Stenographisches Protokoll

62. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 27. Mai 2004

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 


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62. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode                 Donnerstag, 27. Mai 2004

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 27. Mai 2004: 9.00 – 20.37 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über die Anträge 2/A der Abgeordneten Dr. Wolfgang Schüssel, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes­verfassungsgesetz (B-VG) in der Fassung von 1929 geändert wird (Bundesverfas­sungsgesetz-Novelle 2003),

5/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­verfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz zur Begründung der Ge­setzgebungskompetenz des Bundes in Angelegenheiten des Tierschutzes geändert wird,

9/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz über den Schutz von Tieren (Tierschutzgesetz – TSchG),

12/A der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz zum Schutz der Tiere (Bundes-Tierschutzgesetz – TSchG),

127/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasche Vorlage eines Bundes-Tierschutzgesetzes im Sinne des Volksbegehrens für ein Bundes-Tierschutzgesetz und

184/A (E) der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines Bundesrahmengesetzes für die Fischerei durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und über die

Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem ein Tierschutzgesetz erlassen sowie das Bundes-Verfassungsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Bundesministerienge­setz 1986 geändert werden

2. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Gerhard Steier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Transport von Tieren auf der Straße (Tiertransportgesetz-Straße, TGSt) geändert wird (367/A)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Statut der Europäischen Gesellschaft (Societas Europaea – SE) – (SE-Gesetz – SEG) erlassen wird sowie das Aktiengesetz, das Firmenbuchgesetz, das Rechtspflegergesetz, das Gerichtsgebüh­rengesetz, das  EWIV-Ausführungsgesetz, das Genossenschaftsrevisionsgesetz 1997


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und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Gesellschaftsrechtsände­rungsgesetz 2004 – GesRÄG 2004)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den Fernabsatz von Finanz­dienstleistungen an Verbraucher (Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz – FernFinG) er­lassen wird und das Konsumentenschutzgesetz, das Versicherungsvertragsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz sowie das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert wer­den

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem familien- und erbrechtliche Bestimmungen des all­gemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs und des Bundesgesetzes über das internationale Privatrecht sowie das Gebührenanspruchsgesetz 1975 geändert werden (Familien- und Erbrechts-Änderungsgesetz 2005 – FamErbRÄG 2005), und Bericht über den

Antrag 152/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend erbrechtliche Gleichstellung/Änderung von § 730 ABGB

6. Punkt: Bericht über den Antrag 377/A der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über den freien Dienstleistungsverkehr und die Nie­derlassung von europäischen Rechtsanwälten in Österreich geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz über die Organisation der Bezirksgerichte in Graz und die Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988

8. Punkt: Bericht über den Antrag 376/A der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem vorübergehende Maßnahmen für die Anhaltung in Untersuchungshaft und im Strafvollzug getroffen werden

9. Punkt: Bericht über den Antrag 301/A (E) der Abgeordneten Elmar Lichtenegger, Peter Haubner, Dr. Peter Wittmann, Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines „Anti-Doping-Gesetzes“

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 13

Ordnungsruf ................................................................................................................. 138

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwor­tung 1494/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................ 34

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung         170

Redner:

Elmar Lichtenegger ................................................................................................... 171

Staatssekretär Mag. Karl Schweitzer ....................................................................... 173

Peter Haubner ............................................................................................................. 174

Beate Schasching ...................................................................................................... 175

Mares Rossmann ....................................................................................................... 177

Dieter Brosz ................................................................................................................ 178


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Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 34

Ersuchen des Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer auf Erteilung eines Ord­nungsrufes                        83

Antrag der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen, den Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (472 d.B.): Bundes­gesetz über die Organisation der Bezirksgerichte in Graz und die Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988 (491 d.B.), gemäß § 53 Abs. 6 Z. 2 der Geschäfts­ordnung an den Justizausschuss rückzuverweisen – Ablehnung  208, 208

Fragestunde (8.)

Justiz ............................................................................................................................. 13

Dr. Johannes Jarolim (64/M); Werner Miedl, Mag. Eduard Mainoni, Heidemarie Rest-Hinterseer

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (61/M); Dr. Helene Partik-Pablé, Mag. Terezija Stoisits, Otto Pendl

Mag. Terezija Stoisits (67/M); Mag. Gisela Wurm, Dr. Ulrike Baumgartner-Gabit­zer, Klaus Wittauer

Dr. Helene Partik-Pablé (69/M); Theresia Haidlmayr, Dr. Christian Puswald, Johann Ledolter

Mag. Johann Maier (65/M); Anna Franz, Detlev Neudeck, Karl Öllinger

Werner Miedl (62/M); Josef Bucher, Dr. Gabriela Moser, Bettina Stadlbauer

Mag. Terezija Stoisits (68/M); Doris Bures, Helga Machne, Dipl.-Ing. Uwe Scheuch

Mag. Eduard Mainoni (70/M); Rudolf Parnigoni, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Ger­trude Brinek

Mag. Ruth Becher (66/M); Mag. Walter Tancsits, Detlev Neudeck, Dr. Gabriela Moser

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 13

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  33, 110

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Herbert Scheibner, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Österreichs Haltung zur Außen- und Sicherheitspolitik sowie zur Verfassung der Europäischen Union (1813/J) ................ 117

Begründung: Herbert Scheibner ................................................................................ 120

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................. 126


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62. Sitzung / Seite 4

Debatte:

Dr. Michael Spindelegger .......................................................................................... 130

Doris Bures (tatsächliche Berichtigung) ..................................................................... 133

Dr. Alfred Gusenbauer .............................................................................................. 133

Herbert Scheibner (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 135

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................. 135

Dr. Caspar Einem (tatsächliche Berichtigungen) ..............................................  138, 168

Dr. Evelin Lichtenberger ........................................................................................... 139

Dr. Werner Fasslabend .............................................................................................. 141

Dr. Josef Cap .............................................................................................................. 144

Heidrun Silhavy (tatsächliche Berichtigung) .............................................................. 146

Mag. Dr. Magda Bleckmann ...................................................................................... 148

Dr. Christian Puswald (tatsächliche Berichtigungen) ..............................  152, 163, 168

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................. 153

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................. 156

Doris Bures ................................................................................................................. 158

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................. 160

Dr. Caspar Einem ....................................................................................................... 163

Mag. Wilhelm Molterer .............................................................................................. 165

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 166

Dr. Alexander Van der Bellen ................................................................................ ... 168

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kol­legen betreffend die Verhinderung der Privatisierung der österreichischen Trink­wasserversorgung – Ablehnung          146, 170

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Lage im Nahen Osten – Annahme (E 57) .....................  150, 170

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreichs Haltung zum Aufbau einer mul­tinationalen Friedenstruppe im Irak unter UNO-Mandat – Ablehnung ............................................................................................................  156, 170

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Uwe Scheuch, Dr. Rein­hold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die österreichischen Was­serressourcen sind gesichert“ – Annahme (E 58)            162, 170

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Anträge 2/A der Abge­ordneten Dr. Wolfgang Schüssel, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desverfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz (B-VG) in der Fassung von 1929 geändert wird (Bundesverfassungsgesetz-Novelle 2003),

5/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz zur Begrün­dung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes in Angelegenheiten des Tier­schutzes geändert wird,

9/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über den Schutz von Tieren (Tierschutzgesetz – TSchG),

12/A der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zum Schutz der Tiere (Bundes-Tierschutzgesetz – TSchG),


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62. Sitzung / Seite 5

127/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Mag. Brigid Weinzinger, Kollegin­nen und Kollegen betreffend rasche Vorlage eines Bundes-Tierschutzgesetzes im Sinne des Volksbegehrens für ein Bundes-Tierschutzgesetz und

184/A (E) der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines Bundesrahmengesetzes für die Fischerei durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und über die

Regierungsvorlage (446 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Tierschutzgesetz er­lassen sowie das Bundes-Verfassungsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Bundesministeriengesetz 1986 geändert werden (509 d.B.) ........................................................................................................................ 35

Redner:

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer ............................................................................... 36

Mag. Ulrike Sima .......................................................................................................... 39

Klaus Wittauer .............................................................................................................. 42

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................... 46

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..................................................................... 49

Fritz Grillitsch ............................................................................................................... 51

Dr. Alfred Gusenbauer ................................................................................................ 54

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ........................................................................................  55, 90

Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................... 58

Bundesminister Mag. Herbert Haupt ......................................................................... 60

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 62

Heinz Gradwohl ............................................................................................................ 64

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 66

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ......................................................................  68, 98

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ........................................................................ 70

Erwin Hornek ................................................................................................................ 72

Katharina Pfeffer .......................................................................................................... 73

Mag. Eduard Mainoni ................................................................................................... 74

Dr. Gabriela Moser ....................................................................................................... 75

Jakob Auer .................................................................................................................... 76

Dietmar Keck ................................................................................................................ 78

Mag. Dr. Magda Bleckmann ........................................................................................ 80

Dr. Evelin Lichtenberger ............................................................................................. 81

Maria Grander ............................................................................................................... 82

Dr. Günther Kräuter ..................................................................................................... 84

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................... 85

Franz Eßl ....................................................................................................................... 87

Dr. Peter Wittmann ...................................................................................................... 89

Karl Donabauer ............................................................................................................ 91

Anita Fleckl ................................................................................................................... 93

Anton Wattaul ............................................................................................................... 94

Johannes Schweisgut ................................................................................................. 95

Walter Schopf ............................................................................................................... 96

Michael Praßl ................................................................................................................ 97

Georg Keuschnigg ....................................................................................................... 98

Mares Rossmann ....................................................................................................... 100

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bereitstellung von Förderungsmitteln zur Errichtung bezie­hungsweise Umstellung auf tierfreundliche Haltungssysteme als begleitende Maßnahme im Rahmen des Inkrafttretens des neuen Bundes-Tierschutzgeset­zes – Ablehnung ..........................................................................  66, 102


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62. Sitzung / Seite 6

Entschließungsantrag der Abgeordneten Fritz Grillitsch, Dipl.-Ing. Uwe Scheuch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Maßnahmenpaket für die heimische bäuerliche Landwirtschaft zur erfolgreichen Umsetzung des Bundes-Tierschutzgesetzes – Annahme (E 56) ........................  90, 102

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Investitionsförderungen für tiergerechte Hal­tungssysteme – Ablehnung  99, 102

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 509 d.B. beigedruckten Ent­schließung (Anlage 2) betreffend eine Staatszielbestimmung Tierschutz (E 54) ........................................... 102

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 509 d.B. beigedruckten Ent­schließung (Anlage 3) betreffend eine tiergerechte Vornahme von rituellen Schlachtungen (E 55) ............... 102

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 101

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 509 d.B. betreffend den An­trag 184/A (E)                        103

2. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Gerhard Steier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Transport von Tieren auf der Straße (Tiertransportgesetz-Straße, TGSt) geändert wird (367/A) ......................................... 103

Redner:

Gerhard Steier ............................................................................................................ 103

Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler ............................................................................... 104

Gerhard Reheis .................................................................................................  105, 109

Anton Wattaul ............................................................................................................. 106

Dr. Evelin Lichtenberger ........................................................................................... 107

Kurt Eder ..................................................................................................................... 108

Zuweisung des Antrages 367/A an den Verkehrsausschuss ...................................... 110

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (466 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Statut der Europäischen Ge­sellschaft (Societas Europaea – SE) – (SE-Gesetz – SEG) erlassen wird sowie das Aktiengesetz, das Firmenbuchgesetz, das Rechtspflegergesetz, das Ge­richtsgebührengesetz, das EWIV-Ausführungsgesetz, das Genossenschaftsrevi­sionsgesetz 1997 und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Ge­sellschaftsrechtsänderungsgesetz 2004 – GesRÄG 2004) (488 d.B.) ............................................................................................ 110

4. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (467 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den Fernabsatz von Finanz­dienstleistungen an Verbraucher (Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz – FernFinG) erlassen wird und das Konsumentenschutzgesetz, das Versicherungs­vertragsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz sowie das Versicherungsauf­sichtsgesetz geändert werden (490 d.B.)               ............................................................................................................................. 110

Redner:

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................ 110

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................ 112

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................. 113

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 114

Mag. Heribert Donnerbauer ...................................................................................... 115


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Mag. Dietmar Hoscher ............................................................................................... 116

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 180

Mag. Walter Tancsits ................................................................................................. 180

Mag. Johann Maier ..................................................................................................... 181

Dr. Ferdinand Maier ................................................................................................... 183

Mag. Peter Michael Ikrath .......................................................................................... 183

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer .................................................................. 184

Mag. Johann Maier (tatsächliche Berichtigung) ........................................................ 185

Mag. Karin Hakl .......................................................................................................... 185

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vereinheitlichung der Rücktrittsfristen für KonsumentInnen bei allen Konsumentengeschäften auf 14 Tage“ – Ablehnung ............................................................................................................  182, 186

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 488 und 490 d.B. ......................................... 185

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (471 d.B.): Bundesgesetz, mit dem familien- und erbrechtliche Bestimmungen des allgemei­nen bürgerlichen Gesetzbuchs und des Bundesgesetzes über das internationale Privatrecht sowie das Gebührenanspruchsgesetz 1975 geändert werden (Famili­en- und Erbrechts-Änderungsgesetz 2005 – FamErbRÄG 2005), und über den

Antrag 152/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend erbrechtliche Gleichstellung/Änderung von § 730 ABGB (489 d.B.) .............................................. ... 186

6. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 377/A der Abgeordne­ten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den frei­en Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsan­wälten in Österreich geändert wird (492 d.B.) ............................................................. 186

7. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (472 d.B.): Bundesgesetz über die Organisation der Bezirksgerichte in Graz und die Ände­rung des Jugendgerichtsgesetzes 1988 (491 d.B.)        ............................................................................................................................. 186

8. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 376/A der Abgeordne­ten Dr. Helene Partik-Pablé, Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem vorübergehende Maßnahmen für die Anhaltung in Untersuchungshaft und im Strafvollzug getroffen werden (493 d.B.) ...................................................................................................................... 186

Redner:

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................ 187

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................ 188

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................. 189

Mag. Eduard Mainoni ................................................................................................. 192

Mag. Gisela Wurm .............................................................................................  192, 208

Mag. Heribert Donnerbauer ...................................................................................... 193

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 195

Dipl.-Ing. Günther Hütl ............................................................................................... 195

Dr. Günther Kräuter ................................................................................................... 196

Dr. Gertrude Brinek ................................................................................................... 196

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................. 197

Werner Miedl ............................................................................................................... 200

Mag. Ruth Becher ...................................................................................................... 201


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62. Sitzung / Seite 8

Franz Glaser ................................................................................................................ 202

Dr. Christian Puswald ................................................................................................ 202

Johann Ledolter ......................................................................................................... 203

Bettina Stadlbauer ..................................................................................................... 204

Mag. Heribert Donnerbauer (tatsächliche Berichtigung) .......................................... 205

Michael Praßl .............................................................................................................. 205

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................... 205

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 206

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer .................................................................. 206

Otto Pendl ................................................................................................................... 207

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend gleich- und verschiedengeschlechtliche Lebensgemein­schaften im Erbrecht sowie Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz – Ableh­nung ..............................................................  199, 209

Annahme der vier Gesetzentwürfe in 489, 492, 491 und 493 d.B. .............................. 208

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den An­trag 301/A (E) der Abgeordneten Elmar Lichtenegger, Peter Haubner, Dr. Peter Wittmann, Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines „Anti-Doping-Gesetzes“ (482 d.B.) ........................................................ 210

Redner:

Peter Haubner ............................................................................................................. 210

Dr. Peter Wittmann .................................................................................................... 211

Elmar Lichtenegger ................................................................................................... 212

Dieter Brosz ................................................................................................................ 213

Staatssekretär Mag. Karl Schweitzer ..............................................................  213, 221

Herta Mikesch ............................................................................................................. 214

Anita Fleckl ................................................................................................................. 215

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................. 216

Dr. Peter Sonnberger ................................................................................................. 216

Mag. Johann Maier ..................................................................................................... 217

Jochen Pack ................................................................................................................ 218

Christian Faul ............................................................................................................. 218

Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler ............................................................................... 219

Beate Schasching ...................................................................................................... 220

Hermann Gahr ............................................................................................................ 221

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................. 222

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Beate Scha­sching, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aktion „Play Fair at the Olym­pics!“ – Ablehnung ................  223, 224

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 482 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Vorlage eines „Anti-Doping-Gesetzes“ (E 59) ........................................................................... 224

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen ................................................................................................... 33

495: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prü­fungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwe­sens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird


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62. Sitzung / Seite 9

496: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 25. Feber 1988, BGBl. Nr. 145, über das Unterrichtspraktikum geändert wird

497: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von be­stimmten Unterrichts- und Erziehungstätigkeiten an Schulen im Bereich des Bun­desministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur und des Bundesministeri­ums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft geändert wird

504: Bundesgesetz, mit dem die als Bundesgesetz geltende Verordnung über den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer bei Arbeiten in Druckluft sowie bei Taucherarbeiten und das Mutterschutzgesetz 1979 geändert werden

505: Agrarrechtsänderungsgesetz 2004

506: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 1. Juli 1981 über die For­schungsorganisation in Österreich und über die Änderung des Forschungsförde­rungsgesetzes (Forschungsorganisationsgesetz – FOG) geändert wird

510: Forschungsförderungs-Strukturreformgesetz

511: Bundesgesetz zur Errichtung einer „Brenner Basistunnel Aktiengesellschaft“ und mit dem das Bundesgesetz zur Errichtung einer „Brenner Eisenbahn GmbH“ geändert wird

Anträge der Abgeordneten

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines Bundesrah­mengesetzes für die Fischerei durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (402/A) (E)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufstockung der Finanzmit­tel für die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) (403/A) (E)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Einrichtung und die Tätigkeit einer Arbeitslosenanwaltschaft (404/A)

Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Importverbot für die gen­technisch veränderte Maissorte Bt11 (405/A) (E)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasches Handeln gegen massive Menschenrechtsverletzungen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den Darfur-Provinzen (Sudan) (406/A) (E)

Mag. Hans Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen für mehr Wett­bewerb zur Senkung des Benzinpreises (407/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gesetzliche Maßnahmen gegen Alkopops und ähnliche Mixgetränke: Steuerliche Sonderabgabe etc.“ (408/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gesetzliche Maßnahmen gegen Alkopops und ähnliche Mixgetränke: Steuerliche Sonderabgabe etc.“ (409/A) (E)

Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines Berichtes über die Auswirkungen des Bundesligarechteverkaufes an die Bietergruppe Premiere/ATV (410/A) (E)


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62. Sitzung / Seite 10

Anfragen der Abgeordneten

Herbert Scheibner, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen an die Bun­desministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Österreichs Haltung zur Außen- und Sicherheitspolitik sowie zur Verfassung der Europäischen Union (1813/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Ver­tretung in Aufsichtsräten, Beiräten, Kommissionen und anderen Gremien (1814/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Vertretung in Aufsichtsräten, Beiräten, Kommissionen und anderen Gremien (1815/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Vertretung in Aufsichtsräten, Beiräten, Kommissio­nen und anderen Gremien (1816/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Vertretung in Aufsichtsräten, Beiräten, Kommissionen und anderen Gremien (1817/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend Vertretung in Aufsichtsräten, Beiräten, Kommissionen und anderen Gremien (1818/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Vertretung in Aufsichtsräten, Beiräten, Kommissionen und anderen Gremien (1819/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Vertretung in Aufsichtsräten, Beiräten, Kommissionen und anderen Gremien (1820/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung betreffend Vertretung in Aufsichtsräten, Beiräten, Kommissionen und ande­ren Gremien (1821/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Vertretung in Aufsichtsräten, Beiräten, Kommissionen und anderen Gremien (1822/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Si­cherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Vertretung in Aufsichtsrä­ten, Beiräten, Kommissionen und anderen Gremien (1823/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Vertretung in Aufsichtsräten, Beiräten, Kommis­sionen und anderen Gremien (1824/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Vertretung in Aufsichtsräten, Beiräten, Kommissionen und ande­ren Gremien (1825/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend Entgeltfortzahlung bei Katastropheneinsätzen (1826/J)


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Georg Oberhaidinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Entwicklung der Energiepreise zu Lasten der KonsumentInnen (1827/J)

Ing. Erwin Kaipel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, In­novation und Technologie betreffend PKW-Überwachung auf Autobahnen (1828/J)

Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Bedrohung der österreichischen Bildungsland­schaft durch SPÖ-Schulreform-Vorschläge (1829/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Budgetansätze für Leistungen im Rahmen der EZA und OZA für den Bun­desvoranschlag 2005 und 2006 (1830/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärti­ge Angelegenheiten betreffend Budgetansätze für Leistungen im Rahmen der EZA und OZA für den Bundesvoranschlag 2005 und 2006 (1831/J)

Ing. Erwin Kaipel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Schädigung der Gemeindefinanzen durch Rückstände bei der Ausstellung von Einheitswert- und Grundsteuermessbescheide durch Finanzämter (1832/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalitätsprävention in Österreich (1833/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Objekt Exelgasse 12 in Innsbruck (1834/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Veräußerung der Innsbrucker Objekte aus dem Bundesvermögen (1835/J)

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit und Frauen betreffend Bauernkrankenversicherung (1836/J)

Ing. Erwin Kaipel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, In­novation und Technologie betreffend PKW-Überwachung auf Autobahnen (1837/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Beschäftigungsoffensive der Bundesregierung (1838/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Ermittlungen des Bundeskriminalamtes im Fall Gebauer (1839/J)

Günter Kößl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend positive Entwicklungen in der österreichischen Sicherheitspolitik (1840/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angele­genheiten betreffend Zeit- und Aktionsplan zur Erhöhung der österreichischen ODA-Leistungen auf 0,7 Prozent BNE (1841/J)

Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Konsumentenschutz­probleme im Bereich der Banken (1842/J)

Heinz Gradwohl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Aufgabenübertragung, För­derverwaltung und Finanzierung der Agrarmarkt Austria (AMA) (1843/J)


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Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Lücken im Mobilfunknetz der West­bahnstrecke (1844/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Heinz Gradwohl, Kolleginnen und Kollegen (1615/AB zu 1628/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1616/AB zu 1642/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen (1617/AB zu 1643/J)

*****

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Eva Gla­wischnig, Kolleginnen und Kollegen (20/ABPR zu 21/JPR)



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Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Dritter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinz­horn.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Sitzung ist eröffnet.

Als verhindert gemeldet sind der Zweite Präsident des Nationalrates Dr. Heinz Fischer sowie Frau Abgeordnete Renate Csörgits.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundeskanzler­amt über Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitglie­dern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner wird durch den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein vertreten.

Weiters wird der Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ab Nachmittag durch den Vizekanzler Hubert Gorbach vertreten.

Fragestunde

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zur Fragestunde. Ich beginne jetzt – um 9.01 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Justiz

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Den ersten Fragenkomplex leitet Abgeordneter Dr. Jaro­lim mit seiner Frage ein.

 


Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

64/M

„Gedenken Sie angesichts der Vorschläge der ,Kriminalpolitischen Initiative‘ endlich von der verfehlten Sicherheits- und Strafvollzugspolitik der Bundesregierung mit den damit verbundenen enorm hohen Häftlingszahlen abzugehen?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Es gibt keine verfehlte Sicher­heitspolitik! Tatsache ist, dass wir, wie andere Länder auch, eine unglaubliche und un­erwartet hohe Kriminalitätswelle zu bewältigen haben, unter der insbesondere der Osten Österreichs leidet. Also die Kriminalität spielt sich hauptsächlich im Osten Öster­reichs ab, und hier machen wieder die Nicht-Österreicher den Hauptanteil aus.

Die Vorschläge dieser Initiative beziehen sich vor allem auf Strafgefangene, die bereits verurteilt sind. Dort könnten sie eingesetzt werden. Dort haben wir aber nicht die große Belastung. Wir haben die große Belastung, nämlich bis zu 90 Prozent, bei den Unter-


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suchungshäftlingen. Insbesondere die viel diskutierte Fußfesselfrage ließe sich nur bei den Strafgefangenen als Entlastungselement einsetzen. Dort denken wir auch darüber nach.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Minister! In diesem Zusammen­hang ist es notwendig, darauf hinzuweisen, dass die meiner Meinung nach verfehlte Kriminalitätsbekämpfungspolitik durch Innenminister Strasser bekanntermaßen dazu geführt hat, dass bei der Entwicklung der Kriminalität in den Jahren von 1999 bis 2003 eine explosionsartige Zunahme stattgefunden hat, während die Aufklärungsquote, wis­senschaftlich nachgewiesen, in den Keller gesunken ist. Es ist damit der Ruf Öster­reichs als eines der sichersten Länder gefährdet. Was werden Sie gegen diesen, wie ich meine, Missstand unternehmen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Die Wertungen, die in der Frage enthalten sind, halte ich für absolut unrichtig. Die muss ich deshalb zurückweisen. Ich sehe keine verfehlten Maßnahmen in der Kriminalitätsbekämpfung, ganz im Gegenteil. Wir unternehmen alle Anstrengungen, die notwendig sind, um die Kriminalität zu be­kämpfen. Es lässt sich nicht leugnen, dass insbesondere im Drogenhandel die organi­sierte Kriminalität im Ansteigen ist. Es lässt sich ebenfalls nicht leugnen, dass auch bei den Eigentumsdelikten die Kriminalität im Ansteigen ist. Es lässt sich auch nicht leug­nen, dass wir, wie schon ausgeführt, im Bereiche der Untersuchungshäftlinge eine große Belastung haben, die wir mit meines Erachtens richtigen, langfristig wirkenden Maßnahmen bekämpfen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Abgeordneter Miedl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Bundesminister! Gott sei Dank werden mehr Kriminalfälle aufgeklärt als je zuvor. Ein Vorschlag der „Kriminalpolitischen Initiative“ ist unter anderem die Einführung des elektronischen Hausarrestes, den Sie schon er­wähnt haben. Wie ist Ihre Haltung konkret dazu?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Diese Maßnahme kann logi­scherweise überwiegend nur bei den Strafgefangenen eingesetzt werden. Dort haben wir aber nicht die große Belastung, sondern wir haben sie bei den Untersuchungsge­fangenen. Wir studieren das. Es ist in Österreich diese Maßnahme legistisch nicht vor­gesehen. Wenn sie bei Beibehaltung unseres Strafsystems eine Entlastung bringen kann, werden wir sicherlich konkrete Vorschläge unterbreiten.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Abgeordneter Mag. Mainoni. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminis­ter! Angesichts der Tatsache, dass in Ostösterreich der Anteil der ausländischen Häft­linge 60 Prozent und mehr beträgt, sind die Vorschläge dieser so genannten „Kriminal­politischen Initiative“, die da lauten: mehr Sicherheit durch weniger Haft! als mehr denn fragwürdig zu bezeichnen. Ich frage Sie, Herr Bundesminister: Wer ist diese so ge­nannte „Kriminalpolitische Initiative“?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: In meinem Büro waren der Herr Rechtsanwalt und Universitätsdozent Dr. Soyer, der Herr Professor Höpfel und, ich


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glaube, der Herr Professor Gratz. Sie haben, wie gesagt, schon Vorschläge unterbrei­tet, aber nicht solche, die uns wirklich bei Beibehaltung des momentanen Strafsystems eine Unterstützung bei der Bekämpfung der Kriminalität sein können. Das ist eben das große Problem für uns, dass diese Vorschläge zwar in sich wissenschaftlich durchaus begründet sind, sie aber die momentane Situation in Österreich, wenn sie umgesetzt würden, nicht wirklich entlasten könnten.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Rest-Hinterseer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer (Grüne): Herr Minister Böhmdorfer! Meine Frage lautet: Wie kann Rechtssicherheit hergestellt werden, wenn einerseits auf Grund von extrem hohen Häftlingszahlen und andererseits auf Grund personeller Unterbeset­zung in den Gerichten Urteilsausfertigungen über ein Jahr und länger nicht zugestellt werden und dadurch Betreuungen, zum Beispiel durch die Bewährungshilfe, nicht auf­genommen werden können, bedingte Entlassungen nicht beantragt werden können und Fristen, wie zum Beispiel für das Tilgungsgesetz, nicht zu laufen beginnen kön­nen?

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Urteilsausfertigungen, die länger als ein Jahr überständig sind, sind sicherlich die absolute Seltenheit. Wenn Sie mir den Fall geben, gehe ich dieser Sache heute noch nach. Das ist eine exzessive Fristen­überschreitung, die wir immer sofort aufklären. Das kommt ganz selten vor.

Im Prinzip sind wir aber in der Justiz, glaube ich, sehr, sehr gut organisiert. Die durch­schnittliche Erledigungsdauer ist, wenn man alle Verfahren berücksichtigt, im Zivilbe­reich acht Monate. Das ist statistisch eine sehr gute Zahl, was uns aber nicht hindert, noch besser werden zu wollen. Es liegen konkrete Berechnungen des Justizministeri­ums vor, wonach wir bei einer Anhebung der Richterzahl zu einer noch besseren Erle­digungszeit pro Einzelfall kommen können, ohne dass die Gründlichkeit darunter leidet.

Wir sind derzeit mit dem Finanzminister in Verhandlungen. Von diesem benötigen wir die finanziellen Mittel. Die Planstellen, die wir benötigen, bekommen wir, wenn wir sie bekommen, vom Herrn Bundeskanzler.

Darüber hinaus kann ich nur sagen: Unsere Bemühungen gehen dahin, im Interesse der Rechtssicherheit die Erledigungsfristen zu verkürzen.

Was die Kriminalität anbelangt: Nicht die Beschlüsse der unabhängigen Richter, nicht die Entscheidungen und Urteile der unabhängigen Richter sind an der Kriminalität schuld, sondern die Kriminalitätswelle, die ganz Europa überrollt, ist dafür verantwort­lich. Das bitte ich endlich zur Kenntnis zu nehmen. Wir bekämpfen die Verbrechen, und das tun wir im Interesse der öffentlichen Sicherheit.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit haben wir den ersten Fragenkomplex erledigt.

Ich bitte jetzt, die nächste Frage zu formulieren, was durch die Abgeordnete Dr. Maria Theresia Fekter geschehen wird. Sie leitet damit den zweiten Fragenkomplex ein. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Werter Herr Minister! Meine Frage lautet:

61/M

 


„Welche legislativen Maßnahmen überlegen Sie, um die Probleme der hohen Belags­zahlen in den Justizanstalten zu entschärfen?“

Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wir haben bereits die Antrittsfris­ten verlängert. Ich bedanke mich dafür beim Hohen Haus, es war eine gemeinsame Aktion. Das war nicht ganz selbstverständlich. Wir haben auch ein Prinzip gelockert, das mit den Belagszahlen im Zusammenhang steht. Es sind in den gerichtlichen Ge­fangenenhäusern, also in jenen Gefangenenhäusern, die den Gerichten angeschlos­sen sind, nach dem Gesetz die kurzzeitigen Strafhaften, also jene bis zu drei Monaten, zu vollstrecken und die Untersuchungshäftlinge dort zu verwahren. Da können wir dank der legistischen Maßnahmen, die wir getroffen haben, jetzt eine Auflockerung herbei­führen, was natürlich zu mehr personellem Aufwand und zu einem vermehrten Häft­lingstransport führt.

Im Übrigen denken wir die Fußfessel an und haben im Regierungsprogramm vorgese­hen, dass die bedingte Entlassung ausgeweitet wird. Das ist ein sehr schwieriges legistisches Vorhaben, da jetzt schon die Möglichkeit bestünde, mehr Häftlinge bedingt zu entlassen, aber die Richter eben anders entscheiden.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Bundesminister! Eine Fra­ge das Justizwachepersonal betreffend: Ist es richtig, dass derzeit verstärkt die unbe­setzten Dienstposten zügig nachbesetzt werden, und um wie viel Personen handelt es sich dabei?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Um wie viel Personen es sich genau handelt, das weiß ich nicht. Tatsache ist, dass es in der Regierung eine politi­sche Einigung gegeben hat, die zum Ziel hatte, nicht alle Planposten zu besetzen, sondern etwas weniger, dass wir aber dem Herrn Bundeskanzler mitteilen mussten – und zwar taten wir das mit Schreiben vom 24. Jänner 2004 –, dass wir diese politische Einigung nicht einhalten können, da wir die uns zur Verfügung stehenden Planposten zur Gänze ausnützen müssen, so Leid uns das tut, weil wir damit natürlich den politi­schen Willen der Bundesregierung nicht ganz erfüllen können.

Das ist jedoch damit begründet, dass wir eine Aufgabenvermehrung haben – und zwar haben wir rechnerisch, statistisch gesehen um mehr als 22 Prozent mehr Häftlinge als in früheren Jahren – und dass wir diese Aufgabenvermehrung, im Gegensatz zu ande­ren Ministerien, nicht selbst steuern können, weil die Zahl der Häftlinge von den Ent­scheidungen der unabhängigen Richter abhängt – und von nichts anderem.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé, bitte.

 


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Wenn von hoher Kriminalität oder von hohen Häftlingszahlen die Rede ist, wird auch von gewissen Kreisen immer gerne gesagt: Na ja, machen wir halt gewisse Delikte nicht strafbar, entkriminalisieren wir! – Was halten Sie davon?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Davon halte ich absolut nichts! Es gibt auch keine Tendenz in der Bundesregierung, dass man gerade dort, wo be­sonders viele Rechtsbrüche geschehen, die Tatbestände zurücknimmt. Ich vergleiche das immer mit den roten Ampeln: Wenn man feststellt, dass Kreuzungen trotz Rotlicht vermehrt überfahren, also Rechtsbrüche begangen werden, hat es keinen Sinn, die roten Ampeln abzuschalten, sondern man muss mehr aufpassen, dass die Gesetze eingehalten werden. Nur das ist die Tendenz der Bundesregierung, und ich danke dem


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Nationalrat, dass diese Tendenz von den Regierungsparteien mitgetragen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Nur zu Ihrer Ge­dächtnisstütze: Zur „Kriminalpolitischen Initiative“ gehören auch noch Herr Universi­tätsprofessor Dr. Christian Grafl, Universitätsdozent Dr. Arno Pilgram, Honorarprofes­sor Dr. Hans-Valentin Schroll und Diplomsozialarbeiterin Christine Hovorka. Ich würde meinen, dass das die Crème de la Crème der österreichischen Straflegistik und über­haupt des Strafrechts ist. – Das nur, damit diese Liste sozusagen komplett ist. (Bun­desminister Dr. Böhmdorfer: Darf ich antworten?) – Herr Bundesminister, das war keine Frage, das war nur für Sie, damit Sie es ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich würde bitten, die Einleitungen knapp zu halten.

 


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Der Herr Minister hat sich nämlich so knapp gehalten, dass er die wesentlichen Personen hier nicht genannt hat. (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Frage! Frage!)

Herr Bundesminister! Meine Frage schließt an jene von Frau Dr. Partik-Pablé an: Stichwort „Entkriminalisierung“. – Entkriminalisierung bedeutet ja nicht weniger Sicher­heit für die Bevölkerung, sondern vielfach auch, dass man viel sorgfältiger mit jenen Problembereichen umgeht, wo es tatsächlich notwendig ist, scharf vorzugehen. (Abg. Mag. Mainoni: Wo ist die Frage – Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Frage! Frage! – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Darum möchte ich Sie noch einmal bitten, Herr Bundesminister, dazu Stellung zu nehmen, ob nicht von Ihrem Haus und von Ihnen diese Diskussion als justizpolitische Diskussion endlich initiiert werden könnte.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich bitte, auf Ihre Einleitung ein­gehen zu dürfen: Ich wurde gefragt, wer bei mir im Büro war. (Abg. Mag. Stoisits: Nein!) – So habe ich diese Frage verstanden. – Das waren die drei Personen, die ich angeführt habe. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das weiß die Frau Stoisits natürlich besser, wer bei Ihnen im Büro war!) Mit den anderen hatte ich keinen persönlichen Kontakt. Was die Crème de la Crème anbelangt, könnte ich Ihnen noch viel, viel mehr Personen nennen, die sich im Strafrecht genauso gut auskennen. (Abg. Mag. Mainoni: Oder besser!) Im Übrigen auch unsere Beamten in den verschiedenen Sektionen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Was die Entkriminalisierung anbelangt, möchte ich Ihnen eine Zahl nennen, die ein­drucksvoll ist, weil es immer wieder darum geht, die Gewerbsmäßigkeit des Diebstah­les zurückzunehmen, also den wiederholten Diebstahl in kleineren Mengen nicht zu bestrafen.

Wir haben einen internationalen Vergleich angestellt, und dabei kam Folgendes her­aus: In ganz Europa gibt es derartige Tatbestände – nicht nur in Österreich! Ich habe voriges Jahr eine Information bekommen, die sich noch auf Schilling bezog, und da heißt es: Im Handel entsteht allein durch Ladendiebstähle ein Schaden von jährlich 37 Milliarden Schilling! Ein Drittel wird angeblich von den Lieferanten gestohlen, ein Drittel von den eigenen Leuten, ein Drittel von den Kunden. In den meisten Fällen be­wegt sich das im Bereich der Gewerbsmäßigkeit. Wenn wir das zurücknehmen, dann öffnen wir eine Schleuse, die wir nicht geöffnet haben wollen. – Das nur als Beispiel.


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Es nehmen auch die Wohnungseinbrüche zu. Es gibt wieder vermehrt Autoeinbrüche in Österreich, es werden Radios aus den Autos gestohlen und vieles andere mehr. Es nimmt auch die Brutalität zu, es wird mit LKWs in die Häuser gefahren, um Bankoma­ten mitzunehmen et cetera. Also Sie müssen schon einsehen, dass ich als Sicher­heitsminister dafür Vorsorge treffen möchte, dass in Österreich die öffentliche Sicher­heit nicht gefährdet wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Bundesminister! Einer der Problembereiche im Strafvollzug ist der Maßnahmenvollzug. Denken Sie daran, den Maßnahmenvollzug neu zu regeln, und wenn ja, wann ist damit zu rechnen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Maßnahmenvollzug bedeutet, dass geisteskranke Täter auch in der Obhut der Justiz sind. Ich bedanke mich bei der Frau Gesundheitsministerin und beim Herrn Staatssekretär Waneck. Über Initiative des Herrn Staatssekretärs Dr. Waneck führen wir bereits Gespräche mit dem Gesund­heitsministerium darüber, dass die Häftlinge, die unter den Tatbestand des § 21 Abs. 1 StGB fallen, also die gänzlich geisteskrank sind, in Zukunft vom Gesundheits­ministerium betreut werden. Das wäre ein Ziel, das meines Wissens auch in Europa allgemein vom Europarat verfolgt und gewünscht wird. Das wäre auch richtig.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zum 3. Fragenkomplex, der durch die Frage der Abgeordneten Mag. Stoisits eingeleitet wird. – Bitte, Frau Magistra.

 


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Wir kommen wie­der zurück zur „Kriminalpolitischen Initiative“, die logischerweise ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Abgeordnete, wir sind in der Präsidialkonferenz übereingekommen, dass an der Praxis festgehalten wird, dass der erste Anfragesteller die Frage genau so formuliert, wie sie schriftlich eingereicht wurde, und zwar ohne Vorsatz und ohne Nachsatz. – Ich bitte um die Frage!

 


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Das ist eine Lesestunde! Meine Frage lautet:

67/M

„Wie stehen Sie zu den Vorschlägen der ‚Kriminalpolitischen Initiative‘ zur Reduktion von Inhaftierungen und Haftdauer durch Ausweitung bedingter Entlassungen, Zurück­drängung der Gewerbsmäßigkeit als Deliktsqualifikation, strengere Voraussetzungen für die U-Haftverhängung und den elektronisch überwachten Hausarrest?“

Ende!

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich habe all diese Fragen bereits beantwortet! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Abgeordnete, eine Zusatzfrage? – Bitte, Frau Ab­geordnete.

 


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Die kann ich jetzt nicht vorlesen, denn die muss ich frei formulieren.


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Herr Minister, ob Sie die Fragen im Zusammenhang mit der Frage vom Herrn Kollegen Jarolim schon vollständig beantwortet haben, das überlasse ich Ihrer Beurteilung. Ich jedenfalls bin nicht damit zufrieden.

Als erste Zusatzfrage: Die „Kriminalpolitische Initiative“ kommt von außen, kommt unter anderen von Praktikern. Die wirklich hervorragenden Mitarbeiter Ihres Hauses haben ihnen Vorschläge zu erstatten, und deshalb möchte ich an Sie noch einmal eine kon­krete Frage im Hinblick auf die bedingte Entlassung, wo beispielsweise auch eine Än­derung der legistischen Grundlagen denkbar wäre, richten. Das ist für uns im Hohen Haus eine wesentliche Frage, dass man das Prinzip zum Beispiel umkehrt. Die Richter sind nicht begeistert, aber mich würde interessieren, was Sie von diesem Vorschlag halten.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Natürlich viel, weil es auch Re­gierungsprogramm ist. Aber es ist eine sehr schwierige legistische Aufgabe, und unter­schätzen Sie nicht die Verantwortung der Richter! Das sind Entscheidungen, die in Zusammenarbeit mit Psychologen und Ärzten getroffen werden. Wenn dann eine falsch ist, weil der bedingt Entlassene wieder rückfällig wird und vielleicht sogar ein Gewaltverbrechen begeht, kommt eine riesige Welle der Kritik auf diese Richter zu, ohne dass sie das geringste persönliche Verschulden haben. Sie werden schon ver­stehen, dass die Richter sich die Sache sehr, sehr schwer machen, und sie ist wirklich nicht so einfach, wie sie von manchen Theoretikern und vor allem von Außenstehen­den beurteilt wird.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Bundesminister! Die Kriminalität in Ös­terreich ist in den letzten Jahren auf eine katastrophale Höhe gestiegen: Wir haben heute schon davon gehört: Tendenz steigend. Die Aufklärungsquote ist massiv gesun­ken, und das Ganze bei sinkendem Personalstand in den Justizanstalten. Sie selbst haben gesagt, dass es einen Mehrbedarf von 750 Planstellen gibt.

Ich frage Sie, Herr Bundesminister: Fühlen Sie sich für diese katastrophale Bilanz, die meiner Meinung nach der Innenminister zu verantworten hat, mitverantwortlich?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich fühle mich für die Bekämp­fung der Kriminalität verantwortlich, und es wäre, wenn man die Kriminalität weniger bekämpft, eine schlichte Unwahrheit, zu behaupten, sie sei gesunken. Im Gegenteil: Das wäre eine Einladung, mehr kriminelle Delikte zu begehen. Deswegen müssen wir bei der Bekämpfung der Kriminalität hartnäckig und konsequent bleiben.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Bundesminister! Von der steigenden Kriminalität ist jetzt schon oft geredet worden, und auch ich beziehe mich in meiner Frage darauf. Wir wissen, dass die Justizanstalt Wien-Josefstadt belag­erschöpft ist. Wie schätzen Sie in Zukunft die Entwicklung dort ein, und welche Maß­nahmen gedenken Sie da zu setzen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Es besteht in diesem Bereich die Notwendigkeit – und das ist die Konsequenz aus der Entwicklung –, ein zweites Ge-


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richt in Wien zu bauen, und zwar aus folgenden Gründen: Nach der Gesetzeslage muss jedes Landesgericht einen Haftraum für Untersuchungshäftlinge haben, das sind die so genannten Landesgerichtlichen Gefangenenhäuser. Wir haben in Österreich eine Mehrbelastung im Bereiche der Untersuchungshäftlinge, aber wir können aus rechtlichen und faktischen Gründen die Justizanstalt Wien-Josefstadt nicht ausweiten, was den Haftraum betrifft. Es wäre eine Ausweitung um maximal 100 Betten möglich, aber wir brauchen in Wien 700 bis 800 dazu, nämlich Haftraum für Häftlinge.

Deshalb gibt es als einzige Konsequenz aus dieser Notwendigkeit nur die Möglichkeit, ein zweites Gericht in Wien mit einem Landesgerichtlichen Gefangenenhaus zu errich­ten, weil ja logischerweise die Untersuchungshäftlinge – und ich wiederhole: nur um die geht es – dort untergebracht werden müssen, wo sie auch einvernommen werden sollen.

Das heißt: Der Untersuchungshäftling wird am Freitag verhaftet und wird am Samstag und Sonntag bereits vernommen. Wenn er in Mistelbach untergebracht wäre, was na­türlich theoretisch auch denkbar wäre, wäre das organisatorisch unmöglich und würde gegen die Rechtslage verstoßen. Deswegen sind die Vorschläge der Richter – ich nehme an, dass Sie die meinen – einfach absurd, wo die Meinung vertreten wird, dass wir uns ein zweites Gerichtsgebäude in Wien ersparen könnten – wenn die Entwick­lung so anhält! Sie wird so anhalten; das sagen alle internationalen Vergleiche und Studien.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Wittauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Frau Abgeordnete Stoisits, Universitätsprofessoren sind keine Praktiker.

Herr Bundesminister! Worauf sind die steigenden Häftlingszahlen im Untersuchungs­bereich zurückzuführen, und gibt es Alternativen, die geeignet sind, diese zu verrin­gern?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wir können die Kriminalität natür­lich geografisch auf Grund unserer Aufzeichnungen zuordnen. Wir müssen darauf ver­weisen, dass die Hauptlast bei den Verbrechen im Drogenbereich besteht, es also Übertretungen des Suchtmittelgesetzes sind. Da sind die Träger der Kriminalität die Schwarzafrikaner: Wir haben durchschnittlich 400 und mehr von ihnen in Untersu­chungshaft. Das ist ein großes Problem für uns, zumal sehr oft auch ihre Identität nicht bekannt ist. Danach kommt die Gruppe aus dem so genannten Restjugoslawien. Die dritte Gruppe kommt aus Rumänien. Insofern müssen wir sagen, dass die Kriminalität eben derzeit vor allem von Nichtösterreichern getragen wird, nämlich vorwiegend von diesen Gruppen, und so weit sie nicht aus Schwarzafrika kommen, kommen sie aus dem Osten Europas.

Wir sehen die Möglichkeit der Bekämpfung auch darin, dass wir mit Rumänien zum Beispiel eine direkte Kooperation, die wir vereinbart haben, pflegen, und die zeigt be­reits Wirkung. Auch im Bereiche der EU müssen wir zu dem System kommen, dass jeder Mitgliedstaat seine eigenen Häftlinge bestraft und die Strafe vollzieht, weil wir ansonsten nicht zurande kommen. Es ist unzumutbar, dass innerhalb der EU so ge­nannte Nichtinländer – wie man das jetzt bezeichnet – die Gefängnisse füllen, und zwar in einem Übermaß. Man kann sie auch nicht resozialisieren.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit ist der 3. Fragenkomplex erledigt.

 


Wir kommen nun zum 4. Fragenkomplex, der durch die Anfrage der Abgeordneten Dr. Partik-Pablé eingeleitet wird. – Bitte, Frau Abgeordnete.


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62. Sitzung / Seite 21

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage lautet:

69/M

„Welche Möglichkeiten sehen Sie, das Sachwalterrecht so zu verbessern, dass im Sin­ne einer Mindestqualität der persönlichen Betreuung durch den Sachwalter die Vertre­tung Hunderter Betroffener durch eine Person künftig vermieden wird?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wir führen derzeit Gespräche mit dem Sachwalterverein hinsichtlich dieses Problems, obwohl sich gerade Sachwalter – es sind meistens Rechtsanwälte und Notare, die Hunderte Sachwalterschaften ha­ben – auch der Sozialhelfer bedienen. Dieses Problem wird, wie gesagt, derzeit von uns mit dem Sachwalterverein besprochen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sie haben es schon erwähnt: Es gibt Rechtsanwälte, die ungefähr 500 oder 600 Besachwaltete vertreten. Man kann sich vorstellen, dass da eine persönliche Betreuung überhaupt nicht mehr möglich ist.

Können Sie sich anfreunden mit einer Bestimmung, wonach der Sachwalter in einem bestimmten Zeitraum verpflichtet wird, den Besachwalteten auch persönlich aufzusu­chen, mit ihm seine Probleme zu besprechen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Damit kann ich mich sicher an­freunden, das sollte auch jetzt schon so sein. Man muss aber auch wissen, dass die Sachwalterschaften nicht immer nur Personen betreffen, die sich gänzlich nicht selbst versorgen können, sondern es gibt auch Teilbereiche, wo der persönliche Kontakt nicht so dringend notwendig ist. Das muss man auch dazusagen. Aber im Prinzip ist es na­türlich richtig, dass eine ordentlich ausgeführte Sachwalterschaft nur bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des persönlichen Kontaktes abwickelbar ist.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Minister! Der Verein für Sachwalter­schaft ist seit Jahren in diesem Themenbereich tätig und dabei sehr erfolgreich. Er bietet wirklich jedem Einzelnen individuelle Unterstützung.

Meine Frage an Sie: Sind Sie bereit, den Verein für Sachwalterschaft entsprechend auszubauen, und, wenn ja, welche finanzielle Dotierung wird dem Verein für Sachwal­terschaft im Jahr 2005 zukommen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Traditionell bezahlen wir an die­sen Verein aus unserem Budget – das ist eine langjährige Ziffer – 200 Millio­nen Schilling, natürlich den entsprechenden Gegenwert in Euro. Er wird vor allem von uns unterstützt. Wir planen jetzt auch eine große Kampagne, damit die Verbesse­rungen, die das Heimaufenthaltsgesetz und das Heimvertragsgesetz, die dankens­werterweise hier einstimmig beschlossen wurden, enthalten, besser bekannt werden und damit auch die Bedingungen, zu denen diese Personen in Pflege sind, verbessert werden. Wir werden uns auch nicht scheuen, gemeinsam mit dem Sozialminister mit


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62. Sitzung / Seite 22

Unterstützung der Gerichte diese Bedingungen zu verbessern, wenn die Bedingungen nicht der neuen Rechtslage, die ab 1. Juli 2004 in Kraft tritt, entsprechen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Dr. Puswald. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ): Herr Bundesminister! Das Sachwalter­schaftsverfahren ist wegen der doch beachtlichen Eingriffe in die Grundrechte der Be­troffenen so konzipiert, dass es finanziell und personell aufwendig zu führen ist.

Andererseits hat diese schwarz-blaue Bundesregierung in den letzten Jahren meiner Überzeugung nach in verantwortungsloser Weise sowohl die Justiz als auch die Verei­ne für Sachwalterschaft finanziell und personell gröblichst vernachlässigt.

Ich höre jetzt (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen), dass es einen Arbeitskreis zur Reform des Sachwalterschaftsrechts und -verfahrens gibt. Dazu meine Frage: Wann ist mit dieser Reform zu rechnen, und wird bei dieser Reform vor allem auch der Forderung der Familienrichter, aber auch der Anwaltschaft und der Notare Rechnung getragen werden, da personell und finanziell besser Vorsorge zu treffen und vor allem auch in Einzelfällen, wie zum Beispiel in den häufigen Fällen der Altersdemenz, aber auch in den Fällen, aus denen sich aus den Akten ergibt, dass der Patient komatös ist, das Verfahren zu vereinfachen und zu verkürzen und damit Kosten und Personal zu sparen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wann genau damit zu rechnen ist, ist schwer zu sagen, aber wir werden, von heute weggerechnet, sicherlich binnen Jahresfrist entsprechende Vorschläge unterbreiten.

Bei der Verfahrensvereinfachung bin ich nicht so vorschnell Ihrer Meinung, weil es sich da vielfach letztlich um freiheitsbeschränkende Maßnahmen handelt, und die sind tradi­tionell in Österreich davon abhängig, dass ein unabhängiger Richter darüber entschei­det, und der holt meistens auch ein Sachverständigengutachten ein.

Da wird es also echte Verfahrensverkürzungen nur dann geben können, wenn wir eine Personalaufstockung machen können, und um diese bin ich bekanntlich ja ohnedies bemüht.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Ledolter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Johann Ledolter (ÖVP): Herr Bundesminister! Ich hätte gerne ge­wusst, nachdem die Bundesregierung ja sehr weit reichende und positive Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Patienten im Rahmen des Heimaufenthaltsgesetz geschaffen hat, wie die Sachwaltervereine, die in Zukunft diese Aufgaben wahrzuneh­men haben werden, auf die neuen Herausforderungen vorbereitet werden, die durch das Heimaufenthaltsgesetz an Sie herangetragen werden.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wir planen derzeit ein Projekt, das wir gemeinsam mit dem Verein für Konsumenteninformation abwickeln wollen. Wir legen Broschüren auf, wir machen eine Informationskampagne. Wir werden das Pro­jekt bewusst im September machen, weil wir glauben, dass das Gesetz, das ja am 1. Juli 2004 in Kraft tritt, seine volle Wirksamkeit im Bewusstsein der Betroffenen erst einige Monate später entfalten wird. Wir werden – unseres Erachtens richtigerweise – im September diese Kampagne schwerpunktartig zur Entfaltung bringen. Wir arbeiten aber in dieser Frage auch mit Landespolitikern zusammen.

 



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62. Sitzung / Seite 23

Präsident Dr. Andreas Khol: Damit ist der 4. Fragenkomplex erledigt.

Wir gelangen nun zum 5. Fragenkomplex, den Herr Abgeordneter Mag. Johann Maier mit seiner Frage einleitet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

65/M

„Warum haben Sie trotz Ihrer Zusage vom März und Mai 2003 einschließlich der Zusa­ge Ihres Regierungspartners ÖVP bis heute noch keinen Gesetzesvorschlag mit einem Strafrechtstatbestand ‚Sozialbetrug‘ dem Nationalrat vorgelegt, mit dem organisierte illegale Beschäftigung effektiv bekämpft werden könnte?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wir sind gemeinsam mit dem Regierungspartner im Endstadium der Entwicklung dieser Materie. Ich befinde mich meines Erachtens schon im Wesentlichen im Plan, aber es ist, wie Sie wissen, schwie­rig, legistische Arbeiten auf den Monat genau festzulegen.

Es gibt folgende rechtliche Besonderheit oder Schwierigkeit: An sich könnte der Tatbe­stand des Betruges ausreichen, um viele Fälle des Sozialbetruges auch zu erfassen. Die Judikatur des Obersten Gerichtshofes geht auch in die Richtung, dass man auch Behörden „betrügen“ – unter Anführungszeichen – kann, die von Amts wegen ermitteln müssen. Trotzdem gibt es noch ein offenes Feld, und da haben wir vor allem die Schwarzarbeit und die Krankenversicherung von Schwarzarbeitern im Visier, weil es in Österreich Systeme gibt, wo das möglich ist.

Zum Beispiel: Wenn man heute Personen als Firma anmeldet, dann sind diese auto­matisch krankenversichert, auch wenn man niemals die Absicht hat, dass Versiche­rungsbeitragsleistungen bezahlt werden. Das gilt nicht als Betrug. Genau dieses Feld, das zwar schwierig zu formulieren ist, ist von uns ins Auge gefasst worden. Dieser Sozialbetrug wird in Österreich sicherlich in Bälde strafbar sein.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Kollege Maier, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Bundesminister! Ich sehe das Pro­blem im organisierten Sozialbetrug, insbesondere im LKW-Bereich, aber auch im Bau­nebengewerbe und Baugewerbe mit Scheinfirmen. Ich halte persönlich das, was da in Österreich, aber auch in Europa passiert (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzei­chen), für eine Gefahr für die Volkswirtschaft, aber auch für eine Gefahr für unsere sozialen Systeme.

Daher meine Frage: Welche Initiativen haben Sie bislang auf europäischer Ebene ge­setzt, damit Sozialbetrug im weitesten Sinne – insbesondere, was organisierten Sozi­albetrug betrifft – bekämpft werden kann?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Auf europäischer Ebene liegt der Schwerpunkt derzeit im Bereich der Entwicklung der Terrorbekämpfung und der Zu­sammenarbeit in diesem Bereich, aber wir haben eine sehr anerkannte Richterin, die die Vizepräsidentin von EUROJUST ist, und die bearbeitet auch diese Themen. Inso­weit wir diese Tatbestände fortentwickeln können, tun wir das auch. Außerdem haben wir auch bereits Kontakte mit den anderen Justizministern, und diese habe ich gebe­ten, über die Terrorbekämpfung hinaus auch im zivilrechtlichen und in dem Bereich, den Sie angesprochen haben, Initiativen zu setzen. Das geht so vor sich, dass man


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62. Sitzung / Seite 24

diese Minister ersuchen muss, dass Sie, wenn sie selbst den Vorsitz haben, das zum Thema machen. Genau darüber führen wir Gespräche!

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Franz. – Bitte.

 


Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Herr Minister! Ich beziehe mich in meiner Frage auf die Frühpensionierungen bei Post und Bahn. Es geht dabei um betrügerische Früh­pensionierungen. (Abg. Eder: Einsperren!)

Meine Frage: Wie ist der Stand der Verfahren gegen ÖBB und Post?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Es sind im Postbereich die Erhe­bungen im Endstadium. Es wird zu Strafanträgen kommen. Im Telekombereich –das kann ich sagen, weil das öffentlich erörtert wurde – liegen noch nicht alle Unterlagen vor. Da sind noch Ermittlungen im Gange. Aber es wird da mit Sicherheit, so wie es aussieht, zu Strafanträgen kommen. (Abg. Heinzl: Beim Grasser auch?)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Neudeck. – Bitte.

 


Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Auch Sozialbe­trug hat zwei Seiten. Welche Maßnahmen sind nötig, um bestehenden Sozialbetrug bei Sozialhilfeempfängern, bei Beziehern von Arbeitslosenentgelt et cetera einzudämmen beziehungsweise strafrechtlich zu verfolgen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Das ist zum Teil bereits verwal­tungsstrafrechtlich strafbar. Wir wollen beim Sozialbetrug genau diese Fälle erreichen. Andererseits müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass es sich um gerichtliche Tat­bestände handeln soll, also um Fälle von erheblicher Bedeutung. Ich möchte das des­halb negativ abgrenzen: Der kleine Häuselbauer, die Nachbarschaftshilfe, der, der sich einmal einen Krankenstand erschleicht, und so weiter, der wird nicht gerichtlich strafbar sein. Das möchte ich eindeutig sagen! Im Visier ist der großflächige Betrug, der wirk­lich sozialschädlich ist.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundesminister! Das war jetzt eine Klar­stellung, auf die ich gewartet habe. Natürlich liegt das Problem beim großflächigen Sozialbetrug, wo durch Scheingründungen, wie es Kollege Maier schon erwähnt hat, Millionen am Fiskus und Millionen an der Sozialversicherung vorbei erschlichen wer­den und noch dazu die Beschäftigten im Regen stehen gelassen werden.

Herr Minister! Mich interessiert jetzt, nachdem Sie das Umfeld schon geschildert und dargestellt haben, wie schwierig es ist, da ein Tatbild zu beschreiben, innerhalb wel­cher Fristen beziehungsweise innerhalb welcher Zeiten wir von Ihrem Ressort mit ent­sprechenden Vorlagen rechnen können und ob Sie auch die Sozialpolitiker bezie­hungsweise den Sozialausschuss in die Beratungen mit einbeziehen werden.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wir bitten sogar, dass sich diese an der Diskussion beteiligen, aber ich glaube, dass wir spätestens im Herbst in die Begutachtung gehen werden.

 



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62. Sitzung / Seite 25

Präsident Dr. Andreas Khol: Damit ist der 5. Fragenkomplex erledigt.

Nun gelangen wir zum 6. Fragenkomplex, den Herr Abgeordneter Miedl mit seiner Fra­ge einleitet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

62/M

„Welche Fortschritte konnten im Bereich der Zusammenarbeit im strafrechtlichen Be­reich zwischen den Mitgliedstaaten der EU erzielt werden?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wir haben eigentlich traditionell – das ist eine Besonderheit Österreichs – einen guten, funktionierenden Rechtshilfever­kehr. Fortschritte können wir erreichen zum Beispiel in der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität, wie wir es mit Rumänien machen, wo wir, weil es dort kostengünstiger ist, auch Haftraum errichten werden.

Interessanterweise ist auch der Ansatz im Strafvollzug der richtige, weil dort eher eine Harmonisierung der strafrechtlichen Tatbestände zu erwarten ist.

Aber im Prinzip ergreifen wir jede Gelegenheit, gerade auch im Kriminalitätsbekämp­fungsbereich in Zusammenarbeit mit unseren Nachbarstaaten – jetzt kommen momen­tan eher die östlichen Nachbarstaaten in Frage – Fortschritte zu erzielen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Bundesminister! Der so genannte Europäi­sche Staatsanwalt steht immer wieder zur Diskussion. Jetzt sieht, Gott sei Dank, der Verfassungsentwurf der Europäischen Union Einstimmigkeit bei der Einführung eines Europäischen Staatsanwaltes vor. Es ist bekannt, dass Österreich dem eine sehr kriti­sche Haltung entgegenbringt. Wie ist Ihre Haltung dazu?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Das ist in dieser Frage besonders kritisch, weil auch die Begründung für diese so genannte Europäische Staatsanwalt­schaft seitens der EU-Kommission fehlt.

Es geht dabei um Folgendes: Österreich ist ein besonders gut funktionierender Rechts­staat. Rechtsstaatlichkeit besteht ja aus zwei Beinen: Das eine sind die rechtsstaat­lichen Gesetze, und das andere ist deren Umsetzung durch den Staat selbst und nicht durch andere Kräfte. Österreich hat noch immer die Delikte, die in Österreich be­gangen wurden, gleichgültig ob sie nationalen oder internationalen Charakter hatten, erfolgreich und wirksam bekämpft.

Eine Europäische Staatsanwaltschaft hat nun einmal die Tendenz, ohne klar die Be­hördenstruktur aufzuzeigen, dass ein Staatsanwalt aus der EU den österreichischen Staatsanwälten Vorschriften dahin gehend wird geben wollen, welche Delikte anzukla­gen sind und welche nicht. Aber diese Vorschläge sind für uns nicht kontrollierbar.

 


Für mich stellt die Europäische Staatsanwaltschaft einen Souveränitätsverlust dar, den wir nicht notwendig haben. Unser konstruktiver Gegenvorschlag besteht darin, dass sich europäische Instanzen an österreichischen Strafverfahren als Privatbeteiligte mit Akteneinsicht beteiligen können. Dann können sie sich vergewissern, wie gut bei uns das System läuft, und können Zusatzanträge, Beweisanträge stellen. Aber eine Supra-Superstaatsanwaltschaft über unserer wollen wir eigentlich nicht. Ich bestreite aber nicht, dass die Tendenz dahin geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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62. Sitzung / Seite 26

Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Bucher. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Rumänien ist zwar noch kein Mitgliedsland der Europäischen Union. Trotzdem interessiert mich der Ent­wicklungsstand bezüglich der Errichtung einer Haftanstalt in Rumänien. Inwieweit ist dieses sinnvolle Projekt fortgeschritten?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Es gibt eine Vereinbarung zwi­schen Rumänien und Österreich, die meines Wissens bereits die rumänische Regie­rung passiert hat, also von dieser akzeptiert wurde. Wir sind knapp vor der Überstel­lung der ersten rumänischen Täter direkt nach Rumänien – unmittelbar nach der Tat, mit den Beweismaterialien. Wir hatten aber das Problem – das mittlerweile gelöst ist –, dass wir die Kommunikationsgeräte zwischen Innen- und Justizministerium kompatibel machen mussten. Diese Phase ist jetzt abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaften sind einverstanden, dass sofort diese Anträge auf Überstellung zur Strafverfolgung nach Rumänien gestellt werden, und ich glaube, dass bereits im Sommer die ersten Über­stellungen durchgeführt werden.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Minister! Der Schweinemast-Skandal 2001 war ein grenzüberschreitendes Delikt. Sowohl in Bayern als auch in der Steier­mark sind die Verfahren abgeschlossen, in Oberösterreich drei Jahre nach die­sem Vorfall noch nicht. Warum?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Das kann ich jetzt nicht direkt beantworten. Meines Wissens ist es aber nach Einholung von Gutachten auch zu Ver­fahrenseinstellungen gekommen. Aber ich werde Ihnen noch heute die entsprechende Auskunft geben. Auswendig weiß ich das jetzt nicht.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Das heißt, Sie werden diese Anfrage schriftlich beant­worten, Herr Minister? (Bundesminister Dr. Böhmdorfer: Ich werde diese Frage schriftlich beantworten!) – Danke.

Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Stadlbauer. – Bitte, Frau Abgeord­nete.

 


Abgeordnete Bettina Stadlbauer (SPÖ): Herr Minister! Mit dem Strafrechtsände­rungsgesetz 2004 wurde ja der EU-Rahmenbeschluss zur internationalen Bekämpfung von Menschenhandel, von Frauenhandel umgesetzt. Das ist gut so. Ich denke, das ist ein sehr wichtiges Thema, wo wir die internationale Zusammenarbeit auf alle Fälle for­cieren müssen.

Ich orte bei Ihnen allerdings weniger Engagement bei der internationalen Zusammen­arbeit, was den Frauenhandel betrifft, sondern es geht eher immer in die Richtung in­ternationale Zusammenarbeit mit so dubiosen Vorschlägen wie dem Bau von Gefäng­nissen in anderen Staaten. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Ich frage Sie nun, Herr Minister: Wie ist der aktuelle Stand der Verhandlungen bei der Menschenhandelskonvention im Europarat, und vor allem: Was werden Sie diesbezüg­lich einbringen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 



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Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sie liegen mit dieser Ortung, glaube ich, falsch. Wir sind gerade in diesem Bereich besonders engagiert. Weil gera­de der Herr Broukal neben Ihnen sitzt: Auf Grund eines Berichtes des „Report“ haben wir zum Beispiel auch die Redakteure des ORF zu uns gebeten, haben sie gebeten, uns das ergänzende Material zu geben, haben das auch – in diesem Fall – der tsche­chischen Seite übergeben, damit wir gerade in diesem Bereich, dem der international organisierten Prostitution und des Menschenhandels, der damit verbunden ist, Fort­schritte erzielen. Auch auf internationaler Ebene ist Österreich in all diesen Fragen federführend, ja ich möchte fast sagen: tonangebend.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit haben wir den 6. Fragenkomplex erledigt.

Wir gelangen nun zum 7. Fragenkomplex, der durch die Frage der Abgeordneten Mag. Stoisits eingeleitet wird. – Bitte, Frau Magistra.

 


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Ich lese Ihnen die Frage vor, die Sie ja schon kennen:

68/M

„Warum planen Sie weitere Personalreduktionen in der Justiz, obwohl die aktuelle jus­tizinterne Personalanforderungsrechnung (PAR) eine Unterbesetzung von 87 Stellen alleine beim richterlichen Personal und damit eine schwere Überbelastung der Gerichte ausweist?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Die Berechnung kann man so oder so sehen. Wir haben eine Personalanforderungsrechnung, und diese sieht vor, dass Auslastungen bis zu 110 Prozent von den Richterinnen und Richtern akzeptiert werden, weil es einfach nicht vermeidbar ist, dass man die Arbeit manchmal mit Tole­ranzen bewältigen muss. Also, 10 Prozent Abweichung von 100 Prozent nach oben und nach unten sollten nicht zu Reaktionen führen.

Richtig ist, dass wir, wenn wir alle Richterstellen durchrechnen, eine Überbelastung haben. Richtig ist aber auch, dass wir gerade im richterlichen Bereich versucht haben, die Personalkürzungen nicht allzu stark zum Tragen kommen zu lassen. Richtig ist auch, dass ich die Richterinnen und Richter gebeten habe, mit mir gemeinsam ein For­derungsprogramm zu erarbeiten. Das geschieht aber leider nicht, sondern es wird ge­trennt von mir ab und zu eine Berechnung angestellt, eine Forderung aufgestellt.

Richtig ist im Übrigen auch, dass die Planstellen, die wir benötigen, vom Herrn Bun­deskanzler zu vergeben sind, und dass ich mehr als andere Minister in wirklich über­großer Deutlichkeit auch öffentlich sage, dass ich mich um diese Planstellen bemühe. Es wird sicherlich eine schwierige Verhandlungsrunde werden im Rahmen der nächs­ten Budgetverhandlungen, die für uns im September beginnen werden.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Stoisits, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Also, ich habe Sie richtig verstanden: Diese 87 Stellen Unterbesetzung, vom Justizministerium errechnet, stimmen. Zusätz­lich kommen ja noch die 26 Einsparungen von Richtern und Richterinnen im Budget­begleitgesetz für dieses Jahr dazu. Insgesamt fehlen dann also 113 Richter.

Meine Frage richtet sich aber jetzt auf Ihre Bemerkung bezüglich Zusammenarbeit mit den Richtern und Richterinnen. Herr Bundesminister! Waren wir nicht gemeinsam vor kurzem – das ist noch nicht sehr lang her – im Justizpalast bei der großen Protestver­sammlung der Richter und Richterinnen, wo Ihnen diese Forderungen erstens präsen-


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62. Sitzung / Seite 28

tiert wurden und zweitens mehr als eindrückliche Angebote zur Zusammenarbeit ge­macht wurden?

Ich verstehe also nicht ganz, was Sie vorhin gemeint haben. Sie kennen die Forderun­gen der Richter und ihre Vorschläge zur Zusammenarbeit. Warum greifen Sie diese nicht einfach auf?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wir greifen alle Vorschläge auf, wir gehen auch allen Vorschlägen nach. Wir haben auch einen Wettbewerb gemacht, wo sich auch die Richter einbringen konnten und eingebracht haben. Es geht darum, dass die Richter mich zwar mit Pressediensten unterstützen, aber ein gemeinsames Programm, zu dem ich eingeladen habe, entsteht nicht. Diese Einladung – das weiß die Standesvertretung der Richter – wird einfach nicht aufgegriffen. (Abg. Mag. Stoi­sits: Wiederholen Sie sie!) Ich sage es Ihnen nur, weil es so ist.

Im Übrigen: Es kommt darauf an, wie Sie rechnen. Wenn Sie die Bemessungsgrundla­ge für die Überbelastung bei 110 Prozent ansetzen, dann fehlen nicht 76 Richter – Sie sagen: 87; diese Zahl ist mir überhaupt neu –, sondern es fehlen statistisch gesehen 8,62 Richter. So ist es in Wirklichkeit! Das heißt, ich gestehe durchaus zu, dass derzeit eine Überlastung der Richterinnen und Richter vorhanden ist, aber nicht in dem von Ihnen genannten Ausmaß.

Die Einladung an die Standesvertretung der Richter zur Zusammenarbeit ist da. Aber wenn man zum Beispiel, wie vor wenigen Tagen geschehen, bestreitet, dass wir we­gen der U-Häftlinge, die wir haben – und dort liegt eben die Hauptlast –, ein zweites Gericht benötigen, wenn man das bestreitet und öffentlich desavouierende Behauptun­gen aufstellt, so ist das für die Zusammenarbeit eher ungünstig und ein Signal, dass sie nicht stattfinden soll.

Meine Hand ist ausgestreckt. Mein Forderungsprogramm und auch die Zahlen, die zu meinem Forderungsprogramm geführt haben, liegen auf dem Tisch und sind bekannt.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Bures. – Bitte, Frau Kollegin.

 


Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Bundesminister! Das Straflandesgericht Wien, das Graue Haus, ist die am meisten belastete Dienststelle, die wir haben. Gerade in dieser Situation, die auf Grund des Personalmangels ja sehr dramatisch ist, haben Sie den Jugendgerichtshof zerschlagen und auch im Grauen Haus untergebracht.

Ich frage Sie, Herr Bundesminister: Was gedenken Sie zu tun? Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um diese unerträgliche Situation im Grauen Haus zu verbessern, vor allem für die jugendlichen Strafgefangenen und natürlich auch im Interesse der Gesellschaft?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wir haben keinen Jugendge­richtshof zerschlagen, sondern im Jugendgerichtshof in der Rüdengasse im 3. Bezirk bestanden für Häftlinge 57 Zellen und zirka 60 Betten. Weil wir die Privilegien des Jugendgerichtsgesetzes auf die inklusive 21-Jährigen ausgedehnt haben, hat sich der Haftraumbedarf verdoppelt, und dieser Gerichtsstandort war aus den heute schon mehrfach genannten Gründen des Überbelages nicht mehr aufrechtzuerhalten. Es war nicht möglich, dort 170 Jugendliche unterzubringen – ganz abgesehen davon, dass auch die Organisationsstrukturen dort veraltet waren.


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In der jetzigen Unterbringung, in der Josefstadt, haben die Jugendlichen zwei Trakte und ausreichend viel Haftraum mit moderneren Zellen. Der Überbelag im Jugendge­richtshof war bereits menschenrechtswidrig – eindeutig menschenrechtswidrig! –, und es wäre grotesk gewesen, dort noch mehr hineinzustopfen. Das wäre auch phy­sisch überhaupt nicht mehr möglich gewesen.

Es stimmt nicht, dass die Mitarbeiter im Landesgericht für Strafsachen Wien diejeni­gen sind, die am meisten belastet sind, sondern die Überlastung liegt vor allem im be­zirksgerichtlichen Bereich in der Justiz.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Machne, bitte.

 


Abgeordnete Helga Machne (ÖVP): Herr Bundesminister, sehen Sie Möglichkeiten, durch den Ausbau der Schiedsgerichte die Justiz zu entlasten, und können Sie in etwa einschätzen, wie viele Stellen beim richterlichen Personal durch den Ausbau der Schiedsgerichte eingespart werden können?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Darf ich nur noch zur Frage von Frau Abgeordneter Bures nachholen: Die Belastung im Landesgericht für Strafsachen Wien liegt bei 103 Prozent, also weit unterhalb der vereinbarten Toleranzgrenze. – Das nur zur Klarstellung.

Was die Schiedsgerichte anlangt, ist es ein wirklich ehrgeiziges Ziel von mir, die Schiedsgerichtsbarkeit auszubauen. Diesbezüglich führen wir Verhandlungen mit dem Herrn Finanzminister.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch, bitte.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Herr Bundesminister! In der Öffentlichkeit wird öfters der Eindruck erweckt, dass die Richter nicht so sehr überlastet sind, sondern dass man sie nirgends antrifft und sehr selten im Amt sieht.

Gibt es irgendwelche Überlegungen, dass Sie, vielleicht im Bereich des Verfassungs-Konvents, dafür sorgen, dass es so etwas wie eine Mindest-Anwesenheitspflicht für Richter gibt, damit auch der Bürger die Möglichkeit hat, dass er den Richter besuchen kann?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Richter haben nach den gesetzli­chen Bestimmungen keine Dienstzeit einzuhalten. Sie legen Wert darauf, dass dieses Privileg sachlich gerechtfertigt ist. Sie werden verstehen, dass ich dieses Thema, das nicht unbedingt notwendig ist, um die Effizienz der Gerichte zu steigern, daher nicht diskutiere.

An der Freiheit der Richter, keine Dienstzeit einhalten zu müssen, wird von dieser Re­gierung nicht gerüttelt.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir haben damit den 7. Fragenkomplex erledigt.

Wir kommen nun zur 8. Anfrage. – Bitte, Herr Abgeordneter Mainoni.

 


Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminis­ter! Meine Frage lautet:


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62. Sitzung / Seite 30

70/M

„Wie weit sind Ihre Bemühungen bislang gediehen, möglichst rasch rumänische Straf­gefangene vermehrt zur Strafvollstreckung in ihr Heimatland zu überstellen?“

Es geht also auch um die Errichtung eines Gefängnisses dort.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Die rumänische Seite ist bereit, mit uns zusammenzuarbeiten, und konkret haben wir vereinbart, dass wir in Rumänien voraussichtlich einen Haftraum für 500 Plätze errichten werden. Die Hälfte davon wird Österreich bezahlen. Das Projekt wird unter österreichischen Firmen ausgeschrieben, und, wie bereits gesagt, im Sommer rechne ich mit den ersten Überstellungen direkt nach einer Tatbegehung.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die nächste Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Bundesminister! Zu dem, was Sie vorhin zum Jugendgerichtshof gesagt haben, möchte ich Ihnen schon antworten, denn jeder Kundige in unserem Lande weiß genau, dass Sie in dieser Anfragebeantwortung nicht ganz der Wahrheit gerecht geworden sind. (Abg. Dr. Fekter: Na, na, na! Unterstellun­gen!)

Dazu, Herr Bundesminister, dass Sie Strafgefangene nach Rumänien zurückschicken und den Bau eines Gefängnisses dort unterstützen wollen: Wir wissen, dass es ledig­lich unter 5 Prozent solcher Gefangenen in Österreich gibt – und abgesehen von grundsätzlichen Bedenken ... (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Ich komme schon zur Frage, Herr Präsident: Warum, Herr Bundesminister, forcieren Sie daher nicht etwa Maßnahmen wie die bedingte Entlassung, wo es im EU-Vergleich in Österreich ja sehr, sehr niedrige Wert gibt?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich habe zum Jugendgerichtshof die Wahrheit gesagt!

Im Rahmen des Regierungsprogramms forcieren wir die bedingte Entlassung.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die nächste Zusatzfrage kommt von Frau Abgeordneter Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Kommen wir zu­rück zu den überfüllten Gefängnissen in Österreich. Rechnungen, die es in Bezug auf gestiegene Gefangenenzahlen gibt, haben Sie ja heute hier bestätigt: 20 Prozent be­trägt diese Zunahme laut Unterlagen, die das Ministerium zur Verfügung gestellt hat. Diesen Unterlagen habe ich auch entnommen, dass die Personalaufstockung bei der Justizwache, bei jenen also, die mit den Gefangenen arbeiten, lediglich 1,5 Prozent beträgt. 20 Prozent mehr Häftlinge, 1,5 Prozent mehr Personal! (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Glauben Sie nicht, Herr Bundesminister, dass da irgendetwas nicht stimmt? Glauben Sie, dass man dem Ziel des Strafvollzuges bei 20 Prozent mehr Häftlingen, aber nur 1,5 Prozent mehr Personal noch gerecht werden kann?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wir haben insbesondere ein Pro­blem der Resozialisierung von Nicht-Österreichern. Wir haben Häftlinge aus 107 Natio-


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nen; das Sprachenproblem dabei können Sie sich vorstellen. Deswegen ist ja zum Bei­spiel der Gefangenhausbau in Rumänien eine Maßnahme, mit der die Resozialisierung im Heimatland unterstützt wird. – Von der diesbezüglichen Initiative auf europäischer Ebene habe ich ja bereits berichtet.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Brinek, bitte.

 


Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Bundesminister! Im Zusammenhang mit Strafvollstreckung im Heimatland – Stichwort Rumänien – hat sich ja jüngst auch der schweizerische Justizminister für diese Idee interessiert. Wie weit ist diese Koope­ration gediehen? Wie weit gibt es die Absicht, diesbezüglich gemeinsame Anstrengun­gen zu unternehmen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Eine gemeinsame Organisation wird es nicht geben, aber den Plan und die Idee an sich unterstützt mein Schweizer Amtskollege – und er möchte das, wie er mir gesagt hat, für die Schweiz selbst verwirklichen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit ist auch der 8. Fragenkomplex beantwortet.

Den 9. Fragenkomplex leitet Frau Abgeordnete Mag. Becher mit ihrer Anfrage ein. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

66/M

„Inwieweit werden Sie die in den Medien dargestellten für die Mieterrechte abträglichen Mietrechtsreformvorschläge eines Senatsvorsitzenden des Landesgerichts für Zivil­rechtssachen dem Nationalrat zuleiten?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Es gibt den Arbeitskreis Miet­recht, und ein Mitglied dieses Arbeitskreises ist dieser von Ihnen angesprochene Rich­ter. Er hat im Rahmen der Freiheit der Meinungsäußerung einen ihm richtig erschei­nenden Vorschlag gemacht. Das ist also kein Vorschlag des Justizministeriums. – Aber vielleicht beschäftigen Sie sich mit diesem Vorschlag gedanklich; das gehört jedenfalls zum politischen und wissenschaftlichen Diskurs.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage, Frau Kollegin? – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Bundesminister! Während Ihrer Regie­rungszeit hat es ja bereits mehrere Verschlechterungen für die Mieter gegeben. Ich erinnere da beispielsweise nur an die Ausweitung der befristeten Mietverträge, die nicht nur für die Mieter eine Schlechterstellung gebracht, sondern auch zum „Tod“ klei­nerer Geschäfte geführt haben.

Ich frage Sie daher, Herr Bundesminister: Können Sie im Rahmen der von Ihnen beab­sichtigten Mietrechtsreform Eingriffe in ein bestehendes Mietrecht, was natürlich zu dramatischen Erhöhungen der Mieten führen würde, dezidiert ausschließen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wir haben nicht vor, in wohler­worbene Rechte einzugreifen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Tancsits. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 



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Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Bundesminister! Zum Thema Miet­recht: Wie haben sich die bisherigen Vereinfachungen, Deregulierungen, insbesondere die Vereinfachung der Befristung mit entsprechendem Preisabschlag beziehungsweise die Herausnahme der Ein- und Zweifamilienhäuser aus dem Anwendungsbereich des Mietrechts, auf die Wohnsituation in Österreich ausgewirkt?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sobald wir darüber statistische Materialien haben, werden wir Ihnen diese schriftlich zukommen lassen.

Klimatisch hat sich das jedenfalls positiv ausgewirkt; wir haben aus der Bevölkerung und aus Fachkreisen für die bisher getroffenen Maßnahmen nur Zustimmung bekom­men.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Herr Abgeordneter Neudeck. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Die Fragen von Kollegin Becher von der SPÖ haben ja gezeigt, dass die der SPÖ nahe stehende „Mie­tervereinigung“ immer wieder Mieter/Mieterinnen verunsichert, und zwar deshalb, um diesen kostenpflichtige Beratungen in Miet- und Wohnrechtsfragen anbieten zu kön­nen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Welche Maßnahmen können Sie sich vorstellen, Herr Bundesminister, um die Miet- und Wohnrechtsgesetzgebung für Mieter und Vermieter anwenderfreundlich zu gestal­ten – um auch solche Umwege zu vermeiden? (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wir haben in der Justiz eigentlich fast nur lesbare Gesetze. Das ist auch unser Ehrgeiz. – Das Mietrechtsgesetz gehört da jedenfalls nicht dazu. Mir schwebt vor, dieses Gesetz im Konsensprinzip – eben unter Einbeziehung aller Betroffenen – zu überarbeiten.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Minister! Das Wohnungsgemeinnüt­zigkeitsgesetz ist im Ressort Bartenstein beheimatet. Dieser Minister schließt nicht aus, dass es zu Änderungen kommt, die dann eine Mieterhöhung implizieren; wobei da zum Beispiel an den Verkauf bundeseigener Wohnbaugesellschaften gedacht ist, die ja mietrechtlich sozusagen geregelt sind.

Schließen Sie, Herr Bundesminister Böhmdorfer, eine Änderung des WGG aus? Sie haben ja auch Mietrechtsbelange in Ihrem Ressort. Schließen Sie Erhöhungen von Mieten aus, die durch WGG-Änderungen erfolgen könnten?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich habe bereits gesagt, dass wir nicht in wohlerworbene Rechte eingreifen werden, dass aber à la longue – das muss ich dazusagen – natürlich der Markt auch wieder einmal eine Rolle spielen wird in Ös­terreich, auch in diesem Bereich – langfristig gesehen. Das müssen wir auch konzedie­ren und zur Kenntnis nehmen. Aber für diese Gesetzgebungsperiode schließe ich Ein­griffe in wohlerworbene Rechte aus.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit ist die 9. Anfrage beantwortet, und es sind auch die 60 Minuten der Fragestunde abgelaufen. Sie ist damit beendet.


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Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 1615/AB bis 1617/AB,

Anfragebeantwortung (Präsident des Nationalrates): 20/ABPR.

2. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Ent­schädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunter­richtsgesetzes geändert wird (495 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 25. Feber 1988, BGBl. Nr. 145, über das Unterrichtspraktikum geändert wird (496 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von bestimmten Unter­richts- und Erziehungstätigkeiten an Schulen im Bereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft geändert wird (497 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem die als Bundesgesetz geltende Verordnung über den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer bei Arbeiten in Druckluft sowie bei Taucherarbeiten und das Mutterschutzgesetz 1979 geändert werden (504 d.B.),

Agrarrechtsänderungsgesetz 2004 (505 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 1. Juli 1981 über die Forschungsorga­nisation in Österreich und über die Änderung des Forschungsförderungsgesetzes (For­schungsorganisationsgesetz – FOG) geändert wird (506 d.B.),

Forschungsförderungs-Strukturreformgesetz (510 d.B.),

Bundesgesetz zur Errichtung einer „Brenner Basistunnel Aktiengesellschaft“ und mit dem das Bundesgesetz zur Errichtung einer „Brenner Eisenbahn GmbH“ geändert wird (511 d.B.).

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Familienausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (479 d.B.);

Finanzausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Energieabgabenvergütungsgesetz geändert wird (478 d.B.),

Bundeshaftungsrechtsbereinigungsgesetz (480 d.B.);

Kulturausschuss:

Antrag 401/A der Abgeordneten Dr. Andrea Wolfmayr, Mag. Christine Muttonen, Mag. Eduard Mainoni, Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zur Änderung des Bundesgesetzes über die Preisbindung bei Büchern;


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Verkehrsausschuss:

Antrag 399/A (E) der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung der Mitfahrmöglichkeit in Schulbussen für Nichtschüler,

Antrag 400/A (E) der Abgeordneten Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Einführung rechtsverbindlicher Grenzwerte für die Griffigkeit von Fahrbahnen sowie ein Schwerpunktprogramm für die Beseitigung von Unfallhäufigkeitsschwerpunkten;

Ausschuss für Wissenschaft und Forschung:

Antrag 398/A (E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Josef Broukal, Kolleginnen und Kollegen betreffend 100 Millionen Euro als Sofortmaßnahme für die Universitäten und den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF).

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Abgeordneten Scheibner, Dr. Lopatka, Kolleginnen und Kollegen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung ein­gebrachte schriftliche Anfrage 1813/J der Abgeordneten Scheibner, Dr. Lopatka, Kolle­ginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betref­fend Österreichs Haltung zur Außen- und Sicherheitspolitik sowie zur Verfassung der Europäischen Union dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt wer­den.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1494/AB

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weiters teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Ge­schäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwor­tung 1494/AB der Anfrage 1517/J der Abgeordneten Schasching, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Europäisches Jahr der Erziehung durch Sport 2004 durch den Herrn Bundeskanzler abzuhalten.

Da für die heutige Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage ver­langt wurde, wird diese Kurzdebatte im Anschluss an die Debatte über die Dringliche Anfrage stattfinden.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 3 und 4 sowie 5 bis 8 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer und Gestaltung der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von


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8 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP und SPÖ je 140, Freiheitliche 96 sowie Grüne 104 Minuten.

Der ORF überträgt die Sitzung in der Zeit von 9.05 bis 13 Uhr.

Einvernehmen wurde über folgende Redezeitordnung in der Zeit von 10.05 Uhr bis 13 Uhr erzielt: Zunächst je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 12 Minuten, anschlie­ßend ein Regierungsmitglied mit 12 Minuten. Danach je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 7 Minuten, weiters ein Regierungsmitglied mit 10 Minuten, sodann je eine Wort­meldung pro Fraktion mit je 5 Minuten, danach ein Regierungsmitglied mit 8 Minuten. In weiterer Folge je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten und schließlich je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten.

Die restliche Redezeit bis 13 Uhr wird vom Vorsitz führenden Präsidenten vor Beginn der letzten Runde nach Rücksprache mit den Klubobleuten auf die vier Fraktionen in der Weise verteilt, dass noch alle Fraktionen zu Wort kommen.

Weiters besteht Einvernehmen darüber, dass tatsächliche Berichtigungen erst nach 13 Uhr aufgerufen werden.

Darüber hat das Hohe Haus zu entscheiden. Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbezüg­liches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. Wir werden daher den Tag dem­entsprechend abwickeln.

1. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Anträge 2/A der Abgeordneten Dr. Wolfgang Schüssel, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz (B-VG) in der Fassung von 1929 geändert wird (Bundesverfassungsgesetz-Novelle 2003),

5/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz zur Begrün­dung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes in Angelegenheiten des Tier­schutzes geändert wird,

9/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über den Schutz von Tieren (Tierschutzgesetz – TSchG),

12/A der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zum Schutz der Tiere (Bundes-Tierschutzgesetz – TSchG),

127/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Mag. Brigid Weinzinger, Kollegin­nen und Kollegen betreffend rasche Vorlage eines Bundes-Tierschutzgesetzes im Sinne des Volksbegehrens für ein Bundes-Tierschutzgesetz und

184/A (E) der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines Bundesrahmengesetzes für die Fischerei durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und über die

Regierungsvorlage (446 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Tierschutzgesetz er­lassen sowie das Bundes-Verfassungsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Bundesministeriengesetz 1986 geändert werden (509 d.B.)

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. Ihre Redezeit beträgt 12 Minuten. – Ich bitte jetzt alle, die Plätze einzunehmen und die vielen Ge­spräche, die im Plenum im Gange sind – das betrifft auch Minister –, einzustellen.

Am Wort ist jetzt die Rednerin. – Bitte.

 


10.06

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist nicht immer einfach, Tierschutzsprecherin der ÖVP zu sein (Abg. Schieder: Richtig!), weil die ÖVP immer bemüht war, die sehr berechtigten Anliegen des Tierschutzes, aber auch die sehr wichtigen Anliegen der österreichischen Betriebe, der Bauernbetriebe unter einen Hut zu bringen. Und das ist nicht immer einfach, meine sehr geehrten Damen und Her­ren.

Umso stolzer bin ich und freue mich sehr, dass ich heute hier stehe und wir einen Vier-Parteien-Antrag in Angelegenheiten eines bundeseinheitlichen Tierschutzgesetzes zustande gebracht haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte mich hier an dieser Stelle auch bedanken. Als Allererstes gilt mein Dank den Betrieben, die damit leben müssen und denen wir auch Hilfestellung geben müs­sen.

Als Zweites möchte ich mich bei den Tierschutzsprecherinnen und -sprechern der an­deren Fraktionen bedanken, die in den vergangenen 16 Monaten ein wirklich sachori­entiertes, lösungsorientiertes Verhandeln ermöglicht haben, womit wir letztendlich zu einem sehr guten und sehr tauglichen Gesetzentwurf gekommen sind, den wir Ihnen heute zur Beschlussfassung vorlegen.

Mein Dank gilt aber auch den Expertinnen und Experten – vielen an der Zahl –, die hier mitgearbeitet haben. An dieser Stelle möchte ich drei Herren besonders hervorheben und stellvertretend für alle anderen nennen. Das sind Professor Troxler, Mag. Gsandt­ner und Direktor Pechlaner vom Tiergarten Schönbrunn sowie alle Kolleginnen und Kollegen aus den Ministerien, die uns in viele Stunden dauernden Nachtsitzungen immer zur Verfügung gestanden sind, auf die Anfragen, Wünsche, Beschwerden ein­gegangen sind und sich dieser Frage immer in einer sehr sachlichen und lösungs­orientierten Art und Weise genähert haben. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Freiheitlichen sowie der Abg. Mag. Sima.)

Es war ein schwieriger Weg, und man muss auch erklären, warum das so ein schwieri­ger Weg gewesen ist: Tierschutz bewegt. Laut einer Umfrage ist Tierschutz für 45 Prozent der Menschen ein sehr wichtiges Anliegen, für 43 Prozent ein wichtiges Anliegen. Das heißt, mehr als 80 Prozent der Menschen nehmen Anteil am Tierschutz.

Und was mir aufgefallen ist, auch in den vergangenen Jahren, in denen ich mich damit beschäftigt habe: Viele kennen sich im Tierschutz aus – was verständlich ist, da es auch sehr viele Heimtierbesitzer gibt, sehr viele Menschen, die mit Tieren arbeiten, die mit Tieren leben und die natürlich eine ganz eigene Beziehung dazu haben und sich in dieser Beziehung auch auskennen und ihr Wissen auch entsprechend weitergeben wollen.

Daher haben wir uns von Anfang an dazu bekannt, dass wir einen Weg gehen, auf dem wir versuchen, mit Experten auf wissenschaftlicher Basis dieses Tierschutzgesetz zu erarbeiten. Ich glaube, das war in den vergangenen Monaten – die Diskussionen


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haben es gezeigt – wahrscheinlich auch die einzige Möglichkeit, hier wirklich zusam­menzufinden.

Für uns – das möchte ich hier ausdrücklich sagen – war und ist es immer wichtig, Balance zu finden. Balance ist für uns ein ganz wesentlicher Punkt in diesen Fragen, und zwar Balance zwischen dem Tierschutz, den Menschen, die emotional unglaublich daran hängen, wie es den Tieren geht, die einen großen Anteil daran nehmen, wenn sie Tierhaltungen sehen, die ihrer Meinung nach nicht tiergerecht sind, aber auch jenen Menschen – denen wir auch Hilfe geben müssen –, die von diesen Tieren leben, die in den Betrieben damit umgehen müssen, täglich damit umgehen müssen, denen die Tiere auch ein großes Anliegen sind, die aber oft einen ganz anderen Zugang dazu haben. Diese sehr unterschiedlichen Zugänge sind oft sehr schwierig aufeinander ab­zustimmen.

Wir haben aber, so denke ich, eigentlich in allen Punkten eine wirklich gute Balance und auch eine sehr gute Lösung gefunden.

Es ist mir auch wichtig, eines zu betonen, weil immer wieder von den Betrieben die Rede ist: Die Betriebe haben es schwer, sie stehen international in Konkurrenz zu an­deren Ländern, und zwar zu Ländern, die überhaupt keine Tierschutzbestimmungen kennen und damit natürlich ganz andere Betriebsbedingungen haben und wesentlich billiger produzieren können. Ich glaube, unsere Aufgabe ist es jetzt, die ab diesem Ge­setz sehr hohen Standards im Tierschutzbereich auch auszudehnen, sie in Europa weiterzuverbreiten, damit unsere Bauern nicht mit der Billigkonkurrenz aus anderen Ländern konfrontiert sind und letztlich die österreichischen Betriebe aufgeben müssen, weil sie sich entsprechend unseren Anliegen an hohe Standards gehalten haben. (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben in wirklich allen Fällen, glaube ich, sehr gute Lösungen gefunden – Lösun­gen, die natürlich für die Betriebe oft sehr hart erscheinen, mit denen wir aber, so den­ke ich, zukunftsweisende Lösungen angestrebt haben. Zumindest war das von uns allen in den nächtlichen Beratungen immer ein ganz wesentliches Thema, so zum Bei­spiel im Bereich der Legehennen-Haltung: Es liegt hier – das muss man auch sagen – der deutschsprachige Raum, auch wenn man die Schweiz und Deutschland betrachtet, europaweit weit an der Spitze. Es gibt in keinem anderen europäischen Land derart strenge Bestimmungen, was die Legehennen-Haltung betrifft, wie im deutschsprachi­gen Raum, und wir in Österreich haben uns dem angeschlossen. Wir haben uns eben­falls dazu bekannt, dass wir den Neubau der konventionellen Käfige ab jetzt verbieten und es eine Übergangsfrist bis Ende 2008 für die bereits bestehenden konventionellen Käfige geben wird; damit laufen diese drei Jahre früher aus als in der EU.

