten Etappe der Steuerreform war bereits eine Hilfe gerade für die „Kleinen“, auch wenn wir hier stereotyp und mechanisch den ganzen Tag von Oppositionsseite das Gegenteil gehört haben. Es hat


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auch einige Aussagen gegeben, die ich in diesem Zusammenhang bemerkenswert finde. Ich beziehe mich etwa auf eine Aussage des Kollegen Gartlehner, der von einer „ideologisch motivierten Steuerreform“ spricht. Ich glaube, darin liegt sehr viel Wahres: Sie sehen die Steuerreform so, Sie wollen sie so sehen, und das ist der Grund dafür, warum Sie gar nicht richtig hinschauen können, sich nicht damit beschäftigen mögen, warum Sie einfach „Njet!“ schreien. Es nützt aber nichts: Sie haben da Scheuklappen uns gegenüber auf, müssen sich aber dennoch anhören, wie wir die Vorteile dieser Steuerreform aus unserer Sicht erklären und wie wir sie anpreisen.

Die drei wichtigen Teile: erstens: modernes Tarifsystem, Entlastung für alle öster­reichischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen; zweitens: Einkommens- und Kauf­kraftstärkung für Familien; drittens: Absenkung der Körperschaftsteuer für die Wirt­schaft zur Stärkung des Standortes.

Es gibt unzählige Vorteile, alle sind von den Kolleginnen und Kollegen schon genannt und erläutert worden. Ich nenne noch einmal die weitere Anhebung der Steuer­freistellung auf 15 700 €, mit der 43 Prozent der SteuerzahlerInnen total aus der Steuer herausfallen. Und ich sage es noch einmal, auch wenn Sie es nicht hören wollen: Fast die Hälfte aller ÖsterreicherInnen hat somit keine Steuerbelastung mehr.

Jetzt ist das freilich eine Sache. Selbstverständlich wäre es wünschenswert, wenn mehr ÖsterreicherInnen auf Grund eines höheren Einkommens Steuern bezahlen würden – eben weil sie sie bezahlen können. Und deshalb hebe ich jetzt einen Punkt heraus, der sich auf die Zukunft bezieht, nämlich die Gleichbehandlung ausländischer Kapitaleinkünfte – im Lichte der EU-Erweiterung eine sinnvolle, eine unabdingbare Maßnahme.

Meine Damen und Herren! Die Außenverflechtung der heimischen Wirtschaft ist enorm gestiegen: von 91,8 Prozent des BIP im Jahr 1999 auf 103,3 im Jahr 2002. Im Vergleich: Bei den Mitgliedstaaten liegt der Schnitt bei 67,8 Prozent. Es ist dies ein gewaltiger Vorsprung! Österreichs Wohlstand ist also besonders vom Außenhandel abhängig, was im Rahmen der EU-Erweiterung eine immense Wachstumschance be­deutet, und dem muss die Steuerreform selbstverständlich Rechnung tragen: durch Konzentration auf vernachlässigte Investitionen vor allem dort, wo die Chancen am größten sind. Das bringt internationale Wettbewerbsfähigkeit, das bringt Arbeitsplätze! Und ich bin ganz sicher, dass in einer nächsten Etappe zum Beispiel auch die freien Berufe, dieser stetig und ständig wachsende kreative Arbeitsmarktfaktor, ihre Berück­sichtigung finden werden, befinden wir uns doch in einem ständigen Reformfluss, denn diese unsere Steuerpolitik ist nichts Statisches, sondern ein sich ständig weiter­entwickelnder, ein – wie der Finanzminister gerne sagt – proaktiver und keinesfalls ein reaktiver Prozess.

Meine Damen und Herren! Die Verbesserung des Eigenkapitals durch steuerliche Entlastung insbesondere der Klein- und Mittelgewerbebetriebe wird diese stärken. Sie wird den Standort Österreich stärken, sie wird ihn in Zukunft noch attraktiver machen. Das ist eine sehr notwendige Maßnahme, um in Konkurrenz und in Kooperation mit unseren neuen Nachbarn bestehen zu können und um unsere heimischen Arbeits­plätze zu sichern und auszubauen.

Ich möchte noch einmal zusammenfassen und auf den einen und einzigen wesent­lichen und grundsätzlichen Punkt eingehen: Unsere Steuerpolitik, die offensive, moder­ne Steuerpolitik der ÖVP, ist einerseits eine Entlastungsmaßnahme, andererseits wirtschafts- und gesellschaftspolitische Strukturreform – Strukturreform und nicht kurz­fristige Konjunkturbelebung. Das ist unser Denkansatz, das ist die Art der Umsetzung,


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die Österreich jetzt und heute braucht und die es auch – leider ohne Ihre Stimmen – bekommt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.39

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Hoscher. – Bitte.

 


17.39

Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nur ganz kurz, weil mitunter auch Einwendungen dahin gehend gekommen sind, dass verschiedene Abge­ordnete der Regierungsparteien nicht ganz nachvollziehen können, warum wir dieser Steuerreform nicht zustimmen, wo sie doch so „große“ Entlastungen mit sich bringt. (Zwischenruf des Abg. Großruck.) Daher noch einmal zur Erklärung – vielleicht setzt es sich dann ein bisschen fest (Abg. Großruck: Totalopposition!) –:

Wir sind selbstverständlich nicht gegen die Steuerentlastungen – ganz im Gegenteil! – bei den Einkommensbeziehern, nur gehen sie uns viel zu wenig weit!

Und wenn Sie meinen, dass von uns keine Vorschläge vorliegen – obwohl seit dem Jahr 2000 hier in diesem Hohen Haus Vorschläge von uns vorliegen –, dann lesen Sie die Entschließungsanträge und Abänderungsanträge, die wir heute eingebracht haben, insbesondere was Pendler betrifft und vor allem was die Bezieher kleinster Einkommen betrifft, und zwar nicht nur deswegen, weil wir meinen, dass deren Kaufkraft gestärkt werden muss, um auch den Konsum zu stärken, sondern weil wir meinen, dass es sehr – na ja, zumindest bedenklich ist, wenn als Argument für die Steuerreform ständig das Argument kommt, 2,4 Millionen Einkommensbezieher zahlen gar keine Steuern.

Da muss man sich nämlich die Frage stellen: Warum ist denn deren Einkommen so gering, dass sie keine Steuer zahlen? Und man sollte sich durchaus die Frage stellen: Was können wir wachstumspolitisch tun, um auch diese Einkommen zu erhöhen?

Um Ihnen die Möglichkeit zu geben, sich unseren Anträgen anzuschließen, sich vielleicht jetzt noch damit zu beschäftigen, werden wir, insbesondere was den Antrag betreffend Klein- und Kleinstverdiener und eine viel weiter gehende Steuerentlastung angeht, Ihnen die Möglichkeit geben, im Rahmen einer namentlichen Abstimmung, die wir hier verlangen werden, unseren Vorschlägen die Zustimmung zu geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.41

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Sonn­berger. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.41

Abgeordneter Dr. Peter Sonnberger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Finanzminister! Geschätzte Damen und Herren! Die größte Steuerreform der Zweiten Republik ist fair und sozial gerecht. (Ruf bei der SPÖ: Ja, für wen?) Sie entlastet vor allem kleinere und mittlere Einkommen. Im Einkom­menssegment 10 000 € bis 25 000 € finden sich zwei Drittel der Steuerzahler, also 2 250 000 Menschen, und diese bekommen eine Entlastung im Ausmaß von 1 Milliar­de 70 Millionen €! 2 550 000 Steuerpflichtige – also um 300 000 mehr! – werden in Zukunft überhaupt keine Steuern zahlen. Jeder Steuerzahler wird im Schnitt mit zirka 500 € entlastet.

Ich will Ihnen ein paar Beispiele mit nach Hause geben, vor allem der Opposition und Herrn Kollegen Nürnberger, der gestern Steuerwissenslücken gezeigt hat. Es wäre wichtig und notwendig, dass Sie Ihre Gewerkschaftsmitglieder in der Zeitung darüber


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informieren, wie viel wirklich gemacht wird und wie versucht wird, die Kaufkraft der Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen zu stärken. (Zwischenruf des Abg. Nürnberger.) Ich zeige Ihnen einige Beispiele und bitte Sie, sich das ein bisschen einzuprägen. (Der Redner hält in der Folge mehrere Tafeln in die Höhe.)

Ein Arbeiterehepaar mit 3 500 € Gesamteinkommen wird im nächsten Jahr um 807 € mehr zur Verfügung haben. Oder: Ein Pensionist mit einem monatlichen Bruttoein­kommen von 1 000 € wird 644 € Entlastung haben. Ich wünsche, dass die Bevölke­rung, die Betroffenen auch darüber informiert werden, denn das Kartenhaus der Op­position wird am 1. Jänner 2005 zusammenbrechen, wenn die Menschen mehr Geld in ihren Taschen, mehr Geld zum Leben haben werden.

Drittes Beispiel: Eine allein erziehende Mutter mit zwei Kindern, 1 300 € Monats­ein­kommen, wird mit 876 € entlastet werden. Oder: 900 000 Alleinverdiener, davon 100 000 Alleinerzieher, werden mit 230 Millionen € entlastet werden. Das ist eine familienfreundliche Steuerpolitik, in der ein Kinderzuschlag für das erste Kind mit 130, für das zweite mit 175 und das dritte Kind mit 220 € eingeführt wurde.

100 000 GmbHs und AGs werden um 1,1 Milliarden € entlastet. Das ist eine moderne Wirtschaftspolitik, das ist Standortpolitik! Ich verstehe die Sozialdemokraten und die Grünen nicht, dass sie sich so dagegen wehren, wo es doch in erster Linie zunächst darauf ankommt, Arbeitsplätze zu schaffen. Und mit der Reduzierung der KöSt von 34 auf 25 Prozent werden Tausende Arbeitsplätze gesichert und zusätzliche geschaffen.

Diese Steuerreform wird – wie der Finanzminister heute am Vormittag sagte – zu einem Turbo, was Wachstum, Investitionen und Beschäftigung betrifft. Im inter­natio­nalen Vergleich liegen wir gut: höheres Wirtschaftswachstum als der Durchschnitt, bes­sere Beschäftigtenzahlen, all das gibt uns Hoffnung!

Aber wir müssen weiter arbeiten. Die Ostöffnung hat uns bis jetzt 60 000 zusätzliche Arbeitsplätze gebracht, wir haben nun durch die EU-Erweiterung von 15 auf 25 Mit­gliedsländer die Chance auf 30 000 zusätzliche Arbeitsplätze. Die Steuerreform ist ein wichtiger Beitrag dazu, diese Chancen zeitgerecht zu nutzen.

Ich danke für die konstruktive Art der Regierung (der Redner wendet sich den auf der Regierungsbank sitzenden Mitgliedern der Bundesregierung zu), die wirklich versucht hat, diese Steuerreform gerecht durchzuziehen und wirklich die kleinen und mittleren Einkommen zu stärken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.45

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Auer zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


17.45

Abgeordneter Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer (ÖVP): Werter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Finanzminister! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Wie ein gutes Lied, ein Song, ein Hit im Radio mehrmals am Tag gehört wird oder zu hören ist, verspüre ich auch den Wunsch der Opposition, diesen „Hit“ der Steuerreform noch einmal kurz zu hören.

Dieser „Hit“ geht folgendermaßen: Die ÖVP hat ihr Versprechen gehalten, die Steuer­reform 2005 ist fair und gerecht, sie entlastet alle Einkommen ungefähr gleich. Und sie ist auch ökologisch, denn nach höheren Ökosteuern kommt es jetzt zu einer gerin­geren Besteuerung der Arbeitskraft.