Wir haben uns – und das war der zweite große Schritt – auch dazu bekannt, die so genannten ausgestalteten Käfige ersetzen zu lassen, auch deren Neubau sofort zu verbieten und jenen Betrieben, die derzeit schon ausgestaltete Käfige haben, eine Übergangsfrist von 15 Jahren ab Inbetriebnahme zu gewähren.

Wir haben aber auch – und darauf lege ich besonderen Wert, weil ich glaube, dass das wichtig ist, und weil das möglicherweise, so hoffe ich, auch die Lösung für Betriebe ist, denn wir wollen ja weiterhin österreichische Eier und österreichische Legehennen haben – ein System gewählt, das vorsieht, dass neue Haltungssysteme zertifiziert wer­den, wissenschaftlich überprüft werden. Wenn sie wissenschaftlich standhalten, dann können sie in Verkehr gebracht werden, dann werden sie von den Betrieben, von den Bauern angewendet werden und dann werden wir weiterhin, so denke ich, diesen schwierigen Spagat zustande bringen, dass wir wenigstens halbwegs glückliche Hüh­ner haben, aber gleichzeitig auch gesunde österreichische Eier für unsere Konsumen­ten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie der Abg. Mag. Sima.)


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Ich weiß, das ist nicht der einfachste Weg, aber es ist ein Weg, der den Betrieben Rechtssicherheit gibt. Und das war uns besonders wichtig, als wir uns dieses Zertifizie­rungssystem überlegt haben: dass dann in Zukunft jene Betriebe, die sich an diese zertifizierten Stalleinrichtungen halten und diese auch in ihrem eigenen Betrieb einbau­en, die Rechtssicherheit haben, dass sie in den nächsten Jahren genau mit diesen Stallungssystemen auch weitgehend artgerechte Tierhaltung in ihren Betrieben durch­führen. Das ist für die Betriebe wichtig, und ich hoffe und bin auch überzeugt davon, dass das auch zu einem sehr guten Ende führen wird.

Was war der ÖVP wichtig? – Ich bin schon darauf eingegangen, es war am Anfang nicht so einfach. Uns war es wichtig, dass wir Experten heranziehen, und wir haben in dieser Frage – ich habe die Namen schon genannt: Professor Troxler, Mag. Gsandt­ner – Praktiker und Wissenschafter geholt, die uns sagen können, was umsetzbar ist. Es ist uns nämlich immer wieder vorgeworfen worden, dass die Tierschutzgesetze, die es ja bisher schon gegeben hat – es hat in Österreich zehn Tierschutzgesetze gege­ben, und wir haben uns daher überhaupt nicht im rechtsfreien Raum befunden, aller­dings wird das bei der Diskussion immer ganz gerne vergessen –, dass diese zehn Landesgesetze nicht entsprechend vollzogen werden konnten. Daher haben wir uns Leute gesucht, Praktiker gesucht, die uns genau dahin gehend helfen, dass ein Vollzug stattfinden wird, und zwar ein Vollzug, der es der österreichischen Landwirtschaft ermöglicht, ihren hohen Standards auch weiterhin gerecht zu werden.

Warum war es noch schwierig? – Eine weitere Schwierigkeit ergab sich aus der Tatsa­che, dass wir sehr unterschiedliche Rechtslagen in den Ländern vorgefunden haben. Ich nehme als Beispiel die Anbindehaltung, die heftig diskutiert wurde: Die dauernde Anbindehaltung zum Beispiel war ganz unterschiedlich geregelt, weil es in den einzel­nen Ländern natürlich außerordentlich regionalbezogene Bestimmungen gegeben hat. Wenn man zum Beispiel die Bundesländer vergleicht, dann stellt man fest, dass einige sehr viele Betriebe haben, wie zum Beispiel Niederösterreich, Oberösterreich und die Steiermark: Diese haben zwischen 24 000 und 28 000 Betriebe – Wien dagegen hat 16. Daran sehen Sie schon, wie unterschiedlich logischerweise die Landesgesetze die­sen Bedürfnissen entsprochen haben. Bei der Rinderhaltung zum Beispiel hatte Ober­österreich im Jahr 2002 – das sind ungefähre Zahlenangaben – rund 22 000 Rinderhal­ter-Betriebe, Wien hatte acht. Daher gab es einfach sehr unterschiedliche Regelungen, weil Betriebe anders behandelt wurden.

Auch bei der Anbindehaltung haben wir uns bemüht, eine sehr gute, gerechte Lösung zu finden. Ich denke, das war die große Herausforderung dieses Bundesgesetzes, und ich bin auch überzeugt davon, dass es uns damit gelungen ist.

Wir haben auch viele Forderungen des Tierschutz-Volksbegehrens übernommen und umgesetzt, wie zum Beispiel die Tieranwaltschaft, die in diesem Tierschutzgesetz „Tierombudsmannschaft“ genannt wird und von der es nicht nur eine geben wird, son­dern es wird in jedem der Bundesländer, bei denen der Vollzug dieses Tierschutzge­setzes liegen wird, diese Ombudsmannschaft geben. Dieser Tierombudsmann muss sachbezogen arbeiten, wird das auch tun und ist dafür mit den nötigen Instrumenten ausgestattet, und zwar: Er ist weisungsfrei und hat auch Parteistellung.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben es uns in den Verhandlungen nicht leicht gemacht, und meine Fraktion stimmt diesem Gesetz zu. Wir haben jetzt österreichweit einen einheitlichen Grundkonsens im Tierschutz, und ich glaube, das allein ist schon sehr wichtig und auch sehr wichtig beachtet zu werden. Darauf muss man großes Augenmerk legen, denn von jetzt an können wir auf diesem Grundkonsens aufbauen, ohne dass wir einander in Zeitungen oder in Diskussionen ständig vorwerfen, wer in Tierschutzangelegenheiten schlechter und wer besser ist. Ich hoffe und wünsche mir,


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dass diese Diskussion der Vergangenheit angehört. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Freiheitlichen.)

Wir machen hier die legistische Arbeit und haben diese heute, wenn Sie zustimmen, beendet. Aber damit ist die Arbeit insgesamt nicht beendet, denn wir müssen jetzt die Vollziehung dieses Bundesgesetzes sicherstellen, und wir müssen jetzt den Betrieben, die teilweise sehr verunsichert sind, entsprechende Anweisungen geben und ihnen auch helfen. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Ich komme zum Schlusssatz: Die SPÖ, die Grünen und die FPÖ haben in den vielen Verhandlungen auch immer wieder uns gegenüber klargelegt, dass ihnen Betriebe wichtig sind. Wir nehmen Sie beim Wort! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

10.18

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Sima. 12 Minuten Redezeit. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort.

 


10.18

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Heute ist ein historischer Tag für den Tierschutz, ein Freudentag, auf den sehr viele Menschen in Österreich sehr, sehr lange warten mussten und auch gewartet haben. Tierschutz war ja bisher in neun Ländergesetzen wirklich sehr unterschiedlich geregelt. Es gab elf Gesetze, 35 Verordnungen, über 600 Paragraphen – es war sehr uneinheitlich, eigentlich ein heilloses Durcheinander. Dieses Durcheinander gehört mit dem heutigen Tag der Ver­gangenheit an, und darüber freuen wir uns sehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Einheitliche Tierschutzstandards österreichweit – dafür haben sehr viele Tierschütze­rinnen und Tierschützer viele Jahre gekämpft, und ich möchte ihnen dafür danken, weil sich dieser Kampf wirklich gelohnt hat, denn heute ist es endlich so weit: Heute können wir endlich ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz beschließen. Wie gesagt, es ist ein Tag der Freude! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

Ich möchte diese Gelegenheit auch dazu nutzen, den Experten meinen Dank auszu­sprechen: den drei Experten Professor Troxler, Hermann Gsandtner und Direktor Pechlaner, aber selbstverständlich auch unseren Fraktionsexperten Michael Buchner und Alfred Kallab. Ich glaube, ohne deren Hilfe hätten wir nie so ein gutes und detail­reiches Gesetz zustande gebracht. Vielen, vielen herzlichen Dank für die vielen Nacht­stunden, für die viele Mühe, die Sie aufgewandt haben! Das ist nicht selbstverständlich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Klare Gewinner dieses Gesetzes sind mit Sicherheit die Tiere und die KonsumentInnen. Ich bin sehr stolz darauf, dass sich die SPÖ in den wirklich sehr harten und langwierigen Verhandlungen – ich darf daran erinnern, dass die letzte Verhandlungsrunde bis 5 Uhr in der Früh gelaufen ist und insgesamt zwölf Stunden gedauert – in vielen wichtigen und wesentlichen Punkten durchsetzen und somit Verbesserungen in diesem Gesetz für die Tiere und für die KonsumentInnen erreichen konnte! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben bei vielen Punkten nicht locker gelassen, ich möchte auf ein paar von die­sen jetzt eingehen. Erstes Beispiel – es ist schon erwähnt worden – sind die Legebat­terien, also diese grausame Käfighaltungsform, bei der ein Huhn nicht mehr Platz hat als eine Fläche, die einem solchen A4-Blatt entspricht. (Die Rednerin hält ein weißes Blatt Papier in A4-Größe in die Höhe.) Das ist meiner Überzeugung nach wirklich nicht tiergerecht! Diese Haltungsform soll mit dem Jahr 2008, also ab 2009, endlich der Ver-


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gangenheit angehören. Mit Ablauf dieser Übergangsfrist soll es diese Haltungsform nicht mehr geben.

Wir haben uns damit auch der Schweiz und Deutschland angeschlossen, die in dieser Frage schon mit gutem Beispiel vorangegangen sind. In der Schweiz ist die Käfighal­tung bereits abgeschafft. Deutschland hat sich von den „ausgestalteten Käfigen“ ver­abschiedet. Wir haben auch sehr bewusst Übergangsfristen gewählt, weil wir der Mei­nung sind, dass man so etwas nicht über Nacht einführen kann. Wir wollen ja nicht, dass wir jetzt Eier von Hühnern aus Käfighaltung aus dem benachbarten Ausland nach Österreich importieren. Was wir wollen, ist, den Betrieben eine gewisse Zeit zu geben, in der sie sich umstellen können; dies wird, wie wir nun vorgegeben haben, bis zum Jahr 2009 möglich sein. – Das war unser Ziel.

An dieser Stelle möchte ist auch einen Appell an die KonsumentInnen richten, weil ich glaube, dass diese im Bereich der Hühnereier wirklich sehr wichtig sind. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Mag. Molterer und Dr. Van der Bellen.)

Meine Damen und Herren, die Sie uns jetzt im Fernsehen zuschauen: Sie können mit dem Kauf eines „glücklichen“ Eies – und ich habe hier ein „glückliches“ Ei mitgebracht (die Rednerin hält ein Ei in einem als lachendes Gesicht geformten Eierbecher in die Höhe – Heiterkeit) – Wesentliches bewirken und viel Tierleid verhindern.

Ich möchte Sie wirklich bitten: Unterstützen Sie unseren Weg, den wir mit diesem Tier­schutzgesetz begonnen haben, und kaufen Sie „glückliche“ Eier! Ihnen obliegt eine wirklich wesentliche Entscheidung im Supermarkt. Die Eier sind seit 1. Jänner dieses Jahres gekennzeichnet. Greifen Sie nicht zu Käfigeiern, greifen Sie zu Freiland- oder Bodenhaltungseiern und unterstützen Sie damit unseren Weg, damit auch die österrei­chischen Betriebe weiterhin eine Chance haben! (Allgemeiner Beifall.)

Ein weiterer für uns sehr wichtiger Punkt war die Tierschutzanwaltschaft, die jetzt als Ombudsmann – ich hoffe, auch Ombudsfrauen – bezeichnet wird. Es soll künftig in jedem Bundesland einen unabhängigen weisungsfreien Tierschutzanwalt beziehungs­weise Tierschutzombudsmann geben, der auch ein direkter Ansprechpartner für die Bevölkerung sein wird, der seine Stimme für die Tiere und den Tierschutz erheben und natürlich auch mit dem entsprechenden rechtlichen Werkzeug ausgestattet sein wird.

Auf diesen Punkt bin ich besonders stolz. Andere hatten in den Verhandlungen bereits darauf verzichtet und gesagt: Das wird nichts mehr! Wir haben wirklich hartnäckig dar­auf bestanden, haben eine Exkursion zur Wiener Umweltanwaltschaft, der ich ebenfalls danken möchte, veranstaltet und damit, glaube ich, dazu beitragen können, dass viele Ängste und Vorurteile, die es dagegen gegeben hat, abgebaut werden konnten.

Wir haben jetzt diesen Tierschutzanwalt im Gesetz verankert. Darauf bin ich, wie schon gesagt, besonders stolz! (Beifall bei der SPÖ.)

Noch ein paar weitere Punkte: Die Elektroschockgeräte für Hunde werden verboten, darauf wird später mein Kollege Dietmar Keck näher eingehen. Auch der Besitz und Erwerb solcher Elektroschockgeräte sollen künftig verboten sein. Die Kettenhundehal­tung ist künftig ebenfalls verboten. Der Verkauf von Hunden und Katzen in Zoofach­handlungen soll auch nicht mehr gestattet sein, aus dem einfachen Grund, weil die Tiere dort wirklich sehr viel leiden mussten. Die wirklich wichtige Prägungsphase ver­bringen sie in der Auslage, was der Käufer oder die Käuferin dann später oft zu spüren bekommen hat.

Wir wollen den Tieren Leid ersparen, und zwar soweit es nur geht, und haben ver­sucht, das mit diesem Gesetz zu erreichen.


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Ebenfalls erreicht haben wir, dass alle zwei Jahre dem Hohen Haus ein Tierschutzbe­richt vorgelegt werden muss, was, glaube ich, für uns als gesetzgebende Körperschaft sehr wichtig ist, weil wir damit erkennen können, wo dieses Gesetz greift, wo nicht und wo es vielleicht Fehlentwicklungen gibt. Mit einem Zweijahresbericht hat man Gele­genheit, das Gesetz zu evaluieren und notfalls auch zu korrigieren, daher ist das be­sonders wichtig.

Wir haben uns bei allen Punkten wirklich sehr darum bemüht, mit Augenmaß vorzuge­hen. Es wurden teilweise sehr großzügige Übergangsfristen geschaffen, eben weil wir niemanden wirklich um seine Existenz bringen wollen. Ich glaube, dass das ein sehr wichtiger Punkt ist. Auch wir als Oppositionspartei waren diesbezüglich wirklich sehr konstruktiv, wir haben uns bemüht, auch den Betrieben eine gute Perspektive zu bie­ten.

Ein paar kritische Worte seien mir auch gestattet, obwohl es ein Freudentag ist. Ich finde es leider etwas befremdlich, dass es in den Zeitungen der letzten Wochen sehr viele Inserate des Niederösterreichischen Bauernbundes gab, in denen permanent nur auf die angeblich negativen Auswirkungen dieses Tierschutzgesetzes hingewiesen wurde; es wurde wahnsinnig dagegen getrommelt.

Abgesehen davon, dass das völlig an der Realität vorbeigeht – denn wie Sie alle wis­sen, haben wir wirklich versucht, auch mit Übergangsfristen und entsprechenden ande­ren Maßnahmen die Interessen der Bauern massiv einzubeziehen –, verstehe ich nicht, warum der Bauernbund permanent dieses alter Klischee: Hier Bauern, da Tier­schutz! Das ist eben ein Widerspruch, man muss gegeneinander kämpfen! bedient. Ich halte das auch für eine Beleidigung der österreichischen Bauern, denn die Bauern, die ich kenne, sind alle daran interessiert, dass es ihren Tieren gut geht, dass die Tiere gut gehalten werden und dass die Tiere glücklich sind. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sehe den Widerspruch zwischen Tier­schutz und Landwirtschaft nicht! (Rufe bei der SPÖ: Großbauern!) Daher möchte ich von dieser Stelle aus die Vertreter des Niederösterreichischen Bauernbundes eindring­lich darum ersuchen: Hören Sie endlich auf, Bauern und Tierschutz gegeneinander auszuspielen – aus welchen Motiven auch immer Sie das tun! Das bringt uns allen nichts. Wir waren sehr konstruktiv. Seien Sie es bitte auch und bringen Sie sich endlich konstruktiv in diese Debatte ein! Ich glaube, das ist wirklich überfällig. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Grillitsch.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei einem Gesetz, das von vier Parteien be­schlossen wird, muss man in manchen Punkten klarerweise Kompromisse finden. Ich behaupte hier nicht, wir hätten uns in allen Punkten durchgesetzt, glaube aber, dass wir vieles in der Regierungsvorlage noch zum Besseren verändern konnten, und darauf sind wir auch stolz.

In manchen Punkten konnten wir uns eben nicht durchsetzen, das bedaure ich sehr. Gerade bei der Kotrolle, bei den Übergangsfristen oder in der Schweinehaltung hätte ich mir von der ÖVP manchmal einen ein bisschen mutigeren Zugang gewünscht. Aber es hat eben nicht sein sollen.

Für mich stellen dieses Bundesgesetz und der heutige Tag seines Beschlusses zugleich einen Startschuss für neue Aktivitäten dar. Wir werden jetzt sicher nicht die Hände in den Schoß legen, sondern uns auch in Zukunft engagieren. Die von mir an­geführten Bereiche sind es, in denen wir in Zukunft noch einiges zu tun haben werden. Aber dieses Gesetz ist, glaube ich, zunächst einmal eine wichtige Basis.


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Wir haben über zehn Jahre lang darum gerungen, dafür gekämpft, ebenso viele Tier­schützerinnen und Tierschützer (Zwischenruf des Abg. Grillitsch), dass wir dieses Gesetz bekommen. Ich sehe es als eine Ausgangsbasis ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Grillitsch.) – Herr Kollege Grillitsch besteht darauf, dass ich sage „mit den Bauern“! Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, ob der Bauernbund für dieses Gesetz auch so gekämpft hat, aber gut! Wir haben sehr viele Jahre dafür gekämpft, und ich sehe das jetzt einmal als eine sehr taugliche Basis, auf der viele sehr gute Punkte zu finden sind. So konnten wir etwa in der Legehennenhaltung echte Verbesserungen erreichen.

In vielen Punkten wird es jedoch in Zukunft noch weiterer Verbesserungen bedürfen. Deswegen ist für mich der heutige Tag kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen, sondern der Startschuss für neue Aktivitäten, für neue Bemühungen. Wir werden uns jetzt auch alle anderen Bereiche anschauen und dann versuchen, in diesen Bereichen ebenfalls Verbesserungen zu erreichen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen und der Freiheitlichen.)

10.29

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Wittauer zu Wort gemeldet. 12 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.29

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Es ist heute ein großer Tag, ein großer Tag für uns Freiheitliche! Zwei Jahrzehnte haben wir für ein bundeseinheitliches Tierschutzge­setz gekämpft.

Bereits 1986 hat unser heutiger Bundesparteiobmann Herbert Haupt ein einheitliches Tierschutzgesetz gefordert. Ich habe die Ehre gehabt, es als Tierschutzsprecher der Freiheitlichen Partei am Ende auszuverhandeln, aber es waren natürlich einige vor uns, die diesen Kampf führten und vielleicht jetzt nicht die Ehre haben – ich sehe unse­ren ehemaligen Tierschutzsprecher Udo Grollitsch hier auf der Galerie: Danke auch dir für deinen Kampf! Dein Anteil daran, dass dies heute stattfinden kann, war groß! (Bei­fall bei den Freiheitlichen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Dobnigg für den auf der Galerie sitzenden ehemaligen Abgeordneten Dr. Grollitsch.)

Ich möchte stellvertretend für unsere Tiere – weil ja dieses Tierschutzgesetz für unsere Tiere gemacht worden ist und Herbert Haupt und Uschi Haubner immer für die Tiere da waren – dir, Herbert, ein Geschenk der Freiheitlichen Partei überreichen. (Der Redner überreicht Bundesminister Mag. Haupt ein braunes Stofftier. – Beifall bei den Freiheitli­chen. – Abg. Dr. Glawischnig: Was ist das für ein Tier?)

Sogar unsere grünen Partner in dieser Frage freuen sich mit dir, dass du das herzei­gen kannst. (Abg. Dr. Glawischnig: Nein! Was ist das für ein Tier? – Abg. Schieder: Inländisch oder ausländisch?)

Ich möchte nun auf den Inhalt des Gesetzes eingehen. Wir haben immer ein Tier­schutzgesetz gefordert, das den Namen Tierschutzgesetz auch wirklich verdient. In der Frage des Ombudsmannes – das war freiheitliche Handschrift – haben wir uns durch­gesetzt. Mit Hilfe der Sozialdemokraten haben wir am Ende das eine oder andere noch verbessern können. Dafür danke ich den Sozialdemokraten! (Beifall bei den Freiheitli­chen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir konnten über 90 Prozent unserer Forderungen, die wir vor einem Jahr aufgestellt haben, umsetzen. Dies war natürlich uns alleine nicht möglich, es brauchte alle vier Fraktionen. Die Kompromissbereitschaft der ÖVP und auch das konstruktive Verhalten der Grünen waren Voraussetzung dafür, dass heute alle vier Parteien dieses Gesetz beschließen können.


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Es hat viele Schwierigkeiten gegeben, jeder weiß das. Ich möchte zuerst auf den schwierigsten Punkt eingehen: die rituelle Schlachtung, das Schächten. – Viele haben uns Freiheitlichen in den letzten Tagen vorgeworfen, wir wären umgefallen. Ich kann Ihnen garantieren, wir sind nicht umgefallen! Wir haben das Tierleid im Todeskampf von drei Minuten auf den Bruchteil einer Sekunde verkürzt. Und es war nicht einfach, diesen Kompromiss zu finden. Für mich ist das etwas Wichtiges, weil ich weiß, welches Tierleid dahintersteckt. Das ist keine ideologische Frage, sondern eine Tierschutzfrage. Wir Freiheitlichen werden aber nicht aufgeben – ob nun im Konvent oder bei den Grundrechten –, dafür zu kämpfen, dass die Betäubung vorher stattzufinden hat und nicht gleichzeitig.

Trotz allem ist es aber ein Erfolg, wenn man Tierleid verringert. Dieser kleine Prozent­satz, dass es, sage ich jetzt einmal, „nur“ sofort zu passieren hat, tut mir weh. Aber wir Freiheitlichen haben wirklich gekämpft, haben uns in manchen Dingen auch durchge­setzt und werden diesen Kampf nicht aufgeben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Unsere Partei hat immer den Standpunkt vertreten: Bauer sein heißt im Normalfall Tierschutz vertreten! – Als es den Begriff Tierschutz noch gar nicht gegeben hat, hat der Bauer schon aktiv Tierschutz betrieben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Ab­geordneten der ÖVP.)

Es ist für uns Freiheitliche auch überhaupt kein Problem, einen Landwirt zum Tier­schutzsprecher zu ernennen. Darauf bin ich stolz, weil das ein Signal an alle Bauern ist, die immer anständig und gut für ihre Tiere gesorgt haben. Wir zeigen damit, dass es uns nur darum geht, die so genannten schwarzen Schafe zu entfernen. Die große Masse der Bauern hat immer Tierschutz betrieben, hat immer darauf geschaut, dass es unseren Tieren gut geht; sie dürfen nicht bestraft werden. Deshalb kann ich den Bauern auch garantieren, dass die ÖVP und die Freiheitliche Partei sehr genau darauf geschaut haben, dass diese kleinstrukturierte Landwirtschaft nicht vernichtet wird, son­dern dass ihr geholfen wird. Es wird dann später noch einen Entschließungsantrag geben, in dem das bekräftigt wird.

Im Gesetz ist vorgesehen, dass es, soweit es das Budget erlaubt, Förderungsmaß­nahmen – sei es für tiergerechte Haltung oder in der Erziehung oder in vielen anderen Bereichen – geben wird. Wir finden, dass das ein gutes Signal nach außen ist, denn Tierschutz kann nicht nur auf Grund gesetzlicher Regelungen funktionieren, sondern Tierschutz ist ein Empfinden. Tierschutz ist etwas, was man unter Umständen schon frühzeitig lernen sollte. Mit diesem Gesetz haben wir auch diesbezüglich den richtigen Weg eingeschlagen.

Wir haben nun nicht mehr nur viele Landesgesetze – wo es immer einen Kampf mit den einzelnen Ländern gab –, sondern wir haben ein Bundesgesetz, mit dem sich das Parlament alle zwei Jahre auseinander setzen wird. Das ist positiv, und das war auch immer eine Forderung der Freiheitlichen, da ein so großes Gesetz ja nicht immer in allen Bereichen funktioniert und sich das Parlament natürlich damit auseinander setzen muss, um Verbesserungen vorzunehmen.

Auf der anderen Seite haben wir auf Landesebene die Berichtspflicht des Ombuds­mannes, der weisungsfrei ist, dem die Behörde verpflichtet ist, Hilfestellung zu geben und gleichzeitig Akteneinsicht zu gewähren, der Parteienstellung hat für das Tier, das ja nicht sprechen kann.

In Anbetracht dessen, vor allem dieser Berichtspflicht an das Land, wird ja auch schon auf dieser Ebene, auf der das Gesetz praktiziert wird, daran gearbeitet, dass Verbesse­rungen vielleicht sofort, jedenfalls aber schnell stattfinden, und zwar dort, wo sie not­wendig sind.


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Wir haben die wichtige Frage der Käfighaltung zwar nicht für die betroffenen Bauern, aber für den Konsumenten zufrieden stellend geklärt. Tierquälerei ist Tierquälerei, und wir werden diesen Landwirten – ich hoffe, dass es da einen Vier-Parteien-Konsens geben wird – helfen, Ausstiegshilfen, Umstiegshilfen bereitstellen, damit dies nicht auf dem Rücken der Käfighaltung betreibenden Bauern umgesetzt wird. Sie haben Käfig­haltung betrieben, weil es im Gesetz erlaubt war. Wir werden sie nicht bestrafen, son­dern ihnen helfen, das, was wir im Gesetz tiergerecht festgeschrieben haben, nämlich ein Verbot der Käfighaltung, umzusetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben bei der Heimtierhaltung, wir haben bei der Hundehaltung, wir haben in vie­len Bereichen eine Linie gezogen, entlang welcher Tierschutz festgeschrieben wird: Es gibt ein Verbot von Stachelhalsbändern, ein Verbot dieser Elektrogeräte. Und es ist nicht nur das, auch der Kauf dieser Dinge ist verboten, der Handel damit ist verboten sowie auch deren Einsatz. Damit wird gewährleistet, dass es mit diesem Gesetz auch diesbezüglich einen Fortschritt gibt, dass das in Zukunft nicht mehr zum alltäglichen Gebrauch gehört. Ich bin dankbar dafür, dass wir das umsetzen konnten.

Zu den verschiedenen Bereichen der Anbindehaltung. Ich muss Ihnen sagen, es war ein schwieriger Kampf. Bauern, die seit Generationen die Anbindehaltung gepflogen haben und deren Tieren es in vielen Bereichen sehr gut gegangen ist, haben nicht ver­standen, dass die dauernde Anbindehaltung verboten werden soll. Sie haben es nicht verstanden. Aber ich möchte diesen Bauern sagen: Wer schon bisher seinen Betrieb ordentlich geführt hat, ist von diesen Gesetz nur am Rande betroffen, denn wir wollen Umstiegshilfen bieten, wir wollen demjenigen helfen, der eine Möglichkeit hat, Tieren Auslauf zu gewähren. Unsere Bauern, die die Anbindehaltung immer gut betrieben haben, wollen wir jedoch nicht bestrafen, deshalb haben wir auch Übergangsbestim­mungen gefunden. Man sollte den Bauern klar machen, dass wir nicht angetreten sind, sie zu vernichten, sondern sie zu fördern und unter Umständen etwas Positives daraus zu entwickeln.

Ich möchte noch zwei Bereiche erwähnen, die uns wichtig waren; zunächst zur Staats­zielbestimmung. Jeder weiß, dass die Freiheitlichen immer gesagt haben, dass die Staatszielbestimmung ein wesentlicher Punkt ist. Es ist ein Wermutstropfen, dass wir diese heute nicht sofort beschließen können, aber zumindest haben die Freiheitlichen mit ihrer Initiative erreicht, dass alle vier Parteien gemeinsam einen Entschließungsan­trag einbringen, der eine Staatszielbestimmung Tierschutz in § 1 betrifft.

Alle haben erkannt, dass es wichtig ist, das Tier als leidensfähiges Wesen zu sehen und anzuerkennen und daher dem Tierschutz ein besonderer Stellenwert einzuräumen ist.

Dieser Antrag lautet:

Entschließungsantrag

„Die Bundesregierung wird ersucht, im Rahmen des Österreich-Konvents dafür Sorge zu tragen, dass der Schutz des Lebens und des Wohlbefindens der Tiere aus der be­sonderen Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf als Staatszielbe­stimmung Eingang in den neuen Verfassungsentwurf findet.“

*****

Ich hoffe, diese Bundesregierung wird sich nicht nur dafür einsetzen, sondern das auch umsetzen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Zur rituellen Schlachtung: Es ging mir nicht weit genug, dass die Betäubung unmittel­bar, also einen Sekundenbruchteil danach erfolgen soll. Unser Vorschlag lautete, wis­senschaftlich zu begleiten, ob das Tier dann noch leidet, ob es noch Schmerzen ver­spürt, und auch die Möglichkeit vorzusehen, sofort zu reagieren und unter Umständen in Verordnungen zu verankern, wenn Verbesserungen möglich sind. Deshalb bringen wir Freiheitliche mit allen anderen Parteien einen Entschließungsantrag betreffend tier­gerechte Vornahme von rituellen Schlachtungen ein.

Entschließung

„Die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen wird ersucht, die unter den strengen Vorgaben des Bundestierschutzgesetzes normierte Vornahme von rituellen Schlach­tungen im Lichte der voranschreitenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zu prüfen und gegebenenfalls neue Erkenntnisse, die ein erhöhtes Maß an Tiergerechtheit bewirken, in die einschlägigen Verordnungsbestimmungen einfließen zu lassen.“

*****

Das ist meiner Meinung nach auch etwas, was man anerkennen muss. Zunächst sind wir Freiheitlichen allein gegen das Verbot des Schächtens aufgetreten, aber die ande­ren Fraktionen haben unser Anliegen sehr wohl verstanden, und sie haben uns nicht blockiert, sondern versucht, aktiv mit uns daran zu arbeiten, dass dieses Tierleid so weit verringert wird, dass es – so hoffe ich – nicht mehr vorhanden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In vielen Bereichen haben wir mit der Tradition gekämpft. Wir haben intensiv diskutiert. Heißbrand – ja oder nein? Wie können wir – jetzt sage ich es so – diese Tradition durchbrechen? Bei den Pferden haben wir es geschafft. Es gibt nur noch eine Fünf-Jahre-Übergangsregelung für Pferde in der Anbindehaltung, danach ist sie gänzlich verboten. Auch darauf muss man stolz sein. Ich habe das vorher kritischer gesehen, ich habe an die Kutscher in Wien gedacht. Ich habe nicht gewusst, dass in Wien dieses Gesetz schon fast vor der Vollziehung steht. Deshalb war es mir dann ein Leichtes, mich dem anzuschließen. Wir haben selbst 16 Pferde, und ich weiß, was Anbindehal­tung bedeutet.

Bei den Ziegen haben wir es auch geschafft. Die Fünf-Jahre-Übergangsregelung bietet genug Zeit für jeden Einzelnen, sich umzustellen.

Ich möchte mich heute noch einmal bei allen, die uns unterstützt haben, auch bei den Tierschutzvereinen (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen), auch bei unserem Präsidenten bedanken und sagen: Es ist ein großer Tag für die Tiere, es ist ein großer Tag für die Freiheitlichen. Auch ich werde mich in Zukunft immer daran erinnern, was es bedeutet hat, bei der Beschlussfassung eines bundeseinheitlichen Tierschutzgeset­zes dabei gewesen zu sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.42

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die von Abgeordnetem Wittauer – unter Anführungszei­chen – „eingebrachten“ Entschließungen – die eine betreffend Staatsziel und Öster­reich-Konvent und die andere betreffend rituelle Schlachtungen – sind bereits dem Ausschussbericht beigedruckt, sind bereits Gegenstand der Verhandlungen – und sind daher nicht neuerlich eingebracht worden; das wäre auch nicht notwendig gewesen.

Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger. Auch sie spricht 12 Minu­ten. – Bitte, Frau Kollegin. (Abg. Weinzinger wird auf dem Weg zum Rednerpult von


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einem Mitarbeiter begleitet, der einen großen Stapel an Unterlagen und Zeitungen, gebündelt und mit einem Umschlag mit der Aufschrift „460 000 Unterschriften – Ein Erfolg für den Tierschutz“ versehen, auf dem Red­nerpult platziert.)

 


10.43

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Vor allem liebe Tierschützerinnen und Tierschützer hier im Haus und auch vor den Fernsehbildschirmen zu Hause! Der Sieg hat immer viele Väter und Mütter, das haben wir auch in den Ausführungen der Vorrednerinnen und Vorredner mitverfolgen können. Ich meine, in diesem Fall stimmt es aber noch einmal extra.

Dieser Erfolg eines bundeseinheitlichen Tierschutzgesetzes hat tatsächlich sehr viele Väter und Mütter und eine lange, harte Vorgeschichte mit 460 000 Unterschriften für ein Volksbegehren, das bereits im Jahr 1996 dieses Ansinnen ans Parlament gerichtet hat. Ich denke, diesen 460 000 Menschen, die sich bereits damals für einen bundes­einheitlichen Tierschutz ausgesprochen haben, und all jenen, die in den vielen Jahren dazwischen nicht locker gelassen haben, muss man ein extra Dankeschön sagen. (Beifall bei den Grünen, der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dieses bundeseinheitliche Tierschutzgesetz ist meiner Meinung nach in erster Linie einmal ein Erfolg für die Demokratie. Meines Wissens ist das eines der ganz, ganz wenigen Volksbegehren, die tatsächlich vom Parlament umgesetzt wurden – auf jeden Fall das einzige große Volksbegehren in den letzten Jahren. Ich meine, das Parlament, wir alle gemeinsam können zu Recht stolz darauf sein, dass wir das Anliegen der Be­völkerung, das uns sehr nachhaltig und deutlich nahe gebracht wurde – ich habe hier (auf den Stapel an Unterlagen weisend) nur einen Teil dessen, was darüber im Laufe der Zeit alles geschrieben worden ist –, so ernst genommen haben und nun gemein­sam umsetzen. Ich möchte an dieser Stelle der Verhandlungsführerin für die Regie­rungsparteien, der Abgeordneten Baumgartner-Gabitzer, und der Unterausschuss-Vorsitzenden Ulli Sima ein Dankeschön sagen. (Allgemeiner Beifall.)

Dieses bundeseinheitliche Tierschutzgesetz ist meiner Meinung nach zweitens ein Er­folg für die Humanität in Österreich. Verschiedenste bekannte Persönlichkeiten – etwa Mahatma Gandhi, Franz von Assisi, Albert Schweitzer – haben in ähnlicher Art und Weise darüber gesprochen. Je nach Sprache, Franz von Assisi nennt es die Herzens­bildung, Gandhi nennt es die Größe einer Gesellschaft, andere nennen es die Humani­tät einer Gesellschaft – es drückt sich dadurch aus, wie man mit den Tieren in der Ge­sellschaft, also den Schwachen, umgeht. Das Wort „Tier“ sagt ja ursprünglich nichts anderes als „lebendiges Wesen“ oder – im Lateinischen in der Wurzel „anima“ – sogar „behauchtes und beseeltes Wesen“, jedenfalls aber klarerweise ein leidensfähiges Wesen. Und eine Gesellschaft ist daran zu messen, wie sie mit diesen leidensfähigen Wesen umgeht.

Es haben sogar die frühen Tierschutzverfechter, insbesondere im englischsprachigen Raum, gemeint: Nicht zuletzt, gar nicht so sehr aus Rücksicht auf das leidensfähige Wesen Tier, sondern für die Herzensbildung oder Seelenentwicklung des Menschen wäre der Tierschutz notwendig, denn die Tierquälerei führe zu einer Verrohung der Menschen. Ich denke, mit dem Bekenntnis zum Tierschutz und der Weiterentwicklung des Tierschutzes hat sich heute auch die österreichische Gesellschaft ein Stück weit entwickelt. (Beifall bei den Grünen, der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Wichtigste daran ist aber – und darum geht es im Wesentlichen –: Es ist ein Erfolg für den Tierschutz, dass es in Österreich endlich ein klares Bekenntnis auch auf Bun­desebene zur Verpflichtung, Tierschutz aktiv wahrzunehmen, gibt, indem wir erstmals dieses bundeseinheitliche Tierschutzgesetz beschließen können – ein Gesetz, das


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außerdem von den drei zentralen Forderungen dieses Tierschutz-Volksbegehrens zu­mindest zweieinhalb erfüllt.

Die Kernforderung des Volksbegehrens war es, statt einer zersplitterten Ländergesetz­gebung ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz zu erreichen. – Das ist damit erfolgt.

Die zweite Forderung war ein klares Bekenntnis zu einer ideellen und finanziellen För­derung des Tierschutzes in Österreich. – Auch das erfüllt das Gesetz gleich mit seinem Anfangsparagraphen, wo sich Bund, Länder und Gemeinden in einer Muss-Bestim­mung dazu verpflichten, den Tierschutz ideell und finanziell zu unterstützen. Somit ist also auch diese zweite Forderung erreicht.

Um die dritte Forderung nach der Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung wird noch hart gerungen. Es gibt zumindest ein klares Bekenntnis aller vier Parteien im Verhandlungsprozess, dass man das erreichen will. Es gibt die Vier-Parteien-Entschlie­ßung, die soeben angesprochen wurde. Es gibt die klare Zusage der Verhandlungsfüh­rerin Baumgartner-Gabitzer, die ja auch im Konvent eine wichtige Rolle spielt, sich dort für die Verankerung des Tierschutzes aussprechen zu wollen. Ich denke, wir müssen hier gemeinsam noch ein Stück weit arbeiten, um die zweite Hälfte der Umsetzung auch dieser Forderung zu erreichen, damit wir dann tatsächlich sagen können: Ja, wir haben dieses Volksbegehren ernst genommen! Ja, wir haben die Forderungen umge­setzt!

Wir haben in vielen zentralen Bereichen des Tierschutzes zumindest einige Verbesse­rungen erreicht. Wichtig ist gewesen, jedenfalls sicherzustellen, dass wir nicht die un­tersten Standards der Landesgesetzgebungen auf Bundesebene übernehmen, son­dern doch einen mittleren oder oberen Standardwert erreichen können. Vor allem wich­tig gewesen ist es, in zentralen Bereichen in einzelnen Punkten zumindest ein wenig visionärer und ein wenig zukunftsorientierter an den Tierschutz heranzugehen.

Mit dem Verbot der Käfighaltung ist das in einem Bereich jedenfalls gelungen. Wer jemals eine Legebatterie gesehen hat, wer jemals gesehen hat, unter welchen Bedin­gungen sich da das durchaus soziale Lebewesen Huhn aufeinander gepfercht gegen­seitig vor lauter Stress und ungeeigneten Haltungsbedingungen verletzt oder zu Tode hackt, kann nur froh sein, dass wir sagen: In wenigen Jahren ist das für Österreich Ge­schichte. – Das halte ich für einen Riesenerfolg. (Beifall bei den Grünen, der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Es gibt im Bereich der nichtlandwirtschaftlichen Tierhaltung aber ebenfalls oder immer wieder, häufig aus Unkenntnis heraus, Praktiken, die man aus Tierschutzgründen nicht akzeptieren kann. Ich bin sehr froh, dass wir auch dafür mit diesem Gesetz in einigen Punkten klare Worte finden und sagen: Gewalt und so genannte Starkzwangmethoden können keine Form des Umgangs oder der Ausbildung von Heimtieren sein. Daher verbieten wir flächendeckend zum Beispiel die Verwendung, den Erwerb und den Be­sitz von Elektroschockgeräten und anderen Starkzwangmaßnahmen in der Hundeaus­bildung oder den Verkauf von Hunden und Katzen in Tierhandlungen, wo keine artge­rechte und tiergerechte Haltungsform gewährleistet ist.

Schließlich bin ich der Meinung, dass wir auch mit der Einrichtung einer Tierombuds­mann- oder -frauschaft auf Landesebene einen wichtigen Punkt umsetzen können, weil damit die Forderung nach einer starken Stimme für den Tierschutz und auch die Forde­rung des Volksbegehrens nach Einrichtung einer Tieranwaltschaft in leicht anderer Form, nämlich mit einem anderen Namen, umgesetzt werden können. Somit wird in Zukunft sichergestellt sein, dass nicht viele engagierte Menschen und Gruppen immer wieder Tierquälereien anzeigen, Verstöße gegen das Tiergesetz anzeigen, dann aber, wie das heute gang und gäbe ist, nie wieder etwas davon hören und auch niemand irgendeine Form der Verfahrensmöglichkeit oder der Parteistellung hat. In Zukunft wird


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ein Tierombudsmann/eine Tierombudsfrau mit Parteistellung Verfahren wieder aufrol­len und der Sache nachgehen und damit für den Vollzug und die Weiterentwicklung des Tierschutzes wichtige Erfolge erzielen können.

Ich verhehle nicht, dass es neben den Erfolgen auch bittere Kompromisse in diesem Gesetz gibt. Es ist bei weitem nicht jenes Gesetz geworden, das ich als Grüne und vor allem als Tierschützerin mir gewünscht hätte, von dem ich mit einigermaßen gutem Gewissen sagen kann: Mit diesem Gesetz verhindern wir Tierleid in Österreich!

Es gibt große Bereiche, die das Gesetz gar nicht regelt, sondern in den Verordnungen an die einzelnen Ministerien delegiert, wo das Parlament nicht einmal eine Mitsprache­möglichkeit hat. Wir wissen, dass in diesen Bereichen weiterhin Haltungsformen, die nur als Tierquälerei bezeichnet werden können, bestehen bleiben werden; auch Pro­fessor Haiger hat das vor etwa einem Jahr hier im Haus im Rahmen einer Bundes­tierschutz-Enquete-Kommission als Tierquälerei bezeichnet.

Vor allem die Vollspaltenböden in der Schweinehaltung und der Rinderhaltung, also eine Haltung auf Böden ohne jegliche Einstreu, mit Spalten, wo die Tiere mit den Hufen oder Klauen oft hängen bleiben, wo sie sich verletzen können, ist bei bestem Willen nicht tiergerecht. Was das betrifft, waren leider überhaupt keine Fortschritte erreichbar, der Widerstand war zu groß. Ich bedauere zutiefst, dass wir da kein besseres Ergebnis im Sinne des Tierschutzes erzielen konnten.

Es war generell spürbar, dass insbesondere in der Schweinehaltung in Österreich of­fensichtlich viel zu tun bleibt, wir große Defizite haben. Ich darf ein Beispiel anführen, wo es gerade einmal gelungen ist, die größte Grausamkeit zu verbieten.

Das Kastrieren von Ferkeln wird heute flächendeckend in Österreich ohne Betäubung vorgenommen. Wir wissen aber, dass das Nervensystem eines Jungtiers, eines Fer­kels von ein paar Tagen genauso schmerzempfindlich, wenn nicht sogar noch schmerzempfindlicher ist als das von ausgewachsenen Tieren. Es ist zumindest gelun­gen, zu verhindern, dass es sprichwörtlich mit dem Gummiringerl gemacht wird. Es wurde ein Gummiringerl, ein elastischer Ring so lange um die Hoden des Tieres gewi­ckelt, bis das Gewebe von selbst abfault und abstirbt – mit tagelangen Qualen und Leiden für das Tier verbunden. Zumindest diese Grausamkeit wird in Zukunft verboten sein.

Leider nicht durchsetzbar war es, für das simple Kastrieren mit dem Schnitt zumindest die Betäubungspflicht vorzusehen. Ich hoffe, dass sich in Zukunft das nun erwachte beziehungsweise bereits vorhandene Tierschutzinteresse in den Regierungsparteien auch dieses Problems annehmen wird und wir Verbesserungen werden erreichen kön­nen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wenn wir heute den Erfolg feiern und wir froh sind, dass es endlich ein Bundes-Tier­schutzgesetz gibt, dann muss man auch sagen: Die ÖVP hat man zu diesem Glück ein wenig zwingen müssen. Ich hoffe, dass man sie in Zukunft nicht mehr so sehr zu ihrem Glück zwingen muss. Wir wissen aber auch, dass uns noch sehr viel zu tun übrig bleibt: einerseits an Überzeugungsarbeit in der Landwirtschaft und andererseits auch an Hilfestellung für die Landwirtschaft. Ich hätte mir ja gewünscht, dass das Geld für die vielen und großen Inserate, die der Bauernbund in den letzten Wochen zumindest in Niederösterreich geschaltet hat, für die Positivkampagnen, die wir brauchen, und für die Umstellungsarbeit, die wir brauchen, zur Verfügung stünde. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wir wissen, dass wir bei der Ausarbeitung der Verordnungen noch ein kritisches Auge auf die Texte werden haben müssen und da noch vieles durchzuboxen sein wird. Wir wissen auch, dass wir bei der Kontrolle und bei der Umsetzung des Bundesgesetzes,


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das wir heute beschließen, noch einen Marsch durch die Wüste Gobi vor uns haben, bis endlich das Tierleid in Österreich tatsächlich verringert ist. Ich glaube aber, dass man zumindest als Zwischenbilanz sagen kann: Ein Anfang ist gemacht! Mit diesem Gesetz gewinnen die Landwirte eine Zukunftsperspektive, gewinnen die KonsumentIn­nen mehr Qualität und gewinnt vor allem der Tierschutz. – Wir werden für weitere Ver­besserungen kämpfen. (Beifall bei den Grünen, der SPÖ und den Freiheitlichen.)

10.55

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Herr Bundeskanzler Dr. Schüssel. Redezeit: 12 Minuten. – Bitte.

 


10.55

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! In Österreich gibt es über 3 Millionen Schweine, 2 Millionen Rinder, 12 Millionen Hühner und 300 000 Schafe. An Heimtieren gibt es über 1,5 Millionen Katzen, 600 000 Hunde und 600 000 andere Heimtiere. – Nur damit man weiß, über welche Größenordung wir heute reden, verhandeln und abstimmen.

Es ist ja nicht so, dass der Tierschutz, der Artenschutz und der Naturschutz erst heute beginnen. Gerade Österreich mit seiner Familienlandwirtschaft, mit seinen hervorra­genden Natur- und Umweltschutzstandards ist ein herausragendes Beispiel. Wir neh­men die Themen, die international und national auf der Tagesordnung stehen, wirklich sehr ernst. Ich darf in diesem Zusammenhang einen Namen nennen: Marga Hubinek – sie weilt heute unter uns –, frühere Nationalratspräsidentin, wirklich eine Tierschützerin und Naturschützerin der ersten Stunde. (Allgemeiner Beifall.)

All das, was heute in einem wahrhaft historischen Beschluss zusammengefasst wird, baut auf einer langjährigen, eigentlich jahrhundertelangen Tradition auf, die fortgesetzt wird. Neu ist, dass diese Millionen Tiere, von denen ich vorhin gesprochen habe, ab heute in ganz Österreich nach einheitlichen Tierschutzstandards gehalten und artge­recht gepflegt werden. Das war den Tierfreunden und Tierhaltern in ganz Österreich zu Recht wichtig. Zugleich aber müssen wir immer daran denken, dass wir etwa 140 000 Betriebe haben, die Tierhaltung professionell, wirtschaftlich sehr kundig betrei­ben. Die Interessen aller in ein gutes Gesetz zu gießen, ist eben nicht so einfach.

Ich meine, dass dieses heutige Gesetz den Menschen, den Produzenten, den Konsu­menten und damit indirekt auch den Tieren wirklich ein gutes Gefühl gibt, weil sie wis­sen, dass sie in einem Land leben, in dem die Verantwortung für die Menschen und für die Tiere ernst genommen und auf ein sehr hohes – international das höchste – Niveau gehoben wird.

Meine Damen und Herren! Ich habe vor der Nationalratswahl angekündigt, dass ich dieses bundeseinheitliche Gesetz erstmals vorlegen werde. Die Bundesregierung hat Wort gehalten, und ich kann sagen, ich freue mich sehr, dass es heute einen Vier-Parteien-Beschluss zu diesem Gesetz gibt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitli­chen.)

Ich stehe nicht an, allen vier Fraktionen, besonders dem Verhandlungsführer und den ‑führerinnen – Frau Dr. Baumgartner-Gabitzer, Frau Mag. Sima, Frau Mag. Weinzinger und Herrn Abgeordnetem Wittauer – ein großes Dankeschön auszusprechen. Es war eine sehr intensive und gute Zusammenarbeit.

Ich möchte auch den Experten, die das Bundesgesetz vorbereitet und vorgelegt ha­ben – einer weilt unter uns –, nämlich Herrn Universitätsprofessor Josef Troxler, aber auch Herrn Direktor Helmut Pechlaner und Herrn Mag. Hermann Gsandtner sehr, sehr herzlich für ihre Leistungen danken. Sie haben sich auch sehr viel Kritik anhören müs-


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sen, und ich denke, heute ist auch ihr Tag. Dieses Gesetz trägt, genauso wie die Handschrift aller Fraktionen, auch deren Handschrift. (Allgemeiner Beifall.)

Manche haben gesagt, es habe so lange gedauert. – Seit Angelobung dieser Regie­rung sind 15 Monate vergangen, und ganz ehrlich: Nach all den Hearings, nach all den vielen Entwürfen und Verhandlungsrunden ist das, glaube ich, ein sehr vernünftiger Zeitweg gewesen. Es war auch gut, dass wir alle eingebunden haben, die Tierschutz­organisationen ganz genauso wie die Produzenten und Experten.

Meine Damen und Herren! Tiere sind eben nicht nur wichtige Lebensbegleiter für die Menschen, sondern auch Nahrungsquelle und damit auch die wirtschaftliche Existenz­grundlage für viele Bauern, für viele Betriebe und Arbeitnehmer. Besonders für die Bauern ist es manchmal sehr schwierig: Einerseits müssen sie dem beinharten interna­tionalen Wettbewerb standhalten – fragen Sie einmal, ob es in Spanien oder in Osteu­ropa irgendwelche Diskussionen unserer Art in Richtung Qualitätsstandards oder Tier­schutzbewusstsein gibt –, und auf der anderen Seite haben sie Kosten zu tragen, und dieses Gesetz wird natürlich auch Mehrkosten bedeuten, Mehrkosten für Ställe, für Anschaffungen, für Investitionen. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vor­sitz.)

Sie sind davon abhängig und können das gar nicht einfach beeinflussen, höchstens durch Inserate, die ja einen Sinn haben, nämlich den Konsumenten darauf aufmerk­sam zu machen, dass ein Problem vorhanden ist. (Abg. Öllinger: Nein! Nein!) Sie sind abhängig davon, dass jeden Tag in der Marktwirtschaft darüber abgestimmt wird, dass unsere Produkte auch wirklich mehrheitsfähig sind, und das ist der entscheidende Punkt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Deswegen danke ich wirklich allen Sprechern dafür, dass sie auf dieses Bewusstsein des Handels, der Industrie, der Konsumenten aufmerksam gemacht haben, denn erst dann wird sich die wahre Qualität dieses Gesetzes erweisen. Wir wollen natürlich auch in Zukunft die besten Lebensmittel. Gleichzeitig profitieren aber auch die Bauern von diesem Gesetz. Es gibt jetzt einheitliche Produktionsbedingungen – nicht unterschiedli­che in jedem einzelnen Bundesland –, es gibt gleiche Produktionswettbewerbsstan­dards, und es gibt die Sicherheit, dass diese Regeln auch dauerhaft halten. Ich glaube, diese Sicherheit brauchen unsere Bauern. Ich danke daher auch für den Konsens, der in diesem Haus herrscht, dass man Tierschutz, Menschenschutz, Betriebsschutz und Naturschutz nicht gegeneinander ausspielen darf, sondern zusammenführen muss. Und das haben wir heute bewiesen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dieses Gesetz ist aber auch ein mentalitätsmäßiger Quantensprung, denn ab jetzt sind eben Tiere keine Dinge, keine Sache mehr, sondern sie werden von uns allen als Mit­geschöpfe wahrgenommen. Nicht zuletzt hat die Wissenschaft durch ihre Erkenntnisse dazu beigetragen, dass wir heute die Fähigkeiten und wohl auch die Ansprüche der Tiere neu beurteilen. Manchmal ist da wirklich eine Diskrepanz zwischen dem, was wir wissen, und dem, was wir täglich tun. Viele Kauf- und Konsumgewohnheiten fördern ja nicht die artgerechte Haltung, sondern verzichten aus Kostengründen ganz einfach darauf.

Noch einmal ganz kurz die großen Neuerungen: nicht mehr zehn einzelne Gesetze, sondern ein Gesetz für alle Tiere. Es geht nicht nur um einen Bereich – die Hühner –, sondern es sind wirklich alle Bereiche eingebunden und auch alle Tierhalter, die Land­wirtschaft genauso wie die privaten Heimtierhalter, die Zoos, die Tierschauen, die Tier­händler, die Zirkusse.

Es sind einige ganz wichtige Dinge, die eigentlich selbstverständlich sind, jetzt erstmals geregelt: Der Verkauf von Katzen und Hunden in Tierhandlungen ist verboten, Ketten-


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haltung, Elektroschockgeräte, ätzende Säuren, die immer wieder verwendet worden sind, Stachelhalsbänder – alles verboten. Wildtiere müssen erstmals – bundesweit geregelt – artgerecht gehalten werden. Und wir werden uns dafür einsetzen, dass in der österreichischen, aber auch in der europäischen Verfassung diese Dinge verankert werden.

Vorige Woche war der irische Ratspräsident Bertie Ahern in Wien, selbst ein Land re­präsentierend, das sehr stark von der Landwirtschaft lebt. Er war ganz erstaunt, als ich ihm erzählt habe, dass in der vergangenen Nacht die Grundsatzeinigung über dieses Gesetz zustande gekommen ist. Es hat ihn unerhört interessiert. Gleiches gilt für Romano Prodi bei der Wallfahrt der Völker am vorigen Samstag in Mariazell. Das wird ein europäisches Thema sein. Wir sollten uns auch vornehmen, dass wir in unseren politischen Familien im Europäischen Parlament diese Prinzipien, die wir heute ge­meinsam beschließen, zu einer Art europäisches Aktionsprogramm machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Dieses Gesetz muss natürlich kontrolliert werden, die Standards müssen überprüft werden. Es wird einen Tierschutz-Ombudsmann geben, der als Anlaufstelle für die Bür­ger und die Tierhalter zur Verfügung stehen wird. Ein zweijährlicher Tierschutzbericht wird dem Nationalrat immer über die Entwicklung berichten.

Österreich, Hohes Haus, nimmt mit diesem Gesetz auf europäischer Ebene ganz si­cher eine sinnvolle Vorreiterrolle ein. Wir wollen heute mit diesem Gesetz einen ersten großen Schritt tun. Der zweite Schritt liegt beim Handel, bei der Industrie, bei den Bau­ern. Der dritte Schritt fordert die Medien und die Konsumenten auf, das Bewusstsein zu schärfen, denn wir wollen mit diesem Gesetz ja Tierschutz exportieren und nicht ein­fach über Billigprodukte Tierleid wieder nach Österreich zurück importieren.

Noch einmal: ein großes Dankeschön. Ein großer Tag für dieses wichtige Anliegen, aufbauend auf der Arbeit der Vorjahre und Dekaden, aber auch dem Tierschutz-Volksbegehren. Ich bin froh, dass ich dieses Gesetz vorlegen durfte, das Sie heute mit wesentlichen Veränderungen natürlich auch zu einem einstimmigen Beschluss erhe­ben werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.05

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Grillitsch. – Bitte.

 


11.05

Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren Regierungsmitglieder! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Für dieses Haus ist heute wahrlich ein großer Tag, weil wir ein Ergebnis vorlie­gen haben, das zeigt, dass wir quer durch alle Fraktionen Positionen austauschen können und sie in ein Verhandlungsergebnis schmieden können. Das ist ein Ergebnis, das ist eine Entwicklung, die mich auch für die weitere Arbeit in diesem Hohen Haus zuversichtlich stimmt.

Aber, meine Damen und Herren, es ist für mich auch ein Tag zum Nachdenken, wobei mit dem Nachdenken ein Blick in die Zukunft verbunden ist.

Was brauchen wir? – Wir brauchen Trittfestigkeit, wir brauchen Sicherheit, wir brau­chen Berechenbarkeit, wir brauchen Kalkulierbarkeit. Und heute geht es mir so, wie wenn man einen Gebirgsbach überquert und von Stein zu Stein hüpft. Hat man Glück, bewegt sich der Stein nicht, kommt man ans Ufer – gibt der Stein nach, fällt man ins Wasser.


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Meine Damen und Herren! Um diese Trittfestigkeit geht es, die wir den Bauern, unse­ren bäuerlichen Familien geben müssen, weil die trittfesten Steine ganz einfach in Be­wegung, im Fluss, im Umbruch sind.

Wie geht es uns in der Landwirtschaft? – Wir stehen vor großen Herausforderungen. Und ich nehme für meine Berufsgruppe in Anspruch: Wir gestalten mit, wir stehen nicht draußen und jammern, sondern wir gestalten mit und verändern. Wir verändern und erfüllen die Anforderungen, die an uns auch von der Gesellschaft gestellt werden. Wir sind mit im Boot, meine Damen und Herren! Trotz europäischer Entwicklungen, trotz Druck auf den Märkten, trotz Liberalisierung, trotz Globalisierung, auch 27 Tage nach der EU-Erweiterung sind wir vorsichtig optimistisch gestimmt, um an diesen Entwick­lungen teilhaben zu können.

Wir stehen auch vor WTO-Verhandlungen. Und wir haben den Bauern gerade auch in den nächsten Wochen und Monaten zu erklären, wie sich die gemeinsame Agrarpolitik in Europa weiter entwickeln wird, was sie da in den nächsten Jahren erwarten wird.

Die Altersstruktur – Sie kennen das – ist in Bewegung. Gott sei Dank werden Men­schen immer älter. Aber gerade in der Landwirtschaft bringt das natürlich strukturelle Veränderungen mit sich, und das wirkt sich auch auf die Beitragsleistungen unserer bäuerlichen Familienbetriebe aus. Es kommen technologische Schritte auf die Bauern zu. Das bedeutet enormen Druck, meine Damen und Herren!

Also eine Reihe von Unsicherheiten, wo die Bäuerinnen und Bauern Fragen stellen: Welche Investitionen sollen wir vornehmen? Wie sollen wir unsere Betriebe weiterent­wickeln, damit wir auch der Jugend entsprechende Sicherheit und Chancen geben?

Es ist die Aufgabe der Politik, darauf eine Antwort zu geben und verlässliche Rahmen­bedingungen zu gestalten. Das wollen wir heute tun, und – das sage ich auch ganz offen – das sind wir unseren Bäuerinnen und Bauern schuldig, meine Damen und Her­ren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bin jetzt beim Tierschutzgesetz. Wir haben Diskussionen erlebt, die mich besorgt gemacht, nachdenklich gestimmt haben, weil vielfach der Eindruck entstanden ist, je­ne, die Tiere halten – und damit auch unsere bäuerlichen Familienbetriebe –, sind von vornherein Tierquäler. – Meine Damen und Herren! Sie sind es nicht! Die bäuerlichen Menschen zeigen tagtäglich ihre Verantwortung und Kompetenz für 18 Millionen Tiere in Österreich, und das werden wir auch in Zukunft tun! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie kennen die Vorgeschichte zu diesem Gesetz: endlose Debatten, hohe Emotionen auf Seiten der Bauern, auf Seiten der Tierschützer. Daher: Toll, dass es dieses Ergeb­nis gibt, dass die unterschiedlichen Interessen in Einklang gebracht werden konnten.

Meine Damen und Herren! Wir haben auch ein Hinauflizitieren von Tierschutzstan­dards erlebt. Was hätte das bedeutet? – Dies hätte eine Gefahr für die bäuerlichen Strukturen in Österreich dargestellt! Und in Wirklichkeit hätten wir damit die Agroin­dustrie gefördert.

Da danke ich insbesondere unserem Bundeskanzler, dass dieses Kesseltreiben, das es da gab, am 20. Dezember 2002 beendet wurde, als unser Bundeskanzler diesen Initiativantrag eingebracht hat. Und wir haben jetzt ein Ergebnis vorliegen, das mich nicht freudig stimmt, meine Damen und Herren, das mir aber Hoffnung gibt.

Beinhaltet sind darin etwa Regelungen in Bezug auf die Anbindehaltung, wobei auch da die Praxistauglichkeit bei uns in den Betrieben, in den Dörfern und in den Bergge­bieten gegeben ist. Gott sei Dank gibt es auch keine Überbordung von Kontrollen, wo-


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bei ich gleich dazusagen möchte, dass wir wirklich nichts zu verstecken haben. Jeder ist herzlich eingeladen, auf unsere Bauernhöfe zu kommen!

Kontrollen, die in der Praxis unfinanzierbar und unbrauchbar sind, können wir nicht zustimmen. Diese wurden ja mit 2 Prozent festgeschrieben, aber bitte nicht 20 Prozent, wie das ja auch von manchen gefordert wurde.

Dass es Ausnahmen und Übergangsfristen gibt, ist erträglich und kann nur als gerecht bezeichnet werden. Was aber besonders schmerzt, meine Damen und Herren, ist das Käfighaltungsverbot. Das schmerzt! Da geht es um bäuerliche Existenzen, da geht es um ganze Familien, die in ihrer Existenz bedroht sind. Das müssen wir sehen, das müssen wir erkennen, und diesen Menschen müssen wir Antworten geben.

Daher richte ich heute den Appell an die Entscheidungsträger in unserer Bundesregie­rung, entsprechende Begleitmaßnahmen zu entwickeln, damit auch in Zukunft die ös­terreichischen Bauern das Anforderungsprofil, das die Gesellschaft an uns stellt, erfül­len können, nämlich weiterhin sichere Lebensmittel zu produzieren und die Landschaft offen zu halten.

Wir brauchen Investitionshilfen, wir brauchen Umstiegshilfen und Markteinführungspro­gramme; Markteinführungsprogramme etwa für tierschutzgerecht produzierte Lebens­mittel. Auch auf EU-Ebene müssen Initiativen gesetzt werden, damit es überall gleiche Tierschutzstandards und gleiche Wettbewerbsbedingungen gibt.

Weiters wird es für die Verarbeitung, für die Vermarkter von tierischen Produkten not­wendig sein, dass höhere Produktionskosten durch höhere Preise für unsere Bauern ausgeglichen werden.

Folgendes muss uns allen bewusst sein: Tierschutz kann nicht nur in einem Gesetz festgeschrieben werden, sondern Tierschutz ist auch eine Frage von Konsum- und Kaufverhalten! Da sind alle in Österreich gefordert! (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich lade Sie alle hiemit ein, uns Landwirten mit Ihrem Kauf­verhalten zu helfen! Ein Appell auch an den Handel: Lebensmittel, Mittel zum Leben, die wir täglich brauchen, dürfen nicht ständig als Lockartikel missbraucht werden, um Umsätze und Gewinne zu maximieren!

Die Konsumentinnen und Konsumenten bitte ich: Hinterfragen Sie bei Ihren Käufen die österreichische Identität, eben nicht nur was das Wasser, sondern auch die Lebensmit­tel anlangt! Qualitativ höchststehende Lebensmittel werden von den Landwirten Öster­reichs produziert. Daher, meine Damen und Herren: Fragen Sie danach, überzeugen Sie sich davon, dass Rot-Weiß-Rot in den von Ihnen gekauften Produkten auch tat­sächlich enthalten ist! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir abschließend ein Wort zu den hier bereits angesprochenen Inseraten. Auch uns – das auch zu meinen niederösterreichischen Freunden gesprochen – muss es erlaubt sein, unsere Leistungen, die die bäuerlichen Familien tagtäglich erbringen, darzustellen! Nicht nur allen anderen Organisationen, sondern auch Bauernorganisationen muss das erlaubt sein! (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Schlusssatz, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ich hoffe, dass es jenen Geist, den wir mit diesem Gesetz geprägt haben, auch in Zukunft geben wird. Für mich ist dieses Gesetz jedenfalls keine Kapitulation, auch kein Sieg, sondern ein Friedensschluss zwischen Bauern, Tierschutz, Umwelt- und Naturschutz. Dieses Gesetz stellt meiner Ansicht nach einen trittfesten Stein auf unserem Weg in die Zu­kunft dar. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


11.14


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Bitte.

 


11.14

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in der Tat heute eine Feierstunde des Parlamentarismus, wenn es eine Vier-Parteien-Eini­gung zu einer lange Zeit sehr umstrittenen Materie gibt.

Ich würde einleitend schon sagen: Dass Handlungsbedarf bestanden hat, ist nicht nur dadurch ausgedrückt worden, dass über 400 000 Menschen ein Volksbegehren unter­schrieben haben, denen der Tierschutz ein ganz besonderes Anliegen war, sondern man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass es selbst in einem Land wie Österreich, wo die Menschen, glaube ich, ein sehr intensives Verhältnis zu den Tieren haben, vor allem zu ihren Haustieren, und es hohe Sensibilität gibt in Bezug auf Tierquälerei, Tier­leid in großem Ausmaß gegeben hat.

Daher hat es Handlungsbedarf gegeben, und dieser Handlungsbedarf ist dokumentiert worden durch dieses Volksbegehren, ist dokumentiert worden durch viele Expertinnen und Experten – und letztendlich durch die Arbeit hier im Parlament.

Es wird viele geben, die mit diesem Gesetz nicht zufrieden sind. Es wird Tierschützer geben, die meinen, das sei zu wenig weitgehend. Es wird Tierschützer geben, die mei­nen, die Übergangsfristen seien zu lange gewählt. Auf der anderen Seite wird es Unzu­friedene in der Landwirtschaft geben, die meinen, dass durch die Regelungen, die ge­funden wurden, ihre Verwertungs- und Erwerbsmöglichkeiten eingeschränkt seien. Das heißt, es werden nicht alle völlig glücklich sein. Aber das ist, glaube ich, das Wesen eines Kompromisses in einer Materie, wo eben sehr viele unterschiedliche Interessen betroffen sind.

Was ich mir erwarten würde, ist: Wenn nach einem so langen und intensiven Diskussi­onsprozess ein Ergebnis gefunden wurde und dieses Ergebnis hier auch mit großer Mehrheit beziehungsweise einstimmig im Parlament beschlossen wird, dann sollten auch alle dazu stehen, dann sollte man nicht mit doppelter Zunge sprechen.

Ich sage das wirklich bei aller Hochachtung, Herr Abgeordneter Grillitsch: Die Inserate, die heute hier angesprochen wurden, waren nicht Inserate, in denen der Bauernbund für die Leistungen wirbt, die die österreichische Landwirtschaft erbringt, sondern – ganz im Gegenteil! – es waren das Inserate, bei denen ganz gezielt die Tierschützer ins Visier genommen wurden, ebenso jene Parteien, die ganz wesentlich die Interes­sen der Tierschützer vertreten haben.

Wenn noch nach Abschluss der Verhandlungen der hier anwesende Abgeordnete Donabauer in den „Niederösterreichischen Nachrichten“ sagt, dass das Ergebnis, näm­lich die Beseitigung dieser Legehennenbatterien, dem „brutalen Druck“ der Opposition zuzuschreiben ist und dass das Verhalten der Opposition eigentlich unanständig war, muss ich dazu sagen: So, meine sehr verehrten Damen und Herren, verstehe ich ein gemeinsames Stehen zu einem Kompromiss nicht, um das ganz deutlich zu sagen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich muss schon dazusagen: Ich verstehe all jene Bauern, Herr Abgeordneter Grillitsch, die sagen, es verändern sich die Rahmenbedingungen und wir Bauern erwarten uns daher, dass uns auf diesem Weg der Umstellung geholfen wird. Das verstehe ich; die­ses Anliegen ist legitim. Daher habe ich auch bei Ihrem Redebeitrag hier ganz genau aufgepasst.


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Ich würde Sie von der ÖVP dringend ersuchen, die Scharfmacher in Ihren Reihen dazu zu bringen, zu den gemeinsamen Kompromissen zu stehen, denn das wird es erleichtern, auch zu Lösungen für die Bauern zu kommen.

Wenn der Herr Bundeskanzler sagt, wir beschließen heute ein Gesetz, das in Europa neue Standards setzt, so ist das richtig und gut. Wenn wir daraus die Schlussfolgerung ziehen, eine europäische Initiative zu starten, dann halte ich das auch für richtig, weil sich dadurch die Wettbewerbsbedingungen für die österreichische Landwirtschaft ver­ändern können. Aber dann müssen wir auch gleich dazusagen, dass wir in einem Be­reich in Österreich kaum Veränderungen machen können, wenn es uns nicht gelingt, das in Europa zu verändern, und das ist immer noch ein Sektor des allergrößten Tier­leides, nämlich die Frage der Lebendtiertransporte.

Wenn der heutige Beschluss hier im österreichischen Parlament über ein einheitliches österreichisches Tierschutzgesetz der Beginn einer Kampagne in Europa ist, die von Österreich aus getragen wird, dann sage ich: Teil dieser Kampagne muss sein, Lebendtiertransporte in Europa endgültig zu untersagen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Allgemeiner Beifall.)

Reden wir auch gleich über das Geld, das natürlich für die Bauern wichtig ist, Herr Ab­geordneter Grillitsch! Wenn die Europäische Union das gesamte Geld, das sie derzeit aufwendet, um Lebendtiertransporte zu fördern und zu subventionieren, dafür nimmt, die Landwirtschaft im Hinblick auf die Standards des österreichischen Tierschutzgeset­zes umzustellen, dann haben, sage ich Ihnen, Herr Abgeordneter Grillitsch, die Bauern in Österreich und in Europa viel mehr Geld zur Verfügung, um Tierleid zu reduzieren, als die EU derzeit ausgibt, um die Tiere weiter zu quälen. Und das, glaube ich, ist der richtige Weg. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte ausdrücklich unterstützen, was Frau Abgeordnete Ulli Sima gesagt hat, nämlich dass mit diesem Gesetz den Interessen der Tierschützer Rechnung getragen wird, dass den Umstellungsbedürfnissen der Bauern Rechnung getragen wird, dass aber auch die österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten damit eine Verant­wortung übernehmen. Wir sind in der schwierigen Situation, dass wir uns auf der einen Seite nicht nur zur artgerechten Haltung von Tieren bekennen können, sondern wir müssen auf der anderen Seite auch den Schluss daraus ziehen, jene Produkte zu kau­fen, die aus einer artgerechten Haltung kommen. Ich glaube, es wäre unehrlich, wür­den wir nur den ersten Schritt setzen. (Allgemeiner Beifall.)

Herr Bundeskanzler! Ich habe mir Ihren Entwurf, den Sie dem Parlament zugeleitet haben, und das Ergebnis der parlamentarischen Behandlungen angeschaut. Ich sage Ihnen ganz offen: Wenn jede Regierungsvorlage, die Sie hier im Parlament einbringen, nach einer parlamentarischen Behandlung zu solch einem Ergebnis führt wie dieses Tierschutzgesetz, dann wäre das eine wesentliche Qualitätssteigerung der politischen Arbeit in unserem Land und eine tatsächliche Alternative zur „Speed kills“-Strategie. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Stummvoll: Ich lade Sie ein dazu!)

11.22

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. – Bitte.

 


11.23

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Meine sehr geehrten Herren Bundesminister! Werte Damen und Herren! Mei­ne Vorredner haben dieses geplante und jetzt zur Umsetzung kommende Gesetz be­reits sehr gelobt, es wurde sehr viel Positives erwähnt. Es wurden auch sehr viele Per-


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sonen erwähnt und gelobt, ihnen wurde gedankt, und dem kann sich meine Fraktion nur anschließen.

Wenn man hier sitzt und die Diskussion verfolgt, erkennt man sehr klar, dass, obwohl das Gesetz sehr viele Bereiche betrifft, die Landwirtschaft den Schwerpunkt einge­nommen hat. Man erkennt ganz deutlich, dass in der kontroversiellen Diskussion der Landwirtschaft das meiste Augenmerk geschenkt wurde. Und wenn ich als Agrarvertre­ter meiner Partei heute hier stehe, so tue ich dies, muss ich sagen, mit einem lachen­den und einem weinenden Auge.

Ich teile das Lob unserer Partei, das Bekenntnis zu diesem Tierschutzgesetz. Auch ich gratuliere meinem Bezirksobmann aus Spittal, Herbert Haupt, dazu, dass er es ge­schafft hat, dieses Gesetz gemeinsam mit unserem Klaus Wittauer umzusetzen, aber er kennt auch mein weinendes Auge. Als Bauernvertreter weiß man, dass Dinge zur Diskussion gestanden sind, die nicht unbedingt leicht zu verstehen sind.

Da Frau Kollegin Sima davon gesprochen hat, dass man nicht zwischen Tierschutz und Bauern differenzieren soll und darf, möchte ich den Ball zurückspielen, da es im Vorfeld der Diskussion, bevor es konstruktiv wurde, die doch etwas linker stehenden Flügel der Opposition waren, die massiven Druck ausgeübt und Forderungen aufge­stellt haben. Es sind genau diese Leute gewesen, die im Endeffekt gesagt haben, die Bauern müssten endlich etwas verändern, die Bauern müssten endlich einmal nachge­ben.

Ich möchte Folgendes sagen: Die Zusammenarbeit, die Sie hier fordern, ist unfair, und ich verurteile es, wenn man hier die Bauern mit ins Kalkül zieht. Denn eines steht fest: Bauern und Bäuerinnen – damit ich sie auch richtig bezeichne – haben Tiere schon geschützt, als es noch keine Grünen und keine Roten gegeben hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Bauern und Bäuerinnen verwenden Tiere seit Jahrhunderten zur Erreichung von Er­werbseinkommen, als Grundlage ihrer Arbeit (Abg. Dr. Glawischnig: Da hat es noch keine FPÖ gegeben!), als Grundlage dafür, ihre Familien zu ernähren. Und Sie können sicher sein: Jeder gute Geschäftsmann weiß, dass er sein höchstes Gut – in Wirklich­keit ist in der Landwirtschaft die tierische Produktion das höchste Gut – ordentlich ver­wendet.

Es mag schon sein, dass es in gewissen Bereichen Handlungsbedarf gegeben hat; das ist keine Frage. Aber ich möchte auch etwas anderes hier klarstellen: So schlecht, wie es heute schon durch die Blume geklungen ist, waren die Ländergesetze nicht. Auch die neun Landestierschutzgesetze, die unzähligen Verordnungen und dergleichen ha­ben ordentliche Gesetzesrichtlinien geboten, haben in vielen Bereichen dafür gesorgt, dass Tierschutz ordentlich durchgeführt wird, und haben dafür gesorgt, dass der Tier­schutz gut aufgehoben ist. Gehen Sie bitte nicht im Hohen Haus dazu über, die Lan­despolitik zu vernadern und zu meinen, dass sie unfähig wäre, das umzusetzen. Auch Landespolitik ist keine schlechte Politik. (Abg. Mandak: Das gilt für alle Bundeslän­der!) – Das gilt für alle Bundesländer, richtig, Frau Kollegin!

Es ist, glaube ich, schon sehr wichtig – das wurde heute auch schon angesprochen –, in dieser Diskussion die Inseratenkampagne anzusprechen. Jetzt bin ich wieder mehr der Bauernvertreter. Ich muss ehrlich sagen, ich teile die Meinung des Bauernbundes in vielen Bereichen, nämlich dass das Gesetz kritisch ist für die Bauern, dass es Pro­bleme gibt. Aber mit diesen Problemen zu spielen, das halte ich für problematisch.

Ich halte die Kampagne für bedenklich, und ich verurteile sie. Ich habe mir die Seite mitgenommen, weil ja nicht alle Zuschauer und Zuschauerinnen den „Kurier“ lesen. Man hat auf einer ganzen Seite inseriert: Der Nationalrat wird über das Tierschutzge-


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setz entscheiden! Dann sieht man schön gepflegte Hände, unter denen steht: Die einen machen politisches Geschäft. Und dann kommen abgearbeitete Hände, unter denen steht: Und andere leben davon.

Meine geschätzten Damen und Herren, auch des Koalitionspartners! Ich glaube, man sollte sich überlegen, ob man Hunderttausende Euro für solch eine Kampagne ausgibt, ob es Sinn macht, genau diesen Zwiespalt zwischen Bauern und Tierschutz zu ver­stärken. Ich halte das für bedenklich, und verurteile es sogar. Ich habe das auch im Vorfeld in verschiedensten Presseaussendungen gesagt. Es ist nicht zu verstehen, wenn man sagt, der Nationalrat mache sein politisches Geschäft, denn es sitzen auch im Nationalrat 16 oder 17, 18 Bauernbundvertreter. (Beifall bei den Freiheitlichen, der SPÖ und den Grünen.)

Man wird damit im Endeffekt Angst schüren. Man arbeitet mit Unsicherheit, und man versucht, Bauerngeld für etwas einzusetzen, für das es nicht gedacht ist, denn der Bauernbund finanziert sich, so glaube ich, aus Mitgliedsbeiträgen der Bauern und Bäu­erinnen. Deswegen sollte man dieses Geld besser einsetzen und dafür sorgen, dass so etwas in Zukunft nicht mehr passiert.

Meine geschätzten Damen und Herren! Es gibt aber auch andere Sorgen, die die Bau­ern haben. Ich möchte heute nicht allzu sehr ausschweifen, möchte aber schon klar feststellen, dass auch andere Dinge wie Gentechnik, Nitratverordnung, Milchpreisver­fall und dergleichen auf der Tagesordnung stehen und natürlich eine Diskussion, bei der zu differenzieren versucht wird, Ängste schürt.

Ich verhehle auch nicht die kontroversielle Diskussion innerhalb meiner eigenen Partei, zu der ich auch stehe. Auch wir haben gerungen mit unserem Tierschutzsprecher. Ge­rade die freiheitliche Bauernschaft war so kritisch wie der Bauernbund, das ist keine Frage. Auch wir haben versucht, mehr zu erreichen. Meine Landesorganisationen sind am Dienstag noch bei mir im Parlament gesessen und haben mich aufgefordert, dage­gen zu stimmen. Meine neun Landesobmänner haben gesagt: Uwe, das darfst du nicht mittragen. – Ich stehe aber zu politischen Entscheidungen, die im Klub getroffen wur­den. Ich stehe zum Parlamentarismus und werde die Parteilinie natürlich mittragen. Aber das weinende Auge wird eben bleiben, und man wird künftig dafür sorgen müs­sen, Rahmenbedingungen zu schaffen, wie es Kollege Grillitsch bereits angesprochen hat.

Aus diesem Grund bringen wir auch als ganz wichtigen Bestandteil der heutigen Dis­kussion einen Entschließungsantrag ein, mit dem wir die Bundesregierung ganz klar auffordern und bitten, diese Rahmenbedingungen, welche im Gesetz angedeutet wur­den und welche auch in der Diskussion von allen politischen Parteien, von Rot, Grün, Blau und Schwarz, bereits erwähnt wurden, zu schaffen, dass wir dafür sorgen, dass es auf EU-Ebene Initiativen gibt, dass auch die EU nachziehen muss. Es kann und darf nicht sein, dass wir ab 2009 Tierleid importieren, dass wir die Käfighaltung bei uns ver­bieten, nach Slowenien transportieren und dann die billigen Eier von dort kaufen. Das darf nicht sein! Da wird man Initiativen ergreifen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Man wird dann sehen, ob die Opposition auch bereit ist, mit uns diesen Weg zu gehen, zum Beispiel ein Importverbot von Käfigeiern zu fordern und umzusetzen. Da wird es drauf ankommen, hinter unseren Bauern zu stehen. Da wird es sich zeigen, ob die Lip­penbekenntnisse, die heute an diesem Pult abgegeben wurden, auch umgesetzt wer­den, denn das wird nötig sein.

Es ist ganz klar: Wir Bauern – jetzt stehe ich als Bauer hier – wollen nicht – darin sind wir uns, glaube ich, einig – zu Förderungsempfängern degradiert werden. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) – Ich komme schon zum Schlusssatz


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Wir Bauern wollen nicht die Gärtner der Nation werden, wir Bauern wollen nicht geld­abhängige Anhängsel der Politik sein. Wir wollen freie Bauern bleiben, und die FPÖ wird dafür sorgen! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.30

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

 


11.30

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren Bundes­minister auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich muss ehrlich gestehen, ich habe lange Zeit gedacht, dass es keine Einigung zum Tierschutz geben wird. Ich habe wirk­lich gezweifelt, ob es zustande kommt. Wer einmal in den Höhlen dieses Unteraus­schusses des Verfassungsausschusses gesessen ist und erlebt hat, wie dieses Thema dort über Jahre mit einem großen Stapel Papier abgehandelt wurde, der oder die ist pessimistisch geworden. Ich hatte es nicht mehr für möglich gehalten.

Um der historischen Wahrheit Genüge zu tun: Diejenigen, die das über viele Jahre blockiert haben, haben auch einen Namen in diesem Haus, und der Name dieser Frak­tion ist ÖVP. Das musste ich jetzt doch noch einmal sagen, obwohl es nett ist, dass Sie jetzt doch über Ihren Schatten gesprungen sind.

Wir hatten zwei Mal in diesem Haus eine Abstimmung über die Umsetzung des Tier­schutz-Volksbegehrens. Das war, wenn Sie sich zurückerinnern, im Jahr 1999. Damals gab es noch keine Regierung, damals gab es de facto freie Mehrheiten im Haus. Es gab sie aber nicht wirklich. Damals hat das noch die SPÖ gemeinsam mit der ÖVP verhindert. Ein paar Wochen später gab es schon die neue Koalition, nämlich Blau-Schwarz. Wir haben wieder einen Entschließungsantrag betreffend Umsetzung des Tierschutz-Volksbegehrens eingebracht, und diesmal hat es die neue Koalition abge­lehnt.

Man muss schon sagen, es war ein sehr mühsamer Prozess, aber umso schöner und umso freudvoller ist es, dass es diesmal geklappt hat.

Was man als Zweites positiv herausstreichen muss, ist: Es hat einen unfassbaren Kompetenzdschungel gegeben, den wir jetzt zwar nur zu einem Teil beseitigt haben, aber ich hoffe, dass der andere nachfolgt. Es waren insgesamt zehn Gesetze, 60 Ver­ordnungen, und auf Bundesebene waren über acht Ministerien für die Vollziehung dieses gesetzlichen Dschungels zuständig. Wir haben aber noch immer auf Landes­ebene Jagdgesetze, Fischereigesetze und eine Reihe von Verordnungen (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist auch gut so!), die weitgehend nicht EU-konform sind. Das heißt, hier gibt es noch sehr viel Verhandlungsbedarf und Umsetzungsbedarf, Herr Kollege Scheuch! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das Jagdgesetz wird Landesgesetz bleiben!)

Ich glaube nicht, dass es gut ist, dass man jetzt über Kompetenzen diskutiert, aber Sie müssen schon eingestehen: Es gibt Jagdgesetze, Fischereigesetze, die mit dem euro­päischen Recht im Moment nicht vereinbar sind. Darin stehen EU-widrige Dinge. Das ist ein Problem. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Was hat das mit der Landes- oder Bundeskompetenz zu tun?)

Ich möchte damit nur sagen, dass noch viel zu tun ist. Das ist jetzt der erste große Schritt, aber es gibt noch sehr viel zu tun, und ich sehe gerade in den Jagd- und Fischereigesetzen Handlungsbedarf. (Beifall bei den Grünen.)

Viel zu tun gibt es auch in einem großen Bereich, nämlich in der europäischen Verfas­sung. Es gibt jetzt den Kompromiss oder den Konsens unter allen vier Fraktionen, dass man den Tierschutz in der Verfassung verankern soll. Ich bin Präsidiumsmitglied im Österreich-Konvent, und ich muss berichten, dass es bislang zwar schon Gespräche


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darüber gegeben hat, aber nur einen sehr, sehr schwachen Kompromiss über eine Staatszielbestimmung Tierschutz und Umweltschutz. Im Ausschuss 1 hat Kollegin Lichtenberger einen sehr guten und viel weiter gehenden Vorschlag vorgelegt, der aber noch keinen Konsens gefunden hat.

Ich muss auch berichten, dass bislang die FPÖ die Position vertreten hat, überhaupt keine Staatsziele in der Verfassung zu verankern. (Abg. Scheibner: Das stimmt nicht!) Ich würde mich freuen, wenn man diese Grundsatzposition aufgibt (Abg. Scheibner: Das ist nicht richtig!) und nicht nur der Tierschutz – der ist jedenfalls unbestreitbar –, sondern auch viele andere Staatszielbestimmungen Eingang in eine neue Verfassung finden könnten. (Abg. Scheibner: Nein, das stimmt nicht!) Es stimmt, tut mir Leid. Sie haben diese Position vertreten. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Bin ich nicht FPÖ?)

Wir haben bezüglich dieser Staatszielbestimmung sehr konkrete Vorstellungen. Staats­ziele sind in einer Verfassung der Teil, bei dem die Werte zum Ausdruck kommen, der beschreibt, was über die politischen Spielregeln hinausgeht. Der Wertekatalog ist natürlich auch immer politisch-ideologisch bestimmt, aber für uns ist es eine Selbst­verständlichkeit, Umweltschutz und Tierschutz mit einer starken Formulierung in die Verfassung zu verankern, und wir werden das auch mit Nachdruck dort vertreten.

Nun komme ich zu einem Bereich, bei dem mich eine Formulierung von einem Vorred­ner ein bisschen erschreckt hat, und zwar ist das der gesamte Bereich mögliche wirt­schaftliche Beschädigungen der Landwirte. Sie haben von einem Friedensschluss ge­sprochen, Herr Kollege Grillitsch – jetzt ist er nicht mehr hier. (Rufe bei der ÖVP: Oh ja!) Ich hatte nicht den Eindruck, dass es vorher einen Kriegszustand gab, und ich fin­de, das ist auch ein völlig falscher Begriff. Es ist auch völlig falsch, jetzt mit solchen Begriffen – auch die Inserate gehören dazu – zu arbeiten. Das, was wir brauchen, sind Partnerschaften zwischen der Landwirtschaft und vor allem der Lebensmittelprodukti­on, der Lebensmittelindustrie. Da geht de facto sehr viel ungekennzeichnete Eierpro­duktion – das ist von den Konsumentinnen und Konsumenten nicht nachfragbar – über Großküchen, über die Lebensmittelproduktion über den Tisch, und da braucht man Partnerschaften für die Zukunft.

Um der historischen Wahrheit Genüge zu tun: Wir haben in den Verhandlungen mehr­fach versucht, einen Vier-Parteien-Entschließungsantrag zu erreichen, mit dem man eine finanzielle Unterstützung für die Umrüstung auf artgerechte Tierhaltesysteme ver­ankert hätte. Es war aber nicht möglich, hier einen Konsens zu finden – warum, weiß ich eigentlich nicht genau. (Abg. Mag. Molterer: Das steht im Gesetz!) – Einen Ent­schließungsantrag kann man immer verabschieden, Herr Kollege Molterer, das ist überhaupt kein Problem. (Abg. Mag. Molterer: Den haben wir schon eingebracht!)

Bei dieser Partnerschaft zwischen den Erzeugern, den Produzenten und dem Lebens­mittelhandel sind die KonsumentInnen das letzte Glied in der Kette. Da wird noch eini­ges zu tun sein, und auch im Kennzeichnungsbereich im Lebensmittelbereich kann man sicher noch unterstützend eingreifen etwa mit einem Tiergütesiegel et cetera.

Letzter Punkt, und damit bin ich am Schluss: Es ist ein Meilenstein und ein sehr großer Schritt. Es hat ewig lange, es hat sehr, sehr lange gedauert, aber es zeigt auch, dass Initiativen, wenn sie von der Bevölkerung kommen, wenn sie von 400 000 Menschen unterschrieben werden, sehr gut sind und dass wir öfters auf solche Initiativen zurück­greifen sollten. Ich nenne jetzt hier das Frauen-Volksbegehren oder auch das Gen­technik-Volksbegehren, die immer noch auf die Umsetzung warten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

 


11.36


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort ge­meldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Haupt. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


11.36

Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege Pröll! Sehr geehrte Damen und Herren! Für mich als Bundesminister für Soziales, aber auch als Tierarzt und langjähriger Abgeordneter hier in diesem Hohen Hause ist heute ein schöner Tag.

Als ich 1986 hier im österreichischen Nationalrat von Präsident Benya angelobt wurde, hat man meine Idee für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz schlicht und einfach für verrückt erklärt. Frau Präsidentin Hubinek wird sich sicher noch daran erinnern, welche Diskussionen wir in ihrem Umweltausschuss inklusive Sitzungsunterbrechun­gen hatten und wie kontroversiell das Thema noch in den neunziger Jahren war.

Wir haben dann zwei Anläufe im Parlament erlebt: Gesetzestexte sind im Nationalrat eingebracht worden, sind aber jeweils wegen der Auflösung des Nationalrates nicht mehr zur Beschlussfassung angestanden.

Ich bin sehr zufrieden, dass nicht nur die Experten, die an diesem Tierschutzgesetz mitgearbeitet haben, bei der heutigen Sitzung dabei sind, sondern dass neben Kollegin Hubinek auch mein langjähriger Tierschutzsprecher Abgeordneter Grollitsch hier ist, um die Beschlussfassung dieses Gesetzes, die er jahrelang hier mit verfolgt hat, mit­zuerleben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, dass der Vier-Parteien-Antrag, der heute hier im Nationalrat verabschiedet wird, dankenswerterweise auch ein europäisches Signal sein wird. Herr Kollege Gusenbauer, vergessen wir nicht, dass wir vor kurzer Zeit von der irischen Präsident­schaft gerügt worden sind, dass wir beim Tiertransportgesetz-Straße zu restriktiv seien. Daher ist es auch für mich als Tierarzt und Tierschützer wichtig, dass alle vier Parteien das Signal aussenden, dass diese restriktive Haltung Österreichs bezüglich des Tier­transports auf der Straße von allen Abgeordneten getragen wird und dass der Tier­schutz in Österreich einen höheren Stellenwert hat als in manchen südlicheren Län­dern, wo die Traditionen eben anders sind.

Ich meine, dass in der letzten Sitzung des Verfassungsausschusses auf Grund der zweijährlichen Berichtspflicht durch meine Fraktion eine entsprechende Verbesserung des Gesetzes erreicht werden konnte.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist auch unter Tierschützern unbestritten, dass etwa das oberösterreichische und das Salzburger Landestierschutzgesetz hervorra­gende Tierschutzgesetze sind. Mir als seinerzeitigem Gesundheitsminister ist jedoch auch noch in tragischer Erinnerung, dass es gerade bezüglich des Salzburger Schlachthofs Bergheim harsche EU-Kritik im Zusammenhang mit den BSE-Unter­suchungen gab, die darauf zurückzuführen war, dass damals mehr als 123 Tiere, die festliegend waren und auf Grund der Landesgesetze von Salzburg und Oberösterreich gar nicht in Bergheim zur Schlachtung hätten eintreffen dürfen, in Salzburg geschlach­tet wurden.

Daher ist dieser zweijährliche Bericht für mich wichtig, um eine bundesweite Vollzie­hung dieses Gesetzes sukzessive und Schritt für Schritt zu erreichen, denn die Vollzie­hung wird dieses Gesetz erst mit jenem „Fleisch“ erfüllen, das sich die Tierschützer, aber auch mehr als 98 Prozent der österreichischen Bäuerinnen und Bauern wün­schen.

Ich halte an meiner Meinung fest, die ich immer hier im Nationalrat als Abgeordneter vertreten habe: dass einige wenige aus dem Bereich der Landwirtschaft immer für den


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einen oder anderen in die Ziehung gekommen sind, der es partout nicht gelernt hat, dass die Tiere als wichtigster Teil der Produktion tierischer Nahrungsmittel sein höchs­tes Gut sind, und sich nicht an den Tierschutz gehalten hat.

Der Großteil der österreichischen Bäuerinnen und Bauern hat mit seiner Tierhaltung einen maßgeblichen Beitrag dazu geleistet, dass wir in Österreich wunderschöne Nati­onalparks haben, wenn ich etwa an den Nationalpark Nockberge oder an den Natio­nalpark Hohe Tauern denke. Wir wissen auch, dass dort, wo Almhaltung nicht stattge­funden hat, wie etwa in Vorarlberg oder Tirol, in der boomenden Zeit des Tourismus in den sechziger Jahren Umweltkatastrophen überproportional eingetreten sind und da­her auch die Bauern, die Tierhaltung, der Auslauf der Tiere und die Almhaltung wichti­ge Bestandteile dieses Tierschutzgesetzes sind, sodass hier das Miteinander des über­wiegenden Teils der österreichischen Bauern mit ihren Tieren dokumentiert wird und einige schwarze Schafe, die sich in allen Bevölkerungsgruppen auf dem Markt breit gemacht haben, nunmehr bei schwerer Tierquälerei endlich mit Mindeststrafen belegt werden.

Ich denke, dass dieses Tierschutzgesetz ein modernes Gesetz ist. Es kam ja von man­chen Tierschutzorganisationen die Kritik, dass einige Punkte über Verordnungen fest­gelegt werden. In Salzburg hat man vor einigen Jahren gedacht, dass man alles im Tierschutzgesetz regeln kann und dass das dann über Jahre so bleibt. Die wissen­schaftlichen Erkenntnisse, die Tierpsychologie, all diese Dinge haben heute einen so schnellen Verlauf in der Veterinärmedizin, aber auch in der Zoologie, dass Erkenntnis­se von gestern mit dem Tierschutz von heute und von morgen nicht mehr kompatibel sind. Daher ist man auch in Salzburg aus gutem Grund von der reinen gesetzlichen Absicherung auf die Verordnungspraxis übergegangen, um schnell und im Interesse des Tierschutzes umfassend reagieren zu können.

Ich bin überzeugt davon, dass die nunmehr ausgearbeiteten, mit diesem Tierschutzge­setz eng verbundenen Verordnungen gerade die Modernität dieses Gesetzes über Jahre und für die Zukunft gewährleisten werden.

Wir haben aber mit diesem Tierschutzgesetz auch das Spannungsfeld des Menschen­schutzes deutlich geprägt. Eines, sehr geehrte Damen und Herren, sollte man nicht vergessen – das sage ich als Tierarzt, der immerhin von 1993 bis 2000 in der Praxis auch mit den bäuerlichen Betrieben eng verbunden war –: Auch der Schutz der bäuer­lichen Bevölkerung und aller, die mit Tieren umgehen müssen, ist ein wichtiges Argu­ment dafür, dass hier Schutzmaßnahmen für die mit der Tierhaltung betrauten Perso­nen vorgesehen, zugelassen sind und auch in Zukunft laufen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Da die rituelle Schlachtung in der Diskussion so breit ausgewalzt wurde: Nach diesem Tierschutzgesetz ist klar, dass auf der einen Seite unsere Mitbürger – egal, ob sie dem Islam angehörig sind oder der mosaischen Glau­bensgemeinschaft anhängen – hier in Österreich auch in Zukunft ihre totale Religions­freiheit haben werden, dass aber auf der anderen Seite öffentliche Großschächtungen von 300 Schafen, wie noch heuer im Frühjahr in Niederösterreich, am Ende des Ramadan, in Zukunft nicht mehr möglich sein werden, weil auch die hygienischen Be­stimmungen und das rituelle Schlachten durch befugte Personen deutlich und klar festgehalten sind.

Wir haben diesbezüglich einen deutlichen Fortschritt erzielt. Und für diesen bin ich allen vier Parteien dankbar, nämlich dass wir hier deutlich und klar ein Signal setzen konnten, dass die Hygienevorschriften, die für jeden Österreicher gelten, in Zukunft auch von jenen Menschen, die in diesem Lande anderen Glaubens sind, nicht der katholischen Kirche oder keiner Religionsgemeinschaft angehören, hochgehalten und umgesetzt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Dass in den Tierhandlungen in Zukunft der Verkauf von Tieren an Minderjährige nicht mehr möglich sein wird und strengere Regelungen für die Abgabe von Tieren gelten werden, ist gut. Als Vizepräsident eines Tierschutzvereines weiß ich, was nach Weih­nachten, nach Ostern immer in den Tierheimen geschieht, dass nämlich den Kindern übermittelte Osterhasen oder sonstige Streicheltiere reihenweise in den Tierheimen abgegeben werden, weil die Eltern oder die Großeltern nicht eingebunden waren und Nachbarn oder Kinder Kindern Geschenke gemacht haben, die für die häusliche Situa­tion, aber auch für die betroffenen Tiere weder erfreulich noch im Sinne des Tier­schutzgesetzes akzeptabel waren.

Ich glaube, dass wir mit diesem Gesetz ein gutes Gesetz auf europäischer Ebene ver­abschiedet haben und dass wir ein deutliches Signal gegeben haben. Ich bin mir sicher, dass wir auch für die Kennzeichnung der Lebensmittel den Konsumenten ein Instrumentarium in die Hand geben werden, das jenen Menschen, die auf Tierschutz Wert legen, klar erkennbar macht, dass sie jene Produkte bekommen, die sie wollen. Sie finden somit nicht mehr unter einem Deckmantel im Handel in den Regalen ver­mischte Produkte vor und werden nicht zu Missgriffen veranlasst.

Ich meine, dass wir in der Geflügelhaltung einen deutlichen Fortschritt gemacht haben, auch was die Ökonomie betrifft, dass wir nämlich den Übergang von der unseligen Käfighaltung über den ausgestalteten Käfig in die bessere begehbare Volierenhaltung nunmehr verkürzt haben, dass also anschließend an die Käfighaltung die Volierenhal­tung kommt. Ich setze alle Hoffnung darauf, dass Herr Universitätsprofessor Troxler in dankenswerter Weise die Zertifizierung und die Qualitätskontrolle für diese Volierenhal­tung so umfassend gestalten wird, dass die Tierschützer auf der einen Seite, aber auch die bäuerlichen Betriebe in der Geflügelhaltung auf der anderen Seite in ihrem Mitein­ander gestärkt werden und nicht das Gegeneinander der Vergangenheit wieder auflebt.

Ich denke, dass wir hier einen „runden“ Entwurf vorgelegt haben. Ich bin mir sicher, dass für die Dauer in dieser Legislaturperiode 14 Monate keine lange Zeit waren, muss aber sagen, dass es vom Jahre 1986 bis heute für mich als Tierschützer im Parlament ein langer Weg war. Ich möchte mich auch ausdrücklich bei meiner eigenen Fraktion bedanken, die es mir gestattet hat, bei den Koalitionsverhandlungen das Tierschutzge­setz als Conditio sine qua non, als Grundvoraussetzung für den Eintritt in eine Bundes­regierung mit zur Verhandlungsbasis zu machen.

Damals wurde ich von einer kleinformatigen österreichischen Tageszeitung karikiert und belacht. Diese Zeitung feiert nunmehr schon seit einer Woche das Tierschutzge­setz. Man kann auch in dieser Republik als Zeitungsherausgeber gescheiter werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.47

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Lopatka. – Bitte.

 


11.47

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Minister! Vor den letzten Nationalratswahlen haben die Österreichische Volkspartei und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zu ganz wichtigen politischen Bereichen weit reichende und mutige Vorschläge und auch Versprechun­gen gemacht.

Wir haben die größte Steuerentlastung der Zweiten Republik für diese Legislaturperio­de versprochen. Anfang Mai haben wir hier den entsprechenden Beschluss gefasst. Versprochen – gehalten. (Abg. Dr. Puswald: Zur Sache!)


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Wir haben weitere Maßnahmen versprochen, um Beruf und Familie besser vereinbar zu machen. Wir haben gestern den Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit beschlossen. Auch hier: Versprochen – gehalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Heute werden wir ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz beschließen. Auch hier ist es unsererseits möglich geworden, ein Versprechen, das wir abgegeben haben, auch einzulösen.

Meine Damen und Herren! Es ist ganz wichtig für die Österreicherinnen und Österrei­cher, dass sie wissen, dass es eine Partei im Land gibt, auf die man sich verlassen kann. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Neudeck: Zwei! Zumindest zwei!) – Ich hoffe, wie wir heute beim Tierschutzgesetz sehen, dass es hier mehrere Parteien gibt, auf die man sich verlassen kann.

Wenn nun am 1. Jänner 2005 in Österreich das modernste Tierschutzgesetz Europas in Kraft treten wird, dann setzen wir auch da unsere Vorbildwirkung in diesem wichti­gen Bereich fort. Dass es hier gelungen ist, zu einer Vier-Parteien-Einigung zu kom­men, dafür ist sicher allen hier im Haus vertretenen Parteien zu danken. Und das ist auch schon geschehen.

Man muss hier auch Folgendes sagen: Wann ist so etwas möglich? – Wenn man die Bereitschaft aufbringt, aufeinander zuzugehen, wenn man die Bereitschaft aufbringt, die Sache in den Vordergrund zu stellen und nicht die Parteipolitik! (Abg. Neudeck: Ein Generalsekretär muss nicht objektiv sein!)

Meine Damen und Herren! Wenn wir – wir alle – daher heute hier den Tieren unsere Stimme geben, dann wird sich niemand von uns, um bei einem Vergleich aus dem Tie­rischen zu bleiben, bloß als Stimmvieh sehen. (Abg. Wattaul: Tiervergleich! Ordnungs­ruf!) Jeder von uns, jede von uns wird mit gutem Gewissen diesem modernsten Tier­schutzgesetz, das wir in Europa haben, zustimmen.

Das Europäische Parlament wird auch sehen, dass das österreichische Parlament mit einem einstimmigen Votum unseren stimmlosen Mitgeschöpfen – und von Mitge­schöpfen ist im neuen Gesetz richtigerweise die Rede – heute eine starke Stimme gibt. Das ist sicherlich ein Signal, das europaweit gesehen wird.

Unser Ziel muss es jetzt sein, das, was wir parteiübergreifend in Österreich geschafft haben, auch auf die europäische Ebene zu tragen.

Da das auch von Frau Kollegin Glawischnig angesprochen wurde: Tierschutz ist für uns die Umsetzung unseres Grundsatzprogramms, nicht mehr und nicht weniger. Tier­schutz ist ein zutiefst christdemokratisches Anliegen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Weinzinger: Da habt ihr lange gebraucht!)

Bisher ist er eben auf Länderebene erfolgt; es ist schon ein großer Fortschritt, dass wir hier nun österreichweit einen einheitlichen Standard haben werden. Aber tun wir nicht so, als hätten wir, die Österreichische Volkspartei, in der Landesgesetzgebung – ich habe 1995 im Steiermärkischen Landtag das steirische Tierschutzgesetz mitverhan­delt – nicht auch schon ganz massiv die Anliegen des Tierschutzes im Auge gehabt.

Ich darf Ihnen hier eines sehr deutlich sagen: Ich bin sehr froh darüber, dass es hier sehr viele und sehr positive Reaktionen gibt, auch von jenen, die starke Interessenver­treter sind, nämlich von jenen, die in Tierschutzorganisationen arbeiten. Wenn selbst der Verein gegen Tierfabriken von größter Hochachtung für dieses Gesetz spricht, dann zeigt das für mich, dass wir hier sehr weit gegangen sind. Aber ich habe auch großes Verständnis, wenn sich Abgeordneter Donabauer oder der Bauernbund mel­den, um auch auf die Sorgen hinzuweisen und das einzufordern, was wir alle hier ver­sprochen haben, nämlich auch nach der Beschlussfassung die berechtigten Anliegen


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der Bauernschaft im Auge zu behalten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es kann ja hier bitte niemandem negativ angerechnet werden, wenn er als starke Inter­essenvertretung inseriert. Das macht doch der ÖGB genauso. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss kommen, zum Schlusssatz: Wenn SPÖ-Vorsitzender Gusenbauer hier davon gesprochen hat, dass dieses Gesetz und die Gesetzwerdung ein Vorbild für künftige Gesetze sein kann (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt neuerlich das Glockenzeichen), so hat er Recht. Es geht aber dar­um – und ich zitiere die „Salzburger Nachrichten“ (Abg. Scheibner: Das ist unmög­lich!) –, dass die Opposition die Parteitaktik zurückstellt und die Sache in den Vorder­grund stellt. – Darum ist es hier gegangen, Sie haben es getan. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

11.52

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Meine Damen und Herren, insbesondere von der ÖVP, ich bitte Sie wirklich, die Redezeit einzuhalten! Wir haben eine Vereinba­rung, die eingehalten werden soll. Sonst brauchen wir in Zukunft keine Vereinbarungen mehr zu schließen.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gradwohl. – Bitte.

 


11.53

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Geschätzter Herr Kolle­ge Generalsekretär! (Ruf bei der SPÖ: Scheidender Generalsekretär!) Ich nehme Sie beim Wort. Sie sagten, es sei ein christliches Anliegen, den Tierschutz zu forcieren. Gott sei Dank ist das seit zwei Jahren ein dementsprechendes Anliegen, denn seit 1996 – das können Sie nicht wissen, Sie gehören diesem Hause zu kurz an – hat näm­lich Ihre Fraktion jegliche Initiative unterdrückt und damit ein Bundes-Tierschutzgesetz verhindert. Gott sei Dank haben Sie sich auf Ihre Werte wenigstens in diesem Punkt besonnen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Das ist, weil wir uns durchgesetzt haben!)

Geschätzte Damen und Herren! Mit der heutigen Beschlussfassung leiten wir einen Prozess ein, der hoffentlich mit 1. Jänner 2005 in Kraft tritt, nämlich ein einheitliches Gesetz zum Schutz der Tiere und zur Haltung der Tiere im Nutztierbereich, aber auch im Bereich der Heimtiere. Ein besonders wichtiger Punkt ist meiner Meinung nach als Sicherheit für den Schutz der Tiere, aber auch als Sicherheit für die Bäuerinnen und Bauern, Kollege Grillitsch, die Zertifizierung von Stallanlagen, von Aufstallungsanlagen und Ähnlichem mehr. Dies wird ebenfalls in diesem Bundes-Tierschutzgesetz geregelt.

Das Ziel war immer, den Schutz der Tiere in den Mittelpunkt zu stellen. Unser Partei­vorsitzender Alfred Gusenbauer hat es angesprochen: Es wird ein sehr wichtiges An­liegen sein, dieses Ziel auch auf die europäische Ebene zu transportieren. Ich bin sehr froh über die wohlwollenden und positiven Äußerungen dazu, aber, Herr Bundesminis­ter Pröll, Herr Bundeskanzler, es wird an Ihnen liegen, denn Sie sind diejenigen, die auf europäischer Ebene in den Räten diese Initiativen Österreichs einbringen und auch zur Beschlussfassung bringen können. Davon war bisher leider nicht viel zu merken.

Ich hoffe, dieser Treibsatz des gemeinsam beschlossenen österreichischen Bundes-Tierschutzgesetzes wird auch ein Antrieb für Sie sein, diese Bemühungen zu be­schleunigen und tierquälerische Maßnahmen wie die angesprochenen Tiertransporte nicht nur nicht mehr zu unterstützen und nicht zu finanzieren, sondern darüber hinaus auch dafür zu sorgen, dass sie abgeschafft werden, denn auch das wäre ein Vorteil für


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unsere Bäuerinnen und Bauern, Kollege Grillitsch. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen.)

Kollege Grillitsch, wir sind uns absolut einig in der Unterstützung der österreichischen Landwirtschaft, in den Bestrebungen und Bemühungen, über den landwirtschaftlichen Bereich hinaus im Wirtschaftsbereich dafür zu werben, österreichische Produkte, Vor­produkte einzusetzen und umzusetzen.

In diesem Zusammenhang hast du, lieber Fritz, aber gesagt, dass diese Inserate auch ein Beitrag dafür wären. Lieber Fritz, es bleibt jedem unbenommen – ich weiß, dass du nicht für alle Landesorganisationen verantwortlich bist –, Inserate zu schalten, aber wenn man Inserate schaltet, mit denen man Angst erzeugt, dann ist das meiner Mei­nung nach der falsche Weg. (Abg. Steibl: Inserate erzeugen nicht Angst! Eure Redner erzeugen Angst!) Und wenn Abgeordnete der ÖVP wie Herr Abgeordneter Donabauer, der heute noch zu Wort kommen wird, in ihren Interviews davon sprechen, dass die Oppositionsparteien eigentlich schon beinahe unmoralisch mit den Verhandlerinnen und Verhandlern der ÖVP, liebe Frau Kollegin Baumgartner-Gabitzer, lieber Fritz Gril­litsch, umgegangen wären, so muss ich sagen: Wir sind in diesen Verhandlungen ge­sessen. Ich habe davon nichts gemerkt.

Kollege Donabauer, ich würde dich bitten, dass du dich von deinen Aussagen in den „NÖN“ von vergangener Woche distanzierst, weil sie nicht dienlich sind, weder der Be­rufsgruppe, die du vorgibst zu vertreten, noch der österreichischen Wirtschaft. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um zu dokumentieren, dass das Angebot, das wir in den Verhandlungen gemacht haben, nämlich die österreichische Landwirt­schaft in dieser Umstellungsphase auch zu unterstützen, nicht nur ein Lippenbekennt­nis ist, sondern ein wahres Bekenntnis dazu, darf ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Gradwohl, Katharina Pfeffer, Keck, Dr. Kräuter und KollegInnen betreffend Bereitstellung von Förderungsmitteln zur Errichtung bzw. Umstellung auf tierfreundliche Haltungssysteme als begleitende Maßnahme im Rah­men des Inkrafttretens des neuen Bundestierschutzgesetzes

Entschließung

Der Bundesminister für Land-, Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird er­sucht, sowohl im Rahmen des derzeitigen Förderungssystems als auch im Rahmen der nationalen Umsetzung der GAP-Reform Maßnahmen zu setzen, dass sichergestellt wird, dass durch Beratung und Fördermaßnahmen die Bereitschaft der Bäuerinnen und Bauern ihre viehhaltenden Betriebe rechtzeitig auf tiergerechte Haltungsformen umstel­len können.

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit können wir unsere Bäuerinnen und Bauern unterstützen, das umzusetzen, womit wir in der Vergangenheit beim Weinge­setz die besten Erfahrungen gemacht haben. Wir haben nach dem Weinskandal das strengste Weingesetz beschlossen; die Regierung, das Parlament, die Interessenver­treter haben gesagt, wir haben das strengste Weingesetz und unsere Weinbaubetriebe produzieren noch besser.


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Wenn wir das strengste Tierschutzgesetz haben und sagen können, unsere landwirt­schaftlichen Tierproduzenten produzieren noch besser, dann ist das eine Werbemaß­nahme, die uns allen dienen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

11.59

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben von Herrn Abgeordnetem Grad­wohl verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Sima, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Gradwohl, Katharina Pfeffer, Keck, Dr. Kräuter und KollegInnen betreffend Bereitstellung von Förderungsmitteln zur Errichtung bzw. Umstellung auf tierfreundliche Haltungssysteme als begleitende Maßnahme im Rah­men des Inkrafttretens des neuen Bundestierschutzgesetzes

Im Rahmen des neuen Bundestierschutzgesetzes kommt es unter anderem zum Ver­bot der dauernden Anbindehaltung bzw. des Verbots der Käfighaltung für Geflügel, um weitere Schritte in Richtung artgerechte Haltung von Nutztieren in der Landwirtschaft sicherzustellen. Zielsetzung und „Leitbetriebe“ sind dabei die tausenden viehhaltenden Biobauern, die die Tiere auch im Sinne des überwiegenden Teils der aufgeschlosse­nen KonsumentInnen in unserem Land nach dem TGI (Tiergerechtheitsindex) halten und betreuen.

Durch Umschichtungen im Landwirtschaftsbudget bzw. im Rahmen der Umsetzung der GAP-Reform sollen nunmehr als Hilfestellung für konventionell wirtschaftende Viehbe­triebe Förderungsmittel bereitgestellt werden, die die Bäuerinnen und Bauern in ihrer Bereitschaft zum Neu- bzw. Umbau zu tierfreundlicheren Haltungssystemen unterstüt­zen.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung

Der Bundesminister für Land-, Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird er­sucht, sowohl im Rahmen des derzeitigen Förderungssystems als auch im Rahmen der nationalen Umsetzung der GAP-Reform Maßnahmen zu setzen, dass sichergestellt wird, dass durch Beratung und Fördermaßnahmen die Bereitschaft der Bäuerinnen und Bauern ihre viehhaltenden Betriebe rechtzeitig auf tiergerechte Haltungsformen umstel­len können.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


11.59

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Herren auf der Regierungsbank! Viele meiner Vorredner haben gesagt, es sei ein wichtiger, ein


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schöner Tag, nicht nur für den Tierschutz, sondern auch, wie ich glaube, für den Par­lamentarismus, denn in der Tat, wenn man die Regierungsvorlage mit dem jetzt be­schlossenen Gesetz vergleicht, so hat das Parlament, so haben alle vier Fraktionen hier wesentliche Abänderungen geschaffen. Es ist ein Kompromiss für alle geworden, aber ein gutes, ein wichtiges, ein richtiges Gesetz für den Tierschutz, für das Parla­ment, für Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es war ja wirklich nicht einzusehen, warum – sicher hat es auch gute Landestier­schutzgesetze gegeben – Tierschutz im Burgenland anders geregelt wird als in Vorarl­berg, warum Tierquälerei nicht überall gleich verboten wird, warum die Haltevorrich­tungen für Tiere oder die Bestimmungen nicht überall gleich geregelt sind.

Herr Abgeordneter Gusenbauer, da Sie gesagt haben, das könnte man auch in ande­ren Bereichen so machen: Ja, nämlich dann, wenn man es in anderen Bereichen so wie beim Tierschutz schafft, dass man ideologische und parteipolitische Scheuklappen ablegt und wirklich einen gemeinsamen Konsens herbeiführen möchte. (Zwischenruf des Abg. Reheis.) – Da brauchen Sie nicht auf mich zu zeigen, zeigen Sie auf sich selbst, dann schaffen wir das schon! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es war in vielen Bereichen ein Kompromiss, meine Damen und Herren. Ja, ich bin sehr froh darüber, dass jetzt auch in der Bundesregierung – und das war nicht immer so, das ist schon richtig – eine einheitliche Linie zu einem bundeseinheitlichen Tierschutz­gesetz gegeben ist und wir das jetzt im Parlament geschafft haben.

Einige wichtige Bestimmungen: Tierschutz in der Verfassung. – Meine Damen und Herren! Ich wurde gefragt: Warum habt ihr das jetzt nicht als Verfassungsbestimmung in das Gesetz geschrieben? Es wurde heute schon erwähnt: Der Verfassungskonvent soll eine – ich sage es so – „Entrümpelung“ von Verfassungsbestimmungen aus einfa­chen Gesetzen bewirken, und da wäre es kontraproduktiv, jetzt hier wieder eine eigene Bestimmung zu beschließen. Aber es ist der politische Wille aller hier im Parlament vertretenen Fraktionen im Verfassungskonvent, eine Staatszielbestimmung für den Tierschutz einzurichten.

Frau Kollegin Glawischnig, ich weiß nicht, wie Sie zu dieser Erkenntnis kommen, dass die FPÖ gegen Staatszielbestimmungen ist. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das weiß man öfter nicht!) Sie sind im Präsidium, ich bin im Verfassungskonvent nur ein kleines Aus­schussmitglied, aber ich sage Ihnen: Ich persönlich und die Freiheitlichen sind sehr wohl für vernünftige Staatszielbestimmungen in der neuen österreichischen Bundes­verfassung, und der Tierschutz gehört dazu. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist auch gelungen – und darüber bin ich sehr froh –, im Ausschuss Grundrechts­katalog den Konsens herbeizuführen, dass wir eben auch im Grundrechtskatalog klar festhalten, dass Tierquälerei immer verboten sein soll, auch dann, wenn sich der Tier­quäler auf ein verfassungsrechtlich gewährleistetes Grundrecht berufen möchte. Auch das ist wichtig, und ich hoffe, dass es konsensual umgesetzt wird.

Es ist natürlich auch das Schächten zur Sprache gekommen, und auch da war es eine Gratwanderung, nämlich zwischen dem Recht auf Religionsfreiheit und unserer Ver­pflichtung, dass Tierquälerei verboten bleibt. Wir hätten uns gewünscht – das hat Herr Abgeordneter Wittauer schon gesagt –, dass es einen eindeutigen Zeitpunkt vor der Schlachtung gibt, zu dem das Tier betäubt werden muss. Das ist nicht gelungen, weil es eben diese Diskrepanz zur Religionsfreiheit gegeben hat.

Wir waren auch in sehr engem Kontakt mit den Religionsgemeinschaften, und wir sind froh darüber, dass es mit der Gleichzeitigkeit von Betäubung und Schlachtung zumin­dest gelungen ist, das Tierleid, das bis jetzt viele Minuten gedauert hat, zu minimieren, und dass es vor allem verboten ist, in irgendwelchen Hinterhöfen ohne tierärztliche


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Kontrolle, ohne die entsprechenden Apparaturen Schächtungen durchzuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Landwirtschaft – auch da war es eine Gratwanderung. Kä­fighaltung von Hühnern ist für mich Tierquälerei, keine Frage. Ich bin sehr froh darüber, dass wir hier einen guten Ansatz gefunden haben, auch bei der Anbindehaltung. Es gibt aber selbstverständlich für die Landwirtschaft – und das ist auch notwendig – Übergangsfristen, Hilfestellungen und auch Ausnahmebestimmungen.

Ich denke, dass es für die Vertreter der Landwirtschaft besser wäre – es würde auch von mehr Verantwortung zeugen –, zu informieren und mit den entsprechenden Ent­schließungsanträgen Hilfestellungen zu geben, statt zu verunsichern und zu versu­chen, auf dem Rücken des Tierschutzes und der Bauern seine eigenen politischen Standpunkte durchzusetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Abschließend: Es ist ein gutes Tierschutzgesetz gelungen. Die vielen Jahre der Arbeit haben sich gelohnt. Die Skeptiker sind überzeugt worden, und wir werden auch die Landwirtschaft, wenn wir entsprechend informieren und Hilfestellungen geben, über­zeugen.

Es ist das auch ein guter Tag für den Parlamentarismus. Ich hoffe, dass noch viele solch gute Tage folgen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.04

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Ab­geordneter Dr. Pirklhuber. Ich erteile es ihm.

 


12.04

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Herren auf der Regierungsbank! Werte BesucherInnen hier im Hohen Haus und ZuschauerInnen an den Fernsehschirmen! Auch Vertreter der Tierschutzorganisatio­nen sind heute anwesend und folgen dieser Debatte.

Meine Damen und Herren! Die jetzige Gesetzesvorlage und der gemeinsame Vier-Par­teien-Entschließungsantrag haben eine mehrjährige Vorgeschichte. Eine Diskussion war notwendig.

Wenn Sie, Kollege Scheibner, hier von ideologischen Scheuklappen sprechen, dann hätten Sie in diese Richtung, in Richtung ÖVP, schauen müssen, denn die ÖVP hat ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz jahrelang massiv blockiert. Also bitte, das nächste Mal in die richtige Richtung schauen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Ohne Zweifel – und diesbezüglich besteht hier wirklich einhellige Übereinstimmung –: Es ist ein positives Signal des österreichischen Parlamentarismus, es ist durchaus ein demokratiepolitischer Meilenstein in diesem Haus, weil hiemit sichtbar wird, dass man, wenn die Sachargumente auf den Tisch kommen und wenn die Regierungsfraktionen bereit sind, die Oppositionsanliegen ernsthaft wahrzunehmen, Lösungen finden kann; Lösungen, Kollege Grillitsch, die sich nicht gegen die Bäuerinnen und Bauern, gegen die Interessen der österreichischen Landwirtschaft richten, sondern ganz im Gegenteil, es ist eine Riesenchance.

Dieses Bundes-Tierschutzgesetz ist ein wesentlicher Eckpfeiler für eine sozial-ökolo­gische agrarpolitische Ausrichtung, die Österreich seit Jahrzehnten immer wieder im Munde führt, die wir aber auch umsetzen müssen, damit wir glaubwürdig bleiben – glaubwürdig hier in Österreich für unsere KonsumentInnen, für unsere Märkte, aber auch in Europa.


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Wenn wir diese europäische Initiative starten, Herr Bundeskanzler, wozu wir wirklich einen Beitrag leisten werden, wo wir seit Jahren im Europaparlament massiv für ver­schärfte Maßnahmen beim Tiertransport eintreten, die gerade die kleinbäuerliche Landwirtschaft, Kollege Grillitsch, die regionale Produktion unterstützen werden – regi­onale Verarbeitungsstrukturen, kleine Schlachthöfe, genau das, was wir wollen und was wir in Österreich haben –, dann müssen Sie diesen Weg des Dialogs mit uns wei­tergehen. Das ist die Herausforderung, vor der Sie jetzt stehen. Wir sind bereit für die­sen konstruktiven Weg hin zu einer Neuausrichtung der Agrarpolitik.

Herr Bundesminister Pröll! Die Nagelprobe steht bevor: Die Agrarreformbeschlüsse, die auch viele Maßnahmen für den Tierschutz vorsehen, sind national noch nicht um­gesetzt. Wir warten immer noch auf Ihre Vorschläge und haben heute auch einen An­trag dazu vorbereitet.

Lassen Sie mich kurz noch einmal auf die aus unserer Sicht zentralen, wichtigen Be­standteile und Ergebnisse eingehen! Lange Zeit ein heftig umstrittenes Thema war die Käfighaltung. Der Ausstieg aus der Käfighaltung mit dem Jahr 2008 ist ein riesiger Er­folg; der Erfolg einer breiten Debatte.

Ich werde Ihnen sagen, warum er ein Erfolg ist, Kollege Grillitsch: weil damit auch das Auseinanderdriften der agrarindustriellen und der bäuerlichen Landwirtschaft verhindert wird. Der Konsument versteht es gar nicht, wenn Sie von bäuerlicher Landwirtschaft sprechen, die Tiere aber in einer Form gehalten werden, die in Europa eindeutig in den Bereich der industriellen Produktion einzuordnen ist.

Es ist ein Riesenerfolg für die österreichische Landwirtschaft, dieses Ergebnis mit Un­terstützung der Tierschutzorganisationen im Interesse der Konsumentinnen und Kon­sumenten erreicht zu haben.

Ein Zweites: Meine Damen und Herren! Wir Grüne haben uns sehr konstruktiv dafür eingesetzt, dass es auch Lösungen für die Rinderbauern gibt, für die kleinbäuerliche Rinderhaltung in Österreich in den Berggebieten. Das ist ein sehr, sehr schwieriger Bereich, und hier gibt es eben Ausnahmeregelungen, einfache Möglichkeiten, die der Bundesminister mittels Verordnung wahrnehmen kann, damit auch diese Interessen gewahrt sind. In diesem Bereich haben wir sehr konstruktive Beiträge geleistet.

Eines muss ich jetzt schon vorausschicken, bevor ich unseren Antrag einbringe: Panik­mache, Angstmache, egal in welchen Medien, Kollege Grillitsch – ob in der Bauern­zeitung oder in großen Tageszeitungen in Österreich –, bringen uns keinen Schritt wei­ter. Wir müssen das Tierschutzgesetz als Chance für die Landwirtschaft nutzen. (Zwi­schenruf des Abg. Grillitsch.) Wir müssen einfach die Möglichkeiten nutzen, die es zum Beispiel durch die Zertifizierung von Stallsystemen gibt.

Wir Grüne haben durchgesetzt, dass Stallsysteme in Zukunft gekennzeichnet, zertifi­ziert werden müssen, und das ist doch ein Riesenerfolg. (Präsident Dipl.-Ing. Prinz­horn gibt das Glockenzeichen.) Damit besteht für die Bäuerinnen und Bauern Sicher­heit für die Zukunft.

Ich komme zum Schlusssatz, Herr Präsident: Diese Chance des Neubeginns muss auch in der Umsetzung bei den Investitionsförderungen gesichert sein. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.10

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter! Ich möchte nur korrigie­ren: Sie haben keinen Antrag eingebracht. Der nächste Redner Ihrer Fraktion ist auf­gefordert, diesen Antrag einzubringen.


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Als Nächster zu Wort gemeldet von der Regierungsbank aus ist Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll. – Bitte.

 


12.10

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Kol­legen auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Sicher ein besonderer Tag: eine Vier-Parteien-Einigung bei einem in der Vergangenheit sehr kontroversiell diskutierten Thema, dem Tierschutz. Das ist deshalb etwas Besonderes, weil man die Ausgangsla­ge sehen muss: ein Thema, das Jahre hindurch nur mit Emotionen behaftet war, auf der einen Seite Tierschutzorganisationen, in der Öffentlichkeit stark auftretend, bis hin zu Fragen der Eigentumsverletzung, Einbrüchen in Ställe, auf der anderen Seite – das gebe ich durchaus zu – einzelne schwarze Schafe mit Haltungsformen in der Landwirt­schaft, die nie jemand decken wollte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Weiters hatten wir bisher in Österreich zehn Ländergesetze, die bei den einzelnen Tiergattungen Unterschiede aufgewiesen haben und damit – das muss man auch sagen – Wettbewerbsverzerrungen in Österreich selbst zwischen den einzelnen bäuerlichen Betrieben verursacht haben.

Drittens – das wird oftmals vergessen – gibt es in allen Tierbereichen auch klare EU-Vorgaben.

Vor diesem Hintergrund, diesem Mix – Emotionen über Jahre aufgebauscht, Länder­gesetze auf der einen und EU-Gesetze auf der anderen Seite –, muss man dieses Ge­setz sehen. Die Regierung hat trotz aller Unkenrufe im Dezember 2003 den Entwurf im Ministerrat vorgelegt, und nach den parlamentarischen Diskussionen stehen wir heute hier mit einem Paket, das die Bauern Österreichs sicher an die Grenze des Machbaren führen wird, das aber bewältigbar ist. Es liegt jetzt an uns, in Zukunft gemeinsam die entsprechenden Wege zu ermöglichen, Emotionen herauszunehmen und ein Wirt­schaften zu gewährleisten.

Man darf natürlich auch nicht den Tierschutz allein sehen, sondern Agrarpolitik muss weiter gesehen werden. Wenn Herr Abgeordneter Pirklhuber die Umsetzung der EU-Agrarreform anspricht (Abg. Dr. Pirklhuber: Wichtig!): Das ist ein Baustein auf dem Weg in die Zukunft. Wir sind allerdings wie in vielen anderen Bereichen – Artenschutz, Umweltschutz, Naturschutz – auch in der Frage der Umsetzung einer modernen Agrar­politik Spitzenreiter in Europa. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was auch gesagt werden muss: Dieses Tier­schutzgesetz darf nicht allein aus dem Blickwinkel der landwirtschaftlichen Nutztierhal­tung diskutiert werden, denn wir haben es geschafft, dass Tierschutz in Zukunft nicht teilbar ist zwischen Heimtieren und landwirtschaftlichen Nutztieren. Und es ist auch gelungen, die richtigen Zukunftsantworten zu geben, was die Frage der Heimtierhal­tung betrifft – die Eckpunkte wurden heute schon im Detail erläutert.

Zwei Punkte, die ich ansprechen möchte, weil sie in der bäuerlichen Bevölkerungs­gruppe für die meisten Emotionen gesorgt haben: erstens: das Verbot der Käfighen­nenhaltung. Wir haben es in der EU mit 2012 und werden es in Österreich ambitionier­ter umsetzen. Wir müssen allerdings darauf aufpassen, dass dann nicht aus dem Aus­land, wo die Käfighennenhaltung länger ermöglicht wird, Eier nach Österreich kommen. Wir haben Beispiele wie die Schweiz und die Bundesrepublik Deutschland, wo dann das Produkt importiert wird, wo Tierleid aus anderen Ländern importiert wird. Wir müs­sen ganz genau schauen, wie wir den betroffenen Bauern einen Produktionsausstieg aus der Käfighennenhaltung und eine Weiterführung der Produktion ermöglichen. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Zweitens: die Anbindehaltung bei den Rindern. Österreich hat traditionell – und wir sind stolz darauf – eine sehr klein strukturierte bäuerliche Landwirtschaft. Man kann erken­nen, dass gerade die größeren landwirtschaftlichen Betriebe in Holland und anderswo Laufställe haben, keine Anbindehaltung, dass die Anbindehaltung traditionell in den Kleinstbetrieben angesiedelt ist. Und deswegen ist das auch nicht so eindimensional zu diskutieren. Ich denke, dass es mit dieser Lösung gelungen ist, auf die österreichi­schen Traditionen und auf einen modernen Tierschutz die richtigen Antworten zu ge­ben.

Wir haben hinsichtlich der Regelung der Anbindehaltung Ausnahmen, wenn es tech­nisch und rechtlich nicht anders möglich ist, und wir haben Übergangsfristen, die sich entsprechend positiv auf die bäuerlichen Betriebe auswirken können. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein weiterer Punkt, den ich noch ansprechen möchte, wird oftmals vergessen. Wir ha­ben es in der Auseinandersetzung zwischen Tierschutz und Produktionsinteressen natürlich auch mit Wertschöpfung und mit Arbeitsplätzen im ländlichen Raum zu tun. In Österreich arbeiten in der Landwirtschaft im vor- und nachgelagerten Bereich 450 000 Menschen. Auch das ist ein Punkt. Wir wollen Produktionen in diesem Land halten, um den ländlichen Raum vital entsprechend entwickeln zu können. Das sind 12,3 Prozent der Erwerbstätigen im ländlichen Raum. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich denke, dass wir mit diesem Bundes-Tierschutzgesetz eine Balance zwischen den Tierschutzinteressen auf der einen Seite und dem Halten der Produktionen der bäuerli­chen Landwirtschaft in Österreich und auch den Haltungsformen im Heimtierbereich geschaffen haben, darauf die richtigen Antworten gegeben haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Arbeit beginnt jetzt in der Umsetzung. Wir müssen in Zukunft dem Konsumenten klarmachen, dass er mit seiner Kaufent­scheidung im Fleischbereich, im Eierbereich, in allen angesprochenen Bereichen, dar­über entscheidet, wie es mit der bäuerlichen Landwirtschaft in Österreich weitergeht. Das ist dasselbe Thema wie bei der Gentechnik. Der Konsument kann mit seiner Kauf­entscheidung im Regal die Ströme lenken. Wir brauchen Verbündete in der Verarbei­tungswirtschaft, und wir brauchen ein Maßnahmenpaket, sodass wir jenen Branchen, die zum Ausstieg gezwungen werden, einen entsprechenden Übergang ermöglichen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.) – Ich werde alles einsetzen.

Nächster Punkt: Da EU-Regelungen angesprochen wurden: Ja, wir müssen dort, wo wir in Europa Spitze sind, für unsere Politik, für unsere zukunftsfähige Politik werben. Aber es ist nicht so, dass die Verantwortung allein bei uns liegt, sondern es liegt auch an den anderen. Wir konnten erst vor kurzem mit meiner Stimme – verbündet mit an­deren – im EU-Agrarministerrat verhindern, dass die Tiertransportregelungen aufge­macht werden – nicht verschärft, sondern aufgemacht! Wir konnten mit einer knappen Mehrheit diese Entwicklung noch verhindern. (Abg. Dr. Pirklhuber: Das Parlament ist aber seit langem dagegen!) Ich möchte nur skizzieren, wie die Ströme in den anderen Ländern laufen. Wir müssen in den anderen Mitgliedstaaten für unsere Ideen werben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Schluss: Es wird mit diesem Gesetz Rechtssicherheit geschaffen, Rechtssicherheit für den Tierschutz, Rechtssicherheit für die produzierenden Bauern. Wir dürfen nicht sofort nach der Beschlussfassung begin­nen, das Paket in Einzelpunkten neu zu diskutieren. Unsere Bauern haben nach einer schwierigen Diskussionsphase, die sie an die Grenze des Möglichen bringt, nun das Recht, zu wissen, wie sie heute investieren müssen und in den nächsten Jahren und Jahrzehnten wirtschaften können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


12.17


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Ab­geordneter Hornek. – Bitte.

 


12.18

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanz­ler! Meine Herren Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Un­ser Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat im Herbst 2002 die Vereinheitlichung von zehn landesrechtlichen Regelungen im Tierschutzbereich zu einem bundeseinheitli­chen Bundes-Tierschutzgesetz angekündigt.

Nach intensiver Diskussion liegt nun eine Vier-Parteien-Einigung vor. Diese intensive Diskussion war deshalb notwendig, weil die Ausgangspositionen sehr different waren. Das Ergebnis, das nun vorliegt, ist ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz, das für alle Tiere gilt und von allen Parteien getragen wird.

Grundsätzlich muss festgehalten werden, dass die bisherigen Regelungen der Länder im landwirtschaftlichen Bereich der Tierhaltung im internationalen Vergleich sehr hoch waren und sind. Weiters ist festzuhalten, dass die bäuerlichen tierhaltenden Betriebe zu den am meisten kontrollierten Betrieben zählen – und dies ohne nennenswerte Be­anstandungen.

Tierschutz auf hohem Niveau und daraus resultierend hochwertige Nahrungsmittel sind die eine Seite, beinharter internationaler Wettbewerb, der mit dem Beitritt von zehn neuen Ländern, die primär landwirtschaftlich geprägt sind, nicht leichter geworden ist, ist die andere Seite dieser Medaille.

Am Beispiel des Waldviertels, meiner Heimatregion, das über eine sehr klein struktu­rierte Viehhaltung verfügt, darf ich Ihnen tendenzielle Entwicklungen anhand von Fak­ten aufzeigen.

Der Bezirk Waidhofen an der Thaya zum Beispiel verfügte im Jahr 1991 über 1 591 Rindvieh haltende Betriebe, im heurigen Jahr sind es nur noch 994 Rindvieh haltende Betriebe. Der Bezirk Zwettl hatte 66 000 Stück Rinder im Jahr 1991 und nur 49 000 im Jahr 2003, der Bezirk Waidhofen an der Thaya 42 000 Stück im Jahr 1991 und 28 000 im Jahr 2003.

Bei der Schweinehaltung ist es noch interessanter: im Bezirk Gmünd im Jahr 1991 8 229, im Jahr 2003 5 474 Stück, klein strukturiert. Als Vergleich dazu, geschätzte Damen und Herren: Einen Kilometer Luftlinie von meinem Heimatort entfernt steht ein Schweine haltender Betrieb in Tschechien, konkret in Staré Mesto, mit 7 200 Stück. Das ist das Eineinhalbfache dessen, was der gesamte Bezirk Gmünd an Bestand hat – nur, um das verständlich zu machen –, und das ist ein kleiner Betrieb in Tschechien! Daran können Sie die Tendenzen erkennen, die in diesem Bereich vorhanden sind.

Dass in einer Region, die durch Straßendörfer mit beengten Hofstellen, Angerdörfer mit beengten Hofstellen geprägt ist, die Thematik der Anbindehaltung in der ersten Phase der Diskussion zu existenziellen Ängsten bei vielen Besitzern von Kleinbetrieben ge­führt hat, ist verständlich. Umso dankbarer bin ich dafür, dass es gelungen ist, einen gangbaren Weg für die Bauern zu finden. Dafür danke ich allen verantwortlichen Ent­scheidungsträgern, im Speziellen unserer umsichtig agierenden Verhandlungsführerin Dr. Baumgartner-Gabitzer. (Beifall bei der ÖVP.)

Die österreichischen Bauern haben mit diesem Gesetz Rechtssicherheit auf solider Basis für die Zukunft. Die österreichischen Bauern stehen in hohem Maße zu ihren Tieren. Der Konsument hat es in seiner Hand, den österreichischen Weg zu unterstrei­chen und zu unterstützen, oder aber Tierleid ins Ausland zu exportieren. Unser Bun­deskanzler Dr. Wolfgang Schüssel hat in seiner heutigen Rede klar dokumentiert und


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unterstrichen, dass dieses Gesetz Richtschnur auf europäischer Ebene sein kann. Un­terstützen wir ihn dabei! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.22

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Pfeffer. – Bitte.

 


12.22

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es wurde heute schon öfters erwähnt, aber man kann es nicht oft genug erwähnen, dass knapp 460 000 Österreicherinnen und Österreicher im März 1996 für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz unterschrie­ben haben. Acht Jahre unzähliger Hearings, Enqueten, Unterausschusssitzungen und Debatten hat es gebraucht, um so weit zu kommen, wie wir heute sind. Nach langen, intensiven Verhandlungen ist es nun gelungen, ein bundeseinheitliches Tierschutzge­setz vorzulegen.

In sieben Ausschusssitzungen wurde beraten, geändert, manches Mal gefeilscht und auch lauter gesprochen. Ich persönlich hätte am letzten Tag der Verhandlungen nicht mehr geglaubt, dass es zu einer Einigung kommt, die Nerven waren schon sehr ange­spannt. Aber es wurde ein Erfolg für den Tierschutz! Bedanken möchte ich mich daher bei allen Beteiligten, vor allem bei unseren Hauptverhandlern Ulli Sima und Heinz Gradwohl, die sich wirklich Mühe gegeben haben, im Sinne aller Beteiligten zu einem Gesetz zu kommen, welches auch seinen Namen verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun ein paar Auszüge aus dem Gesetz: Tierquälerei soll in Zukunft mit einer Geldstra­fe von mindestens 2 000 € bis zu 7 500 €, im Wiederholungsfall bis zu 15 000 € be­straft werden. Ich denke, dass der eine oder die andere es sich da überlegt, ein Tier zu quälen.

Was mir aber noch besonders wichtig zu sein scheint, ist die Regelung der Haltung von Tieren in Zoofachgeschäften und vergleichbaren Einrichtungen. Hunde und Katzen dürfen jetzt im Rahmen der gewerblichen Tätigkeiten in Zoofachgeschäften nicht mehr angeboten beziehungsweise ausgestellt werden. Vor allem betrifft das Jungtiere und Welpen. Diese werden in der Regel in einem Alter zum Verkauf angeboten, in dem sie sich in einer sensiblen Entwicklungsphase befinden, da werden sie durch diese Umge­bung in ihrem Verhalten dauerhaft geprägt. Jeder von uns, meine Damen und Herren, hat schon erlebt, dass wir in Schaufenstern solcher Geschäfte die Jungtiere bewundert haben, ohne uns darüber Gedanken zu machen, was die armen Tiere hinter der Glas­scheibe vor allem im Sommer mitmachen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir haben uns schon Gedanken gemacht!) Das ist unzumutbar! Deswegen bin ich mit dieser Maß­nahme sehr zufrieden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Herren Agrarvertreter von den Regierungsparteien! Ich verstehe Ihre Sorgen um die Bauern. Aber hier sind wir alle gefordert, den Bauern zu helfen, und besonders Sie! Ich habe schon im Ausschuss den Vorschlag gemacht, die Mittel und auch die EU-Mittel für diese Maßnahmen umzuschichten und einzusetzen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Grillitsch: ... ausgemacht!) – Nein, ausgemacht wurde es nicht. Ich habe den Vorschlag im Ausschuss gemacht.

Unsere Forderung nach einer Tieranwaltschaft wurde in Form eines Tier-Ombudsman­nes oder einer Tier-Ombudsfrau umgesetzt. Mit diesem Kompromiss können wir leben. Er oder sie hat die Aufgabe, die Interessen des Tierschutzes zu vertreten, und wird für eine Funktionsperiode von fünf Jahren gewählt.

Meine Damen und Herren! Neu ist auch, dass alle Hunde und Katzen ab dem Alter von drei Monaten gechipt werden müssen. Das geht so vor sich, dass ein ziffernkodierter,


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elektronisch lesbarer Chip vom Tierarzt eingesetzt wird. Die Halter dieser Tiere werden künftig verpflichtet sein, diese Kennzeichnung durchführen zu lassen. All jene Besitzer von Tieren müssen spätestens ein Jahr nach dem In-Kraft-Treten dieses Tierschutzge­setzes gemäß der Verordnung ihre Tiere kennzeichnen. Das Ziel ist es, entlaufene, ausgesetzte oder zurückgelassene Tiere wieder ihren Besitzern zuzuführen.

Meine Damen und Herren! Darüber hinaus sind die vier Parlamentsparteien überein­gekommen, den Tierschutz als Staatszielbestimmung in der Verfassung zu verankern. Auch auf die Gefahr hin, dass Sie mir vorwerfen, meine Damen und Herren, Tiere zu vermenschlichen, müssen wir eines zur Kenntnis nehmen: Tiere sind Lebewesen und Mitgeschöpfe, und deren artgerechte Haltung kann der Mensch beeinflussen. Es ist traurig, dass wir strenge Regeln dafür brauchen. Dies müsste eine Selbstverständlich­keit sein und ohne gesetzliche Vorschriften möglich sein.

Mit 1. Jänner 2005 wird dieses Gesetz in Kraft treten. Man hat es sich nicht leicht ge­macht, das gebe ich zu (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen), aber zum Schutze der Tiere sind wir sehr zufrieden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie des Abg. Scheibner.)

12.27

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. – Bitte.

 


12.27

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Der zivilisatorische Grad einer Gesellschaft, eines Staates spiegelt sich auch im Umgang mit seinen Mitgeschöpfen, den Tieren, wider. Ich bin deshalb der Ansicht, dass es ein Grund mehr ist, stolz auf Österreich und seinen Tierschutz zu sein. Es ist heute ein guter Tag für alle Menschen, die ein Herz für Tiere haben.

Ich spreche hier im Besonderen die Hundebesitzer an. Es gibt immerhin mehr als 600 000 Hunde in Österreich, mit hoffentlich sehr vielen Besitzern dazu. Ich sehe ge­rade, Herr Klubobmann Van der Bellen genauso wie unser Bundesparteiobmann Her­bert Haupt, viele Freunde von mir in der freiheitlichen Fraktion, Mares Rossmann, Det­lev Neudeck, auch ich bin stolzer Hundebesitzer, und sicherlich werden es viele von Ihnen ebenfalls sein. (Abg. Mag. Weinzinger: Und Besitzerinnen!) Für uns alle ist dies heute ein sehr wichtiger Tag!

Frau Kollegin Pfeffer hat schon darauf hingewiesen, dass der Verkauf von Hunden in Tiergeschäften nicht mehr möglich sein soll. Das putzige kleine Tier in der Auslage ist sehr schön, aber wissen Sie, was an Wochenenden mit diesen Tieren meistens ge­schieht? – Die Hunde sind das ganze Wochenende auf sich allein gestellt, ohne Pflege und ohne Obhut!

Ein wichtiger Bereich ist die Hundeausbildung. Wissen Sie, dass in Österreich über 50 000 so genannte Teleimpulsgeräte – auf gut Deutsch gesagt: Elektroschocker, fern­gesteuerte Elektroschocker – im Umlauf sind? Nur 6 000 davon befinden sich bei der Exekutive für die Ausbildung. Es ist meines Erachtens, unseres Erachtens wichtig, dass ab Jänner des kommenden Jahres der Einsatz dieser Geräte verboten ist, denn das ist Tierquälerei. Hingegen ist das, was wir hier machen, meine Damen und Herren, Tierschutz, der seinen Namen wirklich verdient! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie des Abg. Dr. Van der Bellen.)

Ich komme aber auch auf die Stachelhalsbänder und die Kettenhunde zu sprechen. Ab kommendem Jahr wird das dauernde Anbinden von Hunden nicht mehr erlaubt sein, es ist schwere Tierquälerei. Auch nicht das Aussetzen von Tieren – wir kennen es alle,


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gerade in der Zeit vor Ferienbeginn –, das ist schwere Tierquälerei, Mindeststrafe 2 000 €, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin auch sehr froh darüber, dass hier von allen Parteien diese Zustimmung zum Tierschutz gekommen ist: Wir beweisen damit, dass wir alle zusammen ein Herz für Tiere haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Tierschutz per Gesetz ist das eine; unseres Erachtens ist es ein Mindeststandard, der hier geschaffen worden ist. Es ist jeder auf­gerufen, auch selbst einen freiwilligen Beitrag zum Tierschutz zu liefern. Wir in Salz­burg zum Beispiel, meine Freunde und ich, starten eine Benefiz-Kampagne für den Zoo Salzburg zum Schutz der Mähnenwölfe, einer Tierart, die vom Aussterben bedroht ist, einer Tierart, die im Zuchtprogramm des Zoos Salzburg in ihrer Art erhalten und wieder vermehrt werden sollte. Das kostet Geld, meine sehr geehrten Damen und Her­ren, aber die Österreicherinnen und Österreicher sind auch bereit zu spenden. Ich bin sehr dankbar für die Großzügigkeit, die die Österreicherinnen und Österreicher auch für den Schutz von Tieren aufbringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist heute ein wichtiger Tag für den Tier­schutz. Es ist ein schöner Tag für alle Menschen, die ein Herz für Tiere haben. Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich auch bei allen Aktivisten der Tierschutzorganisa­tionen bedanken, die ehrenamtlich und unermüdlich für den Schutz der Tiere gekämpft haben. Ich kann ihnen versprechen: Wir werden weiterkämpfen für den Schutz der Tiere, es lohnt sich! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

12.31

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


12.31

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Vizekanzler! Sehr geehrter Herr Umweltminister! Meine Damen und Herren! Alle UnterzeichnerInnen des Tierschutz-Volksbegehrens! Alle Unterstützer von den NGOs! Liebe Menschen – kann man sagen –, denen wirklich qualitativ gute Lebensbe­dingungen am Herzen liegen! Wir haben es ja gehört: 18 Millionen Tiere. Wir haben gehört, 18 Jahre des Herrn Vizekanzlers – so lange war die Zeitspanne, bis es endlich so weit gekommen ist, dass wir heute einen Beschluss fassen können.

Es war ein zähes Ringen, haben wir gehört, es war teilweise nur möglich, weil es ein historisches Fenster gegeben hat, auf Grund dessen die Regierungsparteien endlich ein deutliches Signal setzen wollten, ein Positivsignal, ein Signal dafür, dass es koope­rativ im All-Parteien-Beschluss möglich ist. Das war eine Beschlussfassung, die auf höchster Ebene gefallen ist. Es war nicht selbstverständlich, da hat es gewisser Erfah­rungen bedurft, bis man sich dazu durchgerungen hat, wirklich im Konsens, sozusagen auf Basis von sachlichen Verhandlungen zum Wohle von 18 Millionen Tieren, zu die­sem Beschluss zu kommen. Ich glaube, da gratulieren wir uns gegenseitig, und das ist auch gut so.

Aber dieser Weg der Konsensbildung – wir haben es schon gehört – wäre in vielen an­deren Sachbereichen ebenfalls möglich. Er ist auch möglich, nur bedarf es hier eines Aufeinander-Zugehens und vor allem einer Einstellung der Mehrheit, Anregungen von der Minderheit im Parlament wahrzunehmen und auch Anregungen der Bevölkerung, die in Volksbegehren artikuliert werden, ernster zu nehmen.

Nun aber konkret zur Sache des Tierschutzes. Ich verstehe mich als Konsumenten­sprecherin in erster Linie als Repräsentantin, die auch dafür verantwortlich sein wird, dass breite Bevölkerungskreise, dass die Menschen, die einkaufen gehen, wirklich die


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Chance wahrnehmen, qualitativ hochwertige Produkte, die auf Basis dieser neuen Re­gelung produziert werden, in größerem Umfang zu kaufen. Noch wesentlicher wird es sein, dass die Betriebe, die sozusagen Eier in Hektolitern konsumieren, auf österreichi­sche Produkte zurückgreifen und nicht Billig-Importe bevorzugen. Da ist es mir ein großes Anliegen, dass Österreich in der Wettbewerbssituation auf EU-Ebene die Quali­tätsnormen, die wir hier etablieren, auch dort tragfähig macht, sie dort umsetzt und zu einem Konsens bringt. (Beifall bei den Grünen.)

Es sollen, wie gesagt, die österreichischen Bäuerinnen und Bauern nicht die Leidtra­genden sein. Der Rückhalt der österreichischen KonsumentInnen wird vielleicht zu gering sein, daher müssen wir verstärkt Offensiven, Werbeoffensiven, Kampagnen in Anspruch nehmen und initiieren. Ich persönlich habe schon einen Beitrag im Parlament eingebracht mit der Anregung, dass wir eine Kennzeichnungspflicht einführen. Es muss ja für die Konsumentin klar sein, welch qualitativ gutes Produkt das ist und wel­che Haltebedingungen dahinter stehen. Da soll es meines Erachtens weitergehen mit einer klaren Produktkennzeichnung, in der sich die Haltung, die Zucht, die Fütterung, der Transport und auch die Schlachtung widerspiegelt.

Dieses Signal an die KonsumentInnen ist auch die Voraussetzung dafür, dass sie in ihrer Mündigkeit das richtige, nämlich das qualitätsbewusste Kaufverhalten an den Tag legen. Da geht es um Verantwortung, da geht es auch um Information. Das sind wir den Leuten schuldig, damit sie die Qualitätsprodukte der österreichischen Bauern­schaft wirklich in vollem Umfang genießen können.

Vor dem Hintergrund kann ich nur sagen, dass wir den Weg partnerschaftlich weiter­gehen wollen und dass wir über das Verhandlungsergebnis froh sind. Erlauben Sie mir hier eine kleine Anmerkung: Es waren drei Frauen und auch Herr Kollege Wittauer maßgeblich daran beteiligt, und es ist für mich bezeichnend, dass positive Ergebnisse gerade unter dem Aspekt, dass Frauen gewirkt haben, möglich waren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Keine Männerdiskriminie­rung!)

Herr Präsident Khol, ich stelle die Qualität von Männern nicht in Abrede, keinesfalls! Sie können mir ja täglich beweisen, wie sachkompetent Sie kooperieren. Ich hoffe, dass das dann auch – hoffentlich bald und öfter – in Vier-Parteien-Beschlüssen seinen Niederschlag finden wird.

Zum Schluss: Es war ein Dreiklang, nicht nur von drei Frauen, sondern ein Dreiklang von den Bevölkerungskreisen, die den Tierschutz wollten, von der Landwirtschaft, die sich kompromissbereit zeigte, und von den Parteien, die die politische Verantwortung wahrnahmen. Dieser Dreiklang hat hier schließlich zu einem Einklang geführt (Präsi­dent Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen) und soll auch noch in die Zukunft weisen, gerade auf EU-Ebene! – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.37

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Auer. – Bitte.

 


12.37

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden verstehen, dass ich in das allgemeine Jubel-Hochamt heute nicht einstimme, aber als Demokrat natürlich das in großem Konsens zustande gekommene Tierschutzgesetz akzeptiere, weil es – das sei ganz offen ge­sagt – in wesentlichen Punkten durchaus auch Verbesserungen mit sich bringt.

Aber eines sei klar festgehalten. Drei Gruppen sind gefordert, wurde ausgeführt – ja, das stimmt: die Landwirtschaft, der Konsument und die Konsumentin, der Handel und


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die Industrie. Aber nur für eine Gruppe gibt es die Verpflichtung! Für die anderen Gruppierungen gibt es die Appelle: Man möge doch Rücksicht auf die hervorragende Qualität aus österreichischer Produktion nehmen und die bäuerliche Produktion mit dem Kauf dieser Produkte unterstützen.

Wie gesagt, für die eine Gruppe gibt es die Appelle, für die andere Gruppe gibt es die Verpflichtung. Ich bitte daher, dass hier tatsächlich versucht wird, das auch umzuset­zen. Ich schätze das Frühstücksei und dessen Bewerbung, aber die Frage sei gestellt, welche Unmengen an importierten Eiern bei der Nudelproduktion in Großkonzernen und so weiter verwendet werden. Man könnte sich hiezu einen deutschen Fernsehfilm ansehen, gesendet auf RTL im März des letzten Jahres, über den Import von 3 Milliarden Eiern. (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Wir reden nicht mehr der Käfighaltung das Wort, das sei klargestellt. Das ist eine problematische Tierhaltung, und es wurde klargestellt, dass es sie nicht mehr geben wird. Aber was hat jetzt die EU gemacht? – Sie schafft den Zu­gang zu weiteren hunderttausend Tonnen Eiern aus Bulgarien. Es würde mich sehr interessieren, wie in diesen Ländern die Tierhaltung, die Legehühnerhaltung vor sich geht, das wäre wichtig! Nur Appelle allein werden zu wenig sein, verehrte Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

Niemand in diesem Haus würde sich herablassen können, einen Betrieb mit 2 100 Be­schäftigten im Jahr 2008 zu sperren. Wir erschweren 700 Legehühnerhaltern in Öster­reich diese Problematik dramatisch. Es ist daher begrüßenswert, wenn sich alle dazu bekennen, dass es eine Hilfestellung geben soll. Sie soll aber auch umgesetzt werden!

Ich erinnere an Österreich und den Marshallplan: Nach dem Krieg gab es ausdrückli­che Hinweise darauf, wie problematisch, wie schwierig die Sicherstellung der Ernäh­rung mit Grundnahrungsmitteln sei. Verehrte Damen und Herren, das gab es nur durch die Steigerung der Produktion! Ich lasse nicht zu, dass die Bäuerinnen und Bauern, die in diesen vergangenen Jahrzehnten bis heute bemüht gewesen sind, hervorragende Qualität zu produzieren, in einseitigen Publikationen als Tierquäler dargestellt werden.

Meine Damen und Herren! Wenn irgendwo ein Fall von Kindesmissbrauch passiert, wenn irgendwo ein Kriminalitätsfall aufgedeckt wird, dann spricht man nicht über eine gesamte Berufsgruppe, sondern vom Fall sowieso. Nur bei der Landwirtschaft wurde in den letzten Monaten immer wieder versucht, plakativ darzustellen, wie schwierig die Tierhaltung in diesem Bereich sei und dass Tierquälerei passiere. Meine Damen und Herren! Das ist unfair und auch ungerecht. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage auch ausdrücklich, dass ich diesem Gesetz zustimme, wenn auch in einer oberösterreichischen Tageszeitung heute noch etwas anderes zu lesen ist. Das aus dem Grund, weil es im Verfassungsausschuss noch einen das Gesamte ändernden Abänderungsantrag gegeben hat, mit dem bestimmte Fristen eingeführt wurden und bestimmte Klarstellungen erfolgt sind, mit denen auch der Großteil der Bauern leben wird können, vielleicht auch leben wird müssen. Wir nehmen diese Herausforderung jedenfalls an.

Aber ich weise auch darauf hin, dass – je höher die Qualitätsstandards gesetzt wer­den – das eher zu einer Vergrößerung der Betriebe führen wird, weil es für die kleine­ren bäuerlichen Betriebe schwieriger wird, alle diese Bedingungen auf sich zu nehmen. (Abg. Mag. Weinzinger: Das stimmt nicht!) Nicht umsonst war auch gerade die Anbin­dehaltung ein besonderes Problem. Fragen Sie jene Bauern, die an die Wand gedrückt werden – und es hat heuer bereits zwei beinahe tödliche Unfälle gegeben –, wie schwierig es für einen Nebenerwerbsbauern, eine Nebenerwerbsbäuerin ist, diese Problematik bewältigen zu müssen. Wir sollten auch hier Rücksicht nehmen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Und ich darf Ihnen noch etwas sagen, meine Damen und Herren, weil gerade auch die Schweineproduktion angezogen wurde, wie grausam da gewirtschaftet würde. – Ich weise das entschieden zurück! Aber ich kann Ihnen etwas sagen: 1980 habe ich für ein 100 kg-Mastschwein bester Qualität 180 € bekommen. Wissen Sie, was vorige Woche bezahlt wurde? 125 €! Also um 55 € weniger bei höheren Auflagen, bei mehr Er­schwernissen, bei deutlich gestiegenen Kosten in der Erzeugung. Das wird auf die Dauer nicht machbar sein. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.) Verehrte Damen und Herren! Wenn schon Tierschutz, dann geht das alle an. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Ja, dem ist zuzustimmen. Wir werden in Hinkunft beweisen müssen, ob als Konsu­ment, ob im Handel oder auch als Bauer, ob wir diesen hohen Anforderungen gerecht werden. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und Beifall bei Abgeordneten der Freiheitli­chen.)

12.43

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Keck. – Bitte.

 


12.43

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regie­rungsbank! Knapp 460 000 Österreicherinnen und Österreicher haben im März 1996 für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz unterschrieben. Acht Jahre, unzählige Hearings, parlamentarische Unterausschusssitzungen, einige Enqueten und Debatten im Parlament später sind wir endlich am Ziel: Nun haben wir ein Bundes-Tier­schutzgesetz mit einheitlichen Standards. Aber, meine Damen und Herren, das hätten wir viel schneller haben können, denn diese vergangenen Jahre waren verschwendete Jahre für den österreichischen Tierschutz.

Die Lobeshymnen der ÖVP über sich selbst wundern mich. Wenn behauptet wird, das heute zu beschließende Bundes-Tierschutzgesetz sei ein großer Erfolg für die Volks­partei, die dazu einen entscheidenden Schritt gesetzt habe, dann vergisst beziehungs­weise verschweigt man, dass der erste Entwurf, der von ÖVP-Obmann Schüssels Bundeskanzleramt gekommen ist, kein Tierschutz- sondern ein Tierquälgesetz gewor­den wäre. (Abg. Dr. Khol: Nein, so geht das nicht! – Weitere heftige Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Als ich mir diesen Entwurf durchgesehen habe, war gleich im § 5 – Verbot der Tierquälerei – schon die erste behördlich gestattete Tierquälerei vorgesehen, denn in diesem Paragraphen war eine Ausnahme für Elektroschockgeräte für Diensthunde der Exekutive, sprich Polizei, Gendarmerie und Bundesheer, verankert gewesen. (Abg. Grillitsch: Nehmen Sie das zurück!) Diese Ausnahme wäre eine Ver­schlechterung gegenüber allen bestehenden Landestierschutzgesetzen gewesen, denn in diesen hat es keinerlei Ausnahmen für die Verwendung von Elektroschockge­räten gegeben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen eines sagen: Ich verstehe etwas von der Hundeerziehung, da ich selber schon seit 30 Jahren in der Hundeabrichtung tätig bin und das bei einem dem Österreichischen Kynologenverband angehörenden Verein als Hundetrainer. Daher können Sie mir eines glauben: Diese Elektroschockgeräte verur­sachen den Hunden Schmerzen. Und deshalb habe ich auch niemals in meiner lang­jährigen Tätigkeit ein solches Gerät verwendet. Nur für heute habe ich mir eines aus­geborgt. Ich habe es mitgenommen, und der Besitzer hat mir versprochen, dass er es nachher vernichten wird. Das ist ein Elektroschockgerät, das im ersten Entwurf per Ausnahme erlaubt gewesen wäre. (Der Redner hält ein solches Gerät in die Höhe.)


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Hunde, die das Pech gehabt hätten, von Seiten der Bundesregierung als Diensthunde angekauft zu werden, wären mit diesem Gerät abgerichtet worden. Wenn in der Dis­kussion immer wieder behauptet wurde – und das haben einige Herrschaften gesagt –, dass dieses Gerät keine Schmerzen verursacht, dann biete ich diesen Damen und Herren an: Sie könnten dieses Gerät ausprobieren, und dann werden Sie sehen, dass dieses Gerät sehr wohl Schmerzen verursacht und dass es deshalb aus dem Erstent­wurf herausgehört hat und dass das verboten werden musste. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Gerade diese Tierquälerei, gerade diese Verwendung von Elektroschockgeräten war im Erstentwurf des Bundeskanzleramts zum Bundes-Tierschutzgesetz enthalten. Es ist nur der Initiative meiner Fraktion und auch der Grü­nen und der Freiheitlichen zu verdanken, dass diese Elektroschockgeräte – Kollege Mainoni, ich muss dich korrigieren –, von denen es angeblich 70 000 in Österreich gibt, jetzt ohne Ausnahme verboten sind. Wichtig ist auch, dass der Erwerb und der Besitz dieser Elektroschockgeräte unter Strafe gestellt wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Wäre dieser Passus mit der Ausnahme zur Benutzung von Elektroschockgeräten für Diensthunde und damit verbunden das behördlicherseits er­laubte Quälen von Hunden nicht aus diesem Gesetzentwurf genommen worden, hätten wir Sozialdemokraten diesem Bundes-Tierschutzgesetz nicht zugestimmt. (Abg. Mag. Molterer: Jetzt wissen wir es!)

Meine Damen und Herren, es kommt ja noch etwas: Wir konnten nur mit viel Zähne­knirschen der Ausnahme zustimmen, dass Korallenhalsbänder für die Ausbildung und den Einsatz von Diensthunden gestattet werden. Um sich eine Vorstellung zu machen, was ein Korallenhalsband ist: Ich zeige es Ihnen, meine Damen und Herren. Das ist ein Korallenhalsband! (Der Redner hält ein Hundehalsband in die Höhe.) Wie Sie sehen, ist das sicherlich kein Halsband, das man unter normalen Umständen Hunden umbin­det. (Abg. Scheibner: Wo haben Sie das her? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Ihnen gehört es eh. Ich weiß eh, Sie brauchen es eh nachher zum Anlegen.

Meine Damen und Herren! Uns ist klar, dass Diensthunde im Einsatz zum Schutz des Lebens der Menschen anders behandelt werden müssen als normale Hunde; mit dem vorgegebenen Gesetzestext ist die Ausbildung und der Einsatz dieser Hunde gewähr­leistet.

Allein dieser eine Punkt zeigt, dass Tierschutz am Beginn dieser Verhandlungen nicht die oberste Prämisse der ÖVP war, sondern Lobbyismus die Triebfeder war beim Ein­stieg in die Verhandlungen über dieses Gesetz, wie auch in anderen Bereichen dieses Gesetzes zu bemerken war.

Meine Damen und Herren! Wichtig war im Zuge der Entstehung dieses Gesetzes ... (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) – Ich komme zum Schluss­satz: Dieses Bundes-Tierschutzgesetz, dem alle vier Parteien heute zustimmen wer­den und das acht Jahre lang von Seiten der ÖVP blockiert wurde, ist nun zustande gekommen, und es ist ein wirkliches Tierschutzgesetz zum Wohl und zum Schutz der Tiere in Österreich. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist doch ungeheuerlich! Entschuldigen Sie sich doch, Herr Abgeordneter, dass Sie einem Kollegen ein Hundehalsband angeboten haben!)

12.48

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann. – Bitte.

 



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12.48

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Liebe Minister! Werte Damen und Herren! Kollege Keck, drei Dinge: Das Anlegen eines Halsbandes an einen Kollegen – dafür sollten Sie sich entschuldigen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das entspricht wohl nicht ganz der Würde dieses Hauses.

Sie sollten sich auch bei der Exekutive entschuldigen, denn Sie können sich nicht hier herstellen und die Exekutive als Tierquäler hinstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schieder: Es ist um den Regierungsentwurf zum Tierschutzge­setz gegangen!) – Das war so, wenn Sie die Äußerungen verfolgt und zugehört haben.

Diejenigen, die zum Schutz der Menschen, zu unser aller Schutz Tiere ausbilden, in guten Ausbildungen und diese Arbeit gut erfüllen, dürfen nicht schlecht gemacht wer­den. (Abg. Mag. Wurm: Wieso? Es ging doch um den Regierungsentwurf!) Diese Tiere werden gut behandelt, und das wissen Sie ganz genau. Diese Tiere leben sogar größ­tenteils im Menschenverbund, leben mit den Menschen gemeinsam und kommen auch ihrer Arbeit nach und machen insgesamt eine gute Arbeit. (Abg. Mag. Wurm: Und was ist mit den Elektroschockgeräten? – Abg. Mag. Weinzinger: Stimmt es, dass die Aus­bildung mit Elektroschockgeräten erfolgt?) Insofern wäre auch eine Entschuldigung gegenüber der Exekutive angebracht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Drittens sollten wir uns schon überlegen, wie der Endentwurf jetzt aussieht. Sie wissen ganz genau, wie der Entwurf, der als Regierungsvorlage eingebracht worden ist, aus­gesehen hat. Es sind viele Dinge herausgenommen worden, wofür wir Freiheitliche uns eingesetzt haben. (Abg. Mag. Weinzinger: Sie sind doch in der Regierung, oder nicht?) Dass die chemischen Hilfsmittel draußen sind, dass die Stachelhalsbänder draußen sind, dass der Tier-Ombudsmann, der dann als Tieranwalt verankert wurde und den Sie sich auf Ihre Fahnen heften, mit in diesem Gesetz beinhaltet ist, all das ist schon im Regierungsentwurf, den ÖVP und FPÖ gemeinsam eingebracht haben, ent­halten gewesen.

In gemeinsamen Anstrengungen ist es jetzt auch noch gelungen, die eine oder andere Verbesserung zusätzlich hineinzubringen. Das sollten Sie in Ihren Ausführungen auch dazu sagen, damit Sie die Dinge so auf den Tisch legen, wie sie wirklich sind.

Gerade die SPÖ sollte sich so einen Redebeitrag wie jenen des Kollegen Keck besser überlegen. Sie sagen, Sie hätten lange, Sie hätten zehn Jahre lang für dieses Gesetz gekämpft. Ich frage Sie: Wer war denn vorher in der Regierung? Wer hat denn hier gekämpft? – Ich sage Ihnen: Sie haben es nicht geschafft, Ihren Regierungspartner zu überzeugen. Dieses Thema war Ihnen jahrelang nicht wichtig genug, um wirkliche Verbesserungen herbeizuführen und das umzusetzen und durchzusetzen. Es reicht nicht, nur laut zu rufen, zu unterschreiben und zu sagen: Wir unterstützen die Men­schen, die ein Volksbegehren machen. Das reicht nicht, sondern man muss auch Ta­ten setzen, man muss Aktivitäten setzen. Es reicht nicht, nur laut zu rufen, sondern man muss den festen und unbedingten Willen zur Umsetzung haben. Man muss aus­gestattet sein mit Verantwortung und Verantwortungsbewusstsein, und man muss die Möglichkeiten, die eben eine Regierung hat, auch nutzen.

Wir Freiheitliche haben das getan. Wir haben diese Möglichkeit genutzt, denn wir ha­ben es unter unserem Bundesparteiobmann Herbert Haupt zur Koalitionsbedingung gemacht. Wir sind in diese Regierung nur unter der Bedingung gegangen, dass es zu einem einheitlichen Bundes-Tierschutzgesetz kommt. Sie haben das anscheinend nie gemacht, denn sonst hätten wir es ja schon längst, und Sie bräuchten heute nicht zu bejammern, dass es so spät kommt. Sie hätten es schon jahrelang machen können! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Wir haben unsere Möglichkeiten genutzt. Unser Bundesparteiobmann hatte den Willen zur Umsetzung und hat die Verantwortung wahrgenommen. Wir haben es gemeinsam geschafft, Tiere als Mitgeschöpfe zu verankern. Es ist auch gut, dass vielleicht der eine oder andere im Zuge der Verhandlungen klüger geworden ist und heute mit dabei ist, bessere Dinge für die Tiere mit zu verankern.

Es geht jetzt darum, die Kontrolle wirklich durchzuführen, dass die Tier-Ombudsmän­ner, die Tieranwälte auch echte Möglichkeiten haben, weisungsfrei aktiv tätig zu wer­den. Es geht jetzt auch darum, in diesem gemeinsamen Geist, in dem dieses Gesetz heute und hier beschlossen wird, auch wenn man den letzten Redebeitrag nicht so ganz zu diesem gemeinsamen Geist dazu zählen kann, in der EU eine Lobby zu schaffen, die sich dafür einsetzt, dass wir gemeinsam auch EU-weit gute Standards zur Verringerung des Tierleids verankern. Dann wäre das ein echter Erfolg, den wir nicht nur in Österreich, sondern auch EU-weit erzielen könnten.

Es sollte uns nicht nur darum gehen, Tierleid zu verringern, sondern auch darum, Men­schenleid zu verringern, und zwar dort, wo in Gefängnissen Menschen wie Tiere be­handelt werden. Deshalb fordere ich Sie auch auf: Unterschreiben Sie die EU-weite Petition des Hans Kronberger gegen das Menschenleid im Irak! (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

12.54

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. – Bitte.

 


12.54

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich war ziemlich erstaunt, dass es zu dieser Einigung gekommen ist, denn viele Vier-Parteien-Einigungen hat diese Regierung ja nicht vorzuweisen, aber ich meine, dass wir da wirklich einen guten Schritt gemacht haben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Schuld daran tragen aber die Grünen und die SPÖ!)

Einige Anmerkungen noch zur Debatte: Ich denke, es ist unbestritten, und alle Exper­ten sagen das auch sehr, sehr deutlich, dass Diensthunde auch ohne E-Schocks hin­reichend abgerichtet werden können. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist ein zentraler und wichtiger Schritt, dass wir diese E-Schock-Geräte jetzt endlich gesetzlich vom Tisch bekommen haben. Meine Damen und Herren! Das bedeutet auch eine wichtige Signalwirkung an die Hundehalterinnen und Hundehalter, wo wir leider auch nach wie vor sehr viel Missbrauch feststellen müssen, wo es zum Teil noch grausliche Haltungsbedingungen gibt. Dem müssen wir nachgehen, das ist unser aller Verpflichtung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben allerdings in dieser Debatte zu Recht auch sehr intensiv über die Frage der Landwirtschaft und der landwirtschaftlichen Haltung von Tieren gesprochen. Ich meine, was heute beschlossen worden ist und was gemeinsam beschlossen wird, ist auch ein Auftrag an uns Konsumentinnen und Konsumenten, und als eine solche spreche ich hier. Ich bin keine Bäuerin, aber ich bin Konsumentin und an gesunden Lebensmitteln aus einer tiergerechten und artgerechten Haltung hoch interessiert.

Meine Damen und Herren! Es ist unser zentraler Auftrag, dass wir die Qualität und den Tierschutz durch Konsumentinnen- und Konsumentenverhalten belohnen müssen. Das ist zentral, da müssen wir hin – eine wichtige Voraussetzung! (Beifall bei den Grünen.)

Eine wesentliche Voraussetzung – und glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede – ist auch eine klare Kennzeichnung. Wir müssen am Ende des Tages ein Kennzeich­nungssystem haben, das nicht nur die wenigen Frischprodukte umfasst, sondern auch


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Fertigprodukte, hoch verarbeitete Produkte, wo an einfachen Symbolen für Konsumen­tinnen und Konsumenten erkennbar sein soll, welche Nahrungsmittel aus artgerechter Haltung stammen. Das muss so gestaltet sein, dass ich als Konsumentin kein Chemie­studium haben muss, damit ich verstehen kann, was darauf steht. Wir müssen Klarheit und Sicherheit für KonsumentInnen schaffen, auch weil wir wissen, dass der Anteil von Allergikern zunimmt, die zum Beispiel gerade durch den Einsatz von Medikamenten in der Tierzucht immer wieder Probleme bekommen können. Diese brauchen eine Kenn­zeichnung, sie brauchen sie dringender als alles andere.

Meine Damen und Herren! Das hilft den Produzentinnen und Produzenten im landwirt­schaftlichen Sektor, die gesetzeskonform wirtschaften, Tierleid und auch übermäßigen Medikamenteneinsatz vermeiden. Das ist zentral jetzt – auch eine Verpflichtung, die wir uns selbst auferlegen.

Ich möchte aber noch zu einem letzten Punkt kommen, den ich für wesentlich halte: die Ebene der Europäischen Union. – Ja, Herr Minister, wir werden dieses Lobbying gegen Tierleid in der Landwirtschaft europaweit durchziehen. Wir haben das immer schon getan, und ich kann Ihnen versprechen, dafür stehe ich auch. (Beifall bei den Grünen.)

Dazu gehört ein besonders grauslicher Punkt. Das ist der Tiertransport. Tiertransporte, so wie sie derzeit geregelt sind, sind eine schreckliche Sache. Immer wenn man an solchen Fahrzeugen auch nur vorbeifährt, oder wenn man die Skandale, die ab und zu aufflammen, beobachtet, sieht man, dass dringend eine Reduzierung der Tiertrans­porte stattfinden muss. Das hängt natürlich auch mit einem völlig entgleisten Förde­rungssystem für Exporte innerhalb der Europäischen Union zusammen.

Meine Damen und Herren! Wenn im Jahr 2003 67 Millionen € an Exportstützungen, die immer verbunden sind mit langen Transportwegen, im Budget der Europäischen Union vorgesehen waren, dann ist das ein Punkt, an dem wir arbeiten müssen. Das kann so keinesfalls weitergehen. Das ist ein wichtiger Auftrag! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Eine kleine Kritik, Herr Minister, muss ich an Ihnen aber schon noch anbringen. Herr Minister Haupt! Sie haben davon gesprochen, dass uns die Europäischen Union kriti­siert hätte, weil wir zu viel Tierschutz oder zu viel machten – es ist aber anders. Wenn es um die Tiertransporte geht, dann ist in Wirklichkeit kritisiert worden (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen) – ich komme gleich zum Schluss –, dass der Minister für Verkehr nicht die hinreichende Expertise zur Kontrolle hätte, dass Kontrol­len bei den Schlachthöfen nicht hinreichend dokumentiert waren. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Das war der entscheidende Punkt, meine Damen und Herren, weswegen wir kritisiert worden sind. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt abermals das Glockenzeichen.) Bringen wir das in Ordnung, dann haben wir noch mehr für den Tierschutz getan als heute! (Beifall bei den Grünen.)

13.00

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Grander. – Bitte.

 


13.00

Abgeordnete Maria Grander (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Her­ren Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Abgeordneter Keck, im Namen meines Kollegen Abgeordneten Rädler soll ich Ihnen sagen, er verzichtet auf eine Entschuldigung von Ihnen, bittet Sie aber, nach­weislich 70 € an einen Tierschutzverein zu überweisen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der Grünen.)


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Die Bestimmungen des Bundes-Tierschutzgesetzes zur Tierhaltung beziehen sich auf alle Tiere in Österreich – unabhängig davon, ob sie am Bauernhof, im Zoo, in der Tier­handlung oder in privaten Haushalten leben. Das Bundes-Tierschutzgesetz bezieht alle Tierhalter in die gesetzliche Verantwortung für das Wohlergehen der Tiere ein. Für die Haltung der Tiere wird es gemäß den Bestimmungen des Gesetzes detaillierte Verord­nungen geben. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Weil viele Verstöße gegen den Tierschutz Ergebnis mangelnden Wissens sind, legt das Bundes-Tierschutzgesetz auf Ausbildung und Information großen Wert. Damit die Tierhalter ihre Verantwortung wahrnehmen können, sind Tierhandlungen verpflichtet, ihre Kunden über die tiergerechte Haltung der gekauften Tiere zu informieren. Ich den­ke, jeder von uns, der Haustiere hat, hat dies bereits erlebt, wenn er Tiere für sich und seine Kinder gekauft hat.

Bund, Länder und Gemeinden werden vom Bundes-Tierschutzgesetz dazu verpflichtet, das Verständnis der Öffentlichkeit, vor allem der Jugend, für die Idee des Tierschutzes zu wecken und zu vertiefen. Damit wird die Förderung des Tierschutzes in ganz Öster­reich zum Thema.

Die Situation des Tierschutzes in Österreich wird künftig transparent und nachvollzieh­bar sein, weil es Berichte der Bundesländer gibt, die dann in einem Tierschutzrat be­handelt werden, um dort auf Expertenebene weitere Verbesserungsmöglichkeiten vor­zuschlagen.

Das Bundes-Tierschutzgesetz bringt klare Bestimmungen im Hinblick auf Tierquälerei, auf die Tötung von Tieren und auf Eingriffe an Tieren. Es ist verboten, einem Tier un­gerechtfertigt Schmerzen, Leid oder Schäden zuzufügen oder es in schwere Angst zu versetzen, wie etwa durch einseitige Zuchtauswahl, Einsatz von Stachelhalsbändern, elektrischen und chemischen Dressurgeräten, durch Tierkämpfe, Hunderennen auf Asphalt und hartem Boden, Reiz- oder Dopingmittel oder das Aussetzen von Haustie­ren. Das Aussetzen von Haustieren findet ja immer sehr saisonabhängig statt. Dieser Missstand tritt leider vor den Winter- und Sommerferien sehr häufig auf. Um diesem Aussetzen entgegenzutreten, wird es zudem Vorschriften zur elektronischen Kenn­zeichnung, also zum Chipen von Hunden und Katzen geben. Ich denke, das ist ein ganz wichtiger Schritt, um dafür zu sorgen, dass besonders im privaten Bereich, auf den ich mich in meinen Ausführungen sehr stark beschränkt habe, in der Heimtierhal­tung, der Tierschutz gewährleistet ist.

Tierschutz ist unteilbar! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Molterer: Herr Präsident! Zur Geschäftsordnung!)

13.03

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Abgeordneter Molte­rer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.04

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Es mag zwar der Abgeordnete Roderich Regler auf eine Entschuldigung verzichten (Rufe bei der ÖVP: Rädler! Rädler!), ich verzichte aber nicht auf den Wunsch eines Ordnungsru­fes an den Herrn Abgeordneten Keck für die Aussage, dem Herrn Abgeordneten möge das Halsband umgelegt werden.

Herr Präsident! Ich ersuche, das Protokoll dahin gehend zu kontrollieren! (Beifall bei der ÖVP.)

 


13.04


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Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter! Ich werde das Protokoll herbeischaf­fen lassen. Die Verhängung eines Ordnungsrufes obliegt aber dem vorsitzführenden Präsidenten. Ich werde also Ihre Anregung an Herrn Präsidenten Prinzhorn weiterlei­ten.

Ans Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. 5 Minuten Wunschrede­zeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


13.04

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich glaube, Herr Klubobmann Molterer, man sollte die sicher in Emotion gesprochenen Worte nicht ganz extrem interpretieren (Wi­derspruch bei der ÖVP), zumal dann, wenn der direkt Betroffene mit dieser Vorgabe, dass eine Spende an einen Tierschutzverein erfolgt, zufrieden ist. Meiner Meinung nach müsste das ausreichen. (Abg. Neudeck: Das war Vorsatz! Das ist doch keine Emotion gewesen!)

Meine Damen und Herren! Es ist sehr viel von Förderungen und Subventionen die Re­de, im medialen Bereich, aber auch hier von Seiten einzelner Redner. Ich möchte aus­drücklich sagen, die SPÖ ist dazu bereit, wenn es sich um sozial gerechte, ökonomisch und ökologisch sinnvolle Förderungen handelt. In diesem Sinne ist auch der Entschlie­ßungsantrag der SPÖ zu verstehen. Voraussetzung, Herr Bundesminister, ist aber, dass mit offenen Karten gespielt wird. Es fehlen aber nach wie vor Zahlen und Daten im Ständigen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses, der ja die Förderge­rechtigkeit untersucht.

Der Präsident der Landwirtschaftskammern hat uns wenig Auskunft gegeben, hat uns an Sie verwiesen. Sie haben uns an den Herrn Präsidenten verwiesen. Die Ladung von Auskunftspersonen wird abgelehnt.

Ich glaube, man sollte dieses Forum, diese Gelegenheit nützen, und es gibt das Ange­bot der SPÖ – dieser Ausschuss tagt ja noch bis November –: Verhandeln wir, disku­tieren wir Fördergerechtigkeit auch im Zusammenhang mit dem Tierschutz! Es kommt etwas Gescheites heraus, wie man heute sieht, wenn man mit der SPÖ diskutiert und verhandelt.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Sie sollten diese Chance nutzen. Sie haben nämlich nicht die Gewähr, dass Sie 2006 noch in der Bundesregierung sind. Wie ich den Medien entnehme, rennt man hier zum Bundeskanzler – das wird aber unter Um­ständen nicht ausreichen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die ÖVP 2006 noch in der Bundesregierung vertreten sein wird, sinkt Tag für Tag. Ich will jetzt gar nicht alles auf­zählen – von den Eurofightern über die verfehlte Arbeitsmarktpolitik bis zur Kontroll­verweigerung. Also nutzen Sie die Chance, dass Sie in diesen wichtigen Förderberei­chen den Konsens mit der SPÖ finden! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, zurück zu Tierschutzanliegen. – Auch im Bereich der Fischerei gibt es wichtige Tierschutzanliegen; ich nenne beispielsweise nur das Verbot von Lebendködern oder das Verbot von Wettfischen. Aber leider hat es in diesem Be­reich kein Interesse gegeben, zu einem Ergebnis zu kommen. Wir haben ja bekanntlich einen Antrag der SPÖ im Ausschuss gehabt, im Bereich der Fischerei mit einem Bun­desrahmengesetz auch Tierschutzinteressen zu regeln. Es hat zu diesem Thema nur eine einzige Wortmeldung gegeben, und die war von einer sehr uninformierten Kolle­gin. Wir wollen wegen der Peinlichkeit dieser Ausführungen nicht näher darauf einge­hen – breiten wir den Mantel des Schweigens darüber!

Meine Damen und Herren! Ich werde diesen Antrag auf ein einheitliches Gesetz für die Fischerei heute neuerlich einbringen. Mehr als 400 000 Österreicherinnen und Öster-


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reicher, Herr Minister, haben Interesse an der Fischerei. Die Teichwirtschaft ist ein ganz wichtiger Zweig.

Meine Damen und Herren! Es geht hier um sehr wichtige Angelegenheiten! Es gibt hier, genauso wie es beim Tierschutz war, eine zersplitterte Rechtsmaterie. In den ein­zelnen Ländern sind beispielsweise die Fischereiprüfungen unterschiedlich geregelt. Das ist alles sehr kompliziert mit den Bezirkshauptmannschaftskarten. Die Kormoran-Problematik ist eine wirklich erdrückende. Das gehört dringend österreichweit im Sinne der Teichwirtschaft und der Fischerei geregelt! Und es müssen auch Maßnahmen ge­gen einen drohenden Ausverkauf von Fischereirechten getroffen werden. Auch das ist eine wichtige Angelegenheit. Man muss sich auch darüber unterhalten, ob es sinnvoll ist, dass die Elektrizitätswirtschaft Fischereirechte besitzt, und über sehr vieles mehr.

Ich kann zu einem ganz kleinen Grad verstehen, dass man auf Grund der Komplexität der Gesamtmaterie die Interessen der Fischerei nicht mit behandelt hat, aber es ist, glaube ich, schleunigst daran zu gehen, auch diese Materie sinnvoll zu regeln.

Meine Damen und Herren! Das Bundes-Tierschutzgesetz ist ein großer Schritt, ein richtiger und ein guter Schritt, aber auch ein Bundesrahmengesetz für die Fischerei ist ein richtiger Schritt, ein kleinerer, aber ein ebenso wichtiger. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.09

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


13.09

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Herr Abgeordneter Kräuter, ich möchte zuerst zu Ihnen etwas sagen. Auch mir ist es äußerst wichtig, dass auch be­züglich der Fischerei etwas geregelt wird. Mich stört es zum Beispiel immer, ja mich trifft es ins Herz, wenn ich beispielsweise in einem Restaurant sehe, dass 50 Fische in einem winzigen Aquarium herumschwimmen und es eigentlich jeder als selbstver­ständlich hinnimmt, dass er dort einen Fisch bestellt und diesen dann auf seinen Teller bekommt. Ich glaube, da wäre es dringend notwendig ... (Abg. Dr. Kräuter: Das hat mit Fischen zwar nichts zu tun, aber Sie haben Recht!) – Ja, nicht viel mit der Fischerei zu tun, aber mit der Tierhaltung hat es etwas zu tun. Also ich glaube schon, dass man da noch nachbessern muss.

Das ist ja wirklich interessant: Obwohl wir in einer so hoch zivilisierten und hoch entwi­ckelten und gebildeten Gesellschaft leben, ist die Einstellung Tieren gegenüber in sehr vielen Bereichen noch nicht so hoch entwickelt. Man glaubt immer, Tiere fühlen nicht dieselben Schmerzen wie die Menschen, sie empfinden den Freiheitsentzug, die Miss­stände nicht so wie die Menschen. Ich glaube, dass es dringend notwendig ist, die Sensibilisierung in diesem Bereich zu heben.

Beispielsweise gäbe es ja nicht die Käfighaltung in einem so winzigen Käfig, wenn hier eine Sensibilisierung vorhanden wäre, wenn die Menschen ein Empfinden dafür hätten, dass Tiere genauso leiden wie Menschen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mir tut es eigentlich nicht Leid, dass so lange über das Tierschutzgesetz diskutiert wor­den ist, denn auch die Diskussion hat etwas dazu beigetragen, dass die Sensibilisie­rung geweckt wird. Ich glaube, dass dieses Gesetz jetzt ein wichtiger Schritt ist, um eben das Verständnis für Tiere und auch für das Leid der Tiere zu verbessern. Ich fin­de, dieses Verständnis ist die beste Basis oder die beste Garantie dafür, eine noch viel bessere Garantie als jedes Gesetz, dass sich etwas ändert, dass Tiere besser behan­delt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Es ist heute schon auf die Inserate des Bauernbundes eingegangen worden. Einer solchen positiven Sensibilisierung nützen natürlich solche Inserate nicht, wenn da unter dem Bild von gepflegten Händen steht: Die einen machen ihr politisches Geschäft, und unter dem Bild von abgearbeiteten Bauernhänden: Die anderen sollen schauen, wie sie mit ihrer täglichen Arbeit überleben. – Solche Inserate tragen nicht gerade dazu bei, diese Sensibilisierung für das Leid der Tiere, für eine bessere Tierhaltung zu fördern. Ich glaube, da sollte auch der Bauernbund etwas umdenken. (Beifall bei den Freiheitli­chen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Natürlich gibt es Berufsgruppen, die ihren Lebensunterhalt aus der Tierhaltung erwirt­schaften, und diese sind eher geneigt oder auch der großen Gefahr ausgesetzt, dass sie ihre wirtschaftlichen Interessen über den Tierschutz stellen. Zu einem gewissen Grad sehe ich das auch ein, weil es ja um die Existenzgrundlage von vielen Bauern geht, aber deshalb muss ja ein Gesetz nachhelfen, muss strenge Bestimmungen schaffen, muss Standards schaffen, damit eben dieser individuelle wirtschaftliche Nut­zungsgedanke etwas in Schranken gehalten wird.

Ich bin auch der Meinung, dass dieses Gesetz mit seinen hohen Strafdrohungen von 2 000 € Mindeststrafe geeignet ist, dieses Bewusstsein zu steigern, und ich hoffe wirk­lich, dass, wenn solche Tierquälereien festgestellt werden, dieses Gesetz mit seinen strengen Strafbestimmungen tatsächlich Anwendung findet.

Auf der anderen Seite bin ich aber auch überzeugt davon, dass für die Bauern eine große Unterstützung geleistet werden muss, damit sie die Standards einhalten können, ohne wirtschaftlich zugrunde zu gehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Ich glaube aber auch – und ich bin sehr froh, dass Herr Bundesminister Haupt das an­geschnitten hat –, wir müssen in Zukunft die Konsumenten viel mehr aufklären, woher die Lebensmittel kommen. Jetzt wissen wir überhaupt nicht, woher beispielsweise die Eier kommen. Da steht drauf „Freilandhaltung“ (Ruf bei der SPÖ: Von den Hennen!) – von den Hennen, ja; dieser Einwurf ist sehr „gescheit“ –, aber wir wissen nicht, aus welchem Land sie kommen. Ich habe erst auf Grund des Hühnerskandals in Asien er­fahren, dass wir Hühnerfleisch aus Thailand beziehen, und ich bin überzeugt davon, mit diesem Unwissen stehe ich nicht allein da. (Ruf bei der ÖVP: Eier auch!) Ja, Hüh­nerfleisch oder auch Eier. Ich bin dafür, dass wir eine ganz strenge Kennzeichnungs­pflicht einführen, Herr Bundesminister. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Gibt es schon!) Ja, es gibt eine (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Noch mehr!), aber soviel ich weiß, bekom­men alle Tiere, die hier geschlachtet werden oder zu 50 Prozent aus Österreich stam­men, den Vermerk: Fleisch aus Österreich. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Nein!) So ähnlich ist das! Sagen Sie nicht nein, so ähnlich ist das! Da muss man wirklich drauf­schreiben: Dieses Hühnerfleisch kommt aus Thailand, dieses Ei kommt aus Tsche­chien, aus der Käfighaltung und so weiter. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Ich glaube, dass wir damit sehr viel zum Schutz unserer Bauern und auch zur Be­wusstseinsbildung unserer Konsumenten beitragen können.

Ein Wort noch zum Schluss. Ich bin wirklich sehr froh darüber, dass wir heute dieses bundeseinheitliche Tierschutzgesetz über alle Parteigrenzen hinweg geschaffen ha­ben. Ich finde es wirklich sehr schön, dass wir heute in den Genuss dieses seltenen Erlebnisses kommen, und ich fordere die Opposition auf, öfter mitzutun, wenn es dar­um geht, gemeinsame Gesetze zu schaffen. Es ist doch sehr schön, wenn wir applau­dieren, wenn die SPÖ etwas sagt, wenn die SPÖ applaudiert, wenn die ÖVP etwas sagt, wenn wir uns gegenseitig Anerkennung zollen.


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Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir dürfen nicht nur über die Verhält­nisse in Österreich glücklich sein, sondern wir müssen auch über die Grenzen schau­en, gerade in EU-Länder im Süden Europas: Da gibt es ganz entsetzliche Situationen, unter denen Tiere leiden: Hunde, die an ganz engen Ketten angebunden sind, den ganzen Tag, die ganze Nacht, wahrscheinlich ihr ganzes Leben lang, Ziegen, Schafe, Esel, die in der brennenden Sonne angebunden stehen, sich nicht wegbewegen kön­nen. Ich glaube, da müssen wir etwas tun, dass diese tolle, positive österreichische Gesetzgebung auch nach außen wirkt.