Für mich als Bewohner des ländlichen Raumes, als Landbewohner, ist – das ist heute schon öfters gesagt worden – ebenfalls sehr viel dabei. Die Steuerreform entlastet auch die Bewohner in den entlegenen Tälern, direkt über Lohn- und Einkom­mensteuer-


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tarife, über das Familienpaket – ich fasse das noch einmal zusammen –, im Beson­deren natürlich über die Pendlerpauschale und zum Beispiel den Agrardiesel, und indirekt natürlich über die Körperschaftsteuersenkung.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition! Unternehmer schaffen und sichern Arbeitsplätze, nicht die roten Gewerkschafter und Arbeiterkämmerer! Es darf kein Neidkomplex geschürt werden, denn nur erfolgreiche Unternehmen beschäftigen auch wirklich Arbeitnehmer. (Beifall bei der ÖVP.)

Und diese erfolgreichen Unternehmen gibt es Gott sei Dank auch noch im ländlichen Raum. Wir müssen sie halten, sie können auch ausgebaut werden. Die kleinen Unternehmer schaffen genauso Arbeitsplätze, und dafür setzt sich letztendlich auch die ÖVP ganz vehement ein.

Sehr geehrte Damen und Herren! Steuerentlastung heißt natürlich auch weniger Steuereinnahmen für den Staat. Das heißt wiederum künftighin: effizienter Einsatz der geringeren Einnahmen. Also: Auch ausgabenseitig muss gespart werden! Genau das stört aber womöglich die Opposition, vor allem die SPÖ, am meisten.

Damit bin ich beim Roten Wien und dessen Bürgermeister beziehungsweise SPÖ-Bundesparteiobmann-Stellvertreter, denn Wien hat als einziges Bundesland dreifache Steuereinnahmen: Es bekommt sämtliche Einnahmen als Gemeinde, alle Landes­abgaben als eigenes Bundesland und sämtliche Zuwendungen aus dem Finanzaus­gleich, welche künftighin sicherlich geringer werden.

Im Rahmen des Finanzausgleichs bekommt zum Beispiel die Stadt Wien 45 Prozent der Einnahmen, während die übrigen 2 358 Gemeinden die restlichen 55 Prozent be­kommen! Wir haben da also fast ein Verhältnis von 1 : 1.

Bei den Verwaltungsausgaben der obersten Organe der Gemeinden entfallen fünf Mal so viel auf Wien wie auf die restlichen 2 358 Gemeinden. Das muss man sich einfach einmal vor Augen halten! Und warum? (Zwischenruf der Abg. Mag. Lapp.) – Weil Wien pro Kopf sechs Mal so viel – pro Kopf, bitte! – ausgibt für die Verwaltung wie zum Beispiel meine Heimatgemeinde Metnitz, vier Mal so viel wie die Bezirkshauptstadt St. Veit an der Glan, drei Mal so viel wie die Landeshauptstadt Klagenfurt – und das ist, glaube ich, schlichtweg zu viel! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir können auch über die Pensionsreform 2000 reden, die in Wien noch nicht um­gesetzt wurde – auch das ist heute schon ein paar Mal angeschnitten worden. Alleine 150 Millionen € betrüge dadurch das jährliche Einsparungspotential.

Und die Personalentwicklung geht in dieselbe Richtung: Von 1990 bis 2004 wurde von 50 000 auf 60 000 Bedienstete im Magistrat aufgestockt. Das Land Kärnten zum Beispiel kann im selben Zeitraum beim Personal ein Minus von 10 Prozent ver­zeichnen, meine eigene Gemeinde ein Minus von 20 Prozent. (Beifall bei Abgeord­neten der ÖVP sowie des Abg. Bucher.)

Das Rote Wien hat im Umgang mit den Steuereinnahmen, im Umgang mit den Steuer­geldern wirklich die rote Laterne. Und nur ein übermäßiger Griff in den Budgettopf verhinderte bisher rote Budgetzahlen. Aber was machen Sie dagegen? – Sie erhöhen, wie wir in den letzten Tagen gehört haben, kräftig die Gebühren. Es stellt sich natürlich die Frage: Ist Wien überverwaltet?

Und diese ungleiche Steuerverwendung führt auch zu großen Differenzen in der Kauf­kraft. Wir in Kärnten liegen in der Kaufkraft mit 10 Prozent, der ländliche Raum um bis zu 40 Prozent unter Wien. Wir sehen also, wo der Hebel wirklich anzusetzen ist. Das ist nicht fair und gerecht.


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Diese größte Steuerentlastung stört also die SPÖ deswegen am meisten, weil sie eben zu weniger Steuereinnahmen führt und das Rote Wien auch einmal zum Sparen gezwungen wird. Spätestens beim Finanzausgleich werden das Rote Wien und die SPÖ erwachen, denn dort wird die ÖVP federführend einen fairen Finanzausgleich für die Zukunft schaffen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.51

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mikesch. – Bitte.

 


17.51

Abgeordnete Herta Mikesch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Als Inhaberin eines Familienbetriebes, eines typischen Klein- und Mittelunternehmens, bedanke ich mich zunächst sehr herzlich bei der Bundesregierung für diese Steuerreform. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Weil Sie nichts kriegen, gell?) Sie ist genau die richtige Maß­nahme zum richtigen Zeitpunkt – für mein Unternehmen und für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Ich verstehe nicht, warum Sie von der Opposition immer wieder Probleme mit den Großen haben, mit den Konzernen und Industriebetrieben. Es wirkt auf mich, als wären diese für Sie Feindbilder. Wissen Sie eigentlich, wie viele Klein- und Mittelbetriebe wertvolle Zulieferbetriebe der Großen sind und damit ihre Existenz sichern? (Ruf bei der ÖVP: Ja, genau!)

Die Herren Kollegen Broukal und Kogler haben den Gewinn als negativ dargestellt. Dazu muss ich schon sagen: Ohne Gewinn kann ein Unternehmen über längere Zeit nicht bestehen. (Beifall bei der ÖVP.) Dann gäbe es keine Sicherung der Arbeits- und Ausbildungsplätze, und Investitionen im Unternehmen könnten nicht durchführt werden.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Vielleicht sollten Sie auch einmal intern Ihre Aussagen aufeinander abstimmen. Herr Kollege Broukal hat heute in seiner Rede so getan, als ob Unternehmensgewinne grundsätzlich etwas Furchtbares seien, ja gera­dezu geschenktes Geld. Herr Matznetter wiederum spricht davon, dass man die Eigenkapitalstruktur der Betriebe stärken muss, vor allem im Hinblick auf Basel II. – Ich frage mich, Herr Broukal, wie das gehen soll, ohne die Unternehmensgewinne zu erhöhen! Dieser Widerspruch in Ihrer Fraktion ist für mich unerklärlich. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Gerade diese großartige Steuerreform dient nämlich der Stärkung der Eigenkapital­struktur unserer Unternehmen. Sie ist ausgewogen, fair und sozial gerecht für alle Bevölkerungsgruppen. Gerade die Entlastung der Unternehmen sichert Arbeits- und Ausbildungsplätze und damit Einkommen. Mit diesen Einkommen wiederum profitieren die Menschen von der Steuerreform. Ohne Unternehmer gibt es nämlich keine Arbeit, und damit ginge jede Steuersenkung ins Leere.

Ich darf hier noch einige Aussagen aus Klein- und Mittelbetrieben zitieren, die angeb­lich, wie Herr Matznetter behauptet, überhaupt nicht von der Steuerreform profitieren. 

Frau Ing. Renate Schuster-Scheichelbauer: Als Einzelunternehmerin profitiere ich schon heuer durch die geringeren Steuern auf nicht entnommene Gewinne.

Elfriede Höfler, Transportunternehmerin: Die Steuerreform 2005 sichert Arbeitsplätze und schafft neue. Mit der Senkung der Körperschaftsteuer von 34 auf 25 Prozent braucht mein Unternehmen nicht mehr ans Abwandern ins benachbarte Ausland zu denken.


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Ing. Norbert Fidler, Elektrohändler: Gerade wir Kleinunternehmer werden durch die Steuerreform 2005 massiv unterstützt. Die Senkung der Körperschaftsteuer macht uns Mut zu neuen Investitionen und damit zur Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Karin Stöger, Wirtin: Gerade kleinen Betrieben wie unserem Gasthaus hilft die Halbie­rung der Steuern auf nicht entnommene Gewinne. So bleibt mehr Geld für Inves­titionen.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Zum Schluss noch etwas zu Ihrer Bierdeckel-Aktion, die Sie in den letzten Tagen gestartet haben (Zwischenruf des Abg. Dr. Ja­rolim): Die einzigen Nullen, die ich im Zusammenhang mit Bier kennen gelernt habe, sind nicht in Null Komma Grasser, sondern Null Komma Josef, Herr Kollege Cap. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.54

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kogler. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.55

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Eigentlich wollte ich nur mehr das Abstimmungsverhalten unserer Fraktion begründen. Das gibt mir jetzt aber zusätzlich noch die Gelegenheit, ein allfälliges Missverständnis aufzuklären. (Abg. Murauer: Pirklhuber hat gesagt, dass ihr schon alles gesagt habt!)

Meine Fraktion und ich haben nichts gegen Gewinne, die gehören bei diesem Wirt­schaftssystem dazu. (Zwischenruf des Abg. Kopf.) Die Frage ist ja nur: Was tut die Wirtschaftspolitik, um entsprechende Anreize zu setzen, was Beschäftigung und andere wichtige Indikatoren betrifft? Und unsere Aussage ist nicht mehr und nicht weniger, als dass man mit einer anderen Art von Steuerreform arbeitsintensivere Betriebe besser hätte fördern können als mit jener, die Sie hier vorhaben.

Es ist doch ganz einfach, Frau Kollegin: Die Rücknahme der Gewinnbesteuerung, die in Österreich ohnehin schon sehr niedrig ist, wird eben die Gewinnbesteuerung verringern. So einfach ist das! Und nichts anderes haben wir festgestellt. Sei’s drum!

Zu den einzelnen Anträgen und Abstimmungspunkten, die vorliegen: Kaum einge­gan­gen wurde auf den mitverhandelten Punkt 2 der Tagesordnung, ein § 27-Antrag aus dem Ausschuss. Gegen diesen sind die Grünen deshalb, weil das Ganze nur eine Folgeveranstaltung dieser eher nicht geglückten Steuerreform ist, weil Sie darin plötzlich genau feststellen, wo Ihnen das Geld auszugehen droht. Und da machen Sie noch eine Umschichtung innerhalb des Katastrophenfonds, die jedenfalls aus unserer Sicht in die falsche Richtung geht. Sie nehmen nämlich das Geld ausgerechnet dort weg, wo man zur Vorbeugung von Hochwasserschäden allenfalls sogar noch Re­naturierungsmaßnahmen oder Ähnliches hätte finanzieren können.

Der ganze Katastrophenfonds ist überhaupt eine einzige Baustelle. Wenn, dann müss­te man das anders sanieren. Nur: Das Problem, das Sie heute hier angehen, entsteht ja überhaupt erst durch diese angeblich größte Steuerreform.

Kommen wir jedoch zu den wesentlicheren Dingen, etwa den Abänderungsanträgen der Abgeordneten Matznetter und KollegInnen, einer liegt vor. Ich muss sagen, insge­samt sind darin sehr viele Punkte, über die wir uns schon im Ausschuss positiv verständigt hätten. Bei einem Punkt allerdings – ich nehme einen heraus, und zwar einen gravierenden – sind wir uns noch lange nicht einig. Es geht darum, dass die Volumina, die über die Lohn- und Einkommensteuer gesenkt werden, in einer Art und Weise verteilt werden, dass wieder nicht – jedenfalls aus unserer Sicht – die geringsten Einkommensgruppen besonders entlastet werden, sondern im Wesentlichen der – sagen wir es einmal so – mittlere Bereich. Es geht nicht – oder jedenfalls nur zu einem


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sehr geringen Teil – um die heute schon öfter apostrophierte negative Einkommen­steuer. Ich verweise diesbezüglich noch einmal auf das vorgestellte Modell der Grünen. Ansonsten wären im SPÖ-Antrag sehr viele positive Ansatzpunkte enthalten.