Herr Bundeskanzler Schüssel hat schon gesagt, er möchte, dass dieser Tierschutz, den wir in Österreich haben, zu einem Europa-Thema wird, und ich glaube, wir sollten ihn dabei unterstützen. Ich richte noch einmal den Appell an den Herrn Bundeskanzler, alles zu unternehmen, damit alle EU-Länder und später auch alle Länder der Welt zu einem so hohen Tierschutzniveau kommen, wie wir es in Österreich haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.16

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Abgeordneter Eßl. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


13.17

Abgeordneter Franz Eßl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Ich darf eingangs folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Mag. Ulrike Sima, Wittauer, Mag. Brigid Weinzinger zum Bericht des Verfassungsausschusses in 509 der Beilagen über die Anträge

2/A der Abgeordneten Dr. Wolfgang Schüssel, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz (B-VG) in der Fas­sung von 1929 geändert wird (Bundesverfassungsgesetz-Novelle 2003),

5/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­verfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz zur Begründung der Ge­setzgebungskompetenz des Bundes in Angelegenheiten des Tierschutzes geändert wird,

9/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz über den Schutz von Tieren (Tierschutzgesetz - TSchG),

12/A der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz zum Schutz der Tiere (Bundes-Tierschutzgesetz - TSchG),

127/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasche Vorlage eines Bundes-Tierschutzgesetzes im Sinne des Volksbegehrens für ein Bundes-Tierschutzgesetz und

184/A (E) der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines Bundesrahmengesetzes für die Fischerei durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft sowie

über die Regierungsvorlage (446 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Tierschutzgesetz erlassen sowie das Bundes-Verfassungsgesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Bundesministeriengesetz 1986 geändert werden


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Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Bericht des Verfassungsausschusses (509 der Beilagen) angeschlossene Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. In Artikel 2 § 4 Z 10 wird der Punkt am Ende durch einen Strichpunkt ersetzt.

2. In Artikel 2 § 38 erhält der zweite der beiden mit „(6)“ bezeichneten Absätze die Be­zeichnung „(7)“.

3. In Artikel 3 wird im Einleitungssatz die Wortfolge „zuletzt geändert durch das Bun­desgesetz BGBl. I Nr. 109/2004 und die Kundmachung BGBl. I Nr. 49/2004“ durch die Wortfolge „zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 48/2003 sowie die Kundmachungen BGBl. I Nr. 109/2003 und BGBl. I Nr. 49/2004“ ersetzt.

Begründung:

Es handelt sich um formale Korrekturen.

*****

Ich darf nun zum Inhalt dieses Gesetzes kommen.

Ich habe es schon einigermaßen interessant gefunden, dass der Kollege Gusenbauer, der jetzt natürlich nicht mehr da ist, weil das Fernsehen auch nicht mehr da ist, wörtlich gesagt hat: Den Interessen der Tierschützer muss Rechnung getragen werden! (Abg. Dr. Wittmann: Wo ist der Molterer?) Das heißt, eigentlich geht es da nur um Wähler­stimmen. Uns – und das traue ich mich zu behaupten – geht es um die Tiere und auch um die Menschen, die Tiere halten.

Ich bin zwar froh, dass wir bei diesem Gesetz zu einer Einigung gekommen sind, aber Jubelstimmung wird natürlich bei mir als Interessenvertreter der Bauern nicht ausbre­chen können. Wir wissen, dass die Landwirtschaft ein Wirtschaftszweig, ein Wirt­schaftsfaktor ist, und ein Gesetz wie dieses bedeutet natürlich für diesen Wirtschafts­zweig eine Einschränkung. Und Auflagen und Einschränkungen bedeuten eine Schwä­chung der Wirtschaftskraft, eine Verlagerung der Produktion nach außen, und das Ge­setz wird auch Auswirkungen – und das möchte ich auch in aller Deutlichkeit sagen – auf den Arbeitsmarkt haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn dort und da versucht wird, den Eindruck zu erwecken, dass die Bauern eigent­lich den Tierschutz nicht wollen, dann möchte ich dem massiv entgegenhalten: Das Gegenteil ist der Fall! Die Bauern praktizieren tagtäglich den Tierschutz im Umgang mit den Tieren. Aber höhere Standards, die wir durchaus akzeptieren, verursachen auch höhere Kosten. Die Bauern – das muss man halt auch einmal deutlich sagen – müssen aus der Tierhaltung ihr Einkommen schöpfen und davon leben, und darum brauchen wir in dieser Phase jetzt das Bündnis mit den Konsumenten. Und die Abstimmung über dieses Gesetz, ob es ein gutes ist oder nicht, wird im Supermarkt, aber auch in der Lebensmittelindustrie und in den Großküchen stattfinden. Sie alle sind aufgerufen, uns dabei zu unterstützen.

Es gäbe noch vieles zu sagen, aber die Zeit ist knapp.

Abschließend darf ich zusammenfassend festhalten: Erstens: Der Tierschutz ist mir ein ganz wichtiges Anliegen.

Zweitens: Die Bauern praktizieren tagtäglich den Tierschutz im Umgang mit den Tie­ren.


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Drittens: Der Mensch steht für mich weiterhin im Mittelpunkt des Handelns – auch im Hinblick auf die zukünftigen Verfassungsziele. Daher der Appell an alle: Denkt an die Tiere! Denkt aber nicht nur an die Tiere, sondern denkt vor allem an die Menschen! Und denkt auch an unsere Bauern, denn das Land braucht seine Bauern! Die ÖVP und der Bauernbund stehen dazu. (Beifall bei der ÖVP.)

13.21

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Herrn Abgeordnetem Eßl eingebrachte Abände­rungsantrag der Abgeordneten Baumgartner-Gabitzer, Sima, Wittauer, Weinzinger und Eßl ist hinreichend unterstützt und steht hiemit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. Redezeit: 5 Minu­ten. – Sie sind am Wort, Herr Abgeordneter.

 


13.21

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich glaube, dass es auf Grund der Anstrengun­gen aller hier im Parlament vertretenen Parteien gelungen ist, ein durchaus respektab­les Ergebnis im Hinblick auf den Tierschutz zu erzielen. Aber man muss schon festhal­ten, dass eine Regierungsvorlage eingebracht wurde, die weit entfernt war von diesem Ergebnis und die offensichtlich auch die Zustimmung beider Regierungsparteien ge­habt hat, sonst wäre sie nicht durch den Ministerrat gekommen.

Das heißt, eigentlich erst im Zuge der Diskussion und durch das Einbringen der Sozi­aldemokraten und der Grünen ist dieses Gesetz, das heute hier vorliegt, möglich ge­worden, denn die Regierungsvorlage war weit entfernt von diesem Ergebnis, das wir mit diesem heutigen Gesetz erzielt haben.

Es ist eine Form des gelebten Parlamentarismus, dass man sich hier im Parlament einmal darübertraut, eine Regierungsvorlage fast zur Gänze zu verhindern. Ich glaube, dass alle Beteiligten da gute Arbeit geleistet haben.

Ich möchte nur noch zwei Punkte anmerken.

Erster Punkt: Im § 33 Absatz 2 ist als Rechtsmittelinstanz der UVS angeführt. Die Problematik dabei – und diese war uns sehr wohl im Ausschuss bewusst – ist die, dass bei Artikel-11-Materien der Bundesverfassung, wenn der UVS als Rechtsmittelinstanz für zuständig erklärt wird, die Zustimmung aller Länder notwendig ist. Das heißt, selbst dann, wenn wir dieses Gesetz jetzt beschließen, heißt das noch lange nicht, dass es auch tatsächlich in Kraft tritt, weil die Zustimmung aller Länder noch aussteht. Aber ich bin guter Dinge, dass es diese Zustimmung auch geben wird, nachdem alle Parteien auch in den Ländern vertreten sind.

Zweiter Punkt – ein Punkt, der ebenfalls auf das In-Kraft-Treten dieses Gesetzes Aus­wirkungen hat –: Es ist in vielen Einzelbestimmungen dazu übergegangen worden, dass dieses Gesetz erst dann in Kraft tritt, wenn die in manchen Einzelbestimmungen geforderten Verordnungen erlassen werden. Das heißt, diesbezüglich muss dann letzt­endlich der zuständige Minister die Verordnungen erlassen, um ein In-Kraft-Treten der Einzelbestimmungen zu gewährleisten. Auch das ist nämlich eine Möglichkeit, das In-Kraft-Treten zu verzögern beziehungsweise scheitern zu lassen. Aber auch da bin ich guter Dinge, dass die entsprechenden Verordnungen erlassen werden, nachdem die Verordnungen im Text schon enthalten sind.

Die diesbezügliche Ausschussfeststellung, dass das bis 1. Jänner 2005 zu geschehen hat, sollte eine Gewähr dafür sein, dass auch die zuständigen Minister mit den Verord­nungen im Zeitrahmen bleiben.


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Das vorliegende Gesetzeswerk sieht anders aus als die eingebrachte Regierungsvor­lage. Es ist ein Gesetz, das noch zwei Hürden zu nehmen hat, das aber die größte Hürde bereits genommen hat, nämlich, dass hier im Parlament ein Vier-Parteien-Antrag zustande gebracht wurde, was bei einer so wichtigen Materie ein Zeichen guten Einverständnisses bei einer Sachfrage ist.

Daher glaube ich letztendlich sagen zu können, dass bei diesem Gesetz die Lebewe­sen gesiegt haben und die Vernunft den Lebewesen zu Hilfe geeilt ist. In diesem Sinne sollte man, glaube ich, dieses Gesetz beschließen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.25

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. Wunschredezeit: 2 Minuten. Das ist seine zweite Wortmeldung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.25

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Um noch einmal klarzustellen, wie wichtig für die Regierungsparteien FPÖ und ÖVP die Interessen der Bauern im Zusammenhang mit diesem Gesetz sind, möchte ich hier noch einen Entschließungsantrag, den ich in meinem ersten Redebeitrag bereits angesprochen und erläutert habe, einbringen.

Dieser Entschließungsantrag der Abgeordneten Grillitsch, Scheuch, Kolleginnen und Kollegen betrifft den Schutz der Bauern und die auf sie zukommenden Probleme im Zuge der Umsetzung dieses Tierschutzgesetzes.

Der Nationalrat wolle beschließen, dass die Bundesregierung zu ersuchen ist, auf EU-Ebene Initiativen zu ergreifen, um die Tierschutzstandards EU-weit zu harmonisieren.

Des Weiteren sollen Maßnahmen gesetzt werden, die die Konsumentinnen und Kon­sumenten dahin gehend sensibilisieren, beim Kauf von Lebensmitteln mitzuhelfen, die Bauern und Bäuerinnen zu unterstützen.

Darüber hinaus soll es für Investitionsmaßnahmen, die im Zuge der Umsetzung dieses Bundes-Tierschutzgesetzes nötig werden, im Budget eine entsprechende Bedeckung finden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.26

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter! Der Antrag liegt in schriftlicher Form vor. Sie haben ihn nicht wörtlich verlesen, aber ich gehe davon aus, dass Sie ihn wört­lich eingebracht haben wollen. Er wird daher verteilt, steht mit in Verhandlung und wird dann auch abgestimmt werden.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Grillitsch, Scheuch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Maß­nahmenpaket für die heimische bäuerliche Landwirtschaft zur erfolgreichen Umsetzung des Bundestierschutzgesetzes zu TOP 1

Ab dem 1.1.2005 hat Österreich das modernste Tierschutzgesetz Europas. Die Eini­gung der 4 Parlamentsfraktionen auf Basis der Regierungsvorlage war der entschei­dende Schritt für bundesweit einheitliche Standards in Tierschutzangelegenheiten.

Für die heimische Landwirtschaft hat das Bundestierschutzgesetz besondere Bedeu­tung: Tierhaltung stellt die wirtschaftliche Grundlage für 140 000 heimische Betriebe dar. Für diese Betriebe bedeuten die neuen Anforderungen, die das Bundestierschutz-


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gesetz mit sich bringt, eine große Herausforderung. Besonders tierfreundliche Hal­tungssysteme in der Nutztierhaltung und der Ausstieg aus der Käfighaltung machen für die Betroffenen eine betriebliche Neuorientierung und Investitionen erforderlich.

Die Beschlussfassung des Bundestierschutzgesetzes im Nationalrat bedeutet eine Neuorientierung für den Tierschutz in Österreich. Nachhaltiger Erfolg ist dann gewähr­leistet, wenn tierschutzgerechte Produktionsweisen sich auch dauerhaft auf dem öster­reichischen Markt durchgesetzt haben. Den Konsumentinnen und Konsumenten kommt dabei durch ihre bewusste Entscheidung für heimische Produkte eine wichtige Rolle zu.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht,

auf EU-Ebene Initiativen zu setzen, um die Tierschutzstandards EU-weit zu harmoni­sieren und nach dem Vorbild der Ziele und Inhalte des Österreichischen Bundestier­schutzgesetzes zu gestalten;

Maßnahmen zu setzen, die das Bewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten beim Kauf von Lebensmitteln stärkt, die unter unseren hohen Standards produziert werden, und an den österreichischen Handel zu appellieren, Produkte aus artgerechter Tierhaltung aus Österreich bevorzugt anzubieten und dabei eine Preisgestaltung vor­zunehmen, die den hohen Produktionsstandards in der österreichischen Tierhaltung gerecht wird;

die aufgrund des neuen Bundestierschutzgesetzes nötig werdenden Investitionsmaß­nahmen (Ausstieg aus der Käfighaltung, besonders tierfreundliche Haltungssysteme in der Nutztierhaltung) in den Verhandlungen zu den kommenden Budgets entsprechend den Notwendigkeiten abzusichern.“

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner: Abgeordneter Donabauer. Wunschre­dezeit: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.27

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wer eine Lösung will, der sucht einen Weg. Wer sie nicht will, der sucht ein Argument. Ich denke, wenn man die heutige Diskussion verfolgt hat, dann kann man sehr deutlich eines erkennen: dass sehr viele die Elternschaft für dieses Gesetz anmelden.

Faktum ist, dass es diese Bundesregierung war, die alle hier im Parlament vertretenen Parteien zur Mitarbeit eingeladen und mit ihnen gemeinsam hart gearbeitet und dieses Gesetz heute zur Beschlussfassung vorgelegt hat, ein Gesetz, das, wie von allen Sei­ten anerkannt wird, natürlich seine guten Seiten hat, aber auch offene Fragen hinter­lässt, das aber insgesamt ein Meilenstein ist, für den man wirklich ein Kompliment machen und sagen kann: Es ist enorm viel geleistet worden, ein Danke an alle! – Von uns vor allem dir, Ulrike Baumgartner!


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Tierschutz ist ein hoch emotionales Thema, das wissen Sie alle. Es erfordert höchste Sensibilität, das wissen wir auch. Es braucht aber auch enormes Verantwortungsge­fühl, und es braucht in vielen Bereichen ein neues, klares Bewusstsein.

Dieses Gesetz, das wir heute hier vorliegen haben, regelt – und das ist das Beson­dere – nicht nur einen Teilbereich im Tierschutz, sondern regelt, wie der Herr Bundes­kanzler gesagt hat, die gesamte Tierhaltung Österreichs. Das ist unser aller Ver­dienst! Das ist in Wahrheit die große inhaltliche Bedeutung dieses Gesetzes!

Wir sind ein bisschen weggekommen von der Fokussierung auf die Landwirtschaft. (Abg. Gradwohl: Du drehst den Fokus wieder dorthin!) Ich bitte, doch zuzugeben: Un­zulänglichkeiten gab es da wie dort, und das wird mit diesem heutigen Gesetz abge­stellt. Es war ein großer Spagat, keine Frage! Es gab eine ungemein hohe Erwartung in der Öffentlichkeit und in der Gesellschaft – politisch gemacht. Es ging um Existenz­fragen vieler Menschen. Das reicht bis hin zur Kultur- und Landschaftspflege, die wir alle haben wollen und die auch morgen noch möglich sein muss.

Meine Damen und Herren! Die bäuerlichen Betriebe und die bäuerlichen Familien brauchen Perspektiven, und ich freue mich, dass wir in letzter Konsequenz auch da einen Weg gefunden haben.

Ich freue mich auch, dass wir sagen können: Jawohl, wir können uns darauf verlassen, dass das, was heute hier vorliegt, auch morgen, auch in fünf, in zehn Jahren noch Gül­tigkeit hat! Wir können nun in dieser Richtung weiterarbeiten und brauchen uns nicht mehr an neun Länderregelungen, die es ab nun nicht mehr geben wird, zu orientieren.

Es geht dabei aber noch um viel mehr, nämlich darum, dass die Verunsicherung ein Ende hat! (Abg. Gradwohl: Gieß nicht Öl ins Feuer!) Ich bitte Sie, erinnern Sie sich doch an die unerlaubten Zutritte in den Betriebsstätten! Das war doch nicht korrekt. Das musste doch, bitte, wirklich endlich einmal abgestellt werden.

Es geht bei diesem Gesetz auch darum, dass es nicht nur eine gute Sache in Öster­reich und für Österreich ist, sondern auch eine ganz bedeutende Botschaft für ganz Europa. Dieses Gesetz stellt quasi eine Einladung an die anderen EU-Länder dar, bei sich selbst möglichst bald auch diese Standards einzuführen. Das wäre wichtig, sonst ist die Wettbewerbsgleichheit bei Gott nicht gegeben! (Zwischenruf des Abg. Grad­wohl.)

Lieber Heinz Gradwohl! Wenn du mich hier ansprichst, dann sage ich dir auch ganz klar: Jawohl, das habe ich gesagt! Es hat keinen Sinn, davon etwas zurückzunehmen. Ich war aber auch nicht erfreut, als ich heute früh, als ich ins Parlament ging, draußen mit diesem Zettel (der Redner hält ihn in die Höhe) konfrontiert worden bin, auf dem steht, dass dieses Gesetz ein katastrophales Gesetz sei. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Gradwohl.)

Lieber Heinz Gradwohl! Wir verstehen uns sonst sehr gut, aber auch ein Kollege von dir – es dürfte sich um einen Bundesrat gehandelt haben – hat gesagt, wenn die schwierigen Probleme für die Landwirtschaft nicht gelöst werden, dann müssen die bäuerlichen Betriebe zusperren. Im nördlichen Teil Niederösterreichs, wurde gesagt.

Sorge um das Ganze hatte also nicht nur Donabauer, sondern Sorge hatten mehrere! (Abg. Binder: Auch wir haben Sorge!) Ich habe das an jenem Tag gesagt, Kollege Gradwohl, an dem es die Parteieneinigung gab, als die Übergangsbestimmungen noch nicht endformuliert waren. (Zwischenruf des Abg. Gradwohl.)

Lieber Kollege Gradwohl! Ich denke, es darf wohl sein, dass man in ganz besonderen Situationen auch das artikuliert, was unser aller Anliegen bei dieser Sache ist. (Abg. Gradwohl: Aber wie!)


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Ich möchte noch auf einige Dinge Bezug nehmen, und das sind für mich die besonde­ren Eckpfeiler: im § 42 der Tierschutzrat und in weiterer Folge der Tierschutzbericht; alle zwei Jahre kommt ein solcher Bericht ins Parlament. Das ist doch schon etwas Positives, und das muss man auch aufzeigen!

Weiters: § 18, in dem die Zulassung bei Haltungssystemen geregelt ist.

Zu erwähnen sind auch die Übergangsregelungen und der § 1, den Sie lesen sollten.

Abschließend möchte ich sagen: Wir alle haben Verantwortung für das Tier als Mitge­schöpf! Und ich glaube, dieses Gesetz ist ein gutes Gesetz, eines, dem wirklich alle zustimmen können. (Beifall bei der ÖVP.)

13.32

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Fleckl für 5 Minuten ans Rednerpult. – Bitte.

 


13.32

Abgeordnete Anita Fleckl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Donabauer, es ist wirklich schade, dass Sie anlässlich eines Vier-Parteien-Antrages nichts Besseres zu tun wissen, als zu polemisieren. Es ist wirk­lich schade! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Würde der Tiere hat gewonnen – und nicht die Polemik! Nach einem jahrzehnte­langen Ringen ist nun endlich eine Einigung auf ein bundesweites Tierschutzgesetz gelungen, und diese kann als parlamentarischer Meilenstein bezeichnet werden. Das Verhandlungsergebnis ist dank sozialdemokratischer und grüner Verhandlerinnen und Verhandler mehr als herzeigbar und bringt zahlreiche Verbesserungen, und zwar in erster Linie für die Tiere, aber auch für Konsumentinnen und Konsumenten wie auch für unsere hochgeschätzten Landwirte.

Die geplante Verankerung des Tierschutzes in unserer Verfassung verleiht dem Schutz des Lebewesens den nötigen Stellenwert, damit Tier und Mensch zu ihren Rechten kommen. Erfreulich ist, dass sich die SPÖ in einigen sehr wesentlichen Punkten gegen den Widerstand von so manchen hier im Saal hat durchsetzen können, wie zum Bei­spiel beim Aus der Legebatterien im Jahr 2009 – immerhin drei Jahre vor dem von der EU geforderten Termin.

Man sieht, wenn Sie etwas kompromissbereiter sind, dann kann es auch gelingen, EU-Richtlinien nicht erst Monate oder Jahre nach den Terminen, die vorgegeben werden, umzusetzen.

Gute Lösungen konnten gefunden werden, um unseren Landwirten die Umstellung auf Volieren zu erleichtern. Unsere Landwirte müssen aber auf dem freien Markt konkur­renzfähig bleiben können, und es wird wohl in der Verantwortung jedes Einzelnen – auch jedes Einzelnen hier im Raum – liegen, die hochwertigen Lebensmittel unserer Bauern zu kaufen, die in den Verkaufsregalen stehen. Dann profiitieren nämlich Kon­sumenten, Landwirte und Tiere.

Der Beharrlichkeit unserer sozialdemokratischen Verhandlerinnen und Verhandler ist es zu verdanken, dass es nun – zum Leidwesen, möchte ich sagen, der Kolleginnen und Kollegen in den Regierungsparteien – endlich einen Tierschutzobmann oder eine Tierschutzobfrau geben wird. Dass dieser beziehungsweise diese noch dazu wei­sungsfrei und berichtspflichtig gegenüber der jeweiligen Landesregierung und dem Nationalrat sein wird, kann nicht oft genug betont werden, weil dies den optimalen Schutz des Tieres Gewähr leisten wird.


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Nicht verstehen kann ich Ihre Ängste, denn es müsste, denke ich, auch in Ihrem Inter­esse liegen, dass der Schutz des Tieres gewährleistet wird. Daher ist mir dieser Um­stand völlig unverständlich.

Ich denke, Ihre Ängste werden sich als unbegründet herausstellen, denn durch die zweijährigen Berichte ist gesichert, dass auch dieses Gesetz nicht der Weisheit letzter Schluss sein wird. Verbesserung gibt es durch Erfahrung, die durch praktisches An­wenden gewonnen werden kann.

Tierschutz und Tierrechte sind nicht statisch, sie entwickeln sich fort und sind gesell­schaftlichem Wandel, gesellschaftlichen Entwicklungen unterworfen. Für Wandel und Entwicklung steht symbolisch unsere Jugend. Gerade unserer Jugend ist der Schutz des Lebewesens ganz besonders wichtig, und sie würde, denke ich, vieles in diesem Gesetz wohl noch viel schärfer formulieren, denn unserer Jugend ist es wichtig, dass das Lebewesen geschützt wird. Sie legt großen Wert darauf, dass auch Tiere zu ihrem Recht kommen. Lernen wir auch in Zukunft, in solchen Dingen auf unsere Jugend zu hören, auf unsere jüngsten Mitbürger, die einen natürlichen Zugang zu dieser Materie entwickeln! Sie werden uns irgendwann daran messen, was wir hier beschlossen haben und was wir hier in weiterer Folge beschließen werden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Auf den Punkt gebracht: Das Thema Tierschutz ist ein sehr sensibles, und ebenso sensibel sollten wir als Politikerinnen und Politiker sein, wenn wir als Gesetzgeber dar­über entscheiden, unter welchen Bedingungen Tiere gehalten werden. Aber ebenso sensibel müssen wir auch dann sein, wenn es darum geht, dass die Existenz unserer Landwirte gesichert ist. Sie können sicher sein, dass dies auch ein ganz dringendes Anliegen meiner Fraktion ist und nicht gepachtetes Recht einiger weniger hier im Saal.

In diesem Sinne bin ich überzeugt, dass das Bundes-Tierschutzgesetz ein erster Schritt in die richtige Richtung ist und zur weiteren Bewusstseinsbildung beitragen wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.36

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wattaul. 3 Minu­ten Wunschredezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.36

Abgeordneter Anton Wattaul (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Auch ich freue mich, dass wir jetzt ein einheitliches Bundes-Tierschutzgesetz bekom­men. In meinen Ausführungen widme ich mich vor allem der Anbindehaltung. Das ist in meiner Region wirklich ein wichtiges Thema gewesen. Ich glaube, dass man da nicht nur eine finanzielle Abgeltung leisten soll, sondern auch Ausnahmeregelungen schaf­fen muss, denn ich bin nicht dafür, dass man unsere Dorfstrukturen zerstört – so quasi nach dem Motto: Die Bauern müssen auf einen Aussiedlerhof gehen! –, sondern ich will die Bauern im Ortsverband behalten. Es ist gut, dass es Ausnahmeregelungen gibt, damit diese Dorfstrukturen weiterhin erhalten werden können. Dort, wo es möglich ist, soll man das machen.

Ein Punkt auch zu den finanziellen Opfern der Bauern: Da möchte ich schon sagen, dass es auch andere Berufsgruppen gegeben hat, die finanzielle Opfer erbringen mussten. Ich würde mir wünschen, dass auch andere Berufsgruppen eine so starke Unterstützung hätten. Wir sehen ja, wie stark da der Bauernbund jetzt auftritt.

Ich erinnere nur daran, dass, als der Transitvertrag zum Tragen kam, eine ganze Bran­che ihren Fuhrpark zur Gänze hat erneuern müssen, und meines Wissens hat es da keine finanzielle Unterstützung gegeben.


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62. Sitzung / Seite 95

Nun auch noch ein paar Bemerkungen zum Tiertransport, den die Frau Lichtenberger angesprochen hat. Natürlich ist der Tierschutz dann am besten gewährleistet, wenn es keine Transporte von Lebendtieren mehr gibt. Ich glaube, dass man da auch die För­derpolitik überdenken sollte.

Ein spezielles Thema möchte ich noch anschneiden, und zwar im Zusammenhang mit dem Bauernbund und Niederösterreich. Der Abgeordnete Karl Donabauer hat gesagt, er wolle nicht verunsichern. Ich frage mich nur: Was ist in den letzten Wochen in Nie­derösterreich passiert? – Das war reine Verunsicherung! (Beifall bei den Freiheitli­chen.)

13.38

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schweisgut. Redezeit: 3 Minuten. – Es „haflingert“.

 


13.38

Abgeordneter Johannes Schweisgut (ÖVP): Genau, Herr Präsident! – Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Der Herr Präsident hat es richtig erkannt: Ich werde mir jetzt die Pferde vornehmen. Ich bin selber aktiver Pferdezüchter, einer der größeren, glaube ich, in diesem Lande, und habe ein bisschen die Erwäh­nung der Pferde in der gesamten Diskussion vermisst.

Selbstverständlich stehen die Pferdezüchter, nachdem sie ja auch ein Bewegungstier züchten, hinter einem Tierschutzgesetz und hinter dessen Bestimmungen, die jetzt aber doch für uns einiges sehr dramatisch verändern, nämlich, dass die Anbindehal­tung verboten ist. Nicht nur, dass die dauernde Anbindehaltung verboten ist, müssen wir bei den Pferden innerhalb der nächsten fünf Jahre die Anbindehaltung zur Gänze auf eine Boxenhaltung umstellen.

Ich persönlich, muss ich sagen, predige seit Jahren, ja eigentlich seit Jahrzehnten den Züchtern gegenüber, dass die Anbindehaltung für das Pferd nicht ideal ist. Insofern kann ich mich mit diesem Gesetz anfreunden, darf aber doch auch zu bedenken ge­ben, dass es insgesamt zirka 80 000 Pferde in Österreich gibt, schätzungsweise 20 Prozent davon nach wie vor in Anbindehaltung.

Das heißt, wir müssen in den nächsten fünf Jahren für 15 000 Pferde eine Umstellung von der Anbindehaltung auf eine Boxenhaltung vornehmen. Ein Kleinbauer, der nur ein Pferd hat, hat derzeit vielleicht einen Raumbedarf von zirka vier Quadratmetern; er muss in Zukunft auf zehn Quadratmeter umstellen. Er wird sich wahrscheinlich ent­scheiden müssen, ein zweites Tier alternativ aus dem Stall zu nehmen oder das Pferd aus dem Stall zu schicken.

Und an dieser Stelle ein Aufruf an die Politik – und da auch an meine Kollegen –: Appellieren wir nicht immer nur an den Konsumenten! In diesem Fall hilft uns der Appell an den Konsumenten nämlich gar nichts, weil der Konsument nicht auf die Um­stellung innerhalb der Höfe auf Grund eines höheren Produktpreises danach Einfluss haben kann.

Die in diesem Zusammenhang erforderlichen Investitionsmaßnahmen sind nur mit einer entsprechenden Hilfestellung machbar, und ich bitte, dabei nicht nur die Käfighal­tung der Hühner zu berücksichtigen, sondern auch die Pferdezucht und vor allem auch die ländliche Pferdezucht einzubeziehen, denn da haben wir echte Umstellungspro­bleme.

Auch beim Bundesheer, im Staatsbesitz gibt es sehr viele Pferde; auch dort überwiegt mit 90 Prozent die Anbindehaltung. Und auch da wird der Bund gefordert sein, ent­sprechende Investitionen zu tätigen und von der Anbindehaltung auf eine Boxenhal­tung umzustellen. Ich bitte – und das ist wirklich mein Appell! –, nicht umzustellen, in-


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dem man die Pferde aus dem Stall schickt, sondern indem man die notwendigen Inves­titionen vornimmt.

Ich glaube, dass es auf Grund dieses Gesetzes für uns eine Umstellung geben wird, aber diese wird sich auf lange Sicht gesehen auch auf die Pferdehaltung in Österreich sicher positiv auswirken. Wir werden einen gewissen Rückgang bei den Einnahmen zu verzeichnen haben, den wir aber, wenn wir die notwendigen Investitionsmaßnahmen abgegolten bekommen, in Zukunft sicher verkraften können. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.42

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schopf. Rede­zeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


13.42

Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Liebe Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Waidhofen! (Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen.) Sehr geehrte Damen und Her­ren! Ein jahrzehntelang gehegter Konsumentenwunsch geht mit der heutigen Be­schlussfassung in Erfüllung, und ich denke, dass auch unsere Landwirtschaft mit die­sem Gesetz nicht unglücklich ist. Wenn man vor allem die Möglichkeiten gerade im Bereich der Übergangsfristen ansieht, denke ich, es ist auch die Landwirtschaft damit einverstanden.

Die Bauern werden, wie ich meine, mittel- und langfristig höhere Preise für ihre land­wirtschaftlichen Produkte erhalten. Wir müssen jedoch gemeinsam trachten, dass sich diese neuen, zusätzlichen Anstrengungen der Landwirtschaft in Zukunft lohnen.

Eine persönliche Anmerkung dazu, sehr geehrte Damen und Herren: Ich würde mich freuen, wenn wir derartige Übergangsfristen auch in anderen Bereichen beschlossen hätten. Gerade im Bereich der Pensionsdebatte wären mir diese Übergangsfristen wichtig gewesen. (Abg. Freund: Gibt es ja, eine Übergangsregelung!) Aber nicht in diesem Ausmaß!

Mir ist es wichtig, auch noch zu sagen, warum dieses Gesetz erst heute beschlossen wird.

Bekanntlich lagen seit mehreren Jahren Anträge von Seiten der Sozialdemokratie und der Grünen auf dem Tisch. Die Freiheitlichen sprachen sich – das muss man sagen – ebenfalls für ein einheitliches Tierschutzgesetz aus. Nur die ÖVP, an der Spitze Bun­deskanzler Schüssel, mauerte beharrlich. Erst kurz vor dem letzten Wahltag im Jahr 2002 hatte sich Kanzler Schüssel überraschend für ein einheitliches Tierschutz­gesetz ausgesprochen und so unmittelbar vor der Wahl die „Kronen Zeitung“, wie ich meine, auf seine Seite gezogen. Doch dieses Versprechen entpuppte sich erst einmal als Wahlkampfgag, denn es folgten lange – viel zu lange! – keine Taten.

Ich darf daran erinnern, dass zu diesem Thema eine ganze Reihe von Beratungen, Ausschusssitzungen und Hearings durchgeführt wurde. Die ÖVP hat sehr lange blo­ckiert; die ÖVP hat viele Verhandlungen blockiert. Fast ein weiteres Jahr verstrich da­durch sinnlos. Erst im Herbst 2002, unmittelbar vor der Wahl, prescht Schüssel popu­listisch mit seinem Versprechen vor. Doch bereits wenig später, konkret am 7. Mai 2003, lehnten ÖVP und FPÖ unseren Entschließungsantrag betreffend Vorlage eines Entwurfes zur Schaffung eines Bundes-Tierschutzgesetzes unter Bedachtnahme auf die Forderung des Tierschutz-Volksbegehrens glatt ab.

Das Versprechen von Bundeskanzler Schüssel war also ein Jahr später nichts mehr wert! (Abg. Mag. Molterer: Das darf nicht wahr sein! Das ist ein Niveau!) Es ist ein schlechter Witz, wenn sich heute die ÖVP, Herr Klubobmann Molterer, für dieses Tier-


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schutzgesetz feiern lässt. (Abg. Mag. Molterer: Das ist die SPÖ, wie wir sie kennen!) Trotzdem ein Dankeschön an alle, die heute dieses Gesetz beschließen werden! Ich hoffe, dass dieses Gesetz einstimmig beschlossen wird, denn den Ausführungen des Herrn Kollegen Auer war zu entnehmen, dass er diesen Kompromiss akzeptiert.

Laut „Oberösterreichische Nachrichten“ meinte Herr Auer aber heute in den Nachrich­ten, diesem Gesetz werde er keinesfalls die Zustimmung geben. (Abg. Prinz: Falsch zitiert!) Wir sind daher sehr gespannt auf das Abstimmungsverhalten des Herrn Kolle­gen Auer!

Abschließend, meine Damen und Herren: Wenn Tiere sprechen könnten, gäbe es, so hoffe ich, von ihnen in diesem Parlament ein großes Dankeschön. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.47

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Praßl. Redezeit: 3 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


13.47

Abgeordneter Michael Praßl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehr­te Damen und Herren des Hohen Hauses! Das neue Bundes-Tierschutzgesetz bedeu­tet für viele große Fortschritte. Es ist aber auch ein Fortschritt, dass es gelungen ist, eine Vier-Parteien-Einigung herbeizuführen. Durch die Mitarbeit hervorragender Exper­ten, wie Dr. Troxler, Dr. Gsandtner, Pechlaner und auch andere, ist es gelungen, ein Gesetz zu schaffen, das letztendlich für die Bauern eine wichtige Planungssicherheit bedeutet, aber auch das Kaufverhalten der Konsumenten steuern sollte. Der Konsu­ment hat es jetzt in der Hand, dieses Bundes-Tierschutzgesetz zu beurteilen.

Ich bin auch froh, dass es einige Ausnahmeregelungen gibt, zum Beispiel bei der dau­ernden Anbindehaltung. Gerade in meinem Wahlkreis und Bezirk, wo die Landwirt­schaft von Klein- und Mittelbetrieben geprägt ist, bedeutet das eine Chance auch für diese Betriebe, noch zu überleben.

Gegenüber einem Bundesland wie der Steiermark, wo die Schweineproduktion einen sehr großen Stellenwert hat, ist es nicht fair, zu sagen, im Schweinebereich sei nichts geschehen. Das stimmt nämlich nicht! Wir haben hervorragende Standards und produ­zieren auch eine hervorragende Qualität. Wir arbeiten sehr intensiv im Schweinege­sundheitsdienst mit unseren Amtstierärzten und den übrigen Tierärzten zusammen; und das ist ein großer Fortschritt nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für den Konsumenten.

Ich glaube, dass wir eine hervorragende Fleischqualität produzieren. In diesem Zu­sammenhang ist das Kaufverhalten zum Beispiel der Schweiz zu erwähnen, die eine sehr, sehr große Nachfrage nach steirischem, nach österreichischem Schweinefleisch überhaupt, hat.

Werte Damen und Herren! Gestatten Sie mir auch ein Wort zur Legehennenhaltung. Meinen Wahlkreis betrifft dieses Thema sehr stark. Dort gibt es ungefähr 173 Betriebe, die Legehennenhaltung betreiben. Davon sind zirka 150 in der glücklichen Lage, mit 370 000 Legehennen „glückliche“ Eier zu produzieren. Es sind aber auch 20 Betriebe, die in einer unglücklichen Lage sind, und für diese müssen wir Maßnahmen treffen, die es diesen Betrieben ermöglichen, weiterhin Landwirtschaft betreiben zu können.

Abschließend: Das neue Bundes-Tierschutzgesetz bringt für uns Bauern neue Heraus­forderungen. Der Konsument hat es in der Hand, mitzuentscheiden. Gehen wir diesen gemeinsamen Weg! Er bedeutet uns sehr viel. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


13.50


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Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Keuschnigg 3 Minu­ten zu uns. – Bitte.

 


13.50

Abgeordneter Georg Keuschnigg (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Damen und Herren! Aus der Sicht der Landwirtschaft möchte ich auf den vielleicht kritischsten Punkt dieses Gesetzes eingehen, nämlich darauf: Wie können Österreichs Bauern mit diesem Tierschutzgesetz auf dem Markt bestehen – oder umgekehrt formuliert: Wie können wir verhindern, dass Tierleid, so zum Beispiel über importierte Eier, exportiert wird?

Seien wir ehrlich – Kollege Auer hat ja darüber heute auch schon gesprochen –: Heute wurde hier sehr viel von Appellen geredet, und mit Appellen haben wir so unsere Er­fahrung. Wir hier im Hohen Haus können nicht festlegen, was gekauft wird, sondern das macht weiterhin der Markt. Und die Frage ist, wie wir diesen Markt beeinflussen können.

In diesem Zusammenhang muss auch gesagt werden: Letztlich entscheidet da wirk­lich der Konsument. Lassen Sie mich das begründen: Als Erstes entscheidet die In­dustrie, was läuft. Mehr als 45 Prozent der in Österreich konsumierten Eier werden von der Industrie verarbeitet: über Teigwarenindustrie, Bäckereien, Konditoreien, über die Gastrogroßschiene. Da ist es eine Frage der Beschaffung der Rohstoffe, und da ent­scheidet in der Regel der Preis. Als Zweites entscheidet der Handel; aber auch er ist sehr getrieben. Wir haben in Österreich einen extremen Wettbewerb im Handel. Zwei große Blöcke stehen da einander gegenüber, und da müssen wir uns schon auch einige Fragen stellen. Durch diesen extremen Wettbewerb werden jedenfalls teilweise wirkliche Werte vernichtet. Da hat Kleinteiligkeit in der Erzeugerstruktur wenig Platz beziehungsweise spielt sie überhaupt keine Rolle.

Daher müssen wir auch darüber reden: Welche Struktur des Handels wollen wir in Zu­kunft haben? Und: Lassen wir diese Konzentrationsprozesse ins Unendliche weiterlau­fen? Diese Stunde der Wahrheit kommt auch für alle, die sich als Konsumentenvertre­ter fühlen, denn sie müssen letztlich sagen, ob sie diese Preisspirale nach unten weiter haben wollen – oder eben nicht.

Und als Letzter entscheidet der Konsument. Der Konsument findet Waren, findet Preise vor – und er hat die Wahl. Die Frage der Wertigkeit jedoch, die Frage, welchen Wert ein Produkt hat, wurde bereits vorher entschieden.

Was kann unsere Antwort darauf sein? – Unsere Antwort darauf kann nur lauten: Mar­kenprogramme, Strukturprogramme, Qualitätsprogramme. Das kostet jedoch Geld, und daher werden auch Sie alle gefordert sein! (Beifall bei der ÖVP.)

13.53

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.53

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! In meinem vorigen Debattenbeitrag konnte ich infolge von Zeitknappheit meinen Entschließungsantrag nicht einbringen, was ich daher jetzt nachholen möchte.

Vorher jedoch nur ganz kurz ein oder zwei Bemerkungen, die mir wichtig sind in Bezug auf die Frage: Was soll mit den Produzenten geschehen, die jetzt diese Legebatterien haben? Welche Chancen bestehen in Zukunft für die bäuerlichen Betriebe? Da möchte ich Folgendes hervorheben: Es geht doch darum, die Wertschöpfung für die bäuerli-


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chen Betriebe zu sichern. Und die Wertschöpfung, meine Damen und Herren, im In­dustrieeier-Bereich stellt ein Riesenproblem dar, und deswegen haben wir jetzt schon enorme Importmengen im Eierbereich; das ist ein wirklich krisengeschüttelter Bereich. In Zukunft ist jedoch Österreich mit dieser Boden- und Freilandhaltung geradezu ein Flaggschiff in Europa in Bezug auf artgerechte Tierhaltung.

Insofern auch folgende Bemerkung zum Antrag der Kollegen Grillitsch und Scheuch: Wir werden diesem Antrag zustimmen; das darf ich hier vorweg sagen. (Demonstrati­ver Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Andererseits bin ich aber schon der Meinung, dass Ihr Antrag in Bezug auf eine gewis­se Tiefenschärfe, was eben gerade die österreichische Situation betrifft, deutlich hinter das zurückfällt, was seit Februar im Landwirtschaftsausschuss auf Behandlung wartet, nämlich ein Entschließungsantrag von uns Grünen, mit dem wir uns dafür einsetzen, dass es Investitionsförderungen gerade für die kleinbäuerliche Landwirtschaft im Rah­men der Umsetzung der Agrarreform verstärkt geben soll, damit eben Bäuerinnen und Bauern eine Motivation und eine Perspektive im Tierschutzgesetz sehen.

Ich bringe daher jetzt folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Pirklhuber, Weinzinger, Freundinnen und Freunde betreffend Inves­titionsförderungen für tiergerechte Haltungssysteme

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft werden ersucht, die geltenden Investitionsrichtli­nien für Stallum- und Neubauten auf Tiergerechtheit zu evaluieren und folgende Maß­nahmen sicherzustellen:

1. Die Umstellung auf artgerechte Tierhaltungssysteme ist durch die aus der Umset­zung der EU-Agrarreform freiwerdenden Mittel ausreichend zu unterstützen.

2. Das Mindest-Investitionsvolumen von derzeit allgemein € 7 500,–- für Verbesse­rungsinvestitionen im Bereich Qualität und artgerechte Tierhaltung ist wesentlich zu senken, damit auch kleinere Investitionsvorhaben von den Förderungen profitieren können.

3. Gefördert werden ausschließlich Investitionen in besonders tiergerechte Haltungs­systeme, wobei der Biolandbau mit den höchsten Tierhaltungsstandards verstärkt be­rücksichtigt werden soll.“ – Das ist die Bekräftigung einer Strategie, die wir bisher schon im Ansatz betrieben haben.

Ganz entscheidend ist auch der vierte Punkt unseres Antrags. –

„4. Der Absatz von tierischen Produkten aus alternativen Haltungssystemen ist ver­stärkt zu fördern.“

*****

Meine Damen und Herren! Das ist der grüne Entschließungsantrag, mit dem eben die­ser Dialog, diese Diskussion für eine qualitätsorientierte Lebensmittelproduktion in Ös­terreich gegangen werden soll.

Ich hoffe daher, meine Damen und Herren, dass Sie auch diesem Antrag Ihre Zustim­mung geben werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

 


13.56


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Präsident Dr. Andreas Khol: Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Pirklhuber, Weinzinger, Freundinnen und Freunde ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Letzte Rednerin auf der Liste ist dazu Frau Abgeordnete Rossmann. Sie wünscht, 5 Minuten zu sprechen. – Bitte, Frau Kollegin.

 


13.57

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Heute wurde ja bereits vieles zu dieser Ge­setzesvorlage gesagt. Jedenfalls möchte ich in diesem Zusammenhang noch einmal auf den Begriff „Bewusstseinsbildung“ zu sprechen kommen. Ich glaube, mit diesem Gesetz wird ein weiterer Schritt zu einer unglaublich großen, jedenfalls noch nicht wirk­lich ganz abschätzbaren Bewusstseinsbildung gesetzt: Bewusstseinsbildung überall dort, wo eine solche bisher oft noch überhaupt nicht stattgefunden hat.

In diesem Zusammenhang darf ich zum Beispiel das Kupieren von Ohren und Schweif anführen. Viele von uns kennen sicherlich einen Hund, einen Hundebesitzer, wo das Schwanzerl kupiert wurde. (Heiterkeit sowie Rufe: Na so etwas!) Bisher haben das jedoch viele gar nicht als Tierleid empfunden. (Weitere Zwischenrufe sowie Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Das Thema Tierleid hat jetzt mit diesem Gesetz ein ganz neues Bewusstsein erlangt.

In diesem Zusammenhang denke ich auch an den Verkauf von Tieren in Tierhandlun­gen: bei oft völlig unhygienischer und unwürdiger Haltung von Welpen. (Weiterhin Un­ruhe im Saal.) Und ich weiß, dass auch viele Welpen, die dort verkauft werden, impor­tiert werden.

 


Präsident Dr. Andreas Khol (das Glockenzeichen gebend): Meine Damen und Her­ren, ich bitte, den allgemeinen Geräuschpegel abzusenken und das Telefonieren ein­zustellen!

Am Wort ist die Rednerin!

 


Abgeordnete Mares Rossmann (fortsetzend): Oft werden auch kranke Hunde, und zwar meistens aus Ungarn, nach Österreich importiert. Wenn man dann so einen kran­ken Hund erworben hat und in der Tierhandlung reklamiert, bekommt man dort oft die Antwort: Geben Sie mir den Hund zurück! Auf die weitere Frage, was dann mit diesem Hund passieren wird, heißt es: Der wird dann eingeschläfert! Das ist nach wie vor die mehr oder minder übliche Vorgangsweise.

Mit diesem Gesetz wird jedoch, wie ich meine, da eine ganz neue Bewusstseinsbildung geschaffen. Ich hoffe jedenfalls, dass dann solche Dinge nicht mehr passieren werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube aber auch, dass es innerhalb des gesamten europäischen Raums zu einer neuen Bewusstseinsbildung kommen wird, und da spreche ich – auch aus eigener Er­fahrung – zunächst einmal von Spanien. In Spanien ist es heute noch gang und gäbe, dass Hunde von Hundefängern mit Schlingen eingefangen werden. Die gefangenen Hunde werden dann in ein Auto hineingestopft, in dem es oft 70 Grad und noch mehr hat. Diese Hunde kommen entweder bereits im Auto qualvoll ums Leben – oder aber sie werden nachher qualvoll vergast.

Unser österreichisches Tierschutzgesetz kann, wie ich meine, durchaus bewirken, dass es letztendlich auch in diesen Ländern zu einer entsprechenden Bewusstseinsbil­dung kommen wird: Eben durch unsere österreichischen Mitbürger, die in diese Länder reisen, wobei ja schon in vielen dieser Länder österreichische Mitbürger/Mitbürge-


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rinnen Tierschutzhäuser aufgemacht haben. Nochmals: Dieses Bewusstsein wird weit über Österreich hinausgehen, und es wird da sicherlich zu einem Umdenken kommen.

Ich möchte auch noch einen Aspekt ansprechen, den heute noch niemand angespro­chen hat, nämlich den Aspekt der gesunden Ernährung. Man sagt: Der Mensch ist, was er isst. – Und gesunde Ernährung ist eng auch mit gesunder – sage ich –, würdi­ger, schmerzfreier und vor allem auch stressfreier Tierhaltung verbunden. Und wenn man weiß, dass, wenn ein Tier stressfrei und würdig gehalten wurde und dann nicht mit dem Schlagstock zur Schlachtbank geprügelt wird, wie es in Schlachthöfen gang und gäbe ist, dadurch auch die Adrenalinkonzentration im Fleisch nicht so ansteigt, dass jeder, der das Fleisch dann isst, eigentlich davon krank werden könnte, dann weiß man auch, dass dieses Tierschutzgesetz in Zukunft sicher auch gesündere Lebensmittel in Österreich gewährleisten wird.

Es wird und wurde heute so viel von mündigen Konsumenten gesprochen, und ich glaube, auch bei mündigen Konsumenten muss in Zukunft gewährleistet sein, dass die Lebensmittelkennzeichnung – das hat auch Kollegin Lichtenberger bereits angespro­chen – so erfolgt, dass sie verständlich, lesbar und nachvollziehbar ist. Wir wissen es, viele auch der großen Handelsketten haben schon eine Kennzeichnung bis zurück zum Hof. Aber ich sage, es ist noch immer zu wenig, und es ist oft so – und da denke ich auch an die Senioren –, dass die Kennzeichnung so klein geschrieben und so kompli­ziert verfasst ist, dass sie nicht verständlich ist. Ich glaube, dieses Tierschutzgesetz könnte auch da ein Umdenken und eine ganz neue Art der Kennzeichnung bewirken.

Ich sage aber auch, die Lebensmittelagentur wird gefordert sein, Missbrauch – und auch Betrug – stärker aufzugreifen. Das ist natürlich auch eine Personalfrage, denn es macht nur dann Sinn, wenn es eine möglichst flächendeckende Kontrolle gibt, damit man des Betruges auch dementsprechend Herr wird.

Abschließend möchte ich in Richtung Bauernbund Folgendes sagen: Sie wären besser beraten gewesen, statt Kampagnen zu schalten, die eigentlich jede Gruppe in Öster­reich schalten hätte können – ich denke nur an die Gastronomie, denn die abgearbeite­ten Hände gibt es auch in der Gastronomie (Beifall bei den Freiheitlichen) –, den sprichwörtlichen „Feinkostladen Österreich“ neu zu definieren, nämlich unter dem Aspekt dieses neuen Tierschutzgesetzes, unter dem Aspekt einer besseren und ge­sünderen Ernährung. Dann hätte auch der „Feinkostladen Österreich“, von dem letzt­endlich all die Bauern profitieren, die diese tägliche Arbeit leisten, sicher wesentlich mehr Erfolg als durch diese Inseratenkampagne, mit der Sie sich eigentlich nur selbst diskriminiert haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.03

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Ein Schlusswort seitens der Berichterstatter wird nicht gewünscht.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Gesetzentwurf (Unruhe im Saal – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen) in 509 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Baumgartner-Gabitzer, Mag. Sima, Wittauer, Mag. Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel 2 §§ 4 und 38 sowie Artikel 3 bezieht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, werde ich über den Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtigung des soeben erwähnten Abänderungs­antrages abstimmen lassen.


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Da der vorliegende Gesetzentwurf eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes sowie eine Verfassungsbestimmung enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtigung des erwähnten Abände­rungsantrags der Abgeordneten Baumgartner-Gabitzer, Sima, Wittauer, Weinzinger.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein beja­hendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Gesetzent­wurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen und daher ein Beschluss. (Allgemeiner Beifall.)

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 509 der Beila­gen angeschlossene Entschließung (Anlage 2) betreffend eine Staatszielbestimmung Tierschutz.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Auch das ist einstimmig angenommen. (E 54.)

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 509 der Bei­lagen angeschlossene Entschließung (Anlage 3) betreffend eine tiergerechte Vor­nahme von rituellen Schlachtungen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Auch das ist einstimmig beschlossen. (E 55.)

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bereitstellung von Förde­rungsmitteln zur Errichtung beziehungsweise Umstellung auf tierfreundliche Haltungs­systeme als begleitende Maßnahme im Rahmen des Inkrafttretens des neuen Bundes-Tierschutzgesetzes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Antrag der Abgeordneten Mag. Sima zu­stimmen, um ein Zeichen der Zustimmung. (Abgeordnete der SPÖ und der Grünen – angesichts der Nichtzustimmung der Regierungsparteien –: Da schau her! Da schau her!) – Der Antrag findet nicht die Mehrheit und ist daher abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag (Unruhe im Saal – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen) der Abgeordneten Grillitsch, Scheuch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Maßnahmenpaket für die heimische bäuerliche Landwirtschaft zur erfolgreichen Umsetzung des Bundes-Tierschutzge­setzes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um eine Zeichen der Zustimmung. (Abg. Scheibner – in Richtung SPÖ und Grüne –: Na, was ist jetzt?) – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 56.)

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dipl.-Ing. Dr. Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Investitionsför­derungen für tiergerechte Haltungssysteme.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag die Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Antrag findet nicht die Mehrheit und ist daher abge­lehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschus­ses, seinen Bericht 509 der Beilagen betreffend den Antrag 184/A (E) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu Ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

2. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Gerhard Steier, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Transport von Tieren auf der Straße (Tiertransportgesetz-Straße, TGSt) geändert wird (367/A)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt zunächst Herr Abgeordneter Steier. 4 Minuten Wunschredezeit. – Sie sind am Wort, Herr Abgeordneter.

 


14.07

Abgeordneter Gerhard Steier (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Meine Damen und Herren! Wir haben uns in den letzten Stunden sehr intensiv mit dem Tierschutz befasst. Ich hoffe daher, wir können den Durchbruch zu einem bun­deseinheitlichen Tierschutzgesetz auch dazu nutzen, ein wenig mehr Aufmerksamkeit auf den Schutz der Tiere bei Tiertransporten zu lenken.

Millionen von Tieren werden jährlich quer durch Europa transportiert, zum Teil in tage­langen Fahrten und oft unter unvorstellbaren Bedingungen. Der Tierschutz bleibt bei einer Vielzahl dieser Transporte auf der Strecke. Was manchen Tieren beim Transport zugemutet wird, ist beziehungsweise grenzt oftmals an Tierquälerei. Wir alle haben die schrecklichen Bilder von überladenen Transportern, von misshandelten, halb verdurs­teten Tieren, die auf den Transporten quer durch Europa unerträgliche Strapazen er­leiden, leider schon oft genug gesehen.

Eine Verbesserung des Schutzes der Tiere beim Transport auf EU-Ebene scheint aber derzeit leider in weite Ferne gerückt zu sein. Beim Treffen der EU-Agrarminister Ende April 2004 konnte keine Einigung erzielt werden. Wie die deutsche Landwirtschaftsmi­nisterin Künast erst kürzlich im Deutschen Bundestag berichtet hat, besteht wenig Hoffnung, dass die irische Präsidentschaft dieses Thema bis Juni dieses Jahres wei­terverfolgen wird, und auch die Niederlande haben für das zweite Halbjahr 2004, in dem sie die Präsidentschaft innehaben, schon signalisiert, das Thema nicht aufgreifen zu wollen. Somit dürfte zumindest bis Ende 2004 ein Stillstand beim Thema Tiertrans­port auf EU-Ebene eintreten.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir erwarten daher, dass sich die öster­reichische Bundesregierung, so wie es der Herr Bundeskanzler auch vorhin bei der Diskussion über das Tierschutzgesetz zum Ausdruck gebracht hat, umso mehr im EU-Rat für ein vernünftiges EU-weites Gesetz zum Tiertransport einsetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Konkret geht es um eine Verkürzung der Fahrtdauer, eine Regelung der Pausen, tier­ärztliche Kontrollen, ausreichend Platz für jedes Tier, eine artgerechte Betreuung und


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ausreichend zu trinken sowie eine Verschärfung der Kontrollen – frei nach dem Motto, wie es ein deutscher Philosoph ausgedrückt hat:

„Die Welt ist kein Machwerk, und die Tiere sind kein Fabrikat zu unserem Gebrauch. Nicht Erbarmen, sondern Gerechtigkeit ist man den Tieren schuldig.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Besonders wichtig ist daher eine Verbesse­rung der nationalen Kontrollsysteme betreffend Tiertransporte. Sowohl bei Tiertrans­porten, die innerhalb Österreichs durchgeführt werden, als auch bei grenzüberschrei­tenden Lebendtiertransporten ist Kontrolle eine der effizientesten Maßnahmen, die uns zur Verfügung stehen, denn auch das fortschrittlichste Tiertransportgesetz wird wenig bringen, wenn die Kontrolle fehlt beziehungsweise im Kompetenz-Wirrwarr untergeht. (Beifall bei der SPÖ.)

Unsere Systeme greifen derzeit nur bei stichprobenartigen Kontrollen, und der Großteil der Transporte durch Österreich bleibt leider unbehelligt. Zusätzlich orten wir im Be­reich dieser Kontrollen sehr unterschiedliche Standards in den einzelnen Bundeslän­dern, was auch den Beanstandungsquoten entspricht.

Das heißt, ohne effiziente Kontrollmaßnahmen werden wir Langstrecken-Tiertranspor­ten durch unser Bundesgebiet und möglicherweise qualvollen Bedingungen für Tiere weiterhin zusehen müssen. Auch wenn das österreichische Tiertransportgesetz-Straße klare Regelungen zur Transportdauer vorsieht, ist unserer Ansicht nach die Kontrolle stark verbesserungswürdig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich hat 2002 durch das SANCO-Kontrollteam die dringende Empfehlung erhalten, Möglichkeiten für die Verbesserung des Systems der Inspektion zum Tierschutz während des Transportes zu überdenken.

Unser Antrag, den wir heute einbringen und in erster Lesung behandeln, zielt auf die Verbesserung der Kontrolle ab. Als erster Schritt soll dem Nationalrat jährlich ein Transportbericht vorgelegt werden, der konkrete Aussagen über Gesamtvolumen der Tiertransporte, Zahl der Kontrollen, Zahl und Ursachen der Beanstandungen trifft.

Meine geschätzten Damen und Herren! All das soll, so wie im Bundes-Tierschutz­gesetz vorhin in Vier-Parteien-Einigung vereinbart, zu Gunsten der Tiere geschehen, denn der Wert einer Gesellschaft und Kultur ist daran zu ersehen, wie sich die Menschen den Tieren nähern. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Lichtenberger.)

14.12

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Reg­ler. 4 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


14.12

Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! In dem heute beschlossenen Bundes-Tierschutzgesetz sind im § 3 Abs. 3 die Tier­transporte auf Straße, Schiene und in der Luft ausgenommen, weil diese in eigenen Gesetzen geregelt werden.

Ich muss jetzt, sowohl in Bezug auf die Ausführungen des Abgeordneten Dr. Gusen­bauer, der heute unsere Tiertransportgesetze schon sehr bekrittelt hat, als auch auf jene meines Vorredners, doch eines sagen, nämlich dass wir in Österreich eigentlich gute Tiertransportgesetze haben.

In diesem Zusammenhang muss ich den seinerzeitigen Verkehrsminister Mag. Viktor Klima sehr in Schutz nehmen, mit dem ich selbst damals im Jahr 1994 in langen Ver­handlungen das Tiertransportgesetz-Straße für die Wirtschaft ausverhandelt habe, ein Gesetz, das wirklich ein Musterbeispiel in Europa war. Damit wurde die damalige


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Richtlinie über den Tiertransport umgesetzt, und wir haben in Österreich damals nur sechs Stunden Transportdauer für Schlachttiertransporte gestattet, obwohl die Euro­päische Union damals jedenfalls acht Stunden zuließ. Das war ein sehr mutiger Schritt und hat, glaube ich, auch in der Europäischen Union ein Denken in die richtige Rich­tung gebracht, was sich dann in der Novellierung der EU-Richtlinie im Jahre 1995 doch ein bisschen gezeigt hat.

Natürlich müsste es jetzt zu weiteren Verbesserungen kommen – da bin ich ganz bei Ihnen. Seit 1995 ist ein Stillstand eingetreten. Es wäre also höchste Zeit, diesbezüglich wieder eine Aktualisierung der Richtlinie vorzunehmen.

Wir haben dann im vergangenen Jahr eine Novelle zum Tiertransportgesetz-Straße beschlossen, indem wir die acht Stunden von der EU übernommen haben, aber zugleich eine ganze Reihe von Regelungen dazugenommen haben, nämlich umfas­sende Bestimmungen über die Transportfahrzeuge, umfassende Bestimmungen über die Transportbehältnisse, über die Brücken, Rampen, Stege et cetera, über die fachli­che Befähigung der Begleitpersonen und, und, und. Also all das, was eigentlich denk­bar wäre, ist im Gesetz geregelt.

Selbstverständlich sind im Gesetz aber auch Kontrollen durch die Tiertransport-Inspek­toren und durch die Amtstierärzte vorgesehen. Aber diese müssen natürlich auch durchgeführt werden, und ich bin ganz der Meinung des Kollegen Gerhard Steier, dass jedes Gesetz nur so gut ist wie die Kontrolle, die tatsächlich durchgeführt wird. Und wir wissen, dass hier vor allem bei den grenzüberschreitenden Transporten sicherlich sehr viel im Argen liegt. Hier müssten die Kontrollen ganz besonders greifen, vor allem bei den Transittransporten durch Österreich.

Nach der Europäischen Union gilt üblicherweise: Etwa 15 Prozent Kontrolle ist eine Stichprobe. – Wir können also ruhig mehr kontrollieren, als dies derzeit geschieht.

In diesem Sinne, muss ich sagen, habe ich sehr viel Sympathie für den Antrag, durch einen jährlichen Bericht an das Parlament aufzuzeigen, was tatsächlich geschieht. Ich freue mich auch schon auf die Diskussion im Ausschuss, denn man muss natürlich jetzt schon einiges überlegen: Das Zusammentragen der Beanstandungen und Strafen wird sicher möglich sein – das liegt ja bei der Behörde auf.

Es müsste als Zweites dann auch evident gehalten werden, was kontrolliert wird, ohne dass es zu Beanstandungen kommt – auch das muss entsprechend dokumentiert und zusammengetragen werden.

Und was wahrscheinlich nicht ganz einfach ist, sind die Aufzeichnungen über das Ge­samtvolumen der Tiertransporte. Sie wissen vielleicht, wie schwer es das ÖSTAT hat, wenn zum Beispiel der gesamte Nahverkehr erhoben wird. Das kann nur alle paar Jahre geschehen und hat einen unfassbaren Aufwand verursacht. Und hier müssten ja auch die Nahtransporte erfasst werden.

Wir werden also im Ausschuss darüber reden müssen und mit dem Verkehrsressort abklären, wie praktikabel das ist, wie das wirklich umgesetzt werden kann. Aber in die­sem Sinne freue ich mich schon auf einen Konsens im Ausschuss, wenn dieser Antrag behandelt wird. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Dr. Bleckmann.)

14.17

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reheis. 3 Minu­ten Wunschredezeit. – Bitte.

 


14.17

Abgeordneter Gerhard Reheis (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Dieser heutige Tag, an dem der Beschluss des neuen Tierschutzgesetzes erfolgt ist, ist


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wahrlich ein großer Tag für Österreich, für den österreichischen Tierschutz und vor allem auch für den österreichischen Parlamentarismus, weil alle vier Fraktionen ge­meinsam ein Zeichen gesetzt haben.

Aber wir hatten noch ein weiteres Zeichen zu setzen, nämlich im Sinne der Vermei­dung von Tierleid auch auf der Straße. Wenn man sich anschaut, was bei den Tier­transporten passiert, so ist es wahrlich erschütternd. Wenn man die Berichte, die Do­kumentationen im Fernsehen sieht, dann weiß man: Wir haben auch in diesem Bereich dringend Handlungsbedarf.

Ich freue mich, dass Sie, Herr Kollege Regler, signalisieren, auch auf diesem Gebiet wieder gemeinsam mit allen Fraktionen im Haus gegen dieses Tierleid, gegen dieses Leid von Mitwesen von uns aufzutreten.

Europaweit werden 360 Millionen Tiere transportiert – und ich sage, wenn man das in diesen Dokumentationsfilmen betrachtet: in fahrenden KZs transportiert. Das kann man wirklich so drastisch formulieren. Und wohin werden diese jungen Ferkel, Kälber und dieses Geflügel geführt? – Sie werden in Mastbetriebe, in Legebatterien beziehungs­weise dann noch in einer letzten, mühsamen und qualvollen Reise wiederum zum Schlachten in irgendeinen Schlachthof geführt.

Diese Tiere sind extremen Temperaturen ausgesetzt, werden mit Schlägen, Quäle­reien mit Strom, meist über rutschige Rampen in ihre Transportbehältnisse geführt und werden dort wirklich sehr, sehr gequält, wobei sie schlimmste Verletzungen erleiden – man liest da von abgerissenen Ohren, ausgedrückten Augen, Riss-Quetsch-Wunden bis hin zum Tod durch Zertrampeln. Und wie wird das dann bezeichnet? – Als „Trans­portschäden“!

Meine Damen und Herren! Das darf doch bitte nicht wahr sein, dass Schaden an Tie­ren ein „Transportschaden“ ist! – Das Tier ist ein Lebewesen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dazu muss man auch noch Folgendes sagen: Dass diese Transporte der Lebendtiere immer mehr zunehmen, dazu trägt auch die Exportsubvention der EU bei: 2000 bis 2001 haben wir 44,3 Millionen € an Förderungen gehabt. 2002 58 Millionen €, 2003 67 Millionen €. Diese Förderungen sind auch mit verantwortlich für diese qualvollen Lebendtiertransporte. Da hat die EU – vielleicht auch ausgehend von Österreich – drin­gend Handlungsbedarf.

Ich hoffe auch, dass Kommissar Fischler etwas in dieser Richtung zu tun gedenkt. Wir dürfen nicht zuschauen, wie in Zukunft weiter Lebendtiertransporte durch Europa ge­karrt werden und wie diese Tiere gequält werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Möglichkeit, diesen Mindeststandard zu erreichen, ist der Antrag des Kollegen Steier und der SPÖ-Fraktion, das Tiertransportgesetz zu ändern und neue Standards einzuführen. Ich freue mich, dass Sie sich bereit erklären, dabei mitzumachen und neuerlich ein gemeinsames Zeichen dafür zu setzen, dass das Tierleid in Österreich und Europa beendet wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Marek.)

14.20

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Wattaul. Wunsch­redezeit: 5 Minuten. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Du führst ja gar keine Tiere!)

 


14.21

Abgeordneter Anton Wattaul (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Her­ren! Hohes Haus! Auch ich bekenne mich zu Kontrollen und glaube, dass es im Sinne der Wettbewerbsgleichheit und natürlich auch im Sinne des Tierschutzes für die Wirt-


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schaft unbedingt notwendig ist, dass Kontrollen stattfinden. (Beifall bei den Freiheitli­chen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Etwas können wir jedoch nicht machen: Österreich hat im Dezember 2003 eine EU-Richtlinie hinsichtlich Tiertransportgesetz umgesetzt, das heißt, gleiche Wettbewerbs­bedingungen für alle Unternehmen europaweit. Jetzt zu glauben, hier wieder eine Insellösung einzuführen, etwas, dass es nur bei uns explizit gibt, wird nicht funktionie­ren! – So weit zu den Kontrollen.

Tierquälerei wird im Gesetz explizit verboten. Sie liegt dann vor, wenn jemand einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leid oder Schäden zufügt. Zur Kontrolle der Einhal­tung der Tierschutzbestimmungen ist die Errichtung eines weisungsfreien Tierschutz­obmannes in jedem Bundesland vorgesehen. Ich kann mir vorstellen, dass wir im Aus­schuss noch darüber reden, diesen Ombudsmann – es geht ja schließlich um den Tierschutz – damit zu betrauen, auch die Kontrolle unsere Tiertransporte vornehmen.

Mit der im Dezember 2003 beschlossenen Richtlinie muss jeder Tiertransportunter­nehmer vor Beginn des Transportes einen Transportplan, einen Bericht vorlegen. Wenn der Transport abgeschlossen ist, muss er den Bericht wiederum bei der Bezirks­hauptmannschaft abgeben, bei Verstößen wird diesen Unternehmen sogar die Trans­portgenehmigung entzogen. Wenn wir die Möglichkeit schaffen können, dass der Om­budsmann diese Kontrolle übernimmt, dann ist, glaube ich, jedem geholfen.

In diesem Sinne werden wir im Ausschuss sicher noch darüber reden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen, bei Abgeordneten der ÖVP und der SPÖ.)

14.23

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenber­ger. Auch sie wünscht 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.23

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe dieses Thema schon im Zusammenhang mit dem Tierschutzgesetz mit ange­sprochen, weil es ursächlich dazugehört und natürlich jegliche isolierte Lösung keinen Sinn hat, wenn man nicht gleichzeitig auf europäischer Ebene an diesem Problem wei­ter arbeitet. Ich stimme auch zu, dass Kontrolle in diesem Bereich das Essentielle schlechthin ist.

Wir haben in Tirol die Erfahrung machen können, dass in dem Moment, da wir eine Labestation hatten, wo Tiere abgeladen werden mussten, wenn die Fahrzeit wesentlich überschritten war – die Kosten für das Laben der Tiere und auch für den Verbleib an einem Hof, der in der Nähe der Autobahn lag, wurden dem Transporteur beziehungs­weise dem Lieferer angelastet –, dem Ganzen abgeholfen werden konnte! Wir hatten plötzlich eklatant weniger Tiertransporte auf unseren Routen zu verzeichnen.

Das Tragische ist allerdings, dass die (Abg. Eder: Dass die woanders gefahren sind!) wahrscheinlich nicht nicht gefahren, sondern ausgewichen sind.

Das heißt jetzt aber nicht, dass man nicht kontrollieren soll, sondern, ganz im Gegen­teil: dass die Kontrolle halt einfach flächendeckend sein muss! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Diese Station hat auch über einen wesentlichen Zeitraum hinweg den Beweis dafür angetreten, wie sehr so etwas wirkt. Dass aber in Sachen Kontrolle gröbste Lücken in Österreich bestehen – auch nach dem Plan von Minister Gorbach ist in ganz Südostös­terreich überhaupt nichts vorgesehen –, halte ich für einen Skandal, das entspricht nicht dem Geist der gemeinsamen Arbeit für den Tierschutz, der natürlich auch die


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Transportbedingungen stark mit hineinnehmen muss. Das ist für mich essentiell, weil ohne diese Kontrolle letzten Endes überhaupt nichts weitergehen kann.

Meine Damen und Herren! Wir haben mit einem Antrag erreicht, dass zumindest die Tierärzte weiter beschäftigt werden, denn dazu braucht es natürlich Fachleute. Man kann nicht von einem einfachen Exekutivbeamten erwarten, dass er Erfahrungen mit Tieren hat und sehen kann, ob diese schlecht gehalten werden, ob sie schlecht trans­portiert werden. Dazu braucht es klarerweise Experten.

Wir hatten diese Frage der Amtstierärzte angesprochen, es gab auch einen entspre­chenden Antrag. Allerdings gibt es nach wie vor ein Problem: Ab Mai 2004 werden ja die Grenzkontrollstellen aufgelöst, es gibt dadurch freie Kapazitäten in der tierärztli­chen Kontrolle, aber leider ist der Antrag, diese Tierärzte stärker, konzentriert zur Kon­trolle der Tiertransporte einzusetzen, bis jetzt in den Ausschüssen auf Eis gelegt.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ich appelliere an Sie: Nehmen wir das in unsere parlamentarische Arbeit auf! Die schönste Deklaration von irgendet­was hilft uns überhaupt nichts, wenn wir nicht mit konkreten Maßnahmen die Kontrolle sichern, aber auch die Strafbestimmungen so klären, dass sie denjenigen treffen, der wirklich der Verursacher dieses Tierleids ist. Das ist zentral! Und das kann nicht nur auf dem Rücken des Fernfahrers ausgetragen werden – das wäre eine unzulässige Vorgangsweise und Verkürzung –, das muss anders geschehen! (Beifall bei den Grü­nen sowie des Abg. Reheis.)

Bedenken Sie: All das ist nicht ein Hobby von Tierschützern, von Menschen, die Mitleid mit der gequälten Kreatur allein haben, sondern das ist auch Seuchenvorsorge. Tier­transporte über weite Strecken und mit unterschiedlichen Kontrollniveaus können dazu führen, dass Seuchenverbreitung begünstigt wird, können dazu führen, dass wir, wenn die Kontrolle nicht entspricht, mehr Schwierigkeiten durch die Ausbreitung von Tier­krankheiten bekommen. Anhand etwa der Schweine- oder Geflügelpest lässt sich im­mer wieder zeigen, dass die Verbreitung mit Langstreckentransporten zu tun hat.

Abgesehen davon, dass ich es generell für einen Unsinn halte, dass Länder mit Über­schussproduktionen einander gegenseitig noch Tiere liefern – außer in schmalen Be­reichen der Zucht, wo das durchaus sinnvoll sein kann –, geht es hier auch um ein Dumping, um ein Preisdumping in diesem Bereich, das man nur mit Kontrollen in den Griff bekommen kann.

Meine Damen und Herren! Ich appelliere an Sie, nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis einen – ich sage jetzt wirklich: menschenwürdigen Modus der Tiertrans­porte sicherzustellen!

Ein Wort zum Abschluss noch zu Kollegen Reheis: Wir beide stimmen inhaltlich voll­ständig überein. Nur: Den Ausdruck „fahrende KZs“ würde ich in diesem Zusammen­hang zurückweisen! Worte aus diesem Kontext zu verwenden, halte ich nicht für ange­bracht. Es fühlen sich Opfer der Konzentrationslager dadurch zu Recht in ihrem Leid missachtet.

Meine Damen und Herren! Seien wir in diesem Bereich sehr gewissenhaft in unserer Wortwahl! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.29

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Vorläufig letzter Redner hiezu: Abgeordneter Eder. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.29

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich freue mich, dass wie heute wirklich einen Tag des Tierschutzes in diesem


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Hohen Haus haben und heute viele Bestimmungen beschlossen wurden, die das Le­ben der Tiere in Zukunft erleichtern werden. Dass die erste Lesung zum Tiertransport­gesetz ein guter Anschluss ist an das, worüber wir vormittags diskutiert haben, darf ich hier ebenfalls festhalten.

Klar muss sein, und darin stimme ich mit Kollegen Wattaul überein, dass der Wettbe­werb europaweit gesehen werden muss, aber genauso klar muss es auch sein, dass wir alles, was wir an Hausaufgaben in Österreich tun können, in Österreich auch zu erfüllen haben. Daher finde ich den Antrag des Kollegen Steier, wonach jährlich ein Bericht erstellt werden soll, sehr vernünftig und gut. Wenn ich die Vorredner richtig verstanden habe, so sind alle bemüht, diesem Antrag im Verkehrsausschuss Rech­nung zu tragen und eine Lösung in dieser Frage zu finden. Das halte ich für sehr gut.

Das Problem, das wir bei all diesen Dingen haben, ist – und das ist auch schon einige Male gesagt worden – die Kontrolle. Derzeit sind für die Kontrolle des Arbeitsplatzes Straße – ich bezeichne das bewusst so, und auch Tiertransporte gehören zum Arbeits­platz Straße – rund 17 Behörden zuständig. Es ist das eigentlich das große Problem, dass, wenn ein Lkw angehalten wird, diese 17 Behörden nicht gleichzeitig anwesend sind, sondern immer nur Teile dieser 17 Behörden und dadurch nie eine umfassende, umfangreiche Kontrolle durchgeführt werden kann.

Daher haben wir von der SPÖ einen Antrag dazu eingebracht, und zwar war das am 23. Oktober 2003. Dieser Antrag wird jetzt irgendwann im Verkehrsausschuss disku­tiert werden, wobei ich alle Fraktionen dazu einlade, diesen Antrag nicht als wortwört­lich und „nur so darf er sein“ zu betrachten, sondern als Diskussionsgrundlage für eine Art Behörde, etwa für ein Bundesamt für Güterverkehr, ähnlich wie das in Deutschland – übrigens: mit besten Erfahrungen – gemacht wurde.

Das muss gar keine Kostenfrage sein, Kollege Regler, denn man kann ja Behörden so zusammenfassen, dass man unter Umständen mit weniger Leuten effizienter prüfen kann, als das jetzt bei dieser Vielfalt an hiefür zuständigen Behörden der Fall ist. (Abg. Mag. Regler: Jede neue Behörde hat mehr gekostet!) – Das war vielleicht in der Ver­gangenheit der Fall, aber man könnte ja einmal auch etwas Intelligentes zusammen­bringen, was dem Gesamtsystem nützt.

Ich habe ja gesagt, wir glauben nicht, jetzt den Stein der Weisen gefunden zu haben, aber man sollte noch einmal ernsthaft darüber nachdenken, dass, wenn schon ein LKW gestoppt wird, dann gleich eine Reihe von Dingen geprüft wird wie etwa Gefah­rengut, Arbeitszeit, Bedingungen des LKWs und die technischen Prüfungen, die ver­kehrspolitischen Prüfungen und so weiter erfolgen. (Zwischenruf der Abg. Mandak.)

Dadurch könnte man viel Zeit sparen. Mit einem Stopp könnte man eigentlich sehr viel weiterbringen, auch im Sinne des Tiertransportgesetzes. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie des Abg. Wittauer.)

14.32

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Neuerlich zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Reheis. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.32

Abgeordneter Gerhard Reheis (SPÖ): Ich möchte zur Anmerkung der Kollegin Lich­tenberger schon noch etwas sagen.

Liebe Kollegin Lichtenberger! Hohes Haus! Es ist mir wirklich ein großes Anliegen, hier zu sagen, dass der Ausdruck „fahrende KZs“ überhaupt nichts mit dem Leiden jener Menschen, die in den NS-KZs waren (Zwischenruf der Abg. Mandak), zu tun hat, außer dass die zugegeben drastische Darstellung vom Leiden der Kreatur, auch des Tieres, auf diesen fahrenden Kerkern – und so kann man es ja wirklich sagen, das sind


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sie auch, es sind fahrende Kerker! – ... (Abg. Mandak: „Fahrende Kerker“ ist in Ord­nung!)

Diese Kreaturen, diese Mitwesen von uns leiden. Das wollte ich vergleichen mit dem Leiden in Kerkern, zugegeben: vielleicht nicht geglückt! Wenn sich da jemand betroffen fühlt, war das nicht meine Absicht. Ich nehme das auch sehr gerne zurück. Aber noch einmal: Der Hinweis auf das Leiden in Kerkern, das gilt auch für die Tiere! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.33

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Ich weise den Antrag 367/A dem Verkehrsausschuss zu.

3. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (466 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Statut der Europäischen Gesell­schaft (Societas Europaea – SE) – (SE-Gesetz – SEG) erlassen wird sowie das Aktiengesetz, das Firmenbuchgesetz, das Rechtspflegergesetz, das Gerichtsge­bührengesetz, das EWIV-Ausführungsgesetz, das Genossenschaftsrevisionsge­setz 1997 und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Gesell­schaftsrechtsänderungsgesetz 2004 – GesRÄG 2004) (488 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (467 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den Fernabsatz von Finanzdienstleistun­gen an Verbraucher (Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz – FernFinG) erlassen wird und das Konsumentenschutzgesetz, das Versicherungsvertragsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz sowie das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (490 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 und 4 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich als erste Rednerin Frau Abgeordnete Dr. Fekter. Wunsch­redezeit: 6 Minuten. – Bitte.

 


14.34

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Das Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz 2004 umfasst eine Fülle von Gesetzen, die verändert werden. Aber im Großen und Ganzen geht es bei dieser Vor­lage um die Umsetzung einer EU-Richtlinie über die Europäische Aktiengesellschaft, die so genannte Societas Europaea.

Wir machen weiters eine Deregulierung im österreichischen Aktienrecht und schaffen damit die „kleine AG“, damit diese Rechtsform der Aktiengesellschaft auch für Famili­enunternehmen oder kleinere mittelständische Unternehmen mit einem kleineren Akti­onärskreis attraktiver wird.

Zunächst zur SE, zur Societas Europaea. Die Europäische Gesellschaft wird für multi­nationale Unternehmen den Vorteil bringen, dass Tochtergesellschaften nach einheitli­chen Rechtsvorschriften und nicht nach den Vorschriften des jeweiligen Sitzstaates


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gegründet werden können. Damit verbessern wir die Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort Österreich und erleichtern Betriebsansiedelungen durch ausländi­sche Investoren. Grenzüberschreitende Verschmelzungen, Sitzverlegungen von Toch­tergesellschaften und Konzernbeteiligungen sowie andere Umstrukturierungs- und Ko­operierungsmaßnahmen grenzüberschreitend in Europa werden damit erleichtert.

Gemäß den Vorgaben der Richtlinie kann die SE sowohl nach dualistischem System geführt werden, das ist jenes System, das wir kennen, als auch – neu! – nach dem für unsere Rechtsform etwas fremden monistischem System.

Im dualistischen System gibt es eine klare Trennung zwischen Geschäftsführung/Vor­stand und dem Aufsichtsrat, der die Kontrolle übernimmt. Sie folgt weitgehend auch in dieser neuen Form unserem geltenden Aktienrecht, Minderheiten- und Gläubigerschutz stehen hier besonders im Vordergrund.

Minderheiten- und Gläubigerschutz gelten natürlich ebenso beim monistischen System. Hier liegen Geschäftsführung und Kontrolle einheitlich im Verwaltungsrat. Diese Kon­stellation ist uns etwas fremd, sie funktioniert aber im angloamerikanischen Raum seit Jahrzehnten hervorragend. Daher steht es uns nicht zu, zu urteilen, ob das sinnvoll ist oder nicht. Ich glaube, es ist sinnvoll, wenn etwas irgendwo langfristig funktioniert hat, das auch bei uns möglich zu machen.

Man muss aber dabei bedenken, dass das monistische System im anglo-amerikani­schen Raum sehr von einem besonderen Transparenzverständnis und Publizitäts­pflichten geprägt ist. Wir in Österreich sind Publizitätsmuffel, wir mögen das nicht so gerne, wenn Zahlen zu veröffentlichen sind. Obwohl wir hier im Hohen Hause perma­nent Publizitätspflichten vorsehen, halten sich nicht alle Betriebe wirklich penibel daran. Es ist aber, wenn Kontrolle und Geschäftsführung in einem Gremium zusammenge­fasst sind, notwendig, dass diese Entscheidungen dann transparent gemacht werden.

Daher haben wir in diesem neuen Gesetz selbstverständlich auch besondere Offenle­gungsvorschriften normiert, insbesondere bei der Erfüllung der Gründungsbedingun­gen. Ich glaube, dass wir damit der Betriebsansiedlung einen guten Dienst erweisen und die Rahmenbedingungen für den Standort Österreich verbessern.

Innerösterreichisch gefordert wurde schon längere Zeit die „kleine AG“. Wir haben uns nicht für ein eigenes Gesetz entschieden, sondern Deregulierungen im geltenden Akti­enrecht vorgenommen, um diesem Wunsch nach einer „kleinen AG“ nachzukommen. Da geht es darum, dass Familienfirmen oder Firmen mit einem überschaubaren Aktio­närskreis nicht nur in der Form der GesmbH geführt werden können, sondern eben auch in der Form der AG.

Die konkreten Deregulierungsschritte sind, dass wir eine Ein-Personen-Gründung zu­lassen, wie wir sie bei der GesmbH schon seit 1996 kennen, dass wir auf die Grün­dungsprüfung verzichten, wenn Gründer und Vorstand oder Aufsichtsrat eine Person sind, dass wir beispielsweise bei Einberufungen von Hauptversammlungen auf die Veröffentlichung in der „Wiener Zeitung“ verzichten, und wenn Namensaktien ohnehin zeigen, wer die Aktionäre sind, genügt ein eingeschriebener Brief an diese Aktionäre.

Wir verbessern die Entsendungsrechte in den Aufsichtsrat für Kernaktionäre, er kann nunmehr bis zur Hälfte der Aufsichtsräte nominieren. Wir verbessern den Einsatz der elektronischen Medien, beispielsweise für die Jahreshauptversammlung. Sie kennen das: Videokonferenzen et cetera; all diese elektronischen Medien sollen auch in Zu­kunft Verwendung finden können. Und: Wir machen das „Bekanntmachungsmedium“, das bisher immer nur die „Wiener Zeitung“ war, auch elektronisch möglich.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Tagesordnungspunkt 4, der gleichzeitig mitberaten wird, das Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz und Änderungen im Konsu­mentenschutzgesetz umfassend, wird Kollege Ikrath noch näher Stellung nehmen.

Ich glaube, dass wir mit diesen, sage ich einmal, Wirtschaftsgesetzen im Justizbereich die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft wieder etwas weiter verbessert haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.40

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Jaro­lim. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


14.40

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollegin Fekter hat bereits die Hauptpunkte dieser Rege­lung der Europäischen Gesellschaft, die im Zuge der Umsetzung der Verordnung Nr. 2157/2001 in Kraft treten, angeführt.

Dass es sich hiebei um eine qualitative Verbesserung für die Wirtschaft handelt, dazu wage ich doch anzumerken, dass bei aller Sympathie für eine Formenvielfalt Verbesse­rungen sinnvollerweise durch eine Vereinheitlichung von Formen durchgeführt wer­den – nach meinem Dafürhalten zumindest – und dass die Vielzahl unterschiedlicher Rechtsformen eigentlich auch zu Unklarheiten und damit zu unerwünschten Umstän­den und Zuständen führen kann.

Insofern wäre natürlich ein Ziel anzustreben: dass es in Europa eine Anzahl – und zwar durchgehend, national als auch international – klar definierter Gesellschaftsformen gibt, die aber überall nach dem gleichen System laufen, weil die Liberalität, die Deregulie­rung, wie Sie das gesagt haben, gerade dort, wo Formen geschaffen werden, um Gläubigerschutz, um Rechte – ich weiß, es gibt auch kleine Gesellschaften – von Ge­sellschaftern sicherzustellen, die Vorhersehbarkeit, Erkennbarkeit und Klarheit in den Regulationen hohe Werte darstellen.

Die Umsetzung dieser Verordnung bringt ein Mehr an Formen, was aber nicht unmit­telbar zu mehr Klarheit und damit zu mehr Rechtssicherheit führt.

Ich möchte allerdings nicht verschweigen, dass es natürlich auch eine Herausforde­rung ist, wenn man ein völlig neues, jedenfalls uns neues System, nämlich das mo­nistische Boardsystem, einführt. Kollegin Fekter hat es schon gesagt, das gibt es in England, in Amerika, auch in der Schweiz, und die Italiener haben es zum Teil auch.

Was ist dieses Verwaltungsrat-Modell? – Geschäftsführung und Vorstand werden mit dem Aufsichtsrat zusammengelegt, eigentlich nicht zusammengelegt, sondern es gibt eben nur ein Geschäftsführungs-/Kontrollgremium, und aus dem heraus werden die so genannten geschäftsführenden Direktoren bestellt. Diese können teilweise aus dem Gremium kommen, teilweise auch extern bestellt werden; bei börsennotierten Gesell­schaften müssen sie extern bestellt werden.

Gott sei Dank konnte im Rahmen der Diskussion verhindert werden, auch ein ge­schäftsführerloses Geschäftsführungsorgan – wenn man das so pointiert sagen kann – vorzusehen, also einen Board, wo keine geschäftsführenden Direktoren bestellt wer­den sollen. Das wäre eigentlich ein Anachronismus insofern gewesen, als wir auf der einen Seite von der Corporate Governance, von der Klarheit, von der Verbesserung des Anlegerschutzes, von der nachvollziehbaren Rechnungsprüfung und auch der Klarheit der Revisionsvorschriften sprechen, während sich auf der anderen Seite – und das hat der Bundesminister für Justiz im Justizausschuss auch sehr klar dargelegt; auch Sie, Frau Kollegin Partik-Pablé, haben, glaube ich, darauf hingewiesen – durch


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die Absetzung eines Geschäftsführers aus diesem Board eine Art Revisionsaufsichts­verhältnis – so kann man das, glaube ich, nennen – ergibt.

Das nicht zu verhindern wäre aus unserer Sicht ein großer Fehler gewesen. Ich danke daher all jenen, die dazu beigetragen haben, das zu verhindern.

Was die Corporate Governance betrifft – das gilt jetzt für die weitere Zukunft –, sollte es ein Anliegen sein, hier Verbesserungen zu schaffen. Ich darf nur darauf hinweisen, dass es nach wie vor möglich ist, Stock-Option-Pläne auch für Aufsichtsräte aufzule­gen. Wir haben damals bei der Beschlussfassung gemeint, auch ein Aufsichtsrat muss ein Auge zudrücken können. Das ist etwas, was ich keinesfalls für sinnvoll erachte, und ich bin sehr zuversichtlich, Herr Bundesminister, dass auch diese Regelung demnächst der Vergangenheit angehören wird.

In Bezug auf die „kleine Aktiengesellschaft“ kommt es zu Vereinfachungen – ob man das Deregulierung nennen kann, weiß ich nicht –, zu Vereinfachungen in der Form, dass Bestimmungen grundsätzlich zwar weiterhin aufrecht sind, aber in einer weniger intensiven Form ausgelegt werden, indem man etwa von der „Wiener Zeitung“ auf an­dere Medien umsteigt et cetera. Das heißt vereinfachte Kommunikation dort, wo sie im überschaubaren Rahmen bleibt.

Gesamt betrachtet kann man, so meine ich, sagen: Es ist eine Weiterentwicklung einer EU-Norm, eine Umsetzung einer EU-Norm. Auf europäischer Ebene ist es leider nicht geglückt, die Aktiengesellschaft im Gesamtkontext weiterzuentwickeln. Das müsste für die Zukunft im Auge behalten werden.

In diesem Sinne darf ich mitteilen, dass die Sozialdemokratie diesem Gesetz zustim­men wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.46

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Auf wie viele Minuten darf ich die Uhr einstellen? – 5 Minuten, bitte.

 


14.46

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Das Wirtschaftsleben ist sehr international geworden, ja eigentlich global, weltumspannend geworden, aber gerade unser Gesellschaftsrecht regelt das Agieren eigentlich nur im nationalen Raum. Es gibt keine supranationale Gesellschaftsform, die es ermöglichen würde, in verschiedenen Ländern nach einem einheitlichen Gesetz, nach einheitlichen Normen tätig zu werden.

Beispielsweise – das hat Frau Kollegin Fekter schon angeschnitten – muss heute eine Gesellschaft, die ausländische Tochtergesellschaften hat, immer wieder mit nationalen Rechten umgehen, wenn sie eben Dispositionen in ihren Tochtergesellschaften trifft. Das bedeutet natürlich eine gewisse Schwerfälligkeit, das erhöht die Kosten, das ver­ringert die Transparenz, und das hat die EU zum Anlass genommen, eine Richtlinie auszuarbeiten, um das Agieren von supranationalen Gesellschaften zu ermöglichen beziehungsweise zu erleichtern.

Wichtige Handlungen von Gesellschaften sollen so geregelt werden können, dass sie nach einem einheitlichen Rechtsgrundsatz in Angriff genommen werden können; so zum Beispiel die Sitzverlegung von Aktiengesellschaften, die Gründung von Aktienge­sellschaften, die Umwandlung von Aktiengesellschaften, wenn sie grenzüberschreitend sind. Auf Grund dieser neuen gesetzlichen Möglichkeit weiß ich, egal, wo ich bin, wie ich agieren muss, nämlich nach dem Recht des Sitzes der Gesellschaft. Das ist auf alle Fälle ein Fortschritt und – es wäre uns nichts anderes übrig geblieben, wir hätten diese Richtlinie ohnehin akzeptieren müssen – auch für den Wirtschaftsstandort Österreich von Vorteil.


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Wenn von manchen beklagt wird, dass nach wie vor eine notarielle Beurkundung oder überhaupt die Beiziehung eines Notars notwendig ist, dann möchte ich schon darauf hinweisen, dass das Beisein des Notars als Urkundsperson sehr viele Vorteile hat. Gerade bei kleinen Aktiengesellschaften ist feststellbar, dass es immer wieder zu Än­derungswünschen kommt, weil behauptet wird, es gab Auffassungsunterschiede bei Hauptversammlungen und so weiter. Um all dem vorzubeugen, also Missbräuchen vorzubeugen, ist es auf alle Fälle notwendig beziehungsweise sinnvoll, dass der Notar mitwirkt. Auch das notarielle Protokoll trägt wesentlich dazu bei, dass ein sicherer Be­weis vorhanden ist, wenn es später gerichtliche Auseinandersetzungen gibt.

Das Kostenargument ist eigentlich nicht wirklich schlagkräftig, denn das Honorar für eine jährliche ordentliche Hauptversammlung beträgt rund 500 € zuzüglich Umsatz­steuer, habe ich mir sagen lassen – wirklich ein Betrag, den man einer Aktiengesell­schaft zumuten kann! Diese kurzfristige Kostenbelastung wird aber durch die größere Rechtssicherheit, die vorhanden ist, weitgehend gutgemacht.

Ich möchte eigentlich gar nicht mehr weiter eingehen auf dieses Gesetz, weil Kollegin Fekter und Kollege Jarolim schon dargelegt haben, worum es geht. Diese Bestimmung führt zu einer Verbesserung des Wirtschaftsstandortes, aber das habe ich auch schon gesagt.

Während dieses Gesetz für den Unternehmer ausgerichtet ist, ist das zweite Thema, das wir jetzt auch noch behandeln, etwas, was für die Konsumenten einen größeren Schutz bringt. Es geht auch dabei um die Umsetzung einer EU-Richtlinie. Der Konsu­mentenschutz wird verbessert, indem für Finanztransaktionen, die über Internet oder auch fernmündlich abgewickelt werden, ein verbesserter Schutz vorhanden ist: mehr Auskunftspflichten, mehr Informationspflichten, auch verbesserte Rücktrittsgeschäfte.

Für viele Menschen, die nur per Telefon oder per E-Mail handeln, stellt es vielleicht eine große Versuchung dar, einen Vertrag abzuschließen, von dem sie dann später nicht einmal mehr genau wissen, was sie da abgeschlossen haben, und den sie viel­leicht dann überhaupt nicht mehr erfüllen wollen.

Abschließend: Bei beiden Vorlagen handelt es sich um Gesetze, die wir umsetzen müssen, weil es EU-Beschlüsse sind, die aber sicher für die gesamte Wirtschaft von Nutzen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.51

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. Auf welche Zeit kann ich die Uhr einstellen? – 3 Minuten, bitte.

 


14.51

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Da es sich um eine konsensuale Materie handelt, möchte ich Ihre Zeit, Herr Minister, nicht lange in Anspruch nehmen. Es han­delt sich, wie schon gehört, um wirtschaftsbelebende Maßnahmen, denen wir durchaus zustimmen können, die wir auch unterstützen.

Ich möchte nur noch anmerken, dass jetzt für den Fernabsatz durch dieses Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz Gott sei Dank mehr Möglichkeiten zum Schutz der Kon­sumentInnen auf EU-Ebene eingerichtet worden sind. Wir haben aber auch nationale Spielräume, die wir aber in einem Bereich leider nicht optimal genützt haben. Daran sind nicht Sie schuld, Herr Minister, sondern das liegt beim TKG und betrifft Kollegen Gorbach.

Wir haben im Sommer 2003 eine TKG-Novelle beschlossen. In § 107 ist leider eine differenzierende Regelung festgehalten, die den Anforderungen des Artikels 10 der Richtlinie ebenfalls gerecht wird, weil die Zusendung von Werbe-E-Mails unzulässig ist,


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wenn sie der Verbraucher ausdrücklich abgelehnt hat. Mein Problem ist jetzt: Ich will diese Zusendung und Zuschüttung mit E-Mails von vornherein verhindern können und nicht erst diese ausdrückliche Ablehnung bekunden müssen. Sie werden das vielleicht nicht so empfinden, weil Sie nicht täglich Ihre E-Mails lesen, aber viele unserer Kolle­gen werden überschüttet – überschüttet! – von E-Mail-Spams. Was ich täglich an teil­weise untergriffigen E-Mails löschen muss, ist eine Zumutung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Und das geht eben darauf zurück, dass wir im TKG eine mangelhafte Regelung haben.

Daher: Zustimmung zu den jetzt vorliegenden Materien, gleichzeitig aber auch die An­kündigung, dass wir diese TKG-Novelle wieder novelliert haben wollen, weil Schluss sein muss mit diesem Spam-Müll! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der ÖVP.)

14.53

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Mag. Don­nerbauer. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


14.53

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf ergänzend noch einige Punkte anführen, die die Europäische Gesellschaft, die mit dieser Gesell­schaftsrechtsänderung eingeführt wird, betreffen.

Es wurde von einigen Vorrednern schon erwähnt: Es geht einerseits um eine Verein­heitlichung, nämlich auf europäischer Ebene die Möglichkeit zu schaffen, dass Gesell­schaften nach demselben Gesellschaftsrecht für ganz Europa tätig sind. Es wird dies – und auch das ist positiv zu sehen für den Wirtschaftsraum Europa – auch zu einer Ver­einheitlichung der gesellschaftsrechtlichen Vorgaben in den einzelnen Mitgliedsländern führen, weil dann eben Gesellschaften, die in Europa übergreifend tätig sind, die Mög­lichkeit haben, ihren Sitz nach jenem Gesellschaftsrecht zu wählen und dort eine euro­päische Gesellschaft zu gründen, wo die für sie günstigsten Regeln bestehen.

Günstig – das ist nichts Negatives, sondern das fördert die Wirtschaft, das fördert die Möglichkeiten der Unternehmen, auf dem Markt aufzutreten, und das zu möglichst ge­ringen Kosten, um wettbewerbsfähig zu sein und Arbeitsplätze zu schaffen.

Wir haben aber in diesem Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz auch Regelungen für eine Vereinfachung der Aktiengesellschaft vorgenommen und mit eingebaut. Es geht dabei vor allem darum, in Zukunft auch für unsere KMUs, für unsere kleinen und mittle­ren Unternehmen, die Aktiengesellschaft möglich zu machen, attraktiv zu machen, vor allem dann, wenn sie nicht börsenotiert sind. Viele Regeln zum Schutz von Anlegern, die über die Börse in Unternehmen investieren, sind für Unternehmen, die nicht börse­investiert sind, wo es vielleicht auch nur eine geringe Zahl an Gesellschaftern gibt, sehr wichtig, um eine Aktiengesellschaft auch wirklich attraktiv zu machen.

Weshalb ist es wichtig, das attraktiv zu machen, meine Damen und Herren? Wichtig deshalb, weil auch für die kleinen und mittleren Unternehmen – und wir kennen die internationalen Untersuchungen – die Eigenkapitalaufbringung verstärkt möglich ge­macht werden muss. Wir liegen diesbezüglich international, aus verschiedenen histori­schen Gründen, nicht so besonders gut. Eigenkapital im Unternehmen ist einfach wich­tig, um krisenresistent zu sein, um auch durch schwierige Zeiten durchsteuern zu kön­nen.

Das soll umgesetzt werden, wenngleich – und das ist auch im Ausschuss diskutiert worden; ich glaube, das ist auch Ansicht des Ministers beziehungsweise des Ministeri-


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ums – auch noch zusätzliche Regelungen für diese „kleinen Aktiengesellschaften“ – unter Anführungszeichen – vorgesehen sind und in Zukunft umgesetzt werden sollen.

Ein weiterer Schritt ist die Einführung einer Möglichkeit, wie sie im angelsächsischen Rechtssystem und in verschiedenen Ländern schon jetzt besteht: als Alternative zum derzeitigen österreichischen System mit der Aufteilung zwischen Aufsichtsrat und Vor­stand in Zukunft das monistische System wählen zu können. Das bedeutet ein einheit­liches Führungsgremium dieser Aktiengesellschaft, dieser europäischen Gesellschaft, und in diesem einheitlichen Führungsgremium gibt es dann eben Mitglieder, die für die Geschäftsführung, und solche, die für die Aufsicht zuständig sind, aber keine zwei ver­schiedenen Gremien. Unser bisheriges System wird weiterhin möglich sein, aber alter­nativ dazu wird es auch dieses so genannte monistische System geben.

Ich möchte noch sagen, es freut mich, dass heute auch die Oppositionsparteien die­sem – wie es Frau Kollegin Moser genannt hat – wirtschaftsfördernden Gesetz zu­stimmen werden, es hätte aber auch in der Vergangenheit, in den letzten Monaten und Jahren, oft Gelegenheit dazu gegeben, wirtschaftsfördernden Gesetzen die Zustim­mung zu geben. Ich darf nur die erst kürzlich beschlossene Steuerreform erwähnen – ein wichtiger Punkt für den Wirtschaftsstandort Österreich! –, verschiedene Regelun­gen, mit denen wir die Förderungslandschaft vereinfacht und vereinheitlicht haben.

Bei all diesen Gelegenheiten hätten wir Ihre Zustimmung im Interesse der österreichi­schen Betriebe, Unternehmen und ihrer Mitarbeiter gerne gesehen, aber Sie werden auch in Zukunft noch genügend Möglichkeiten dazu haben, diesbezüglichen Gesetzen vielleicht doch zuzustimmen. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitli­chen.)

14.57

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Hoscher. – Herr Kollege, Sie haben ungefähr 3 Minuten Zeit, dann beginnt die Dringliche.

 


14.57

Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Einige ebenfalls kurze Anmerkungen zu Artikel II des Gesellschaftsrechtsänderungsgesetzes, also zur „kleinen AG“, obwohl dieser Begriff „kleine AG“, der sich eingebürgert hat, etwas missverständlich ist, weil es ja nicht nach der Größe des Unternehmens geht.

Die Novelle bringt ohne Zweifel einige Flexibilisierungen, was das Aktienrecht angeht, die unter anderem auch von der Tourismuswirtschaft seit längerem gefordert wurden. Darüber sind wir und bin auch ich als Ökonom sehr froh. Gerade bei Betriebsüberga­ben, die demnächst vielleicht in vielen Hotelleriebetrieben anstehen werden, ist es sehr wesentlich, dass von Seiten des Betriebsübergebers sozusagen gewisse Sonderrechte eingeführt werden können, insbesondere bei nicht börsenotierten Gesellschaften, die es bei der „großen AG“ – unter Anführungszeichen – in dieser Form nicht gibt.

Gerade in einem Bereich, wo wir im Durchschnitt ein negatives Eigenkapital vorfinden, ist es umso wichtiger, gewisse Anreize dafür zu geben, vielleicht auch in eine andere Gesellschaftsform zu wechseln, um die Kapitalbeschaffung zu vereinfachen bezie­hungsweise eben diese Betriebsübergabe etwa innerhalb der eigenen Familie vorneh­men zu können.

Ich denke da nur an die Entsendungsrechte, die bei nicht börsenotierten Gesellschaf­ten für Aufsichtsratsmitglieder ermöglicht werden, oder auch die Möglichkeit der Ein-Personen-Gründung.

Das Ganze dient auch der Stärkung der Möglichkeiten bei Betriebsübergaben, und das Beispiel Deutschland, wo das im Jahr 1994 eingeführt wurde, zeigt, dass das sehr gut


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angenommen wird. Es sind dort Zuwachsraten von über 50 Prozent zu verzeichnen. Das ist wohl auch mit dem höheren Image, das die Aktiengesellschaften etwa gegen­über der GmbHs genießen, verbunden.

Grundsätzlich möchte ich aber schon dazusagen, dass sich bei diesen Flexibilisierun­gen des Aktienrechtes – und das wurde auch angeführt in den Erläuterungen des Ge­setzes – sozusagen ein gewisser Standortwettbewerb, was die Gesellschaftsrechte angeht, einzubürgern beginnt. Das muss nicht unbedingt negativ sein.

Ich denke nur, gerade auch auf europäischer Ebene, wo es wieder Vorstöße etwa der USA im Bereich der Corporate Governance gegeben hat, dass man da schon aufpas­sen muss, dass bewährte europäische Gesellschaftssysteme, Gesellschaftsrechtssys­teme nicht über Bord geworfen werden. Man sollte da selbstbewusst auch im Rahmen des Lissabon-Prozesses auf einer europäischen Regelung bestehen. – Danke. (Bei­fall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.00

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 3 und 4 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Herbert Scheibner, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Österreichs Haltung zur Außen- und Sicherheitspolitik sowie zur Verfassung der Europäischen Union (1813/J)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftli­chen Anfrage 1813/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Mit dem Vertrag von Nizza beschlossen die Staats- und Regierungschefs der Europäi­schen Union im Dezember 2000 jene institutionellen Reformen, mit denen die Europäi­sche Union erweiterungsfähig gemacht wurde. Gleichzeitig beschlossen die Staats- und Regierungschefs, dass eine breiter angelegte Diskussion über die Zukunft der Europäischen Union aufgenommen werden soll. Im Rahmen dieses Prozesses sollten u. a. die Kompetenzabgrenzung zwischen Europäischer Union und den Mitgliedstaaten nach dem Subsidiaritätsprinzip, der Status der Grundrechtscharta der Europäischen Union, eine Vereinfachung der Verträge und die Rolle der nationalen Parlamente in der Architektur Europas behandelt werden.

In diesem Sinne beschloss der Europäische Rat von Laeken die Einberufung eines Konvents zur Zukunft Europas. Dieser nahm am 28. Februar 2002 seine Arbeit zur Erstellung von Reformvorschlägen für die Europäische Union auf. Damit sollte eine möglichst umfassende und transparente Vorbereitung der nächsten Regierungskonfe­renz sichergestellt werden. Der Europäische Rat von Laeken gab dem Konvent ein umfassendes Mandat, wobei sich für den Diskussionsprozess vier große Themenblö­cke abzeichnen: die Verdeutlichung und Vereinfachung der Kompetenzstrukturen so­wie eine Neuordnung der Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, eine Reform der Politikinstrumente der Union, eine Überprüfung des Institutionengefüges und deren Funktionsweise mit dem Ziel einer Erhöhung der de-


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mokratischen Legitimität und der Transparenz, eine Vereinfachung und Neuordnung der Verträge.

Der Konvent erarbeitete in der Folge den Entwurf eines Vertrages über eine Verfas­sung für Europa. Dieser zielt im wesentlichen auf folgendes ab:

Zusammenfassung der Verträge und Auflösung der Säulenstruktur (einheitliche Rechtspersönlichkeit der Union);

Integration der Charta der Grundrechte der Union und Verbesserung des Rechtsschut­zes;

Bessere Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten;

Vereinfachung der Handlungsinstrumente und Entscheidungsmechanismen der Union;

Transparentere, effizientere und demokratischere Struktur und Funktionsweise der Unionsorgane sowie direktere Einbindung der nationalen Parlamente in die europäi­schen Entscheidungsprozesse;

Stärkung der Handlungsfähigkeit der Union beim außenpolitischen Handeln, bei der Entwicklung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sowie im Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) und Berücksichtigung von gemeinsamen Kernelementen des europäischen Sozialmodells.

Darüber hinaus beinhaltet der Verfassungsentwurf in Teil I Artikel 58 ein besonderes Verfahren, wenn gegen einen Mitgliedsstaat der Verdacht einer schwerwiegenden Ver­letzung der in Artikel 2 genannten Werte der Europäischen Union (z.B. Freiheit, Demo­kratie, Wahrung der Menschenrechte, usw.) besteht. Auf Vorschlag eines Drittels der Mitgliedsstaaten oder der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Par­laments kann der Europäische Rat einstimmig einen Europäischen Beschluss erlas­sen, mit dem festgestellt wird, dass eine schwerwiegende und anhaltende Verletzung dieser Werte der Union durch einen Mitgliedstaat vorliegt, nachdem er den betroffenen Mitgliedstaat zu einer Stellungnahme aufgefordert hat.

Dieses Verfahren stellt künftig sicher, dass ein Vorgehen wie im Fall der von 14 Mit­gliedsstaaten der Europäischen Union gegen Österreich im Jahr 2000 verhängten Sanktionen, die sowohl dem Geist des EU-Vertrages widersprachen als auch einen beispiellosen Eingriff in das demokratische Leben und Selbstverständnis eines gleich­berechtigten Mitgliedsstaates darstellten, künftig nicht mehr möglich ist.

In diesem Zusammenhang hat der sozialdemokratische EU-Abgeordnete und nunmeh­rige SPÖ-Spitzenkandidat Hannes Swoboda die damals von den EU-Vierzehn gegen Österreich verhängten Sanktionen in einem Schreiben vom 16. März 2000 an alle EU-Parlamentarier begrüßt, sich für die ihm entgegengebrachten Zeichen der Freund­schaft und der Solidarität bedankt und in diesem Dankschreiben wörtlich folgendes ausgeführt: „Diese Zeichen sind für uns genauso wichtig, wie die Tatsache, dass die übrigen EU-Regierungen angesichts der Beteiligung der FPÖ an der österreichischen Regierung reagieren mußte.“

Ungeachtet der Tatsache, daß es letztlich dank der konsequenten Arbeit der österrei­chischen Außenpolitik möglich war, eine Aufhebung der ungerechtfertigten Sanktionen noch im selben Jahr zu bewirken, ist es sehr zu begrüßen, daß ähnliche Vorgänge nach dem im Verfassungsentwurf vorgesehenen Procedere nicht mehr denkbar sind.

In der Folge stellte der Europäische Rat in Thessaloniki fest, dass der Entwurf des Ver­trages eine gute Ausgangsbasis für den Beginn der Regierungskonferenz darstellt und diese ihre Arbeit so rasch als möglich abschließen sollte. Der Gipfel der Staats- und


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Regierungschefs am 12. und 13. Dezember 2003 wurde jedoch ohne Einigung über eine Europäische Verfassung beendet.

Unter irischer Präsidentschaft wurde jetzt ein neuer Anlauf genommen, um die Regie­rungskonferenz noch im ersten Halbjahr 2004 bzw. beim Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs am 17. und 18. Juni 2004 erfolgreich abschließen zu können.

Unabhängig vom Zeitpunkt des Beschlusses einer Europäischen Verfassung hängt der Erfolg des Friedensprojektes Europa im wesentlichen Ausmaß davon ab, dass es ge­lingt, die innere und äußere Sicherheit der Mitgliedsstaaten uneingeschränkt zu ge­währleisten. Dazu gehört, wie sich im Fall des uneinheitlichen Vorgehens der europäi­schen Länder im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg zeigte, der weitere Aufbau einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, mit dem Ziel, eines weltweit eigenständi­gen Auftretens Europas. Ebenso ist es erforderlich, die Sicherung der Grenzen der Gemeinschaft, die sich mit der Erweiterung von Österreich weg verschoben haben, konsequent wahrzunehmen. Dies umso mehr, als die Frage des Umganges mit politi­schen Flüchtlingen durch die Umsetzung des Konzepts der sicheren Drittstaaten durch das neue österreichische Asylrecht gelöst ist.

Im Hinblick auf den möglichen Abschluss der Regierungskonferenz stellen die unterfer­tigten Abgeordneten an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten gemäß § 93 Abs. 1 GOG-NR folgende

Dringliche Anfrage:

1. Wie sehen Sie im einzelnen die Aussichten, die von der Bundesregierung am 23. September 2003 beschlossenen und vom Hauptausschuß des Nationalrates be­kräftigten Grundsatzpositionen zur Regierungskonferenz 2003 im Rahmen der derzeit laufenden Verhandlungen über die Europäische Verfassung durchzusetzen?

2. Wie beurteilen Sie im Hinblick auf die im Jahr 2000 von 14 Mitgliedsstaaten verhängten Sanktionen gegen Österreich den im Art. 58 des Verfassungsentwurfs vorgesehenen Mechanismus?

3. Welche Aussichten hat Ihrer Einschätzung nach die Umsetzung der im Verfassungs­entwurf vorgesehenen gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union?

4. Teilen Sie die Auffassung, daß es gerade angesichts der wachsenden Spannungen im nahen und mittleren Osten sowie zwischen arabischen Ländern und Ländern der westlichen Welt besonders wichtig wäre, daß Europa hier einheitlich vorgeht?

5. Welche Möglichkeiten sehen Sie, im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg die traditio­nelle österreichische Vermittlerrolle dahingehend zu nützen, daß nachhaltige Span­nungen zwischen der arabischen Welt und dem gesamten Westen und insbesondere der EU vermieden werden können?

6. Welche Möglichkeiten sehen Sie für Österreich im Zusammenhang mit dem Israel-Palästina – Konflikt beispielsweise im Sinne des Engagements der Europäischen Uni­on im humanitären und infrastrukturellen Bereich, auf eine friedlichere Entwicklung hinzuwirken?

7. Welche Möglichkeiten sehen Sie, die weltweiten Bemühungen zur Bekämpfung des Terrorismus weiterhin nachhaltig zu unterstützen?

8. Wie beurteilen Sie die Frage von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei im Hinblick auf den Umstand, daß die Kopenhagener Kriterien insbesondere hinsichtlich der Ein-


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haltung von Menschenrechten und die wirtschaftlichen Voraussetzungen in wesentli­chen Punkten derzeit nicht erfüllt werden ?

9. Ist sichergestellt, daß im Rahmen der Europäischen Union das Einstimmigkeitsprin­zips in sensiblen Bereichen der Daseinsvorsorge (z.B. Raumordnung, Bodennutzung, Eigenmittelbeschluss, Rechtsakte mit konstitutivem Charakter, Wahl der Energieträger, Wasserressourcen, verbindliche Rechtsakte in der derzeitigen „Dritten Säule“) erhalten bleibt?

10. Welche Möglichkeiten sehen Sie, sicherzustellen, daß künftig der Stabilitäts- und Wachstumspakt von allen Mitgliedsländern in gleicher Weise eingehalten wird?

11. Treten Sie im Zusammenhang mit der finanziellen Vorausschau 2007-2013 für eine Beibehaltung des derzeit tatsächlich erreichten Ausgabenniveaus von 1% des BNE ein?

12. Welche Initiativen haben Sie gesetzt, um die Interessen Österreichs mit regionalen Partnern innerhalb der EU verstärkt in die europäische Diskussion einzubringen?

13. Welche Auswirkungen wird die Umsetzung des Prinzips der sicheren Drittstaaten im neuen österreichischen Asylgesetz im Hinblick darauf, daß Österreich mit Ausnah­me der Schweiz und Liechtensteins keine EU-Außengrenze mehr besitzt, für Öster­reich haben?

In formeller Hinsicht wird ersucht, diese Dringliche Anfrage § 93 Abs. 1 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Scheibner als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. 20 Minuten Redezeit sind von der Geschäftsordnung her vorgesehen. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


15.01

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Mitglieder der österreichischen Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Es hat im Hohen Haus (Zwischenruf des Abg. Öllinger), Herr Kollege Öllinger, im Außenpolitischen Rat, auch in der österreichischen Bundesregierung in den letzten Tagen und Wochen immer wie­der Diskussionen rund um die Europapolitik Österreichs gegeben, die Sicherheitspolitik der Europäischen Union, auch das Verhalten der österreichischen Position dazu und vor allem – und das geht ja jetzt in eine finale Phase – die Verhandlungen rund um eine europäische Verfassung, eine europäische Verfassung, die wir uns eigentlich schon erwartet haben, bevor am 1. Mai die größte EU-Erweiterung seit Geschichte dieser Europäischen Union Wirklichkeit geworden ist, weil diese europäische Verfas­sung für uns eine wichtige Grundlage, ja fast eine Conditio für das Funktionieren die­ses größer werdenden Europas darstellt. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Es waren die Interessen zweier Länder, von Spanien und Polen, die eine rechtzeitige Einigung verhindert haben. Wir werden ja sehen, wie in den nächsten Wochen die Ar­beiten auf europäischer Ebene fortgesetzt werden können.

Wichtig ist aber, dass wir in Österreich auch klar unsere Positionen festlegen und dass alle Repräsentanten Österreichs – egal, ob in den Räten, ob das die österreichische Bundesregierung macht oder ob das unsere Vertreter, die österreichischen Vertreter im


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Europaparlament machen – darauf aufpassen, dass Österreich dabei nicht unter die Räder kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das gilt bei der Reform der Institutionen genauso wie bei der Abgrenzung der Kompe­tenzen. Wir haben ja durchgesetzt – das muss jetzt auch wirklich finalisiert werden –, dass bei wichtigen Fragen das Einstimmigkeitsprinzip auch in der Europäischen Union erhalten werden kann.

Herr Kollege Gusenbauer, zu einem Ihrer Wahlkampfslogans, die Sie ja jetzt überra­schenderweise bringen, den Erhalt des Wassers. In den neunziger Jahren haben Sie die FPÖ noch beschimpft, als sie für den Erhalt des Wassers eingetreten ist. – Das ist geregelt. Das ist geklärt. Es ist in diesem Fall klar Einstimmigkeit gegeben. Öster­reich – das habe ich Ihnen auch gestern schon gesagt –, die österreichische Bundesre­gierung wird nie und niemals zustimmen, dass über unsere Wasserressourcen andere als die Österreicherinnen und Österreicher entscheiden. Das gilt es dann auch klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es geht um die Finanzierung der Europäischen Union, um Pläne, dass eine Erhöhung von 20 bis 25 Prozent bei den Belastungen für Österreich geplant ist. Dies ist für uns nicht akzeptabel! Das muss verhindert werden! Auf der anderen Seite verlangen wir aber auch klare Richtlinien etwa für die Einhaltung der Konvergenzkriterien. Nur kann es nicht so sein, dass sich einige Länder, so wie Österreich, penibelst an die Vorgaben zur Festigung und Stabilisierung des Euro halten – andere, große Länder jedoch ma­chen, was sie wollen, und es dann schon eine große Leistung ist, wenn es dann einen Brief mit einer lauen Verurteilung oder Ermahnung gibt. (Abg. Öllinger: Herr Kollege! Der Minister ist ja nicht da!)

Genauso, Herr Kollege Öllinger, sieht es auch aus, wenn es um die Betrugsbekämp­fung geht, wenn es um die Bekämpfung der Korruption geht. Und wir gehen auch da­von aus, dass die Dinge, die aufgedeckt sind, dann auch eingemahnt werden, dass zu Unrecht überwiesene Zahlungen auch zurückgefordert werden.

Es ist im Rahmen dieses Verfassungsentwurfes auch ein Sanktionsmechanismus ein­geführt, der dann eintritt, wenn ein Mitgliedsland in Verdacht gerät, gegen die Werte der Europäischen Union zu verstoßen. Das ist gut so und richtig, denn es ist eine Re­aktion auf ein ungeregeltes, völlig inakzeptables Verhalten der Europäischen Union, der Länder der Europäischen Union, nämlich in der Zeit, im Jahre 2000, als die Bevöl­kerung Österreichs eine Bundesregierung gewählt hat, die manchen in Europa und auch manchen in Österreich nicht gepasst hat. Diese schlechten Erfahrungen, die die Europäische Union damit gemacht hat, fußen jetzt in dieser Maßnahme, und diese wird auch von uns unterstützt, meine Damen und Herren. Das, was sich damals abgespielt hat, dass 14 Mitgliedsländer der Europäischen Union Sanktionen gegen ein Land die­ser Union setzen – und das nur deshalb, weil ihnen die Regierung nicht gefällt –, das darf und wird sich in Zukunft nicht mehr wiederholen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich hoffe – da schaue ich jetzt auch in Richtung Sozialdemokratie, Herr Kollege Gusen­bauer –, dass sich auch eines nicht mehr wiederholen wird: dass es nämlich dann, wenn so etwas passiert, dass man gegen Österreich, gegen die österreichischen Inter­essen derart zu Felde zieht, in Österreich Abgeordnete, Politiker bis in höchste Kreise und auch EU-Abgeordnete gibt, die nicht nur nichts gegen diese ungerechtfertigten Sanktionen tun, sondern – ganz im Gegenteil! – diese, wenn sie sie schon nicht herbei­reden oder herbeiwünschen, zumindest noch erklären, begrüßen und verteidigen und unser Land im Ausland noch schlecht machen. Eine derartige Strategie hat damit hof­fentlich auch ihr Ende gefunden! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ein Wahnsinn! Unvorstell­bar!)


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Ich erinnere an die Debatte von gestern, meine Damen und Herren von der SPÖ. Ich habe Ihnen ja gestern in der Aktuellen Stunde diesen ominösen Brief des EU-Abge­ordneten Swoboda vorgelesen, in dem er an alle EU-Abgeordneten sozusagen nette Worte richtet und sich bedankt, dass in Freundschaft und Solidarität diese Maßnahmen gegen Österreich gesetzt worden sind. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Wahnsinn! Das muss man sich einmal vorstellen!)

Die Reaktionen waren ja recht interessant. Da hat zuerst Abgeordneter Swoboda ge­sagt, dass er diesen Brief, dieses Schreiben gar nicht kennt. – Das war gestern um 10.13 Uhr. Er kennt also dieses Schreiben nicht, das er damals verfasst hat. Aber die­ser Gedächtnisschwund ist dann bald wieder aufgelöst worden, denn der SPÖ-Pressedienst hat dann eine halbe oder dreiviertel Stunde später diesen Brief im Wort­laut auch der APA übergeben. Ich weiß jetzt nicht, von wem Sie dann den Brief gehabt haben, denn Swoboda hat sich zumindest zu diesem Zeitpunkt an den Brief nicht erin­nern können. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er hat sich geschämt, und deshalb hat er „ver­gessen“!)

Dann, kurze Zeit später, hat nicht Abgeordneter Swoboda, sondern sein Wahlkampfbü­ro – die haben das dann auch schon gewusst – gesagt: Na ja, dieser Brief, den es in Wahrheit ja nicht gegeben hat, denn der Schreiber kann sich nicht daran erinnern, war ja eine vehemente Verteidigung Österreichs und ein Aufruf zur Solidarität mit Öster­reich und keine Verunglimpfung des Landes. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Unvorstellbar!)

Und siehe da: Einen Tag später, nämlich heute, hat sich Abgeordneter Swoboda an diesen Brief doch wieder erinnert und seinen Einsatz als Patriot betont. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Es dauert halt ein bisschen länger, er ist im Wahlkampf!) Er sagt, er sei in der Zeit der Sanktionen in Europa für Österreich eingetreten und genau ein Element davon sei dieser Brief gewesen.

Meine Damen und Herren von der SPÖ, ich frage mich jetzt wirklich – vielleicht können Sie eine Antwort geben, weil Sie das ja auch alles verteidigen –: Wo erkenne ich aus diesem Brief dieses Zeichen der Solidarität und des Patriotismus für Österreich? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das wird spannend!) Ist es ein Zeichen von Patriotismus, dass man anerkennt, dass die EU-Regierungen angesichts der Beteiligung der Freiheitlichen an einer Regierung genauso reagieren mussten – mit Sanktionen gegen Österreich? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Unvorstellbar!)

Ist es ein Zeichen von Patriotismus, dass man im Ausland eine Partei, die damals 27 Prozent der Stimmen in Österreich gehabt hat, als „rassistisch“, als „fremdenfeind­lich“ diffamiert und diskreditiert? Ist das ein Akt von Patriotismus, meine Damen und Herren?! Ist es ein Akt von Patriotismus, wenn man dann schreibt, eine derartige Hal­tung dürfe nicht mit einer Regierungsbeteiligung belohnt werden? – Nein, ich glaube, das ist kein Akt von Patriotismus, sondern ein Akt unsolidarischen Verhaltens, von Vernaderung des eigenen Landes und zum Schaden des eigenen Landes, meine Da­men und Herren! Das sollten Sie endlich auch einmal zugeben! (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

Dann wird noch gesagt, na ja, aber der letzte Satz wäre es gewesen. Da steht – ich zitiere –: „Für Österreich in der heutigen Situation bedarf es ... besonderer Bemühun­gen“, also weiterhin „besonderer Bemühungen“ der Europäischen Union, Österreich auszugrenzen.

Vielleicht ist das – ich verstehe es vielleicht nur nicht, aber ich habe natürlich versucht, mich da einzulesen – auch ein Akt der Solidarität mit Österreich, mit dem eigenen Land, wenn Herr Abgeordneter Swoboda im Europaparlament am 2. Februar 2000 über die Regierungsbildung Folgendes sagt:


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„Es ist ein schwarzer Tag für Österreich und Europa.“ Und: „Zwei unverantwortliche Politiker, zerfressen von Machtstreben, verkaufen das Image, die politische Rolle und zum Teil auch wirtschaftliche Interessen Österreichs ...“

Das ist also „Patriotismus“, gelebt im Europaparlament durch den EU-Abgeordneten Swoboda, meine Damen und Herren! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist eine Frechheit! Der ist rücktrittsreif!) Was ist das? Wo ist da der Patriotismus?

Und weiters, so Swoboda: „Ich verstehe, dass Europa und die zivilisierte Welt“ – also im Gegensatz zu Österreich – „mit einer solchen Regierung möglichst wenig zu tun haben möchten.“

Und dann der Aufruf Swobodas: „Unterstützen Sie das österreichische Volk gegen diese Regierung!“ – Das, meine Damen und Herren, war der Aufruf eines EU-Abge­ordneten der SPÖ im Europaparlament gegen das eigene Land! Ein wirklicher Skan­dal, ein ungeheuerlicher Skandal! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Beschämend! – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Dann wird ja noch gesagt, das wäre ja nicht gegen Österreich, denn man hat ja auch angesprochen, es gäbe auch ein „anderes Österreich“, und das sollten die EU-Mitgliedsländer unterstützen, meine Damen und Herren. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Wien!) Ich will jetzt gar nicht darüber philosophieren, ob Sie damit die gewaltbereiten Demonstranten gemeint haben. Aber, meine Damen und Herren: Wir sollten doch die­sen Konsens dahin gehend haben, dass es für uns als Vertreter Österreichs im Aus­land kein geteiltes Österreich gibt, dass es kein sozialistisches, kein sozialdemokrati­sches, kein konservatives, kein freiheitliches Österreich gibt, sondern nur ein Öster­reich mit einer Bevölkerung, die wir in Brüssel zu vertreten haben! Das würden wir uns von einem echten Patrioten erwarten! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege Cap, das ist keine Kriminalisierung des Herrn Swoboda, keine Diskreditie­rung, überhaupt nicht, sondern es geht uns um Folgendes: Wenn jemand hier antritt, die Interessen Österreichs in einer schwierigen Situation in Brüssel zu vertreten, dann wird er sich auch die Frage gefallen lassen müssen, ob er sich bei diesen Aktionen, wo wir wirklich die Unterstützung aller Kräfte in Österreich gebraucht hätten, dieser Ver­antwortung gestellt hat. – Ich sage: nein, meine Damen und Herren, und das sollen die Österreicher an einem Tag wie heute auch wissen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn wir diskutiert haben über Sanktionsmechanismen in der Europäischen Union, dann muss man natürlich auch darüber diskutieren, wie die Europäische Union reagiert, wenn es außerhalb des Gebietes dieser Union zu Men­schenrechtsverletzungen kommt, wenn es außerhalb des Gebietes der Europäischen Union zu Verletzungen der Grundwerte und des Völkerrechtes kommt. Und da gibt es seit vielen Jahren eine wichtige Initiative in der Europäischen Union (Abg. Öllinger: Berlusconi!), Herr Kollege Öllinger, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Diese Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik steckt allerdings leider noch in sehr kleinen Schuhen.

Wir haben oft – auch hier im Hohen Haus – darüber diskutiert und kritisiert, wie schwie­rig es für Europa gewesen ist, eine einheitliche, eine klare Linie etwa in der Balkan-Politik zu finden. 300 000 Toter hat es sozusagen bedurft, bis es endlich diese einheit­liche Linie Europas, der Europäischen Union gegeben hat – mit einigen Erfolgen, etwa der Stabilisierung Mazedoniens.

Ein weiterer Punkt in der Erfolgsgeschichte war das gemeinsame Agieren in Afghanis­tan, meine Damen und Herren. Auch – und das haben wir immer wieder vorangestellt – die Reaktion der Vereinigten Staaten auf den Terroranschlag vom September 2001


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war maßvoll und nicht überzeichnet, wie manche es gefürchtet haben. Man hat ver­sucht, den Konsens in der Staatengemeinschaft zu finden und ein gemeinsames Vor­gehen gegen den internationalen Terrorismus zu setzen.

Der Militäreinsatz damals war verständlich, aber – das müssen wir heute kritisieren – auf den Wiederaufbau hat man vergessen, denn heute diskutieren wir wieder, dass Drogenexporte zunehmen, dass die Mohnfelder in Afghanistan wieder bebaut werden, dass die Kriminalität dort wieder steigt und dass es keine Konzeption für eine nachhal­tige Stabilisierung dieses Landes gibt. Ich sage Ihnen hier ganz offen: Ich habe da meine persönlichen Erfahrungen, wie man so etwas nicht machen kann. (Zwischen­ruf.)

Ich höre da irgendwie „oje“ im Hintergrund. – Ich sage Ihnen: Ja, das waren eindrucks­volle Erlebnisse, denn ich war in Afghanistan und habe gesehen, wie es den Menschen dort geht und welche Hoffnung sie in die internationale Staatengemeinschaft gesetzt haben. Wir haben damals ein kleines Projekt umzusetzen versucht: Da ist es um einen Kindergarten für Kinder gegangen, deren Mütter in Gefängnissen in Kabul sitzen. Und wir haben versucht, hier in Österreich wenige tausend Euro für den Aufbau dieses Kin­dergartens zu bekommen. – Die Antwort war: Das haben wir nicht, das wollen wir nicht, denn wir haben schon geblecht, nämlich in Tokio bei der großen Geberkonferenz, wo alle möglichen Länder Milliardenbeträge versprochen haben! – Wir haben diesen Kin­dergarten trotzdem, und zwar mit Eigeninitiative auch des österreichischen Bundes­heeres, aufgebaut. Wir haben dort gesehen, welche Hoffnung, welches Glück in den Augen dieser kleinen Kinder gewesen ist, durch diese kleine Aktion.

Wenn man dann zurückkommt und sieht, welche Probleme es dabei gibt, das wenige Geld aufzutreiben, und sich Herrschaften dann in Großkonferenzen hinsetzen und sa­gen, wir haben Milliarden für den Wiederaufbau gespendet, wir brauchen sonst keine Verantwortung mehr zu übernehmen! – diese Milliarden dann aber nicht kommen, weil nur 1 Prozent dieser Förderungsmittel auch wirklich dort investiert worden ist, dann, muss ich sagen, haben wir Handlungsbedarf. Wir haben als Österreicher auch inner­halb der Europäischen Union eindeutig das Wort zu erheben und zu betonen, dass man mit militärischen Mitteln, die manchmal notwendig sind, einen Krieg beenden, dass man Terroristen vertreiben kann, aber dass es notwendig ist, mit zivilen Mitteln alles zu tun, um der Bevölkerung in diesen Regionen Hoffnung und eine gute Zukunft in Frieden und Freiheit zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Genauso ist es im Nahen Osten. Wir stehen doch alle fassungslos vor einer Spirale der Gewalt in dieser Region: Selbstmordattentate gegen Unschuldige, gegen Frauen und Kinder. Und die Reaktion darauf, dass zivile Infrastruktur etwa der palästinensischen Bevölkerung zerstört wird, zivile Infrastruktur, die unter anderem mit Mitteln der Euro­päischen Union aufgebaut worden ist, wo wahllos mit Lenkwaffen, mit schweren Waf­fen gegen Menschen vorgegangen wird: eine Spirale der Gewalt – und in Wirklichkeit keine Reaktion der Staatengemeinschaft! Jetzt endlich einmal auch eine Verurteilung durch den Sicherheitsrat, aber in Wahrheit auch keine wirklichen Initiativen der Euro­päischen Union, um eine Verhandlungslösung, auch mit entsprechendem Druck, auf Basis gleichberechtigter Verhandlungen aller Volksgruppen und aller Länder in dieser Region zu erreichen.

Dritter Bereich – und dieser ist wohl am gravierendsten –: die Situation im Irak. Meine Damen und Herren, wir haben immer gesagt: Eine Militäraktion im Irak ist nur dann gerechtfertigt, wenn es eindeutige Beweise für Massenvernichtungswaffen und ein klares UNO-Mandat gibt. – Weder die Beweise noch das UNO-Mandat sind vorhanden! Auch das muss man klar und deutlich zum Ausdruck bringen. Wir werden heute einen Entschließungsantrag auch zu diesen Bereichen einbringen, dazu, dass es sich dort um eine völkerrechtswidrige Militäraktion handelt und dass man auch keine Idee, kein


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Konzept für den politischen Wiederaufbau, für die Zukunft in diesem Land eingebracht hat. Bei den Menschenrechtsverletzungen, die dort auch von den amerikanischen Truppen verübt worden sind, kann man ja gar nicht abschätzen, welche Folgen das haben wird, welche Folgen das nicht nur für die Region hat, sondern welche Folgen das überhaupt für das Ansehen des Westens an sich, also auch von uns, in der ge­samten arabischen und islamischen Welt haben wird.

Auch deshalb müssen wir eindeutig und klar die Stimme gegen derartige Vorkomm­nisse erheben. Und wenn ich sage eindeutig und klar, dann meine ich das auch so! Ich verstehe nicht, warum man sich auch in der Europäischen Union immer hinter diploma­tischen Floskeln versteckt. Man muss Klartext reden, denn sonst wird man in diesem Bereich nicht verstanden! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Darum ist die Außenministerin nicht da!)

Meine Damen und Herren, es ist auch wichtig, die Kontakte zu all diesen Ländern zu pflegen. Und wenn dann immer so gesagt wird, ja warum fahren denn etwa auch frei­heitliche Politiker sooft in den Iran, nach Syrien und Lybien, dann muss ich betonen: weil wir eben zeigen wollen, dass es hier in Europa ein Österreich gibt, das sich aktiv an Friedensverhandlungen beteiligen möchte (Beifall bei den Freiheitlichen), das aktiv eine Brücke zwischen Europa und diesen Krisenherden darstellen möchte. Das ist die Aufgabe auch Österreichs! Es ist auch unsere Aufgabe, innerhalb der Europäischen Union darauf zu drängen, dass man dem Wunsch auch in diesen Krisenregionen nachkommt, als objektiver Verhandlungs- und Vermittlungspartner aufzutreten.

Ich sage Ihnen auch eines, wirklich als ganz persönliche Meinung: Da sterben jeden Tag, jede Stunde Menschen unter furchtbaren Bedingungen. Da wird mit jedem dieser menschenrechtswidrigen Akte Hoffnung zerstört, die Spirale der Gewalt weitergedreht, dem Terror wieder weitere Nahrung gegeben! Wir alle sind betroffen davon, denn die­ser internationale Terror macht vor keinen Staatsgrenzen und vor keinen völkerrechtli­chen Verträgen Halt. Deshalb sollten wir nicht dauernd nur um Begriffe und Buchsta­ben hier kämpfen, sondern darum, dass es endlich Frieden, Sicherheit und Stabilität in dieser Region gibt. Und da haben die Österreicher als Vermittler und als Partner der Europäischen Union ein gewichtiges Wort mitzureden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Für all das, meine Damen und Herren, bräuchten wir auch einen Konsens in der Außenpolitik, und ich hoffe, dass wir diesen bekommen, dass wir alle hier nach außen mit einer Stimme sprechen, dass wir auch die Außenministerin bei ihren Bemühun­gen, diese Rolle wahrzunehmen, unterstützen – und dass wir auch innerhalb der Euro­päischen Union alle österreichischen Positionen so weit es geht einig vertreten, und zwar sowohl in der Außenpolitik, in der Sicherheitspolitik, aber auch dann, wenn es darum geht, den Ruf Österreichs in der Welt nicht zu schädigen, sondern zu fördern und zu verbessern.

Da hat jede Fraktion die Verantwortung, in die europäischen Institutionen genau jene Politiker zu entsenden, die diesem Grundsatz, für Österreich zu arbeiten, auch nach­kommen können. Leute, die nur für die eigenen Interessen oder für irgendwelche sozialistischen oder andere ideologischen Ideale kämpfen, aber unser Land sozusagen im Regen stehen lassen, sind von vorgestern, und die brauchen wir in Zukunft nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.21

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich in Vertretung der Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Herr Bundesmi­nister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Bartenstein zu Wort gemeldet. – Bitte.

 



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15.21

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich bitte Sie um Ihr Verständnis da­für, dass ich heute einerseits die Freude und andererseits die Ehre habe, die Frau Außenministerin zu vertreten; sie ist mit unserem Herrn Bundeskanzler Dr. Schüssel am Weg zur EU-Lateinamerika-Konferenz nach Mexiko. Daher nehmen Sie bitte mit mir vorlieb. (Ruf bei der SPÖ: Bleibt sie dort?) – Gewiss nicht! Das Land braucht sie dringend! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Molterer – in Richtung SPÖ –: „Bleibt sie dort?“ – Schämt euch!)

Lassen Sie mich eingangs, meine Damen und Herren, auf das Thema Regierungskon­ferenz und den Stand der Entwicklung einer europäischen Verfassung eingehen. (Abg. Mag. Molterer in Richtung SPÖ –: Das wahre Gesicht kommt jetzt raus von euch! – Abg. Dr. Gusenbauer: Ihr habt es notwendig, bei der Rede von Scheibner zu klat­schen!) Hohes Haus! Wie Sie wissen, hat es zwischen dem gescheiterten Gipfel im Dezember vergangenen Jahres und zwei Außenministertreffen im Mai keine offizielle Verhandlungsrunde der Regierungskonferenz gegeben, sondern nur bilaterale Ge­spräche zwischen bestimmten Mitgliedstaaten.

Ein weiteres Außenministertreffen wird am 14. Juni stattfinden, gerade drei Tage vor dem Europäischen Rat, bei dem die Regierungskonferenz hoffentlich abgeschlossen werden kann. Ich möchte Ihnen über den Stand der Diskussion zu diesen Themen der Reihe nach berichten – und mit nicht-institutionellen Fragen beginnen.

Manche dieser Themen sind aus österreichischer Sicht sehr wichtig, so zum Beispiel die Aufnahme der Charta der Grundrechte, die Abschaffung der Säulenstruktur, die Schaffung einer einheitlichen Rechtspersönlichkeit, die klarere Aufteilung der Zustän­digkeiten zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten, die Achtung der nationalen Identität, die verstärkte Kontrolle des Subsidiaritäts- und Verhältnismäßig­keitsprinzips und die neue Rolle der nationalen Parlamente.

Wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben eine Stärkung der sozialen Di­mension erzielt. Es wird eine horizontale Sozialklausel geben, die festhält, dass die Union in allen Politikbereichen auf ein hohes Beschäftigungsniveau und auf soziale Sicherheit achten muss. Wir haben erreicht, dass die so genannte Daseinsvorsorge, das heißt die öffentliche Versorgung im Nahverkehr, bei der Abfallbeseitigung und bei den Gesundheitsdiensten in der Kompetenz der Mitgliedstaaten verbleibt.

Bezüglich Wasserressourcen, Raumordnung und Bodennutzung haben wir von Anfang an klar gestellt, dass wir nicht bereit sind, auf die Einstimmigkeit zu verzichten. Und das wurde verstanden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es wird auch weiters verankert, dass der Tierschutz in die diversen politischen Maß­nahmen der Union einbezogen werden muss. Die Handlungsfähigkeit der Union in den Bereichen Grenzkontrollen und Asyleinwanderung wird verstärkt. Es bleibt aber Sache der Mitgliedstaaten, den quantitativen Zugang von Drittstaatsangehörigen zum Arbeits­markt zu regeln.

Was die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik betrifft, hat Österreich ge­nau das erreicht, was es wollte. Bei der viel diskutierten Beistandsklausel wird die Ver­fassung ausdrücklich auf den spezifischen Charakter der Sicherheitspolitik bestimmter Mitgliedstaaten verweisen, und bei der so genannten Solidaritätsklausel, die bei Ter­rorakten und Naturkatastrophen gilt, wird ausdrücklich festgehalten, dass jeder Mit­gliedstaat selbst die Mittel der Ausübung der Solidarität wählt, meine sehr verehrten Damen und Herren.


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Was den Anwendungsbereich der qualifizierten Mehrheitsbestimmungen anlangt, so ist der Übergang zu qualifizierten Mehrheitsabstimmungen vor allem in vier Themenberei­chen umstritten: zum Ersten im Bereich der Außenpolitik, zum Zweiten im Bereich der Steuer, zum Dritten im Bereich der sozialen Sicherheit und zum Vierten im Bereich der justiziellen Kooperation in Strafsachen. Diese Diskussion ist noch nicht abgeschlossen. Eine Lösung wird es wohl erst in den letzten Runden beziehungsweise überhaupt in der letzten Runde geben können.

Österreich tritt – von bestimmten Ausnahmen abgesehen – für qualifizierte Mehrheits­abstimmungen ein, weil wir das in einer Union der 25 auch als eine Frage der Hand­lungsfähigkeit betrachten, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen ist sehr umstritten. Sie kennen unsere Position dazu: Es handelt sich um eine der wenigen Fragen, bei denen wir Einstim­migkeit fordern. Eine andere Frage betrifft den Bereich der Wasserressourcen. Dem, meine Damen und Herren, hat der Vorsitz Rechnung getragen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun zum Institutionenpaket: Die großen institutionellen Fragen sind, wie Sie wissen, nach wie vor offen. Die Forderungen der einzelnen Mitgliedstaaten sind auf dem Tisch. Jetzt liegt es an der Präsidentschaft, sich ein ausgewogenes Kompromisspaket zu überlegen. Die Bundesregierung ist auf diese Schlussrunde sehr gut vorbereitet. Wir haben eine Allianz von gleich gesinnten kleineren und mittleren Mitgliedstaaten aufge­baut, die einige gemeinsame Grundsätze definiert haben und vor allem in dieser Schlussphase der Verhandlungen gemeinsam vorgehen wollen.

All diese Staaten teilen unsere Position, wie sie im Grundsatzpapier dargelegt wurde. Sie lehnen die vom Konvent vorgeschlagenen nicht-stimmberechtigten Kommissare ab – die sind jetzt auch ziemlich vom Tisch – und drängen darauf, dass man bei der Definition der doppelten Mehrheit einer Parität der Quoren für das Staaten- und für das Bevölkerungskriterium möglichst nahe kommt. Ich bin sicher, dass sich diese Allianz während der noch verbleibenden Wochen bewähren wird.

Nun zuletzt zum Themenkreis Nahost, meine sehr verehrten Damen und Herren: Eine Lösung des Nahostproblems sowie genereller Spannungen in diesem Raum, aber auch zwischen der arabischen Welt und dem Westen sind ein prioritäres Anliegen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union. Österreich bringt in diesen wichtigen Bereich seine guten Beziehungen mit den Ländern der Region und seine traditionellen Erfahrungen und Kontakte mit diesem Raum ein, der seit jeher im Zentrum des österreichischen außenpolitischen Interesses steht.

Eine Einheitlichkeit der Position Europas wird von Österreich nachhaltig unterstützt, wie dies auch den Beschlüssen des Nationalen Sicherheitsrates im Zusammenhang mit der Irak-Frage, meine sehr verehrten Damen und Herren, entspricht. Österreich unterstützt überdies die Bemühungen im UN-Sicherheitsrat, wo derzeit eine neue Re­solution zum Irak in Ausarbeitung steht, die die Übertragung der Souveränität auf eine Irakische Übergangsregierung ab dem 30 Juni dieses Jahres ermöglichen soll.

Nun zur Beantwortung der 13 an mich, respektive an mich in Stellvertretung der Frau Außenministerin gestellten Fragen:

Zur Frage 1:

Das habe ich aus meiner Sicht gerade mit meinen einleitenden Ausführungen beant­wortet.

Zur Frage 2:

Dieser Artikel, meine sehr verehrten Damen und Herren, wurde in Nizza praktisch von Österreich geschrieben. Er enthält alle Elemente – ich betone: alle Elemente –, für die


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sich Österreich mit Nachdruck eingesetzt hat, insbesondere das rechtliche Gehör und die Rechtsschutzmöglichkeiten für den betroffenen Mitgliedstaat. Dieser Artikel soll jedenfalls sicherstellen, dass sich die Vorgänge wie jene im Jahr 2000 in Bezug auf Österreich – wir waren damals die Leidtragenden – nicht mehr wiederholen können.

Zur Frage 3:

Österreich hat sich immer für die Stärkung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheits­politik der Europäischen Union eingesetzt. Institutionell sieht der Verfassungsentwurf die Schaffung eines europäischen Außenministers/einer Außenministerin vor, der/die unter einem Doppelhut die bisherigen Funktionen des Außenkommissars und des Ho­hen Vertreters für die Außenpolitik vereint.

Zur Frage 4:

Auf diese Frage bin ich ebenfalls bereits in meiner Einleitung eingegangen.

Zur Frage 5:

Österreich ist seit jeher um einen Dialog mit diesem für uns so wichtigen Raum bemüht und unterstützt auch seit vielen Jahren den Dialog der Religionen und Zivilisationen. Da spielen auch die Mitgliedschaft Österreichs im Netzwerk für menschliche Sicherheit und das diesbezügliche Engagement der Außenministerin eine große Rolle. Wir wollen den Ländern der arabischen und islamischen Welt nicht Konzepte von außen aufdrän­gen, sondern in partnerschaftlicher Weise an Reformmaßnahmen mitarbeiten.

Als einen konkreten österreichischen Beitrag sehe ich unter anderem auch den kürzli­chen Besuch zweier Mitglieder des Irakischen Regierungsrates in Österreich, mit de­nen unter anderem auch der Herr Bundespräsident, aber auch ich in meiner Funktion als Wirtschaftsminister ausführliche Gespräche über die künftige wirtschaftliche Zu­sammenarbeit zwischen Österreich und dem Irak führen konnten. Der Irak hat seit je­her eine privilegierte Position als Wirtschaftspartner Österreichs eingenommen, und es ist sinnvollerweise unser Bestreben, diese Wirtschaftsbeziehungen in Zukunft wieder auf das traditionelle Niveau anzuheben.

Zur Frage 6:

Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten, wobei Österreich von Anfang an ak­tiv mitgewirkt hat, haben durch ihr verlässliches politisches, humanitäres und wirt­schaftliches Engagement einen zentralen Beitrag zur Bewahrung der wichtigsten öf­fentlichen und privaten gemeinschaftlichen Strukturen in den palästinensischen Gebie­ten geleistet. Auf politischer Ebene wird die Europäische Union diesem Anspruch durch ihre zentrale Rolle in der Erarbeitung der „Road Map“ im internationalen Nahostquartett gerecht. Ohne die Europäische Union gäbe es keine „Road Map“ und gäbe es kein Quartett, meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade die jüngste Erklärung des Quartetts hat auch in der arabisch-palästinensischen Wahrnehmung wieder Zuversicht bezüglich der Umsetzung der „Road Map“ hergestellt.

Die Europäische Union ist darüber hinaus der mit Abstand wichtigste Geber für huma­nitäre, soziale und wirtschaftliche Wiederaufbauprogramme. Österreichs Anstrengun­gen waren seit jeher auf den Aufbau und die Förderung sozialer Dienstleistungen vor allem im Bereich der Gesundheit, aber auch der Berufsausbildung im öffentlichen und Nicht-Regierungssektor konzentriert. Seit Ausbruch der zweiten Intifada vor mehr als drei Jahren haben wir uns vermehrt der besonders schwierigen Situation der Flücht­lingsbevölkerung zugewandt.

Zur Beantwortung der Frage 7:

Spätestens der Anschlag von Madrid hat uns auf schreckliche und schrecklichste Wei­se vor Augen geführt, dass die Europäische Union im Kampf gegen den Terrorismus


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verstärkte Anstrengungen unternehmen muss. Die Erklärung der EU-Staats- und -Re­gierungschefs vom 26. März dieses Jahres enthält entscheidende Neuerungen dafür. Mit dem Holländer de Vries wurde das neu geschaffene Amt eines EU-Antiterrorismus-Koordinators besetzt.

Österreich befürwortet die Schaffung dieser Position ebenso wie die neu einzurichten­de Intelligence Capacity, eine Einheit im Ratssekretariat, die eine verbesserte Analy­se von Bedrohungen und ein rascheres Reagieren ermöglichen soll.

Zur Frage 8:

Bereits im Jahre 1963 hatte die damalige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ein Assoziationsabkommen mit der Türkei abgeschlossen, das eine Beitrittsperspektive enthielt. Gemäß dem Europäischen Rat von Helsinki 1999 werden Verhandlungen erst dann aufgenommen, wenn die Türkei die politischen Kriterien, die vom Europäischen Rat von Kopenhagen im Juni 1993 formuliert wurden, erfüllt, nämlich institutionelle Stabilität als Garant für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten.

Der Europäische Rat von Kopenhagen beschloss im Dezember 2004, über die Auf­nahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu entscheiden, soferne die politi­schen Kriterien erfüllt sind. Der letzte Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission vom Herbst 2003 und die Schlussfolgerungen des Rates von Brüssel vom Dezem­ber 2003 sprechen zwar von „effektiven Reformschritten“ der türkischen Regierung, zeigen aber, dass die politischen Kriterien nicht in vollem Umfang erfüllt sind.

Obwohl die Erfüllung der wirtschaftlichen Kriterien nicht Voraussetzung für die Auf­nahme von Beitrittsverhandlungen ist, hat Österreich immer wieder gefordert, dass schon vor der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen absehbar sein sollte, dass die Türkei in der Lage sein würde, auch diese Kriterien zu erfüllen. Österreich hat sich da­bei auch als erster EU-Mitgliedstaat dafür eingesetzt, dass vor einer Entscheidung über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen eine Evaluierung der Kosten einer allfälligen Mitgliedschaft vorgenommen werden sollte – und die Europäische Kommission hat dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, zugesagt.

Schließlich hat Österreich immer wieder gefordert, dass auch die Bereitschaft der Europäischen Union zu einer Aufnahme der Türkei gegeben sein muss. Allfällige weitere Beitritte müssen mit einer dynamischen Weiterführung der europäischen Integ­ration vereinbar sein.

Zur Frage 9:

Auch dazu habe ich in meiner Einleitung, wie ich meine, ausreichend Stellung genom­men.

Zur Frage 10:

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade für die kleinen Euro-Staaten konnten im Verfassungsentwurf entscheidende Verbesserungen im Rechtsrahmen für den Sta­bilitäts- und Wachstumspakt durchgesetzt werden. Ich möchte derer zwei herausgrei­fen, die beide sicherstellen, dass künftig der Stabilitäts- und Wachstumspakt von allen Mitgliedern in gleicher Weise eingehalten wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitli­chen.)

Erste Verbesserung: Beim Stabilitäts- und Wachstumspakt erhält die Kommission ein Vorschlagsrecht in der Frage, ob ein übermäßiges Defizit besteht. Derzeit kann die Kommission nur Empfehlungen aussprechen. Ein Vorschlag der Kommission aber müsste – Sie wissen das – im Unterschied zur Empfehlung wiederum einstimmig ab­geändert werden, und zwar von den Mitgliedstaaten. Der Rat kann dann nicht mehr


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mittels Mehrheitsabstimmung eine Empfehlung übergehen und die Feststellung eines übermäßigen Defizits verhindern.

Zweite Verbesserung: Österreich hat in der jüngsten Verhandlungsrunde der Regie­rungskonferenz erreicht, dass die Preisstabilität in den Zielen der Union verankert wird. – Sehr geehrter Herr Abgeordneter Öllinger, wir haben gestern darüber diskutiert. Wir wollten das, und wir haben das erreicht. Preisstabilität ist ein hoher Wert! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zur Frage 11:

Das derzeitige Ausgabenniveau von knapp unter 1 Prozent des EU-Bruttonationalein­kommens ist gegeben; Sie kennen das. Nach Meinung von Österreich und einigen anderen nicht unwesentlichen Mitgliedstaaten können alle Prioritäten der erweiterten Union innerhalb dieses Rahmens von 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens gut realisiert werden.

Auch Mittel für neue Mitgliedstaaten stehen innerhalb dieses 1 Prozents ausreichend zur Verfügung, wenn entsprechende Umschichtungen im Budget durchgeführt werden. Österreich tritt dabei dafür ein, dass das Schwergewicht der Struktur- und Kohäsions­politik bei der Unterstützung der neuen Mitgliedstaaten liegt. Dem Vorschlag der Kom­mission nach Steigung der Ausgaben um fast ein Drittel, meine sehr verehrten Damen und Herren, können wir nicht zustimmen!

Für unsere Bürger ist das nicht verständlich und auch für uns nicht, wenn die Europäi­sche Union vom Konsolidierungsprozess, dem auch nationale Budgets unterliegen – wir wissen das –, ausgenommen wird.

Zur Frage 12:

Vor allem im Rahmen der Regierungskonferenz gilt das: Darüber hinaus gibt es unter anderem eine enge Zusammenarbeit in Fragen des westlichen Balkans, der westlichen Balkanländer und die so genannte Sicherheitspartnerschaft auf dem Gebiet der inne­ren Sicherheit.

Zuletzt zur Frage 13:

Diese Frage richtet sich zwar in erster Linie an den Herrn Bundesminister für Inneres Dr. Strasser, aber aus meiner Sicht wäre allgemein dazu zu sagen: Das Dublin-Übereinkommen gilt seit 1. Mai selbstverständlich auch für die neuen EU-Mitglied­staaten. Personen, die über diese Staaten nach Österreich kommen, können daher nicht mehr in das österreichische Asylverfahren aufgenommen werden. Es ist daher mit einem Rückgang der Zahl der Asylwerber zu rechnen.

Einmal mehr um Ihr Verständnis bittend, dass ich stellvertretend für die Frau Außenmi­nisterin diese Dringliche Anfrage beantwortet habe, danke ich Ihnen, Herr Präsident, für die Erteilung des Wortes. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.38

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zukommt.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. – Bitte.

 


15.38

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Ich bedanke mich herzlich beim


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Herrn Bundesminister für die kompetente Beantwortung dieser Fragen, die für uns wichtig sind; da gebe ich Kollegem Scheibner Recht.

Meine Damen und Herren von der Opposition, Ihr Unverständnis verstehe ich nicht ganz. In der letzten Wochen mussten wir dringlichst einen Außenpolitischen Rat einbe­rufen, weil Sie diese Fragen diskutieren wollten. Am Montag hat die Grüne Fraktion eine Dringliche Anfrage an die Frau Bundesministerin in dieser Frage angekündigt. Obwohl sie nicht da ist, diskutieren wir es heute, doch es scheint Ihnen auf einmal nicht mehr wichtig zu sein, weil es nicht von Ihnen ist. Das, meine Damen und Herren, ist für uns nicht zu akzeptieren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir bleiben in diesem Zusammenhang bei den wichtigen Fragen, und ich darf sie auch unter dem Gesichtspunkt sehen, dass verschiedene Fraktionen vielleicht eine unter­schiedliche Haltung dazu haben. Aber ich halte es für sehr wichtig und dringlich, dass wir jetzt, nachdem die Fragen Irak, die Fragen Naher Osten tagtäglich zu neuen schrecklichen Ereignissen führen und nachdem die Frage der Europäischen Union vor dem europäischen Gipfel mit dem Abschluss der Europäischen Verfassung in zwei Wochen vor dem Abschluss steht, darüber reden.

Ich darf namens meiner Fraktion unsere Haltung zum Ausdruck bringen. Wir haben bei der Frage des Irak eine klare Haltung an den Tag gelegt. Wir wollen – dazu hat Frau Bundesministerin Ferrero-Waldner als Erste in Europa auch Stellung genommen – nicht nur die Folterungen und Misshandlungen verurteilen, sondern wir wollen in die­sem Zusammenhang natürlich Aufklärung und eine Verurteilung der Täter, meine Da­men und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das ist notwendig, weil Menschenrechtsverletzungen – gleich, von wem sie begangen werden – nicht einfach beiseite geschoben werden können.

Die Frau Außenministerin hat sich am 5. Mai 2004 als erste europäische Außenminis­terin dazu in der Öffentlichkeit geäußert und diese Vorkommnisse verurteilt. Das haben Sie ja wahrscheinlich erst ein wenig später nachgelesen, denn Sie haben sie noch kri­tisiert, dass das eigentlich nicht erfolgt sei. Ihre sozialdemokratischen Außenminister in Europa haben im Unterschied zu Benita Ferrero-Waldner diesbezüglich große Zurück­haltung an den Tag gelegt, was wieder einmal zeigt, dass Frau Bundesministerin Fer­rero-Waldner unser Land und auch unser Wertegefüge hervorragend in Europa und in der Welt vertritt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir sind betreffend Irak auch dafür, dass die UNO mög­lichst rasch die Verantwortung übernimmt, und zwar umfassend übernimmt, und zwar sowohl im Hinblick darauf, eine Zivilregierung einzusetzen, sowohl im Hinblick darauf, was die Ölvorräte und den Verkauf derselben anlangt als auch was multinationale Truppen betrifft. (Abg. Öllinger: Ist Preisstabilität in Ihrem Wertegefüge?) Wir wollen das, wir vertreten das – und wir werden uns dafür in der Europäischen Union auch stark machen.

Der zweite Themenbereich, den ich auch ansprechen darf, ist in diesen Anfragen mit enthalten. Er betrifft den Nahen Osten. Da gibt es gerade von Ihren beiden Fraktionen immer eine große Zurückhaltung, darüber zu reden. (Abg. Öllinger: Was?) Nein, meine Damen und Herren, wenn Menschenrechte verletzt werden ... (Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Öllinger.) – Kollege Öllinger, Sie sind gar nicht Mitglied im Außen­politischen Rat und haben ja Ihre Vertreterin dort offensichtlich nicht erlebt, sonst könn­ten Sie jetzt nicht so reagieren! (Abg. Öllinger: Ich bin besser informiert als Sie! Das ist pure Ignoranz!)

Wir sagen, dass jede Menschenrechtsverletzung – egal, von wem sie begangen wur­de; auch wenn sie in dergestalt auftritt, wie wir sie heute feststellen müssen, dass ein-


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fach Häuser im Gazastreifen niedergemacht, platt gewalzt werden –, angeprangert gehört, verurteilt gehört. Und dazu stehen wir – egal, von wem sie begangen wird –, auch wenn Ihnen das nicht angenehm ist! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich glaube, dass wir Österreicher in diesem Zusammenhang sehr wohl unsere traditio­nell guten Kontakte in den arabischen Raum dazu nutzen sollten, dass wir einen Teil im Rahmen der Europäischen Union übernehmen, nämlich diese Brücke zum Westen zu schlagen. Das ist ja auf Grund von vielen Kontakten, die Österreich in den arabi­schen Raum hat, eine Aufgabe, für die uns Europa auch dankbar sein wird. Wir brau­chen hier eine Dialogbereitschaft mit den arabischen Ländern. Das ist notwendig, da können wir einen wesentlichen Teil dieser europäischen Politik mitgestalten.

Ich möchte zum Dritten natürlich ganz zentral auf die Europäische Union eingehen, auf die Verfassung, auf das, was sich dort entwickelt. Ich darf das zusammenfassen: Für uns gilt eben, dass wir österreichische Interessen auch dann vertreten, wenn es man­chen vielleicht unangenehm ist. Da werden wir ganz konsequent den Weg weiterge­hen, den Österreich bisher gegangen ist, meine Damen und Herren. (Abg. Öllinger: Libyen!) Sie haben uns ja oft mit dem Entwurf zum Verfassungskonvent, den Sie auch mitgetragen haben, vorgeworfen, es sei alles erledigt. – Nein, es ist nicht alles erledigt!

Gerade die Frage der Daseinsvorsorge muss in der nationalen Kompetenz bleiben, meine Damen und Herren. Wenn wir das europäisieren, heißt das, wir gefährden, dass unsere Kommunen für diese Dienstleistungen vor Ort zuständig bleiben. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist blauäugig!) Aber das wollen wir. Wir legen Wert darauf und wir werden einer europäischen Verfassung nur dann zustimmen, wenn das auch ge­währleistet ist! Ich darf das für die ÖVP ganz klar festhalten. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es gäbe zu diesen Fragen noch viel zu sagen (Abg. Öllinger: Das glaube ich!), aber eines darf ich Ihnen nicht ersparen, meine Damen und Herren von der SPÖ: Mit Ihren Spitzenkandidaten für das Europäische Parlament hatten Sie tatsächlich kein Glück. Das letzte Mal, im Jahre 1999, haben Sie einen Hans-Peter Martin nach vorne ge­stellt. – Großartig! Dieser Mann hat Österreich nicht gerade mit Ruhm belegt. Er ist jemand, der mit der Knopflochkamera im Europäischen Parlament andere kontrolliert. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: James Bond!)

Okay. Vielleicht hat er einen Beitrag dazu geleistet, dass dieses System jetzt geändert wird; ich hoffe es. Aber diese Aufgabe wird sich bald erledigt haben, denn das System wird sich ändern. Meine Damen und Herren! Wo hat dieser Mann aber österreichische Interessen vertreten? (Abg. Dr. Fekter: Seine eigenen hat er vertreten!) – Ich kann mich an kein einziges Beispiel erinnern!

Mit Ihrem jetzigen Spitzenkandidaten, meine Damen und Herren von der SPÖ, dem Herrn Kollegen Swoboda, verhält es sich offenbar ähnlich. Wenn das jetzt aufkommt, was in diesem Brief nach den Sanktionen von ihm vertreten wurde (Abg. Öllinger: Hö­ren Sie doch auf mit diesem Schmafu!), dann frage ich Sie: Er soll für die Sozialdemo­kratie in Brüssel, in der Europäischen Union für Österreich Vertretungsaufgaben über­nehmen?! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist ungeheuerlich! Das ist ja unglaublich!) Wie kann man sich so etwas vorstellen, meine Damen und Herren? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Österreichs Interessen müssen dort vertreten werden, und zwar in aller Schärfe und mit allem Nachdruck. (Abg. Sburny: Und in aller Meinungsfreiheit!) Dafür bedarf es Kompetenz, meine Damen und Herren – und nicht Spitzenkandidaten à la Swoboda oder Martin. Das darf ich für unsere Fraktion festhalten. (Abg. Öllinger: Letztklassig!)


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„Österreich stark vertreten!“, das ist unser Motto. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

15.45

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Bures zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.45

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Klubobmann Scheibner hat behauptet, dass der Abgeordnete zum Europaparlament Dr. Hannes Swoboda bestritten hätte, ein Schreiben, das er selbst vor vier Jahren an 625 EU-Abgeordnete gerichtet hat, nicht zu kennen. – Das ist unwahr! Das ist unwahr und ab­surd! (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein.)

Wahr ist vielmehr, dass Dr. Hannes Swoboda gesagt hat, dass er einen Brief nicht kennt, in welchem er die EU-Sanktionen gutgeheißen hat, weil es diesen Brief auch nicht gibt. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wahr ist vielmehr: Es gibt einen Brief von Dr. Hannes Swoboda (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sanktionen!), in dem er einen Appell nach stärkerer Zusammenarbeit und mehr Solidarität gerichtet hat. Und das tut Europa gut! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist peinlich!)

15.46

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Bitte.

 


15.46

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundes­regierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie schlecht muss es einer Partei gehen, die sich zu einer derartigen Rede herablässt, wie sie Herr Scheibner heute ge­boten hat? – Ich kann nur sagen: Ich drücke Ihnen mein Beileid aus, Herr Kollege Scheibner! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Die Wahrheit tut weh! Die Wahrheit schmerzt! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist nur der Neid!)

Wie schlecht muss es einer Partei gehen, die versucht, Herrn Abgeordneten Hannes Swoboda in aller Öffentlichkeit in Misskredit zu bringen? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ah so? Wir bringen ihn in Misskredit?)

Wie schlecht muss es einer solchen Partei gehen, die offensichtlich die bürgerliche Zeitung „Die Presse“ gelesen hat, in der festgehalten wird, dass der beste österreichi­sche EU-Abgeordnete Hannes Swoboda ist? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Rasin­ger: Aber nicht mehr lange! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Der beste Vernaderer wahr­scheinlich!)

Sie müssen die „Oberösterreichischen Nachrichten“ gelesen haben, in denen vier Ab­geordnete zum Europäischen Parlament die Spitzengruppe bilden; im Übrigen ist kein einziger von der FPÖ dabei. Unter den vier besten ist erneut wieder Dr. Hannes Swo­boda. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: In der Gruppe wollen wir gar nicht sein!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann Ihnen sagen, in dieser Rangliste der „Oberösterreichischen Nachrichten“ sind vier Abgeordnete ex aequo: Herbert Bösch, Othmar Karas, Hannes Swoboda und Johannes Voggenhuber. – Nachzulesen in der gestrigen Ausgabe der „Oberösterreichische Nachrichten“. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)


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Nicht zu finden in dieser Rangliste ist die FPÖ. Und das erklärt auch die Vorgangswei­se, die da – angefangen vom Kärntner Landeshauptmann, nun fortgesetzt durch Herrn Scheibner – gewählt wird. Man muss sich das einmal vorstellen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Abgeordneter Swoboda hat vor vier Jahren an alle Mitglieder des Europäischen Parlaments einen Brief geschickt. Vor vier Jahren! (Abg. Scheibner: Wo ist das Patriotische?) Vier Jahre lang hat sich niemand über diesen Brief aufgeregt – aus keiner einzigen Fraktion! (Abg. Mag. Mainoni: Immer wieder!)

Der Grund dafür ist ziemlich einfach, denn Hannes Swoboda kommt in seinem Brief zum Schluss:

„In diesem Sinne bitte ich alle Kolleginnen und Kollegen, die Kontakte mit Österreich und seiner Bevölkerung nicht zu vermindern oder gar abzubrechen, sondern im Gegenteil zu verstärken.“ (Abg. Dr. Partik-Pablé: ... als Vernaderer!)

Das ist der Brief eines Patrioten – er hingegen aber wird von dieser FPÖ verleumdet! Das ist der wahre Skandal, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Bleckmann: Lesen Sie den Rest vom Brief auch noch vor!)

Der Kärntner Landeshauptmann hat sich nicht entblödet, hat sich hingestellt und hat die Aberkennung des Wahlrechtes für den besten österreichischen EU-Abgeordneten gefordert (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen), hat ihn als „Vaterlandsverräter“ bezeichnet (Abg. Dr. Partik-Pablé: Der „beste“! Meine Güte! Der „beste Abgeordne­te“!) und hat gemeint, anderen Kriminellen werde schon längst das Wahlrecht wegge­nommen. (Ruf bei der SPÖ: Ungeheuerlich!)

Soll ich Ihnen etwas sagen? – Das ist der eigentliche demokratiepolitische Skandal! Solche Aussagen sind unwürdig für Österreich und für das Hohe Haus, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie Rufe der Zustimmung bei der SPÖ.)

Und soll ich Ihnen noch etwas sagen? – Enttäuschend ist die Haltung der ÖVP. (Abg. Scheibner: Entschuldigen Sie sich für Ihre Haltung bei den Sanktionen gegen Öster­reich! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Schmutzkübelkampagne!) Herr Abgeordneter Spin­delegger stellt sich hier an die Seite der FPÖ, die zu anti-demokratischen Aktionen aufruft. Schämen Sie sich! Das entspricht nicht christ-demokratischer Tradition! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Schämen Sie sich! – Abg. Scheibner: Oberlehrer! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Schämen Sie sich für Ihren Spitzen­kandidaten!)

Wenn wir schon darüber reden, wer den Ruf unseres Landes geschädigt hat: Da gibt es eine lange Reihe. Meine Damen und Herren, glauben Sie, es war eine Werbeveran­staltung für Österreich, dass Jörg Haider die rechtsextremen Parteien nach Kärnten eingeladen hat? (Abg. Mag. Mainoni: Holocaust-Konferenz!) Glauben Sie, es war eine Werbeveranstaltung für Österreich, dass Haider den Diktator und Völkermörder Saddam Hussein besucht hat?! (Abg. Scheibner: Sie haben die Sanktionen ausgelöst! Oberlehrerhaft!)

Meine Damen und Herren! Das hat dem Ruf Österreichs geschadet! Schämen Sie sich! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Scheibner: Kein Wort des Bedau­erns und der Entschuldigung für die Sanktionen!)

Meine Damen und Herren! Die Wahrheit ist ganz einfach: Ihre Politik schadet nicht nur Österreich, sondern sie schadet vor allem der österreichischen Bevölkerung. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Geh! Und der Herr Swoboda nicht?!) Und dafür bekommen Sie bei jeder Wahl, die stattfindet, die Quittung serviert. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Warum ist er Landeshauptmann geworden mit Hilfe der SPÖ? Das würde mich interessieren!) Die


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österreichische Bevölkerung wählt ihre unsoziale Politik täglich ab – und das mit Recht! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe mir gedacht, Sie werden aus Fehlern klug. Was ist Ihre Strategie? – Schon in der Präsidentschaftskampagne haben Sie versucht, Heinz Fischer, den Kandidaten der SPÖ, zu verunglimpfen, in Zusammenhang mit den Sanktionen zu bringen, öffentlich in Misskredit zu bringen und ihm zu schaden. (Abg. Scheibner: Kein Wort zu den Sank­tionen!)

Die Antwort der österreichischen Bevölkerung war glasklar: Sie hat Heinz Fischer mit deutlicher Mehrheit zum österreichischen Bundespräsidenten gewählt. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Und das, was Ihnen schon mit Heinz Fischer nicht gelungen ist, wird Ihnen am 13. Juni mit Hannes Swoboda auch nicht gelingen. (Abg. Mag. Mainoni: Ha, ha! Die Bevölke­rung wird das bestimmen, nicht Sie!) Die österreichische Bevölkerung ist bedeutend klüger, als Sie glauben und sieht ganz genau, was der Hintergrund Ihrer wirklich un­verantwortlichen Agitation ist.

Der 13. Juni wird für Sie der nächste Zahltag! (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

15.53

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Scheibner zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.53

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche) (in Richtung SPÖ, die noch immer Beifall spendet): Danke schön, meine Damen und Herren von der SPÖ. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wie manches andere im Debattenbeitrag des Abgeordneten Gusenbauer hat er auch eines unwahr behauptet. Er hat behauptet, dass jetzt erst, vier Jahre nach dem Ver­schicken dieses ungeheuerlichen Briefes, eine Aufregung sozusagen im Wahlkampf entsteht. (Abg. Reheis: Ungeheuerlich sind Sie!)

Diese Behauptung ist unrichtig, Herr Kollege Gusenbauer, denn die Freiheitlichen ha­ben damals wie heute eine derartige Vorgangsweise gegen die Interessen Österreichs verurteilt.

Ich zitiere Ihnen eine Aussendung unserer Europaabgeordneten Raschhofer, die zu diesem Brief sagt:

„,Ganz offensichtlich ist Herrn Swoboda Parteipolitik wichtiger als Österreich‘, kommen­tiert die freiheitliche Delegationsleiterin einen Brief ihres Kollegen Swoboda an alle Abgeordneten im Europäischen Parlament.“

(Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: So schauts aus!)

15.54

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

 


15.54

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Her­ren! (Ruf bei der SPÖ: Saddam-Freunde!) – Tief wird es nur durch Ihre Zwischenrufe, das möchte ich Ihnen schon sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Herr Abgeordneter Gusenbauer, Herr Klubobmann, Sie haben gemeint, dass eine sol­che Dringliche Anfrage dem Ansehen der Republik Österreich schaden würde. – Ich sage Ihnen: Eine parlamentarische Diskussion kann niemals das Ansehen eines Par­lamentes schädigen, denn dazu sind wir ja da, nämlich um zu diskutieren, um Meinun­gen auszutauschen. Vielleicht sollten Sie sich einmal daran gewöhnen, auch wenn es um Themen geht, die Ihnen nicht angenehm sind! Ich glaube schon, dass Sie darüber nicht reden wollen. Da ziehen Sie dann ganz schnell das „Ansehen Österreichs“ heran, um solche Diskussionen abzuwürgen. (Abg. Dr. Wittmann: Ihr Wiener Wahlergebnis würde ich gerne wissen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! All jene Befürchtungen, vor denen wir anläss­lich der EU-Osterweiterung gewarnt haben, insbesondere vor einem Beitritt Tsche­chiens und der Slowakei, sind Wahrheit geworden. Das müssen wir uns einmal vor Augen halten. Alle Forderungen, noch vor dem Beitritt Tschechiens und der Slowakei zu benützen, um einen eindeutigen Ausstieg aus der Atompolitik zu fordern, haben Sie immer abgelehnt. Sie haben all unsere Forderungen als lächerlich abgelehnt. Sie ha­ben sogar gesagt, das sei eine Erpresser-Strategie. Wir mussten uns sagen lassen, wir können besser über eine Ausstieg von Tschechien und der Slowakei aus der Atompoli­tik reden, wenn sie einmal bei der EU dabei sind. All das mussten wir uns anhören.

Und jetzt kommt die Stunde der Wahrheit! Jetzt hat nicht nur die Slowakei (Abg. Öllin­ger: Na geh!) – sagen Sie nicht: „Na geh!“ –, sondern Tschechien hat sogar gesagt, dass sie die Atomenergie ausbauen werden.

Heute lesen Sie in Ihrer Lieblingszeitung, dem „Standard“, dass statt einer Stilllegung von Temelín beabsichtigt ist, zwei neue Blöcke für Temelín auszubauen. Das wird uns jetzt angekündigt, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Es wird nicht an einem Ausstiegsszenario gearbeitet, sondern – ganz im Gegenteil! – an einem Ausbauszenario. Darüber muss man natürlich diskutieren und schauen, wer die Verantwortlichen in der Vergangenheit waren. (Abg. Öllinger: Swoboda!) – Auf Herrn Swoboda komme ich schon zu sprechen, darum brauchen Sie sich nicht zu sor­gen.

1999 haben wir vier Anträge gestellt (Abg. Öllinger: Vier Anträge! Das ist die ganze Arbeit?), allein 1999, die den Inhalt hatten, über die Sicherstellung des Ausstiegskon­zeptes und dann erst über die Aufnahme von Tschechien und der Slowakei in die EU zu diskutieren.

Viermal haben Sie unseren Antrag abgelehnt. Ihre Reaktion war eben, das sei eine Erpressungssituation und man könne nicht mit einem Veto arbeiten. Unsere Forde­rung, gegen den Beitritt ein Veto einzulegen, war Ihnen ebenfalls nicht genehm, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Van der Bellen: ... Temelín vielleicht ab­geschaltet worden? So ein Blödsinn!)

Sie haben sich wirklich als die typischen Epimetheuse herausgestellt. (Abg. Dr. Van der Bellen: Was für Mäuse?) Wir waren die Prometheuse: Wir haben gewusst, was auf uns zukommen wird. Aber Sie waren keine Vordenker, sondern Sie waren Nach­denker, aber nicht im Sinne von „überlegen“, sondern von „erst später draufkommen“, was wirklich passiert. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Hat das etwas mit Schildläusen zu tun?)

Am 12. Mai 1999 hat die Regierung Tschechiens beschlossen, den Bau von Temelín fortzusetzen. (Abg. Dr. Wittmann: Wie war das mit den Schildläusen? Können Sie sich erinnern?) Und die Reaktion der damaligen Konsumentenschutzministerin, Verbrau­cherschutzministerin Frau Mag. Prammer war: Nun, der Fortschritt, der erzielt worden ist, ist eigentlich schon toll! Es haben zwar elf Minister dafür gestimmt, dass ausgebaut


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werden soll, aber immerhin acht waren schon dagegen, und das gibt Anlass zur Hoff­nung!

Ich muss Ihnen das schon vorwerfen, denn das zeigt die ganze Naivität Ihrer Politik. (Abg. Öllinger: Gott sei Dank, dass Sie nicht naiv sind!) Sie haben dann auch noch euphorisch gesagt: Wer hätte noch vor einem Jahr auf die heutige Situation auch nur zu hoffen gewagt?

Also: Tschechien hat den Ausbau von Temelín mit 11 : 8 Stimmen beschlossen, Sie haben es als großartigen Erfolg der Bestrebungen der Bundesregierung, der damals sozialistischen Bundesregierung, bezeichnet, dass ohnehin acht dagegen waren und haben gehofft, dass es besser wird. Da sieht man schon Ihre Politik und Ihre „Weit­sicht“. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Cap hat gestern gesagt – wir haben gestern eine ähnliche Diskussion geführt –, man müsse überlegen, ob es eine Möglichkeit gibt, langfristig gesehen aus der Atom­energie auszusteigen, damit nicht Gelder der österreichischen Steuerzahler miss­bräuchlich zur Aufrüstung von Atomkraftwerken verwendet werden.

Herr Cap! Im Jahr 1995 hat der jetzige Staatssekretär und damalige EU-Abgeordnete Schweitzer eine Antrag auf Schließung von Mochovce gestellt. Alle großen Parteien im EU-Parlament waren dagegen.

Drei Mal waren Mitglieder des Umweltausschusses in Tschechien und haben verhan­delt. Sie haben jedoch den Tschechen nie signalisiert, dass diese ihre Atompolitik still­legen müssen! (Abg. Öllinger: Wann hat der Schweitzer jemals einen Erfolg gehabt?) Ganz im Gegenteil: Sie, meine Damen und Herren, haben immer signalisiert: Es ist eh eigentlich alles in Ordnung.

Das muss man auch einmal sagen, denn gestern sind Sie mit den Vorwürfen gegen diese Bundesregierung groß aufgetaucht, aber im Vorfeld des EU-Beitritts haben Sie überhaupt keine Schritte unternommen, eine langfristige Politik auszuarbeiten, die ein Ausstiegsszenario bedeutet hätte. Das muss man Ihnen schon vorhalten, und es ist auch dringend notwendig, dass Sie sich einmal selbst diese Ihre Politik vor Augen füh­ren.

Frau Glawischnig hat gestern gesagt, dass ja im Beitrittsvertrag verankert ist, dass die Schließungszusage primärrechtlich verbindlich ist. Sie ist ganz enttäuscht darüber, dass offenkundig daran gedacht wird, EU-Primärrecht, also das Verfassungsrecht und den Beitrittsvertrag zu brechen. – Wir haben eigentlich schon damit gerechnet, dass sich Beitrittsstaaten nicht daran halten, und wir haben daher verlangt, dass ein Veto eingelegt oder die Frage schon vorher geregelt wird. Sie kommen jetzt, nachher, mit Ihren Vorwürfen, wenn nichts mehr zu machen ist, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich könnte Ihnen da noch eine ganze Reihe von Ihrer Politik aus der Vergangenheit vorhalten, aber ich möchte mich noch Herrn Swoboda widmen, wie ich es angekündigt habe. Sie wollen in Wirklichkeit für nichts verantwortlich sein: nicht für die verfehlte Atompolitik, auf die wir im Zuge des Beitrittsvertrages hätten Einfluss nehmen können, und Sie wollen auch keine Verantwortung übernehmen für das Verhalten des Herrn Abgeordneten Swoboda.

Herr Swoboda ist angerührt wegen der Aufforderung von Haider, als Spitzenkandidat zurückzutreten; er hat von „persönlicher Gemeinheit“ gesprochen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.) Aber der Brief, den Herr Swoboda geschrieben hat, ist keine per­sönliche Gemeinheit, er ist eine öffentliche Gemeinheit, und zwar eine Gemeinheit der Republik Österreich und deren Staatsbürgern gegenüber! (Beifall bei den Freiheitli­chen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Wer so etwas macht, der sollte sich schon einmal überlegen, ob er der geeignete Kan­didat für das EU-Parlament ist. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.) Es wird jetzt dargestellt, als ob das eine Verteidigung Österreichs gewesen wäre (Abg. Öllinger: Jetzt haben Sie wieder einen Pluspunkt beim Haider!), aber vor solchen Ver­teidigern muss man sich eigentlich hüten. Ich möchte nicht haben, dass Abgeordnete, die Österreich in dieser Art und Weise verteidigen, im Parlament sitzen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das, was Herr Swoboda gemacht hat, ist zwar kein Landesverrat, aber es ist geradezu klassische Kreditschädigung. Nämlich: Wer falsche Tatsachen behauptet, wer jeman­den runtermacht (Abg. Reheis: Das tun Sie jetzt ...!), um das Fortkommen eines Lan­des oder eines Menschen zu beschädigen, macht Kreditschädigung. Und das hat Herr Abgeordneter Swoboda gemacht. (Abg. Öllinger: Das trauen Sie sich nur hier herin­nen zu sagen! – Abg. Reheis: Sie verbreiten falsche Tatsachen!)

Ich möchte Ihnen Folgendes raten: Ändern Sie Ihre Plakate! Dass ein Ausverkauf des österreichischen Wassers stattfindet, ist ohnehin nicht möglich, weil da das Einstim­migkeitsprinzip besteht, ändern Sie lieber, dass Herr Swoboda nicht mehr der Spitzen­kandidat der SPÖ ist! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.03

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, erkläre ich Folgendes: Ich habe mir das vorläufige Stenographische Protokoll betreffend Tierschutzdebatte geben lassen. In dieser Debatte hat Herr Abgeordneter Keck umfassend über Korallenhalsbänder für Hunde berichtet. In diesem Zusammen­hang hat er, an den Abgeordneten Rädler gerichtet, gesagt: „Ihnen gehört es eh.“ Und: „... Sie brauchen es eh nachher zum Anlegen.“ – Für diese Aussage erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Zurücktreten müsste er wegen so einer Aussage!)

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Einem zu Wort gemeldet. – Bitte. (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie Gegenrufe bei den Freiheitlichen.)

 


16.04

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Abgeord­nete Partik-Pablé war soeben so freundlich, zu behaupten, dass die sozialistische Bundesregierung vor dem Beitritt Österreichs zur EU nichts gegen Temelín unternom­men hätte. – Diese Tatsachenbehauptung ist doppelt unrichtig! (Abg. Neudeck: Dop­pelt unrichtig ist richtig! Zwei Mal falsch ist richtig!)

Erstens hat es unmittelbar vor dem Beitritt zur EU keine sozialistische Bundesregie­rung, sondern eine Koalitionsregierung gegeben.

Zweitens hat Herr Bundeskanzler Vranitzky bereits in den Jahren 1992 und 1993 aktiv die Umrüstung von Temelín in ein Gaskraftwerk betrieben (Zwischenrufe bei der ÖVP), was ich deshalb bestätigen kann, weil ich selbst als Direktor der ÖMV für den Gasbe­reich mit den Tschechen darüber verhandelt habe. (Abg. Scheibner: Das war eh er­folgreich, nicht?)

Anträge zu stellen, die in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes hinein­pfuschen, kann man leicht, Frau Abgeordnete. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das wollen wir nicht! Ein Veto hätten wir wollen!) Es nützt nur nichts! (Beifall bei der SPÖ.)

16.05

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Ab­geordnete Dr. Lichtenberger. – Bitte.

 



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16.05

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Partik-Pablé, ich glaube, Sie haben hier einen Redezettel vergessen, Sie können ihn dann abholen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Bringen Sie ihn mir mit!) Vielleicht sollten Sie mit den Prometheus-Vergleichen etwas vorsichtiger sein, denn Prometheus endete sehr, sehr schlecht, angekettet auf einem Felsen – und es war nicht in Tirol –, wo ihm dann die Geier die Eingeweide herausrissen. (Ruf bei der ÖVP: Nicht die Ein­geweide, die Leber!) Das wünsche ich niemandem. Verwenden Sie solche Vergleiche nicht, das passt nicht! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé.)

Sie, Frau Abgeordnete Partik-Pablé, haben auch längere Zeit über Atomausstieg und Veto gesprochen. Ich war ja schon verwundert, dass in der Anfrage, die heute gestellt wurde, das Wort „Atomausstieg“ überhaupt nicht vorgekommen ist. Ich war auch sehr irritiert darüber. Sie haben das jetzt sozusagen wieder einmal auf die alte Schiene ge­bracht: Ein Veto, das hätte alles gerettet! (Staatssekretär Mag. Schweitzer: Gegen die Kreditvergabe stimmen ...!)

Meine Damen und Herren, das ist ja wohl völlig absurd! Jeder, der auch nur ein biss­chen eine Ahnung davon hat, wie europäische Politik funktioniert, weiß, dass wir jetzt wesentlich bessere Möglichkeiten haben durch den Beitrittsvertrag, der unterzeichnet werden musste, darauf zu bestehen, dass die Schließungen so stattfinden, wie sie stattzufinden haben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sehen, wie sich die Slowakei verhält!) Hätten Sie mit Ihrem Veto Erfolg gehabt, das Sie bei jeder Gelegenheit und bei jedem Thema aus dem Talon ziehen – einmal gegen den Transit, einmal wegen der Beneš-Dekrete, einmal wegen Temelín –, dann hätten wir, Frau Kollegin, überhaupt keine Handhabe gehabt. (Abg. Scheibner: Dann hätten wir es durchgesetzt, Frau Kollegin!) Das war das Problem, und das sollte Ihnen endlich einmal bewusst werden (Abg. Scheibner: Sie sind umgefallen!), wenn Sie immer wieder die gleichen Klamotten aus dem Talon ziehen. (Beifall bei den Grünen.)

Zweiter Punkt: Ich freue mich über jede Gelegenheit, hier im Haus eine Europadebatte zu führen, wir führen ohnehin viel zu wenige. Ich wundere mich nur darüber, dass heute eine Anfrage von den Freiheitlichen und der ÖVP an Frau Ministerin Ferrero-Waldner gestellt wurde – im vollen Bewusstsein, dass sie nicht hier ist. Das ist das Problem! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich hätte sehr gerne mit ihr einige Dinge diskutiert. Sie hätten die Anfrage durchaus auch an Herrn Bartenstein betreffend seine europäische Wirtschaftspolitik richten kön­nen (Abg. Öllinger: Sie wollten gar nicht, dass die Ministerin da ist!), aber nein, Sie richten sie an die Frau Ministerin, die gar nicht hier ist, und Herr Minister Bartenstein verliest dann die vorbereiteten Antworten von Zetteln. (Abg. Mag. Molterer: Fast frei geantwortet! Das stimmt nicht!)

Das ist sehr wenig, denn ich hätte sehr gerne direkt die Frau Ministerin einmal aufge­fordert, ein bisschen etwas anderes zu sein als Berichterstatterin aus der Europäischen Union. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Da müssen Sie ihr nach Mexiko nachfliegen!) Eine reine Berichterstattung, wo sie uns erzählt, wer was gesagt hat – und das sind meistens ohnehin Daten, die schon seit Wochen in der Zei­tung stehen. Wenn man sie aber direkt fragt, was die österreichische Haltung zu einer bestimmten Frage war, dann ist es schon zehn Mal schwieriger, irgendeine Antwort zu bekommen. Darüber könnte ich stundenlang aus dem Hauptausschuss erzählen, meine Damen und Herren!

Deswegen wäre ich sehr froh gewesen, wenn sie selbst hier gewesen wäre und auf un­sere Fragen, die hier angesprochen wurden, geantwortet hätte. (Abg. Mag. Molterer:


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Sie vertritt Österreich!) Ich habe vollstes Verständnis dafür, aber die Terminisierung ist das Problem. Ich hätte sie gerne bei dieser Anfrage (Abg. Scheibner: Wir auch!) genau zu diesem Zeitpunkt hier gehabt. Warum gerade zu diesem Zeitpunkt? – Die Regierungskonferenz, die im Juni stattfinden wird, und das Treffen der Außenministe­rinnen und Außenminister werden so zentrale Weichenstellungen für Europa vorneh­men, wie sie in den letzten zehn, 15 Jahren nicht deutlich geworden sind. Hier hätten wir eine Debatte mit den direkt handelnden Personen gebraucht und führen können, wenn das anders terminisiert worden wäre. Aber das ist nicht das zentrale Problem.

Ich hätte mich nämlich sehr gerne mit der Frau Bundesministerin darüber unterhalten, was denn jetzt wirklich die österreichische Position in der Außen- und Sicherheitspolitik sowie in der europäischen Verteidigungspolitik ist. Ich hätte gerne gewusst, ob Frau Bundesministerin Ferrero-Waldner nach wie vor dazu steht, dass die NATO quasi ein unverzichtbarer Bestandteil des europäischen Verteidigungssystems ist und bleiben soll. Ist das die Haltung unserer Verhandlerinnen und Verhandler auf europäischer Ebene (Abg. Öllinger: Es scheint so!), dass der Link, dass die Verbindung zur NATO unbestritten für die Zukunft der europäischen Verteidigungspolitik sein und bleiben soll? (Abg. Scheibner: Wer zahlt das? Zahlen Sie das, die eigene Struktur?) – Wer das zahlt oder nicht zahlt, Herr Kollege: Fragen Sie das doch 80 Prozent der österrei­chischen Bevölkerung! (Abg. Scheibner: Ja, aber wer zahlt?) Diese werden Ihnen dann sicherlich die Gegenfrage stellen: Wollen Sie wirklich, dass die NATO entschei­det, welche Einsätze in Europa gemacht und von Europa getragen werden?! (Abg. Scheibner: Das wollen wir nicht!)

Das lehnen wir von den Grünen striktest ab! Da spricht die Ministerin zweifellos nicht für die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Scheibner: Aber eine eigene Struktur ist sehr teuer!)

Sie haben hier auch über die segensreichen Besuche des Herrn Landeshauptmannes Haider im Ausland gesprochen, weiters davon, dass das „Friedensmissionen“ gewesen seien. – Also, Entschuldigung, das reizt jetzt wirklich zum Lachen! Wenn das eine Frie­densmission gewesen sein soll – und sich der Kärntner Landeshauptmann nachher als Hauptbotschaft in einer Zeitung als Tankwart an einer Billigtankstelle abbilden lässt, dann wird doch klar, was diese Mission von Landeshauptmann Haider bei seinen ara­bischen Freunden wirklich war! Da ist doch alles offen gelegt, meine Damen und Her­ren! (Zwischenruf des Abg. Neudeck.) Da ging es doch um ganz andere Sachen als um Friedenspolitik! Erzählen Sie uns da doch nicht irgendwelche Märchen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das war keine Friedensmission, sondern eine „Mission in Oil“! Das muss man in die­sem Zusammenhang schon festhalten! (Abg. Scheibner: Das war „sehr lustig“!)

Herr Scheibner, mit Ihnen muss ich mich noch ein bisschen näher auseinandersetzen, haben Sie doch in Ihren Ausführungen, vor allem in Ihrer Auseinandersetzung im Zu­sammenhang mit dem Brief von Herrn Swoboda offensichtlich ein großes Problem: Sie schaffen es nicht, Österreich und die Freiheitliche Partei auseinander zu halten! (Abg. Ellmauer: Die Sanktionen sind aber gegen Österreich gewesen! – Abg. Scheibner: Die Sanktionen waren nicht gegen die FPÖ!)

Wenn irgendjemand mit der Freiheitlichen Partei nicht einverstanden ist, so heißt das deswegen noch lange nicht, dass er mit Österreich nicht einverstanden ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Scheibner: Aber das heißt nicht, dass man Sanktionen gegen das Land herbeiredet!)

Haben Sie schon irgendwann einmal so etwas wie das Wort „Differenzierung“ in Ihr politisches Wörterbuch aufgenommen? (Abg. Scheibner: Aber im Ausland vertreten wir Gesamtösterreich! Das ist Ihnen leider ein Fremdwort!) Haben Sie schon irgend-


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wann einmal erkannt, dass es Riesenunterschiede zwischen der Haltung der Freiheit­lichen zu vielen Fragen in der österreichischen Politik und dem gibt, was die Mehrheit der österreichischen Wählerschaft denkt, vor allem, was immer mehr Wählerinnen und Wähler von bestimmten programmatischen Fragen halten?! (Abg. Scheibner: So stark sind Sie auch nicht!)