Ähnlich verhält es sich mit dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Matznetter und KollegInnen. Darin wird von einem künftigen Senkungsbedarf von mindestens 2 Milliarden € allein im Bereich der Lohn- und Einkommensteuer gesprochen. Zwi­schen uns gibt es eben noch die Differenz, dass wir der Meinung sind, dass wir eher weniger verteilen sollten, dafür aber gezielt und unten – Argument siehe oben –, und dass wir dieses Geld aber, was die Budgetfrage betrifft, einfach nicht haben.

Last, not least ein Entschließungsantrag der Abgeordneten Gaßner und KollegInnen. Darin geht es um die Frage der künftigen Finanzausgleichsverhandlungen und um die, wie es darin apostrophiert wurde, besondere Rolle der Gemeinden. Wir wissen alle, dass die Gemeinden als Investitionsträger immer mehr Aufgaben haben, aber gerade durch diese Steuerreform überproportionalen Schaden im Sinn von Einnahmen­ausfällen erleiden. Deshalb Zustimmung zu diesem Entschließungsantrag.

Ein Entschließungsantrag, der fast beziehungsweise genau in die gleiche Richtung geht, wurde auch von den Regierungsfraktionen eingebracht. Wie Sie da jetzt abstim­men, bleibt Ihnen natürlich vorbehalten. Wir werden aus logischen Gründen beiden zustimmen. Ich verweise nur auf Folgendes, Herr Kollege Auer, der Sie Antragsteller dieses Entschließungsantrags sind, denn es ist schon eigenartig: Jetzt wird die, wie Sie es bezeichnen, größte Steuerreform aller Zeiten beschlossen. Gleichzeitig ist völlig klar, dass die Gemeinden überproportional davon betroffen werden – dagegen aber erheben Sie Ihre Stimme nicht in dieser Form. Und kaum ist dieses Gesetz verab­schiedet, stellen Sie eine Entschließung drauf: Es möge in Zukunft alles besser und anders werden! (Abg. Jakob Auer: Das haben wir schon vorher eingebracht!) Ich halte das für inkonsistent und inkonsequent.

Wir stimmen aber deshalb zu, weil der Ansatz ein richtiger ist. Verwechseln Sie das aber bitte nicht mit einer Zustimmung zur Steuerreform als Ganzes! Ich verweise noch einmal auf die Gegenvorschläge der Grünen, die heute schon mehrmals hier vorge­stellt wurden. (Beifall bei den Grünen.)

18.00

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Somit schließe ich die Debatte.

Schlusswort wird keines gewünscht.

Wir gelangen nun zu den einzelnen Abstimmungen, und zwar stimmen wir zuerst ab über den Entwurf betreffend ein Steuerreformgesetz 2005 in 461 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Matznetter, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich lasse daher zunächst über den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungs­antrag Matznetter und dann über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen.

Der Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Kollegen Matznetter, Kollegin­nen und Kollegen hat dazu geführt, dass eine namentliche Abstimmung verlangt wurde. Dieses Verlangen ist von 20 Abgeordneten unterstützt, demnach hat die nament­liche Abstimmung stattzufinden.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Pulte und tragen den Namen des Abgeordneten sowie die Bezeichnung „Ja“ – das sind die grauen Stimm­zettel – beziehungsweise „Nein“ – das sind die rosafarbenen. Für die Abstim-


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mung können ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet werden. Die Abgeordneten werden, wie Sie wissen, namentlich aufgerufen und gebeten, den Stimmzettel in die Urne zu werfen, die ich zu platzieren bitte.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die für den Zusatz- beziehungsweise Abänderungs­antrag stimmen, mit „Ja“-Stimmzettel, jene, die dagegen sind, mit „Nein“-Stimmzettel abzustimmen.

Ich darf Kollegin Stadler als Schriftführerin bitten, mit dem Namensaufruf zu beginnen; Kollegin Binder wird sie dann ablösen. Ich bitte, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Stadler und Binder werfen die aufgerufenen Abgeordneten die Stimmzettel in die Urne.)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Haben alle ihre Stimme abgegeben? Kann ich die Stimmabgabe als beendet erklären? – Die Stimmabgabe ist beendet, und ich bitte die damit beauftragten Bediensteten der Parlamentsdirektion, unter Aufsicht der Schrift­führer die Auszählung der Stimmen vorzunehmen. Die Sitzung wird für diesen Zweck einige Minuten unterbrochen.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenauszählung vor. – Die Sitzung wird um 18.07 Uhr unterbrochen und um 18.13 Uhr wieder aufgenommen.)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf. Ich bitte Sie, Ihre Plätze einzunehmen.

Ich darf das Abstimmungsergebnis bekannt geben wie folgt:

Abgegebene Stimmen: 173, davon „Ja“-Stimmen: 63, „Nein“-Stimmen: 110.

Damit ist der Antrag, über den namentlich abgestimmt wurde, abgelehnt.

Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung wird das Abstimmungsverhalten im Stenographischen Protokoll, wie Sie wissen, festgehalten.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Bauer, Bayr, Becher, Binder, Broukal, Bures;

Cap, Csörgits;

Eder, Einem;

Faul, Fleckl;

Gartlehner, Gaßner, Gradwohl, Grossmann, Gusenbauer;

Heinisch-Hosek, Heinzl, Hoscher;

Jarolim;

Kaipel, Keck, Königsberger-Ludwig, Krainer, Kräuter, Krist, Kummerer, Kuntzl;

Lackner, Lapp;

Maier Johann, Marizzi, Matznetter, Moser Hans, Muttonen;

Niederwieser, Nürnberger;

Oberhaidinger;

Parnigoni, Pendl, Pfeffer, Posch, Prähauser, Prammer, Puswald;

Rada Robert, Reheis, Riepl;

Scharer, Schasching, Schieder, Schönpass, Schopf, Silhavy, Sima, Spindelberger Erwin, Steier;


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Trunk;

Walther, Wimmer, Wittmann, Wurm.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Achleitner, Amon, Auer Jakob, Auer Klaus Hubert;

Baumgartner-Gabitzer, Bleckmann, Böhm, Bösch, Brader Alfred, Brinek, Brosz, Bucher;

Dolinschek, Donabauer Karl, Donnerbauer Heribert, Doppler;

Ellmauer, Eßl;

Fasslabend, Fekter, Felzmann, Franz, Freund, Fuhrmann;

Gahr Hermann, Glaser, Glawischnig, Grander, Grillitsch, Großruck, Grünewald;

Haidlmayr, Hakl, Haubner, Hofmann, Höllerer, Hornek, Huainigg, Hütl;

Ikrath;

Kainz, Kapeller, Keuschnigg, Khol, Kogler, Kopf, Kößl, Kurzbauer;

Langreiter, Ledolter, Lentsch, Lichtenberger Evelin, Lichtenegger Elmar, Liechtenstein Vincenz, Lopatka, Lunacek;

Machne, Maier Ferdinand, Mainoni, Mandak, Marek, Mikesch, Missethon, Mitterlehner, Molterer, Murauer;

Neudeck, Neugebauer;

Öllinger;

Pack, Partik-Pablé, Pirklhuber, Praßl, Preineder, Prinz;

Rädler Johann, Rasinger, Regler Roderich, Rest-Hinterseer, Riener, Rosenkranz, Rossmann;

Sburny, Scheibner, Scheuch, Scheucher-Pichler, Schiefermair, Schöls, Schultes, Schweisgut, Sieber, Sonnberger, Spindelegger Michael, Stadler, Steibl Ridi, Steindl Konrad, Stoisits, Stummvoll;

Tamandl, Tancsits, Turković-Wendl;

Van der Bellen;

Walch, Wattaul, Weinzinger, Winkler, Wittauer, Wöginger, Wolfmayr;

Zweytick.

*****

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen als Nächstes zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Stimmenmehrheit in zweiter Lesung angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Auch für die dritte Lesung ist namentliche Abstimmung verlangt worden. Das Verlangen ist von 20 Abgeordneten unterstützt worden, daher ist dem Verlangen stattzugeben.


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Ich glaube, ich brauche nicht noch einmal zu verlesen, dass nur die amtlichen Stimm­zettel zu benützen sind und dass die einen rosafarben, die anderen grau sind.

Ich ersuche die Abgeordneten, die dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmen, „Ja“-Stimmzettel zu verwenden, und jene, die dagegen stimmen, „Nein“-Stimmzettel zu verwenden.

Wiederum darf ich Frau Abgeordnete Stadler bitten, mit dem Namensaufruf zu begin­nen, und Kollegin Binder bitte ich, sich bereitzuhalten und dann abzulösen. – Bitte, Frau Schriftführerin.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Stadler und Binder werfen die aufgerufenen Abgeordneten die Stimmzettel in die Urne.)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ist die Stimmabgabe beendet? – Ich erkläre die Stimm­abgabe für beendet und bitte die Auszählung so wie immer vorzunehmen. Die Sitzung wird zu diesem Zweck unterbrochen.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenauszählung vor. – Die Sitzung wird um 18.19 Uhr unterbrochen und um 18.27 Uhr wieder aufgenommen.)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich nehme die unter­brochene Sitzung wieder auf. Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen.

Ich darf das Abstimmungsergebnis wie folgt bekannt geben:

Es wurden 175 Stimmen abgegeben, davon waren „Ja“-Stimmen: 96 und „Nein“-Stimmen: 79, was bedeutet, dass das Steuerreformgesetz 2005 in 461 der Beilagen in dritter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen wurde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie von Bundesminister Mag. Grasser.)

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Achleitner, Amon, Auer Jakob, Auer Klaus Hubert;

Baumgartner-Gabitzer, Bleckmann, Böhm, Bösch, Brader Alfred, Brinek, Bucher;

Dolinschek, Donabauer Karl, Donnerbauer Heribert, Doppler;

Ellmauer, Eßl;

Fasslabend, Fekter, Felzmann, Franz, Freund, Fuhrmann;

Gahr Hermann, Glaser, Grander, Grillitsch, Großruck;

Hakl, Haubner, Hofmann, Höllerer, Hornek, Huainigg, Hütl;

Ikrath;

Kainz, Kapeller, Keuschnigg, Khol, Kopf, Kößl, Kurzbauer;

Langreiter, Ledolter, Lentsch, Liechtenstein Vincenz, Lichtenegger Elmar, Lopatka;

Machne, Maier Ferdinand, Mainoni, Marek, Mikesch, Missethon, Mitterlehner, Molterer, Murauer;

Neudeck, Neugebauer;

Pack, Partik-Pablé, Praßl, Preineder, Prinz, Prinzhorn;

Rädler Johann, Rasinger, Regler Roderich, Riener, Rosenkranz, Rossmann;

Scheibner, Scheuch, Scheucher-Pichler, Schiefermair, Schöls, Schultes, Schweisgut, Sieber, Sonnberger, Spindelegger Michael, Stadler, Steibl Ridi, Steindl Konrad, Stummvoll;


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Tamandl, Tancsits, Turković-Wendl;

Walch, Wattaul, Winkler, Wittauer, Wöginger, Wolfmayr;

Zweytick.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Bauer, Bayr, Becher, Binder, Brosz, Broukal, Bures;

Cap, Csörgits;

Eder, Einem;

Faul, Fleckl;

Gaál Anton, Gartlehner, Gaßner, Glawischnig, Gradwohl, Grossmann, Grünewald, Gusenbauer;

Haidlmayr, Heinisch-Hosek, Heinzl, Hoscher;

Jarolim;

Kaipel, Keck, Kogler, Königsberger-Ludwig, Krainer, Kräuter, Krist, Kummerer, Kuntzl;

Lackner, Lapp, Lichtenberger Evelin, Lunacek;

Maier Johann, Mandak, Marizzi, Matznetter, Moser Hans, Muttonen;

Niederwieser, Nürnberger;

Öllinger;

Parnigoni, Pendl, Pfeffer, Pirklhuber, Posch, Prähauser, Prammer, Puswald;

Rada Robert, Reheis, Rest-Hinterseer, Riepl;

Sburny, Scharer, Schasching, Schieder, Schönpass, Schopf, Silhavy, Sima, Spindelberger Erwin, Stadlbauer, Steier, Stoisits;

Trunk;

Van der Bellen;

Walther, Weinzinger, Wimmer, Wittmann, Wurm.