Das hat mit der Frage, wie stark wir sind oder nicht, überhaupt nichts zu tun! Ich maße mir nicht an, zu behaupten: Wer die Grünen kritisiert, kritisiert Österreich! (Abg. Neu­deck: Das waren Sanktionen gegen Österreich!) Aber das ist genau das, was Sie von den Freiheitlichen tun! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Scheibner: Aber deswegen gibt es keine Sanktionen, wenn jemand die Grünen kritisiert! Sie haben wie­der überhaupt nichts verstanden! – Abg. Neudeck: Da stellen Sie sich wieder unge­schickt an!)

Da sind wir ja auch schon bei einem ganz entscheidenden Punkt: Wenn ich mir zum Beispiel anschaue, wie etwa Herr Minister Grasser auf europäischer Ebene gestern beziehungsweise heute die Fragen des Stabilitätspaktes abgehandelt hat, dann muss ich schon sagen, dass sich Minister Grasser da auch jenseits von einem österreichi­schen Konsens befindet.

Wo haben wir denn hier in diesem Hause jemals darüber diskutiert, ob man Stimm­rechte aberkennen soll, wenn Kriterien des Stabilitätspaktes nicht eingehalten werden? Das ist kein Common sense in ganz Österreich, denn viele Österreicherinnen und Ös­terreicher wollen kein neoliberales Geisterfahren auf europäischer Ebene, sondern eine Änderung des Stabilitätspaktes, sodass mehr Kriterien berücksichtigt werden und man mehr Flexibilität im Falle einer wirtschaftlichen Krise hat, auch zum Agieren auf nationalstaatlicher Ebene, Herr Kollege. Das ist der Konsens in Österreich! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Neudeck: Das mutmaßen Sie!)

Ich halte das, was an diesem Solo-Tanz von Grasser in Brüssel abgeführt worden ist, mit dieser seiner Aufforderung, Stimmrechte zu entziehen, im Wesentlichen für ein politisches Geisterfahren in Richtung Neoliberalismus, das doch kein Mensch hier will – außer vielleicht einige, die in erster Linie an einer Interessenverteidigung für Großkon­zerne interessiert sind, nicht jedoch interessiert sind an einer klein- und mittelstruktu­rierten Wirtschaft, auch nicht an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, auch nicht an der Umwelt!

Das, meine Damen und Herren, muss ein Ende haben, denn Herr Grasser ist auch einer von jenen (Abg. Neudeck: Wenn Sie mir jetzt erzählen, das Budgetdefizit ...!), die sich einer Debatte über seine Haltung, die er in der Europäischen Union vertritt, äußerst ungern stellt. Das hat er schon damals bei diesem „geheimen“ Rat der euro­päischen Finanzminister in Stresa nicht getan, als Grasser mit seinen Finanzminister-Kollegen heimlich die Budgetrechte des Europäischen Parlaments auszuhebeln ver­sucht hat. – Und auch jetzt handelt Grasser nicht im Konsens, wenn er solche Vor­schläge macht!

Meine Damen und Herren! Das ist keine europäische Politik – und da hat sich Minister Grasser wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.16

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Ab­geordneter Dr. Fasslabend. – Bitte.

 


16.16

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Ich kenne Herrn Abgeordneten Scheibner schon seit vielen Jahre, und ich glaube, sehr gut und intensiv, und ich muss sagen: Ich habe


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ihn selten so emotional erlebt, wie das heute der Fall war. (Abg. Öllinger: Ich glaube, es gefällt Ihnen auch noch ...!) Und ich habe mir überlegt, was der Grund dafür war, was da dahinter steckt, habe aber dann miterlebt, wie Kollege Gusenbauer genau das Gegenteil behauptet hat. Ich glaube, dass es in dieser Situation richtig ist, nicht auch emotional zu reagieren, sondern einfach zu schauen: Was geben die Fakten her?

Mir liegt ein Brief des sozialdemokratischen Europa-Parlamentariers Hannes Swoboda vor; verfasst in Straßburg, und zwar am 16. März 2000. Die Regierungsbildung fand damals am 4. Februar 2000 statt, sodass dieser Brief Swobodas ziemlich genau fünf­einhalb Wochen danach abgefasst wurde.

Dieser Brief Swobodas beginnt folgendermaßen: „Liebe Kollegin, lieber Kollege!“ – Das heißt, es war das kein persönlicher Brief, der an eine bestimmte Person gerichtet war, sondern ein allgemeiner und daher auch ein für die Öffentlichkeit interessanter.

Swoboda schreibt in diesem Brief: „Namens der österreichischen sozialdemokratischen Delegation“ – das heißt, Swoboda spricht nicht nur in seinem eigenen Namen, sondern auch in dem der gesamten sozialdemokratischen Delegation – „möchte ich mich herz­lich für die vielen Zeichen der Freundschaft und der Solidarität in den vergangenen – für uns wahrlich nicht leichten – Wochen bedanken.“ (Abg. Dr. Grünewald: Ein Zei­chen der Freundschaft!)

Das ist vom Kollegen Scheibner offensichtlich so aufgefasst worden, dass diese vielen negativen Reaktionen, die auf Österreich entfallen sind (Ruf bei der SPÖ: Das stimmt doch alles nicht!), von Seiten des Kollegen Hannes Swoboda mit Dank beantwortet wurden. – Für mich, das sage ich jetzt, stellt sich das da noch nicht eindeutig so dar (Abg. Sburny: Das ist ein Problem von Sender und Empfänger, ein klassisches Pro­blem!), sondern wenn man versucht, das ganz objektiv zu sehen, dann muss man sa­gen: Lesen wir doch weiter, was noch in diesem Brief steht! (Zwischenruf bei der SPÖ.)

„Diese Zeichen“ schreibt Swoboda, „sind für uns genauso wichtig wie die Tatsache, daß die übrigen EU-Regierungen angesichts der Beteiligung der FPÖ an der österrei­chischen Regierung reagieren mußte.“

Das schrieb Swoboda zu einem Zeitpunkt, zu dem ganz Österreich angetreten ist, ge­gen diese Unrechtsmaßnahme anzukämpfen! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Und da ist der Punkt, wo ich sagen muss: Kollege Scheibner hat vollkommen Recht, wenn er sich darüber alteriert! (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Noch etwas. Ich möchte Hannes Swoboda jetzt gar nicht unterstellen, ob dieser Brief aus Opportunitätsgründen erfolgt ist oder ob Hannes Swoboda persönlich davon über­zeugt war. Beide Varianten sind möglich! Eines ist meiner Ansicht nach jedoch offen­sichtlich und klar: Das, was da dahinter steht, ist das Versagen einer außenpolitischen Linie seitens der sozialdemokratischen Führung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen.) Und das betrifft nicht nur die dort agierenden Personen, son­dern genauso die Inhalte sowie die ganze Vorgangsweise überhaupt! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich möchte das ganz kurz erklären und einige Überlegungen dazu bringen: Warum hat Hannes Swoboda das damals gesagt? Er war ja gar nicht der Spitzenkandidat der So­zialdemokraten! Er war zwar bereits im Vorsitz der Fraktion, das muss man dazusa­gen, aber damals gab es noch eine Diskussion, wer der Sprecher nach außen, sein soll: Martin oder er. (Zwischenruf des Abg. Faul.) Ich kann mich noch gut an die Äuße­rungen auch von Bundeskanzler Klima zu diesem Thema erinnern.

Das heißt: Was dahinter gestanden ist, war eigentlich die Unklarheit in der Personal­entscheidung. Und offensichtlich erleben wir heute wieder etwas ganz Ähnliches, denn


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eigentlich sollte an der Spitze in Brüssel als Kandidat jetzt nicht Hannes Swoboda ste­hen, sondern – wie ich das mitbekommen habe – Kollege Einem. (Abg. Silhavy: All das stimmt ja gar nicht!) Aber die Tatsache, dass Gusenbauer Einem nicht durchge­bracht hat, weil er Häupls Fehler beziehungsweise Schwäche damals vier Jahre später korrigieren und zulassen musste, dass ein anderer der Spitzenkandidat wird, das be­zahlen wir offensichtlich als österreichische Delegation insgesamt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Das ist letztklassig: Reden Sie doch zum Thema!)

Wenn wir uns vor Augen halten, dass es nicht nur um die Person geht, sondern dass auch die Linie in der Sache und in der Vorgangsweise möglicherweise zu kritisieren ist, dann möchte ich dazu noch folgende Argumente anführen. (Abg. Öllinger: Das ist letztklassig! Ich kann es nicht oft genug sagen: Was Sie da produzieren, ist letztklas­sig!)

Es geht um die Person des Spitzenkandidaten. Jeder kann sich seinen Reim darauf machen! (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Da Herr Abgeordneter Gusenbauer sagt, dass die eine oder andere Zeitung eine andere Qualifikation vorgenommen hat, möchte ich ihm sagen: Wenn er die Qualifikationen der einzelnen Zeitungen so ernst nimmt, dann dürfte er hier nicht mehr als Spitzenkandidat der SPÖ herausgehen! Das muss man in aller Deutlichkeit sagen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn es um die klare Linie geht, dann habe ich bei der SPÖ zum Beispiel festgestellt, dass bei der Erweiterung massiv die Forderung nach Abstützungsmaßnahmen für den Arbeitsmarkt gekommen ist. (Abg. Gradwohl: Haben Sie dieses tiefe Niveau wirklich notwendig?) Arbeiterkammerpräsident Tumpel hat das wiederholt gefordert. Dann ma­chen wir hier eine Abstimmung, beschließen wir hier für sieben Jahre Übergangsmaß­nahmen für den Arbeitsmarkt! Wer ist dagegen? – Die SPÖ aus Opportunität! Ist das die außenpolitische Linie? Ist das das Verhalten, das wir uns wünschen, wie wir ge­meinsam im Ausland auftreten und gemeinsam argumentieren wollen? (Abg. Silhavy: Das ist ja ungeheuerlich! Sie wissen genau, wie es gelaufen ist!) Nach meiner Ansicht ist das haargenau das Gegenteil! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

Dritter Punkt – zur Vorgangsweise: Die österreichische Delegation und die österreichi­sche Bundesregierung haben es geschafft, insgesamt zwei Drittel der EU-Länder zu einer gemeinsamen Vorgangsweise zu veranlassen, de facto alle kleinen und mittleren Länder. Was passiert von Seiten der SPÖ? – Da wird immer darüber gemunkelt, ob das wohl richtig und zielführend ist. Bekennen Sie sich doch einmal dazu! Sind Sie dafür: ja oder nein? Sind Sie dafür, dass wir unsere Interessen durchsetzen , auch mit Hilfe der anderen Kleinen und Mittleren – oder handeln wir nach Opportunität?

Wenn wir immer so vorgehen, dass wir nur nach außenpolitischer Opportunität han­deln, das heißt, dass wir es den anderen recht machen wollen, dann werden wir unse­re Interessen in Europa nie richtig vertreten! Deshalb sind wir für eine starke Vertretung der österreichischen Interessen – und die schaut anders aus, als diejenige durch Han­nes Swoboda und die sozialdemokratische Fraktion. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Freiheitlichen.)

16.23

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Ich erteile es ihm.

 



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16.23

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! In der „Wiener Zei­tung“ vom Samstag, dem 22. Mai 2004, bekommen wir einen Bericht vermittelt:

„Volkspartei feierte zehn Jahre EU-Volksabstimmung. Beim Wasser halten wir es wie die Scheichs mit dem Öl.“

Na was machen die Scheichs denn mit dem Öl? – Sie verkaufen das Öl an die interna­tionalen Konzerne! Das ist es, was die Scheichs mit dem Öl machen! (Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek.)

Gemäß APA-Aussendung vom 17. Mai gab nach der EU-Regierungskonferenz die Frau Außenministerin Folgendes bekannt, wobei es übrigens völlig gleichgültig ist, wer die Zettel der Auslandsbeamten verliest: Ob das Minister Bartenstein oder Ministerin Ferrero tut, ist egal. (Beifall bei der SPÖ.) Daher verstehe ich, dass die Dringliche heute auch an Minister Bartenstein geht.

Die Außenministerin wird wie folgt zitiert: „Schließlich wurde heute darüber Einigung erzielt, dass die so genannte Daseinsvorsorge“ – in Klammern wird dann aufgezählt, was damit gemeint ist – „(das heißt die öffentliche Versorgung im Nahverkehr, bei der Abfallbeseitigung, bei den Gesundheitsdiensten) in der Kompetenz der Mitgliedstaaten bleibt.“ – Von Wasser nichts ist nichts zu hören, keine Rede! (Zwischenruf des Abg. Mag. Molterer.) Selbstverständlich! Das ist nicht vorgekommen im Denken der Frau Außenministerin am 17. Mai.

Ferner möchte ich den Klubobmann Molterer noch einmal berichtigen: Natürlich war das am 11. März 2004 eine Abstimmung im Europaparlament, bei welcher bei der Vor­lage des Berichtes von Miller die ÖVP-Abgeordneten, darunter so prominente wie Stenzel, einfach nicht dafür eingetreten sind, das Vorhaben in Schranken zu verwei­sen, dass Wasser nicht mehr privatisiert werden darf.

Jetzt haben Sie eine Gelegenheit, die Sie nicht vorbeiziehen lassen sollten! Ich bringe dazu folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Dr. Caspar Einem und KollegInnen betreffend die Verhinderung der Privatisierung der österreichischen Trinkwasserversorgung

Die Bundesregierung wird aufgefordert, in einer Stellungnahme zum „Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ klarzustellen, dass die Mitgliedstaaten weiterhin souverän über die Wasserversorgung selbst entscheiden. Jegliche Liberali­sierung der Wasserversorgung ist abzulehnen. Auch zur Privatisierung der Wasserver­sorgung darf niemand, das heißt weder Länder noch Gemeinden, gezwungen werden.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich in den Verhandlungen über eine Europäi­sche Verfassung für eine klare Zielbestimmung zur Daseinsvorsorge in Artikel I-3 der Europäischen Verfassung und für eine eindeutige Schutzbestimmung für diesen Be­reich in Artikel III-6 einzusetzen, die über die nun gefundenen Formulierungen hinaus­geht. Insbesondere wird die Bundesregierung aufgefordert, in der EU in geeigneter Form für eine Klarstellung zu sorgen, dass die Wasserwirtschaft als Bereich der Da­seinsvorsorge anerkannt wird und in der Kompetenz der Mitgliedstaaten verbleibt.

*****

Traurig, dass man einen solchen Entschließungsantrag einbringen muss, weil offen­sichtlich Fraktionen hier im Parlament darüber nachdenken, das kostbare österreichi-


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sche Trinkwasser zu privatisieren! Dem muss man daher einen Riegel vorschieben! (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt komme ich zu dem Thema, das Sie hier heute hauptsächlich ansprechen wollen. Natürlich kommt in dem Brief des Abgeordneten Swoboda folgende Formulierung als Charakterisierung der FPÖ auch vor:

„Denn mit der FPÖ ist eine Partei an der Macht, die rassistische und fremdenfeindliche Argumentationen verwendet, um Stimmen zu gewinnen.“

Da muss ich den Kolleginnen und Kollegen sagen: Das war ja Ihr Argument, warum Sie jahrelang nicht mit der Haider-Partei in die Bundesregierung gegangen sind! (Abg. Mag. Trunk: So ist es!) Das war das Argument, mit welchem Khol, damals Klubob­mann, immer argumentiert hat, indem er gesagt hat: Der „Verfassungsbogen“ schließt die FPÖ aus; die ist nicht drinnen. – Abgeordnete Brinek schaut jetzt ganz still in der Gegend herum. Damals hat sie gesagt: Da kann man gar nicht mitstimmen. – Mittler­weile hat sie mitgestimmt! (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek. – Abg. Mag. Molterer: Wie schaut man denn laut?)

Bitte vergessen Sie das nicht! Diesbezüglich hat es einen Kurswechsel bei Ihnen von der ÖVP gegeben, und der wurde registriert! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Jetzt wollen wir uns einmal mit der Begrifflichkeit auseinandersetzen, die hier bei der Kriminalisierung eines Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten und Sozialdemokratin­nen im Europäischen Parlament verwendet wurde. (Zwischenruf des Abg. Neudeck.) – Schauen S einmal nach, bevor Sie da so keck Zwischenrufe machen! Schauen S einmal im Lexikon nach, was der Begriff „Vaterlandsverräter“ in Wirklichkeit bedeutet! „Vaterlandsverräter“ war in den zwanziger Jahren in Deutschland beziehungsweise im Deutschen Reich, um es besser verständlich zu machen, ein Synonym für „November-Verbrecher“. Das haben damals die Nazis von Adolf Hitler gegenüber der SPD-Regie­rung verwendet! Das ist der historisch belastete Begriff „Vaterlandsverräter“, also eine NS-Diktion! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Scheibner: Fällt Ihnen sonst gar nichts ein?)

Jetzt möchte ich gerne haben, dass die ÖVP-Kolleginnen und -Kollegen einmal auf­schreien, die auch mit solchen Dingen ihre Sonntagsreden abhalten! Ich finde das ver­werflich! Das ist ein Skandal, auch aus dieser historischen Sicht! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Neudeck: Was ist Swoboda jetzt? Ein Volksheld?)

Zum Begriff „Landesverrat“. Landesverrat wurde Hannes Swoboda ebenfalls vorgewor­fen. Das sage ich jetzt nur zum Thema Kriminalisierung in der politischen Auseinan­dersetzung. Auf Landesverrat steht Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren! Da wird mit strafrechtlichen Tatbeständen herumgeworfen. Wissen Sie, was das ist? Das heißt: Jeder Andersdenkende soll in den Häfen und nachher nicht mehr gewählt werden dürfen! Das ist doch die Botschaft! (Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer.)

Das haben wir schon einmal gehört, als Böhmdorfer damals gesagt hat: Darüber kann man nachdenken!, und Jörg Haider gesagt hat: Die Oppositionspolitiker, die im Aus­land nicht in Jubelschreie ausbrechen, wenn sie an die FPÖ denken, die gehören in den Häfen eingesperrt!

Das ist eine Art Auseinandersetzung, die meiner Auffassung nach demokratiegefähr­dend ist. Da kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Ich bitte auch die nächsten Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, die dann nach mir zum Rednerpult kommen, hier einmal zu dieser Wortwahl Stellung zu beziehen – und nicht mit den blauen Wölfen mitzuheulen bei dieser anti-demokratischen Kampagne, die wir nicht


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akzeptieren können und gegen die wir auftreten müssen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Im Übrigen scheint diese ganze Debatte unter anderem wahrscheinlich auch nur des­wegen geführt zu werden, um vieles zu verdecken, etwa folgende Tatsache: In der Presse vom 27. Mai ist zu lesen – und allein das wäre eine Dringliche wert –: „Österrei­chische Minister schwänzen gerne EU-Räte.“ – Es handelt sich also im internationalen Vergleich um eine Ansammlung von Faulpelzen, die nicht bereit sind, ihre Verpflichtun­gen im Rahmen der EU einzuhalten! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie kommen daher und sagen, dass Sie Österreich in der EU stark vertreten wollen, die Oberschwänzer sitzen aber in der eigenen Regierung und gehen nicht einmal zu den Ratssitzungen! Das ist ja unfassbar! Wofür werden die hier auf der Regierungsbank eigentlich bezahlt? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Scheibner: Noch immer kein Wort zum Thema!)

Schade, dass meine Redezeit abgelaufen ist, denn jetzt sollte mein Redebeitrag eigentlich erst beginnen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwi­schenruf des Abg. Neudeck.)

16.31

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Silhavy zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

 


16.32

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Dr. Fasslabend hat in seiner Rede be­hauptet, die SPÖ hätte aus reinem Opportunismus dem EU-Erweiterungsanpassungs­gesetz nicht zugestimmt. – Das ist unrichtig!

Wir haben der EU-Erweiterungsanpassung nicht zugestimmt, weil Sie nicht bereit wa­ren, klare und reine Bedingungen für die Kontingente zu schaffen und damit eine Um­gehung dieser Übergangsregelungen sozusagen aus dem Weg zu räumen. Wir haben das im Ausschuss gesagt, und wir haben das hier im Plenum gesagt; das ist nachles­bar. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.)

Zweitens hat Herr Dr. Fasslabend wider besseres Wissen behauptet, dass zum Zeit­punkt der Verfassung des Briefes noch nicht klar war, ob Herr Dr. Swoboda überhaupt Fraktionsführer wird. – Das ist ebenfalls falsch! (Abg. Neudeck: Das ist eine Interpreta­tion und keine Berichtigung!)

Herr Dr. Fasslabend hat auch Bezug genommen auf Bundeskanzler Klima, der zu die­ser Zeit jedoch nicht Bundeskanzler war. – Sie haben in zweifacher Hinsicht das Fal­sche gesagt: Erstens war die Funktion von Dr. Swoboda bereits klar und bekannt, und zweitens gab es damals keinen Bundeskanzler Klima, sondern die unglückselige Re­gierung Schüssel I, weshalb es ja auch die Sanktionen gegeben hat. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

16.34

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der vorhin eingebrachte Entschließungsan­trag der Abgeordneten Dr. Cap, Dr. Einem ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Dieser Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Dr. Caspar Einem und KollegInnen betreffend die Verhinderung der Privatisierung der österreichischen Trinkwasserversorgung, einge-


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bracht im Zuge der Dringlichen Anfrage der Abgeordneten Scheibner, Dr. Lopatka und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Öster­reichs Haltung zur Außen- und Sicherheitspolitik sowie zur Verfassung der Europäi­schen Union

Eine wichtige Zielsetzung im Zusammenhang mit der Europäischen Verfassung ist es, den Schutz öffentlicher Dienstleistungen klar und unanfechtbar zu verankern. Die bis­lang vorliegenden Formulierungen zur Daseinsvorsorge in der Europäischen Verfas­sung bieten diesen Schutz nach wie vor nicht. Vor allem die Trinkwasserversorgung ist nach Aussagen von Außenministerin Ferrero-Waldner nicht von der Einigung zur Da­seinsvorsorge, die in den Verhandlungen zur Regierungskonferenz am 17. Mai dieses Jahres getroffen wurde, betroffen (OTS 126, 17. 5. 2004).

Zudem wurde vor wenigen Tagen, am 12. Mai 2004, das „Weißbuch zu Dienstleistun­gen von allgemeinem Interesse“ von der Europäischen Kommission beschlossen. Da­bei stellt sich die Kommission erneut auf die Seite der großen europäischen Konzerne (allen voran RWE, Suez, Vivendi und Gelsenwasser), welche ihre kommerziellen Inter­essen durchsetzen wollen. Dementsprechend lehnt die Kommission eine Rahmen­richtlinie ab, welche die Daseinsvorsorgedienstleistungen von Liberalisierung und Wett­bewerb ausnehmen will (zum Beispiel Wasserversorgung, Nahverkehr oder Abfall­entsorgung). Vielmehr möchte die Kommission für den Bereich Wasserwirtschaft bis Ende des Jahres 2004 eine Bewertung vornehmen und offensichtlich die dann von ihr forcierten Liberalisierungsschritte konkretisieren. Klargestellt wird die Position der Europäischen Kommission auch durch den EU-Handelskommissar Pascal Lamy, der in einem Interview gegenüber der „Süddeutschen Zeitung" am 10. März meinte: „ ......weil ich ein Interesse daran habe, dass die Wasserversorgung geöffnet wird“. Darüber hin­aus wird auch eine Anpassung der Gesetzgebung für andere universelle Dienste (Post, Stromversorgung, Gasversorgung) von der Kommission angekündigt.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, in einer Stellungnahme zum „Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ klarzustellen, dass die Mitgliedstaaten weiterhin souverän über die Wasserversorgung selbst entscheiden. Jegliche Liberali­sierung der Wasserversorgung ist abzulehnen. Auch zur Privatisierung der Wasserver­sorgung darf niemand, das heißt weder Länder noch Gemeinden, gezwungen werden.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich in den Verhandlungen über eine Europäi­sche Verfassung für eine klare Zielbestimmung zur Daseinsvorsorge in Artikel I-3 der Europäischen Verfassung und für eine eindeutige Schutzbestimmung für diesen Be­reich in Artikel III-6 einzusetzen, die über die nun gefundenen Formulierungen hinaus­geht. Insbesondere wird die Bundesregierung aufgefordert, in der EU in geeigneter Form für eine Klarstellung zu sorgen, dass die Wasserwirtschaft als Bereich der Da­seinsvorsorge anerkannt wird und in der Kompetenz der Mitgliedstaaten verbleibt.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann. – Bitte.

 



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16.34

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Minister! Kollege Cap, recht machen kann man es Ihnen sowieso nicht; das ist ohnehin klar. Die Regie­rung kann es Ihnen nie recht machen! Wenn man als Minister in der EU ist und halt hier nicht anwesend sein kann, dann passt es Ihnen nicht. Wenn man hier anwesend ist und dann halt nicht in der EU sein kann, dann passt es Ihnen auch nicht. Also: Wie man es macht, macht man es falsch! Ich meine aber, dass alle unsere Minister die rich­tigen Prioritäten setzen, um Österreich gut in der EU zu vertreten und auch hier in Ös­terreich gute Politik zu machen. Das machen unsere Minister, verlassen Sie sich dar­auf! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Wittmann.)

Das, was Sie gesagt haben, lässt eindeutig den Schluss zu, dass Sie meinen, dass Andersdenkende, nämlich jene, die anders denken als Sie in der SPÖ und nicht Ihr Gedankengut vertreten, nicht in die Regierung dürfen. Das wollen Sie verhindern, und das ist das, was Sie eben auch gesagt haben! (Abg. Dr. Cap: Warum schwänzen Sie?)

Kollegin Lichtenberger, es geht nicht um die Haltung der Freiheitlichen oder ob Sie damit übereinstimmen oder nicht! Gott bewahre! Das wollen wir gar nicht; das würden wir uns auch gar nicht wünschen!, sondern: Es geht um Österreich, liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht darum, wer die Sanktionen unterstützt hat und wer nicht, wer dazu beigetragen hat, Österreich in Europa gut dastehen zu lassen, und wer genau das Gegenteil gemacht hat, wer Ergebnisse von demokratischen Wahlen in Österreich akzeptiert und wer nicht. – Sie waren es, die teilweise bei den Donnerstags-Demonstrationen anwesend waren und gesagt haben: Weg mit dieser Regierung, wir wollen dieses Ergebnis demokratischer Wahlen nicht akzeptieren! (Zwischenruf des Abg. Eder.)

Herr Kollege Öllinger, Sie schütteln den Kopf! Sie waren dabei bei den Donnerstags-Demonstrationen! Sie haben diese Sanktionen unterstützt! (Zwischenruf des Abg. Öllinger.) Sie können doch heute nicht so tun, als ob Sie das nie getan hätten! Und ich zitiere auch aus diesem Brief Swobodas, den Sie ja offensichtlich nur teilweise gelesen haben:

„Wie aber vor allem die Demonstrationen der letzten Wochen gezeigt haben, gibt es auch ein Österreich, das sich massiv gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Na­tionalismus wendet. Wir müssen selbst in Österreich alles unternehmen, um diese weltoffenen, pro-europäischen Kräfte zu entfalten und zu unterstützen. Dafür brauchen wir aber auch weiterhin die Solidarität aller demokratischen Kräfte auf europäischer Ebene.“ (Demonstrativer Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Grünewald: Stimmt ge­nau!)

Sie von der SPÖ sagen, diese Demonstrationen haben das gezeigt, die sich gegen die Regierung gewandt haben. Sie denunzieren 27 Prozent der österreichischen Wähler als „fremdenfeindlich“, „rassistisch“ und „nationalistisch“. Das ist es, wogegen wir uns wehren! Sie können das nicht in einen Topf werfen und hier einfach sagen: All das in Österreich sind Rassisten, Nationalisten und Fremdenfeindliche! (Beifall bei den Frei­heitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie von der SPÖ haben das jedoch getan, und deshalb kam diese Stimmung zustande, und deshalb gab es auch all diese Probleme mit den Sanktionen. Herr Parteivorsitzen­der Gusenbauer – man muss Sie immer wieder daran erinnern – hat gesagt, die Sank­tionen hätten die Regierung stabilisiert. – Das wollten Sie ja nicht! Da haben Sie gese­hen, dass Sie damit das Falsche erreicht haben!


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Aber die Alternative sei freilich nicht – steht dann weiter in einer APA-Meldung – die bedingungslose Rücknahme der Maßnahmen. Nein! Diese sollten laut Gusenbauer noch mindestens ein Jahr lang andauern. So hätten Sie es sich vorgestellt! (Abg. Scheibner: Skandalös!) Ein Jahr hätte es noch Sanktionen geben sollen, so Ihr Partei­vorsitzender Gusenbauer, der auch sagte, Österreich sei dabei, seinen Status als zivi­lisiertes Land zu verlieren, auch im Jahre 2000. Warum? – Weil eine Partei in der Re­gierung ist, die demokratisch gewählt wurde, die Sie aber nicht haben wollen! Das ist der Wahnsinn, wenn Sie schon „Wahnsinn“ sagen! Das war der eigentliche Wahnsinn in dieser Zeit! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ihr Spitzenkandidat sagt auch noch zu diesen Maßnahmen der EU-14, nämlich zu den Sanktionen, dass sie richtig und wichtig waren. – Ich sage Ihnen: Letztes Mal hatten Sie einen Spitzenkandidaten, der nur ein Spitzelkandidat war. Jetzt haben Sie einen Spitzenkandidat, der ein sehr stumpfer Kandidat ist. (Abg. Dr. Cap: Ich sage nur: Möl­zer!) Ich frage Sie: Wenn er der Beste ist, wie Sie behaupten und wie wir heute von Ihnen gehört haben, warum hat er Angst vor Herbert Haupt? Warum hat er Angst vor einer Live-Diskussion im Fernsehen? Fragen Sie einmal Ihren „besten Kandidaten“! (Zwischenruf des Abg. Eder.) Er traute sich nicht in eine Live-Konfrontation mit Herbert Haupt gestern in der „ZiB 2“! Das ist Ihr stumpfer Kandidat, den Sie haben! Und Vater­landsliebe kann man ihm sicherlich nicht unterstellen, denn er hat mit diesem Brief ge­nau das Gegenteil bewiesen!

Etwas sage ich Ihnen noch zum Abschluss dieses Parts: Am 13. Juni – das ist klar – gibt es einen Denkzettel für Swoboda! Darauf können Sie sich verlassen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Öllinger: Sehr holprig!)

Wir schweigen nicht nur zu diesem Thema nicht, sondern auch dazu nicht, was über Europa hinaus sonst noch passiert. Es wird Zeit, dass Österreich auch im Hinblick auf die Gräueltaten im Irak seine Stimme in Europa erhebt, eine Stimme für Frieden, Frei­heit und Demokratie, denn das dürften für uns alle keine leeren Worte sein, sondern dem müssten Taten folgen. Es dürfte nicht nur leere Worthülsen geben, wie es oft lei­der auch bei uns in Österreich der Fall ist. Deshalb muss eine Stimme erhoben wer­den, und wir bringen deshalb einen gemeinsamen Entschließungsantrag ein.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kol­legen betreffend die Lage im Nahen Osten

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung wird in Bezug auf den Nahen Osten ersucht:

1. die Rolle Österreichs als Vermittler in den arabischen Raum auch künftig verstärkt fortzusetzen, um auch innerhalb der EU eine Brücke zwischen den arabischen Staaten und der EU zu schlagen;

2. sich innerhalb der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass ein stärkeres Enga­gement im Israel-Palästina-Konflikt erfolgt.

Weiterhin wird die Bundesregierung in Bezug auf Irak weiters ersucht, nachdrücklich für eine einheitliche Haltung der Europäischen Union einzutreten, sich innerhalb der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass der Aufbau einer souveränen Regierung im Irak unter Kontrolle der UNO unterstützt und vorangetrieben wird.


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Neben weiteren Punkten wird die Bundesregierung in Bezug auf Terrorismus schließ­lich ersucht, die weltweiten Bemühungen zur Bekämpfung des Terrorismus weiterhin nachhaltig zu unterstützen.

*****

Wir Freiheitlichen sind nämlich der Meinung, dass Europa auch zu den Geschehnis­sen, über Europa hinaus nicht schweigen darf, sondern gemeinsam auftreten und ge­meinsam eine Stimme gegen die Gräueltaten im Irak und auch in Palästina erheben muss. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.40

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben in seinen Kernpunkten erläuter­te Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Spindelegger, Scheibner, Kolleginnen und Kollegen wurde auch schriftlich überreicht und ist genügend unterstützt; er steht daher mit in Verhandlung. Im Hinblick auf den Umfang des Antrags lasse ich ihn ge­mäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung vervielfältigen und verteilen.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kol­legen betreffend die Lage im Nahen Osten, eingebracht in der Nationalratssitzung am 27. Mai 2004 im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage

Die Entwicklungen der vergangenen Tage und Wochen im Nahen Osten stellen eine alarmierende Eskalation der Unmenschlichkeit dar, die schärfstens zu verurteilen ist und so rasch wie möglich gestoppt werden muss. Die Schändung der Leichen gefalle­ner israelischer Soldaten, die öffentliche Enthauptung einer amerikanischen Geisel im Irak, die Ermordung des irakischen Ratspräsidenten, die völkerrechtswidrige Schlei­fung palästinensischer Wohnhäuser im Gaza-Streifen haben die Spirale der Gewalt in dieser Region weiter beschleunigt. Vor allem aber auch die in den letzten Wochen in großer Zahl bekannt gewordenen Folterungen an gefangenen Irakern durch Angehö­rige der Koalitionstruppen haben berechtigte Empörung in aller Welt ausgelöst. Dieses klare menschen- und völkerrechtswidrige Vorgehen droht nicht zuletzt auch die Bezie­hungen der Länder und vor allem der Bevölkerung in den Staaten der Islamischen Welt nachhaltig zu beeinträchtigen. Die Entwicklung im Irak beeinträchtigt letztlich die Si­cherheitslage in ganz Europa, auch in jenen Staaten, die im Irakkrieg nicht militärisch engagiert sind.

Der Nationalrat erinnert an den Beschluss den Nationalen Sicherheitsrates der Repub­lik Österreich vom 24. März 2003, der festgehalten hat, dass es zur Legitimation einer militärischen Aktion gegen den Irak eines Beschlusses der Weltsicherheitsrates bedurft hätte und bedauerte, dass es ohne Ermächtigung des Weltsicherheitsrates zu einer militärischen Aktion gegen den Irak – auch unter Beteiligung von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union – gekommen ist und dass eine friedliche Entwaffnung des Iraks nicht möglich war. Dieser Beschluss des Nationalen Sicherheitsrates wurde von allen 4 Parlamentsparteien in einer einstimmig verabschiedeten Entschließung des Nationalra­tes vom 26. März 2003 4/E (XXII. GP) bekräftigt.

Eine klare Position der EU in konsequenter Weiterentwicklung der zuletzt abgegebe­nen Erklärung der EU-Außenminister am 17. Mai 2004 in Brüssel ist in diesen Fragen daher von großer Bedeutung. In dieser gemeinsamen Erklärung wurde „die grausame Behandlung und die Erniedrigung von Gefangenen“ verurteilt. In einer separaten Erklä-


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rung zu der nicht weniger beunruhigenden Entwicklung im Nahen Osten stellten sich die EU-Außenminister weiters hinter den Aufruf des Nahost-Quartetts an die Konflikt­parteien zu einem neuerlichen Anlauf im Bemühen um einen umfassenden Waffenstill­stand. Sie verurteilten die Terroranschläge gegen Israel, kritisierten aber auch die massive Zerstörung von palästinensischen Häusern in Gaza als „unverhältnismäßig sowie nicht vereinbar mit dem Völkerrecht und den von Israel eingegangenen Ver­pflichtungen im Rahmen der Road Map.“

Die Europäische Union als Wertegemeinschaft, die ihrerseits die Einhaltung der Men­schenrechte zur obersten Maxime erhoben hat, sollte es daher als oberste Priorität ansehen, unverzüglich der Hoffnung all jener Menschen nachzukommen, als objektiver Vermittler und Gesprächspartner für alle Konfliktparteien einzutreten.

Österreich tritt traditionell mit Nachdruck für die Einhaltung humanitärer Normen und der allgemein gültigen Menschenrechte ein. Österreich erwartet daher auch, dass die zuständigen amerikanischen Stellen – ihren Ankündigungen entsprechend – die Um­stände der dem Kriegsvölkerrecht widersprechenden Misshandlungen irakischer Kriegsgefangener vollständig aufklären und die Täter zur Rechenschaft ziehen.

Der Nationalrat bekräftigt daher die nachdrückliche Verurteilung der völker- und men­schenrechtswidrige Vorgehensweise durch die Bundesregierung. Die unterzeichneten Abgeordneten stellen folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung wird in Bezug auf den Nahen Osten ersucht:

1. die Rolle Österreichs als Vermittler in den arabischen Raum auch künftig verstärkt fortzusetzen, um auch innerhalb der EU eine Brücke zwischen den arabischen Staaten und der EU zu schlagen;

2. sich innerhalb der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass ein stärkeres Enga­gement im Israel-Palästina-Konflikt erfolgt, um eine Lösung der Nahostfrage auf dem Verhandlungsweg unter Einbeziehung aller betroffenen Konfliktparteien zu erzielen;

3. angesichts der wachsenden Spannung in den arabischen Ländern sowie zwischen den arabischen Ländern und der westlichen Welt, die mit großer Sorge beobachtet wird, alle Maßnahmen, die im Rahmen der Europäischen Union oder der Vereinten Nationen gesetzt werden, um den Dialog mit der arabischen Welt zu intensivieren, mit Nachdruck zu unterstützen.

4. In diesem Zusammenhang wird die Bundesregierung auch ersucht, mit besonderer Intensität an Bemühungen zur Lösung des Konflikts zwischen Israel und den Palästi­nensern mitzuwirken und dabei zu unterstreichen, dass nicht nur UNO-Resolutionen zum Thema Irak, sondern auch UNO-Resolutionen zur Lösung des Nahostkonfliktes Beachtung finden müssen, damit nicht der Eindruck entsteht, dass mit zweierlei Maß gemessen wird.

Die Bundesregierung wird in Bezug auf Irak weiters ersucht:

5. nachdrücklich für eine einheitliche Haltung der Europäischen Union einzutreten, die auf den Schlussfolgerungen der Außenminister der Europäischen Union (RAA/AB vom 17. Mai 2004) aufbaut;

6. sich innerhalb der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass der Aufbau einer souveränen Regierung im Irak unter Kontrolle der UNO unterstützt und vorangetrieben wird;


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7. dabei insbesondere der Wiederherstellung der vollen Autorität der Vereinten Natio­nen besondere Priorität zu geben. Die Vereinten Nationen sollten in die Lage versetzt werden, so bald wie möglich die volle Verantwortung

für den Aufbau demokratischer Strukturen und rechtsstaatlicher Institutionen,

den Schutz der ethnischen und religiösen Minderheiten unter Wahrung der territorialen Integrität des Irak,

die Organisation und Koordination humanitärer Hilfe,

den politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau und

die Sicherung der Einkünfte aus der Erdölförderung für das irakische Volk

zu übernehmen;

8. im Rahmen der Europäischen Union und der Vereinten Nationen weiterhin alles zu unternehmen, um den Kurden im Nordirak zumindest das bisherige Maß an Autonomie zu garantieren;

9. sich innerhalb der Europäischen Union sowie bei den Vereinten Nationen für die Weiterentwicklung der Beschlusslage des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen [Re­solution 1511 (2003) vom 16. Oktober 2003] einzusetzen, um die multinationale Truppe im Irak aufgrund einer neuen klaren Ermächtigung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen entsprechend der vorgesehenen Übertragung der Regierungsgewalt im sou­veränen Irak an die neue Interimsregierung einzurichten.

Die Bundesregierung wird in Bezug auf den Terrorismus schließlich ersucht:

10. die weltweiten Bemühungen zur Bekämpfung des Terrorismus weiterhin nachhaltig zu unterstützen. Es gibt keine Rechtfertigung für den Einsatz terroristischer Methoden und das zynische Kalkül mit immer größeren und grausameren Anschlägen zur Errei­chung größtmöglicher medialer Aufmerksamkeit.“

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Puswald zu Wort gemeldet. Sie beginnen doch sicherlich mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung, Herr Abgeordneter. (Abg. Neudeck – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Puswald –: Musst dir wieder einmal zwei Halbe aushandeln!)

 


16.40

Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Bleckmann hat gerade die Behauptung aufgestellt: Die schwarz-blaue Bundesregie­rung des Jahres 2000 wurde demokratisch gewählt. (Abg. Neudeck: Das war blau-schwarz! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Ja!)

Diese Tatsachenfeststellung ist unrichtig! (Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitli­chen.)

Richtig ist, dass nach österreichischem Verfassungsrecht keine Regierung gewählt wird, sondern es werden Parteien gewählt! (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei ÖVP und Freiheitlichen sowie Gegenrufe bei der SPÖ.)

16.41

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

 



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16.41

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Ich bin ja recht erstaunt darüber, dass Frau Kollegin Bleckmann hier meint, wie wichtig den Freiheitlichen die Situation in diversen Krisengebieten außerhalb Europas ist, sodass sie dann am Schluss noch ein paar Sätze ihrer Redezeit diesem Thema widmet. Aber den gesamten Rest – so wie ein Großteil der Kollegen von FPÖ und ÖVP (Abg. Dr. Partik-Pablé: ... Swoboda heute nicht da!) – verwendet sie auf ein SPÖ- und Swoboda-Bashing. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Weil das wichtig ist!)

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Ich frage mich, warum Sie dann nicht hergegangen sind und die Dringliche so genannt haben. Nennen Sie es doch beim Namen: Sie wollten darüber diskutieren (Abg. Dr. Partik-Pablé: Damit Sie einen Grund haben, sich aufzuregen!), was Swoboda vor mehreren Jahren gesagt hat, Sie wollten hier einfach ein großes Bashing, ein Draufschlagen und „Hauen wir die SPÖ!“ vollziehen – und sich nicht inhaltlich mit EU-Verfassung und gemeinsamer Außenpolitik beschäftigen. Dann hätten Sie die Dringliche doch gleich so genannt!

Wenn Ihr heimlicher Parteichef Haider in diese Kerbe schlägt, dann denke ich mir: Er wärmt hier alte Hüte auf, anscheinend hat er nichts Neues mehr zu bieten. (Abg. Neu­deck: Dann müssten wir aber unsere Dringliche so machen, wie ihr das sonst gemacht habt!) Das müssen Sie wohl zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Großruck.) Neues kommt von Haider nicht mehr, etwas Neues fällt Ihnen nicht mehr ein, es geht nur noch um die Vergangenheit.

Ich werde jedoch versuchen, mich etwas mehr mit der inhaltlichen Ebene zu befassen und auf die Begründung des Kollegen Scheibner einzugehen. Sie haben da zum Bei­spiel gesagt, dass die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union noch in sehr kleinen Schuhen steckt. Da gebe ich Ihnen Recht, das ist auch zu meinem großen Bedauern so.

Ich denke mir aber: Was macht die österreichische Außenpolitik? – Ich hätte das heute sehr gerne mit der Außenministerin diskutiert. Auch ich frage mich, wieso Sie denn – wissend, dass die Ministerin im Flugzeug zum Europa-Lateinamerika-Gipfel von Guadalajara sitzt (Bundesminister Dr. Bartenstein: Das hätten Sie gestern auch ...!), und der Bundeskanzler ebenfalls – heute eine Dringliche Anfrage an die Außenministe­rin stellen. Hätten Sie sie doch direkt an Minister Bartenstein, wenn er schon hier ist, gestellt! Dann hätten wir auch zur europäischen Wirtschafts- und Sozialpolitik etwas reden können! – Nein, Sie stellen sie an die Außenministerin, und die ist nicht da! (Abg. Öllinger: Dazu hat er nichts zu sagen!) Ja, wahrscheinlich. (Abg. Öllinger: Er ist nur für die Preisstabilität zuständig!) Deswegen muss er jetzt nur verlesen, was die Beam­ten und Beamtinnen des Außenministeriums formulieren mussten. (Abg. Öllinger: Er ist nur für die Preisstabilität zuständig, nicht für die Wirtschaftspolitik!)

Aber zurück zu der Frage: Was macht denn die österreichische Außenministerin im Bereich der Außenpolitik? Wir hatten ja – und das war wohl eine der Ursachen, einer der Hintergründe für diese heutige Dringliche – vor ein bisschen mehr als einer Woche den Auswärtigen Rat, einberufen von der SPÖ und auch von mir. Dort gab es unter anderem den Versuch, die Folterungen und Menschenrechtsverletzungen im Irak zu verurteilen. Auch Sie wollten das, Herr Kollege Scheibner. (Abg. Scheibner: Haben wir eh gesagt!)

Es hat dann die Außenministerin interessanterweise gesagt: Nein, so wie die Schwei­zer Außenministerin die Botschafter der anderen Länder, der Vereinigten Staaten, Großbritanniens, einzuladen und zu sich zu zitieren, das will sie nicht machen, denn schließlich gibt es schon die Schlussfolgerungen des EU-Außenminister-Rates; sie brauche da bilateral gar nichts mehr zu tun. Dann sagt sie zu mir: Auch die Grünen


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wollen doch immer eine starke europäische Außenpolitik, und in diesem Sinne mache sie das ohnehin schon.

Herr Abgeordneter Scheibner, Sie lächeln. Sie wissen ganz genau, dass das so nicht läuft und dass es auch auf der bilateralen Ebene einen starken Einsatz braucht, damit diese europäische Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Konturen annimmt. (Abg. Scheibner: Aber Sie haben den Antrag abgelehnt, der genau das verurteilt hat!) Nur die Schlussfolgerungen eines Außenministerrates sind zu wenig. Die sind wichtig und notwendig, aber auch auf der bilateralen Ebene muss man tätig sein – doch das tut die Außenministerin leider nicht!

Die Außenministerin hat das im Auswärtigen Rat letzte Woche auch zu einem anderen menschlichen und humanitären Drama nicht getan, und zwar in Bezug auf die Darfur-Region im Westsudan. Hunderttausende Menschen sind dort vom Hungertod bedroht. Die EU hat ein Statement mit Schlussfolgerungen abgegeben. Aber die Außenministe­rin war nicht bereit, zu sagen, dass sie das auch persönlich dem sudanesischen Bot­schafter hier in Wien unterbreiten wird. Sie war nicht bereit, dieses auf europäischer Ebene Eingebrachte auch auf bilateraler Ebene zu vermitteln. Gestern hat der deut­sche Bundesrat, mit Unterstützung der CDU, eine solche Resolution beschlossen. – Aber nein, die ÖVP-Außenministerin findet, dass sie sich da heraushalten soll: Sie geht einen Weg der Mitte, sie will es sich ja mit niemandem verscherzen.

Meine Damen und Herren! Eine europäische Gemeinsame Außen- und Sicherheitspoli­tik ist nur dann stark, wenn auch die einzelnen EU-Staaten starke Positionen vertreten, statt sich zurückzuziehen und zu sagen: Ich sage da lieber nichts, weil ich es mir ja verscherzen könnte! – Eine starke Außenpolitik brauchen wir, aber keine, die sich auf eine angebliche Mitte zurückzieht, das ist zu wenig! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Was wäre denn sinnvoll und notwendig, was den Folter-Skandal im Irak betrifft? Was wäre da zu tun? Wo gäbe es denn Dinge, für die sich auch Österreich, wofür sich die Außenministerin engagieren sollte? (Abg. Öllinger: Italien!) – Ich werde Ihnen ein paar Punkte nennen (Abg. Öllinger: Berlusconi!), die einige grüne Europa-Abgeordnete vorgebracht haben. Ich erinnere daran, dass die Grünen die einzige Partei sind, die auch eine gemeinsame europäische Kampagne führt, wobei Kandidaten aus mehreren Ländern gemeinsam auftreten.

Wissen Sie, wofür sich die österreichische Außenministerin zum Beispiel einsetzen sollte? – Für so etwas wie einen freien Zugang der UNO und der internationalen Men­schenrechtsorganisationen zu den Gefängnissen im Irak, in Afghanistan, aber auch in Guantánamo. Dazu habe ich von der Frau Außenministerin leider auch noch nichts gehört. Das findet nicht statt; sie fühlt sich da einfach nicht zuständig.

Oder dafür, dass die Vorfälle im Irak in einem Kriegstribunal des Internationalen Ge­richtshofes behandelt werden sollten, dass ein Ankläger dieses Internationalen Ge­richtshofes aktiv einen solchen Prozess anstrengen sollte und dass die USA ihre Hal­tung zum Internationalen Strafgerichtshof überdenken sollten. – Letzteres hat die Mi­nisterin schon gesagt, das wünscht sie sich auch und dafür tritt sie ein. (Abg. Öllinger: Da war sie aber keck!) Aber für die anderen Punkte gilt das nicht. Hat sie innerhalb der Europäischen Union gegenüber dem britischen Botschafter, gegenüber Großbritannien zum Beispiel gesagt – Großbritannien hat ja das Statut des Internationalen Gerichtsho­fes ratifiziert –, dass Großbritannien dort die Handlungen seiner Soldaten beurteilen lassen soll? – Nein, nichts davon gehört!

Das wären Punkte, die ich mir unter einer starken österreichischen Außenpolitik im europäischen Rahmen vorstellen würde. Aber sie findet nicht statt, sie findet einfach nicht statt.


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Herr Kollege Scheibner, Sie haben auch gesagt ... (Abg. Scheibner: Schon wieder ich!) Ja, Sie sind der, der diesen Antrag eingebracht hat, insofern beziehe ich mich jetzt vor allem auf Sie. – Sie haben gesagt, wir bräuchten einen Konsens in der Außenpoli­tik. Da haben Sie sehr Recht, das würde ich auch meinen. Ich erinnere Sie an den Auswärtigen Rat von letzter Woche. (Abg. Scheibner: Tun Sie das nicht!) Da haben Sie versucht, einen Konsens herzustellen, nämlich einen Konsens mit der ÖVP. Das ist Ihnen nicht gelungen. Die Außenministerin – und auch die ÖVP – wollte nämlich nicht, dass ein von Ihnen gestellter Antrag Zustimmung findet. Es gab dann die wirklich er­staunliche Situation, dass ein Antrag mit den Stimmen von SPÖ, Grünen und Freiheitli­chen gemeinsam beschlossen wurde. Die ÖVP hat nicht mitgestimmt.

Herr Kollege Scheibner, weil Sie das damals versucht haben und weil ich finde, dass das ein sinnvoller Antrag war (Abg. Dr. Spindelegger: Kollegin, das haben Sie falsch in Erinnerung!), möchte ich jetzt die Formulierung, die Sie damals vorgeschlagen ha­ben, einbringen und hoffe sehr, dass es diesmal auch die Zustimmung der ÖVP gibt. Sie haben zwar jetzt – meine Vorrednerin, Kollegin Bleckmann, hat das erwähnt – einen Antrag eingebracht, diesen habe ich mir natürlich noch nicht ansehen können, darin sind sicherlich Punkte enthalten, die stimmen, aber ich bringe jetzt auf jeden Fall folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Lunacek, Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend Öster­reichs Haltung zum Aufbau einer multinationalen Friedenstruppe im Irak unter UNO-Mandat

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, sich innerhalb der EU und der Vereinten Nationen für den Aufbau einer multinationalen Friedenstruppe unter UNO-Mandat einzusetzen, um dadurch einen möglichst raschen Abzug der unter dem derzeitigen Status im Irak befindlichen Truppen zu ermöglichen.

*****

Den letzten halben Satz wollte die ÖVP nicht, weil sie meinte, irgendwer habe da den sofortigen Abzug der Truppen gemeint. – Das sagt ja niemand! Es geht darum, dass man sich auf UNO-Ebene für ein internationales Mandat einsetzt (Abg. Scheibner: Lesen Sie einmal unseren Antrag!), damit klar ist, dass dieser völkerrechtswidrige Zu­stand, der derzeit im Irak herrscht, beendet wird und dass es ein neues, völkerrechts­konformes Mandat gibt. Das wäre notwendig.

Zum Nahen Osten noch ein Wort: Ich frage mich, warum Österreich da nicht größere Initiativen ergreift, als nur zu sagen, dass man wieder an der Road Map ansetzen muss. – Das stimmt schon, das finde ich auch notwendig, aber: Warum gibt es von österreichischer Seite nicht so etwas wie eine Unterstützung der Genfer Initiative? – Ich weiß schon: Zivilgesellschaft. Aber dennoch, das ging von einem Schweizer Diplo­maten aus, unterstützt vom Schweizer Außenministerium. Solche Initiativen sind not­wendig, und es ist notwendig, dass es dazu kommt, dass es wirklich zwei Staaten gibt, dass verurteilt wird, dass jetzt im Gaza-Streifen Wohnhäuser zerstört wurden, genauso wie auch die Selbstmordattentate zu verurteilen sind, keine Frage! Gewalt löst gar nichts! Aber so, wie es jetzt abläuft, geht das nicht.

Das alles hätte ich heute gerne mit der Außenministerin diskutiert. Das geht leider nicht – und nicht nur deswegen, weil die Ministerin nicht da ist (Abg. Neudeck: Ihr habt


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aber sicher auch wieder einmal eine Dringliche!), sondern auch deshalb, weil Sie nicht wirklich Interesse daran hatten, das zu diskutieren.

Wie gesagt, das ist mein Fazit dessen, was ich mir bisher anhören musste: Der Zweck dieser Dringlichen war wirklich nur, hier ein für den Wahlkampf spannendes Thema daraus zu machen (Abg. Öllinger: Billig!), was die SPÖ vor vielen Jahren falsch ge­macht hat. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) – Mein Schluss­satz, Herr Präsident!

Es war nicht das Ziel, hier eine inhaltliche Diskussion zu führen. Ich hoffe, dass die letzten RednerInnen sich noch darauf besinnen. (Beifall bei den Grünen.)

16.51

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der von der Rednerin verlesene Entschlie­ßungsantrag der Abgeordneten Lunacek, Cap, Kolleginnen und Kollegen ist ausrei­chend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Lunacek, Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend Öster­reichs Haltung zum Aufbau einer multinationalen Friedenstruppe im Irak unter UNO-Mandat

Bei der Sitzung des Rates für Fragen der österreichischen Integrations- und Außenpoli­tik am 19. Mai 2004 standen unter anderem die systematischen Folterungen und Miss­handlungen von Gefangenen durch die Besatzungsmächte im Irak auf der Tagesord­nung. Dabei ging es auch um die Frage des Status der derzeitig im Irak stationierten Truppen und um die Notwendigkeit des Aufbaus einer multinationalen Truppe unter UNO-Mandat. Ein diesbezüglicher Antrag von FPÖ-Klubobmann Herbert Scheibner fand die Zustimmung von SPÖ und Grünen, jedoch bedauerlicherweise nicht die Zu­stimmung der ÖVP.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, sich innerhalb der EU und der Vereinten Nationen für den Aufbau einer multinationalen Friedenstruppe unter UNO-Mandat einzusetzen, um dadurch einen möglichst raschen Abzug der unter dem derzeitigen Status im Irak befindlichen Truppen zu ermöglichen.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lopatka. – Bitte. (Abg. Dr. Cap – in Richtung des sich zum Redner­pult begebenden Abg. Dr. Lopatka –: Also was ist jetzt die Wahlkampflinie? Ich kenne mich nicht mehr aus! – Abg. Mag. Molterer: Das ist nicht das erste Mal!)

 


16.52

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kollege Cap, diese Frage müssen Sie sich tatsächlich stellen: Was ist Ihre Wahlkampf­linie? – Für einen erfolgreichen Wahlkampf, Kollege Cap, fehlt Ihnen nämlich zweierlei.


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Einerseits müssten Sie uns ja sehr dankbar sein, dass wir heute diese Dringliche An­frage haben, denn für 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher ist Ihr Spit­zenkandidat ein unbekanntes Wesen. Heute wird er etwas bekannter. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das wollen sie ja nicht! – Abg. Neudeck: Das ist aber wahlkampfschädigend für die SPÖ! – Weitere Zwischenrufe.)

Das zweite Problem, das Sie haben, ist, dass es Ihnen natürlich – und das wissen Sie genau, zumindest diejenigen, die die Umfragen kennen – an Kompetenz fehlt, an Euro­pa-Kompetenz fehlt. Wenn der unbekannte Kandidat an der Spitze steht und wenn die Europa-Kompetenz fehlt, was fällt dann dem Josef Cap ein? – Dem fällt da eines ein: In der ihm angeborenen „Sachlichkeit“, mit der er auch heute wieder hier beim Redner­pult gestanden ist, fällt ihm dann ein, dass man eigentlich die Angst und die Sorgen der Menschen in den Mittelpunkt rücken muss, auch wenn es dafür keine sachliche Grund­lage gibt, wie beim Thema Wasser etwa.

Der Zweite, der hier auftritt – auf dem „Zwillingsplatz“ hat jetzt die Kollegin Bures Platz genommen, ich meine aber Gusenbauer, der sonst diesen Platz einnimmt –, hat wieder einmal mit einer Überdosis, würde ich sagen, an moralischer Entrüstung die kollektive Verdrängung bei der SPÖ betrieben, nämlich die kollektive Verdrängung, wenn es um die Zeit der EU-Sanktionen geht. Da ist dann Verdrängung das Einzige, was Ihnen einfällt! (Abg. Reheis: Das ist keine Verdrängung!) Das Foto mit dem Champagner-Glas in der Hand würde ich auch verdrängen, wenn ich Gusenbauer wäre! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Molterer: So ist es!)

Was den Brief von Swoboda und andere Aussagen, auf die ich noch zu sprechen kommen werde, betrifft, ist es auch besser, wenn man das beiseite schieben kann. Daher verstehe ich es, dass sich gestern Ihr Spitzenkandidat nicht getraut hat, mit Haupt direkt in Konfrontation zu gehen. (Abg. Broukal: Wie oft verdrängen Sie ...?) Swoboda hat ja lange gebraucht, um den Schock zu verdrängen, dass er diesen Brief tatsächlich geschrieben hat. Das hat er ja auch zuerst geleugnet! Swoboda hat bei einem Pressegespräch geleugnet, dass er diesen Brief geschrieben hat. (Abg. Bures: Jetzt kriegen Sie auch eine tatsächliche Berichtigung! – Abg. Broukal: Das wird auch nicht richtiger, wenn Sie es wiederholen!)

Daher zur Sachlichkeit, meine Damen und Herren! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen: Es hat heuer zwei Beschlüsse im Europäischen Parlament gegeben, nämlich am 14. Januar und am 11. März, worin es das Europäi­sche Parlament – auch mit unseren Stimmen – abgelehnt hat, dass die Wasser- und Abfalldienste Gegenstand sektoraler Richtlinien des Binnenmarktes werden (Abg. Mag. Molterer: So ist es!) und dass auf Trinkwasser keine Liberalisierung der Wasser­versorgung vorgenommen werden soll. Dieser Beschluss vom 14. Januar ist wieder am 11. März gefasst worden.

Jetzt aber streiten Sie das ab. Aber es gibt Gott sei Dank Kronzeugen aus Ihrem Be­reich. Der Städtebund steht ja nicht im Verdacht, eine Vorfeldorganisation der ÖVP zu sein, im Städtebund hat, glaube ich, der Wiener Bürgermeister keine unwesentliche Funktion. Wissen Sie, was der Städtebund anlässlich dieses Beschlusses ausgeschickt hat?

Ich zitiere aus dieser Aussendung: „Es freut uns, dass wir mit unserer Aufforderung an die österreichischen Europaabgeordneten, ihr politisches Gewicht gegen neoliberale Phantasien“ – so heißt es in der Aussendung – „im Umgang mit dem Gut Wasser ein­zusetzen, erfolgreich waren und die MEPs überzeugen konnten.“ – Zitatende.

Hier wird einigen Abgeordneten besonderer Dank ausgesprochen (Abg. Dr. Lichten­berger: Das dürfen Sie aber Ihrem Wirtschaftsminister sagen!), unter anderen auch dem Abgeordneten Othmar Karas – und der kommt wohl nicht aus Ihren Reihen! Neh-


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men Sie also wenigstens diese Aussendung und die Beurteilung des Städtebundes als Faktum, wenn Sie das schon abstreiten, was wir alle mittlerweile wissen: Das Wasser bliebt rot-weiß-rot, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Das Zweite, was ich Ihnen von der SPÖ sagen möchte, betrifft Ihren Parteivorsitzen­den Gusenbauer, weil dieser sich moralisch derart entrüstet hat, was das Demokratie­verständnis anlangt. Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt nicht auf diesen Brief Swobodas näher eingehen; das hat Kollege Fasslabend bereits ausführlich getan. Was jedoch das Demokratieverständnis anlangt und für mich noch viel stärker wiegt, ist eine Aussage Ihres jetzigen Spitzenkandidaten – damals war er noch der Zweite in Ihrer Fraktion – an dem Tag, als die Regierung Wolfgang Schüssel erstmals angelobt wur­de. Damals hat Swoboda einen Hilferuf nach Europa gerichtet. Ich zitiere jetzt wort­wörtlich, was er damals gesagt hat:

„Ich bitte dieses Europa, Österreich zu helfen. Unterstützen Sie das österreichische Volk gegen diese Regierung!“ (Abg. Mag. Molterer: Das darf nicht wahr sein! – Ruf bei der ÖVP: Sagenhaft!)

„Gegen diese Regierung“! Meine Damen und Herren, da tut Swoboda so, als ob diese Regierung nicht durch eine demokratische Wahl zustande gekommen wäre! – Kollege Puswald, selbstverständlich war eine demokratische Wahl eine Grundlage, dass es die Möglichkeit gegeben hat, zu dieser Regierungsbildung zu kommen! Was sonst?! (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Swoboda tut so, als ob wir durch einen Putsch an die Regierung gekommen wären! Was ist das für ein Demokratieverständnis, wenn er einen Hilferuf an das Ausland rich­tet, das österreichische Volk gegen diese Regierung zu unterstützen? Welches Demo­kratieverständnis hat Herr Swoboda?! – Das frage ich Sie schon, wenn Sie sich hier so entrüsten! Darüber kann ich mich tatsächlich aufregen, meine Damen und Herren, das ist zum Aufregen!

Auch all die anderen Zitate bestätigen, dass Swoboda immer wieder gesagt hat: Die Ausrichtung und Philosophie – und Philosophie! – der Reaktion der 14 EU-Staaten – und was war die Reaktion?, die Reaktion waren die ungerechtfertigten Sanktionen – sind richtig. Und das ist Ihr Spitzenkandidat!

Daher sage ich Ihnen: Ich sage nicht, man sollte ihm das Wahlrecht aberkennen; das sagt niemand von uns. Wir sagen aber, eine Abwahl hat er sich verdient! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.58

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bures. – Bitte.

 


16.58

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei meiner Frau Kollegin Bleck­mann und meinem Herrn Kollegen Lopatka liegen die Nerven blank. Ich verstehe das auch, denn, Herr Lopatka, Sie waren ja in den letzten Monaten nicht besonders erfolg­reich, und das war auch gut so, dass Ihnen die Menschen die Rechnung für Ihre fal­sche Politik erteilt haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber wissen Sie – ganz kurz –, ich finde es schon einigermaßen eigenartig, an eine nicht anwesende Außenministerin Fragen zu formulieren, Fragen, zu denen einen die Antworten eh nicht interessieren. Ich kann Ihnen nur sagen, es wäre um vieles ehrli­cher gewesen, Sie hätten gleich gesagt, worum es Ihnen geht, weil das jetzt ohnedies klar zum Ausdruck gekommen ist. (Abg. Großruck: Frau Bures, machen Sie mir kei­nen Schmerz in meinem Trommelfell!)


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Es ist Ihnen nicht um eine außenpolitische und europapolitische Diskussion gegangen, sondern es ist Ihnen eigentlich nur darum gegangen, einen sehr erfolgreichen Europa-Politiker zu diffamieren und mit Untergriffen einen Politiker – Frau Bleckmann, egal, ob es Ihnen passt oder nicht (Abg. Großruck: Er hat Österreich diffamiert!) –, der in allen Rankings international und über alle Parteigrenzen hinweg als der Europaexperte gilt und profiliert ist, zu beschädigen! (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Hannes Swoboda ist ein Patriot, der sich in den letzten Jahren tatkräftig – im Unter­schied zu Ihnen – für die Interessen Österreichs engagiert hat! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wittauer: ... in der Sozialdemokratischen Partei ist, dann schon ein Patriot ist! – Weitere Zwischenrufe.)

Wissen Sie, diese Vorwürfe braucht man mit Herrn Haupt gar nicht zu diskutieren, denn die richten sich ohnedies von selbst. Die sind derartig absurd, dass sie sich von selbst richten. (Abg. Wittauer: Jörg Haider hat schon Recht gehabt!) Frau Bleckmann, wir kennen diese Methode von der FPÖ, die politisch anders Denkende am liebsten einsperren möchte, die die Redaktionsstuben säubern möchte, und jetzt möchte sie einer anerkannten Persönlichkeit ein demokratisches Grund- und Freiheitsrecht, und das ist das Wahlrecht, nehmen. Wir lehnen das ab. Das ist ein Skandal, Frau Abge­ordnete! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Einem Abgeordneten ein Hun­dehalsband antragen, das ist ein Skandal! – Abg. Schieder – in Richtung der Abg. Dr. Partik-Pablé, die auf Höhe der ersten Bankreihe im Mittelgang steht –: Begeben Sie sich auf Ihren Platz!)

Wir lehnen diese Methoden ab, weil diese in einer demokratischen Gesellschaft nichts mehr verloren haben, Frau Abgeordnete. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber Abgeordneten Hundehalsbänder umhängen, das geht in Ordnung bei der SPÖ!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Abgeordnete Partik-Pablé, bitte Zwischenrufe nur vom Platz aus!

 


Abgeordnete Doris Bures (fortsetzend): Ich verstehe die Nervosität in der FPÖ. Ich weiß schon. Schauen Sie, bei Ihnen weiß man nicht einmal genau, wer der Spitzen­kandidat ist: Ist es Herr Kronberger? Ist es Herr Mölzer? (Abg. Scheibner: Kronber­ger!) Sie haben kein Team, Sie sind ein zerstrittener Haufen, und Sie haben mit der ÖVP noch etwas gemeinsam (Abg. Scheibner: Ihnen kommen die Spitzenkandidaten dann nach den Wahlen abhanden!): Sie haben keine Zukunftsthemen, und vor allem haben Sie auf die drängenden Lebensfragen der Menschen keine Antworten und bie­ten dafür keine Lösungen an. (Abg. Scheibner: Welche Probleme haben Sie ge­löst?) – Das haben diese Regierungsparteien gemeinsam, in Europa wie in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb bin ich auch ganz froh darüber, dass der Herr Arbeitsminister, der als Arbeits­losenminister in die Geschichte eingehen wird, hier ist, weil die drängendste Lebens­frage der Österreicher ist, dass 280 000 Menschen und deren Familien keinen Job haben und keine Chance sehen, den Weg aus der Arbeitslosigkeit zu finden. (Abg. Großruck: Woher nehmen Sie, dass die Arbeitslosen alle aus verschiedenen Familien kommen?) Die drängendste Lebensfrage für 55 000 junge Menschen, denen Sie die Zukunftsperspektive rauben, ist, dass sie ohne Job dastehen, dass sie keine Chance auf einen Job haben. Sie haben ihnen viel versprochen, eine Ausbildungsgarantie und eine Arbeitsplatzgarantie. 55 000 junge Menschen haben keinen Job – und Sie tun nichts dagegen, Herr Bundesminister Bartenstein! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist auch eine zentrale Lebensfrage, wie Sie mit den Privatisierungen umgehen. Es herrscht ein bisschen ein Privatisierungswahn in dieser Regierung. Es werden die Wohnungen verscherbelt, alles, was nicht niet- und nagelfest ist, und natürlich wollen


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Sie auch das österreichische Wasser privatisieren. (Abg. Scheibner: Frechheit! – Abg. Wittauer: Wer macht das? Eure Bürgermeister wollen das Wasser verkaufen!)

Ich habe den Beweis: Am 11. März – Bericht Miller – ist es darum gegangen, die Was­serressourcen dezidiert aus der Liberalisierung, aus den Regeln des Binnenmarkts herauszunehmen. Wir haben das gefordert, die SPÖ hat dafür gestimmt, sie herauszu­nehmen. Karas und Stenzel haben zugestimmt: Sie wollen das österreichische Wasser privatisieren – und wir haben den Beweis dafür! (Beifall bei der SPÖ.)

Das sind also die zentralen Lebensfragen. Wir haben in Österreich eine Rekord-Massenarbeitslosigkeit, und Sie tun überhaupt nichts dagegen, außer sie hämisch zu kommentieren. (Abg. Neudeck: Sagen Sie das Ihrem Bürgermeister Häupl!) Und der Herr Bundeskanzler hat 55 000 jungendlichen Arbeitslosen ausgerichtet: Tut Leid, das bleibt bis 2008 so. – Das ist Ihre abgehobene und arrogante Politik arbeitslosen jungen Menschen in diesem Land gegenüber, die keine Zukunftschancen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend: Der ÖVP-Abgeordnete Othmar Karas hat gesagt: Europapolitik ist In­nenpolitik. – Ich schließe mich dem an, und deshalb gibt es am 13. Juni für alle die Gelegenheit, dieser abgehobenen, unsozialen und falschen Politik dieser schwarz-blauen Regierung eine Absage zu erteilen, einen Denkzettel und eine rote Karte! (Bei­fall bei der SPÖ.)

17.04

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


17.04

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Damen und Herren! Frau Kollegin Bures, Sie haben gesagt: Herr Swoboda ist ein erfolgreicher Politiker. – Wissen Sie, wo der erfolg­reich ist? Das Einzige, wo Herr Swoboda erfolgreich ist, ist im Vernadern und Sanktio­nieren von Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Ja!)

Wissen Sie, was? Wir haben einen Kollegen von der ÖVP, der gerne reimt und dichtet. Zum Swoboda fällt mir noch etwas Kürzeres ein: Swoboda? – Bitte na!

In Wirklichkeit ist er kein Österreichvertreter, ich würde eher sagen – man sollte das Wort ein bisschen abwandeln –, er ist ein Österreichverräter. Und die SPÖ könnte man abgekürzt nicht mehr als Sozialistische Partei Österreichs, sondern vielleicht als sank­tionierende Partei von Österreich bezeichnen für all das, was da passiert ist.

Kollege Gusenbauer, Sie haben heute Herrn Dr. Haider sozusagen eine Abfuhr erteilt, Sie haben sich so wirklich ausgelassen, was der alles schlecht macht und was der alles getan hat, und dass wir das bei jeder Wahl präsentiert bekämen. – Wenn ich mich richtig erinnere, hat es am 7. März in Kärnten eine Wahl gegeben. Bei dieser Wahl am 7. März haben die Freiheitlichen die Wahl gewonnen. (Abg. Mag. Trunk: Leider!) Bei dieser Wahl haben wir, wenn ich mich richtig erinnere, die SPÖ um einige Prozent de­klassiert. Und im Anschluss an diese Wahl ist Dr. Haider demokratisch Landeshaupt­mann von Kärnten geworden. – Da muss man jetzt aufpassen, denn Kollege Puswald macht vielleicht eine tatsächliche Berichtigung, dass Regierungsbildungen nicht demo­kratisch sind. – Faktum ist jedenfalls, er ist Landeshauptmann von Kärnten geworden, nicht zuletzt auch mit Unterstützung – Gott sei Dank – der Sozialdemokratischen Par­tei. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: Bravo!)

Ich muss ehrlich sagen, Sie können sich schon hier herausstellen, Sie können schon über diese Sanktionen diskutieren, aber wissen Sie, Sie können sie nicht wegreden,


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Sie können sie nicht schönreden, Sie können eigentlich nur schweigen. Beschämend ist nicht, dass man sich über Swoboda beschwert, beschämend ist auch nicht die Dis­kussion um irgendeinen Politiker hier im Haus, beschämend ist, dass eine sehr starke und normalerweise sehr staatstragende Partei in diesem Land ein ganzes Land in der EU vernadert hat, zu den Sanktionen mit beigetragen und damit Österreich einen nachhaltigen Schaden zugefügt hat, der nur sehr schwer gutzumachen ist.

Mir fällt noch ein Beispiel zu dieser „tollen“ Politik der SPÖ ein. Wiederum Wahlkampf Kärnten: Es haben 16-Bogen-Plakate das ganze Land geziert. Und wer war auf diesen 16-Bogen-Plakaten drauf? Nicht etwa Dr. Peter Ambrozy – den haben sie sich nicht mehr aufzukleben getraut; zuerst haben sie ihn doppelt oben gehabt und dann gar nicht mehr. Die SPÖ, meine geschätzten Damen und Herren, hat auf diesen Plakaten einen gewissen „Wüstenbaron“ Gaddafi plakatiert. Auf 16-Bogen-Plakaten ist Gaddafi als Antikampagne gegen die FPÖ in ganz Kärnten gehangen, ein Gaddafi, zu dem – und das muss man schon einmal sagen, denn da wird auch die Art und Weise Ihres politischen Agierens deutlich – Ihr Kollege in England, Tony Blair, mittlerweile bereits hinuntergefahren ist. Der hat es erkannt, so wie auch andere führende Politiker, wie unser Herr Klubobmann, wie der Kärntner Landeshauptmann, der Herr Vizekanzler und viele andere. – Sie aber haben nichts Besseres gewusst, als einen wie auch im­mer bezeichneten Staatschef auf 16 Bogen in ganz Kärnten zu plakatieren, ihn und uns zu vernadern und damit Kärnten und auch den Rest, also ganz Österreich, in der ganzen islamischen Welt schlecht zu machen. Ich meine, das ist der falsche Weg, und das sollten wir tunlichst verhindern.

Kollege Cap! – Wenn Frau Lunacek fertig gesprochen hat, vielleicht widmen Sie dann mir kurz einmal Ihre Aufmerksamkeit. – Herr Kollege Cap! Sie haben heute über die Wasserthematik diskutiert, dass das ein wichtiges Thema sei, dass wir das Wasser nicht verkaufen dürften, dass wir auf das Wasser aufpassen müssten. Das waren Ihre äußerst emotionalen Worte.

Kennen Sie den Bürgermeister von St. Veit – ein roter Bürgermeister, seines Zeichens Bezirksparteiobmann der SPÖ in St. Veit, seines Zeichens Landtagsabgeordneter und künftiger Zweiter Landtagspräsident der SPÖ? Weiters gibt es noch einen Abgeordne­ten, der in Radenthein Bürgermeister ist, wiederum von der SPÖ. Zwei SPÖ-Bürger­meister in Kärnten haben das Cross-Border-Leasing erfunden, haben das einhei­mische Wasser verkaufen wollen, haben die Kanalisation nach Amerika verkaufen wollen! – Das hat Landeshauptmann Dr. Jörg Haider mit einer Weisung unterbunden und damit den Ausverkauf verhindert. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Abschließend noch zu Kollegin Lichtenberger, die den Prometheus hier heraußen so theatralisch dargestellt hat. Als gut gebildeter Humanist muss ich Ihnen sagen: Erstens war der Prometheus sehr wichtig, denn immerhin hat er den Menschen laut der Sage das Feuer gebracht. Er war in der Sage ein Urrebell. Und zweitens noch eine Kleinig­keit nebenbei: Er wurde nicht von Geiern gefressen, sondern es war ein Adler, und der hat nicht die Eingeweide gefressen, sondern die Leber. – Wenn man sich schon so hoch humanistisch gibt, dann sollte man zumindest aufpassen dabei. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Thema Wasser – damit das noch einmal deponiert ist – möchten wir von FPÖ und ÖVP folgenden Antrag einbringen, um noch einmal die Haltung der Regierung hiezu sozusagen zu untermauern:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Scheuch, Dr. Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betref­fend die österreichischen Wasserressourcen sind gesichert

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Nationalrat begrüßt, daß die Bundesregierung durch ihre konsequente Haltung im Zuge der Regierungskonferenz erreichen konnte,


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daß alle Maßnahmen, die Österreichs Wasserressourcen betreffen, weiterhin nur ein­stimmig getroffen werden können und dadurch gesichert ist, daß das Wasser in öster­reichischer Hand bleibt;

daß das Recht auf Leistungen der Daseinsvorsorge im Europäischen Verfassungsver­trag verankert wird.

Der Nationalrat ersucht die Bundesregierung ihre entschlossene Haltung auch in der Schlußphase der Verhandlungen über den Europäischen Verfassungsvertrag beizube­halten und dadurch die Erreichung dieser Ziele auch weiterhin sicherzustellen.“

*****

Wir sorgen dafür, dass das Wasser in österreichischer Hand bleibt! – Sie reden nur davon, dass es dort bleiben soll. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.10

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Herrn Abgeordnetem Scheuch eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Scheuch, Dr. Lopatka, Kolleginnen und Kollegen ist hinreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Scheuch, Dr. Lopatka, Kolleginnen und Kollegen, einge­bracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage betreffend Haltung Österreichs zur Außen- und Sicherheitspolitik sowie zur Verfassung der europäischen Union.

Betreffend die österreichischen Wasserresourcen sind gesichert

Entgegen verschiedenen Bestrebungen in der EU ist es der österreichischen Bundes­regierung stets gelungen, jeglichen Versuch einer Liberalisierung des Zugriffs auf die österreichischen Wasserresourcen zu verhindern.

Diese konsequente Haltung der österreichischen Bundesregierung aber auch der ös­terreichischen Mitglieder des Europäischen Parlaments fand im Verfassungsentwurf Berücksichtigung und kam unter anderem in den Beschlüssen des Europäischen Par­laments vom 14. Jänner und 11. März dieses Jahres klar zum Ausdruck.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Nationalrat begrüßt, daß die Bundesregierung durch ihre konsequente Haltung im Zuge der Regierungskonferenz erreichen konnte,

daß alle Maßnahmen, die Österreichs Wasserressourcen betreffen, weiterhin nur ein­stimmig getroffen werden können und dadurch gesichert ist, daß das Wasser in öster­reichischer Hand bleibt;

daß das Recht auf Leistungen der Daseinsvorsorge im Europäischen Verfassungsver­trag verankert wird.

Der Nationalrat ersucht die Bundesregierung ihre entschlossene Haltung auch in der Schlußphase der Verhandlungen über den Europäischen Verfassungsvertrag beizube­halten und dadurch die Erreichung dieser Ziele auch weiterhin sicherzustellen.“

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner im Rahmen einer tatsächlichen Be­richtigung ist Herr Abgeordneter Dr. Puswald. Ich erinnere an die Bestimmungen der Geschäftsordnung: die zu berichtigende Tatsache, die richtige Tatsache, kein politi­scher Kommentar, und das in 2 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Abgeordneter.

 


17.11

Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Kollege Scheuch hat gerade die Behauptung aufgestellt, die Bürgermeister von St. Veit und von Radenthein hätten mit Cross-Border-Leasing das österreichische Wasser zu verkaufen versucht. – Diese Tatsa­chenbehauptung ist falsch!

Richtig ist, dass Cross-Border-Leasing eine Finanzierungsform ist, die dazu dienen sollte, das Kanalnetz, dessen Ausbau und Erhaltung zu finanzieren. Mit Wasser hat das nichts zu tun! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Kanal hat mit Was­ser nichts zu tun?)

17.12

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Einem. Redezeit: 5 Minuten; jene seiner Fraktion: 7 Minuten. – Bitte.

 


17.12

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Schüler aus Kitzbühel! Meine Damen und Herren von den Regie­rungsfraktionen! Erlauben Sie mir zunächst eine Bemerkung: Ich habe jedes Verständ­nis dafür, dass Sie versuchen, eine derartige Dringliche Anfrage zu nützen, um sich im Wahlkampf Vorteile zu verschaffen. Ich meine auch, dass der Wahlkampf eine Zeit ist, in der man Dinge zuspitzen kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was ich nicht verstehe, ist, mit welchen Me­thoden Sie glauben, hier erfolgreich sein zu können. Darf ich vor allem Sie von der ÖVP daran erinnern, dass diese Methode natürlich eine lange Geschichte hat. Lassen Sie mich nur zwei Beispiele aus der Geschichte erwähnen.

Vor zwölf Jahren ist hier im Hohen Haus auf Grund völlig unqualifizierter Angriffe des­selben Dr. Jörg Haider, der auch jetzt wieder solche Angriffe erhebt, verhindert worden, dass ein außerordentlich qualifizierter und parteiunabhängiger Kandidat Präsident des Rechnungshofes wird. Die Vorwürfe haben sich restlos als haltlos erwiesen, und Sie haben in der Folge einen Parteimann durchgesetzt. – Das war die Methode Freiheitli­che und ÖVP. (Abg. Mag. Molterer: Und was hat Cap mit Raschauer gemacht?)

Haider hat damals diesem Kandidaten vorgeworfen, welche Positionen er politisch ver­tritt. Er hat ihm nicht deliktisches Verhalten vorgeworfen. Herr Abgeordneter Molterer!


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Da sollten Sie noch Ihre Klarheit im Kopf bewahren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Über meinen Kopf brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen!)

Vor neun Jahren, um ein zweites Beispiel zu bringen, hat mir derselbe Dr. Jörg Haider, unterstützt durch seinen damaligen Klubobmann Stadler, beispielsweise vorgeworfen, ich wäre wegen Drogendelikten im Häfen in Zwettl gesessen. – Dieser Vorwurf war restlos erlogen und erstunken! Es war nichts daran wahr! Dieses Gefängnis war Jahre vor meiner Strafmündigkeit endgültig geschlossen worden. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Waren Sie nur deswegen nicht im Gefängnis, weil es bereits zugesperrt war?)

Aber die Methode hat einen gewissen Reiz. Wenn es nämlich gelingt, ein – damali­ges – Regierungsmitglied so anzupatzen, dass es öffentlich nicht mehr geht, wird man es vielleicht los.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute wird dieselbe Methode beim Spitzen­kandidaten Swoboda angewandt. (Abg. Dr. Fasslabend: Sind Sie mit Grasser anders umgegangen? – Abg. Mag. Mainoni: Und wer ist für die Anzeige im „TATblatt“ verant­wortlich?)

Kollege Fasslabend, ich würde mich nicht so sehr für Grasser in die Bresche werfen, denn ob der wirklich über jeden Zweifel erhaben ist, ist bis heute noch nicht entschie­den. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der jetzige Vorwurf der Freiheitlichen, insbe­sondere zunächst des Kärntner Landeshauptmannes Haider, gegen den Spitzenkandi­daten der SPÖ, Swoboda, ist das erste Mal in der Nacht von vorgestern auf gestern um 4.10 Uhr über die APA gekommen. (Zwischenruf des Abg. Wittauer.) Wissen Sie, welche Vorwürfe man in der Nacht um 4.10 Uhr erhebt? – Das sind genau die Vorwür­fe, die einem, wenn man zu lange gefeiert hat, in den Kopf steigen. Und genau auf diese Weise ist auch der Vorwurf gegen mich, ich sei im Häfen gesessen, erhoben worden.

Schauen wir einmal, was eine Zeitung dazu sagt – das ist nicht unser Blatt, und Con­rad Seidl ist nicht unser Parteigänger. Der hat das einen „Rülpser“ genannt und hat empfohlen, dass man über solche Dinge vielleicht nicht unbedingt öffentlichen Lärm machen sollte.

Nehmen wir vielleicht die „Salzburger Nachrichten“, die kein sozialdemokratisches Blatt sind. Diese sagen, der Vorwurf, den hier Jörg Haider und mittlerweile Sie gemeinsam, nämlich ÖVP und FPÖ, erheben, sei ein „schamloser Vorwurf“ gegenüber Hannes Swoboda, der „nicht nur sachlich falsch, sondern“ im Übrigen längst historisch „über­holt“ sei.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP! Herr Bundesminister Barten­stein! Herr Klubobmann Molterer! Ich habe Ihnen zugeschaut, als die Freiheitlichen vorhin geredet haben, wie Sie sich gefreut haben, was da für schöne, saftige Vorwürfe erhoben werden. Können Sie sich nicht mehr daran erinnern, wie Haider Ihren Kandi­daten und damals noch Minister Fischler in gleicher Weise unqualifiziert als Verräter österreichischer Interessen angegriffen hat? Und jetzt freuen Sie sich über diese Me­thode? Schämen Sie sich nicht, dass Sie jetzt auf das freiheitliche Niveau herunterge­fallen sind? (Abg. Mag. Molterer: Seien Sie vorsichtig, wenn Sie da jetzt zu moralisie­ren beginnen! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und Freiheitlichen.) Ob ich moralisiere, ist mein Kaffee und nicht Ihrer! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich, gegen Ende der Redezeit kommend, auch noch etwas zu Ihren Anträgen sagen. Vielleicht bleibt dann noch eine Minute, um noch ein Weiteres zu sagen. Sie haben zwei Entschließungsanträge ein-


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gebracht. Der eine Entschließungsantrag Dipl.-Ing. Scheuch, Dr. Lopatka begehrt, dass der Nationalrat die Bemühungen der Bundesregierung begrüßt. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie erwarten nicht ernstlich, dass wir so etwas unterstüt­zen? Also für Dankadressen ist der Nationalrat zu schade! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der zweite Punkt ist der Entschließungsantrag zum Thema Naher Osten. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie wissen, dass wir über diese Fragen sehr ernsthaft zuletzt im Rat für Außenpolitik und Integration diskutiert haben. Ich möchte Sie nur an eines erinnern: Wir haben damals mit Ernst und Argumenten versucht, Sie dazu zu gewinnen, auch in einer Arbeitsgruppe, die extra dafür eingerichtet worden ist, dass zumindest einmal deutlich gesagt wird, dass wir auch gemeinsam diesen völkerrechts­widrigen Krieg verurteilen, und dass einmal deutlich gesagt wird, dass es für die Folter, die jetzt dort stattgefunden hat, auch eine politisch-administrative Verantwortung gibt. Dazu waren Sie im Außenpolitischen Rat zu feige, und dazu sind Sie jetzt wieder zu feige. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist ja unglaublich!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie dazu nicht in der Lage sind, erwar­ten Sie bitte nicht unsere Zustimmung! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Lassen Sie mich noch einen Satz anfügen, weil es denn doch ein bisschen erstaunlich ist, was Ihrer Meinung nach die Funktion eines Mitglieds des Europäischen Parlaments ist. Ein Mitglied des Europäischen Parlaments wird demokratisch gewählt und hat pri­mär diejenigen zu vertreten, die es gewählt haben. Frau Bleckmann ist hier nicht Vertreterin der Steiermark. Und das Gleiche gilt für Herrn Scheibner: Er ist hier nicht Vertreter Wiens, sondern er ist Vertreter freiheitlicher Interessen. Und sozialdemokrati­sche Kandidaten für das Europäische Parlament werden für die Interessen der Men­schen eintreten, die auf sozialdemokratische Kandidaten hoffen. (Abg. Wittauer: Das hat man ja gesehen, was die für Interessen vertreten!)

Die Vertretung der Länder ist im Rat durchzuführen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dort ist die Regierung dazu berufen, die allerdings dazu nur herzlich schlecht in der Lage ist. (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

17.19

 


Präsident Dr. Andreas Khol (das Glockenzeichen gebend): Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Molterer. 5 Minuten Redezeit; Restredezeit seiner Fraktion: 6 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


17.20

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Herr Präsident! Wissen Sie, Herr Kol­lege Einem, immer dann, wenn ein SPÖler herausgeht und das Monopol auf Moral er­hebt, werde ich nachdenklich. Herr Kollege Einem, wenn Sie in Ihrer Rede sich Sorgen über die Klarheit in meinem Kopfe machen, dann denken Sie darüber nach, was Sie gesagt haben! Jemand, der etwas auf sich hält, müsste eigentlich hier herausgehen und sich dafür entschuldigen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Jedes Mal, wenn bei einer derartigen Diskussion die Rede auf die Sanktionen kommt, dann wird die SPÖ nervös, und das schlechte Gewissen steht ihr ins Gesicht geschrieben. Schauen Sie sich in den Spiegel, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mich wundert es auch nicht, weil das schlechte Gewissen ja gerechtfertigt ist. Die SPÖ ist zumindest mitverantwortlich – ich sage: zumindest mitverantwortlich – für die unge­rechtfertigten Sanktionen gegen unser Heimatland Österreich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Sie erwarten einen Beweis? – Ich lese Ihnen ein Zitat vor:

„Die österreichischen Sozialisten, ..., waren damals ins Mauscheln voll involviert. Ich erinnere mich auch sehr präzise an ein Telefonat des damaligen sozialistischen Bun­deskanzlers Viktor Klima, der voll eingebunden war und von mir verlangt hat, nur ja nichts nach draußen zu geben.“

Das ist die Wahrheit! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wissen Sie, von wem das Zitat ist? (Abg. Schieder: Hans-Peter Martin!) – Von Ihrem ehemaligen Spitzenkandidaten Hans-Peter Martin, meine Damen und Herren! (Beifall und Oh-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die SPÖ ist nicht nur zumindest mitverantwortlich, die SPÖ hat die Sanktionen vertei­digt! Die Zitate von Hannes Swoboda sind heute schon vorgelesen worden, meine Damen und Herren, aber damit noch immer nicht genug: Die SPÖ hat nicht nur die zumindest Mitverantwortung für die Sanktionen und die Sanktionen verteidigt, nein, die SPÖ ist sogar noch dafür eingetreten, diese Sanktionen zu verlängern! Alfred Gusen­bauer hat verlangt: ein Jahr Beobachtungszeit für unser Heimatland Österreich. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Herr Kollege Gusenbauer, das ist in Wahrheit das Problem und der Grund für Ihr zu Recht schlechtes Gewissen! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Sagen Sie endlich, dass Sie damals einen Fehler gemacht haben! Wenn Sie das nicht tun, dann bedeutet das eigentlich nur, dass Sie heute noch immer zu diesen Sanktio­nen stehen. Das ist nämlich das, was die Menschen in Österreich wissen müssen.

Meine Damen und Herren! Zur Frage des Wassers. Herr Kollege Cap, ich habe mir die Mühe gemacht, das Abstimmungsprotokoll von diesem 3. November des Jahres 2004 herauszusuchen. (Ruf bei der SPÖ: Den haben wir ja noch gar nicht gehabt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Und ich sage Ihnen, wer für diesen Antrag gestimmt hat. Das ist etwa die Kollegin Berger – ja, das ist okay. Das ist etwa der Kollege Swoboda, aber das sind genauso der Kollege Rübig und der Kollege Karas. Hören Sie endlich mit den Unwahrheiten auf!

Und ich sage Ihnen, wer sich enthalten hat: Bösch. (Abg. Dr. Bauer: Warum wissen Sie, wie er am 3.11.2004 stimmen wird?) Warum hat sich denn Bösch – SPÖ-Abgeord­neter und -Kandidat – enthalten?

Bleiben Sie bei der Wahrheit! Dieses Wasser wird rot-weiß-rot bleiben! Niemand wird es uns wegnehmen! Auch Ihre Kampagne wird das nicht ermöglichen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und die letzte Bemerkung: Ich wünsche keiner Fraktion, wie immer sie heißt, einen Spitzenkandidaten namens Hans-Peter Martin, aber jede Fraktion ist für ihren Spitzen­kandidaten verantwortlich, ganz egal, wie er heißt. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

17.24

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Scheibner. Redezeit: 4 Minuten. Das ist auch die Restredezeit seiner Fraktion. – Bitte.

 


17.25

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Einem hat mich jetzt noch herausgefordert, hier ans Rednerpult zu gehen. – Herr Kollege Einem, wenn Sie hier von politischer Moral reden und sich ge­gen persönliche Diskreditierung aussprechen, dann stimme ich mit Ihnen vom Prinzip her überein: Auch ich bin gegen persönliche Diskreditierung, auch von Politikern, egal, von welcher Fraktion sie kommen. Aber denken Sie einmal nach – und ich bin schon


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sehr lange hier im Hohen Haus –, gerade wenn Sie Jörg Haider ansprechen: Er weiß, was es heißt, selbst persönlich diskreditiert und verunglimpft zu werden!

Und, Herr Kollege Einem: Wie haben Sie es denn gehalten als Innenminister, als es darum gegangen ist – und auch hier haben Sie gegen die FPÖ Debatten geführt, und zwar im Zusammenhang mit einem der grauslichsten Verbrechen in der Republik Ös­terreich, bei den Briefbombenattentaten –, den Versuch zu unternehmen, einer politi­schen Fraktion die Verantwortung für diese furchtbaren Verbrechen in die Schuhe zu schieben? Sie haben sich ja auch mit dem Vorwurf auseinander zu setzen gehabt, dass auch durch Ihre Interventionen die Polizei nicht in alle Richtungen ermitteln durfte, weil man diese politische Fiktion aufrechterhalten wollte.

Das, meine Damen und Herren, sind Verantwortlichkeiten, die Sie in Richtung politi­scher Moral zu vertreten hätten! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es war ja schon interessant, Herr Kollege Einem: Sie haben gesagt, ich bin nicht der Vertreter Wiens, sondern der FPÖ, und deshalb ist auch der Abgeordnete Swoboda nicht der Vertreter Österreichs, sondern der SPÖ in Europa. – Meine Damen und Her­ren, ja, genau das ist es ja! Ich bin auf einer Parteiliste gewählt, aber ich sage Ihnen: Wenn ich die Staatsgrenzen Österreichs überschreite, bin ich der Vertreter für ganz Österreich, für die Interessen meines Landes, der Republik Österreich (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP) – egal, von welchen Politikern, egal, von welchen Partei­en: Ich würde sie immer verteidigen, denn da haben wir diese Aufgabe und diese Ver­antwortung! Aber das sehen Sie eben anders.

Wir brauchen ja nichts anderes als eine Erklärung für diese Aussagen von Herrn Swo­boda im Jahr 2000. Sie haben sich aber nicht entschuldigt, Sie haben das nicht erklärt, Sie lassen es so stehen. Und genau das soll die Bevölkerung wissen, dass hier Vertre­ter einer Fraktion ihre Ideologie, ihre Fraktionsinteressen vertreten und nicht Interes­senvertreter der Republik Österreich sind. Das ist es, und um das geht es, meine Da­men und Herren von der SPÖ!

Frau Kollegin Lichtenberger, Sie haben so salopp gesagt, bei den Initiativen der Frei­heitlichen im Nahen Osten gehe es nur um das Benzin und um das Öl. – Ich erwidere Ihnen – und da fühle ich mich persönlich angesprochen –: In der Zeit, in der Herr Swo­boda und andere noch die europäischen Länder bestärkt haben, gegen Österreich Sanktionen zu ergreifen, bin ich auf Ersuchen eines israelischen Ministers unterwegs gewesen in Tel Aviv, in Damaskus und in anderen Ländern, um Menschenleben zu retten! Wir mussten das so vertraulich halten, weil wir gewusst haben, wenn das auf­kommt, dass ein Freiheitlicher versucht, hier international tätig zu sein, dass man alles daransetzen würde, um das zu verhindern – und man hat es auch versucht!

Das, meine Damen und Herren, ist die Realität!

Ich sage Ihnen: Wo immer es möglich ist, sollen Vertreter Österreichs versuchen, Kon­flikte zu bewältigen, Menschenleben zu retten, zu vermitteln, und Österreich in der Welt als das darstellen, was es ist: ein Land, das für Frieden, Sicherheit und Stabilität steht. Und das werden wir auch in Zukunft so machen, meine Damen und Herren!

Wir vertreten Österreich, egal, wie Sie das sehen, Österreich und auch die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher, beim Wasser und bei allen anderen Dingen auch. Sie vertreten Ihre eigenen Interessen, das haben Sie zu verantworten!

Und wenn es einen Denkzettel gibt, dann nicht für eine Regierung, denn diese steht nicht zur Wahl, sondern für eine Europapolitik, wie Sie sie haben zutage treten lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

 


17.29


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Präsident Dr. Andreas Khol: Es haben sich nunmehr zwei Abgeordnete zu tatsächli­chen Berichtigungen zu Wort gemeldet, als Erster Dr. Christian Puswald, dann Dr. Caspar Einem. Ich erinnere an die Bestimmungen der Geschäftsordnung: Fakten gegen Fakten, nicht Politik gegen Politik.

Herr Abgeordneter Puswald, Sie sind am Wort.

 


17.29

Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Werte Kollegenschaft! Herr Klubobmann Molterer hat soeben ausgeführt ... (Abg. Großruck: Herr Klubobmann!) Herr Klubobmann Molterer – Sie müssen nur zuhören, Herr Kollege! Ich weiß schon, dass Ihnen das schwer fällt, aber es ist so.

Herr Klubobmann Molterer hat soeben ausgeführt: Die SPÖ hat zumindest Mitverant­wortung für die EU-Sanktionen gegen unser Heimatland Österreich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Es freut mich, dass Sie zu etwas Applaus liefern, was falsch ist. Diese Behauptung ist nämlich falsch. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Richtig ist, dass die 14 Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten diese Sanktionen gegen Österreich verhängten und damals ausdrücklich betonten, dass sich diese Sanktionen nicht gegen das österreichische Volk, sondern ausschließlich gegen die schwarz-blaue Bundesregierung richteten. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Neudeck: Das war keine tatsächliche Be­richtigung!)

17.30

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Einem zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


17.30

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Klubob­mann Scheibner hat soeben einen Vorwurf wiederholt, der ja schon öfters von Ihnen von den Freiheitlichen ausgesprochen wurde: Ich hätte als Innenminister die Polizei daran gehindert, in der Briefbomben-Sache in jeder zielführenden Richtung zu ermit­teln. – Diese Behauptung ist falsch! (Abg. Scheibner: Vorwurf, habe ich gesagt! – Wei­tere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Gegenrufe bei der SPÖ.)

Richtig ist, dass es einen einzigen Vorwurf aus der Polizei in diese Richtung gegeben hat (Abg. Scheibner: Genau das habe ich gesagt!) – das jedoch einen Monat bevor ich Innenminister wurde, Herr Abgeordneter Scheibner! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Genau das habe ich gesagt! Also diese Berichtigung ist auch falsch!)

17.31

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Redezeit: 5 Minuten. Das ist auch die noch verbliebene Redezeit Ihrer Fraktion. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


17.31

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Danke, Herr Präsident! Wenn man als Letzter zu einem Tagesordnungspunkt redet, spricht man vor einem vollen Saal. Danke für die Teilnahme.

Zunächst eine Bemerkung zum Entschließungsantrag Spindelegger, Scheibner betref­fend die Lage im Nahen Osten: Die Grünen werden diesem Antrag zustimmen, zwar mit Bedenken, aber dennoch werden wir zustimmen. Ich kann die Bedenken von Cas-


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par Einem, die er hier vorgetragen hat, gut nachvollziehen, aber dennoch halten wir diesen Entschließungsantrag für doch erheblich besser als die Anträge im Auswärtigen Rat. Daher werden wir dem, wie bereits gesagt, zustimmen.

Zunächst, meine Damen und Herren, eine Bemerkung zum Stabilitätspakt. Frage 10 der heutigen Dringlichen Anfrage bezog sich auf den so genannten Stabilitätspakt, und in diesem Punkt bin ich sogar ganz dankbar, dass jetzt der Herr Wirtschaftsminister statt der Frau Außenministerin hier auf der Regierungsbank sitzt.

Bei Ihrer Antwort, Herr Bundesminister Bartenstein, hat mich eine leichte Depression befallen – und fast noch mehr deprimiert hat mich der spontane Applaus der ÖVP- und FPÖ-Fraktionen, noch bevor der Minister geantwortet hat.

Meine Damen und Herren! Setzen wir uns einmal in einem Ausschuss oder außerhalb eines Ausschusses in Ruhe zusammen! Ja, wir brauchen Stabilität in der Europäischen Union, wir brauchen gesamtwirtschaftliche Stabilität in der Union! Ja, wir brauchen auch wachstumsfördernde Maßnahmen! Das Wirtschaftswachstum in der Europäi­schen Union ist nicht hinreichend, um bei steigendem Arbeitsangebot die Arbeitslosig­keit zu dämpfen! Das Problem ist nur, der so genannte Stabilitäts- und Wachstumspakt heißt so, fördert aber weder Stabilität, geschweige denn Wachstum. Im Gegenteil: Die­ser Pakt behindert Wachstum! Auch das muss man einmal klar auf den Tisch legen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn Sie mir schon nicht glauben, dann geben Sie doch einmal jemandem den Auf­trag und lassen Sie sich unter dem Stichwort „stability pact“ Artikel des „Economist“ dazu ausheben! Der „Economist“ ist ja bekanntlich weder sozialdemokratisch, ge­schweige denn grün, sondern eine liberale, eine sehr gute, vorzügliche britische Wirt­schaftszeitung. Und der Tenor der Artikel im „Economist“ dazu – und das schon über Jahre! – ist, auf gut Englisch: „Scrap the stability pact!“ – Mit anderen Worten: In den Papierkorb damit!

So weit muss man ja nicht unbedingt gehen, aber eine Reform dieses Paktes ist drin­gend angesagt, eben im Interesse der Stabilität und des Wachstums in der Europäi­schen Union. Was absolut kontraproduktiv ist, ja in der Diktion von Jörg Haider an wirt­schaftlichen Landesverrat grenzen würde – eine Diktion, die ich bekanntlich nicht ver­wende –, ist die Position von Finanzminister Grasser, der schon über Jahr und Tag nichts anderes zu tun hat, als die buchstabengetreue Erfüllung eines Paktes einzufor­dern, eines Paktes, der weder Stabilität noch Wachstum fördert, sondern – ganz im Gegenteil! – die Erfüllung dieser wichtigen Ziele auf europäischer Ebene behindert! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Grassers letzter Ausflug in dieses Gefilde ist nun, wie Voggenhuber mit Recht sagt, wirklich ein „Amoklauf europapolitischer Dummheit“. Er hat nämlich gemeint – da muss man Grasser ja direkt zu dem Mut gratulieren; immerhin hat er in Interviews mit der „Frankfurter Allgemeinen“ und der „Süddeutschen Zeitung“ diese seine Meinung kund­getan –, dass Deutschland das Stimmrecht im ECOFIN – wer weiß, wo noch? – aber­kannt werden sollte, weil Deutschland die Regeln des Stabilitätspaktes verletzt. – Na das ist „super“! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er gilt noch!)

Abgesehen davon, dass der Stabilitätspakt von seinem wirtschaftlichen Gehalt her ge­radezu abenteuerlich ist: So macht man sich wirklich „Freunde“ im Ausland! Man muss sich das vergegenwärtigen: Der Stabilitätspakt sieht vor, dass bei fortschreitender Ver­letzung der 3-Prozent-Regel – und die Deutschen sind drauf und dran, das zu tun; das stimmt – bis zu 0,5 Prozent des BIP an zusätzlichen Geldern nach Brüssel zu transfe­rieren sind. – Wissen Sie, wie viel das ist? Das sind rund 11 Milliarden €! Und da sagte Herr Grasser in Frankfurt, dass Deutschland das noch zusätzlich nach Brüssel transfe­rieren soll! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber er gilt noch, Herr Professor!) Das wird die wirt-


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schaftliche Situation in Deutschland sicherlich „beflügeln“! – Also diesen Unsinn sollte man Grasser doch einmal auszureden versuchen.

Aber das macht in FPÖ und ÖVP offensichtlich irgendwie Mode, jemandem das Wahl­recht aberkennen zu wollen. Und dazu sage ich noch ein Wort, meine Damen und Her­ren von ÖVP und FPÖ: Man kann jetzt zu diesem Brief des Kollegen Swoboda stehen, wie man will. Man kann sagen, es ist gute Wahltaktik, diese „Brief-Leiche“ nach vier Jahren zu exhumieren. – Das ist aber nicht mein Punkt, sondern mein Punkt ist (Präsi­dent Dr. Khol gibt das Glockenzeichen), dass keiner von ÖVP und FPÖ die Gelegen­heit wahrgenommen hat, sich von Haider, der Swoboda als Kriminellen und als Hoch­verräter bezeichnet hat, zu distanzieren. (Präsident Dr. Khol gibt neuerlich das Glo­ckenzeichen.)

Das hinterlässt in mir einen wirklich beklemmenden Nachgeschmack! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.37

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Verhinderung der Privatisierung der österreichischen Trinkwasserversorgung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Antrag findet nicht die Mehrheit und ist abge­lehnt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Michael Spindelegger, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Lage im Nahen Osten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Antrag findet die Mehrheit und ist angenommen. (E 57.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Ulrike Lunacek, Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreichs Haltung zum Aufbau einer multinationalen Friedenstruppe im Irak unter UNO-Mandat.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dipl.-Ing. Uwe Scheuch, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die österreichischen Wasserressourcen sind gesichert“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Antrag findet die Mehrheit des Hohen Hauses und ist damit angenommen. (E 58.)

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 1494/AB

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zu einer kurzen Debatte über eine Anfragebeantwortung des Herrn Bundeskanzlers mit der Ordnungszahl 1494/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verle­sung durch den Schriftführer/die Schriftführerin erübrigt.


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Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf und dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt.

Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen gleichfalls nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich ersuche nun Herrn Abgeordneten Lichtenegger als Antragsteller des Verlangens, die Debatte zu eröffnen. Redezeit: 10 Minuten. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


17.40

Abgeordneter Elmar Lichtenegger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Hohes Haus! 2004 ist nicht nur das Jahr der Wahl zum EU-Parlament, sondern 2004 ist auch das Europäische Jahr der Erziehung durch Sport. Die EU hat wiederholt auf die bedeutende soziale Rolle des Sports, insbesondere auch auf dessen pädagogi­sche Funktion hingewiesen.

Im Jahre 2000 gab es eine Erklärung in Nizza, in der unterstrichen wurde, dass der Sport nicht nur erzieherische, sondern auch kulturelle Funktionen hat, denen in ver­stärktem Maße Rechnung getragen werden soll.

Der Sport fördert auch Fähigkeiten, die ein Gegengewicht zu verschiedenen Entwick­lungen darstellen, wie zum Beispiel zu technologischen Entwicklungen, die vielleicht einen Bewegungsmangel oder manchmal auch Isolation und Langeweile mit sich brin­gen.

Der Sport kann integrieren, er hat aber auch breitere Zielsetzungen, er ist nämlich mei­nes Erachtens auch ein Schlüsselinstrument zur Bekämpfung etwa von Diskriminie­rungen und stellt wirklich ein optimales Medium gegen soziale Ausgrenzungen dar, denn beim Sport können wirklich alle Gesellschaftsschichten teilnehmen. Die behinder­ten Menschen sind integriert, und es wird auch die Chancengleichheit zwischen Män­nern und Frauen gefördert.

Heuer ist das „Europäische Jahr der Erziehung durch Sport“, und die verschiedenen Aktivitäten, die in diesem Jahr durchgeführt werden, koordiniert die EU-Kommission. Eine Vielzahl von Projekten liegen vor und werden koordiniert und aus einem Gemein­schaftshaushalt kofinanziert. Soweit ich weiß, stehen 5,6 Millionen € für die verschie­denen Projekte zur Verfügung. Davon entfallen auf die österreichischen Projekte 220 000 €.

Nun haben wir ein nationales Netzwerk aufgebaut, einen Finanzierungstopf geschaf­fen, den „ÖNNES 2004“, und da werden regionale, lokale, nationale, aber auch interna­tionale Projekte zusätzlich gefördert. Es stehen damit zusätzlich 150 000 € für die ver­schiedensten Projekte zur Verfügung.

Die verschiedensten Projekte laufen über einen Aktionsplan, der verschiedene Veran­staltungen beinhaltet und unterstützt und im Rahmen dessen verschiedene Projekte finanziert, Wettbewerbe veranstaltet, auch Fachveranstaltungen mit der Universität, mit Schulen und mit verschiedenen Akademien organisiert werden und auch Studien über Sport und Erziehung durch Sport erstellt werden.

Wir haben verschiedene Wettbewerbe, wie zum Beispiel einen Zeichenwettbewerb, der sich „sportlICH“ nennt, wo Kinder im Alter zwischen 4 und 10 Jahren Zeichnungen, die sie im Zusammenhang mit Sport machen, abgeben können. Der Einsendeschluss ist morgen. Wir haben mittlerweile schon 1 000 Einsendungen.


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Es gibt auch einen Aufsatzwettbewerb. Wir haben die besten 80 Einsendungen schon aussortiert.

Es gibt einen Videowettbewerb. 15 der besten Videos kommen beim ORF in die engere Wahl.

Sie sehen, das Interesse ist sehr groß. Die Kinder und Jugendlichen haben bei all die­sen Wettbewerben sehr großes Engagement gezeigt.

Weiters gibt es auch einen Liedwettbewerb, der nennt sich „songFAIRsuch“. Da wird alles, was mit Fairness im Sport zu tun hat, auf musikalische Art und Weise darzubie­ten versucht. Wir haben auch da die 15 Besten dem Radiosender „Ö3“ zur näheren Wahl zugesandt.

Wir feiern im September immer den „Tag des Sports“ am Heldenplatz. Dieses Jahr ist der „Tag des Sports“ vor allem der Jugend gewidmet. „Jugend am Ball“ wird sich diese Veranstaltung nennen. Dabei hat die Jugend verstärkt die Möglichkeit, mit österreichi­schen Sportlern, mit allen Verbänden in Kontakt zu treten und sich die ganze Welt des Sports anzusehen.

Wir haben in Innsbruck ein „Young Researcher Seminar“, wo sich junge Menschen mit Sportmanagement, mit ihren Ansichten vom österreichischen Sport, mit ihren Zu­kunftsvisionen beschäftigen.

Auch die Österreichische Sportwissenschaftliche Gesellschaft widmet dieses Jahr die­sem Thema einen Schwerpunkt und hält im November einen großen Kongress ab.

Wir haben in den Schulen – europaweit beispielgebend – in der Sekundarstufe 1 sehr viele Unterrichtsstufen für Bewegung und Sport. Wir haben in 15 Schulen Leistungs­sportler integriert, insgesamt 1 018 aus den 47 verschiedenen Sportarten. Außerdem haben wir in Wien zwei Schulversuche gestartet, wo in der Sekundarstufe 1 schon Leistungssportler in den Schulbetrieb integriert werden beziehungsweise wo der Leis­tungssport in den Schulbetrieb integriert wird.

Wir haben natürlich auch sehr viele Schwerpunkte außerhalb der Schule gesetzt, weil Erziehung nicht unbedingt „Erziehung in der Schule“ heißen muss. Das „Europäische Jahr der Erziehung durch Sport“ soll zeigen, dass Sport sehr gut erziehen kann.

Der Staatssekretär für Sport hat eine Initiative ins Leben gerufen, die nennt sich „Fit für Österreich“. Darunter befindet sich auch sein schon allseits bekanntes Projekt „SportKids“, das sich mehr als bewährt.

Wir haben, soviel ich weiß, derzeit sieben Pilotprojekte in den Kindergärten laufen, wo Kindergartenkinder eine polysportive Ausbildung bestreiten können, wo sie erstmals die sozialen Fähigkeiten, die der Sport besitzt, kennen lernen können. (Ruf bei der SPÖ: Wer zahlt das alles?)

Ja, die Gemeinden sehen, dass im Sport im Europäischen Jahr der Erziehung durch Sport wirklich großes Potential steckt. Im Endeffekt ist es egal, wer es zahlt, Hauptsa­che, es zahlt wer. (Abg. Faul: Steckt euch nicht die fremden Federn an den Hut!) Dazu brauche ich gar nichts zu sagen, denn es heißt: Erziehung durch den Sport! Vielleicht sollten manche wirklich mehr Sport betreiben, dann würde auch die Erziehung besser sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Staatssekretär ist heute bei uns zu Gast und wird uns sicher noch mehr über sein Projekt „SportKids“ und über die Chancen der Kinder durch den Sport erzählen. –Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

 


17.46


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Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Staatssekretär Mag. Schweitzer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Staatssekretär. (Abg. Heinzl: Ist das die Abschiedsrede?)

 


17.46

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Christian Faul, ich bin sehr dankbar dafür, dass wir heute einmal hier die Gelegenheit haben, über die Aktivitäten des Sport­staatssekretariats, das es im Bundeskanzleramt gibt, zu reden. Sport ist doch mehr als, wie von vielen behauptet, die wichtigste Nebensache der Welt.

Sport bedeutet Motivation, Freude, Freiheit. Sport vermittelt Werte wie Fairness, Integ­ration, Toleranz und ist dadurch ein Bestandteil jeder modernen Lebenskultur. Sport leistet einen wesentlichen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung und vor allem zur Stärkung der Persönlichkeit.

Wir haben in den letzten Wochen und Monaten auch gezeigt, dass der Sport, insbe­sondere dann, wenn der organisierte Sport dahintersteht, einen wesentlichen Beitrag zur Umgestaltung unseres Krankheitssystems in ein Gesundheitssystem leisten kann. Wir haben Kosten, die uns davonlaufen. Wenn wir den organisierten Sport einbinden, dann haben wir ein Einsparpotential von – hochgerechnet durch Professor Felderer 1,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

Ich bin auch sehr froh, dass die Europäische Union das Jahr 2004 zum „Europäischen Jahr der Erziehung durch Sport“ ausgerufen hat, weil damit eine Positionierung des besonderen gesellschaftlichen Wertes des Sportes auch in den Schulen möglich ist.

Die österreichische Bundesregierung hat sich natürlich bereit erklärt, diese Aktion auch entsprechend zu unterstützen, und deshalb sind wir sehr froh darüber, dass ein Groß­teil der eingereichten Projekte auch finanziell unterstützt werden kann. Insgesamt stellt die Bundesregierung 400 000 € zur Unterstützung all dieser Projekte zur Verfügung, und es ist bemerkenswert, wie viel Phantasie in die Entwicklung dieser Projekte ge­steckt wurde, die bei uns eingereicht wurden.

Es sind Projekte, die quer durch alle gesellschaftspolitischen Bereiche gehen. Es sind aber auch Projekte, die – leider ist es noch immer so – von vielen verschiedenen politi­schen Sportorganisationen eingereicht wurden, die aber durchaus einen sehr ernst zu nehmenden und sehr guten Inhalt aufweisen.

Ob es „LEBE – Lernen & Bewegen“ ist, ein Projekt der SPORTUNION Wien, ob es ein Projekt des Österreichischen Alpenvereins ist, wir sponsern all diese Projekte.

Wir sponsern Projekte des Instituts für Sportwissenschaft der Universität Wien wie mul­timediale Lehrmittel für Bewegung und Sport oder zum Beispiel „FairPlay goes Educa­tion“, einen Schul- und Jugendwettbewerb des Wiener Instituts für Entwicklung und Zusammenarbeit, genauso wie das Projekt „Sport zum Einsteigen“, Motivationsstrate­gien der SPORTUNION, oder das Projekt „Tanz aus der Reihe!“ vom Österreichischen Kultur-Service.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darüber hinaus haben wir in diesem „Euro­päischen Jahr der Erziehung durch Sport“ einen weiteren Schwerpunkt gesetzt, der von Elmar Lichtenegger bereits kurz angesprochen wurde, und zwar meine ich das Projekt „Fit für Österreich“ vom jetzt designierten und bald auch seinen Sessel bezie­henden Präsidenten Fischer gut propagiert. Ich möchte mich bei ihm bedanken, dass er das alles in seiner Wahlkampagne auch übernommen hat.

Das ist ein Projekt, mit dem wir versuchen, alle Altersgruppen abzudecken, beginnend in den Kindergärten mit den so genannten „SportKids“ über praktikable Projekte, die


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die Zusammenarbeit zwischen Schule und Verein fördern sollen. Wir haben solche Projekte im Rahmen der Wieselburger Gesundheitstage, die wir mit dem organisierten Sport abgehalten haben, erarbeitet und wollen diese auch umsetzen. Das geht bis hin zur betrieblichen Gesundheitsvorsorge, getragen von den Dachverbänden, und zur Aktion „Fit für 50 plus“, wo demnächst ein so genannter Mobilitätsbus quer durch Ös­terreich fahren wird.

Damit soll gezeigt werden, dass der Sport mehr kann, dass der Sport insbesondere in der Lage ist, dem österreichischen Krankheitswesen eine Richtungsänderung zu ge­ben, sodass daraus ein Gesundheitswesen wird, dass aus den kranken Kassen, die alle so beklagen, gesunde Kassen werden.

Ich danke dafür, dass ich auch die Unterstützung aller im Parlament vertretenen Par­teien bei all diesen Aktivitäten habe, und hoffe, dass das auch so bleiben wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.51

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haubner. 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


17.51

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Der Europäische Rat hat in der Erklärung von Nizza Ende 2000 ein klares Signal im Sinne des Sports und einer sportlich aktiven Gesellschaft gesetzt. Umgesetzt wird das Ganze heuer im „Europäischen Jahr der Erziehung durch Sport“, das von der Europäischen Kommission ausgerufen worden ist. Damit soll auf den pädagogischen Wert des Sports speziell hingewiesen werden.

Bewegung und Sport sind ein wichtiger Teil der gesamthaften Persönlichkeitsbildung. Ein wesentlicher Teil des österreichischen Aktionsplanes ist der Stärkung der Zusam­menarbeit von Bildungs- und Sporteinrichtungen gewidmet, um so das Sportangebot für unsere Jugend weiter auszubauen. Mit Sport und den damit verbundenen Werten wie Fitness, Einsatzbereitschaft, Teamgeist und Fairness soll die Jugend dafür begeis­tert werden, ihre körperlichen und sozialen Kompetenzen weiterzuentwickeln.

Mich freut es ganz besonders, dass wir in Salzburg – und da auch von der SPORT­UNION aus – gemeinsam mit dem Institut für Sportwissenschaften ein Projekt betreu­en, das ungefähr 290 Klassen und 6 000 Volksschüler umfasst, wo in den Bereichen Schwimmen, Leichtathletik, Turnen und Showdance SPORTUNIONS-Übungsleiter direkt in den Schulen mit den Kindern und mit den Lehrern arbeiten und ihren Ideen­reichtum und ihr Know-how weitergeben.

Der Erfolg zeigt sich daran, dass die Nachfrage ständig im Steigen ist und dass das Interesse an diesem Projekt nicht abreißt. Dies ist ein erfreuliches Projekt, eines von den acht Projekten, die aus dem EU-Topf, aus den Geldern des EU-Topfs, die nach Österreich fließen, gefördert werden.

Des Weiteren hat natürlich im Sport auch der Bereich der Gesundheitsvorsorge und der Gesundheitsförderung eine besondere Bedeutung, gemäß dem Motto: Eine sport­lich aktive Gesellschaft ist eine gesunde Gesellschaft! Daher die Bestrebungen der Bundesregierung, die Menschen in Österreich zur Überwindung des inneren Schwei­nehundes zu bewegen. Diese breit angelegte Aktion ist sehr erfolgreich und bindet breite Massen und die Gesellschaft im Bereich der Initiative für Bewegung ein.

Meinungsbildung ist auch ein Teil der Erziehung, ein Teil, der alle Generationen einer Gesellschaft betrifft, und daher unternimmt die Bundesregierung alle Anstrengungen, um in Partnerschaft zwischen Bildungs-, Sport-, Gesundheits- und Sozialeinrichtungen entsprechend zu fördern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Es ist sehr erfreulich, dass viele im Sport tätige Organisationen diese Aktivitäten unter­stützen, sei es der ORF mit seinem „Top Spot“-Wettbewerb oder sei es das Österrei­chische Olympische Comité mit dem Aufsatzwettbewerb oder der Fonds „Gesundes Österreich“. Es werden viele Inhalte von der Jugend in dieses Projekt eingebracht, und diese bilden die Basis für die Konzepte der Zukunft.

Der Sport ist aber nicht nur ein gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Faktor, sondern hat heuer auf Grund der Sportgroßveranstaltungen, der Olympischen Spiele in Athen und der Fußball-Europameisterschaft in Portugal, auch eine gewisse Vorbildfunktion. Es ist wichtig, dass im Rahmen dieser gesamten Sportereignisse die Jugend wieder Anreize für sportliche Aktivitäten erhält.

Es ist besonders erfreulich, dass alle 25 EU-Staaten an diesem Projekt teilnehmen. Die EU hat, wie Kollege Lichtenegger schon gesagt hat, insgesamt 5,6 Millionen € für die­ses Projekt zur Verfügung gestellt.

Als Vizepräsident der SPORTUNION freut es mich besonders, dass wir auch öster­reichweit ein Projekt eingereicht haben, nämlich das Projekt „Sport zum Einsteigen“, inzwischen schon besser bekannt unter dem Namen „Fit ist ein Hit“, durch das wir ein­fach die 60 Prozent der österreichischen Bevölkerung, die keinen Sport betreiben, wie­der in den Sport hineinführen wollen. Wir wollen damit die Barrieren, die diese Men­schen haben, beseitigen und anregen, sich wieder sportlich zu betätigen.

Der Zugang zur Bewegung soll so bequem wie möglich und natürlich auch so unkom­pliziert wie möglich gestaltet werden. Das ist auch eines von sechs Projekten, das in der Runde zwei von der österreichischen Bundesregierung aus dem Topf von 400 000 € gefördert wird. Herzlichen Dank dafür! Das ist auch ein Beweis dafür, dass der Sport in Österreich einen hohen Stellenwert einnimmt. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

17.56

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nun gelangt Frau Abgeordnete Schasching für 5 Minu­ten ans Rednerpult. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort.

 


17.56

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich denke, die Dankbarkeit, die uns seitens des Staatssekretärs für diese heutige Debatte hier soeben zu Ohren gekommen ist, die nehme ich jetzt einmal ganz einfach für mich in Anspruch, denn ich war es schließlich, die die Anfrage eingebracht hat. Ich habe auch vermisst, Kollege Lichtenegger, dass du zumindest erwähnt hättest, dass du meine Anfrage diskutierst. Das gilt auch für Sie, Kollege Haubner. Ich meine, wenn man selbst keine Ideen hat, Anfragen zu schreiben, dann muss man halt die Oppositionsanfragen nützen. Ich stehe euch gerne auch in Zukunft zur Verfügung. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Trotzdem meine ich, dass es eine gute Sache ist, einmal um diese Tageszeit über den Sport in diesem Hohen Haus zu diskutieren, und ihn nicht immer als letzten Punkt dranzunehmen, so wie es heute wieder der Fall ist. Das wirklich Allerletzte in der heuti­gen Tagesordnung ist wieder einmal der Sport. Das zeigt schon ein wenig die Wertig­keit, die seitens der Bundesregierung dem Sport gegenüber an den Tag gelegt wird – wobei ich auch vermisse, dass der Bundeskanzler, der schlussendlich für den Sport zuständig ist, sich hier im Hohen Haus dazu einmal äußert. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist Ihnen unbenommen, sehr geehrte Abgeordnete von ÖVP und FPÖ, man hätte den Sportbericht im Ausschuss nicht enderledigen müssen, wir hätten ihn gerne im Plenum diskutiert, aber Sie haben sich in einer namentlichen Abstimmung dieser Mög-


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lichkeit entzogen und benützen dazu dann auch noch meine Anfrage. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich denke, das mag vielleicht ein erster Schritt dazu sein, dass wir hier zu prominenter Zeit eine ehrliche, offene und fundierte Sportdebatte führen, denn Themen gäbe es da genug, wahrlich genug.

Wir haben in Österreich eine Kürzung bei den Schulsportstunden. Die gibt es, die sind Faktum, und Sie können sie auch nicht schönreden. Es gehört darüber diskutiert, wie wir sie wieder zurücknehmen können, wie wir mehr Sport in die Schulen bringen kön­nen.

Wir haben noch immer kein Berufssportgesetz. Da haben wir sogar eine gemeinsame Entschließung eingebracht. Da ist die Bundesregierung säumig. Das gehört diskutiert!

Wir haben eine auslaufende Vertragssituation bei der Bundessportförderung. Das ist ein wichtiges Thema, das gehört diskutiert! Da sind die Grundlagen für den Sport. Da können Sie noch so schöne Worte finden, die Grundlagen müssen stimmen, damit wir in Österreich nicht nur mit schönen Worten das EU-Jahr feiern, sondern tatsächlich auch eine Umsetzung haben und eine nachhaltige Wirkung für den Sport.

Den Inhalt der Beantwortung meiner Anfrage, Kollege Lichtenegger, will ich nicht disku­tieren, auch nicht das, was Sie hier heute dargelegt haben. Ich meine, ich sehe es einmal als ersten Schritt, dass wir gemeinsam – und zwar spreche ich da die Sport­sprecher der beiden Regierungsfraktionen an – noch vor dem Sommer versuchen, einen Sportausschuss zustande zu bringen.

Ich nehme es, wie gesagt, als ersten Schritt, und würde es begrüßen, wenn der Herr Staatssekretär mit seinem Chef, mit dem Herrn Bundeskanzler Schüssel, verhandeln würde, und vielleicht gibt dann der Bundeskanzler einmal hier im Hohen Haus eine Erklärung zum Thema Sport ab. Dann hätten wir hier eine qualifizierte Sportdebatte und eine Gemeinsamkeit, die Sie immer wieder ansprechen.

Das „Europäische Jahr der Erziehung durch Sport“ wird mehrheitlich und österreichweit in seiner Umsetzung von den unzähligen Ehrenamtlichen getragen, die in den Verei­nen und Verbänden tätig sind. Sie sind es, die das erst ermöglichen, was Sie hier schönreden, die das erst umsetzen, was Sie hier andenken und was in den Anfrage­beantwortungen aus den einzelnen Ministerien an Vorschlägen eingebracht wird.

Denen müssen wir Dank sagen, und für sie müssen wir die Basis schaffen, eine Basis im Sinne einer fundierten Bundessportförderung. Das ist unser Hauptziel in diesem Jahr, und alle anderen Nebenziele, dass wir noch mehr Österreicherinnen und Öster­reicher in die aktive Sportausübung bringen wollen, all diese Dinge können dann noch viel leichter verwirklicht werden.

Ich fordere Sie dazu auf, dass wir hier einen gemeinsamen Weg gehen, und ich hoffe, dass dieses doch ein wenig skurrile Schauspiel heute, diese Vorstellung, mit einer An­fragebeantwortung einer Opposition sozusagen die Sportdebatte endlich ins Haus zu bringen, auch einen Sinn hat. Wenn es in Zukunft ein Problem gibt: Wir schreiben auch gerne gemeinsam die Anfragen, ich schreibe Ihnen gerne die Anträge. Sie müssen diese nicht vertagen. Wir können es tatsächlich diskutieren und hätten dann gemein­sam einen positiven Effekt aus dem „Europäischen Jahr der Erziehung durch Sport“! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.01

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rossmann. Redezeit: 5 Minuten. – Sie sind am Wort, Frau Abgeordnete.

 



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18.01

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Kollegin Schasching, ich glaube, es geht jetzt nicht darum, wessen An­fragebeantwortung hier besprochen wird, sondern ich glaube, es geht darum, dass wir uns parteiübergreifend finden und sagen: Der Sport hat einen so großen Stellenwert, dass er es wert ist, hier im Hohen Haus diskutiert zu werden – und vor allem noch zu einer „guten“ Zeit in Anbetracht des Umstands, dass die Bildungsdebatte gestern erst um 22 Uhr stattgefunden hat!

Frau Kollegin Schasching, Sie wissen aber auch – und ich sage das hier wirklich schon zum x-ten Mal, und Sie haben es auch im Ausschuss von der Frau Bundesministerin Gehrer gehört, von mir gehört –, Unwahrheiten werden nicht wahrer, wenn man sie öfter wiederholt. (Abg. Schasching: Aber bei Ihnen auch nicht!) Es gab bei den Stun­denkürzungen im Pflichtschulbereich die Möglichkeit, durch die Schulautonomie von jeglicher Stundenkürzung abzusehen – auch bei den Turnstunden! Das Land Kärn­ten etwa mit unserem Landeshauptmann Dr. Jörg Haider als zuständigem Schulrefe­renten hat es möglich gemacht, dass es zu keiner einzigen Stundenkürzung im Pflichtschulbereich gekommen ist. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis und verbreiten Sie nicht Unwahrheiten! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Scha­sching: Das ist keine Unwahrheit!)

Jeder weiß, wie wichtig der Sport ist – das wurde heute hier schon vielfach angespro­chen – : für die Persönlichkeitsentwicklung und, sage ich, auch für die Willensstärkung, für den Teamgeist und für die Fähigkeit – und diese kommt der Jugend immer mehr abhanden –, auch einmal Niederlagen einstecken zu können. Wir wissen, wie viele Jugendliche unter Depressionen leiden, wir kennen die Selbstmordraten bei Jugendli­chen. Ich erinnere auch an den tragischen Fall von Magersucht gestern in Oberöster­reich; das sind schwerste Depressionen. Wenn diese jungen Menschen mehr Zugang zum Sport hätten, auch durch eine entsprechende Vorbildwirkung der Eltern, wäre si­cher das eine oder andere zu verhindern, auch tragische Krankheiten und Selbstmor­de. Aber auch die Drogenprävention sei hier erwähnt und vor allem auch die Auswir­kungen des Sports auf die Gesundheit.

Deshalb begrüße ich es wirklich sehr, dass Herr Staatssekretär Schweitzer etwas er­kannt hat: Von Seiten der EU wird ein Jahr zum „Jahr des Wassers“, ein anderes zum „Jahr der Berge“, wieder ein anderes Jahr zum „Jahr der Erziehung“ erklärt; nun ist es das „Europäische Jahr der Erziehung durch Sport“. All diese Jahre, die da ausgerufen werden, machen nur dann Sinn, wenn man das entsprechende Thema nachhaltig wei­ter verfolgt, mit Projekten, die weit über das betreffende Jahr hinaus wirken. Deshalb freuen wir uns sehr, dass der Herr Staatssekretär Schweitzer für alle Altersgruppen die Projektreihe „Fit für Österreich“ ins Leben gerufen hat! Das Projekt „SportKids“ wurde bereits erwähnt. Aber auch die Nachmittagsbetreuung hat meines Erachtens einen wesentlichen Stellenwert, und da ersuchen wir Sie, in einem gemeinsamen Gespräch, eben über Vereine, diese sportliche Nachmittagsbetreuung in die Wege zu leiten. Na­türlich wird es etwas kosten. Natürlich müssen alle zusammenhelfen, auch alle Sport­organisationen und Sportverbände. Deshalb schaue ich Sie (in Richtung der Abg. Schasching) an, weil ich weiß, dass Sie dafür ein offenes Ohr haben.

Aber was mich besonders freut und was die Sozialdemokraten ebenso freuen müsste und eigentlich die Aufgabe vieler Betriebsräte wäre, das ist, endlich Sportaktivitäten in die Betriebe zu bringen. Es ist bekannt, dass es in Österreichs Betrieben noch kaum Fitnessgeräte gibt, kaum Sportbetreuung in Betrieben gibt; nur ganz wenige gibt es. Deshalb freut es mich auch, dass Herr Staatssekretär Schweitzer die Steigerung der Lebensqualität am Arbeitsplatz gefördert hat: mit diesem gesamten Projekt der medizi­nischen Betreuung, der Gesundheitsvorsorge, aber auch arbeitsmedizinisch mit Mus-


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kelaufbau dort, wo Schwerarbeit geleistet wird; er hat das flächendeckend über ganz Österreich initiiert.

Selbstverständlich gilt das auch für die Generation über 50, die sich Gott sei Dank auch auf Grund eines neuen Freizeitverhaltens dem Sport entsprechend widmen kann und wieder aktiv wird. Es finden viele zum Sport, die vorher keine Zeit dafür gefunden haben.

Deshalb ist es begrüßenswert, dass das „Europäische Jahr der Erziehung durch Sport“ quasi der Initialzünder ist, um nachhaltig in ganz Österreich große sportliche Aktivitäten zu setzen, die nie möglich wären, wenn es nicht ein eigenes Staatssekretariat gäbe.

Weil Sie sagen, eigentlich wäre der Bundeskanzler zuständig: Deshalb gibt es ja ein eigenes Staatssekretariat, damit eben dieser Stellenwert gewährleistet ist. Man kann nur Arbeit leisten, wenn man Zeit dafür hat und Ressourcen hat, auch persönliche Zeit­ressourcen. Der Staatssekretär ist Tag und Nacht im Einsatz für die österreichische Gesundheit und damit viele Menschen zum Sport finden. Er selbst ist, glaube ich, da das beste Vorbild! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.08

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzte Wortmeldung dazu: Herr Abgeordneter Brosz. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


18.07

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Kollege Lichtenegger, Mut haben Sie, kann ich nur sagen angesichts dieser Vorgangsweise. Offenbar gab es nichts, was Sie selbst getan hätten an Anträgen oder an Fristsetzun­gen oder an Anfragebeantwortungen aus den Reihen der Regierungsfraktionen, was man zum Thema des Sports hätte machen können. Man musste eine Anfrage der Frau Kollegin Schasching benutzen, um dieses Thema überhaupt auf die Tagesordnung zu bringen. – Es ist zumindest mutig.

Aber Mut Nummer 2 ist die Anfragebeantwortung selbst. Da muss man sich vorher schon ordentlich motiviert haben! Da gibt es eine Anfrage, die sehr umfangreich die Situation des Sports in Österreich hinterfragt, zum Beispiel, wie es in der Trainertätig­keit ausschaut, wie es mit den Problemen der Ehrenamtlichkeit ausschaut, wie es mit beschäftigungspolitischen Aspekten ausschaut, und darauf kommt dann eine Anfrage­beantwortung, die sage und schreibe 16 Zeilen aufweist, auf keine einzige dieser Fra­gen auch nur ansatzweise eine Antwort gibt, und Sie gehen her und machen im Ple­num eine Besprechung über diese Anfragebeantwortung!

Alle Achtung! Sie machen das wahrscheinlich so, weil Sie aus dem Sportbereich kom­men. Was eine solche Usance angeht, muss ich sagen, da kann man als Opposition noch einiges lernen, wie man mit diesem Thema umgeht.

Mut Nummer 3 – das trifft aber jetzt weniger Sie als eher die Kolleginnen der ÖVP –: Wenn man von Erziehung durch Sport redet, ist ja die Frage, wie es in den Schulen damit ausschaut, nicht weit hergeholt. Da stelle ich ganz wertfrei fest: Es gibt de facto im heurigen Schuljahr weniger Turnsportstunden als im letzten. Jetzt möchte ich das gar nicht dem Karl Schweitzer in vollem Ausmaß „umhängen“, ich weiß schon, dass er sich bemüht hat, aber an diesem Faktum kann er nicht wirklich etwas verändern. Dass das Ausfluss einer Entscheidung der Bundesregierung ist, ist wohl nicht vom Tisch zu wischen.

Dann sagt die Kollegin Rossmann – das ist ja auch ein besonderer Widerspruch in der Argumentation; bislang habe ich bei jeder Diskussion gehört, die Schüler waren über­lastet, und daher war diese Maßnahme richtig; und jetzt sind sie entlastet –, Kärnten sei ganz super, weil in Kärnten keine einzige Stunde gekürzt worden sei.


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Also waren die Kärntner Schülerinnen offenbar weniger überlastet; da war es nicht notwendig. Aber die Problematik hat sich schon gezeigt: Wenn man wirklich von einer Überlastung der Schülerinnen spricht, die in Teilbereichen durchaus gegeben ist – dar­auf können wir uns durchaus verständigen –, aber dann nicht darauf Rücksicht nimmt, dass es schlicht und einfach skurril ist, im Sportbereich, im musischen Bereich Stunden zu kürzen, dort, wo sozusagen ein bisschen etwas anderes in der Schule auch stattfin­den kann, dann muss man schon sagen: Daran ist ersichtlich, dass der Anspruch und die Wirklichkeit bei den Regierungsparteien nicht wirklich zusammenpassen!

Aber ich glaube auch, dass es im Übrigen nicht damit getan ist, allein über Turnstun­den zu reden – sei es eine Stunde, die von allen als katastrophal eingeschätzt wird, seien es zwei Stunden. Faktum ist: Es ist im jetzigen Schulsystem in der Regel sehr wenig an Bewegung möglich.

Man wird schon darüber nachdenken müssen, ob das allein mit dem Turnunterricht zu lösen ist oder ob das nicht völlig andere Tagesabläufe braucht; ob es nicht so ist, dass man überlegen muss, wie man den Schulalltag gestalten kann, um einfach mehr Be­wegung möglich zu machen.

Selbst die in weiter Ferne liegende tägliche Turnstunde – von der sind wir in der Regel in den meisten Schulen sehr weit entfernt! – löst das Bewegungsproblem nicht wirklich.

Ich glaube, dass es dringend notwendig ist, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass auch kognitives Lernen gefördert wird, also man irgendetwas anderes macht, als die ganze Zeit in einer Bank zu sitzen, also sozusagen eine solche Art von Unterricht zu pflegen. Da ist eigentlich sehr viel möglich.

Damit komme ich zu dem Problem, das ich immer wieder anspreche. Ich glaube, dass gerade in den Volksschulen sehr viele Möglichkeiten gegeben wären. Es bedarf aber einer Veränderung in der Ausbildung. Es ist, glaube ich, in den wenigsten Fällen so, dass die Lehrerinnen unwillig wären, sondern oft kommt eben dieser Teil der Ausbil­dung der Volksschullehrerinnen zu kurz, und sie sind sich gar nicht dessen bewusst, welche Maßnahmen sie setzen könnten. Da könnte man durch entsprechende Maß­nahmen wirklich einiges zum Besseren verändern.

Meine Frage: Was ist denn da im „Europäischen Jahr der Erziehung durch Sport“ pas­siert? Gibt es irgendetwas vorzuweisen, was im Bereich der Ausbildung, im Bereich des Schulalltags wirklich verändert worden wäre? Die Lyrik der Frau Bildungsministerin kennen wir, die erleben wir immer wieder, aber wenn man die Realität anschaut, muss man sagen – so ehrlich werden wir alle miteinander sein –: Es hat sich da auch heuer wenig verändert!

Abschließend: Schön, dass wir darüber reden konnten, Kollege Lichtenegger. Mut ist auch eine Kategorie – nicht nur im Sport, sondern auch in der Politik. Aber schauen wir vielleicht doch, dass wir in Zukunft auch irgendetwas Substanzielles zustande bringen. (Beifall bei den Grünen.)

18.12

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. – Anträge wurden keine gestellt. Die Debatte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 3 und 4 der Tagesordnung wieder auf.


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Es haben mir alle Redner mitgeteilt, dass sie in den folgenden Debatten maximal 3 Minuten zu sprechen wünschen.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Neudeck. Wenn Sie kürzer sprechen wollen, teilen Sie mir das bitte mit. – Sie sind am Wort, Herr Abgeordneter.

 


18.12

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ihrer Aufforderung Folge leistend möchte ich mich kurz fassen. Heute ist ein Tag des Konsenses: beim Tierschutz eine Vier-Parteien-Regelung, und auch dieser Tagesordnungspunkt: Bundesgesetz über das Statut der Europäischen Gesellschaft, mit dem das Aktiengesetz und einige ande­re Gesetze geändert werden, wird von allen vier in diesem Hohen Haus vertretenen Fraktionen beschlossen werden.

Es bedeutet eine leichte Deregulierung des Aktienrechtes zur Gründung so genannter kleiner AGs, und es ist damit für Familiengesellschaften auch die Rechtsform der AG möglich. Es ist dies für die klein- und mittelständische Wirtschaft eine Möglichkeit, auch eine AG zu gründen und nicht die volle Publizität et cetera erfüllen zu müssen.

Der zweite Tagesordnungspunkt in diesem Debattenblock ist ein Bundesgesetz, mit dem der Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher erlassen wird. Dazu ist nur kurz zu sagen, dass das in der EU eine schwierige Geburt war, weil natürlich Banken und Versicherungen über diesen Fernabsatz einen großen Teil ihrer Verträge rekrutieren. Jedem von uns wurde schon von Schweinebäuchen über gebrauchte Lebensversicherung am Telefon alles angeboten.

Dieses Gesetz dient der Sicherheit der Konsumenten und wird von allen vier Parteien begrüßt. Ich kann für unsere Fraktion sagen, dass wir diesen Gesetzentwürfen gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.14

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. 3 Minuten Redezeit oder weniger? (Abg. Mag. Tancsits: 3 Minuten!) – Bitte, Herr Ab­geordneter.

 


18.14

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die Umsetzung der Verord­nung über die Europäische Gesellschaft wurde dazu benutzt, moderate und vernünf­tige Deregulierungsschritte im Gesellschaftsrecht zu setzen. Auf zwei dieser Schritte möchte ich besonders hinweisen: Da ist einmal die kleine Aktiengesellschaft; ich brau­che sie nicht näher zu beschreiben, das haben bereits meine Vorredner getan. Es geht uns darum, gerade für die mittelständische österreichische Unternehmensstruktur eine spezifische Form zu schaffen, um verstärkt Eigenkapital in Aktiengesellschaften bilden zu können.

Bei der Diskussion, die ja schon 1994 nach der deutschen kleinen AG in Österreich einsetzte, wurde auch darauf hingewiesen – und ich möchte das heute in Erinnerung rufen –, dass das auch eine gute Möglichkeit ist, Risikokapital für neue, innovative Pro­dukte und Dienstleistungen aufzubringen, und man hat darüber hinaus auch eine Mög­lichkeit gesehen – und ich hoffe, dass diese Vorstellung auch in Erfüllung geht –, ver­mehrt Mitarbeiterbeteiligung, Mitarbeiterkapital für die Unternehmensstärkung nutzen zu können.

Der zweite Deregulierungspunkt ist eine Änderung im genossenschaftlichen Revisi­onsgesetz, wo selbstverwaltete Interessensverbände der Genossenschaften, aber auch des Wohnungsgemeinnützigkeitsverbandes die Möglichkeit bekommen werden,


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in Zukunft ihre Mitglieder, juristische und natürliche Personen, bei den Abgabenbehör­den vertreten zu können.

Mir scheint das ein wichtiger Punkt zu sein, dass nämlich Deregulierung auch heißen kann, dass selbstverwalteten, funktionierenden Interessensverbänden mehr Aufgaben übertragen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.16

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. 3 Minuten Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


18.16

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich im Folgenden kurz dem Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz widmen.

Die sozialdemokratische Fraktion wird diesem Gesetz zustimmen. Es schafft Verbes­serungen insbesondere im Fernabsatz. Sie alle kennen sicher die Problemstellungen – Kollege Neudeck hat es bereits angesprochen –: Das sind die Spams, die wir bekom­men, das sind die unerbetenen Telefonanrufe, mit denen wir konfrontiert werden, wo­bei es dann bezüglich der Frage, ob es zu einem Vertragsabschluss gekommen ist oder nicht, konsumentenpolitisch oder im Beratungsalltag immer die größten Probleme gibt.

Wir stimmen diesem Gesetz daher zu, obwohl wir nicht verhehlen möchten, dass einige Regelungen in diesem Bundesgesetz doch überdacht werden sollten. Das ist einmal die Frage, ob wirklich wirksame und abschreckende Sanktionen bei Verstößen vorgesehen sind, wie es die Richtlinie vorschreibt. Wir beschränken uns auf zivilrechtli­che Sanktionen beziehungsweise auf Wettbewerbsklagen.

Das große Problem sehe ich, sieht meine Fraktion in der derzeitigen Regelung des § 107 Telekommunikationsgesetz. Sie erinnern sich: Im letzten Jahr wurde das abso­lute Werbeverbot, wonach Spamming per E-Mail nur mit vorheriger Zustimmung des Empfängers zulässig ist, beseitigt. Wir halten diese Regelung wirklich für diskussions­würdig, und wir sollten darüber nachdenken, wie wir da zu einer besseren Regelung im Spamming-Bereich kommen können. Das betrifft ja nicht nur die Konsumenten, son­dern genauso auch die Unternehmen.

Trotzdem werden wir dieser Regelung zustimmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte aber aus konsumentenpolitischer Sicht ein besonderes Problem anschneiden. Wir haben in Österreich unterschiedliche Verbrauchergesetze, und diese enthalten unterschiedliche Rücktrittsfristen. Die sozial­demokratische Fraktion tritt dafür ein, dass diese Rücktrittsfristen auf 14 Tage verein­heitlicht werden; das ist auch der europäische Trend.

Auch in der Richtlinie, die heute umgesetzt wird, ist eine 14-Tages-Frist vorgesehen.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein, der sich, nachdem das Justizmi­nisterium nicht mehr für die Konsumentenschutzagenden zuständig ist, an den Kon­sumentenschutzminister, nämlich an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Gene­rationen und Konsumentenschutz, richtet.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Maier, Dr. Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ver­einheitlichung der Rücktrittsfristen für KonsumentInnen bei allen Konsumentengeschäf­ten auf 14 Tage“


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Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz wird aufgefordert, in Abstimmung mit dem jeweils ressortzuständigen Bundesminister

eine einheitliche Rücktrittsfrist von 14 Tagen in allen einschlägigen ‘Konsumentenge­setzen’ (z. B. Konsumentenschutzgesetz, Bauträgervertragsgesetz, Kapitalmarktge­setz) vorzuschlagen und entsprechende Gesetzesänderungen dem Nationalrat vorzu­legen. Dies soll der erste Schritt zur Vereinheitlichung und Vereinfachung beziehungs­weise für eine verbesserte Übersichtlichkeit (Klarheit) des österreichischen zivilrechtli­chen Konsumentenschutzes sein.“

*****

Abschließend laden wir Sie ein, hier mitzustimmen. Konsumentenpolitisch würden Sie den österreichischen Konsumenten damit sehr helfen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.20

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Herrn Abgeordnetem Mag. Maier vorgebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Maier und Dr. Jarolim ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Maier, Dr. Jarolim und GenossInnen betreffend „Vereinheitli­chung der Rücktrittsfristen für KonsumentInnen bei allen Konsumentengeschäften auf 14 Tage“

eingebracht im Zuge der Debatte zu TO 4 Bericht des Justizausschusses über die Re­gierungsvorlage (467 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den Fern­absatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher (Fern-Finanzdienstleistungs-Ge­setz – FernFinG) erlassen wird und das Konsumentenschutzgesetz, das Versiche­rungsvertragsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz sowie das Versicherungsauf­sichtsgesetz geändert werden (490 d.B).

Zahlreiche gesetzlich geregelte Rücktrittsrechte (in Deutschland „Widerrufsrechte“) für KonsumentInnen haben in den vergangenen Jahren – zuletzt nicht aufgrund von EU – Richtlinien – Aufnahme in unsere Rechtsordnung gefunden, wobei der vertragliche Ausschuss des Rücktrittsrechts gegenüber KonsumentInnen grundsätzlich unzulässig ist.

Diese einseitigen Rücktrittsrechte finden sich in verschiedenen österreichischen Ge­setzen. Bezeichnend ist aber die Heterogenität der Ausgestaltung in jedem Einzelfall: Große Unterschiede ergeben sich beispielsweise in der Dauer der Rücktrittsfrist, deren Berechnung, der Form, der Ausübung, der Belehrung über das Rücktrittsrecht, in der Rückabwicklung, den Rechtsfolgen etc. Diese unübersichtliche Rechtssituation erfor­dert generell eine Rechtsvereinheitlichung und damit auch mehr Schutz für Konsumen­tInnen in Österreich.

Obwohl nun zunehmend auch in europäischen Richtlinien eine Rücktrittsfrist von 14 Tagen bei bestimmten Verbrauchergeschäften vorgesehen ist, ist die Bundesregie­rung dazu noch nicht bereit. Auch das Fern-Finanzdienstleistungen-Gesetz sieht eine Rücktrittsfrist von 14 Tagen vor.


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Entschließung

die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz wird aufgefordert in Abstimmung mit den jeweils ressortzuständigen Bundesminister,

Eine einheitliche Rücktrittsfrist von 14 Tagen in allen einschlägigen „Konsumentenge­setzen“ (z.B. Konsumentenschutzgesetz, Bauträgervertragsgesetz, Kapitalmarktge­setz) vorzuschlagen und entsprechende Gesetzesänderungen dem Nationalrat vorzu­legen. Dies soll der erste Schritt zur Vereinheitlichung und Vereinfachung bzw. für eine verbesserte Übersichtlichkeit (Klarheit) des Österreichischen zivilrechtlichen Konsu­mentenschutzes sein.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Maier. 2 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.20

Abgeordneter Dr. Ferdinand Maier (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Kollege Tancsits hat ja schon ausgeführt, was die einzelnen Bestim­mungen bedeuten. Ich möchte dem nur hinzufügen, dass in der Frage des Genossen­schaftsrevisionsgesetzes die Möglichkeit der Finanz-Online-Dienstleistung geschaffen wurde – das heißt, des Online-Verkehrs mit den diversen Ämtern – und somit mit weni­ger Papier gerechnet werden muss, was erfreulich ist.

Im kleinen Aktienrecht wird, wie ich meine, das grenzüberschreitende Verschmelzen beziehungsweise die Sitzverlegung von Organisationen erleichtert, und das scheint mir möglich.

Ich möchte aber darauf hinweisen, dass wir da über zwei Gesetze beziehungsweise Vorgaben der Europäischen Union reden. Daher glaube ich zu erkennen, wie wichtig das ist, was in Europa passiert. Da habe ich ein bisschen Bedenken, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie, was die Auswahl Ihrer Spitzen­kandidaten betrifft. (Abg. Dr. Einem: Machen Sie sich keine Sorgen, ...!) Über Hans Peter Martin ist heute schon gesprochen worden. Was mich ein bisschen schmerzt, Herr Kollege Einem, ist, dass Sie mit Dr. Swoboda einen Spitzenkandidaten erwischt haben (Abg. Brosz: Zu welchem Tagesordnungspunkt sprechen Sie eigentlich?), der für die Wiener Stadtregierung nicht mehr in Frage kommt, aber nach Brüssel geschickt wird; aber er ist auch das letzte Mal nicht in Frage gekommen. Insofern ist mir um das Standing der Sozialdemokratie im Europäischen Parlament in der künftigen Legislatur­periode wirklich bange. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Einem: Machen Sie sich keine Sorgen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

18.22

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Ikrath. Wie viele Minuten Redezeit? (Der sich zum Rednerpult begebende Abg. Mag. Ikrath: ...einhalb Minuten!) 2 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Abgeordneter.

 


18.22

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Noch ein Aspekt zum Fern-Finanzdienstleis-


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tungs-Gesetz. Diesem sollten wir im Hohen Haus durchaus eineinhalb Minuten wid­men, und zwar deswegen, weil darin ganz wesentliche Verbesserungen und Schutzbe­stimmungen für den Konsumenten enthalten sind.

Es ist erfreulich, dass wir darüber Konsens erzielen konnten. Nur eine Anmerkung, weil heute immer wieder gesagt wurde, für diese Bundesregierung sei der Konsument, der Bürger nicht wichtig: Gerade dieses Gesetz beweist das Gegenteil! Wir haben dazu eingeladen, dass Sie mit uns kommen, und wir freuen uns, dass Sie das tun – im Sinne des Bürgers und des Konsumenten.

Warum ist das Gesetz so wichtig? – Weil Bank- und Versicherungsprodukte heute in einem hohen Maße über Telefon, aber vor allem auch über Internet gehandelt werden. Daher ist es notwendig gewesen, jetzt entsprechende Informations- und Aufklärungs­pflichten für die Unternehmen zu verankern und dem Konsumenten auch Rücktritts­rechte einzuräumen.

Nun noch eine Anmerkung zu dem, was mein Vorredner gesagt hat. Wir haben uns x‑mal darüber unterhalten, dass wir angesichts von EU-Richtlinien, die selbst unter­schiedliche Rücktrittsfristen vorgeben – zum Teil auch in Werktagen, in Wochen et cetera –, unterschiedliche Terminologien haben, nicht in der Lage sind, in Österreich dann gegen die EU-Richtlinien vorzugehen.

Nur noch ein letzter Aspekt: Gerade in dem Gesetz, das wir jetzt umsetzen, ist zum Beispiel – sachlich völlig richtig – für gewisse Produkte, nämlich Lebensversicherungs­produkte und Altersvorsorgeprodukte, eine Rücktrittsfrist von 30 Tagen anstatt von 14 Tagen eingeräumt. Das ist deshalb wesentlich, weil es da ja um besonders exis­tenzsichernde Produkte geht. – Also insofern sind Entschließungsanträge dieser Art gut gemeint, aber sowohl im Sinne der EU-Richtlinie für uns nicht umsetzbar als auch deshalb, weil Ausnahmen gerade in diesen Fällen sachlich erforderlich sind.

Daher freue ich mich, dass wir das heute im Konsens beschließen können. Es wird damit mehr Rechtssicherheit, mehr Konsumentensicherheit geschaffen.

Im Geiste der heutigen gemeinsamen Beschlussfassung des Tierschutzgesetzes bitte ich auch um Verständnis dafür, dass wir dem Entschließungsantrag in der Fassung, in der er heute vorgelegt wurde, dennoch nicht zustimmen werden können, weil diese Regelung in dieser Form national nicht umsetzbar ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Freiheitlichen.)

18.25

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Wortmeldung: Herr Bundesminister Dr. Böhm­dorfer. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


18.25

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte mich nur ganz kurz für den sich abzeichnenden Konsens bedanken und auch dafür, dass wir in diesen Fragen sehr gut zusammengearbeitet haben. Es wurde auch mehrfach von Rednern zustimmend anerkannt, dass im Justizministerium zunehmend auch Wirtschaftsge­setze angesiedelt sind, die von größter Bedeutung und Tragweite sind und hohe legisti­sche Qualität aufweisen.

Deshalb bedanke ich mich auch bei der Sektion I, bei Herrn Professor Hopf, Herrn Pro­fessor Kathrein, Herrn Mag. Auinger und bei der heute nicht anwesenden Frau Dr. Bydlinski, die im Ausland ist, weil sie – wie immer – perfekte Arbeit geleistet ha­ben. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Dr. Gabriela Moser.)

 


18.26


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Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Ab­geordneter Mag. Johann Maier zu Wort gemeldet. – Sie sind am Wort, Herr Kollege. Sie kennen die Geschäftsordnung. (Abg. Mag. Molterer: Der Jackie bedankt sich jetzt nicht bei den Beamten des Ministeriums!)

 


18.26

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Ikrath hat in seinen Ausführungen die Feststellung getroffen, dass es auf Grund von EU-Richtlinien nicht möglich wäre, ein erweitertes Rücktrittsrecht auf 14 Tage festzulegen.

Ich stelle fest: Das ist falsch! Nach den gängigen EU-Richtlinien könnte jederzeit die Rücktrittsfrist auf 14 Tage erweitert werden. (Beifall bei der SPÖ.)

18.27

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Mag. Hakl ans Rednerpult. 2 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.27

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte nur auf zwei Punkte kurz eingehen.

Ich glaube, dass die „kleine Aktiengesellschaft“ insbesondere für junge, innovative Bio­technologie-Unternehmen, die sich mit Forschung und Entwicklung befassen, von gro­ßer Bedeutung ist. Sie ist ein weiterer wichtiger Beitrag zum Ausbau des Wissen­schafts- und Forschungsstandortes Österreich, weil es diesen innovativen Kleinunter­nehmen in Zukunft wesentlich einfacher möglich sein wird, Risikokapital über den Weg der Aktienkapitalisierung zu bekommen. Darüber freue ich mich ganz besonders.

Des Weiteren ist es auch ein sehr wichtiger Schritt, dass wir nach 30 Jahren endlich die Europäische Aktiengesellschaft beschließen. Bei dieser Europäischen Aktienge­sellschaft werden Dinge, wie ich sie bei einer grenzüberschreitenden Gesellschaft, nämlich der Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung zur Errichtung des Brenner-Basistunnels, bereits erlebt habe, hoffentlich nicht mehr notwendig sein. Da­mals sind wir nämlich, nachdem wir mit den Italienern über Inhalt und Ausgestaltung des Vertrages einig waren, acht Tage und Nächte gesessen, nur um den Vertrag zu übersetzen.

Das wird bei der neuen Europäischen Aktiengesellschaft zur Errichtung des Brenner-Basistunnels hoffentlich nicht notwendig sein. Ich ersuche auch Minister Böhmdorfer, dabei hilfreich und unterstützend zu wirken. – Danke vielmals. (Beifall bei Abgeordne­ten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

18.28

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Gesellschaftsrechts­änderungsgesetz 2004 samt Titel und Eingang in 488 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für diesen Gesetzentwurf eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch in dritter Lesung ist dieser Gesetz­entwurf einstimmig angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbrau­cher erlassen wird und das Konsumentenschutzgesetz, das Versicherungsvertragsge­setz sowie das Wertpapieraufsichtsgesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 490 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf eintreten, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Auch dieser Gesetzentwurf findet in zweiter Lesung die ein­stimmige Zustimmung.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung die Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Auch in dritter Lesung ist dieser Gesetzentwurf einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vereinheitlichung der Rück­trittsfristen für KonsumentInnen bei allen Konsumentengeschäften auf 14 Tage.

Wer dafür eintritt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minder­heit, und daher ist dieser Entschließungsantrag abgelehnt.

5. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (471 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem familien- und erbrechtliche Bestimmungen des allgemeinen bür­gerlichen Gesetzbuchs und des Bundesgesetzes über das internationale Privat­recht sowie das Gebührenanspruchsgesetz 1975 geändert werden (Familien- und Erbrechts-Änderungsgesetz 2005 – FamErbRÄG 2005), und über den

Antrag 152/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend erbrechtliche Gleichstellung/Änderung von § 730 ABGB (489 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 377/A der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwäl­ten in Österreich geändert wird (492 d.B.)

7. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (472 d.B.): Bundes­gesetz über die Organisation der Bezirksgerichte in Graz und die Änderung Ju­gendgerichtsgesetzes 1988 (491 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 376/A der Abgeordneten Dr. He­lene Partik-Pablé, Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Kolleginnen und Kollegen


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betreffend ein Bundesgesetz, mit dem vorübergehende Maßnahmen für die Anhaltung in Untersuchungshaft und im Strafvollzug getroffen werden (493 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 bis 8 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung über diese Vorlagen wurde verzichtet.

Wir gehen daher sofort in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Seine Redezeit beträgt wunschgemäß 5 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


18.32

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister, es ist in der Tat ein begrüßenswerter Zustand, dass jetzt vermehrt Wirtschaftsgesetze im Justizministerium abgehandelt werden. Ich glaube, wir können alle sagen, dass wir, seitdem das der Fall ist, sehen, dass da doch ein weit besserer qualitativer Fortschritt zu erzielen ist als sonst. (Abg. Dr. Fekter: Er ist ein guter Justizminister!) Insofern darf ich den Damen und Herren des Justizministeriums, aber auch dem Herrn Minister herzlich gratulieren und den Damen und Herren des Ministeriums für diese doch sehr gute Arbeit danken. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ, bei den Freiheitlichen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Mag. Stoisits. – Abg. Dr. Fekter: Da müssen Sie vorsichtig sein, Herr Minis­ter, wenn er so anfängt! – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Danke, für das Glockenzeichen, Herr Präsident.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Das gilt nicht Ihnen, sondern der Abgeordneten Fekter, die zu Wort gemeldet ist und dann zwischenrufen kann. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (fortsetzend): Deshalb habe ich mich auch be­dankt dafür.

Die Familien- und Erbrechtsreform, die heute hier zur Diskussion steht, wird zu einem Großteil von uns mitgetragen. Es gibt allerdings einige Punkte, wo wir meinen, dass es eigentlich hätte klappen müssen, dass wir dort eine Verbesserung herbeiführen, aller­dings hat es nicht geklappt, und daher werden wir dort jeweils punktuell nicht zustim­men und in der dritten Lesung dann konsequenterweise auch nicht mitgehen.

Ich fasse im Folgenden kurz die Themen zusammen, wo wir der Meinung sind, dass wir doch weitere Fortschritte hätten erzielen können.

Das eine ist das Abstammungsrecht. Da ist aus unserer Sicht nicht wirklich verständ­lich, dass bei einem Streit um eine Abstammung zwar das Kind und der Vater eine sehr starke Stellung haben sollen, aber nicht die Kindesmutter, die ja letztlich eine der zentral Betroffenen ist. Wir hatten uns eigentlich vorgestellt, dass da eine gewisse Ein­sicht besteht und eine Gleichberechtigung in der Behandlung umgesetzt werden kann. Das hat leider Gottes nicht geklappt; vielleicht geht es ein andermal. Wir können dem aus diesen Gründen daher jedenfalls nicht zustimmen.

Was das Erbrecht betrifft, muss ich sagen, danke ich dafür, dass nun eine seit langem eigentlich untragbare Regelung abgeschafft worden ist. Ich muss im Nachhinein noch eine gewisse Kritik anhängen, weil die Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP doch sehr lange aus mir unerklärlichen Gründen – so mehr oder weniger nach dem Motto: Erbsünde muss Erbsünde bleiben – tatsächlich die Meinung aufrechterhielten, dass uneheliche Kinder gegenüber ehelichen Kindern im Erbrecht benachteiligt sein sollen. Ich glaube – (in Richtung der Abg. Mag. Wurm) Gisela, wir haben über das lange ge­sprochen –, dass das ein völlig unakzeptabler Zustand ist.


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Insofern, als mit der jetzigen Änderung einem Antrag von uns und letztlich eigentlich auch den Intentionen des Verfassungsgerichtshofes nachgekommen wird, freuen wir uns und gratulieren. Wir glauben eben nur, dass diese falsch verstandene Religiosität niemandem im Land geholfen hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Ansonsten wird zum Abstammungsrecht Kollege Puswald noch einige Ausführungen machen.

Ich glaube insgesamt, dass wir auch Themen wie zum Beispiel „Lebensgemeinschaf­ten“ offensiver angehen sollten, und wir haben auch hier gesagt, dass im Erbrecht die Gleichbehandlung von Lebensgemeinschaften – und damit meine ich natürlich sowohl die hetero- als auch die gleichgeschlechtliche – endlich weiterentwickelt werden sollte. Es ist auch das, soweit ich gesehen habe, vor allem an der ÖVP gescheitert. Wir be­finden uns eigentlich mit unserer Position in Europa ziemlich am Ende der Werteskala (Abg. Mag. Donnerbauer: Am oberen Ende der Werteskala!), und ich habe eigentlich noch nie jemanden gehört, der wirklich sachlich argumentieren konnte, warum all diese Unterschiede gerechtfertigt sein sollen.

Vielleicht gelingt es uns, dass wir uns in einem intellektuellen Wettstreit oder wie auch immer doch einmal mit dieser Thematik auseinander setzen und diese diskriminieren­den Aspekte abschaffen und dann das Gesetz so weiterentwickeln, wie wir glauben, dass es dann wirklich zukunftssicher wäre. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.36

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Dr. Fek­ter. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Sie sind am Wort, Frau Abgeordnete.

 


18.37

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Angesichts des bevorstehenden Pfingstwochenendes versuche ich, mich in meinen Ausführungen zu dieser Novelle kurz zu fassen. (Bravorufe bei der ÖVP.)

Durch die vorliegende Regierungsvorlage wird das Klagerecht des Kindes beim Ab­stammungsrecht geschaffen, es klagt nicht mehr der Staatsanwalt, sondern das Kind auf Feststellung der Abstammung. Neben dem Kind hat aber auch der als Vater gel­tende Ehemann das Recht, die Vaterschaft zu bestreiten.

Abgesehen davon, dass die Mutter als Vertreterin ihres minderjährigen Kindes auftritt, hat sie kein eigenständiges Bestreitungs- und Klagerecht. Das hat Kollege Jarolim soeben bedauert. Auch die Grünen wollen der Mutter ein selbständiges Klagerecht geben. – Wir sehen das nicht als gerechtfertigt an, und zwar aus folgenden Gründen: Es ist einerseits nicht notwendig, weil die Mutter das minderjährige Kind vertreten kann. Beim erwachsenen Kind soll die Mutter nicht plötzlich gegen den Willen des Kin­des und des Vaters eine Vaterschaftsklage beginnen können, etwa im Rahmen eines Rosenkrieges.

Der Mutter zuerst aber – weil diese Idee auch aufgetaucht ist – ein eigenständiges Klagerecht nur bis zur Großjährigkeit zu geben, dann aber der Mutter dieses Klage­recht wieder wegzunehmen, ist juristisch sachlich unkorrekt, und daher ist der sachlich korrekte juristische Weg, der Mutter als Vertreterin des Kindes bis zur Großjährigkeit eben die Klagslegitimation zu geben. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.)

Zweitens haben wir die Erwachsenenadoption erschwert. Da wollen wir Missbrauch bekämpfen. Wir stellen auf das Recht des Heimatlandes dessen ab, der adoptiert wer­den soll. Wenn dort eine Erwachsenenadoption bekannt und erlaubt ist, dann ist es auch bei uns möglich. Wenn das im Heimatland dessen, der adoptiert werden soll, nicht erlaubt ist, dann kann er auch nicht zu uns kommen und sich hier adoptieren las­sen.


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Beim dritten Punkt geht es um die Novellierung des mündlichen Testaments. Wir ma­chen dies zu einem echten Nottestament für Notfälle, wenn man nicht in der Lage ist, schriftlich zu testieren. Es ist aber dann befristet und verliert seine Gültigkeit. Man muss also, wenn die akute Gefahr oder das Hindernis, auf Grund dessen man nicht schriftlich testieren kann, vorbei ist, dann binnen drei Monaten schriftlich das Testa­ment nachholen. Auch damit wollen wir Missbrauch hintanhalten, der immer wieder vorgekommen ist.

Der vierte Punkt: In Erfüllung der Regierungsvorlage soll das Erbrecht von Neffen und Nichten zugunsten des überlebenden Ehegatten beschränkt werden. Das heißt: Bei einem kinderlosen Ehepaar gibt es bereits gesellschaftlich einen großen Konsens, dass im Erbfall die Position des überlebenden Partners gegenüber der Großfamilie gestärkt werden soll, und dem tragen wir Rechnung.

In der Praxis bedeutet dies Folgendes: Überlebt beispielsweise die Ehegattin ihren Mann, bekommt sie neben den Kindern ein Drittel. Wenn der Mann keine Kinder hat, aber Geschwister und Eltern – vielleicht sind auch noch Großeltern vorhanden –, be­kommt die Gattin zwei Drittel. Wenn aber auch die Geschwister und die Eltern des Erb­lassers nicht mehr leben, dann sollen nun nicht mehr auch die Nichten und Neffen etwas bekommen, sondern alles die Ehegattin, sprich der Ehepartner. Ich glaube, das ist in der heutigen Zeit gerechtfertigt.

Diese Novellierungswünsche standen zum Teil schon im Regierungsübereinkommen. Das Ressort hat sie hervorragend vorbereitet. Ich bedanke mich dafür! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim – in Richtung ÖVP und Freiheitliche –: Was haben Sie gegen Nichten und Neffen, Kollegen?)

18.41

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Wunschredezeit: 8 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.41

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir verhandeln jetzt kumuliert einige Tagesordnungspunkte, die aber – und es ist ein bisschen ärgerlich, dass man in der Präsidiale zu solchen Lösungen kommt – überhaupt nichts miteinander zu tun ha­ben. Was der Strafvollzug mit dem Erbrecht zu tun hat und warum wir das alles ge­meinsam diskutieren, ist mir nicht ganz erklärlich. (Abg. Neudeck: Wir sind aber flexi­bel, Frau Kollegin!) Dann auch noch nur Zwei- oder Drei-Minuten-Statements darüber halten zu sollen, entspricht nicht der Art und Weise, wie sich der Justizausschuss im Detail mit diesen Dingen auseinander setzt.

Die Sitzung des Justizausschusses, Herr Präsident, die sich mit diesen Punkten be­schäftigt hat, hat um 14 Uhr begonnen und ist um 18.30 Uhr beendet worden – nur damit Sie sehen, dass das durchaus ein schwergewichtiges Programm war und es da um schwergewichtige Punkte geht. Der Herr Bundesminister rechts von mir nickt! (Abg. Neudeck: Wir sind ja keine Wiederkäuer!)

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Neudeck, Sie wissen, dass es da nicht nur um die Information der Kolleginnen und Kollegen geht, sondern auch darum, dass man nachvollziehen können soll, wie Gesetze entstehen, warum sie welche Mehrheiten finden. (Abg. Mag. Mainoni: Protokoll!) – Ausschussberichte bringen das wirklich nicht zum Ausdruck, weil sie keine Wortprotokolle sind oder auch nur annähernd eine Zu­sammenfassung der verschiedenen Positionen enthalten. (Abg. Neudeck: Aber wir sind ja flexibel!) Genau das allerdings garantiert das Stenographische Protokoll! In­sofern sind parlamentarische Debatten über Gesetze sehr wesentlich, damit die Wis-


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senschaft, die Rechtsanwender und letztlich auch alle Bürgerinnen und Bürger den Willen des Gesetzgebers nachvollziehen können.

Daher bin ich bei wichtigen Gesetzen gegen jede Form von Hudelei in parlamentari­schen Debatten! Herr Präsident, ich hoffe, Sie haben da gelauscht. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Präsident, dass die Opposition drei Stunden damit verbringen muss, dass die Re­gierung eine Dringliche Anfrage an sich selbst stellt, und dass es dann, wenn das vor­bei ist, heißt, dass das Pfingstwochenende naht, das spricht – Entschuldigung, aber ich muss das so sagen – eine deutliche Sprache! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Mainoni: ... morgen noch ein Arbeitstag!)

Ich habe theoretisch 20 Minuten Zeit, will aber nur 8 verwenden und jene Punkte her­vorstreichen, denen wir nicht zustimmen. Diese sind nämlich die Minderzahl. Einen Großteil der Ergebnisse tragen die Grünen sehr gerne mit. Ich wiederhole hier nichts davon, weil sowohl Jarolim also auch Fekter – um das jetzt rein sprachlich zu verkür­zen, ich will nicht unhöflich sein – das schon vorgetragen haben.

Zu jenen Punkten, die nicht unsere Zustimmung finden:

Abstammungsrecht, die Frage der Stellung der Kindesmutter. – Da muss ich, Frau Vorsitzende Fekter, schon deutlich darauf hinweisen, dass es dazu im Begutachtungs­verfahren genau von jenen, die in diesem sehr formalen Rahmen eine Interessenver­tretung der Frauen und damit Mütter darstellen, Stellungnahmen gab, wie etwa vom Frauenministerium, in welchen ein gänzlich anderer Standpunkt eingenommen wurde als der, der jetzt, wie zu erwarten war, mit Regierungsmehrheit beschlossen werden wird. (Zwischenruf der Abg. Stadlbauer.) – Das ist der eine wesentliche Punkt.

Der zweite wesentliche Punkt ist eine doch sehr gravierende Änderung bei der Er­wachsenenadoption. Warum lehnen die Grünen diese Bestimmung in der Form, wie sie vorliegt, ab? – Weil sie – und man muss das Kind wirklich beim Namen nennen – ZuwanderInnen diskriminiert!

Dass damit die Erwachsenenadoption erschwert wird, das ist nicht der wesentliche Punkt, sondern der wesentliche Punkt ist, dass ZuwanderInnen, also Menschen, die in Österreich den Mittelpunkt ihres Lebens, aber nicht die österreichische Staatsbürger­schaft haben, jetzt auch durch diese Bestimmungen, die wir mit dem Internationalen Privatrecht einführen, schlicht und einfach diskriminiert werden, weil sie dadurch eine andere Stellung erhalten als jemand, der die österreichische Staatsbürgerschaft hat, da nicht darauf abgestellt wird, wo man seinen Lebensmittelpunkt hat.

Ich verschweige mich nicht und verheimliche damit auch nicht den Standpunkt der Grünen. Wir haben einen Standpunkt, den auch die Richtervereinigung im Begutach­tungsverfahren vertreten hat, und diesen Standpunkt haben wir schon immer vertreten. Ich möchte Ihnen das jetzt vorlesen, damit Sie sehen, worum es dabei geht.

Die Richter und Richterinnen – und das ist, Herr Minister, Ihr Hauptargument dafür gewesen, warum Sie diesen „Missbrauch“ in diesem Bereich bekämpfen wollen, war­um Sie auf diesen „Missbrauch“ auch hingewiesen und gesagt haben, so wie das zur­zeit geregelt sei, führe es zu Problemen, weil die Zahlen so rapide gestiegen seien; Sie haben uns in der letzten Woche die Zahlen in der Ausschusssitzung genannt –, also die Richter und Richterinnen, die ja wohl den besten Überblick darüber haben, wie die entsprechenden Paragraphen des ABGB zur Erwachsenenadoption angewendet wer­den, haben im Begutachtungsverfahren geschrieben, die Erwachsenenadoption solle zur Gänge abgeschafft werden.


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Ausschlaggebend dafür war nicht nur der Umstand, dass auch andere Staaten dieses Rechtsinstitut zwischen Erwachsenen nicht oder nicht mehr kennen – das heißt, inzwi­schen abgeschafft haben –, sondern dass auch für Österreich kein echter Bedarf mehr gesehen werden kann, da in aller Regel – und das ist jetzt der wichtigste Punkt, ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen – die mit der Adoption angestrebten Zwecke auch durch andere Rechtsinstitute erreicht werden können.

Das ist für mich der Punkt! Es gibt so etwas wie einen Bedarf nach Adoption bis hin dazu, dass man die Erbschaftsteuer sozusagen anders gestalten kann, wenn man plötzlich einen Erwachsenen zu seinem Kind macht. Ohne dass ich das jetzt als Miss­brauch bezeichnen möchte, ist es nun einmal eine Tatsache, dass es so ist. Es gibt natürlich auch die Motivation – und das kommt sehr oft aus dem bäuerlichen Stand –, dass es um die Höfe geht und um ähnliche Fragen. Aber selbst das, Herr Bundesmi­nister, geschätzte Damen und Herren, könnte durch andere Rechtsinstitute zur Zufrie­denheit der Rechtskonsumenten, wenn Sie so wollen, geregelt werden. – Das drückt die Richtervereinigung in ihrer Stellungnahme aus, und das ist auch unsere Meinung.

Jetzt komme ich zu einem Punkt, den wir heute schon im Rahmen der Fragestunde erörtert haben, Herr Minister: Wie schaut es aus mit der Arbeit, die dadurch auf die Gerichte, auf die Richterinnen und Richter, neu zukommt? Die RichterInnen haben punktgenau erkannt, dass diese Novelle, wie sie jetzt wahrscheinlich beschlossen wird – und zwar in der Form, dass Dauer und Intensität des Zusammenlebens der Ver­tragsparteien zu überprüfen sein werden und all die Differenzierungen, die es da gibt –, eine Mehrbelastung für die Richterinnen und Richter zur Folge haben wird!

Wie wir seit heute in der Früh wissen, ist es eine Tatsache, dass jetzt schon jedenfalls mehr als 70 Richterposten fehlen – die Frage war, ob es 87 Posten oder doch 76 sind und wie sich das auswirken wird. Deshalb, Herr Minister, ist auch das ein wichtiger Gesichtspunkt, der ZuwanderInnen diskriminiert. In meinen Augen ist diese Art von Missstandsbekämpfung schlicht und einfach nicht kreativ; es ist einfach eine Holz­hammermethode, die jetzt hier angewandt wird. Deshalb lehnen wir das ab! (Beifall bei den Grünen.)

Zuletzt noch zu den Tagesordnungspunkten 7 und 8 – Kollegin Lunacek wird ja im Zu­sammenhang mit dem Erbrecht noch einmal auf die Diskriminierung von Lebensge­meinschaften eingehen –: Wir lehnen die Organisation des Bezirksgerichtes Graz ab, weil wir konsequent sind, Herr Bundesminister.

Sie haben durch die Zerschlagung und Auflösung des Jugendgerichtshofes Wien quasi den Boden dafür aufbereitet, dass wir jetzt immer wieder Organisationsänderungen haben. Die Krise im Grauen Haus, die Überbelegung und diese ganze Situation spre­chen für sich und zeigen, wie falsch diese Entscheidung war.

Jetzt planen Sie, ein Gericht zu bauen – aber nicht für Jugendliche, sondern insgesamt gehen Sie sozusagen nach der Devise vor: Häfen baut man, um sie zu füllen, statt die Kriminalität zu bekämpfen, damit wir keine Häfen brauchen! (Abg. Neudeck: Die Häfen sind voll, deshalb brauchen wir zusätzliche!)

Deshalb sind wir konsequent und lehnen auch diesen Tagesordnungspunkt ab. – Danke für die Aufmerksamkeit.

Die restlichen Punkte werden noch von meinen KollegInnen angesprochen werden. (Beifall bei den Grünen.)

18.50

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. 3 Minuten Wunschredezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 



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18.50

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Schein­adoption beziehungsweise Erwachsenenadoption, das heute ansteht, wurde von Frau Kollegin Stoisits doch etwas anders dargestellt, als es tatsächlich ist.

Es ist eine Reform notwendig, das ist unstrittig, insbesondere auch wegen der explo­dierenden Zahl der Anträge auf Adoptionen. Was die Zahlen angeht, so waren es im Jahr 2000 1 146 Anträge, im Jahr 2001 2 086 Anträge, im Jahr 2002 schließlich schon 3 538 Anträge und jetzt, im ersten Quartal 2004, sind es bereits 1 866 Anträge. Der überwiegende Teil davon, meine Damen und Herren, mehr als Hälfte dieser Anträge sind Anträge auf Erwachsenenadoption!

Wir Freiheitlichen waren ursprünglich der Ansicht, dass es da zu einer gänzlichen Ab­schaffung kommen sollte. Das entspricht auch europäischem Rechtsstandard. Die Be­denken unseres Koalitionspartners sind aber nachvollziehbar und auch verständlich, dass es nämlich insbesondere im bäuerlichen Bereich, vor allem wegen der Fälle von Erbhofübergabe, aber auch der Übergabe von Betrieben in der weiteren Verwandt­schaft, doch noch notwendig ist, eine differenzierte Regelung zu treffen.

Diese differenzierte Regelung sieht nunmehr so aus, dass zum Beispiel eine vorherge­hende 5-jährige Gemeinschaft im selben Haushalt eine derartige Adoption begründen kann – also das geschieht durchaus sinnvoll differenzierend und sicherlich nicht mit dem Holzhammer.

Eine weitere wichtige Änderung im Erbrecht ist im Zusammenhang mit dem Eherecht notwendig geworden. Die Ehefrau soll in bestimmten Fällen in Zukunft begünstigt wer­den. Kollegin Fekter ist bereits in einem Beispiel darauf eingegangen, und zwar: Der Ehemann stirbt, es gibt keine Kinder, sehr wohl aber Kinder von den Geschwistern des Ehemannes, somit Nichten und Neffen, Letztere sind bisher neben der Ehefrau haupt­sächlich begünstigt worden, nunmehr geht vernünftigerweise, logischerweise die Ehe­frau vor.

Eine dritte Neuerung, auf die ich noch eingehen möchte, ist die betreffend das mündli­che Testament. Auch das ist ein Angleichen an den europäischen Standard, es gibt nur mehr in Ungarn ein derartiges mündliches Testament. Richter und Notare haben sich in der Begutachtung vor allem wegen der schlechten Erfahrungen durch häufigen Missbrauch dagegen ausgesprochen.

In Zukunft wird es in Österreich dieses mündliche Testament nur mehr im Notfall, das heißt bis maximal drei Monate nach Wegfall eines Anlassfalles, geben. Das heißt, das klassische Beispiel des in der Bergwand oder im Rettungsboot ausgesprochenen mündlichen Testaments gilt dann tatsächlich nur mehr drei Monate nach dem Anlass­fall. – Danke vielmals. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.53

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Frau Kollegin, ich erteile Ihnen das Wort.

 


18.54

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Novellierung des Abstammungsrechtes ist eine schon längst fällige Reform, eine Anpassung an geänderte Verhältnisse. Der Übergang vom streitigen zum außerstreitigen Verfahren ist von uns von der SPÖ ge­wünscht und als positiv anzusehen.

Den Parteien werden im Außerstreitverfahren Kosten und Mühen erspart. Das Verfah­ren wird beschleunigt, und Rechtssicherheit kann schneller hergestellt werden. Auch


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wird damit dem bereits am 1. Juli 2001 in Kraft getretenen Kindschaftsrechtsände­rungsgesetz entsprochen und die bisher so beschwerliche Ehelichkeitsbestreitungskla­ge obsolet. Es ist also höchste Zeit, im Abstammungsrecht neue Wege zu beschreiten.

Was mich aber kränkt in diesem Zusammenhang, das ist das, was Sie aus einer sol­chen Chance machen, nämlich: Frauen, die Kindesmütter sind, wird ein eigenständiges Antragsrecht auf Vaterschaftsfeststellung verweigert! Das ist eine Schande, sehr ge­ehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Damit wird eine ganze Bevölkerungsgruppe von einem Rechtsverfahren ausgeschlos­sen, und das ist nicht nur eine grobe Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, sondern auch eine Verletzung des Rechts auf richterliches Gehör, und das ist nicht tolerierbar! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Ich frage Sie, Herr Bundesminister: Hat eine Frau und Mutter etwa kein Rechtsinteres­se an der Feststellung der Vaterschaft ihres Kindes? Das können Sie doch nicht ernst meinen! Da geht es doch neben einem abgeleiteten Recht auch um ein Frauenrecht, und selbstverständlich muss das ein rechtliches Interesse sein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Na ja!)

Die Mutter, Herr Neudeck, hat im vorliegenden Gesetzentwurf weder das Antragsrecht auf Vaterschaftsfeststellung noch das Antragsrecht auf Feststellung der Nicht-Abstam­mung vom Ehemann. In beiden Fällen kann laut § 156 und § 163 ABGB ein Antrag auf Feststellung lediglich vom Kind gegen den Mann und vom Mann gegen das Kind gestellt werden.

Das hat mit der jetzigen Gesellschaft, dass die Frauen gleiche Rechte haben sollen, nichts mehr zu tun! Das ist ein Rückschritt! Das ist der Rückfall ins 19. Jahrhundert, das ist der Rückfall ins Patriarchat! Das ist frauenpolitische Steinzeit, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Das ist ja Unsinn! – Abg. Neudeck: Solange es minderjährig ist, geht es, Frau Kollegin!)

Es ist durch dieses Gesetz jetzt Faktum, dass nahezu die Hälfte der Bevölkerung, nämlich die Frauen, denn die können Kinder bekommen, aus einem Rechtsverfahren von einem selbständigen Antrag ausgeschlossen werden kann. Ich finde es tragisch, dass man bei der Novellierung des Abstammungsgesetzes nicht auch den letzten Schritt gemacht hat. Das ist eine traurige Geschichte, das sei noch einmal gesagt.

Dass dem Initiativantrag Jarolim, Maier Rechnung in Bezug auf das Erbrecht getragen wurde, ist löblich, dafür sei Ihnen, Herr Bundesminister, sehr geehrte Damen und Her­ren von der Beamtenschaft, Dank ausgesprochen! Andererseits ist es aber traurig, dass der Forderung, auch andere Lebensformen als die Ehe, nämlich Lebensgemein­schaften – seien sie gleichgeschlechtlich oder heterosexuell –, in die Änderungen im Erbrecht miteinzubeziehen, nicht entsprochen wurde!

Auch da: reaktionäre, erzkonservative Politik! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rädler: Gott sei Dank!)

18.58

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer 3 Minuten zu uns. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort.

 


18.58

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte vor allem auf zwei Irrtümer, würde ich sagen, der sozialdemokratischen Fraktion näher eingehen.

Der eine Punkt betrifft das, was Frau Abgeordnete Wurm soeben wieder sehr heftig und in großer Empörung, so wie auch schon im Justizausschuss, verlangt hat, nämlich


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die selbständige Antragsbefugnis der Kindesmutter. – Auch wenn Sie es noch so heftig vortragen, Frau Wurm, so können diese Argumente doch in keiner Weise überzeugen. Ich habe auch kein wirklich stichhältiges Argument, das dafür sprechen würde, gehört. Es kam immer wieder nur das Argument, dass die Mutter eben Mutter ist und dass die Frau eben Frau ist und dass es daher so sein soll! (Abg. Mag. Wurm: Rechtliches Interesse!)

Ich empfehle das, was Kollege Jarolim in einem anderen Zusammenhang gemeint hat, nämlich einen intellektuellen Wettstreit zu beginnen: Vielleicht überlegen Sie sich wirk­lich einmal, worin das Argument bestehen soll, Frau Kollegin Wurm!

Wir haben das ja schon im Justizausschuss sehr eingehend diskutiert. Es gibt rechtli­che Konsequenzen für das Verhältnis zwischen Kindesvater und Kind, aber keine rechtlichen Konsequenzen für die Mutter. Das zum Ersten! Daher wäre es völlig sys­temwidrig, wenn man jemandem, der rechtlich in gar keiner Form beteiligt ist und für den es dadurch auch keine rechtlichen Konsequenzen zu tragen gibt, plötzlich ein selb­ständiges Antragsrecht gegen diejenigen, die sehr wohl rechtliche Interessen haben und die auch die rechtliche Konsequenzen zu tragen haben, einräumen würde.

Nur deshalb, weil man eine Frau ist ... (Abg. Stadlbauer: Hat man kein Recht!) Der Umstand, dass man eine Frau ist, bedeutet nicht, dass man deswegen in allen Verfah­ren in Österreich ein selbständiges Antragsrecht bekommen soll. (Abg. Stadlbauer: Das ist aber eine spannende Aussage!) – Das ist eine ganz klare Aussage. Das ist weder für Frauen noch für Männer so! Ganz klar! Es gibt kein Argument dafür, und Sie konnten auch heute kein Argument dafür finden.

Frau Kollegin Wurm! Diesen Irrtum will ich bereinigen. Ihre Behauptung, damit seien Frauen vom Verfahren ausgeschlossen, stimmt einfach nicht! (Abg. Mag. Wurm: Doch!)

Die Frau, die Mutter hat Parteienstellung in diesem Verfahren (Abg. Mag. Wurm: Aber kein eigenständiges ...!), aber sie kann nicht gegen den Willen derjenigen, die rechtlich betroffen sind, das Verfahren in Gang bringen, und das ist auch gut so. Das konnten Sie weder im Justizausschuss noch heute mit einem wirklich nachvollziehbaren Argu­ment begründen. (Abg. Mag. Wurm: Sie wollen es nicht begreifen! Sie denken mit Männerhirn!)

Das ergibt sich auch aus der historischen Betrachtung. Denken Sie zurück! Wie war das im Bereich der Unehelichkeit, der unehelichen Kinder? Auch sozialistische Justiz­minister – gerade auch Minister Broda als Urbild eines sozialistischen Ministers – ha­ben es nicht für notwenig befunden, dass Mütter für uneheliche Kinder eine eigenstän­dige Klagebefugnis bekommen. – Das hat es nie gegeben, auch in der Vergangenheit nicht! (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Das ist auch heute nicht begründbar. Wenn Sie es auch noch so heftig vortragen, Frau Abgeordnete Wurm, uns hier auch noch so heftig etwas vorspielen wollen – es ist nicht begründbar!

Zweitens möchte ich zum Kollegen Jarolim ganz kurz zwei Sätze sagen. Er hat ge­meint, was die Gleichstellung von der Lebensgemeinschaft mit der Ehe betrifft, befän­den wir uns am Ende einer Werteskala. – Ja, sage ich dazu, aber am oberen Ende einer europäischen Werteskala, und das ist gut so.

Es wird immer so hingestellt, als würden Lebensgemeinschaften gegenüber der Ehe diskriminiert werden. Das ist nicht der Fall. Lebensgemeinschaften sind Lebensge­meinschaften, was aber privilegiert ist, und das aus gutem Grund – da sind wir auch nach wie vor dafür –, ist die Ehe als besondere Form dieser Lebensgemeinschaft. Die


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Ehe hat nicht nur Rechte, sondern sie hat Rechte und Pflichten, und für diese Rechte und Pflichten entscheiden sich die Partner – oder sie entscheiden sich nicht.

Diese Entscheidung sollen wir den Betreffenden überlassen und nicht immer so tun, als würden andere diskriminiert werden. Das ist einfach nicht der Fall! Ein Institut ist aus guten Gründen und aus historischen Gründen privilegiert. Dieses Institut wollen wir auch erhalten, und diesbezüglich befinden wir uns unserer Ansicht nach am oberen Ende dieser Werteskala und nicht irgendwo anders. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

19.02

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


19.02

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Da­men und Herren! Ein Aspekt ist in der Diskussion über diese teilweise sehr wichtigen Justizpunkte noch zu kurz geraten. Wir müssen aus prinzipiellen Gründen den Tages­ordnungspunkt 8 negativ behandeln, das heißt, ablehnen. Es geht dabei um das sozu­sagen befristete Gesetz, dass Untersuchungshäftlinge vorübergehend in Strafvollzugs­anstalten einquartiert werden können.

Wir sehen diese Übergangslösung, die Sie jetzt wieder befristet in Kraft setzen wollen, vom Praktischen her durchaus als Notnagel an, aber dieser Notnagel verhindert – und das wäre unser eigentliches Anliegen –, dass wir generell Reformen betreffend die Untersuchungshaft vornehmen, und verhindert auch, dass wir bedingte Entlassungen vorantreiben.

Deshalb unser prinzipieller Standpunkt, unsere Ablehnung zu diesem Tagesordnungs­punkt.

Alles andere hat bereits meine Kollegin ausführlich begründet. Unser Abstimmungs­verhalten ist klar. – Ich schenke Ihnen meine restliche Redezeit für die Heimfahrt. (Bei­fall bei den Grünen, der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.03

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hütl. – Bitte.

 


19.03

Abgeordneter Dipl.-Ing. Günther Hütl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine der jetzt in Verhandlung stehenden Vorlagen regelt die Rechtsnachfolge in Abstammungsangelegenheiten da­hin gehend, dass jetzt nicht nur dem Mann, sondern auch dem Kind das Recht zusteht, die Feststellung zu beantragen, dass das Kind nicht vom Ehemann der Mutter ab­stammt.

Das österreichische System des Abstammungsrechtes geht ja vom Prinzip der sozia­len Abstammung aus. Anerkennt ein Mann seine Vaterschaft zu einem unehelichen Kind, so wird er dadurch zum Vater. Es gibt keine Kontrolle der Richtigkeit von Amts wegen. Dem Schutz der sozialen Familien kommt dadurch größeres Gewicht zu als dem Interesse an der Feststellung der biologischen Abstammung. Dennoch dient diese neue Vorlage vor allem den Interessen des Kindes, dass tatsächlich der genetische Vater festgestellt wird.