*****

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Auer, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend die angemessene Berücksichtigung der Gemeinden im Finanzaus­gleich.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mit Stimmenmehrheit angenommen. (E 48.)

Als Nächstes stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gaßner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzausgleich mit Rücksicht auf die finanzielle Situation der Gemeinden.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Der Entschließungsantrag ist mit Stimmenmehrheit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung einer echten Steuerreform.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag Dr. Matznetter stimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Antrag ist mehrheitlich abgelehnt worden.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird, in 462 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Stummvoll, Bucher, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Es liegt nur dieser eine Abänderungsantrag vor. Ich lasse daher sogleich über den Ge­setzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung dieses Abänderungsantrages abstimmen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 462 der Beilagen in der Fassung des Abänderungsantrages Dr. Stummvoll, Bucher, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, dass dieser Gesetzentwurf in zweiter Lesung mit Stimmen­mehrheit angenommen wurde.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dieser Vorlage zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Stim­menmehrheit angenommen.

Damit haben wir den 1. und 2. Punkt der Tagesordnung erledigt.

3. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (452 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem ergänzende Regelungen über das Vorgehen der Zollbehörden im Verkehr mit Waren, die ein Recht am geistigen Eigentum verletzen, erlassen werden (Produktpirateriegesetz 2004 – PPG 2004) (463 d.B.)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen sofort in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Maier. Die Redezeit ist auf 7 Minuten eingestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.31

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Frak­tion hätte diesem Gesetzentwurf gerne zugestimmt, Voraussetzung wäre aber ge­we­sen, dass ein Entschließungsantrag, den wir vorbereitet hatten, von den Regierungs­parteien akzeptiert worden wäre. Das war bedauerlicherweise nicht der Fall.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Produktpirateriegesetz werden einerseits die Bestimmungen der EU-Produktpiraterieverordnung umgesetzt, es gibt neue Durchführungsbestimmungen, und andererseits Befugnisse der Zollorgane beim Vollzug der Bekämpfung der Produktpiraterie. Bei Produktpiraterie geht es um Schutzrechte, um Fragen des geistigen Eigentums.

Aber gerade da sehen wir auch die Probleme, weil die Gefahr besteht, dass die so genannten Rechteinhaber, nämlich die Patentinhaber, die Inhaber von Markenrechten dieses missbräuchlich verwenden. Es gab bereits einen Fall in Brüssel, bei dem Monsanto versucht hat, allein aus wettbewerbsrechtlichen Gründen die europäischen


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Zollorgane und Zollbehörden dazu zu bringen, alle anderen Produkte zu kontrollieren, damit Monsanto die entsprechenden Informationen bekommt.

Das entscheidende Problem bei derartigen Verletzungen liegt bei den Anspruchs­grundlagen und bei den Sanktionen der Produktpiraterie. Darüber wird heute nicht abgestimmt. Wir stimmen heute nur über ein so genanntes Vollzugsgesetz für die Zollbehörden ab. Die Hauptprobleme liegen im Patentrecht, ein weiteres Problem im Markenschutzrecht und im Sortenrecht.

Ein Beispiel: Jemand von Ihnen bringt seinen Mercedes in eine Kfz-Werkstätte (Abg. Mag. Molterer: Ich habe aber keinen! Ich habe einen VW!) und dabei wird, ohne dass Sie es wissen, ein gefälschter Bauteil, ein Kotflügel eingebaut. Der Rechteinhaber erfährt davon und macht seine Rechte geltend. Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesem Fall könnte sogar das Fahrzeug des Konsumenten oder auch des Unternehmers schlichtweg beschlagnahmt werden.

Oder ein weiteres Beispiel: Wenn jemand von Ihnen im Internet eine Rolex bestellt – solche Fälle hat es im letzten Jahr gegeben – und der Rechteinhaber erfährt davon, dann lässt er seinen Anwalt Folgendes schreiben: Lieber Konsument, du hast eine gefälschte Rolex gekauft. Bist du damit einverstanden, dass diese Rolex vernichtet wird? – Dann nämlich hat der Konsument, der die Rolex bereits bezahlt hat, die Kosten für die Vernichtung und darüber hinaus noch die Kosten für den Rechtsanwalt zu tragen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier gibt es eine Reihe von ungeklärten Fragen, Problemen, und zwar insbesondere im Saatgutbereich. Aber diese Thematik wird, so glaube ich, meine Kollegin von der grünen Fraktion gesondert ansprechen.

In unserem Entschließungsantrag geht es um Folgendes: Hintergrund sind die offenen Probleme, die ich angeschnitten habe, Hintergrund ist aber auch die Tatsache, dass durch die EU-Verordnung Österreich sowieso dazu verpflichtet ist, einen jährlichen Bericht zu erstatten. Nur muss er bislang dem Nationalrat nicht vorgelegt werden.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Maier und KollegInnen betreffend Vorlage eines jährlichen Berichtes über die Vollziehung des Produktpirateriegesetzes

Der Nationalrat hat beschlossen:

Der Bundesminister für Finanzen wird ersucht,

1. gemeinsam mit dem Bundesminister für Justiz dem Nationalrat einen jährlichen Bericht über die Anwendung des Produktpirateriegesetzes zu erstatten, wobei dieser Bericht nicht nur eine Darstellung der einzelnen Fälle zu umfassen hat, sondern auch eine ausführliche Darstellung der Vollziehungsprobleme sowie Zahl und Ergebnisse gerichtlicher Verfahren;

2. auf europäischer Ebene sich dafür einzusetzen, dass für Internet-Bestellungen eine Ausnahmebestimmung im Sinne des Artikel 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 geschaffen wird;

3. auf europäischer Ebene dafür einzutreten, dass nachgeahmte oder unerlaubt hergestellte Waren bzw. Waren, die bestimmte Rechte geistigen Eigentums verletzen, die als unsicher (bzw. gefährlich) im Sinne des Produktsicherheitsgesetzes oder ande-


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rer Rechtsmaterien einzustufen sind, unabhängig vom Vertriebsweg sofort vom Markt genommen werden und sich die Mitgliedstaaten gegenseitig informieren.

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion verkennt nicht die besondere Problematik der Produktpiraterie. Wir sehen darüber hinaus noch besondere Probleme, insbesondere bei gefährlichen und unsicheren Gütern. Sogar die EU-Kommission hat vor kurzem vor einigen dieser Güter gewarnt. Da geht es bei­spielsweise um nachgebaute Bremsbeläge, um Akkus, die explodieren, und der­gleichen. Hier brauchen wir noch das notwendige rechtliche Instrumentarium.

Ich meine, dieses Haus müsste eine Diskussion über die Schutzrechte und geistiges Eigentum insgesamt führen. Es geht um folgende Frage: Wem nützten sie? – Einer Volkswirtschaft sicherlich nicht! Die großen Profiteure sind meistens die multinationalen Konzerne, und die sitzen zumeist in Amerika. Diese Diskussion, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollten wir gemeinsam im Wirtschaftsausschuss führen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.37

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den Herr Abgeordneter Mag. Maier eingebracht hat, ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Maier und KollegInnen betreffend Vorlage eines jährlichen Berichtes über die Vollziehung des Produktpirateriegesetzes, eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 3: Produktpirateriegesetz 2004

Mit dem Produktpirateriegesetz werden einerseits die sich aus der EG-Produkt­pira­terie-Verordnung 2004 (EG Nr. 1383/2003 des Rates vom 22. Juli 2003) ergebenden ergänzenden Durchführungsbestimmungen (vereinfachtes Verfahren) erlassen und andererseits die Befugnisse der Zollorgane beim Vollzug der Bekämpfung der Produktpiraterie näher definiert. Die EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 selbst gilt in Österreich unmittelbar. Damit wird ein Instrumentarium geschaffen, das es den Zoll­behörden erlaubt, schutzrechtsverletzende Waren möglichst frühzeitig aus dem Ver­kehr zu ziehen. Es besteht allerdings damit auch die Gefahr, dass Rechteinhaber (z.B. multinationale Konzerne) aus wirtschaftlichen Gründen versuchen, nationale Zollbehör­den zu instrumentalisieren und zu missbrauchen (z.B. Fall Mosanto).

Anspruchsgrundlagen und Sanktionen für die Verletzung von gewerblichen Schutz­rechten bzw. Immaterialgüterrechten sind in den einschlägigen diesbezüglichen nationalen Materiengesetzen (z.B. Patentgesetz, Markenschutzgesetz, Sortenschutz­gesetz) geregelt. Da diese nicht miteinander abgestimmt sind, kann es hier jedoch zu unsachlichen und nicht nachvollziehbaren Ergebnissen kommen.

Dies kommt insbesondere bei Internet-Käufen zu tragen, wenn KonsumentInnen nach­geahmte oder unerlaubt hergestellte Waren bzw. Waren, die bestimmte Rechte geis­tigen Eigentums verletzen, erwerben. Allerdings handelt es sich dabei auch oft um Waren, die nicht den europäischen Sicherheitsnormen entsprechen und damit eine Gefahr für Leib und Leben darstellen.


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„Produktpiraterie“ in den verschiedensten Formen stellt eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die europäischen Volkswirtschaften dar. So wurden im Vorjahr an den EU-Außengrenzen 85 Mio. Stück gefälschter Produkte beschlagnahmt. Im ersten Halbjahr 2004 waren es bereits 50 Mio. Produkte. Während sich in den letzten Jahren Pro­duktpiraterie vornehmlich auf Luxusgüter beschränkte, werden nun immer mehr Güter des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel, Mobiltelefone, Akkus, Kinderspielzeug, Auto­teile und sogar (lebenswichtige) Arzneimittel gefälscht.

Diese gefälschten Produkte werden unkontrolliert hergestellt und entsprechen oft nicht den europäischen Sicherheitsnormen. Ausdrücklich warnte von kurzem die EU-Kom­mission vor gefälschten Handys, deren Akkus explodierten. Besonders problematisch – und eine enorme Gefahr für die Verkehrssicherheit – stellt die Fälschung von Auto­ersatzteilen (z.B. Bremseinrichtungen) dar. Dazu wurden in einer deutschen Unter­suchung größte Sicherheitsdefizite nachgewiesen. Neu ist, dass nunmehr gefälschte Arzneimittel (in gefälschter Originalverpackung), deren Zusammensetzung höchst fragwürdig ist, in Europa – z.B. über das Internet – verkauft werden. Für die Zoll­behörden ergibt sich dabei das Problem, dass diese per Post versendet werden und sich der Absender kaum identifizieren lässt.

Mit dem nun erfolgten Beitritt von 10 Ländern zur Europäischen Union kann es zu einem weiteren Anstieg der Produktpiraterie kommen. Unabhängig von den bereits dargelegten Problemen hat Produktpiraterie insgesamt negative Auswirkungen auf viele unterschiedliche Wirtschaftsbereiche, z.B. den Arbeitsmarkt, den freien und fairen Wettbewerb oder den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen.

Artikel 23 der EG-Produktpiraterie-Verordnung verpflichtet die Kommission dem Rat anhand der in Artikel 22 genannten Angaben jährlich Bericht über die Anwendung dieser Verordnung zu erstatten, wobei die Mitgliedstaaten der Kommission alle zweck­dienlichen Angaben zur Anwendung dieser Verordnung übermitteln. Eine Vorlage an den Österreichischen Nationalrat ist im österreichischen Produktpirateriegesetz nicht vorgesehen.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung:

Der Nationalrat hat beschlossen:

Der Bundesminister für Finanzen wird ersucht,

1. gemeinsam mit dem Bundesminister für Justiz dem Nationalrat einen jährlichen Bericht über die Anwendung des Produktpirateriegesetzes zu erstatten, wobei dieser Bericht nicht nur eine Darstellung der einzelnen Fälle zu umfassen hat, sondern auch eine ausführliche Darstellung der Vollziehungsprobleme sowie Zahl und Ergebnisse gerichtlicher Verfahren;

2. auf europäischer Ebene dafür einzutreten, dass für Internet-Bestellungen eine Aus­nahmebestimmung im Sinne des Artikel 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 geschaffen wird;

3. auf europäischer Ebene dafür einzutreten, dass nachgeahmte oder unerlaubt herge­stellte Waren bzw. Waren, die bestimmte Rechte geistigen Eigentums verletzen, die als unsicher (bzw. gefährlich) im Sinne des Produktsicherheitsgesetzes oder anderer


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Rechtsmaterien einzustufen sind, unabhängig vom Vertriebsweg sofort vom Markt genommen werden und sich die Mitgliedstaaten gegenseitig informieren.

*****

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Maier. – Bitte.

 


18.38

Abgeordneter Dr. Ferdinand Maier (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Mag. Maier hat mit Recht darauf hin­gewiesen, dass es sich bei diesem Gesetz um ein Vollzugsgesetz für das Zollrecht han­delt. Ich glaube, wir sollten das auch so sehen. Auch die Wichtigkeit ist ja nicht zu verkennen, dass wir heute eine, wenn Sie so wollen, EG-Verordnung, zu der es noch dazu eine Terminsetzung gibt, verabschieden, weil jetzt auch eine Reihe von zoll­rechtlichen Fragen geklärt werden kann wie zum Beispiel die Benennung des Zoll­amtes Villach als zuständige Zollstelle zur Entgegennahme von Anträgen auf Tätig­werden der Zollbehörde und das Festlegen von nationalen Verfahrensvorschriften.

Wir verkennen auch nicht die wirtschaftlichen Auswirkungen, die damit im Zusam­menhang stehen. Ich möchte jetzt nicht die OECD-Studie zitieren, die darstellt, welche Gefahren da lauern und welche Werte weltweit gefährdet sind.

Ich möchte ganz kurz auf den Hinweis eingehen, dass es einen Initiativantrag seitens der SPÖ gibt. Da uns dieser Initiativantrag – ich sage einmal – gegen 16 Uhr oder 16.30 Uhr übergeben wurde und ich nichts davon halte, dass wir hier Hüftschüsse machen, auch angesichts der Komplexität dieses Themas, muss ich sagen: Wir glau­ben, dass die angesprochenen Probleme weniger in diesem Gesetz, sondern vielmehr im Urheberrecht, im Patentrecht, im Markenschutzrecht und im Konsumenten­schutz­gesetz zu regeln und auch zu diskutieren sind, sodass man – Sie haben ja einen Vorschlag gemacht – durchaus darüber reden kann, aber, wie gesagt, nicht mit einem Hüftschuss.

Ich bin auch nicht ganz sicher betreffend den Hinweis, was zu regeln notwendig ist im Zusammenhang mit der Beschaffung von derartigen Gütern über das Internet, denn diese Produkte kann man ja auch telefonisch bestellen, das hat nichts mit dem Internet zu tun.

Ich glaube, wir sollten diesem Gesetz unsere Zustimmung geben und zu gegebener Zeit auch die Diskussion führen, die Herr Mag. Maier angesprochen hat. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.40

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rest-Hinter­seer. – Bitte.

 


18.41

Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Bei meinem Vorredner musste ich einen gewissen Widerspruch heraushören, denn einerseits sagte der Kollege, dass angesichts der komplizierten Materie keine Hüftschussaktionen gemacht werden sollen, Tatsache ist aber andererseits, dass es im Ausschuss erst zu einer wirklichen Auseinandersetzung darüber gekommen ist und die Sitzung unterbrochen werden musste, weil die anwesenden Kollegen von ÖVP und FPÖ gar nicht genau Bescheid wussten, was mit diesem Gesetz eigentlich be­schlossen wird.


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Lassen Sie mich zum Bereich Patente etwas ausholen, denn das hat natürlich etwas mit Fragen von geistigem Eigentum zu tun.

Das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums, das kurz Trips genannt wird und ein Teil der WTO-Verträge ist, ist einer der umstrittensten internationalen Verträge der letzten Jahre. Im Gegensatz zu anderen Bestimmungen der WTO zielt nämlich Trips nicht auf eine Erleichterung des Handels und auf Freiheit im Handel, sondern auf eine Einrichtung von Schutzsystemen auf hohem Niveau ab.

Dagegen ist vorerst einmal nichts einzuwenden, weil es tatsächlich notwendig ist, dass Marken geschützt werden, die Firmen mit hohem Aufwand erarbeitet haben. Wir alle gehen aber in unserer Vorstellung immer noch davon aus, dass ein Patent nach land­läufiger Ansicht auf Verfahrenstechniken zur Herstellung von Produkten angemeldet werden kann. Dieses Patent gilt dann für 20 Jahre. Im TRIPS ist aber festgelegt, dass nicht nur die Verfahrenstechniken, sondern auch das Erzeugnis selbst mittels eines so genannten Sachpatents geschützt wird. Da kann sich dann der Hersteller, der Erfinder sozusagen, nicht nur die Verfahrenstechniken schützen lassen, sondern auch sämtliche Herstellungs- und Benutzungsmöglichkeiten. Was bedeutet das? Lassen Sie mich das anhand eines konkreten Falls schildern.

Beispiel: US-amerikanische Firma DuPont. Diese Firma hat sich vom Europäischen Patentamt in München das Patent EP 744 888 ausstellen lassen, das alle Maispflan­zen umfasst, die einen bestimmten Anteil an Öl und Ölsäure überschreiten. Dabei geht es aber nicht um gentechnisch gezüchteten Mais, sondern um unter ganz herkömm­lichen Zuchtbedingungen entstandenes Saatgut.

Das heißt also, dass DuPont nicht nur seinen eigenen Mais geschützt hat, sondern alle Maissorten, die genetisch genau diesen Anteil enthalten, den ihr Mais, der geschützt ist, enthält.

Dasselbe mit Weizen und dem Konzern Monsanto. Diesmal ist es darum gegangen, dass ein Patent für Weizen zur Herstellung von knusprigen, mehlhaltigen essbaren Produkten wie Biskuits oder ähnlichem vergeben wurde, nämlich auch wieder durch das Münchner Patentamt. Eigentlich haben die Forscher bei Monsanto auch nichts anderes gemacht als die Landwirte und Züchter vor ihnen, sie haben bestimmte Pflanzensorten gezielt miteinander gekreuzt, um dieses Ergebnis zu bekommen. Und damit – sie haben das selbst als primitive Landsorte, Nap Hal, bezeichnet, das ist eine Weizensorte aus Indien –, dass sie diese Weizensorte nun geschützt haben, laufen indische Bauern, die seit Jahrhunderten diesen Weizen anbauen, Gefahr, nach der Produktpiraterie bestraft zu werden.

Gleichzeitig ließ sich Monsanto auch die ganze Warenkette vom Acker bis zum Teller patentieren. Das heißt, es geht also nicht nur um den Weizen, es geht auch um das Mehl, es geht um das Endprodukt, und Monsanto kann selbst bestimmen, in welchen Supermarktketten und zu welchem Preis die Produkte verkauft werden dürfen.

Nachdem erwartet werden muss, dass sich der Anteil der über Rechte geistigen Eigentums geschützten Güter im internationalen Handel von früher 10 bis 20 Prozent auf 60 bis 80 Prozent in den kommenden Jahren steigern wird, müssen wir auch davon ausgehen, dass wir immer mehr Fälle davon in Österreich auffinden werden. Nach dem Produktpirateriegesetz 2001 wurden bisher 613 Fälle behandelt, davon wurden 56 Sendungen an die BesitzerInnen ohne Beanstandung weitergereicht, 12 Fälle sind gerichtlich anhängig, und 359 Fälle wurden im Rahmen eines vereinfachten Verfahrens behandelt, das bedeutet, dass die Waren vernichtet wurden.


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Dieser sprunghafte Anstieg bringt uns dazu, dass die öffentliche Hand zunehmend Rechte schützen muss, die von Konzernen eingefordert werden, die ihre Firmensitze in Nordamerika oder gar auf den Cayman-Inseln haben.

Meine Sorge ist: Schritt für Schritt werden Anpassungen in österreichischen Gesetzen vorgenommen, und das TripS-Abkommen der WTO wird in die österreichische Rechtsordnung durch die Hintertür implementiert. Im österreichischen und im EU-Parlament werden tief greifende Veränderungen gar nicht mehr debattiert und damit keinem demokratischen Prozess in dafür legitimierten Gremien unterzogen, sondern fraglos einfach von der WTO übernommen.

Ich denke mir, dass es hoch an der Zeit ist, dass wir hier in diesem Haus sämtliche bestehende internationale Übereinkommen – UPOV, CBD, IU, Trips, EPÜ, Euro­päische Patenteübereinkunft – überprüfen, schauen, ob sie überhaupt kompatibel sind, und dann für uns, für Österreich, eine passende gesetzliche Regelung finden. (Beifall bei den Grünen.)

18.47

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Bucher. – Bitte.

 


18.47

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir komplettieren eine Verordnung über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte des geistigen Eigentums zu verletzen. Diese neue Verordnung wurde erlassen, um das bereits bestehende funktionierende System zu verbessern, das bereits im Jahr 1994 mit einer Verordnung betreffend Maßnahmen bei Verstößen gegen Rechte am geistigen Eigentum beschlossen wurde.

Das Produktpirateriegesetz ist ein geeignetes Gesetzeswerk, um die zunehmenden Verstöße im Bereich der organisierten Kriminalität zu entschärfen und einzudämmen. Wir wissen heute, dass durch diese Verstöße in etwa 200 000 Arbeitsplätze in der EU vernichtet wurden und ein volkswirtschaftlicher Schaden von 6,5 Millionen € einge­treten ist. Wir wissen aber auch, dass dieses Gesetz und diese Verordnung besser geregelt sind im Markenschutz- und Patentrecht und diese Verordnung ein sehr wichtiger Schritt ist, es den Zollbehörden zu erleichtern und letztendlich auch den Kon­sumenten zu erleichtern, bei Verstößen schnell und unkompliziert zurückzutreten, und auch eine Verfahrensvereinfachung zu gewährleisten.

Patentrecht ist nationales Recht, ist noch nicht international harmonisiert und daher auch von den einzelnen Ländern in der Europäischen Union selbst zu regeln. Wichtig ist, dass Reisende auch zukünftig bis zu einem Eurobetrag von 175 ausgeschlossen bleiben.

Wir haben heute den Entschließungsantrag von Mag. Maier erhalten, und wir haben ihn sehr genau durchgesehen. Die drei Punkte, die du ansprichst, Kollege Maier, sind im Grunde genommen sicher kein großes Problem.

Wenn ich nur die ausführliche Darstellung der Vollziehungsfälle heranziehe: Es gibt in Österreich zirka 12 Fälle, die vor Gericht landen. Ich glaube, es dürfte kein Problem sein, dass du, wenn du eine Anfrage stellst, vom Justizminister diese Auskunft erhältst. Wir müssen das nicht unbedingt in ein Gesetzeswerk gießen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auf europäischer Ebene die Erkenntnisse und Erfahrungen auszutauschen ist, denke ich, wichtig und richtig und wird auch gemacht. Und dass die Mitgliedstaaten einander gegenseitig informieren werden, ist aus unserer Sicht auch eine Maßnahme, die eine


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Selbstverständlichkeit darstellt. Das muss nicht noch zusätzlich in einer Verordnung angeführt werden.

Wir stehen also zu dieser Verordnungskomplettierung und werden diesem Gesetz unsere Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.50

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit schließe ich die Debatte.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 452 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dieser Vorlage in zweiter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustim­mung erteilen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier und KollegInnen betreffend Vorlage eines jährlichen Berichts über die Vollziehung des Produktpirateriegesetzes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, der Entschließungsantrag hat keine Mehrheit gefunden.

4. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (093 Hv 8/04h) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Christoph Matznetter (453 d.B.)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wortmeldungen liegen nicht vor, daher gelangen wir sogleich zur Abstimmung, und zwar zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 453 der Beila­gen, wonach der Nationalrat Folgendes beschließen möge:

In Behandlung des Ersuchens des Landesgerichtes für Strafsachen Wien um Zustim­mung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Christoph Matznetter wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass ein Zusammen­hang zwischen der vom Privatankläger behaupteten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten Dr. Matznetter gegeben ist; daher wird einer behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Matznetter nicht zuge­stimmt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, dieser Antrag ist vom Nationalrat einstimmig angenommen.

Damit ist der 4. Punkt der Tagesordnung erledigt.


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5. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (095 Hv 34/04x) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dietmar Keck (476 d.B.)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Wortmeldungen liegen nicht vor, daher gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 476 der Beilagen, der Nationalrat möge Folgendes be­schließen:

In Behandlung des Ersuchens des Landesgerichtes für Strafsachen Wien um Zustim­mung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten Dietmar Keck wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen der vom Privat­ankläger behaupteten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeord­neten Dietmar Keck besteht; daher wird einer behördlichen Verfolgung des Abgeord­neten Dietmar Keck nicht zugestimmt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, die Zustimmung erfolgt einstimmig.

6. Punkt

Wahl eines Schriftführers/einer Schriftführerin

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Es liegt mir in diesem Zusammenhang ein Wahlvorschlag vor, der auf Frau Abgeord­nete Dr. Maria Theresia Fekter lautet.

Da nur ein Wahlvorschlag vorliegt, werde ich im Sinne des § 66 Abs. 1 nicht mit Stimm­zetteln, sondern durch Erheben von den Sitzen abstimmen lassen.

Gibt es dagegen einen Einwand, nämlich gegen die Form der Abstimmung? – Ist das ein Einwand? (Rufe: Nein!) Es wird mehrheitlich offenbar kein Einwand erhoben, dass wir durch Erheben von den Sitzen abstimmen. Daher gehe ich so vor.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für die Annahme des soeben bekannt gege­benen, auf Frau Dr. Fekter lautenden Wahlvorschlages stimmen, um ein diesbezüg­liches Zeichen. – Ich stelle fest, dass der Wahlvorschlag einstimmig angenommen wurde. (Beifall bei der ÖVP.) – Im Stenographischen Protokoll wird „stürmischer Beifall“ vermerkt werden.

Ich gebe bekannt, dass die Tagesordnung erschöpft ist.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Verhandlung über den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Aufklärungen im Zusam­menhang mit der Anschaffung von Kampfflugzeugen.

Der Antrag ist in der Zwischenzeit verteilt worden, es erübrigt sich daher eine Ver­lesung.


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Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Kräuter, Mag. Gaßner und KollegInnen gemäß § 33 GOG be­treffend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen den Antrag, einen Untersuchungsausschuss im Verhältnis V: 5, S: 4, F: 1 und G: 1 einzusetzen.

Gegenstand der Untersuchung:

Aufklärung über die Existenz der von Bundeskanzler Schüssel propagierten Wirt­schaftsplattform zur Finanzierung von Kampfflugzeugen sowie mögliche Ergebnisse dieser Plattform;

Aufklärung der Vorwürfe möglicher Geldflüsse, „nützlicher Aufwendungen“ und Mani­pulationen des Vergabeverfahrens im Zuge der Beschaffung von Kampfflugzeugen für das österreichische Bundesheer seit April 2001;

Aufklärung von Einflussnahmen auf Entscheidungsträger und Spitzenrepräsentanten der Regierungsparteien in der XXI. und XXII. Gesetzgebungsperiode im gegen­ständ­lichen Vergabeverfahren;

Aufklärung des Vorwurfs der Verfolgung von „wirtschaftlichen (Eigen-)interessen“ von politischen Parteien und persönlichen Interessen von Regierungsmitgliedern im Zuge der gegenständlichen Vergabe;

Aufklärung darüber, ob es im Zusammenhang mit diesem Sachverhalt – bedingt durch die Verfolgung „wirtschaftlicher (Eigen-)interessen“ oder Manipulationen durch Ent­scheidungsträger im Vergabeverfahren – zu Nachteilen für die österreichischen Steuer­zahlerInnen gekommen ist;

Aufklärung über die tatsächlich durch die betroffenen Minister abgeschlossenen Verträge bzw. Vorverträge sowie Rücktrittsmöglichkeiten und Schadenersatzfolgen aus diesen Vereinbarungen;

Aufklärung über die Vorgänge rund um die Ministerratsentscheidung am 2. Juli 2002 hinsichtlich der Meinungsbildung von Bundesminister Grasser, Bundesminister Scheib­ner und Bundeskanzler Schüssel;

Aufklärung über den Abschluss von Kompensationsgeschäften sowie deren Einfluss auf die Kaufentscheidung;

Aufklärung hinsichtlich der Reduktion der Kampfflugzeugstückzahl von 24 Geräten auf 18 unter Nichteinhaltung des selbst gewählten Vergabeverfahrens;

Aufklärung über die durch die Bundesregierung beabsichtigten Anmietung von Kampf­flugzeugen zur Überbrückung des Zeitraumes bis zur Eurofighter-Auslieferung;

Untersuchung der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit den genannten Sachverhalten.

Untersuchungsauftrag:

Der Untersuchungsausschuss soll durch Erhebung von mündlichen und schriftlichen Auskünften zum Untersuchungsgegenstand und durch Einsicht in die Akten des Bundeskanzleramtes, des Bundesministeriums für Finanzen, des Bundesministeriums für Landesverteidigung, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit und anderer Bundeseinrichtungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand alle Sachverhalte auf rechtliche und politische Verantwortlichkeiten überprüfen.


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Begründung:

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ Nr. 104 vom 5.5.2004 berichtet, dass es der deutschen Bundesregierung gelungen sei, einen Nachlass für die bereits bestellten Abfangjäger der Type Eurofighter Typhoon in Höhe von 200 Millionen Euro auszu­handeln. Somit erwirbt die deutsche Bundesregierung den Eurofighter zum Stückpreis von 65 Millionen Euro, während die österreichische Regierung für ein Flugzeug des­selben Typs 112,5 Millionen Euro bezahlt. Gleichzeitig fehlt für den Betrieb einer Übergangslösung, der Anmietung von 12 Maschinen des Typs F5-Tiger, noch immer die Zustimmung der US-Regierung und des Kongresses sowie das Endver-braucher-Zertifikat des „Tiger“-Herstellers Northrop für Österreich. Eine Ausbildung der Piloten und die Schulung der Technikermannschaften kann erst dann beginnen, wenn ent­sprechende Beschlüsse vorliegen. Völlig unklar ist auch der tatsächliche Inhalt des Mietvertrages mit der Schweiz. Laut „Kleiner Zeitung“ vom 5.5.2004 ist ein Vertrag mit der Schweizer Regierung noch gar nicht unterschrieben.

Ebenso weisen die jüngsten Erkenntnisse des Rechnungshofes erhebliche Mängel im Rahmen des Vergabeverfahrens zur Beschaffung von 24 Kampfflugzeugen nach:

Musskriterien wurden in Sollkriterien ohne nachvollziehbare Begründung umgewandelt;

neue Entscheidungskriterien wurden ohne nachvollziehbare Dokumentation in das bereits laufende Vergabeverfahren einbezogen;

die Kostendarstellung im Zuge des Ministerratsvortrages zur Typen-entscheidung wurde unrichtig wiedergegeben;

Akten hinsichtlich eines anders lautenden Ministerratsvortrages, die einen anderen Bieter begünstigten, waren im Zuge der Rechnungshofprüfung nicht auffindbar;

die Beurteilung der Gegengeschäfte erschien als nicht nachvollziehbar, ebenso eine entsprechende Kommunikation zwischen den BMLV und dem BMWA;

es erfolgte keine Überprüfung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des angebotenen Kampfflugzeuges des Typs Eurofighter.

Erhebliche Zweifel bestehen an der Einhaltung des Liefertermins sowie der grund­sätzlichen Einsatzfähigkeit des ausgewählten Flugzeugtyps. Dem gegenüber stehen exorbitant hohe Lebenszykluskosten.

Auffällig ist, dass die Prüfung des Rechnungshofes für ein Kaufvorhaben von 24 Abfangjägern durchgeführt wurde, durch die österreichische Bundesregierung aber 18 Geräte angekauft werden. Der Rechnungshof gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass eine Verringerung der laut Angebotseinholung und Bewertung vorge­gebenen Stückzahl von 24 Kampfflugzeugen eine Neuausschreibung erforderlich machen würde, wenn durch die Verringerung der Stückzahl die Bieterreihung geändert würde.

Ging der Ministerratsvortrag von 1,791 Milliarden Euro für 24 einsitzige Flugzeuge aus, so erhöhten sich diese Kosten auf einen zu erwartenden Beschaffungspreis von rund 2,767 Milliarden Euro. Darin noch nicht enthalten sind die Ausgaben für die Adaptierung der fliegerischen Infrastruktur, des Radars, des Funks usw.

In der Rechnungshofausschuss-Sitzung am 27.4.2004 wurde mit RH-Präsidenten Dr. Fiedler dieser Bericht des Rechnungshofes über die Typenentscheidung und die Gegengeschäftsangebote im Zuge der Beschaffung von Luftraumüberwachungsflug­zeugen erörtert. Diesbezüglich stellte Präsident Dr. Fiedler klar, dass in keiner Form die von BK Schüssel propagierte Wirtschaftsplattform vorgefunden wurde. Der Rech-


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nungshofpräsident hielt dazu fest: „Eine Wirtschaftsplattform ist mir nach wie vor nicht untergekommen“.

Wesentliche Kritik äußerte Präsident Fiedler an den verschiedenen Zahlungsvarianten: Für den Rechnungshof blieb völlig unklar, ab wann eine Zahlungsvariante von 18 Halbjahresraten als prioritär bewertet wurde und warum. Daraus ergibt sich, dass der Kaufpreis von 1,79 Milliarden Euro, der als Grundlage für den Ministerratsbeschluss vom 2.7.2002 diente, „irreal ist und wesentlich höher liegen müsste“ (Präsident Fiedler). Für den RH-Präsidenten wurde dadurch der Eindruck einer Barzahung er­weckt, tatsächlich war die Finanzierung aber im Zeitpunkt des Ministerrats­beschlusses völlig offen. Der tatsächliche Preis von rund 2,7 Milliarden Euro musste aber bei der Ministerratsentscheidung hinlänglich bekannt sein. Die Gründe für die Heranziehung einer Zahlungsvariante mittels 18 Halbjahresraten war für den Rechnungshof auch formal nicht nachvollziehbar. Laut Präsident Fiedler ist ein entsprechendes Schrift­stück, mit dem erstmals eine derartige Variante als prioritär betrachtet wurde, mit 24. Juni 2002 datiert.

Durch den Rechnungshof wurden bisher nur die Vorgänge bis zum Ministerrats­beschluss vom 2. Juli 2002 geprüft, eine Prüfung hinsichtlich der Reduktion der Abfangjägeranzahl bis hin zur Vertragsunterzeichnung ist anhängig. Mögliche Parteien­finanzierungen bzw. Geldflüsse (sogenannte „wirtschaftliche Interessen“) außerhalb des Ausschreibungsprozesses konnten seitens des Rechnungshofes keiner Kontrolle unterzogen werden.

Aus der Rechnungshofkritik ergibt sich klar, dass die Regierung trotz Kenntnis eines wesentlich höheren Preises am 2. Juli 2002 eine Ministerratsentscheidung auf Basis von falschen Preiskalkulationen herbeigeführt hat. Ebenso haben sich sämtliche Ankün­digungen von Bundeskanzler Schüssel hinsichtlich der Finanzierung der Abfang­jäger über eine Wirtschaftsplattform als nicht haltbar herausgestellt.

Aus all den genannten Fakten und Darstellungen ist die sofortige Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und ein sofortiger Stopp der laufenden Abfangjäger­beschaffung geboten.

Unter einem verlangen die unterzeichneten Abgeordneten gem. § 33 Abs. 2 GOG die Abhaltung einer kurzen Debatte über diesen Antrag.

*****

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nach § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung wird zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten eingeräumt. Für die anschließenden Stellungnahmen der Fraktionen stehen jeweils 5 Minuten zur Verfügung.

Als Begründer erhält Herr Abgeordneter Dr. Kräuter für eine Redezeit von 10 Minuten das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.57

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Finanzminister Karl-Heinz Grasser liebt es, Vergleiche zwischen Österreich und Deutschland zu ziehen. Aber jetzt, da es um die Eurofighter geht, hat er panikartig die Flucht ergriffen. (Beifall bei der SPÖ.) Dabei wäre es gerade heute interessant, einmal zu vergleichen, was Karl-Heinz Grasser und diese Regierung dem öster­reichischen Steuerzahler zumuten wollen, was die Eurofighter kosten sollen und was sie in Deutschland kosten sollen.


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Meine Damen und Herren! Er lässt Sie in Ihrem Elend allein hier sitzen, das finde ich wirklich nicht okay von Herrn Karl-Heinz Grasser. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es gibt eine Bundesheerzeitung aus dem Jahr 2001 – Herr Murauer kennt sie, er sammelt diese Heftl regelmäßig (Zwischenruf des Abg. Murauer) –, in der ein ganz genauer Zeitplan enthalten ist, wie Sie sich die Einführung der Abfangjäger vorstellen.

2002: Beschluss zum Ankauf neuer Abfangjäger.

Und jetzt kommt es: 2003: Einstiegspaket, Verfügbarkeit von bis zu sechs Maschinen des Abfangjägertyps, der den Zuschlag erhalten hat.

2003, 2004 – also jetzt –: Organisatorische Vorbereitungen, Pilotenausbildung.

Dann kündigen Sie hier in Ihrer Zeitung an: Bis Mitte 2005: Anlieferung von sieben neuen Abfangjägern.

Bis 2007: Lieferung der restlichen zwölf Abfangjäger.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Wer heute dem Herrn Innenminister, der hier den Herrn Verteidigungsminister vertreten hat, konzentriert zugehört hat, erinnert sich daran, dass Herr Minister Strasser gemeint hat, im Jahr 2007 werden die ersten Abfangjäger kommen. – Ihr Zeitplan in dieser Zeitung führt aus, dass die letzten Abfangjäger 2007 kommen. Meine Damen und Herren! Das soll kein Grund für eine parlamentarische Untersuchung sein? (Ruf bei der ÖVP: Aber Ihre Kollegen interessiert es nicht! – Die sind schon nach Hause gegangen, glaube ich!)

Kommen wir noch kurz zur Plattform, zur Schüssel-Plattform. Meine Damen und Herren! Bundeskanzler Wolfgang Schüssel wurde in der „Pressestunde“ am 4. Mai 2003 von Christoph Kotanko vom „Kurier“ gefragt: Herr Bundeskanzler, zur Finan­zierung haben Sie seinerzeit – nämlich im Wahlkampf – gesagt, eine Wirtschafts­platt­form wird diese Abfangjäger letztendlich bezahlen (Abg. Großruck: Der ist ja gar nicht da, Kräuter, wieso sprichst du den an?), aus dem Budget wird kein Euro, kein Cent fließen. Diese Wirtschaftsplattform ist aber bei aller sachlicher Betrachtung nicht in Sicht.

Wissen Sie, Herr Großruck, was Bundeskanzler Schüssel vor den entsetzten Fernseh­zuschauern geantwortet hat? (Abg. Großruck: Sie sprechen den Herrn Bundeskanzler an, aber der hört Ihnen ja gar nicht zu!) – Er hat gesagt: Ich habe versucht, dieses Thema ein wenig von den Emotionen herauszuholen und das Thema zu versachlichen.

Was sagt eigentlich Bartenstein, der Wirtschaftsminister, dazu? – In der „Presse“ vom 17. Mai 2003:

Auf die Frage nach der von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel vor der Wahl ange­kündigten Wirtschaftsplattform, die einen Beitrag zur Finanzierung der Abfangjäger bereitstellen sollte, meinte Bartenstein knapp: Das ist nicht vorgesehen. – Ist das ein Abgehen von der Linie des Bundeskanzlers?, wird er gefragt. Dazu Bartenstein in der „Presse“: Die Unternehmer liefern indirekt einen Beitrag, in Form von Steuerleistungen etwa.

Da habe ich bei der Steuerreform irgendetwas falsch verstanden! Welchen Beitrag liefern denn die Unternehmer? Genau das Gegenteil ist eingetreten: Sie haben ja den Unternehmern 1 Milliarde € nachgeschmissen, obwohl Bartenstein angekündigt hat, dass die Unternehmer mit ihren Steuerleistungen mitzahlen werden!


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Grasser, der ja da auch immer dabei ist, hat am Rande dieser Pressekonferenz gemeint, dass es etliche Firmen gegeben hätte, die an dieser Plattform Schüssel teil­genommen hätten. Es hätte aber einer Batterie von Gesetzesänderungen bedurft.

Völlig unverdrossen weist aber Bundeskanzler Schüssel ein paar Tage später den Vorwurf zurück, die von ihm vor der Nationalratswahl angekündigte Wirtschafts­platt­form zur Finanzierung der Abfangjäger wäre nur ein Wahlkampfgag gewesen.

Fragen wir den Präsidenten des Rechnungshofes Franz Fiedler! Dieser sagt einige Tage später: Es finden sich nicht die geringsten Anhaltspunkte für eine Vorfinanzierung der Abfangjäger durch eine Wirtschaftsplattform!

Jetzt frage ich Sie, meine Damen und Herren: Was passiert in einem kultivierten, in einem zivilisierten Land, wo der Regierungschef im Zusammenhang mit dem größten Rüstungsgeschäft dieses Landes etwas behauptet, von dem der Präsident des Kontrollorgans genau das Gegenteil behauptet? Was ist da die logische Konse­quenz? – In jedem kultivierten und zivilisierten Land würde es einen Untersuchungs­ausschuss geben. Aber Sie sind offenbar im Stande, neuerlich einen solchen Unter­suchungsausschuss abzulehnen. Sie sollten sich dafür schämen!

Ein Letztes, es ist ja schon tragikomisch: Minister Platter hat im letzten Rech­nungs­hofausschuss gemeint – wörtlich, das muss man sich auf der Zunge zergehen las­sen! –, er sei überrascht, wie billig Eurofighter angeboten habe. Herr Scheibner, die ganze Bevölkerung Österreichs weiß, dass die Eurofighter das teuerste Modell sind, und jetzt sagt der Verteidigungsminister, er war überrascht, wie billig das Ganze war. (Abg. Scheibner: Der Abstand zwischen den beiden Bietern war überraschend gering!)

Deshalb, Kollege Scheibner, ist die Bevölkerung so brennend interessiert an Aufklä­rung! Wenn Sie heute wieder diesen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungs­ausschusses ablehnen, dann kann ich Ihnen garantieren, dass der nächste Denkzettel bald wieder in der Wahlurne liegt. Glücklicherweise gibt es am 13. Juni schon wieder Wahlen. Lehnen Sie ab – Sie werden die Rechnung präsentiert bekommen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.03

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schöls. Redezeit: maximal 5 Minuten. – Sie haben das Wort, Herr Kollege.

 


19.03

Abgeordneter Alfred Schöls (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Kräuter glaubt hier zu wissen, woran die Bevölkerung inter­essiert ist. Die Bevölkerung ist an einer seriösen Politik interessiert, und das, meine Damen und Herren der Opposition, was Sie hier bieten, ist alles andere als seriöse Politik! Sie werden es nie lernen, aber damit müssen Sie fertig werden, wenn Sie vor den Wähler treten.

Es hat zwei Rechnungshofberichte gegeben, in denen eindeutig festgestellt wurde, dass es hier nichts zu bemängeln gibt. Die Staatsanwaltschaft Wien hat eine anonyme Anzeige zurückgelegt. Der Herr Kollege Pilz ist verurteilt worden. Also was wollen Sie noch außer skandalisieren? (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Die Wahrheit!) Zum Skan­dalisieren, meine Damen und Herren der Opposition, geben wir uns nicht her. Dazu ist uns die Zeit zu schade. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Daher werden Sie nicht überrascht sein, wenn wir sagen: Denken Sie darüber nach, wie man verantwortungsbewusst Verteidigungspolitik macht! Es wäre für eine Partei, die für sich in Anspruch nimmt, eine große Partei zu sein, wichtig, auch diese Ver­antwortung wahrzunehmen. Sie tun es nicht! Das haben Sie vorhin bei der Be-


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sprechung der Anfrage auch wieder unter Beweis gestellt, wo Kollege Gaál Argumente geliefert hat, die bar jeder Realität waren.

Tun Sie weiter so! Ich bin überzeugt davon, der Wähler wird Ihnen so wie am 24. November die Rechnung präsentieren, wo Sie im Vorfeld auch immer gesagt haben, der Wähler wird sich rächen. Der Wähler hat sich gerächt! Karl Schlögl hat gesagt: Am 24. November werdet ihr sehen, was passiert! Nachher hat er gesagt, er hat die SPÖ gemeint. Er wird das nächste Mal wieder die SPÖ meinen.

Wir lehnen diesen Antrag ab. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.05

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. Gleiche Redezeit. – Bitte.

 


19.05

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schöls! Apropos seriös. (Zwischenruf des Abg. Großruck.) – Da gibt es einen Witz, kenne ich auch! – Apropos seriöse Politik. Der Rechnungshof hat in seinem Bericht – und zur Klarstellung: er hat immer die Anschaffung von 24 Fliegern unter­sucht und nicht die jetzige 18-Stück-Anschaffung – immer so genannte Erprobungs­ergebnisse gefordert. (Abg. Dr. Khol: Das ist nicht richtig!)

Wissen Sie, was der Herr Minister uns im Ausschuss darauf geantwortet hat? Er hat gesagt: Erprobungsergebnisse brauchen wir keine. Wir machen keine Flugerprobung, wir vertrauen hier auf die anderen Käuferstaaten. – Ist das seriös: um 2,7 Milliarden einzukaufen und auf Erprobung zu verzichten? Das ist untersuchungswürdig! (Abg. Murauer: Das ist falsch!)

Spannend wird es erst bei der Ministerratsentscheidung am 2. Juli 2002. Genau bis zu diesem Zeitpunkt hat der Rechnungshof untersucht, und er hat immer, ich sagte es schon, die Anschaffung von 24 Stück untersucht. Der Herr Präsident des Rechnungs­hofes meinte dann, dass man im Ministerrat von einem völlig irrealen und wesentlich höher liegenden Preis ausgehen musste. Also man hat bei der Typenentscheidung im Ministerrat den richtigen Preis gar nicht gekannt! Wissen Sie, warum? (Abg. Scheibner: Weil er noch nicht verhandelt war!) Weil – und das hat auch der Herr Präsident des Rechnungshofes bestätigt – erst eine Woche vorher diese Geschichte mit den 18,5-Jahres-Raten aktuell geworden ist.

Diesbezüglich habe ich mir im Rechnungshofausschuss etwas sehr genau gemerkt: Der Herr Verteidigungsminister hat gemeint, dass diese Zahlungsvariante mit 18,5-Jahres-Raten bereits im November 2001 bekannt war. Da ist der Präsident des Rechnungshofes – entschuldigen Sie den Vergleich! – wie von der Tarantel gestochen aufgesprungen und hat gemeint: Dem Rechnungshof liegt hier keine Information vor!

Also bitte, ist es nicht untersuchungswürdig, wenn die Dokumente nicht einmal dem Rechnungshof gegeben werden?! Ich meine schon, dass das eine Untersuchung wert ist, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Spannend ist auch noch, dass der Ministerrat bereits am 2. Juli 2002 beschlossen hat, es könnten durchaus auch weniger Flieger sein. Als dann das Hochwasser kam, stellte man sich hin und sagte: Ihr armen Opfer, wegen euch kaufen wir jetzt sechs Flieger weniger! – Ich glaube, die armen Opfer möchten einmal wissen, wann sie endlich das Geld bekommen, das durch diese sechs Flieger eingespart werden konnte. (Abg. Scheibner: Das ist falsch, was Sie da behaupten!) Minister Platter sagte wieder: Wegen des Hochwassers haben wir um sechs Flieger weniger gekauft. (Ruf bei der ÖVP: Das ist eine Tatsachenverdrehung!) Das ist keine Verdrehung, das ist dort gesagt worden! Aber Sie werden wahrscheinlich nicht aufgepasst haben.


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Ich frage mich, ob das nicht sehr zynisch ist, die Hochwasseropfer vorzuschieben für eine Entscheidung, von der bis jetzt keiner weiß, warum. Können Sie mir erklären – deswegen sollten wir auch untersuchen –, warum wir genau 18 brauchen? Können Sie mir erklären, warum die Eurofighter nicht in Stufen ab 2005 geliefert werden, wie das ausgemacht war? Nein, wir müssen jetzt diese F5 kaufen, von denen der Herr Minister Platter gemeint hat (Rufe bei der ÖVP: Falsch!) – nicht kaufen, anmieten! –, die sind so gut, die hat man sogar im Irak-Krieg verwendet. Eine Super-Argumentation! Im Irak-Krieg sind die geflogen, jetzt brauchen sie wir zur Überbrückung.

Meine Damen und Herren! Untersuchungswürdige Fakten nach der Reihe. Stimmen Sie doch ... (Ruf bei der ÖVP: Lächerlich!) Ja, lächerlich für Sie! Wetten, dass wir am Schluss lächeln werden?! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.09

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte, Herr Kollege.

 


19.10

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen, Herr Kollege Kräuter, Herr Kollege Gaßner, ganz genau zugehört, und ich kann sagen, Sie haben hier keine neuen Aspekte eröffnet in dieser Frage Abfangjäger. Ich habe Ihnen heute zu Mittag in der Debatte zu diesem Thema schon unsere Position sachlich erläutert. Ich kann mir das daher jetzt ersparen.

Ich sage Ihnen nur, der Rechnungshof hat bereits zwei Kontrollberichte vorgelegt, in denen in großen Zügen in den wesentlichsten Bereichen das Vorgehen der Regierung als korrekt festgehalten worden ist. Der Rechnungshof prüft in einem dritten Prüfbericht diese Causa in einem weiteren Bereich noch einmal, und das ist für uns Freiheitliche ausreichend. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.11

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Gleiche Redezeit. – Bitte.

 


19.11

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Ex-Verteidigungs­minister Scheibner: Wie immer bei diesem Thema nehmen Sie eine betont lockere Haltung an! Das finde ich super! (Abg. Scheibner: Na sicher!) Passen Sie auf! Bei „Noricum“ und bei „Lucona“ haben wir auch eine Vorlaufzeit von zwei bis drei Jahren gehabt. Da war teilweise eine andere Fraktion beteiligt, weil ich da gerade hinüber­schaue; tut mir Leid, das war gar nicht so gemeint. Aber damals war es doch auch so: Beharrliches Verweigern, bis es nicht mehr ging! Und hier werden Sie etwas Ähnliches erleben.

Ich weiß schon, die Aufmerksamkeit ist jetzt nicht mehr besonders hoch, aber das wird Ihnen trotzdem nichts helfen. Ich bin auch immer wieder erstaunt über das Nicht­wissen, das hier herrscht, und über die mehr oder weniger absichtliche miss­bräuch­liche Deutung von Rechnungshofberichten. Dagegen möchte ich mich wirklich verwah­ren!

Ich komme einleitend auf den ersten Punkt des Antrages selbst zurück; dieser beginnt ja mit der Wirtschaftsplattform von Bundeskanzler Schüssel, hier als „Schüssel-Platt­form“ apostrophiert. Wissen Sie, so ohne ist das gar nicht! In der Bundesrepublik Deutschland wurde – dort ein Minderheitsrecht – ein Untersuchungsausschuss mit dem Thema Wahlkampflügen eingerichtet. Ich sage Ihnen jetzt in dieser Unaufgeregt­heit, die hier herrscht und von der ich mich gerne anstecken lasse, völlig unaufgeregt:


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Wenn das in Deutschland Grund für einen Untersuchungsausschuss war, dann war es hier diese glatte Wahlkampflüge eines noch immer amtierenden Bundeskanzlers erst recht! Es war die glatte Lüge! (Abg. Dr. Khol: Lüge?) Und das Einzige, was uns eigentlich immer noch nicht so richtig in Aufregung bringt, ist ja, dass diese Lüge ein derart offensichtlicher Unsinn war von vornherein ... (Abg. Mag. Molterer: Herr Prä­sident! Das vierte Mal!)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege, Sie wollen mich doch jetzt nicht noch provozieren in der letzten Rede?!

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Es ist nicht die Absicht, Sie zu provozieren, Herr Präsident! Es ist nur die Absicht, der Wahrheit die Ehre zu geben – und wenn die sich verdreht, dann kommt man eben in diese Begrifflichkeiten.

Ich sage nur, in Deutschland hat es einen Untersuchungsausschuss gegeben mit dem Titel Wahlkampflüge wegen viel, viel differenzierterer und geringerer Sachen. Hier hat sich ein Bundeskanzler hingestellt, ein Thema aus dem Wahlkampf herausgenommen mit der Begründung einer Wirtschaftsplattform – wortwörtlich! –, die die Abfangjäger finanzieren werde. Es ist natürlich so, dass jedes Untersuchungsergebnis im Nach­hinein ergeben hat, dass diese Wirtschaftsplattform des Kanzlers exakt null existiert. Das sagt im Übrigen auch jener Rechnungshofbericht, auf den Sie sich dauernd berufen, und der Präsident des Rechnungshofes selbst: Eine derartige Plattform ist dem Rechnungshof trotz intensiver Recherchen nicht untergekommen.

Und ich frage Sie jetzt im Nachhinein: Was ist das? Es ist und bleibt eine Wahl­kampflüge – wenngleich irgendwie mit dem Odium einer Entschuldigung behaftet, weil es ein derartiger Blödsinn ist, dass vernünftige Menschen das ohnehin nicht hätten glauben sollen. Das rettet Sie aber nicht davor, dass ein solcher Umstand untersucht gehört. So ein Umstand gehört untersucht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler Schüssel hat damals drei Dinge präsentiert: einen übergelaufenen Finanzminister, der ihm damals etwas gebracht hat, das Versprechen eines bundes­einheitlichen Tierschutzgesetzes und eben jene Wirtschaftsplattform. Diese sind mir in Erinnerung. Der Finanzminister ist quasi abdankend im Keller verschwunden, Gott sei Dank, in Wahrheit ein Verkleidungskünstler und völlig enttarnt. Das bundeseinheitliche Tierschutzgesetz gibt es nicht, und die Wirtschaftsplattform ist auch nicht vorhanden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Also stimmen Sie dieser Sache zu, dann geht es uns allen besser, und regen Sie sich dann im Ausschuss auf!

Nächster Punkt, wenn wir schon bei den Gegengeschäften waren: Es wird auch diese Gegengeschäfte in der behaupteten Form nicht geben! Der erste Meilenstein wäre jetzt zwischen Mai und Sommer von Wirtschaftsminister Bartenstein öffentlich zu präsen­tieren. Was wird passieren? Es wird kein einziges wirklich vertragsfertiges Geschäft von nennenswerter Höhe geben. Es fehlt Ihnen an allen Kriterien, und zwar hinten und vorne. Es fehlt Ihnen daran, dass Sie wirklich Firmen finden, die von sich behaupten, man habe jetzt ein großes Geschäft nur deshalb gemacht, weil der Herr Platter am 2. Juli 2003 einen unsäglichen Grundgeschäftsvertrag für die Eurofighter, im Übrigen zu überhöhten Preisen, unterschrieben hat. Diese Firmen werden Sie in der aus­reichenden Anzahl nicht finden und vorweisen können. Ich bin schon gespannt auf die Zeit nach dem 31. Mai 2004. Alle werden wir ganz gespannt die Homepage des Wirtschaftsministeriums verfolgen und diesen wunderbaren Gegengeschäften nach­spüren.

Da stehen jetzt 800 Millionen drinnen, und die sind von vorne bis hinten kaum belegt. (Abg. Gaál: Absichtserklärungen!) Die Hälfte davon, 400 Millionen, sind für ein Ge­schäft, das schon zwei Jahre vorher angebahnt war! Sollten sie das im Wirtschafts-


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ministerium jemals bestätigen, müssen wir schon Gründe für einen nächsten Unter­suchungsausschuss annehmen. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

So wird es nicht weitergehen! Sie werden sich einer Untersuchung nicht entziehen können! Das ständige Ablehnen von Anträgen dieser Art wird Sie auch nicht retten. Sie liefern ja immer Gründe für wesentlich wichtigere und ...

19.16

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Redezeit ist abgelaufen!

(Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ für den das Rednerpult ver­lassenden Abg. Mag. Kogler.)

Weitere Wortmeldungen in dieser Debatte liegen nicht vor. Ich habe aber eine Wortmeldung des Kollegen Molterer zur Geschäftsordnung gesehen. – Bitte.

 


19.17

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Prä­sident! Ich rege an, die Erteilung eines Ordnungsrufes an Abgeordneten Kogler zu prüfen, und zwar für die mehrfache Verwendung des Wortes „Lüge“. Das hat bis jetzt immer einen Ordnungsruf bedeutet. Er hat dieses Wort auch noch mehrfach verwendet, nachdem Sie ihn darauf hingewiesen haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.17

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Klubobmann! Abgesehen davon, dass ich jetzt in wenigen Sekunden die Sitzung schließen werde und daher gewisse Schwierigkeiten hätte, weil ich die Sitzung unterbrechen müsste, um das zu überprüfen, bitte ich Sie, Folgendes zu bedenken: Wenn an einen anderen Abgeordneten oder ein Regie­rungs­mitglied gerichtet der Vorwurf der Lüge oder „Sie sind ein Lügner!“ oder „Sie haben gelogen!“ erhoben wird, ist die Erteilung eines Ordnungsrufs notwendig, wenn das nicht zurückgenommen wird.

Die Begriffe „Pensionslüge“ oder „Wahlkampflüge“ sind auch in früheren Sitzungen ver­wendet worden. „Wahlkampflüge“ war auch Thema eines Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag. Ich habe daher den Abgeordneten gebeten, mich nicht zu provozieren. Ich werde aber noch nachschauen, ob das Wort „Lüge“ ohne Zusatz ver­wendet wurde. Ich glaube, dass das nicht der Fall war. (Rufe bei der ÖVP: O ja! O ja! – Abg. Mag. Molterer: Das war so!) – Ich glaube, dass das nicht der Fall war! (Weiterer Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich werde mir das anschauen und eine Möglichkeit finden, die Missbilligung auszu­drücken. Ich bitte nur um Verständnis, dass ich jetzt nicht die Sitzung unterbrechen und das Stenographische Protokoll studieren will und in einer halben Stunde die Sitzung wieder aufnehmen will. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum hat der Herr Kogler eine Extra­wurst?)

*****

Wenn Ihnen das recht ist, Herr Klubobmann, dann gehe ich so vor und stelle noch einmal fest, dass in dieser Debatte jede Fraktion nur einen Redner stellen kann und daher keine weiteren Wortmeldungen vorliegen. (Abg. Mag. Molterer: Das ist die objektive Vorsitzführung?)

Wir kommen daher zur Abstimmung, und zwar stimmen wir ab über den Antrag des Abgeordneten Dr. Kräuter auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Zusammenhang mit dem Ankauf von Kampfflugzeugen.


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Stenographisches Protokoll
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Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Einsetzung eines Untersuchungs­ausschusses stimmen, dies durch ein Zeichen zu bekunden. – Der Antrag hat keine Mehrheit gefunden.

Einlauf

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 387/A bis 396/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 1711/J bis 1733/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßigen Mitteilungen dient, berufe ich im unmittelbaren Anschluss an diese Sitzung, das heißt für 19.19 Uhr, ein.

Die 59. Sitzung ist hiemit geschlossen.

Schluss der Sitzung: 19.19 Uhr

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