Durch diese Vorlage wird nun auch anerkennungswilligen unehelichen Vätern ein Ge­richtsverfahren eröffnet, durch eine DNS-Genanalyse Sicherheit über ihre mögliche Vaterschaft zu erhalten. Die Praxis erwartet sich auf jeden Fall einen Anstieg von Ge-


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richtsverfahren. Schätzungsweise werden in Österreich schon jetzt über 2 500 derar­tige Gutachten erstellt. Interessant ist natürlich die Frage, die oft gestellt wird – eine durchaus ernste Frage von großer Tragweite –: Ist das nun mein Kind oder nicht?, denn etwa 10 Prozent aller in einer Ehe geborenen Kinder sind nicht vom Ehemann.

Ich danke Herrn Bundesminister Böhmdorfer, all seinen Mitarbeitern und den Mitarbei­tern im Justizministerium für diese Vorlage. Dadurch wird auch den Forderungen der Praktiker Rechnung getragen und eine verfassungskonforme, praktikable und ausge­wogene Lösung gefunden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.05

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte.

 


19.05

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Aktuelles ist über den Bau neuer Gebäude des Justizministeriums zu lesen. Da ist man offenbar bereit, Millionen Euro für Prestigeobjekte hinauszuschmeißen, die nicht notwendig sind. – Das sagt jetzt nicht ein wild gewordener Oppositionspolitiker, sondern das sagen die Richter im Zusammenhang mit Wien; ich habe mir erlaubt, die Situation in Graz zu kritisieren. Aber der Herr Minister weist diese Vorwürfe zurück.

Noch ein Wort zu Wien, Stichwort Riemergasse, meine Damen und Herren! Finanzmi­nister Grasser hat mir am Mittwoch, den 10. Dezember 2003, in einem Ausschuss, was Herrn Plech und die 607 000 €, die er als Vermittlungsprovision bekommen haben soll, betrifft, gesagt: Ich bitte, den Justizminister zu fragen. – Ein wörtliches Zitat von Herrn Grasser. Für den Justizminister kann ich nicht verantwortlich zeichnen, hat er gemeint.

Die Kosten betreffend, Herr Minister – ich habe Ihnen das vorgeworfen in der Darstel­lung für die Gerichte in Graz –, führen Sie ja nur Einrichtungs- und Ausstattungskosten an. Ich vermisse die Baukosten. Bis zu 15 Millionen € wird das ausmachen, und ich sehe da eine Verletzung des § 14 Bundeshaushaltsgesetz – wie schon öfter. Der Rechnungshof kritisierte schon, dass im Justizministerium der Kalkulationspflicht öfter nicht ausreichend entsprochen wird.

Ein Letztes: Der Alternativvorschlag der SPÖ zu dem Prestigebau in Graz, meine Da­men und Herren, ist 10 Millionen € kostengünstiger, bringt eine Verkehrsentlastung für den Großraum Graz und ist, was die Erreichbarkeit und Gratisparkplätze betrifft, bevöl­kerungsfreundlich. Der einzige Einwand, Herr Minister, den Sie im Ausschuss gebracht haben, war: 53 000 Einwohner, das ist zu wenig! Erstens stimmt das nicht, es sind 65 000, und zweitens haben wir in Österreich durchschnittlich 54 000 Einwohner pro Bezirksgericht.

Ihr einziges Argument greift nicht, Herr Minister, und daher unser Rückverweisungs­antrag. Nützen auch Sie die Chance, Kollege Miedl, noch einmal darüber nachzuden­ken. Sie tun den Leuten in Graz nichts Gutes mit diesem Gesetzesbeschluss. (Beifall bei der SPÖ.)

19.07

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Brinek. – Bitte.

 


19.08

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Kollegin Lunacek hat einen Entschließungsantrag angekündigt; wir haben uns damit auch schon im Ausschuss beschäftigt. In Vorwegnahme Ihres Anlie-


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gens möchte ich Ihnen sagen, dass wir keine besondere Veranlassung sehen, eine erbrechtliche Begünstigung von Lebensgemeinschaften vorzusehen.

Der Begriff „Lebensgemeinschaft“ ist für uns ein nicht wirklich geklärter oder schwer klärbarer. Wo liegt etwa die Schnittstelle zur Freundschaft, zur eingetragenen Lebens­gemeinschaft? Ist das so eine Art Ehe zweiter oder dritter Klasse? – Ich sehe dahinter eine gewisse Absicht, eine Rosinentheorie zu verfolgen: Das Gute hole ich mir recht­lich heraus, die weiteren Verpflichtungen, die noch mit Ehe und Eheschließung ver­bunden sind, gehen mich nichts an.

Ich denke, auch im Namen meiner Fraktion sagen zu können, dass die Institution der Ehe mit ihrer besonderen Berechtigung, aber auch mit ihrer besonderen Verpflichtung, die die Ehepartner eingehen, diese erbrechtliche Berücksichtigung rechtfertigt. Nicht gerechtfertigt wäre sie für Lebensgemeinschaften, Lebensabschnittspartnerschaften, Single-Life-Unterbrechungen oder wie immer diese neumodisch soziologischen For­men des Zusammenlebens heißen.

Die besondere Verantwortung, die besondere Verpflichtung, die besondere Publizität der Institution der Ehe berechtigen zu diesen erbrechtlichen Sonderstellungen. Alles andere kann testamentarisch verfügt werden. Ich sehe keine besondere Veranlassung, weiter darüber nachzudenken, zumal wir ja auch gestern durch das erweiterte Gleich­behandlungsgesetz und Antidiskriminierungsmaßnahmen jede Form der Diskriminie­rung oder sonstige Art der Schlechterstellung von anderen Formen als der Ehe besei­tigt oder verhindert oder ahndbar gemacht haben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.10

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

 


19.10

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Brinek hat ja schon vorweggenommen, welche Hal­tung die ÖVP zu meinem Antrag, den ich jetzt einbringen werde, hat. Ich muss geste­hen, ich habe ohnehin befürchtet, dass das wahrscheinlich nicht anders sein wird, habe mir aber dennoch gedacht, vielleicht könnten Sie sich zumindest auf das Wort „prüfen“ in diesem Antrag einlassen. Das heißt ja noch nicht, dass Sie dann ein Gesetz in diese Richtung beschließen müssen. Aber nicht einmal prüfen wollen Sie den Sach­verhalt anscheinend!

Lassen Sie mich noch einmal klarstellen Worum geht es jetzt eigentlich? Herr Kollege Donnerbauer hat ja vorhin gemeint, dass es schon ganz gut und richtig ist, dass die Ehe privilegiert wird, und zwar aus „guten“ und „historischen Gründen“, wie er meinte. Kollege Donnerbauer hat leider nicht ausgeführt, was daran „gut“ und was „historisch“ ist. Und: Dass historisch gleich gut ist, wage ich wohl sehr zu bezweifeln! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die historischen Gründe für die Ehe, Frau Kollegin Brinek, Frau Kollegin Fekter, Frau Kollegin Steibl, die Sie doch immer auch einen frauenpolitischen Aspekt hier herein­bringen (Abg. Steibl: Ja, so ist es!), die historischen Privilegien der Ehe waren für die Frauen nicht wirklich günstig; noch nie – und sind es auch heute noch nicht. (Abg. Steibl: Das verteidigen wir auch nicht!) – Dann sagen Sie das bitte Ihrem Kollegen Donnerbauer, der gemeint hat, dass die Ehe aus „guten“ und „historischen Gründen“ privilegiert ist! Klären Sie Ihre eigenen Kollegen auf, dann werden die das vielleicht in Zukunft nicht mehr sagen!


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Die Gründe also sind „historisch“, das sehen wir ein, „gut“ sind diese Gründe deswe­gen jedoch noch lange nicht. (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek.)

Frau Kollegin Brinek, Sie haben weiters ausgeführt – schon etwas spezifischer –, „Le­bensgemeinschaften“, das sei irgendwie schwieriger zu erklären, diese ganzen neu-soziologischen Begriffe wie „eingetragene Partnerschaften“ und so weiter, und dann haben Sie noch dazu gemeint, das sei nur so eine Rosinentheorie. – Ich habe nicht gewusst: Meinen Sie das jetzt für die heterosexuellen oder die gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften? Wie auch immer: Die gleichgeschlechtlichen gibt es ja laut Gesetz noch nicht einmal.

Sie, Kollegin Brinek, meinten, die wollen sich alle nur die Rosinen herauspicken. – Wo­her wissen Sie denn das? Wissen Sie nicht, dass auch die lesbischen und schwulen Paare nicht nur darauf aus sind, gewisse Rechte und Möglichkeiten zu haben, sondern sehr wohl bereit sind, auch Verantwortung füreinander zu übernehmen?! Gerade bei Ihnen, Frau Kollegin Brinek, hätte ich mir schon gedacht, dass Ihnen das bekannt und bewusst ist. – Jetzt hier zu sagen, die wollen sich nur die Rosinen herauspicken, sonst gar nichts, die wollen keine Verpflichtungen eingehen, das wundert mich bei Ihnen schon, denn Sie wissen doch ganz genau, dass das nicht stimmt.

Um zu dem zu kommen, worum es mir eigentlich geht: Im Erbrecht sind weiterhin nur verheiratete Paare voneinander erbberechtigt. Jetzt ist es natürlich so, dass verschie­dene Menschen unterschiedliche Lebensentwürfe haben: Es gibt Frauen, die sich in Frauen verlieben, Männer, die sich in Männer verlieben. Das ist ja mittlerweile bekannt, auch wenn Sie von der ÖVP das nicht mögen: Es ist so – und das war immer schon so.

Wenn diese Paare nun über Jahre, ja über Jahrzehnte zusammenleben, dann kommt es eben vor, dass eine/einer der beiden stirbt. Natürlich können sie zu einem No­tar/einer Notarin gehen und sagen: Ich möchte, dass X oder Y von mir erbt! Jedoch kostet das a) um vieles mehr, als das bei verheirateten Ehepaaren der Fall ist. Das kostet erheblich mehr, und das ist unter Gleichbehandlung, unter Gleichberechtigung nicht zu verstehen! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Man kann ja ein Testament machen!) Und b) ist es so, dass das für diese Paare, wenn sie ein Testament machen und das hineinschreiben, immer noch heißt, dass sie bei der Erbschaftssteuer in Klasse V ein­gestuft sind. Das ist nämlich die teuerste Klasse, die gilt für Fremde, für Leute, die nichts miteinander zu tun haben, während Eheleute eben in Steuerklasse I sind. (Zwi­schenruf bei der ÖVP.)

Genauso ist es bei der Schenkungssteuer, die für Ehepaare sehr wenig ausmacht. – Das ist nicht Gleichbehandlung, sondern Diskriminierung im finanziellen Bereich! Das heißt, es kostet einfach um vieles mehr, auch wenn ich mit diesem Menschen um vieles länger zusammengelebt habe als ein Ehepaar, das vielleicht gerade erst ein Jahr lang miteinander verheiratet war. Nochmals: Das ist nicht Gleichbehandlung, sondern Diskriminierung, sehr geehrte Frau Kollegin Brinek, und das können Sie nicht mit Ihrer Rosinentheorie oder mit sonst irgendetwas abschwächen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Unser Antrag, der ja in einer anderen Form schon im Ausschuss war, wurde dort ver­tagt, und zwar mit einer etwas fadenscheinigen Begründung; da stand nämlich auch noch das Mietrecht drinnen, worüber übrigens inzwischen ein Gerichtsentscheid da ist. Der Punkt ist im heutigen Antrag nicht mehr drinnen. – Ihre Begründung im Ausschuss war jedenfalls schon etwas fadenscheinig, nämlich zu sagen, da müsse man zuerst die Friedenskronenzins-Regelung ändern, erst dann wird das weiter behandelt werden, und deswegen wird eben der ganze Antrag der Grünen vertagt. (Abg. Dr. Fekter: Das stimmt ja nicht!)


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Frau Kollegin Fekter! Sehr geehrte Damen und Herren von den Koalitionsparteien! Das ist nicht die Art und Weise, wie man mit einem solchen Antrag umgehen sollte! (Abg. Dr. Fekter: Im Mietrecht ist eine geschlechtsneutrale Formulierung, da brauchen wir gar nichts zu ändern!) – Ich habe ja gesagt: Es war Ihre Begründung, den Antrag zu vertagen. Ich weiß auch, dass diese Diskriminierung jetzt so nicht mehr gilt; das ist mir schon klar. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.)

Deswegen haben wir uns gedacht, Frau Kollegin Fekter, wir probieren es einmal nur mit einem Antrag, dass Sie die Sachlage zumindest „prüfen“. Das habe ich vorhin schon gesagt.

Ein solches Gesetz hätten wir natürlich gerne; auch hätten wir gerne ein Gesetz über Eingetragene PartnerInnenschaft für alle. Das hätten wir alles gern, wissen aber, dass wir das von Ihnen von den Koalitionsparteien nicht bekommen!

Ich bringe daher folgen Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend gleich- und ver­schiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaften im Erbrecht sowie Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundeskanzler wird ersucht, ressortübergreifend die Verbesserung für gleich- und verschiedengeschlechtliche LebenspartnerInnen im Erbrecht beziehungsweise im Erb­schafts- und Schenkungssteuergesetz im Sinne der Gewährung des Angehörigensta­tus beziehungsweise Angleichung an den Angehörigenstatus bis spätestens 30. Sep­tember 2004 zu prüfen.

*****

Wenn Ihnen das zu schnell ist, können wir ja darüber verhandeln, dass Sie das ein bisschen später machen. Aber allein die Prüfung müsste doch etwas sein, dem Sie zustimmen können! (Abg. Dr. Fekter: Nein, ich will es nicht! Dann brauche ich es auch nicht prüfen, wenn ich es generell nicht will!) Dass Sie das mit dem Gesetz nicht wol­len, das wissen wir ohnehin. Sie wollen auch nichts Öffentliches, sondern wir sollen alle zum Notar gehen, dort etwas ausmachen und ordentlich zahlen ... (Abg. Dr. Fek­ter: Ich will es nicht prüfen!) – Stimmen Sie doch wenigstens zu, dass Sie das zumin­dest prüfen! Das wäre doch etwas, Frau Kollegin! (Abg. Dr. Fekter: Ich will es nicht prüfen, weil ich es von der Natur nicht ...!)

Okay, Sie wollen das nicht. (Abg. Dr. Fekter: Nein!) Gut, Sie lehnen es „von der Natur“ ab. Das ist ja jetzt überhaupt etwas Neues. Frau Kollegin Fekter, Ihr Kollege hat vorhin von „historischen Gründen“ gesprochen, die „gute Gründe“ seien; Sie reden jetzt von der „Natur“. Da bewegen wir uns jetzt auf einem sehr schwierigen Pflaster. (Zwischen­rufe bei der ÖVP.)

Erklären Sie mir das doch jetzt: Ist es Ihrer Ansicht nach tatsächlich so, dass nur Mann-Frau-Beziehungen natürlich sind – und alle anderen sind es nicht? (Abg. Dr. Fekter: Nein!) – Sie haben vorhin gesagt, das liege „in der Natur“. (Abg. Dr. Fek-


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ter: Frau Kollegin Lunacek! Ihr Antrag ist ja gar nicht abgestimmt worden! Sie stellen auf Lebenspartnerschaften ab, egal ob heterosexuell oder gleichgeschlechtlich!) Dann prüfen Sie das doch wenigstens! (Abg. Dr. Fekter: Nein, ich will die Lebenspartner­schaften nicht privilegieren!) Schauen Sie, Frau Kollegin, ich glaube, wir werden jetzt nicht die Debatte vorziehen, die wir vielleicht einmal im Ausschuss führen werden. Sie können sich hier gerne noch einmal zu Wort melden, aber Sie wollen ja heute nicht mehr so lang debattieren ... (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Frau Kollegin Fekter, stimmen Sie unserem Antrag zu; dann können wir das weiter debattieren! Wenn Sie nicht zustimmen, müssen wir wieder einen neuen Antrag ein­bringen, eben für die nächste Ausschusssitzung, um dort darüber zu diskutieren. (Zwi­schenrufe bei den Freiheitlichen.)

Jedenfalls: Dieser Antrag ist eingebracht, und ich würde mich sehr freuen, wenn die ÖVP, natürlich auch die FPÖ, zumindest eine Prüfung dahin gehend ermöglichen würde. Sie können ja dann immer noch sagen, dass Sie das nicht wollen. (Abg. Dr. Fekter: Nein, ich will die Lebenspartnerschaften nicht gleichstellen!)

Dass wir heiraten dürfen, das wollen Sie auch nicht! Was wollen Sie denn dann?! Sie wollen einfach keine gleichen Rechte für gleichgeschlechtliche Paare! Das ist so, weil es Ihrer Ansicht nach „gegen die Natur“ ist. (Abg. Dr. Fekter: Nein, das habe ich nicht gesagt! Das ist eine Unterstellung!) Das nehme ich zur Kenntnis; nicht gerne, aber trotzdem. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Das habe ich nicht gesagt! Das ist eine Unterstellung!) – Wenn es eine Unterstellung sein sollte, dann nehme ich das zurück. (Abg. Dr. Fekter: Das ist eine Unterstellung!) – Okay, Sie haben das so nicht gemeint; damit ist das geklärt! – Gut so. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Es wird doch noch erlaubt sein, eine andere Meinung zu haben!)

19.18

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der von Frau Abgeordneter Mag. Lunacek verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Lunacek, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Miedl. – Bitte.

 


19.18

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr viele hier werden sich auf Grund der kryptischen Andeutungen des Kollegen Kräuter wahrscheinlich nicht ausgekannt haben. Jene je­denfalls, die im Justizausschuss mit dabei waren, werden sich auskennen.

Jedenfalls ist es so: Kollege Kräuter möchte die Reorganisation des Bezirksgerichtes Graz, wo noch ein einziges Sondergericht besteht, nämlich das Jugendgericht, diese vernünftige Reorganisation dieses Gerichtes – etwas, was durch Bundesminister Böhmdorfer vorbereitet wurde – verhindern. In Wirklichkeit will Kollege Kräuter das Bezirksgericht Graz in Kalsdorf ansiedeln, und Herr Kollege Kräuter – wo ist er denn jetzt? – hat das wie folgt begründet: Es wäre ein kürzerer Verkehrsweg, und es wäre insgesamt günstiger für die Region, wenn das Bezirksgericht Graz in Kalsdorf angesie­delt werden würde. (Demonstrativer Beifall des Abgeordneten Dr. Kräuter.)

Herr Kollege Kräuter irrt auch in diesem Fall, übrigens wie in so vielen! Ich habe den Verdacht, dass der SPÖ-Bezirksparteivorsitzende von Graz-Umgebung dem Bürger­meister von Kalsdorf ein Geschenk machen und dort im leer stehenden Gemeindehaus das Bezirksgericht unterbringen möchte. Ich habe den Verdacht, dass, nachdem Kolle­gem Kräuter eine Absiedelung der Grazer Messe nach Graz-Umgebung nicht gelungen ist, er sozusagen jetzt einen Erfolg braucht. Und ich habe den Verdacht, dass es Kolle-


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gem Kräuter darum geht, wieder einmal in den Medien zu stehen, es ihm jedoch in Wirklichkeit herzlich Wurscht ist, wo dieses Bezirksgericht steht, denn das hat weder mit Dorfpolitik noch mit Stadtpolitik, noch mit Verkehrspolitik zu tun, sondern das ist eine Justamentpolitik des Kollegen Kräuter und der SPÖ.

Meine Damen und Herren! Ich kenne mich aus, ich hoffe, Sie kennen sich auch aus. In diesem Sinne bleibt es so, wie es der Herr Minister meint. Das Bezirksgericht Graz soll bestehen bleiben. – Kollege Kräuter, Sie werden abblitzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.20

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Becher. – Bitte.

 


19.20

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Vorlage zum Abstammungsrecht ist auch deshalb entstanden, weil der VGH, also der Verfassungsgerichtshof, beanstandet hat, dass das Kind kein eigenes Bestreitungsrecht hat. Die rechtliche Situation war und ist so, dass der eheliche Vater zwar die Vaterschaft bestreiten und der natürliche Vater diese anerkennen konnte – es ist sozusagen eine Sache unter Männern –, das Kind und die Mutter aber ausgeschlossen waren.

Da das Kind kein eigenes Bestreitungsrecht hatte, ist durch den VGH Reformbedarf mit einer Frist bis 30. Juni dieses Jahres angemeldet worden. Die logische Reaktion wäre gewesen, dass natürlich auch die Mutter ein eigenständiges Antragsrecht bekommt. Das ist nicht geschehen. (Abg. Mag. Donnerbauer: Wieso?) – Ich werde es Ihnen er­klären, Kollege Donnerbauer. Sie hat bis jetzt weder ein Bestreitungsrecht noch ein Antragsrecht. Das ist eine Angelegenheit zwischen Vater und Kind. Die Mutter wird als unbeteiligte Dritte betrachtet – so sehen es ja auch Sie, wie wir Ihrem Redebeitrag ent­nehmen konnten – ohne eigenes Recht. Es kann aber eine Situation entstehen, wo das durchaus notwendig ist.

Ein Beispiel: Ein Kind wird in bestehender Ehe geboren. Der Ehemann ist nicht der Vater. Der natürliche Vater hat kein Interesse daran, die Vaterschaft zu bestreiten, der eheliche Vater ist nicht bereit zu bestreiten. Das heißt, die Mutter kann jetzt für ihr Kind als gesetzliche Vertreterin die Bestreitung der Vaterschaft einbringen. Jetzt ist es aber so, sie muss zum Jugendamt gehen und muss dort flehen, dass das für sie angenom­men wird. Was das in einer zerrütteten Beziehung bedeutet, in der der Ehemann, um der Mutter etwas zu Fleiß zu machen, dagegen ist, dass diese Bestreitung vorgenom­men wird, kann sich jeder vorstellen. Möglicherweise muss sich die Frau dann noch gefallen lassen, dass gesagt wird, der Ehemann hat ohnehin mehr Geld, der ist reicher und sie soll froh sein über diese Situation, weil ihr Kind ja besser versorgt ist. Das ist Realität, das ist so, und das ist auch Ihr Gesellschaftsbild, wie wir gehört haben.

Die Frau als Hauptperson und Beteiligte bei der Geburt, ohne die nichts geht, hat hier kein eigenes Recht. Es ist in der heutigen Zeit unerträglich und unwürdig, dass der Frau ein Antragsrecht abgesprochen wird. Das muss ich schon festhalten.

Im Übrigen ist es auch so, dass das Frauenministerium auch diese Forderung einge­bracht, auf ein eigenes Antragsrecht der Frau bestanden und es eingefordert hat.

Zusammenfassend kann man dazu nur sagen: Die Frauenrechte werden weiter ver­achtet. Die Männer haben hingegen jeglichen Anspruch auf eine rechtliche Verfolgung. So ist in Österreich die Situation. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grü­nen.)

 


19.23


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Glaser. – Bitte.

 


19.24

Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Mit den heutigen Änderungen im Familien- und Erbrecht vollziehen wir, so glaube ich, den klassischen Fall einer Anpassung von Gesetzen an geänderte Voraussetzungen, und zwar wirkliche gesellschaftliche Veränderungen und nicht an hypothetische Konstruk­tionen, wie sie die Opposition hier teilweise immer wieder versucht vorzubringen.

Zu zwei Punkten möchte ich kurz Stellung nehmen. Zum einen geht es dabei um die Erwachsenenadoption. Es ist für mich absolut nicht einsichtig, warum wir etwas zur Gänze abschaffen sollten, nur weil es von einigen missbraucht wird. Zum Beispiel war es in den letzten Jahren üblich, dass man die Erwachsenenadoption zum Zwecke der Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft missbraucht hat. Warum sollte man deswegen diese durchaus sinnvolle Konstruktion in manchen Fällen zur Gänze ab­schaffen?

Eine andere Sache, die mich als Bürgermeister doch ab und zu betrifft, ist, wenn es darum geht, in einem kritischen Krankheitsfall zum Beispiel ein mündliches Testament aufzusetzen. Ich bin absolut dafür, dass es diese Möglichkeit nach wie vor geben soll. Ich stimme aber absolut auch dem zu, dass man, wenn dieser Notfall nicht mehr vor­liegt, dieses mündliche Testament dann für obsolet erklärt.

In diesem Fall stimme ich und stimmt natürlich auch die gesamte ÖVP diesen Ände­rungen gerne zu. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.25

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Puswald. – Bitte.

 


19.26

Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoch verehrte Beamtenschaft! Werte Kollegenschaft im Hause! Kollege Jarolim hat schon angekündigt, dass ich mich zum Abstammungsrecht äußern werde. Hier liegt ein typischer Fall einer halbherzigen Reform vor. Auf der einen Seite eine halbherzige Re­form, auf der anderen Seite ist aber das, was man gemacht hat, auch das Ergebnis einer falsch verstandenen Klientelpolitik (Abg. Dr. Jarolim: Völlig falsch verstanden!), einer völlig falsch verstandenen Klientelpolitik – richtig, Herr Kollege. Dies hat aber auch zu viel Touch an Ausländerfeindlichkeit, den wir nicht notwendig haben.

Die Halbherzigkeit der Reform bringt sich ... (Abg. Dr. Jarolim: Der Minister hätte das eh verstanden!) – Der Herr Minister hätte es verstanden. Es ist bedauerlich, dass man in diesen Koalitionskompromissen irgendwo auf halbem Wege hängen bleibt. Entweder man reformiert das Abstammungsrecht, dann müsste man den diversen Expertenvor­schlägen folgen und die Erwachsenenadoption gänzlich abschaffen, denn es gibt bis heute keinen vernünftigen Grund, einen Erwachsenen zu adoptieren, außer um in ir­gendeiner Form eine bestehende Rechtslage zu umgehen, sei es im Erbschaftssteuer­recht, sei es vielleicht im Namensrecht, sei es bei den Adeligen oder bei den Bauern zur Erhaltung des Namens oder des Hofbesitzes oder was auch immer. Das heißt, die Erwachsenenadoption war immer schon traditionell. Die Begünstigung wären also Be­sitzstände. (Abg. Dr. Jarolim: Missbrauch!) – Ich will das Wort „Missbrauch“ gar nicht so verwenden. Ich würde sagen: geschickte Gesetzesumgehung.

Wenn man das verhindern will, dann soll man das klar sagen und das überhaupt ab­schaffen, oder aber – das wäre die Alternative – man belässt es beim Bisherigen. In Wirklichkeit ist es ja so, wenn man die Adoption jetzt in dieser Form reformiert, wie


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man es tut, dann schafft man ausschließlich Ungerechtigkeiten gegenüber Ausländern, die aber gar nicht bestehen, denn wir vergessen ja eines: dass die Adoption jetzt schon durch einen Vertrag zwischen Annehmendem und dem anzunehmenden „Kind“ – unter Anführungszeichen – erfolgt, und dieser Vertrag muss vom Gericht genehmigt werden. Stellt sich heraus, dass das ein Scheinvertrag ist, dann ist er vom Gericht ohnehin nicht zu genehmigen. Eine Gesetzesänderung wäre daher nicht notwendig, zumal diese Form der Gesetzesänderung Unterschiede zwischen der Erwachsenen- und der Kin­desadoption offenbart, die nach meiner Überzeugung verfassungswidrig sind und da­her in dieser Form auch nicht haltbar sein werden.

Ein Gesetz, das von vornherein schon den Verdacht der Verfassungswidrigkeit hat und auch keinen Sinn macht, sondern nur Klientel schützen und einige zu Unrecht begüns­tigen soll, kann niemals die Zustimmung der SPÖ finden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.28

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Ledolter. – Bitte.

 


19.28

Abgeordneter Johann Ledolter (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es schon ein bisschen merkwürdig, dass Kollege Puswald jetzt in einer sehr künstlichen Emotionalisierung auch noch Auslän­derdiskriminierung einwenden muss bei einer gesetzlichen Materie, die durchaus ver­ständnisvoll geregelt ist, die aus der Tradition heraus nachvollziehbar ist und wo der ganze Wust an Drohgebärden nicht wirklich nachvollziehbar ist. (Abg. Dr. Puswald: Welche Drohgebärden?) – Drohgebären hinsichtlich Verfassungsanfechtung et cetera.

Meine Damen und Herren! Bei den heutigen Materien geht es um Sicherheit, nicht nur um Rechtssicherheit, sondern auch um die subjektive Sicherheit unserer Mitbürger. In diesem Zusammenhang ist natürlich nicht nur die gute Arbeit des Innenministers mit der Exekutive an den Grenzen und im Inneren gemeint, sondern auch das, was im Justizressort in diese Richtung erarbeitet wurde. Im Zeichen steigender Kriminalität, die durchaus eine importierte Kriminalität ist, die hinsichtlich der Delikte auch spezifisch an den Eigentumsdelikten und an den Diebstählen festzumachen ist, mit einer Steigerung von 365 Prozent, die aber auch geographisch festzumachen ist im Raum Wien und die, wie ich schon gemeint habe, auch von außen kommt, ist es notwendig, auch die Un­terbringung der Häftlinge zu flexibilisieren. Die Zahlen sind seit dem Jahr 2002 so an­gestiegen, dass sie sich von 6 800 auf 8 300 entwickelt haben. Wenn die bisherige Vollzugspraxis, die Vollzugskapazitäten und die Bedingungen  fortgeschrieben worden wären, dann müsste man ein Defizit bei der Sicherheit und beim Vollzug in Kauf neh­men.

Daher wird hier die Anpassung an den gestiegenen Haftraumbedarf in einer Form durchgeführt, dass U-Häftlinge im Strafvollzug auch dann in Strafgefangenenhäusern untergebracht werden können, wenn nach dem Verfahren in erster Instanz mit Frei­heitsstrafe zu rechnen ist. Beziehungsweise können Verurteilte, die weniger als drei Monate Freiheitsentzug ausgefasst haben, ebenfalls in Strafgefangenenhäusern unter­gebracht werden, allerdings getrennt von Strafgefangenen mit einer Befristung bis zum Jahr 2006.

Ich glaube, dass mit dieser Flexibilisierung ein guter Schritt in Richtung Optimierung der Unterbringung, auch in Richtung Verbesserung der Haftbedingungen und Entlas­tung des Justizwachepersonals gesetzt und vor allem auch ein guter Beitrag im Hin­blick auf mehr Wirtschaftlichkeit auch im Strafvollzug und in der Justiz, um die sich


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Minister Böhmdorfer und auch diese Bundesregierung nachhaltig bemühen, geleistet wurde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.31

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Stadlbauer. – Bitte.

 


19.32

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Sie zeigen mit diesem Gesetz wieder einmal ganz genau, was Ihnen Frauen wert sind. Die einen sagen es ein bisschen versteckter, indem sie im Kreis argumentieren, so wie Frau Abgeordnete Fekter, und die anderen sagen es eigentlich relativ unverblümt frei heraus. Ich zitiere Herrn Kollegen Donnerbauer, der gemeint hat: Nur weil jemand eine Frau ist, soll sie eigene Rechte haben? – Ich würde sagen, damit demaskieren Sie sich. Somit sehen wir schön die Unterschiede in der Art und Weise, wie Sie mit Frauen umgehen und wie wir mit Frauen umgehen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hier geht es einfach darum, Frauen die gleichen Rechte zu geben, wie sie die Männer haben. Wie schon gesagt, da werden einfach wieder Unterschiede sichtbar. So gesehen bin ich sehr dankbar für diese Diskussion. Im Unterschied dazu haben aber die Gen-Väter, also die biologischen Väter, alle Rech­te. Diese dürfen alles.

Ein Beispiel: Die Regierungsvorlage räumt dem anerkennenden Mann das Recht ein, seine genetische Vaterschaft zu beweisen, wodurch sein Anerkenntnis auch gegen den Willen von Mutter und Kind wirksam bleiben soll.

Jetzt stellen Sie sich einmal vor, was das für eine Patchwork-Familie bedeutet! Mutter, Kinder, dann gibt es den Vater, der unglücklicherweise nicht der leibliche ist, aber der von den Kindern genauso akzeptiert, genauso geliebt wird. Und dann tritt der biologi­sche Vater in diese heile Familienwelt ein und kann alles zerstören. Ich frage Sie: Ist das wirklich das Ziel, das Sie haben, und soll das zum Wohl der Familie, der Frauen und vor allem der Kinder sein?

Sogar Arthur Schnitzler hat schon 1904 diesen Sprengstoff Gen-Vater versus sozialen Vater erkannt, und zwar in seinem Stück „Der einsame Weg“. Hier erfährt ein junger Mann kurz nach dem Tod seiner Mutter von einem Freund der Familie, dass dieser Freund sein leiblicher Vater ist. Daraufhin sagt der Sohn – ich zitiere –:

„Es hat sich nichts verändert ... nichts. Das Andenken meiner Mutter ist mir so heilig als zuvor. Und der Mann, in dessen Haus ich geboren und auferzogen bin, der meine Kindheit und meine Jugend mit Sorgfalt und Zärtlichkeit umgeben hat (...), gilt mir ge­rade so viel, als er mir bisher gegolten – und beinahe mehr.“ – Ende des Zitats.

Und dann gibt es noch ein Gespräch zwischen dem aufgetauchten leiblichen Vater und einem Bekannten der Familie. Der Bekannte sagt zum Vater: Ihr Sohn „fühlt es, daß man sehr wenig für einen Menschen getan hat, wenn man nichts tat, als ihn in die Welt zu setzen.“ – Ende des Zitats.

Sehr geehrte Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! Wenn Sie schon nicht auf die Opposition oder – noch schlimmer – auf die Betroffenen in der Bevölkerung hören, dann kann Sie vielleicht Arthur Schnitzler überzeugen. Auf den Punkt gebracht, sehr geehrte Damen und Herren: Der genetische Vater darf alles, aber die Mutter darf nichts. Das ist Ihr Weltbild, und das ist heute wieder einmal sichtbar geworden. – Vie­len Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

 


19.35


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.35

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminis­ter! Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Kollegin Stadlbauer, Sie haben hier behauptet, ich hätte gesagt: Nur weil jemand Frau ist, soll er eigene Rechte haben? und es damit in Frage gestellt. – Das ist tatsächlich unrichtig.

Ich habe nur gemeint, Frau zu sein ist noch kein ausreichender Grund, in allen mögli­chen Verfahren antragsberechtigt zu sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitli­chen. – Abg. Stadlbauer: Aber gesagt haben Sie es anders!)

19.35

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Praßl. – Bitte.

 


19.35

Abgeordneter Michael Praßl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Vielleicht noch ein paar Dinge zur Gerichtsorganisation Graz. Derzeit bestehen in Graz drei Be­zirksgerichte, ein Standort Paulustorgasse 15, das Bezirksgericht für Strafsachen Graz, das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz und das Jugendgericht Graz. Der Herr Bundesminister hat alle Vorkehrungen getroffen, dass diese zusammengefasst wer­den. Somit soll ein einheitliches Vollbezirksgericht mit dem Namen „Bezirksgericht Graz“ entstehen. Ich meine auch, dass es wichtig ist, dass dieses Bezirksgericht sei­nen Standort in Graz hat und nicht, wie Sie meinen, Herr Kollege Kräuter, in Kalsdorf. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.36

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Grossmann. – Bitte.

 


19.36

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Neuorganisation der Gerichts­struktur in Graz wird auch die Struktur des Jugendgerichtshofes, der Jugendgerichts­barkeit geändert. Es ist zu befürchten, dass damit die Fehler, die bei Auflösung des Jugendgerichtshofes Wien gemacht wurden, nun auch in den Ländern wiederholt wer­den. (Abg. Steibl: Angstmache!)

Hauptmotiv für das Ganze sind budgetäre Überlegungen. Wenn Gedanken der Wirt­schaftlichkeit für Sie auch nur eine geringe Rolle spielen und Sie sich ein bisschen auskennen würden, Kollege Miedl und geschätzter Vorredner, dann müssten Sie dem Vorschlag des Kollegen Kräuter näher treten (Abg. Miedl: Um Gottes willen!), denn dadurch würde sich ein Einsparungspotential von mehr als 10 Millionen € ergeben. Diese Mittel, meine sehr geehrten Damen und Herren, wären im Bereich der Jugend­gerichtsbarkeit wohl mehr als gut angelegt, denn da sparen zu wollen, ist wohl das schlechteste Signal, das man aussenden kann.

Straffällig gewordene Jugendliche sind weniger Täter, sondern vielmehr Opfer einer Gesellschaft, einer Gesellschaft, die es zulässt, dass immer mehr Jugendliche keinen Platz mehr in ihr finden. Die Politik dieser Bundesregierung, die bei den Zukunftschan­cen der Jugend spart, bei der Bildung, bei der Arbeitsmarktpolitik, bei der sozialen Wohlfahrt, bildet den Nährboden für steigende Jugendkriminalität. Diesen jungen Men­schen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt und damit einfach nicht fertig wer-


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den, ist die Gesellschaft etwas schuldig, weil sie sich an ihnen schuldig gemacht hat. (Beifall bei der SPÖ.)

19.38

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Neudeck. – Bitte.

 


19.38

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es war ja, wie schon vorher erwähnt, auch diese letzte Sit­zung des Justizausschusses von sehr großem Konsens getragen. Wir haben bei dem einen Punkt, bei den es um die vorübergehenden Maßnahmen für die Anhaltung in Untersuchungshaft geht, auf Grund der guten Argumentation des Kollegen Pendl einen Kompromiss hinsichtlich des Zeitraumes gefunden. Auch das werden wir gemeinsam beschließen.

Es kann aber der Beste nicht in Frieden leben, wenn es einer nicht will. Kollege Kräuter versucht immer wieder, sich in den Vordergrund zu stellen. Wie er sich als großer Auf­decker im Rechnungshofausschuss hervortat oder vorher plakatieren ließ und die Zei­tungen informierte, so ist es auch hier. Er moniert heute, dass in der Regierungsvor­lage die Baukosten für diesen Gerichtsstandort nicht drinnen stehen.

Kollege Kräuter! Dann müssen Sie eben mehr lesen als diese zwei Seiten. Es stehen natürlich die Baukosten und die Miete drinnen. (Abg. Dr. Kräuter schüttelt verneinend den Kopf.) Ich habe es hier, Sie können es sich anschauen. Das gehört doch dazu. Wo soll es denn stehen? Kollege, da müssen Sie einmal schauen, wie das richtig ist. So gehört es und so steht es drinnen. Wenn Sie wirklich für Graz-Umgebung etwas tun wollen, dann lassen Sie sich etwas einfallen. Ich muss jedenfalls sagen, das, was Sie bisher gefordert haben, war nicht so, dass man dem nahe treten kann.

Ich möchte dem Bundesminister für seinen Weitblick und auch für seinen Mut in Fällen, in denen momentane Entscheidungen nicht gleich von allen verstanden und aufgegrif­fen werden, gratulieren, denn in der Zwischenzeit ist es so, dass das Justizzentrum Mitte, glaube ich, heißt es, sowohl von den Rechtsuchenden als auch von den Richtern anerkannt ist.

Ich war selbst einige Male dort. Es gibt jetzt moderne Räume, es gibt Garagen, es ist ein ordentliches neues Gericht. Und da zeigt sich für mich wieder der Unterschied zwi­schen dem Politiker, der an die nächsten Wahlen denkt, und dem Staatsmann, der an die nächsten Generationen denkt. Herr Bundesminister! Sie haben staatsmännisch gehandelt! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.40

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort ge­meldet hat sich Herr Justizminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte.

 


19.40

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte kurz auf die mir am wesentlichsten erscheinenden Punkte der Debatte, so weit sie kritischen Inhalt haben, eingehen.

Zur Erwachsenenadoption: Es besteht wirklich kein Grund dazu, das Institut selbst ab­zuschaffen, und zwar nur deshalb, weil eine Reihe von Missbräuchen festgestellt wur­de. (Abg. Dr. Jarolim: Wer braucht das aus einem redlichen Grund?) Die natürliche Logik besteht darin, dass man eben die Missbräuche abschafft. Es hat Adoptionsfälle gegeben, bei denen gegen Geld Adoptionen durchgeführt wurden, bei denen sich die


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Leute, nämlich Vater und Mutter, Adoptivvater und Adoptivmutter und das Adoptivkind, gar nicht gekannt haben, bei denen sie verschiedene Sprachen gesprochen haben, bei denen sie sich erst bei Gericht kennen gelernt haben und vieles andere mehr. Diese Fälle wollen wir nicht, die schaffen wir ab.

Nun zu der Frage der Bestreitung des Status eines ehelichen Kindes: Wenn Sie das durchdenken, Frau Mag. Wurm, dann müssen Sie zugeben, dass die Regelung eine große Logik hat. Es liegt der Fall vor, dass ein Kind, das als ehelich geboren gilt, eben kein eheliches Kind ist. In diesem Fall können bestreiten: das Kind selbst, derjenige, der als Vater gilt, aber nicht der Vater ist, und im Gegensatz zu Ihren Ausführungen auch die Mutter, allerdings nur so lange das Kind minderjährig ist.

Jetzt kommt der zweite Teil der Logik: Nicht bestreiten können der natürliche Vater und die Mutter. Das hat auch einen Sinn und einen Grund, weil wenn das Kind einmal groß­jährig ist, kann es durchaus nicht in seinem Interesse gelegen sein, dass es in einen Vaterschaftsstreit oder Kindesstatusstreit hinein gezogen wird, der dem Kind nur mehr schadet. Und da soll niemand anderer, auch wenn es die Mutter ist, entscheiden kön­nen, ob dieser Streit stattfindet oder nicht. – All das hat eine Logik und wurde sehr aus­führlich diskutiert.

Im Übrigen bedanke ich mich für das Lob für unsere Beamten. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.42

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte.

 


19.43

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine ge­schätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte zu einem Punkt, nämlich zu § 376a, also zu jenen vorübergehenden Maßnahmen, laut denen Untersuchungshäft­linge, aber auch Kurzstrafgefangene in Strafvollzugsanstalten überstellt werden kön­nen, Stellung nehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf mich eingangs nicht nur für die Dis­kussion, sondern vor allem auch für das Verständnis der Regierungsfraktionen und für den Drei-Parteien-Antrag im Justizausschuss bedanken. Ich glaube, es war auch des­halb eine sachliche und wichtige Diskussion, weil die Befristung für diese Legislaturpe­riode gegolten hat.

Herr Bundesminister, gestatten Sie mir, auf einige mir sehr wesentliche Punkte zu ver­weisen! In der gestrigen und in der morgigen „Kronen Zeitung“ steht: Justizwache schlägt Alarm, auch das Justizministerium schlägt Alarm. Der Justizminister fordert 300 bis 400 Justizwachebeamte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Situation in den österreichischen Justiz­anstalten ist mehr als angespannt. Ich glaube, wir alle sind über Fraktionsgrenzen hin­weg aufgerufen, eine Entlastung zu schaffen. Es geht um Menschen, es geht um unsere Beamtinnen und Beamten, und es geht auch um die Untergebrachten. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Gesamtstand an Häftlingen beträgt in Österreich 8 400. Gestatten Sie mir aber auch, auf die Situation in der Justizanstalt Wien-Josefstadt hinzuweisen. Die Belagsfä­higkeit beträgt 920 Häftlinge, der Hausstand liegt bei 1 251, 170 Häftlinge wurden be­reits in der Justizanstalt Simmering untergebracht, weitere 170 im Wiener Umland.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Wiener Straflandesgericht ist bei einer Belagskapazität von 920 Gefangenen für 1 600 zuständig. Ich kann nur an alle appel-


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lieren, dass die Bundesregierung diese gefährliche Situation in unseren Anstalten ge­schlossen in Angriff nimmt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte nochmals betonen, dass ich mich im Rahmen dieser Diskussion bei allen Bediensteten der Justiz, aber im Speziellen bei den Kolleginnen und Kollegen im Straf­vollzug für diese übermenschliche Leistung im Dienste des Staates der Republik Öster­reich sehr herzlich bedanken möchte, Herr Minister! (Beifall bei der SPÖ und bei Ab­geordneten der ÖVP.)

Ich möchte abschließend, Herr Bundesminister, auch noch auf die für mich sehr wich­tige Frage hinweisen, die ich in der Fragestunde schon gestellt habe. Wir haben alleine im Maßnahmenvollzug nach § 21 (1) 311 Inhaftierte, und wir haben nach § 21 (2) 303 Untergebrachte. Meine Damen und Herren! Es kann nicht sein, dass psychisch Kranke in österreichischen Justizanstalten auf Dauer untergebracht werden. Da ist die gesamte Politik gefordert.

Ich bin froh, dass Sie uns heute berichtet haben, dass Sie auch mit dem Verantwortli­chen für das Gesundheitsressort Gespräche eingeleitet haben. Es geht – ich glaube, ich darf es so formulieren – um einen gemeinsamen Schulterschluss im Interesse der Justiz, aber auch im Interesse der Menschlichkeit und im Interesse unserer Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter. (Beifall bei der SPÖ.)

19.46

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte.

 


19.47

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Auch wenn Sie es noch einmal betont haben, muss ich Ihnen sagen, dass die Mutter kein eigenständiges Antragsrecht auf Feststellung der Vaterschaft des Kindes hat. Die Feststellung der Vaterschaft und der ehelichen Abstimmung ist nach dieser Gesetzesvorlage eine Angelegenheit zwischen Vater und Kind. Die Mutter bleibt unbe­teiligte Dritte, und das ist eine unerträgliche Missachtung der Frau, sehr geehrter Herr Bundesminister! (Beifall bei der SPÖ.)

19.47

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Hinsichtlich des Gesetzentwurfes über die Organisation der Bezirksgerichte in Graz und die Änderungen des Jugendgerichtsgesetzes liegt ein Rückverweisungsantrag der Abgeordneten Dr. Kräuter, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein entsprechen­des Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen daher zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Familien- und Erb­rechts-Änderungsgesetz 2005, samt Titel und Eingang in 489 der Beilagen.

Hiezu liegt je ein Verlangen der Abgeordneten Dr. Jarolim, Kolleginnen und Kollegen sowie der Abgeordneten Mag. Stoisits, Kolleginnen und Kollegen auf getrennte Ab­stimmung vor.


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Ich werde daher über den Gesetzentwurf entsprechend dem Verlangen auf getrennte Abstimmung abstimmen lassen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel 1 Ziffer 7 und 14 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Angehörigen des Hohen Hauses, die sich hiefür aussprechen, um ein bejahendes Zeichen. – Es ist das die Mehrheit und damit angenommen.

Nun kommen wir zur getrennten Abstimmung über Artikel 1 Ziffer 21 und Artikel 2 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren des Hohen Hauses, die sich für diese Bestim­mung aussprechen, um ein bejahendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenom­men.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahen­des Zeichen. – Es ist dies ebenfalls einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Ge­setzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend gleich- und verschieden­geschlechtliche Lebensgemeinschaft im Erbrecht sowie Erbschafts- und Schenkungs­steuergesetz.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Es ist das die Minderheit und damit abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlas­sung von europäischen Rechtsanwälten in Österreich geändert wird, samt Titel und Eingang in 492 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für den Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies eben­falls einstimmig in dritter Lesung angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz über die Organisation der Bezirksgerichte in Graz und die Änderung des Jugendgerichtsge­setzes, samt Titel und Eingang in 491 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für den Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies eben­falls mehrheitlich in dritter Lesung angenommen.


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Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesge­setz, mit dem vorübergehende Maßnahmen für die Anhaltung in Untersuchungshaft und im Strafvollzug getroffen werden, samt Titel und Eingang in 493 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für den Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das Gesetz ist somit auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

9. Punkt

Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den Antrag 301/A (E) der Abgeordneten Elmar Lichtenegger, Peter Haubner, Dr. Peter Wittmann, Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines „Anti-Doping-Geset­zes“ (482 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tages­ordnung.

Als erster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Haubner. – Bitte.

 


19.52

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Am Anfang möchte ich einen kurzen Rückblick in das Jahr 2000 machen. Ein österreichischer Läufer wird vom Österreichischen Leichtathletikverband wegen Dopings bis 2001 gesperrt. 2003 wird eine junge Bergläuferin für zwei Jahre wegen Haschischkonsums gesperrt. Sie beendet ihre Karriere. Zwei Sportler des Leichtathletikverbandes werden positiv auf Anabolika getestet. Drei Ruderer werden infolge eines Dopingbefundes bis auf weiteres gesperrt. Februar 2004: Ein Langläufer erwirkt eine einstweilige Verfügung gegen die von der FIS verhängte lebenslange Sperre, eine Folge der Olympischen Spiele 2002. März 2004: Ein ÖSV-Läufer gerät unter Dopingverdacht.

All das sind Dopingfälle, die anscheinend nichts gemeinsam haben, doch nur auf den ersten Blick ist das der Fall.

In keinem der genannten Fälle konnten die betroffenen Sportlerinnen und Sportler von Rechtssicherheit ausgehen. In keinem der Fälle konnte auf ein einheitliches, auf öster­reichisches Recht basierendes Gesetz, das den Kampf gegen Dopingmissbrauch zum Inhalt hatte, zurückgegriffen werden.

Der heute vorliegende Antrag der vier Parlamentsfraktionen beweist, dass wir uns einig sind. Doping schadet dem Sport, den ehrlichen Sportlern und auch den Sportlern, die zu Dopingmitteln greifen. Der faire sportliche Wettkampf darf einfach nicht zu einem Wettkampf der Chemie werden, bei dem jene gewinnen die die besseren Zaubermittel zur Hand haben.

Als Sportsprecher meiner Partei ist es mir ein Anliegen, dass wir heute mit diesem An­trag betreffend ein Anti-Doping-Gesetz einen entscheidenden Schritt für den Sport set­zen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.54

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte.

 



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19.54

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Vier-Parteien-Antrag ist sicherlich ein notwendiger Antrag, aber wie so oft haben wir in die­sem Haus schon mehrmals Vier-Parteien-Anträge gestellt. Es gibt einen Entschlie­ßungsantrag hinsichtlich der Fertigstellung eines Berufssportgesetzes bis zum 1. März dieses Jahres; und trotz dieses Entschließungsantrages aller vier Parteien gibt es bis heute kein Berufssportgesetz – aus welchen Gründen auch immer.

Der Bundeskanzler verweigert dazu jede Stellungnahme, der Staatssekretär spricht von unerklärlichem Aufschub, weil er sich mit anderen nicht einig wird. Ich glaube trotzdem, dass Entschließungsanträge dazu da sind, um eingehalten zu werden. Die Verantwortung für die Einhaltung eines derartigen Entschließungsantrages liegt beim zuständigen Regierungsmitglied. Bis heute haben wir keinerlei Aktivitäten, die darauf schließen lassen würden, dass wir einen endgültigen Bericht oder eine Vorlage ins Haus bekommen.

Ich hoffe, dass das Anti-Doping-Gesetz nicht das gleiche Schicksal erfährt wie das Berufssportgesetz, weil es auch ein Auftrag des Parlaments an die Regierungsverant­wortlichen ist, hier tätig zu werden.

Umso mehr wundert es mich dann, wenn die FPÖ im Zuge einer Besprechung einer Anfrage der SPÖ, der Sozialdemokraten, versucht, eine sportpolitische Diskussion zu initiieren, obwohl man im Ausschuss den Antrag der Grünen und der Sozialdemokraten abgelehnt hat, den Sportbericht im Plenum zu diskutieren. Man hätte hier eine anstän­dige Diskussion über die sportpolitischen Anliegen durchführen können und müsste jetzt nicht in 5-minütigen Redebeiträgen ganz kurz zu den sportpolitischen Themen Stellung nehmen – noch dazu beschränkt in der Anzahl der Abgeordneten.

Ich finde es ein wenig beschämend, dass man sich auf der einen Seite für die Möglich­keit einer sportpolitischen Diskussion bedankt, aber im Ausschuss selbst das ablehnt und damit keine sportpolitische Debatte zulässt.

Ich halte fest: Es wurde die Frist des Entschließungsantrages für ein Berufssportgesetz nicht eingehalten. Am 1. März ist diese Frist abgelaufen. Wir beschließen jetzt einen Vier-Parteien-Antrag zur Fertigstellung eines Anti-Doping-Gesetzes. Ich hoffe nicht, dass der Entschließungsantrag dasselbe Schicksal erleiden wird wie der erste Antrag. Weiters würde ich gerne auch den Herrn Bundeskanzler zu seiner Stellungnahme be­fragen, warum er als verantwortlicher Sportminister das Berufssportgesetz bis heute nicht eingebracht hat.

Man hört weder eine Stellungnahme noch ist man sich der Verantwortung bewusst, dass man diesem Haus auch Rechenschaft ablegen muss. Ich will dem Staatssekretär in dieser Angelegenheit gar nicht die Bemühungen absprechen, die er gesetzt hat. Ich weiß auch, dass er insbesondere in manchen ÖVP-Wirtschaftskreisen auf Granit beißt. Ich frage mich daher, warum der Bundeskanzler seiner Verantwortung diesem Haus gegenüber nicht nachkommt. Er ist der Sportminister, er hätte dieses Gesetz vorlegen müssen, aber bis heute liegt es nicht vor.

Dass dieses Anti-Doping-Gesetz notwendig ist, ist schon auf Grund unserer internatio­nalen Verpflichtungen ersichtlich, weil die Teilnahme an den Olympischen Spielen vom Internationalen Olympischen Komitee davon abhängig gemacht wurde, dass man die WADA-Erklärung unterschreibt. Diese sieht auch vor, dass man eine Rechtsmittel­instanz gründet, die als Appellationsinstanz für die Verbandssperren gilt.

Das ist für die Sportler deswegen notwendig, denn wenn jetzt jemand vom Verband gesperrt ist, geht er zum Anti-Dopingkomitee. Das hat aber keine tatsächliche rechtli-


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che Auswirkung. Das heißt, er könnte nachher noch ein Rechtsmittel beim ordentlichen Gericht ergreifen. Das würde aber bedeuten, dass der Rechtszug für einen Sportler, der ungerechtfertigt eine Anti-Doping-Sperre erhält, drei bis vier Jahre dauert, und das bedeutet, dass im Normalfall die besten sportlichen Jahre vergangen sind.

Ich bin daher froh darüber, dass wir einen Vier-Parteien-Antrag zu Stande gebracht haben. Ich glaube, dass es notwendig ist, diese Anti-Dopinggesetze schnell, zügig und möglichst kompetent dem Parlament zuzuleiten und dass dieser Vier-Parteien-Antrag nicht dasselbe Schicksal erleidet wie das Berufssportgesetz.

Ich finde es nur beschämend, dass der Bundeskanzler als Sportminister einen Auftrag des Parlaments mit klarer Fristsetzung völlig unkommentiert verstreichen lässt und das Parlament damit desavouiert, in Wirklichkeit nicht ernst nimmt. Daran sieht man die Einstellung der Regierungsparteien zum Parlament. Es ist eigentlich beschämend, wie man mit diesem Haus und mit einem Auftrag dieses Hauses umgeht.

Das sollte dem Bundeskanzler auch weiter gesagt werden. Normalerweise müsste er hier sitzen und eine Stellungnahme abgeben, warum er das Gesetz bis zum 1. März nicht vorgelegt hat. Das hätte sich dieses Haus verdient. Ich frage mich, warum das nicht passiert. (Beifall bei der SPÖ.)

20.00

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lichtenegger. – Bitte.

 


20.00

Abgeordneter Elmar Lichtenegger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Hohes Haus! Diese Frage kann ich gleich beantworten; sie ist bereits im Aus­schuss, glaube ich, Kollege Wittmann, öfters beantwortet worden. Beim Berufssportge­setz hat die BSO einen Vorschlag vorgelegt, der einfach nicht umsetzbar ist. Sie wis­sen das ganz genau; das ist schon oft erläutert worden. Ein Entschließungsantrag ist dazu da, um vernünftige Gesetze zu machen. Es bringt nichts, wenn man ein Gesetz macht, das dann vom Verfassungsgerichtshof wieder aufgehoben wird. Das wissen Sie ganz genau. – Das ist einmal das eine.

Das andere ... (Abg. Heinisch-Hosek: Das wird eh dauernd gemacht! Gleichbehand­lungsgesetz!) – Bitte?

Das andere ist, dass Sie behauptet haben, wir hätten dem Ausschuss eine breite und öffentliche Diskussion verweigert. Ich kann nur sagen, eine Kollegin Ihrer Fraktion, die auch im Ausschuss ist, hat heute gesagt, sie habe vermisst, dass sich jemand dafür bedankt hätte, dass wir in diesem Ausschuss so viel Öffentlichkeit hatten. Sie wissen das ganz genau. Wir waren mit unserem Thema auch in der Sendung „Hohes Haus“; diese Möglichkeit haben viele andere Themen nicht. Ich glaube, wir waren auf diese Weise in der Öffentlichkeit besser präsent, als das bei so manchen Abenddiskussionen über ein Sportthema hier in diesem Haus der Fall ist. Ich meine, das hat ganz gut funk­tioniert. Das muss man auch einmal sagen. (Abg. Dr. Wittmann: ... lieber ins Fernse­hen!)

Wir sind heute hier, um ein Anti-Doping-Gesetz zu verabschieden. Die Kernpunkte sind ohnehin, so glaube ich, schon erläutert worden. Wir versuchen, eine einheitliche Rege­lung zu finden. Dafür ist die World Anti-Doping Agency, kurz WADA genannt, einge­richtet worden. Das Problem, das jetzt besteht, ist, dass die WADA eine Einrichtung, eine private Stiftung nach Schweizer Recht ist. Dieser Anti-Doping-Code kann bei uns in dieser Form nicht implementiert werden, weil staatliche und internationale Gerichte gegenüber dem Sportgerichtshof in Lausanne immer ausgeschlossen werden würden. Und das kann nicht sein.


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Wir sind dazu da, ein Gesetz zu verabschieden, um eine unabhängige Instanz zu im­plementieren, die sich dieser Fälle annimmt und sie auf Zivilrechtsbasis untersucht, da­mit es hier wirklich zu keinen Ungerechtigkeiten mehr kommt, sondern dass es zu Fair Play im Sport, Fair Play gegen Doping im Sport kommt – nicht nur im Spitzensport, sondern auch im Breitensport.

Diesbezüglich haben wir mit dem Österreichischen Anti-Doping-Comité auch schon Vorsorge getroffen und eine nette Broschüre herausgegeben. (Der Redner hält eine Broschüre in die Höhe.) Wer sie noch nicht kennt: Man kann sie überall abholen! Sie ist für jeden Hobby- und Gesundheitssportler zugänglich. Dort steht groß geschrieben: Lieber mit Verstand trainieren, als ohne Verstand dopen. (Beifall bei den Freiheitli­chen.)

20.02

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

 


20.03

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Dieses Anti-Doping-Gesetz basiert auf einem Vier-Parteien-Antrag. Wir sind absolut der Meinung, dass es notwendig ist, neue Regelungen zu schaffen, auch was die Sicherheit der Sportler betrifft. Ich möchte an und für sich nur auf einen einzigen Aspekt zu dieser Stunde eingehen. Ich frage mich schon, was in solchen Fällen zu tun ist, wie es auch dem Kollegen Lichtenegger passiert ist. Ich nehme an, dass es so war, wie er es hier dargestellt hat, dass es sich offenbar um verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel ge­handelt hat. Da bin ich schon der Meinung, dass in dieser Situation noch einiges mehr zu tun wäre.

Es war ja offenbar so – nicht nur in diesem Fall, sondern auch in anderen Fällen –, dass Nahrungsergänzungsmittel Dopingmittel in unterschiedlichen Chargen enthalten haben. Eine Charge war rein, die nächste hat offenbar diese verunreinigten Stoffe ent­halten. Es ist wohl schwer denkbar oder möglich, dass jeder Sportler, bevor er ein Nah­rungsergänzungsmittel zu sich nimmt, eine Extra-Untersuchung machen lässt, ob darin etwas enthalten ist oder nicht.

Ich denke schon, dass es wohl eine Verantwortung gibt, im Prüfbereich anders damit umzugehen, denn irgendwann kann die Möglichkeit, hier zu sagen, ja, so war es, das ist eben ein Problem, auch international kaum mehr anerkannt werden. Wenn der Staat da nicht vorgeht und auch klärt, dass diese Substanzen aus dem Verkehr gezogen werden oder zumindest gekennzeichnet sind, dann, so glaube ich, handelt die Sportpo­litik eigentlich fahrlässig.

Diesbezüglich geschieht momentan offenbar noch nichts. Die Anträge des Kollegen Maier sind bekannt. Wir glauben, dass es in diesem Bereich, abgesehen davon, dass man überhaupt die ganzen Nahrungsergänzungsmittel vor allem im Breitensport sehr in Frage stellen muss, absolut notwendig ist, dass Prüfungen erfolgen, auf die man sich verlassen kann, und dass auch keine Substanzen in diesen Mitteln enthalten sind, die jetzt offenbar verbotenerweise aufgetaucht sind. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Lichtenegger.)

20.05

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort ge­meldet hat sich Herr Staatssekretär Mag. Schweitzer. – Bitte.

 


20.05

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Brosz, du weißt genau, dass die Frage rund


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um die Nahrungsergänzungsmittel im Arzneimittelgesetz geregelt werden muss und somit keine Frage der Sportpolitik ist. (Abg. Brosz: Aber mit Doping haben sie zu tun, oder?)

Wir bemühen uns auch, gemeinsam auf einer neuen Basis – darauf komme ich dann noch zu sprechen – ein entsprechendes Gesetz zu machen. Österreich war in dieser Frage nicht säumig, so wie auch Kollege Wittmann nicht säumig war bei dem Versuch, ein für den Sport wirklich sinnvolles Berufssportgesetz vorzulegen.

Ich möchte noch einmal kurz auf die Fakten eingehen. Tatsache ist, dass der vom Sport gewünschte Entwurf verfassungsrechtlich nicht halten wird, weil der Profisportler nicht automatisch Selbstständiger sein kann. Ganz im Gegenteil! Ein Mannschafts­sportler ist ein klassischer Angestellter und kann deshalb gesetzlich nicht als Selbstän­diger behandelt werden. Das würde dem Arbeitsrecht insgesamt widersprechen und somit nicht halten.

Das heißt, der vom Sport verlangte Entwurf mit diesen Bestimmungen ginge nicht ein­mal durch den Ministerrat, weil der Arbeitsminister einer dem gültigen Gesetz wider­sprechenden Regelung einfach nicht zustimmen würde.

Deshalb liegt es am organisierten Sport, uns einen Vorschlag zu übermitteln, der für den Sport tragbar, gesetzeskonform ist und auch vor dem Verfassungsgericht halten wird. Darüber verhandeln wir weiter. Ich halte es allemal für sinnvoller, ein praktikables und für den Sport sinnvolles Gesetz zu machen als ein solches, das nach wenigen Wochen vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wird. (Beifall bei den Freiheitli­chen. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ganz richtig!)

Zur zu behandelnden Materie. – Österreich hat, da sich zeigt, dass der organisierte Sport mit der Bekämpfung des Dopings überfordert ist, relativ rasch die Deklaration von Kopenhagen hier in diesem Haus umgesetzt, das Zusatzprotokoll zur Anti-Doping-Konvention ratifiziert. Es hat sich gezeigt, dass das zu wenig ist, weil außereuropäi­sche Staaten mit einbezogen werden müssen. Und wieder haben die österreichischen Vertreter bei den entsprechenden Expertengesprächen zur Global-Anti-Doping-Con­vention ihre Vorstellungen eingebracht und einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass schlussendlich in Athen im Dezember 2004 eine entsprechende Konvention beschlossen wird. Auf deren Basis werden wir dieses Anti-Doping-Gesetz so rasch wie möglich in diesem Hause beschließen.

Wir haben, wenn es darum geht, Doping zu bekämpfen, in jeder Phase eine Vorreiter­rolle eingenommen. Wir haben unser Know-how eingebracht. Wir haben rasch ratifi­ziert. Und wir werden auch dieses Gesetz, sobald die Grundlage von Seiten der UNESCO da ist, in diesem Haus beschließen.

Dem Kollegen Maier bin ich im Sportausschuss eine Antwort schuldig geblieben auf den Vorwurf, dass wir keine Aufklärungskampagne machen. Kollege Maier! Falls Sie sich im Saal befinden, ein entsprechender Folder zur bereits laufenden Aufklärungs­kampagne (der Redner hält eine Broschüre in die Höhe) ist bei mir abzuholen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.08

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mikesch. – Bitte.

 


20.08

Abgeordnete Herta Mikesch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Hohes Haus! Herr Kollege Wittmann! Immer wieder hören wir von Ihnen, dass Bundeskanzler Schüssel säumig sei. Ich glaube, auch Sie waren einmal Sportstaats­sekretär im Bundeskanzleramt. (Abg. Mag. Molterer: Kann sich kein Mensch erinnern!)


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Ich gehe davon aus, dass Ihnen der damalige Bundeskanzler auch volles Vertrauen entgegengebracht und sich auf Sie verlassen hat – so, wie es heute unser Bundes­kanzler Wolfgang Schüssel gegenüber Karl Schweitzer tut.

Aber nun zurück zum Vier-Parteien-Antrag. Doping im Sport ist ein internationales Pro­blem. Österreich war einer der ersten Unterzeichnerstaaten des Anti-Doping-Zusatz­protokolls, das beim Sportministertreffen im September 2002 in Polen verabschiedet wurde.

Die Aktivitäten Österreichs im Kampf gegen Doping können sich sehen lassen. Immer­hin beläuft sich der Betrag, den Österreich für die WADA, die World Anti-Doping Agen­cy, zur Verfügung stellt, auf rund 80 000 US-Dollar. Seit 1. Jänner 2002 verfügt Öster­reich über ein vom IOC akkreditiertes Doping-Kontrolllabor im Forschungszentrum Sei­bersdorf.

Mit einem bundesweiten Anti-Doping-Gesetz wird dann auch innerstaatlich das umge­setzt, wozu wir uns international bekennen: einheitliche Richtlinien für die Sportlerinnen und Sportler und damit Rechtssicherheit. Und das dient nicht nur den Sportlern; Sport hat in Österreich eine enorme wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Bedeutung. Leidet das Image des Sports, leidet dadurch auch die Wirtschaft und leiden auch die Sportlerherzen der Österreicherinnen und Österreicher.

Zum Abschluss noch ein persönliches Wort als ehemalige Spitzensportlerin: Doping ist oftmals ein Problem fehlenden Wissens. Wir brauchen daher eine intensive Ausbildung und Information der Sportlerinnen und Sportler sowie deren Trainer und Betreuer.

Doping passiert meist als Folge unseres Leistungsdrucks. Nur Siege zählen. Wir Politi­ker sollten Bewusstseinsbildung in die Richtung betreiben, dass Leistungen und nicht Platzierungen zählen – ganz nach dem Motto: Jeden Meter, jede Sekunde mit gutem Gewissen! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bucher.)

20.11

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fleckl. – Bitte.

 


20.11

Abgeordnete Anita Fleckl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Liebe Frau Kollegin, ich denke nicht, dass der Herr ehemalige Staatssekretär damit meint, dass der Herr Bundeskanzler seinem Herrn Staatssekretär das Vertrauen ab­spricht. Es geht nur darum, dass der Herr Bundeskanzler kein Interesse am Sport zeigt, keine Stellungnahme abgibt, mit seiner Abwesenheit glänzt und dem Anti-Doping-Gesetz und dem Berufssportgesetz et cetera im Ausschuss eine Absage erteilt hat. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Zweytick.)

Aber nun zum Vier-Parteien-Antrag. Ein Vier-Parteien-Antrag ist natürlich etwas sehr Erfreuliches; wir hoffen nur, dass er nicht in irgendeiner Schublade verschwindet, wie wir das ja aus vielen Fällen kennen.

Junge, aber auch erfahrene Spitzensportler tappen allzu oft unter dem Druck der ge­forderten Leistungen oder aus übertriebenem Ehrgeiz leicht in diese Falle, um schnellstmöglich Ergebnisse erzielen zu können. Wir von der SPÖ fordern aus diesen Gründen klare gesetzliche Maßnahmen, um die Bekämpfung des Doping-Missbrauchs auch effizient zu gestalten – so zu gestalten, dass jene bestraft werden, die unfair ge­handelt haben, aber jenen geholfen wird, denen Unrecht geschieht, wie zum Beispiel durch ein einheitliches Anti-Doping-Gesetz.


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Oder: Es soll Doping-Untersuchungen nach internationalem Standard geben, aber auch die Einrichtung einer weisungsfreien und unabhängigen Instanz, die Sanktionen auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft.

All das sind wichtige Aspekte, die es von Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren von der Regierung, zu erarbeiten und in naher Zukunft umzusetzen gilt.

Aber es bedarf nicht nur der entsprechenden Gesetze, sondern auch Bewusstseinsbil­dung, wie wir heute schon gehört haben, ist dringend erforderlich. Unser Ziel muss sein, durch geeignete Maßnahmen wie Prävention, Aufklärungs- und Imagekampag­nen gerade im Jugend- und Schulbereich auf die Gefahren des Doping-Missbrauchs aufmerksam zu machen. Schneller, höher, weiter hat im Wettkampf durchaus seine Berechtigung, aber auf einer natürlichen Basis. Im Breitensport sollte doch die Freude am Sport im Vordergrund stehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.13

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

 


20.13

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Staatssekretär! Frau Kollegin, den Vorwurf, dass sich der Herr Bundes­kanzler für Sport nicht interessiert, muss ich auf das Entschiedenste zurückweisen. Ich weiß, dass der Herr Bundeskanzler ein begeisterter Sportler ist, aber nichtsdestotrotz haben wir hier einen Staatssekretär, der für den Sport prädestiniert und dafür auch zuständig ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Zweytick: Beim Fußball hat er Schwächen!) – Ich habe nur 3 Minuten Redezeit!

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zur Ermöglichung von Kontrollen im Wett­kampfsport, im Mannschaftssport sowie im Einzelsport, und zwar im ganzen Sportbe­reich, im Freizeitsport, im Jugendsport wie auch im sportnahen Bereich, in Fitnesscen­tern und so weiter, ist es – und diese Meinung vertrete ich schon seit langem – auch aus rechtstaatlichen Gründen unbedingt notwendig, in der österreichischen Rechtsord­nung so wie jetzt einen klar abgesteckten gesetzlichen Rahmen für die Bekämpfung des Doping-Missbrauchs, die Anordnung von Strafen, aber auch den Rechtschutz der Betroffenen zu schaffen und dafür zu sorgen, was mit diesem Anti-Doping-Gesetz im Sinne des Sports jetzt auch geschieht. Und darauf können wir alle stolz sein!

Ich bin froh darüber, dass es hier einen Vier-Parteien-Antrag gibt. (Beifall bei den Frei­heitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.15

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Sonnberger. – Bitte.

 


20.15

Abgeordneter Dr. Peter Sonnberger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatsekretär! Hohes Haus! Mit dem Entschließungsantrag für die Schaf­fung eines neuen Anti-Doping-Gesetzes ist ein Sprung gelungen, das Doping-Problem auf nationaler Ebene unter Beachtung von internationalen Standards in den Griff zu bekommen. Wir leben in einer Zeit, in der Bewegung und Sport einen immer höheren Stellenwert in unserer Gesellschaft einnehmen. Von den Kleinkindern bis zu den Seni­oren ist Sportausübung auch im Sinne einer modernen Gesundheitsvorsorgepolitik notwendiger denn je. Der Breitensport braucht den Spitzensport – und umgekehrt. Im Spitzensport, aber auch im Amateursport geht es um das Ausreizen von Leistungs­grenzen.


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Aber auch der Druck der Sportler durch die Sponsoren, die Trainer und vor allem das Publikum, Höchstleistungen und immer neue Rekorde sehen zu wollen, steigt. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Hemmschwelle, zu illegalen Unterstützern zu grei­fen, sinkt. Umso mehr ist es meines Erachtens notwendig, bei der Ausübung des Spit­zensports auch für gleiche und damit faire Wettkampfbedingungen zu sorgen.

Die vom Nationalrat genehmigte Anti-Doping-Konvention des Europarates hat zur Ein­richtung des Österreichischen Anti-Doping-Comités geführt. Im Jahr 2003 haben 73 Regierungen bei der Welt-Anti-Doping-Konferenz die Erklärung von Kopenhagen unterzeichnet. Der Europarat und die UNESCO wollen diese Erklärung von Kopenha­gen einarbeiten. Es soll auch in Österreich eine eigene übersichtliche bundesgesetzli­che Regelung geschaffen werden, die internationale Standards berücksichtigt.

Der Entschließungsantrag sieht vor, dass die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Bundesländern eine Regierungsvorlage erarbeiten wolle, die eine verfassungs­rechtliche Grundlage dafür schafft, internationale Standards für die Anordnung und Durchführung von Doping-Untersuchungen vorzusehen, weiters, international orien­tiert, Sanktionen enthält, eine Appellationsmöglichkeit vorsieht und eine unabhängige und weisungsfreie Rechtsmittelinstanz einrichtet.

Zum Schluss darf ich bemerken: Internationale Standards sichern gleiche Wettbe­werbsbedingungen und damit Fairness unter den Sportlerinnen und Sportlern. Ich freue mich darüber, dass alle vier Parlamentsparteien diesen Entschließungsantrag unterstützen und hoffe auf eine rasche Umsetzung. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

20.17

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

 


20.17

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer die morgige Ausgabe der „Kro­nen Zeitung“ liest, nämlich den Sportteil, sieht sehr genau die Dramatik im Doping-Bereich. Dort heißt es: Olympiasieger aus dem Doping-Labor. – Daher ist dieser An­trag, dieser gemeinsame Vier-Parteien-Antrag notwendig, damit wir in Österreich end­lich die rechtlichen Voraussetzungen für ein faires Verfahren gegenüber Sportlern, die des Dopings verdächtigt oder dessen überführt worden sind, bekommen.

Aus diesem Grund unterstützen wir diesen Antrag. Ich darf in Erinnerung rufen, dass die sozialdemokratische Fraktion bereits in der letzten Legislaturperiode einen derarti­gen Antrag eingebracht und ein eigenes Anti-Doping-Gesetz gefordert hat.

Hohes Haus! Das Hauptproblem – und ich komme mir bereits wie ein Wanderprediger vor – liegt aus meiner Sicht aber immer noch beim Doping im Breitensport, bei verun­reinigten Nahrungsergänzungsmitteln, die Prohormone beinhalten. Unsere Fraktion hofft, dass die gesetzlichen Bestimmungen, die jetzt im Arzneimittelgesetz geschaffen worden sind, dass nämlich die Lebensmittelaufsichtsorgane Proben ziehen können und Nahrungsergänzungsmittel auf verbotene Stoffe untersucht werden, und zwar in Sei­bersdorf, dass diese Rahmenbedingungen auch tatsächlich durch das Gesundheitsmi­nisterium geschaffen werden.

Die Diskussion über Nahrungsergänzungsmittel wird weitergehen. Ich persönlich glau­be, dass eine grundsätzliche Diskussion darüber zu erfolgen hat, was Nahrungsergän­zungsmittel überhaupt im Sport zu suchen haben. (Beifall bei der SPÖ und den Grü­nen.)


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62. Sitzung / Seite 218

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abschließend noch eines: Die SPÖ-Fraktion hat in der letzten Sitzung des Sportausschusses auch die Frage von Fair Play bei den Olympischen Spielen aufgeworfen. Fair Play betrifft einerseits den Sport, die Sportaus­übung, andererseits aber auch Fair Play gegenüber den Menschen, die in Drittländern, die in Ländern der Dritten Welt unter menschenunwürdigsten Bedingungen Sportartikel produzieren, Sportartikel verkaufen müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt die Aktion des Österreichischen Ge­werkschaftsbundes, es gibt die Aktion von ILO, internationalen Organisationen, die Sportartikelhersteller aufzufordern, Fair Play gegenüber jenen Menschen einzuhalten, die Sportartikel, insbesondere Bekleidungsstücke, herstellen.

Herr Staatssekretär, ich hoffe, dass die Bundesregierung und Sie an das Österreichi­sche Olympische Komitee herantreten und Einfluss darauf nehmen, dass diesen For­derungen des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, von österreichischen Initiativen, aber auch von Abgeordneten dieses Hauses erfüllt werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.20

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Ab­geordneter Pack. – Bitte.

 


20.21

Abgeordneter Jochen Pack (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Das Problem Doping ist nicht nur, wie erwähnt, ein Informationsproblem, sondern auch ein Problem unserer Gesellschaft. Wir alle leben in einer Leistungsgesellschaft, und der Leistungssport widerspiegelt sich da einfach. Im Leistungssport werden viel strengere Maßstäbe als im gesellschaftlichen Leben oder im beruflichen Alltag ange­setzt.

Wie wichtig ein Anti-Doping-Gesetz ist, brauche ich nicht näher zu erklären, denn elf Redner vor mir, glaube ich, haben die Wichtigkeit des Gesetzes bereits erläutert.

Zusammenfassend: Dieses Gesetz soll folgende Punkte beinhalten: Es ist wichtig, dass wir Rahmenbedingungen schaffen, die die Bekämpfung von Doping-Missbrauch sowie die Anordnung und Durchführung von Doping-Untersuchungen erleichtern, und dass wir hier auch Rahmenbedingungen zur Anordnung von Sanktionen nach den in­ternationalen Standards haben.

Das Appellationsverfahren wurde bereits von meinem Kollegen Sonnberger näher be­schrieben.

An Kollegen Wittmann noch eine ganz kurze Frage: Wie oft war Ihr Bundeskanzler Klima bei Sportdiskussionen im Parlament anwesend? – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.22

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Ab­geordneter Faul. – Bitte.

 


20.22

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Lichtenegger, ich möchte Ihnen nur meinen sehr vehementen Zwischenruf erklären, der Sie bei der Anfrage-Besprechung so irri­tiert hat. Ihr könnt euch nicht immer hier heraus stellen und die Projekte, die ihr macht, belobigen, ohne jemals zu fragen, wer das bezahlt.


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Ich muss euch sagen: Diejenigen, die zum Zahlen übrig bleiben, sind immer die Ge­meinden. Wir Gemeinden zahlen für die Zusatzprojekte in den Kindergärten, wir zah­len in den Pflichtschulen, wir gehen in Vorleistung für den Bund in den höheren und mittleren Schulen, weil sich der Bund das auch nicht mehr leisten kann, und wir tragen letztlich auch den ganzen Vereinssport.

Warum ich so grantig bin? – Herr Staatssekretär! Ich habe es dir das letzte Mal nicht sagen können, weil ich in eine Sitzung des Unterrichtsausschusses musste, aber: Ich habe zum Beispiel ein Fußballleistungszentrum gegründet – die Stadtgemeinde, wir also gehen in Vorleistung für die Verpflegungskosten, wir gehen in Vorleistung für die Unterbringungskosten, wir gehen in Vorleistung für die Trainingskosten, und dann ist da noch der Österreichische Fußballverband, der die Trainer bezahlt und sich da auch noch eine Anleihe von Frank Stronach holen muss, weil es sich nicht ausgeht.

Für den normalen Schulbetrieb brauche ich lächerliche zehn Stunden pro Jahr. – Ich kann euch diese Odyssee gar nicht beschreiben: vom Unterrichtsministerium, das mich an dein Ressort, Herr Staatssekretär, verweist, das mich dann wieder zurück verweist, dass ich zu lächerlichen zehn Stunden für ein Fußballleistungszentrum komme, das viele Bezirke in meiner Region bedienen könnte. Das ist, finde ich, schleißig.

Man kann nur sagen: Wenn ich ein Projekt durchziehe, wenn ich zu einem Projekt ste­he, das den Sport, insbesondere den Fußballsport fördert, dann muss ich auch dafür „brennen“. (Beifall bei der SPÖ.)

20.24

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Ab­geordneter Dipl.-Ing. Regler. – Bitte.

 


20.24

Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Sport ist Bewegung, und Bewegung ist wichtig für die Gesundheit. Wir haben erst in den letzten Tagen wieder gehört, wie gut eine Stunde, zwei Stunden oder gar drei Stunden Sport pro Woche zur Verringerung des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankun­gen sind. Für die Gesundheit der Bevölkerung ist es daher wichtig, Sport auszuüben.

Wichtig ist der Breitensport. Indikatoren für den Breitensport sind sicher einmal die Schule, das Elternhaus, aktive Sportvereine, aber auch – und die sind ganz besonders wichtig – Vorbilder, und diese findet man eben im Berufssport, im Spitzensport. Den­ken wir nur daran, welchen Aufschwung der Tennissport genommen hat, als Thomas Muster noch aktiv war, oder in meiner Jugend die Leichtathletik durch Armin Harry und Roger Bannister. Wir brauchen diese Vorbilder.

Nun ist aber das Problem, dass sich der menschliche Körper als Ganzes in einem sehr heiklen Gleichgewicht befindet – die Muskeln, Sehnen, Bänder, Gelenke, Knochen, der Kreislauf. Und wenn hier ein Störfaktor hineinkommt, zum Beispiel die Muskeln durch Dopingmittel zu stark aufgebaut werden, dann versagt das Gelenk, gibt es Probleme mit den Sehnen beziehungsweise mit den Bändern.

Im Interesse der Gesundheit muss man hier sehr vorsichtig sein. Es darf nicht so sein, dass sich der Breitensportler am Spitzensportler ein Beispiel nimmt und sagt: Was der kann, kann ich auch, ich baue auch meine Muskeln so auf!

Das Hauptproblem, das wir auch im Ausschuss erkannt haben, ist die Kompetenz. Der Sport ist Landessache, liegt im selbständigen Wirkungsbereich der Länder, Arti­kel 15 Abs. 1 B-VG. Und sicher möchte niemand den Ländern die Kultur oder den Sport wegnehmen. Wir müssen derzeit aber beispielsweise das Gesundheitswesen heranziehen, um im Arzneimittelgesetz eine Regelungsmöglichkeit für den Dopingbe­reich zu finden.


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Ich hoffe daher, dass dieser Initiativantrag der Beginn dafür ist, eine sinnvolle Vertei­lung zu finden, dass der Bund dort, wo es notwendig ist, regelnd eingreifen kann, den Ländern aber keine Kompetenzen weggenommen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

20.26

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Ab­geordnete Schasching. – Bitte.

 


20.26

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ge­schätzte Damen und Herren! Uns liegt ein Vier-Parteien-Antrag vor, der notwendig und richtig ist und logischerweise unsere Zustimmung finden wird, zur Vorlage eines Anti-Doping-Gesetzes.

Wir wünschen uns diese Vorlage sehr bald, und wir wünschen uns, dass es ihr nicht so geht wie der Vorlage zum Berufssportgesetz. Denn, Herr Staatssekretär, es ist nun einmal nicht möglich, sich auf wen auch immer – und sei es auch der Verfassungsge­richtshof – auszureden, wenn es die Regierungsparteien, die Regierungsfraktionen nicht schaffen, eine gemeinsame Entschließung in der vorgenommenen Zeit umzuset­zen. Da gibt es keine Ausrede, und das möchte ich hier an dieser Stelle wirklich noch einmal festhalten. Diese Ausrede gibt es nicht, das sei auch Herrn Sonnleitner gesagt. (Abg. Mag. Molterer: Wer ist das? Sonnberger!) – Dem Herrn Kollegen, der sich auch darauf berufen hat.

Gerade die heutige Vorgangsweise beim Thema Sport war etwas verwunderlich, und zwar deshalb, weil es, meine ich, Generalkompetenz des Bundeskanzlers ist, und ge­rade in seiner Kompetenz sollte er darauf einwirken, dass die ÖVP-Fraktion bei Dingen mitzieht, die der Staatssekretär einleiten möchte. Sprich: nicht im Ausschuss enderledi­gen, sondern im Plenum debattieren. Sich möglicherweise, wenn man schon eine De­batte im Hohen Haus zum Thema Sport haben möchte, einer Oppositions-Anfrage zu bedienen, damit der Sport überhaupt debattiert werden kann, das, geschätzte Damen und Herren, sind Kunstgriffe, eine ganz neue Methode, wo ich mir möglicherweise anschaue, ob ich es in Zukunft vielleicht für andere Dinge auch brauchen kann. Aber etwas wirklich Tolles ist das, bitte, nicht, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir hätten in der Tat wichtige Themen zu besprechen, sehr wichtige Themen. Es bleibt das „Jahr der Erziehung durch Sport“ 2004 so stehen, aber dieses Jahr wird trotzdem als jenes Jahr in die Geschichte eingehen, in dem die Bundesregierung zu verantwor­ten hatte, dass Sportstunden gekürzt wurden. Wenn auch Sie, Herr Staatssekretär, sich aus dieser Verantwortung verabschieden, so ist es doch Faktum: In diesem Jahr, in dem man besondere Initiativen setzen möchte, kürzt man gleichzeitig die Möglich­keit, in den Schulen Bewegung auszuführen! Auch das muss ich Ihnen hier noch ein­mal mit auf den Weg geben.

Es gibt aber noch ein Thema, das uns alle sehr interessiert, vor allem, denke ich, die fußballbegeisterten Kolleginnen und Kollegen. Es gibt in Österreich derzeit ein sportpo­litisches Thema, das in einer solch enormen Breite debattiert wird, dass wir uns auch Gedanken darüber gemacht haben und es mittels Entschließung im Parlament dem Herrn Bundeskanzler überantworten, uns Auskunft darüber zu geben.

Es geht um den Verkauf der Übertragungsrechte an die Bietergruppe Premiere/ATV. Das hat sehr wohl eine Welle der Empörung ausgelöst. Die Konsequenz für die Öster­reicherInnen ist, dass Übertragungen der Bundesliga und der Ersten Liga in den nächsten drei Jahren nicht mehr über den ORF ausgestrahlt werden, sie wandern also in den kostenpflichtigen Abonnement-TV-Bereich. Die Konsequenz für die Konsumen-


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62. Sitzung / Seite 221

tinnen und Konsumenten: Sie können Live-Spiele nur noch empfangen, wenn sie neben den ORF-Kosten weitere Kosten auf sich nehmen.

Daher haben wir uns in einer Entschließung darauf verständigt, dem Bundeskanzler die Verantwortung zu übertragen und ihn zu bitten, nach dieser Saison dem Hohen Haus einen Bericht zuzuleiten, in dem wir die Auswirkungen genau dieser Vorgangs­weise auf den österreichischen Fußball und auf die weitere Konstellation der Sport­übertragungen allgemeiner Art im ORF abgefragt und festgeschrieben haben möchten.

Schließlich soll der Bericht auch eine Antwort darauf geben, ob die Verordnung der Bundesregierung über Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung ergänzt und verändert werden soll, denn dafür gibt es ein entsprechendes Bundesgesetz. Auch darüber möge uns der in Sachen Sport zuständige Bundeskanzler Auskunft geben. –Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.31

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Ab­geordneter Gahr. – Bitte.

 


20.31

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Das Thema Doping ist eine komplexe Materie mit emotionaler Wirkung und natürlich auch mit einer großen Wirkung nach außen. Daher ist der vorliegende Vier-Parteien-Antrag zu begrüßen und zu unterstützen, wonach die Erstellung eines Anti-Doping-Gesetzes eingeleitet werden soll.

Unser Auftrag hier im Hohen Hause ist es, dass wir auf breiter Basis, aber unter Ein­bindung aller Kräfte – und diese Materie verlangt alle Kräfte – ein durchführbares, ad­ministrierbares Anti-Doping-Gesetz vorlegen. Die Welt lebt von Vorbildern. Der Sport ist für viele junge Menschen Vorbild, und daher haben wir diesen Auftrag auch auszu­führen. Wir brauchen ein Anti-Doping-Gesetz, welches Fairness im Sportbereich auch in Zukunft gewährleistet, Missbrauch ausschließt und Österreich als Sportland auf Vor­dermann bringt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.32

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort ge­meldet hat sich Herr Staatssekretär Mag. Schweitzer. – Bitte.

 


20.32

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ausführungen von Frau Kollegin Schasching möchte ich nur ganz kurz kommentieren. Sie muss schon wissen, dass die Bundesliga ein privater Verein ist und Sponsorverträge abschließen kann, mit wem immer sie will. Und wenn die Bundesliga die Fernsehrechte einem privaten Sender gibt, dann ist das ihre Sache.

Ich erinnere an einen Präsidenten, nämlich den Präsidenten Rapids, der diesen Ent­schluss auch sehr begrüßt hat und gemeint hat, 20 € seien doch kein Geld, das werde sich doch jeder leisten können, um diesen Empfänger für diesen Privatfernsehsender zu bekommen. – Ich verweise nur darauf, dass man um 20 € auch schon ziemlich viele Wurstsemmeln kaufen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.33

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Ab­geordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

 



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62. Sitzung / Seite 222

20.33

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich weiß, Sie fragen sich jetzt: Warum meldet sie sich jetzt auch noch zu Wort? – Nicht, um Ihnen das Nachhausegehen zu erschweren, um Sie noch länger hier festzuhalten, sondern um noch einen Antrag einzubringen. Und der Grund dafür, dass ich das jetzt mache, ist, dass die ÖVP leider nicht imstande war, innerhalb von zwei Tagen zu klären, ob sie nicht vielleicht bereit ist, einen Vier-Par­teien-Antrag im nächsten Sportausschuss noch vor der Olympiade einzubringen. Dann hätte ich mich jetzt nämlich nicht mehr gemeldet. Aber so melde ich mich jetzt und erkläre Ihnen kurz, was „Jacky“ Maier schon angesprochen hat, nämlich das Thema „Play Fair at the Olympics!“, und dass ich dazu noch einen Entschließungsantrag ein­bringen werde.

Sie wissen, Fairness zählt nur im Bereich des Doping, sondern auch im Bereich des sportlichen Wettkampfes. Da geht es wohl auch um die Frage, wer die Sporttrikots, die Sportschuhe und so weiter produziert und zu welchen Bedingungen. Da gibt es meist keine gerechte Entlohnung, dort dürfen oft keine Gewerkschaften gegründet werden. Frauen werden entlassen, wenn sie schwanger werden, und so fort. Da gibt es jetzt eine Kampagne von verschiedensten Organisationen, die vor der Olympiade auf diese Umstände aufmerksam machen wollen.

Dazu haben wir einen Antrag vorbereitet, gerichtet vor allem an Herrn Staatssekretär Schweitzer, der sich in Vorgesprächen schon durchaus positiv geäußert hat und dem Thema aufgeschlossen gegenübersteht. Ich werde den Antrag jetzt einbringen – viel­leicht gibt es doch eine Zustimmung. Ich denke, Fairness kann sich nicht auf Anti-Doping beschränken, sondern hat einen breiteren Zusammenhang.

Ich bringe also folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Lunacek, Brosz, Schasching, Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aktion „Play Fair at the Olympics!“ eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den Antrag 301/A (E) der Abgeordneten Elmar Lichtenegger, Peter Haubner, Dr. Peter Wittmann, Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines „Anti-Doping-Gesetzes“ (482 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere der Staatssekretär für Sportangelegenheiten wird aufgefordert, sich öffentlich für das Anliegen der Aktion „Fair Play at the Olym­pics!“ einzusetzen.

Weiters soll die Bundesregierung und insbesondere der Staatssekretär für Sportange­legenheiten im Vorfeld der heurigen Olympiade gegenüber dem ÖOC, gegenüber den Sportlerinnen und den Vereinen auf diese Zusammenhänge aufmerksam machen und die Vorschläge der Aktion „Fair Play at the Olympics!“ zu unterstützen.

Die Bundesregierung wird weiters aufgefordert, sich im europäischen und im internatio­nalen Rahmen für die Einhaltung von sozialen und ökologischen Mindeststandards der Sportartikel-Hersteller gegenüber deren MitarbeiterInnen einzusetzen.

*****

Meine Damen und Herren! Vielleicht gibt es zu diesem Antrag, auch wenn er zu schon vorgeschrittener Stunde eingebracht wird, doch noch eine Zustimmung, denn Fairness


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ist ein sehr breites Feld und nicht nur auf Anti-Doping beschränkt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

20.36

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Lunacek, Brosz, Schasching, Kolleginnen und Kollegen ist ausrei­chend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Lunacek, Brosz, Schasching, Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aktion „Play Fair at the Olympics!”, eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den Antrag 301/A(E) der Abgeordneten Elmar Lichtenegger, Peter Haubner, Dr. Peter Wittmann, Deiter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines „Anti-Doping-Gesetzes“ (482 d. B.)

Das olympische Ideal fordert Fairness im sportlichen Wettkampf. Ein klares Bekenntnis gegen den Einsatz von Dopingmitteln ist ein Teil dieses Anspruchs auf Fairness.

Fairness sollte aber auch für die vom Hochleistungssport profitierenden Sportartikel-Erzeuger gelten. Es kann nicht angehen, dass Stars wie David Beckham mit diesen Firmen millionenschwere Werbeverträge abschließen, während gleichzeitig vielen Arbeiterinnen an den Produktionsstätten in Lateinamerika, Asien oder Afrika die funda­mentalsten Arbeitsrechte, wie etwa eine gerechte Entlohnung, verweigert werden.

Die österreichische Clean Clothes-Kampagne, die nun gemeinsam mit Oxfam Interna­tional und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund die Aktion "Play Fair at the Olym­pics!" gestartet hat, hat aufgezeigt, dass die Einhaltung von Mindeststandards oft nur ein leeres Versprechen der Sportartikel-Hersteller bleibt. Soziale und ökologische Min­deststandards für Unternehmen müssen auf internationaler Ebene geregelt werden. Es muss möglich werden, Verstöße gegen internationale Vereinbarungen, wie sie zum Bei­spiel im Rahmen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO getroffen werden, zu ahn­den.

Auch die Verantwortlichen in Österreich sind aufgerufen, im Vorfeld der Olympiade gegenüber Sponsorinnen als auch gegenüber den Sportlerinnen und den Vereinen auf diese Zusammenhänge aufmerksam zu machen und die Vorschläge der Aktion „Fair Play at the Olympics!" zu unterstützen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere der Staatssekretär für Sportangelegenheiten wird aufgefordert, sich öffentlich für das Anliegen der Aktion „Fair Play at the Olym­pics!" einzusetzen.

Weiters soll die Bundesregierung und insbesondere der Staatssekretär für Sportange­legenheiten im Vorfeld der heurigen Olympiade gegenüber dem ÖOC, gegenüber den Sportlerinnen und den Vereinen auf diese Zusammenhänge aufmerksam machen und die Vorschläge der Aktion „Fair Play at the Olympics!" zu unterstützen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
62. Sitzung / Seite 224

Die Bundesregierung wird weiters aufgefordert, sich im europäischen und im internatio­nalen Rahmen für die Einhaltung von sozialen und ökologischen Mindeststandards der Sportartikel-Hersteller gegenüber deren MitarbeiterInnen einzusetzen.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 482 der Beilagen ange­schlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 59.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Lunacek, Schasching, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aktion „Play Fair at the Olympics!“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ und den Grünen für die sich von ihrem Platz erhebende Abg. Turkovic-Wendl.) – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 402/A bis 410/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 1813/J bis 1844/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 20.38 Uhr, das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung, ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 20.37 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien