Stenographisches Protokoll

66. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 16. Juni 2004

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 


Stenographisches Protokoll

66. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode                      Mittwoch, 16. Juni 2004

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 16. Juni 2004: 13.58 – 22.17 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Wahl des Zweiten Präsidenten des Nationalrates/der Zweiten Präsidentin des Nationalrates

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Bau­arbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957, das Insolvenz-Entgeltsicherungs­gesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch und das Jugendausbildungs-Siche­rungsgesetz geändert werden (Arbeitsmarktreformgesetz)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2004 – 2. SVÄG 2004)

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die zusätzliche Beauf­sichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats (Finanzkonglomerategesetz – FKG) erlassen wird sowie das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Börsegesetz und das Pensions­kassengesetz geändert werden

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gebührengesetz 1957, das Bewertungs­gesetz 1955, das Bodenschätzungsgesetz 1970 und das Abgabenverwaltungsorgani­sationsgesetz geändert werden

7. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gebührenanspruchsgesetz 1975 geändert wird

8. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll


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9. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Moldau zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

10. Punkt: Bericht über den Antrag 386/A der Abgeordneten Fritz Neugebauer, Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Personalvertretungsgesetz, BGBl. Nr. 133/1967, zuletzt geändert durch das Bun­desgesetz BGBl. I Nr. 130/2003, geändert wird

11. Punkt: Bericht über den Antrag 388/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stumm­voll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Garantiegesetz 1977 geändert wird

12. Punkt: Bundesgesetz zur Bereinigung von Bundeshaftungsgesetzen (Bundes­haftungsrechtsbereinigungsgesetz)

13. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Einrichtung und die Tätig­keit einer Arbeitslosenanwaltschaft (404/A)

*****

Inhalt

Nationalrat

Mandatsverzicht des Abgeordneten Dr. Heinz Fischer ................................................ 8

Angelobung des Abgeordneten Mag. Norbert Darabos .............................................. 8

1. Punkt: Wahl des Zweiten Präsidenten des Nationalrates/der Zweiten Prä­sidentin des Nationalrates               ............................................................................................................................... 10

Beschluss auf Durchführung einer Debatte ................................................................... 10

Redner:

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 10

Mag. Barbara Prammer ............................................................................................... 11

Mag. Dr. Magda Bleckmann ........................................................................................ 13

Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................... 14

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer ............................................................................... 16

Dr. Alfred Gusenbauer ................................................................................................ 16

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................... 17

Dr. Gertrude Brinek ..................................................................................................... 19

Karl Öllinger .................................................................................................................. 20

Wahlergebnis:

Zweite Präsidentin: Mag. Barbara Prammer ............................................................... 21

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 8

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Verant­wor-


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tung von Bundesministerin Gehrer als Aufsichtsorgan der Bundesmuseen hinsichtlich der fehlenden Konsequenzen aus offenkundigen Missständen im Kunsthistorischen Museum gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung ................ 123

Bekanntgabe ..................................................................................................................... 9

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG ............................................................................................................ 9

Redner:

Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................. 124

Dr. Andrea Wolfmayr ................................................................................................. 127

Mag. Christine Muttonen ........................................................................................... 128

Mares Rossmann ....................................................................................................... 130

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................. 130

Ablehnung des Antrages .............................................................................................. 131

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung ............................................................................................................ 9

Verlangen gemäß § 88 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung der geheimen Wahl des Zweiten Präsidenten/der Zweiten Präsidentin des National­rates in Wahlzellen ......................... 20

Unterbrechungen der Sitzung ...............................................................................  20, 21

Ausschüsse

Zuweisungen ........................................................................................................  8, 9,122

Verhandlungen

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Re­gierungsvorlage (464 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosen­versiche­rungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finan­zierungsgesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch und das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz geändert werden (Arbeitsmarktreform­gesetz) (543 d.B.) ............... 22

Redner:

Karl Öllinger .................................................................................................................. 22

Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................................................ 24

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................... 25

Heidrun Silhavy ............................................................................................................ 27

Theresia Haidlmayr ...................................................................................................... 28

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................... 30

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................... 32

Dr. Werner Fasslabend ................................................................................................ 36

Ulrike Königsberger-Ludwig ...................................................................................... 37

Maximilian Walch ......................................................................................................... 39

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ............................................................................. 40

Erika Scharer ................................................................................................................ 42

Mares Rossmann ......................................................................................................... 43

Barbara Riener ............................................................................................................. 44

Mag. Elisabeth Grossmann ........................................................................................ 45

August Wöginger ......................................................................................................... 46

Karl Dobnigg ................................................................................................................. 47


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Christine Marek ............................................................................................................ 49

Georg Keuschnigg ....................................................................................................... 50

Mag. Walter Tancsits ................................................................................................... 51

Annahme des Gesetzentwurfes ..................................................................................... 52

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regie­rungsvorlage (475 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden (544 d.B.) ...................... 52

Redner:

Walter Schopf ............................................................................................................... 52

Fritz Neugebauer .......................................................................................................... 54

Dietmar Keck ................................................................................................................ 54

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................... 55

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................... 56

Rudolf Nürnberger ....................................................................................................... 57

Karl Öllinger .................................................................................................................. 58

Dr. Werner Fasslabend ................................................................................................ 59

Annahme des Gesetzentwurfes ..................................................................................... 60

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regie­rungsvorlage (469 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozial­ver­sicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (2. Sozialversicherungs-Änderungs­gesetz 2004 – 2. SVÄG 2004) (536 d.B.) .............. 60

Redner:

Heidrun Silhavy ............................................................................................................ 60

Mag. Walter Tancsits ................................................................................................... 62

Dr. Kurt Grünewald ...................................................................................................... 63

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................... 65

Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck .......................................................................... 65

Mag. Christine Lapp ..................................................................................................... 66

Ridi Steibl ...................................................................................................................... 67

Karl Öllinger .................................................................................................................. 68

Maximilian Walch ......................................................................................................... 71

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat ...................................................................... 72

Heidrun Silhavy (tatsächliche Berichtigung) ................................................................ 73

Gabriele Heinisch-Hosek ............................................................................................. 74

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ............................................................................. 75

Manfred Lackner .......................................................................................................... 77

Christine Marek ............................................................................................................ 78

Karl Donabauer ............................................................................................................ 79

Annahme des Gesetzentwurfes ..................................................................................... 80

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (456 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats (Finanzkonglomerategesetz – FKG) erlassen wird sowie das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichts­gesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Börsegesetz und das Pen­sionskassengesetz geändert werden (520 d.B.) ........................................................................................................................ 80


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6. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (470 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gebührengesetz 1957, das Bewertungsgesetz 1955, das Bodenschätzungsgesetz 1970 und das Abgabenverwaltungsorgani­sations­gesetz geändert werden (521 d.B.) ........................ 81

7. Punkt: Bericht und Antrag des Finanzausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gebührenanspruchsgesetz 1975 geändert wird (522 d.B.) ........................................... 81

Redner:

Dr. Christoph Matznetter ............................................................................................. 81

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ...................................................................................... 83

Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 85

Josef Bucher ................................................................................................................. 87

Mag. Dietmar Hoscher ................................................................................................. 87

Dr. Ferdinand Maier ..................................................................................................... 89

Marianne Hagenhofer .................................................................................................. 90

Mares Rossmann ......................................................................................................... 90

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................... 91

Peter Marizzi ................................................................................................................. 92

Gabriele Tamandl ......................................................................................................... 93

Mag. Johann Moser ..................................................................................................... 94

Detlev Neudeck ............................................................................................................. 94

Mag. Kurt Gaßner ......................................................................................................... 95

Anton Doppler .............................................................................................................. 96

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................... 97

Annahme der drei Gesetzentwürfe in 520, 521 und 522 d.B. ........................................ 98

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (454 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Ein­kommen und vom Vermögen samt Protokoll (524 d.B.) ..................... 99

9. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (494 d.B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Moldau zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhin­derung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (525 d.B.) .......................................... 99

10. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 386/A der Abgeord­neten Fritz Neugebauer, Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Personalvertretungsgesetz, BGBl. Nr. 133/1967, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 130/2003, geändert wird (527 d.B.) .......................................................................... 99

11. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 388/A der Abge­ordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Garantiegesetz 1977 geändert wird (528 d.B.) ............................................................ 100

12. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (480 d.B.): Bundesgesetz zur Bereinigung von Bundeshaftungsgesetzen (Bun­des­haftungsrechtsbereinigungsgesetz) (526 d.B.)        ............................................................................................................................. 100


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Redner:

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 100

Fritz Neugebauer ........................................................................................................ 101

Mag. Johann Moser ................................................................................................... 102

Josef Bucher ............................................................................................................... 104

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .........................................................................  105, 108

Mag. Heribert Donnerbauer ...................................................................................... 105

Mag. Johann Moser (tatsächliche Berichtigungen) ..........................................  106, 111

Mag. Dietmar Hoscher ............................................................................................... 107

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................................. 108

Mag. Hans Langreiter ................................................................................................ 109

Georg Oberhaidinger ................................................................................................. 110

Dr. Vincenz Liechtenstein ......................................................................................... 110

Dkfm. Dr. Hannes Bauer ........................................................................................... 112

Mag. Dr. Alfred Brader .............................................................................................. 113

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................................... 114

Jakob Auer .................................................................................................................. 114

Michaela Sburny ......................................................................................................... 115

Genehmigung der beiden Staatsverträge in 524 und 525 d.B. .................................... 116

Annahme der drei Gesetzentwürfe in 527, 528 und 526 d.B. ...................................... 116

13. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Einrichtung und die Tätigkeit einer Arbeitslosenanwaltschaft (404/A)          ............................................................................................................................. 117

Redner:

Karl Öllinger ................................................................................................................ 117

Dr. Franz-Joseph Huainigg ....................................................................................... 120

Heidrun Silhavy .......................................................................................................... 121

Maximilian Walch ....................................................................................................... 122

Zuweisung des Antrages 404/A an den Ausschuss für Arbeit und Soziales ............... 122

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Dr. Gertrude Brinek, Mag. Dr. Magda Bleckmann, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird (414/A)

Werner Amon, MBA, Mares Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird (415/A)

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hypothekenbankgesetz, das Pfand­briefgesetz und das Bausparkassengesetz geändert werden (416/A)

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Buchhaltungsagenturgesetz geändert wird (417/A)

Mag. Kurt Gaßner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsatz der beschlossenen Budgetmittel für Hochwassersanierungsmaßnahmen und Hochwasserschutzmaß­nah-


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men – kein Versickern der Mittel aus dem Katastrophenfonds in das allgemeine Budget (418/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Fluglärm durch den Flugplatz Wels (1890/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Aufbau einer integrativen Informationsgesellschaft (in Folge des WSIS 2003 in Genf) (1891/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „stillgelegte“ Strecken der ÖBB (1892/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Probleme mit Dr. Hrabcik (1893/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend österreichische Position zu REACH (1894/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend österreichische Position zu REACH (1895/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Online-Verfügbarkeit des Kunstberichts (1896/J)

Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Berichte über eine Veränderung der Bau­ausführung beim Projekt der Unterflurlegung der A 7 im Bereich Linz (1897/J)

Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Berichte über eine Veränderung der Bauausführung beim Projekt der Unterflurlegung der A 7 im Bereich Linz (1898/J)

Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Arbeit der Rechtsberater im Asylbereich (1899/J)



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Beginn der Sitzung: 13.58 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweite Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Dritter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die 66. Sitzung des Nationalrates ist eröffnet.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Lichtenberger, Kopf, Haubner, Verzetnitsch und Csörgits.

Mandatsverzicht und Angelobung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Von der Bundeswahlbehörde ist die Mitteilung einge­langt, dass Herr Abgeordneter Dr. Heinz Fischer auf sein Mandat verzichtet hat und an seiner Stelle Herr Mag. Norbert Darabos in den Nationalrat berufen wurde.

Da der Wahlschein bereits vorliegt und der Genannte im Hause anwesend ist, werde ich sogleich seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch den Schriftführer wird der neue Mandatar seine Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten haben.

Ich bitte nunmehr den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Jakob Auer, um die Ver­lesung der Gelöbnisformel.

 


Schriftführer Jakob Auer: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

 


Abgeordneter Mag. Norbert Darabos (SPÖ): Ich gelobe!

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich begrüße den neuen Abgeordneten herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Pensions-Volksbegehren (550 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird (547 d.B.);

Finanzausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Kohleabgabegesetz und das Energieabgabenvergütungs­gesetz geändert werden (516 d.B.),


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Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz und das Wertpapieraufsichtsgesetz geändert werden (546 d.B.);

Verkehrsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz, das Bundesgesetz über die Austro Control Gesellschaft mit beschränkter Haftung und das Bundesgesetz über den zwischen­staatlichen Luftverkehr 1997 geändert werden (548 d.B.).

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weiters weise ich zu wie folgt:

dem Justizausschuss:

Antrag 411/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser betreffend Verbands­klagerecht;

dem Gesundheitsausschuss:

Antrag 412/A (E) der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger betreffend Schaffung einer Wildtierauffangstation in Österreich;

dem Unterrichtsausschuss:

Antrag 413/A der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Mares Rossmann betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Akademiestudiengesetz geändert wird.

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen haben gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Untersuchungsausschuss zur Untersuchung der Verantwortung von Bundesministerin Elisabeth Gehrer als Aufsichtsorgan der Bundesmuseen hinsichtlich der fehlenden Konsequenzen aus offenkundigen Missständen im Kunsthistorischen Museum einzu­setzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine Debatte über den Antrag durchzuführen.

Gemäß dieser Bestimmung der Geschäftsordnung finden Debatte und Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung statt.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 5 bis 7 sowie 8 bis 12 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Werden dagegen Einwendungen erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden ent­sprechend vorgehen.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Dauer und Gestaltung der Debatten erzielt:

Tagesblockzeit: 7 „Wiener Stunden“, Redezeiten: ÖVP und SPÖ je 123 Minuten, Frei­heitliche 84 sowie Grüne 91 Minuten.


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Weiters wurde für die Debatte zu Tagesordnungspunkt 1 eine Redezeitbeschränkung von 10 Minuten pro Fraktion bei beliebig vielen Rednern festgelegt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein dies­bezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir werden so vorgehen.

1. Punkt

Wahl des Zweiten Präsidenten des Nationalrates/der Zweiten Präsidentin des Nationalrates gemäß § 21 Abs. 3 GOG

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen nun zum 1. Punkt der Tagesordnung.

In Übereinstimmung mit der Präsidialkonferenz schlage ich vor, dass wir eine Debatte durchführen. Dazu ist die Zustimmung des Hohen Hauses notwendig.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein dies­bezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

*****

Ich gebe bekannt, dass ein Wahlvorschlag vorliegt. Er wurde von der Sozial­demokratischen Partei eingebracht und lautet auf Abgeordnete Mag. Barbara Prammer.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Erster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Molterer. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


14.03

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geehrter Herr Präsident! Seit 1945 stellt die mandatsstärkste Partei im Nationalrat den Präsidenten, die zweitstärkste den Zweiten Nationalratspräsidenten – obwohl die Geschäftsordnung eine derartige Regelung nicht vorsieht. Das ist eine gute Usance, das ist eine richtige Usance, und die Österreichische Volkspartei wird daher auch an dieser Usance festhalten.

Das bedeutet, dass wir das Vorschlagsrecht der SPÖ für den Zweiten National­ratspräsidenten selbstverständlich respektieren. Das bedeutet aber auch, dass wir alle Vorschläge, die gemacht werden, hinsichtlich der konkreten Vorstellungen, die die Österreichische Volkspartei für dieses Amt respektive für die Ausübung dieses Amtes hat, nach bestem Wissen und Gewissen prüfen. Dazu zählen

erstens: Objektivität und Überparteilichkeit, insbesondere bei der Erfüllung der Amts­führung hier im Haus,

zweitens: eine eingehende Kenntnis der Geschäftsordnung und der parlamentarischen Spielregeln, aber nicht nur nach den Buchstaben, sondern auch nach dem Geist der Geschäftsordnung,

drittens: eine Vorbildwirkung bezüglich der Einhaltung der Bestimmungen der Ge­schäftsordnung, weil es ja der Vorsitz führende Präsident und somit selbstverständlich auch der Zweite Präsident ist, der die Würde des Hauses, den Anstand zu wahren hat und auch entsprechend Vorbild sein muss,


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viertens: die Beachtung der parlamentarischen und demokratischen Grundsätze, nicht nur hier im Parlament, sondern selbstverständlich auch nach außen, weil in Vertretung des Ersten Präsidenten der Zweite Präsident das Parlament selbstverständlich auch nach außen vertritt,

fünftens: die Konsens- und Kompromissfähigkeit, insbesondere bei der Koordinierung der Parlamentsarbeit in der Präsidiale, weil das die Grundvoraussetzung für das ordnungsgemäße Funktionieren eines guten Diskussionsprozesses hier im Hohen Haus darstellt,

sechstens: Vorrang des Ganzen vor egoistischen Einzelinteressen und kleinlichem Hickhack und

siebentens: die Gesprächsfähigkeit zu allen Fraktionen hier im Hohen Haus und selbstverständlich auch zur Bundesregierung.

Die Abgeordneten der Österreichischen Volkspartei werden ihre persönliche Ent­scheidung nach diesen Kriterien treffen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.06

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Mag. Prammer zu Wort. Wunschredezeit: 6 Minuten. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort.

 


14.06

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Lassen Sie mich zu Beginn kurz auf die Bedeutung des Präsidiums des Nationalrates hinweisen.

Jedes einzelne Mitglied des Präsidiums hat eine wichtige Funktion in unserer Demo­kratie und im österreichischen Parlamentarismus – das wissen wir natürlich alle. Deshalb begrüße ich es auch sehr, dass sich die Präsidialkonferenz, dass wir uns alle gemeinsam dazu entschlossen haben, über die Wahl des Zweiten Präsidenten/der Zweiten Präsidentin des Nationalrates eine Debatte durchzuführen. Sie gibt mir die Gelegenheit, zum Beispiel darauf hinzuweisen, dass ich von 1991 bis 1995 nicht nur Mitglied des Oberösterreichischen Landtages, sondern auch dessen Zweite Landtags­präsidentin war und dass ich seit 1999 dem Nationalrat angehöre.

Ich kann für mich und von mir schon sagen: Ich bin eine begeisterte und überzeugte Parlamentarierin. Ich habe gelernt, wie wichtig eine gute Zusammenarbeit mit allen Fraktionen im Haus ist, und Sie können sicher sein, ich werde mich darum auch ganz besonders bemühen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich fühle mich auf die Aufgabe im Präsidium gut vorbereitet, wenngleich ich natürlich weiß, wie schwierig diese Aufgabe ist. Ich weiß, dass jedes Präsidiumsmitglied ständig, bei jeder Sitzung sich darum bemühen und daran arbeiten muss, damit ihm von den Mitgliedern des Nationalrates, aber auch der Öffentlichkeit die Eigenschaften der Objektivität und überparteilichen Vorsitzführung tatsächlich und in bestmöglichem Aus­maß zugebilligt werden.

Ich werde mich – sollte ich gewählt werden – in jedem Fall in besonderem Maße um diese Objektivität und Überparteilichkeit in der Vorsitzführung stets bemühen. Dies bedeutet aber nicht – und ich denke, gerade auch die Verabschiedung von Präsident Fischer hat das sehr deutlich gezeigt; es legen viele Präsidiumsmitglieder hier auch immer wieder deutlich Zeugnis ab –, dass man seine politische Gesinnung aufgibt, sondern, dass man seine politische Gesinnung beibehält. Im Gegenteil! Ich bin der Meinung, gerade jemand, der von tiefen demokratischen und politischen Überzeugun­gen getragen ist, hat oft die Fähigkeit, gegenüber Vertretern und Vertreterinnen einer anderen politischen Gesinnung fair und objektiv als Präsident/Präsidentin aktiv zu sein.


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Sehr geehrte Damen und Herren! In diesem Haus sitzen Menschen unterschiedlicher politischer Gesinnung. Das ist das Wesen, das ist das Hauptcharakteristikum eines demokratischen Parlaments. Eine Demokratie, ein parlamentarisches System ist gerade dann erfolgreich und für die Menschen attraktiv, wenn bei aller Verschiedenheit alle Repräsentantinnen und Repräsentanten bestimmte, ganz bedeutende Grund­fragen gänzlich außer Streit stellen. Lassen Sie mich zwei dieser Grundfragen kurz ansprechen.

Erstens: Das, was uns in diesem Haus verbindet, ist, dass unsere Republik, unser parlamentarisches System 1945 als echte Antithese zur nationalsozialistischen Diktatur wieder errichtet wurde und dass sich jedes Mitglied des Nationalrates voll und ganz zu genau dieser unserer Republik bekennt.

Zweitens: Niemand kann bestreiten, dass es bei aller Unterschiedlichkeit nur demo­kratisch gewählte Parteien in diesem Hause gibt, und daher sollte es auch bei heftigen Debatten so sein, dass wir uns, dass sich die Mitglieder dieses Hauses diese Grund­überzeugung, dieses Bekenntnis zu unserer Republik und zu unserem demokratischen System nicht gegenseitig absprechen.

Hohes Haus! Bei allem Bemühen um einen Grundkonsens und um eine würdige parlamentarische Kultur, bei aller Erforderlichkeit der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Sitzungssaal sollten wir aber auch nicht vergessen, dass ein demo­kratisches Parlament oft eben auch ein sehr lebhaftes Parlament ist, dass Menschen Emotionen haben und es auch emotional geführte Diskussionen geben kann – natür­lich in einem entsprechenden Rahmen. Das Vorsitz führende Präsidiumsmitglied und der Nationalrat als Ganzes haben hier wohl eine Gratwanderung zu beschreiten: zwischen dem lebhaften Parlament auf der einen Seite und dem Abgleiten in Unsach­lichkeit auf der anderen Seite.

Hohes Haus! Wir müssen uns bewusst sein, dass durch die Internet- und TV-Über­tragungen unser Parlament noch viel öffentlicher geworden ist, als es das in der Vergangenheit war. Das ist erfreulich, stellt uns aber auch vor besondere Heraus­forderungen. Die Menschen unseres Landes bewerten unsere Arbeit nicht nur nach den Ergebnissen, die in Gesetzesform vorliegen, also sozusagen nicht nur nach dem gesetzlichen, dem legistischen Output – so wichtig dieser auch ist –, sondern verstärkt auch nach dem öffentlichen Auftreten, das alle mitverfolgen können, was viele auch tun.

Wir kennen das Schlagwort von „Politikverdrossenheit“ und wissen auch, dass dieses nicht nur ein Schlagwort ist. Diese bei manchen Menschen in unserem Land vorhan­dene Politikverdrossenheit in Politikinteresse umzuwandeln ist Aufgabe von uns allen, von jedem und jeder Einzelnen von uns.

Hohes Haus! Ich habe gesagt, dass ich es für erfreulich erachte, dass unser National­rat in höherem Maße öffentlich ist als früher. Genauso erfreulich finde ich es, dass der Nationalrat auch in höherem Maße weiblich ist, weiblicher, als er vor Jahren oder vielleicht sogar Jahrzehnten noch war. Wir sind aber – da werden Sie mir, denke ich, zustimmen – wohl auch in diesem Bereich noch lange nicht am Optimum angelangt. Sollte ich von Ihnen gewählt werden, würde ich als einzige Frau im Präsidium des Nationalrates sehr darauf achten und auch darauf hinweisen, dass Frauenanliegen entsprechende Berücksichtigung in diesem Hause finden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! So weit einige grundsätzliche Überlegungen zu meinem Amtsverständnis für ein Präsidiumsmitglied des Nationalrates. Sollte ich gewählt werden, darf ich Ihnen versichern, dass ich mein Bestes geben werde, um


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66. Sitzung / Seite 13

gemäß diesen Überzeugungen zu handeln. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.13

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Dr. Bleck­mann. 5 Minuten Wunschredezeit. – Sie sind am Wort, Frau Kollegin.

 


14.14

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Bundeskanzler! Werte Minister! Ich persönlich, ich als Frau freue mich über die Nominierung einer Frau, egal, von welcher Partei sie kommt, weil ich es einfach für wichtig erachte, dass in Gremien, in denen noch wenig beziehungsweise überhaupt keine Frauen vertreten sind, in Zukunft auch Frauen vertreten sind. Wir Freiheitlichen respektieren das Vorschlagsrecht der SPÖ für diese Funktion und halten uns natürlich auch an diese Usancen.

Wir erwarten uns aber von einem Präsidenten natürlich auch das eine oder andere. Heute ist schon sehr viel über Würde gesprochen worden. Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt neben der Kenntnis in vielen Bereichen, die das Haus betreffen, aber ein Punkt, der uns wichtig ist, ist vor allem Objektivität und Überparteilichkeit.

Der zweite Punkt ist Sachlichkeit und Fairness.

Der dritte Punkt ist neutrale Sitzungsführung mit Kompromiss- und Konsens­bereit­schaft. Ich denke, dass das für diese Funktion auch sehr wichtig und notwendig ist.

Der vierte Punkt – das ist wieder mir als Frau erlaubt; aber Sie haben auch selbst gesagt, dass das für Sie in Zukunft wichtig sein wird – ist, vor allem bei einer Frau und ehemaligen Frauenministerin, Frauensolidarität, denn ich denke mir, dass auch das wichtig ist, wenn man in solch einer Funktion ist.

An dieser Stelle sei es auch erlaubt, dass ich das als Frau, als weibliche freiheitliche Abgeordnete sage: Ich war schon immer wieder enttäuscht über die Ausgrenzung der freiheitlichen Frauen seitens der SPÖ-Politikerinnen. Nur weil man vielleicht ideolo­gisch die Richtung nicht teilt, heißt das nicht, dass man deshalb auch nicht versucht, über Grenzen und auch über Parteigrenzen hinweg eine gemeinsame Frauensolidarität zustande zu bringen.

Wenn man designiert ist für ein Amt, dann heißt das, man ist vorläufig ernannt für dieses Amt. – Erlauben Sie mir ebenfalls, das hier und heute zu sagen: Ich war auch persönlich enttäuscht, von einer designierten Präsidentin zu hören, dass sie – wie war es genau? – wirklich erfreut war über den Niedergang einer anderen Partei bei einer Wahl. Ich muss sagen, dass das in meinen Augen ein schlechtes Signal war. Ich hätte mir von einer Langzeitpolitikerin diesbezüglich ein bisschen mehr Sensibilität erwartet.

Insofern kann ich nur festhalten, dass wir uns von einer Zweiten Präsidentin Objek­tivität, Sachlichkeit und Fairness erwarten. Herunter mit der Parteibrille in dieser Funktion! Ich kann nur jedem, der in dieses Amt gewählt wird, wünschen, dass er einen ebenso würdevollen Abschied erlebt, wie wir ihn gerade alle erlebt haben – mit so viel Zustimmung von allen Parteien. Ich denke, das ist dann ein Zeichen dafür, dass man dieses Amt auch in dem Sinne ausgefüllt hat, wie das heute schon dargelegt worden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.18

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig zu Wort. Sie wünscht sich 10 Minuten. – Bitte.

 



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14.18

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Wahl der/des Zweiten Nationalratspräsidentin/Nationalratspräsidenten, das ist nicht nur eine formale Frage – Vorschlagsrecht ja oder nein, soll man das verankern, Usance beibehalten oder nicht? –, sondern das ist vor allem eine politische Frage. Ich möchte zwei demokratiepolitische Aspekte herausgreifen, die mir wichtig sind, die uns wichtig sind.

Wir werden jetzt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine Frau zur Zweiten Präsidentin des Nationalrates wählen, und für den Fall, dass Präsident Khol Grippe bekommt oder ihm ein Blumentopf auf den Kopf fällt – selbstverständlich nur mit leichten Verletzun­gen, Herr Präsident! –, dann ist protokollarisch gesehen hinter dem Bundespräsidenten eine Frau die Zweite im Staate – noch vor dem Bundeskanzler.

Die Funktion der Zweiten Nationalratspräsidentin ist zwar nicht mit einer großen Macht­fülle verbunden, aber es ist trotzdem ein sehr wichtiges repräsentatives Amt im Herzen der Demokratie, nämlich im Parlament. Und hier ist es besonders wichtig, auch einmal Geschlechterdemokratie, Repräsentanz von Frauen zu berücksichtigen und sich einmal anzuschauen, wie das wirklich ist und auch war.

52 Prozent der Bevölkerung sind weiblich. Wir sind weit davon entfernt, dass diese 52 Prozent den ihnen entsprechenden Anteil an Einkommen, an Einflussmöglichkeiten, an Karrierechancen und auch an Repräsentation im politischen System haben. Wenn man in die Vergangenheit zurückblickt, dann muss man leider mit Bedauern feststellen, dass von den 52 Präsidenten, die wir hatten, seit wir diese Verfassung als Grundlage unserer politischen Arbeit haben, nur zwei weiblich waren. Es ist lobenswert, dass die erste Präsidentin aus den Reihen der ÖVP kam. Sie haben zwar gut angefangen, dann allerdings sehr stark nachgelassen, muss ich sagen. Es gibt jetzt in der ÖVP-Partei­spitze beziehungsweise im Klubvorstand keine Frau mehr. Ich meine, Herr Kollege Klubobmann Molterer, da sollten Sie etwas an sich arbeiten. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Mit Mandatszuwachs bei der nächsten Wahl!)

Ein Rechenbeispiel: Wenn wir in diesem Tempo weitermachten, dann würde es unge­fähr ein halbes Jahrtausend dauern, bis im Präsidium ein halbwegs adäquates Gleich­gewicht zwischen Männern und Frauen herrschen würde. Ich denke, das ist zu lang.

Würden wir ab der nächsten Wahl, ab 2006, keinen einzigen Mann mehr ins Präsidium wählen, sondern nur noch Frauen, dann wären wir – und das ist jetzt ein Rechen­beispiel für alle, die gut rechnen können – im Jahr 2081 endlich beim Ausgleich von Männern und Frauen im Präsidium des Nationalrates. Das ist sehr bedauerlich und bedrückend, und es ist eine demokratiepolitische Frage. Wir freuen uns daher, dass die SPÖ eine Frau vorgeschlagen hat. Die sukzessive Eroberung von politischen Positionen ist einfach wichtig.

Ich zitiere hier aus dem Frauenbericht unserer Frauensprecherin Brigid Weinzinger: Es ist gesamtösterreichisch immer noch ein Problem. Wir haben 717 Mandatarinnen und Mandatare, davon sind über 500 männlich und nur 216 weiblich. Wir haben 33 Prä­sidialmitglieder, davon sind 26 männlich und 7 weiblich. Auch bei den Regierungs­mitgliedern ist das Verhältnis sehr traurig. Ich denke, das ist auch ein politischer Auftrag. Es ist ein politischer Auftrag für alle Parteien, und es soll auch als Wakeup Call verstanden werden, Frauen in allen politischen Positionen innerhalb der Parteien zu fördern und sich auch Instrumente zu überlegen. Wir haben dazu in der Vergan­genheit auch einige Vorschläge gemacht.

Zum zweiten Bereich, über den ich sprechen möchte, zu dieser Usance, die heute hier schon beschworen worden ist: Das war nicht immer und überall und auch in der Vergangenheit nicht immer. Bis 1983 war es üblich, dass zwei SPÖ-Präsidenten im


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Präsidium vertreten waren und ein ÖVP-Abgeordneter. Erst mit Eintritt der FPÖ in die Regierung hat sich das geändert. Aus Sicht der Grünen ist diese Usance auch zu diskutieren. Allerdings begrüßen wir es, dass die zweitstärkste Fraktion im Haus heute das Nominierungsrecht wahrnimmt. Es ist allerdings eine geheime und freie Wahl, und ich möchte hier auch in vollem Respekt vor frei gewählten Abgeordneten der Grünen sagen, dass Barbara Prammer das volle Vertrauen der grünen Fraktion genießt.

Zum dritten Bereich – das ist etwas, was mit Demokratiepolitik und mit Parlamen­taris­mus zu tun hat –: Da möchte ich Ihnen, Frau Mag. Prammer, auch etwas für die Zukunft mitgeben. Es geht nicht nur um den Alltag, darum, Sitzungsabläufe zu koor­dinieren, Streit zu schlichten, Ordnungsrufe zu erteilen und sexistisches, rüpelhaftes Verhalten zu ahnden, was wir von Ihnen besonders einfordern werden, und wir werden Sie da auch beobachten – das liegt allerdings nicht speziell in Ihrer besonderen Verantwortung, sondern selbstverständlich in jener des gesamten Präsidiums –, son­dern es geht auch um die Rolle des Parlamentes insgesamt.

Es hat sich in den letzten 20 Jahren sehr gut entwickelt, aber trotzdem kann man noch eine Vision für das österreichische Parlament haben, die über das hinausgeht, was wir jetzt hier haben: Es sollte nämlich die Konfliktkultur weiterentwickelt werden, die Konfliktkultur in Richtung mehr argumentative Auseinandersetzung. Ich würde emp­fehlen, einmal die alten Reichsratsprotokolle zu lesen. Da gibt es im Jahre 1867 eine sehr interessante Debatte über das Staatsgrundgesetz, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger. Das ist ein Lehrbeispiel dafür, wie man sich mit Argumenten über Gräben hinweg auseinander setzen und ein sehr hohes Niveau an Konfliktkultur erreichen kann.

Da hinzuarbeiten wäre ein schöner Auftrag, aber auch das Parlament als selbst­bewussten Ort der Gesetzgebung zu stärken. Ich wiederhole alte Forderungen der Grünen, die meinen, dass dieses Haus einen Legislativdienst braucht, dass dieses Haus einen Verfassungsdienst braucht und dass dieses Haus in Anlehnung an andere europäische Parlamente auch Enquete-Kommissionen besser ausstatten können müsste, um Zukunftsfragen wie Bioethik, Gentechnik et cetera auch adäquat behan­deln zu können. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein ganz besonderer Auftrag auch an Sie als Sozialdemokratin. Die Sozialdemokraten haben zu Beginn der Ersten Republik, in den zwanziger Jahren, am 1. Oktober mit sehr starkem Verfassungspatriotismus immer auch für den Parlamentarismus ge­kämpft. Etwas, was damals etwas zu kurz gekommen ist und auch heute vielleicht immer noch zu kurz kommt, ist das Bewusstsein für Minderheitsrechte, für Kontroll­rechte der Minderheit, die die Qualität von politischen Entscheidungen einfach verbes­sern und auch eine differenzierte Beteiligung an der Regierung beziehungsweise an der Mehrheit im Hause ermöglichen. Sie haben jetzt einige Jahre de facto auf der Oppositionsbank verbracht, und ich würde mir wünschen, dass Sie diese Perspektive, die so automatisch wie bei den Freiheitlichen immer gleich in die Regierungs­perspektive umschwenkt, beibehalten und dass Sie das gesamte politische System und auch die Wichtigkeit von Kontrollrechten, von parlamentarischen Minderheits­rechten hochhalten und vertreten und vielleicht auch mithelfen, diese weiterzuent­wickeln, auch wenn die SPÖ vielleicht irgendwann wieder die Sitzposition oder Perspektive ändern sollte. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich zweifle nicht an Ihren besten Vorsätzen. Sie erhalten von uns einen Vertrauens­vorschuss. Ich wünsche Ihnen alles Gute und gute Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb der Präsidiale und dieses Hauses. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.25

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Baum­gartner-Gabitzer. 3 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


14.25

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Amt des Zweiten Präsidenten des Nationalrates ist ein staats­politisch wichtiges. Wir, die ÖVP, haben Anforderungen daran geknüpft – mein Klub­obmann hat das heute hier bereits definiert –: politische Erfahrung, Standfestigkeit und Staatspolitik vor Parteipolitik.

Die SPÖ hat das Nominierungsrecht. Wir akzeptieren es. Aber Sie machen es uns wirklich schwer, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Sie haben Barbara Prammer nominiert. Barbara Prammer ist uns gut bekannt, wir haben sie uns auch entsprechend ihren politischen Aussagen angeschaut. Sie ist in erster Linie als Frauenpolitikerin und Familienpolitikerin bekannt geworden, zumindest mir.

Das sind beides Anliegen, die auch der ÖVP sehr wichtig sind, der ÖVP, die eigentlich seit Jahren immer bestrebt ist, Frauen – qualifizierte Frauen! – nicht nur in partei­politisch, sondern auch in staatspolitisch hohe, wichtige Ämter zu bringen. Ich erinnere daran, dass wir die Ersten waren, die Marga Hubinek als Zweite Präsidentin des Nationalrates nominiert haben.

Wir glauben auch, dass eine Frau als Zweite Nationalratspräsidentin ein sehr gutes Signal war. Aber, Frau Prammer, was sagen Sie den Frauen? Was haben Sie ihnen bei der letzten Wahl gesagt, wo eine Frau für das höchste Amt, für das Amt des Bun­despräsidenten, kandidiert hat? – Ihre Aussage damals war: „Frau sein allein genügt nicht.“ (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Mag. Stoisits: Das gilt auch für Sie!) Das, liebe Frau Prammer, hat mich sehr empört, weil die Frau, die damals zur Verfügung gestanden wäre, eine qualifizierte Frau ist. Deswegen müssen Sie sich heute auch unseren Fragen und unseren Anforderungen hinsichtlich Qualifikation durchaus stellen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stoisits: Das ist echt peinlich!) Ich danke für Ihre Frauensolidarität! Danke!

Sie haben aber Frauen in Ihren Zitaten auch anderes ausgerichtet. Sie haben Frauen unter anderem ausgerichtet: Hausfrauen arbeiten nicht. – Auch das ist keine Frauen­solidarität! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Frau Prammer, haben Sie sich in den letzten Tagen persönlich die Frage gestellt, was das Amt staatspolitisch bedeutet? Frau Prammer, wenn Sie das getan haben, machen Sie es uns leichter: Distanzieren Sie sich von den Äußerungen, hier herrsche Pogrom-Stimmung. – Das ist nicht der Fall! Distanzieren Sie sich von den letzten Äußerungen in Ihrem Klub, dass einige hier den Nationalsozialisten nachtrauern! Wenn Sie das tun, machen Sie es uns leichter. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.28

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Restredezeit seiner Fraktion: 3 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


14.28

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Parlamentsfraktion schlägt heute Mag. Barbara Prammer als Zweite Präsidentin des Nationalrates vor, weil wir davon überzeugt sind, dass sie für das Amt absolut qualifiziert ist und eine erstklassige Besetzung darstellt. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Zweiten glaube ich, wenn man sich für ein solches Amt bewirbt, sollte bewertet werden, wie sich eine Persönlichkeit in einer vergleichbaren Situation bereits ge-


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schlagen hat. Ich lade Sie alle ein, sich bei den Abgeordneten zum Oberösterreichi­schen Landtag zu erkundigen, wie Barbara Prammer ihre Funktion als Zweite Präsi­dentin des Oberösterreichischen Landtages wahrgenommen hat, und Sie werden feststellen, dass sie dieses Amt außerordentlich untadelig, überparteilich und ausge­zeichnet wahrgenommen hat. Das heißt, sie hat bereits bewiesen, dass sie eine solche Funktion wahrnehmen kann, und ich bin davon überzeugt, dass sie eine gute Zweite Präsidentin des Nationalrates sein wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Dritten hat Frau Abgeordnete Glawischnig mit Recht darauf hingewiesen, dass es im Parlament auch darum geht, dass es eine stärkere Gleichstellung der Rollen der beiden Geschlechter im Hohen Hause gibt.

Sie haben völlig Recht, Frau Dr. Baumgartner-Gabitzer, dass es nicht allein darum geht, irgendjemanden zu nehmen, sondern dass man sich immer die Frage stellen muss, wer die am besten Geeigneten sind. – Ich kann Ihnen sagen, die SPÖ hat sich diese Frage gestellt, und wir sind zur Auffassung gekommen, dass Mag. Barbara Prammer für dieses Amt am Allerbesten geeignet ist – und daher empfehlen wir sie heute auch zur Wahl. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie, Frau Abgeordnete, haben auch verschiedenste Bemerkungen über die zukünftigen Herausforderungen, die vor dem Nationalrat liegen, gemacht. Damit haben Sie Recht: Es geht nicht nur um qualifizierte Frauen und Männer in parlamentarischen Funktionen, sondern auch darum, dass wir eine große Aufgabe vor uns haben, wenn wir die richtigen Rückschlüsse aus der niedrigen Wahlbeteiligung von vergangenem Sonntag ziehen wollen, was die europapolitische Auseinandersetzung des Parlaments betrifft.

Das heißt, wir dürfen nicht stehen bleiben in der Entwicklung des österreichischen Parlamentarismus, und ich bin überzeugt davon, dass in Bezug auf diese beiden Aspekte Barbara Prammer einen sehr guten Beitrag leisten kann und wird.

Lassen Sie mich zum Schluss noch Folgendes sagen: Hätten wir hier im Nationalrat immer alle Aussagen, die jemand vor der Wahl zur Präsidentin/zum Präsidenten gemacht hat, auf die Goldwaage gelegt, ich glaube, wir hätten oft sehr schwierige Dis­kussionen in diesem Zusammenhang gehabt.

Ich sage Ihnen ganz offen: Ich war mit Herrn Präsidenten Khol in dessen Zeit als ÖVP-Klubobmann sehr, sehr selten einverstanden, und sehr oft habe ich die Art und Weise, wie Dr. Khol Auseinandersetzungen geführt hat, nicht geschätzt, aber ich habe ihn dennoch zum Nationalratspräsidenten gewählt, weil ich überzeugt davon war, dass er, wenn Dr. Khol vom ÖVP-Klubobmann zum Nationalratspräsidenten wechselt, diese Aufgabe gut machen wird. Und soll ich Ihnen etwas sagen? – Ich habe mich zum Glück nicht getäuscht! (Beifall bei der SPÖ.)

14.32

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.32

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Klubkollegin, Frau Abgeordnete Bleckmann, hat bereits gesagt, dass es unsere Fraktion positiv findet, dass die SPÖ eine Frau als Präsidentschaftskandidatin vorschlägt. Es ist dann wieder einmal – nach langer Zeit – eine Frau im Präsidium, und, wie gesagt, das finden wir auch sehr gut. Sie von der SPÖ werden damit auch dem gerecht, was Sie den Frauen immer versprechen, dem Sie aber eigentlich nicht sehr oft nachkommen, nämlich dass Frauen auch Führungspositionen einnehmen. Man sieht jedoch wenig Frauen in Führungspositionen. – Das wäre auch eine schöne Aufgabe, wofür Sie sich einsetzen können und sollen, Frau Abgeordnete Prammer!


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Man kann davon ausgehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die zukünftige Zweite Präsidentin – und ich glaube auch, dass man davon ausgehen kann, dass sie gewählt werden wird – gemessen werden wird an ihrem Vorgänger, dem heute aus dem Nationalrat ausgeschiedenen Heinz Fischer, dessen Vorsitzführung ja ausführlich gewürdigt worden ist.

Ich möchte auch etwas sagen, weil ich schon sehr, sehr lange hier im Parlament bin und die Vorsitzführung des Herrn Präsidenten Fischer sehr geschätzt habe: Die Objektivität, aber vor allem auch die Tatsache, dass Dr. Fischer wesentlich dazu beigetragen hat, dass wir hier im Parlament zu einer kultivierten Debatte gekommen sind, sollen nicht unerwähnt bleiben.

Das war nicht immer so: Als ich 1983 hier im Nationalrat als Abgeordnete begonnen habe, gab es viel rüdere Töne – und das Präsidium war diesbezüglich viel „groß­zügiger“. Ich finde, dass Heinz Fischer wesentlich dazu beigetragen hat, dass Ent­gleisungen, die es natürlich immer wieder gibt, sofort geahndet werden und dass eben ein strengerer Maßstab angelegt wird, wobei ich mich auch öfters ärgere, wenn ich eine Äußerung nicht machen darf, die ordnungsrufverdächtig ist, das gebe ich schon zu. Im Großen und Ganzen schätze ich aber diese bessere Gesprächskultur, und ich meine, das sollten wir so beibehalten.

Ich hoffe, dass diese Objektivität, diese Fairness, die Heinz Fischer hier über alle Parteigrenzen hinweg gepflogen hat, auch die künftige Zweite Präsidentin pflegen wird.

Gerade in Anbetracht Ihrer neuen Aufgabe, Frau Abgeordnete Prammer, auf die Sie sich vorbereitet haben, wie Sie heute gesagt haben, habe ich mir schon gedacht, dass Sie sich schon besser hätten überlegen sollen, was Sie nach der EU-Wahl von sich geben, zwar noch als Abgeordnete, aber schon als Kandidatin bei der Wahl zur Zweiten Nationalratspräsidentin, als eine Kandidatin, die auch gewählt werden möchte.

Sie, Frau Abgeordnete Prammer, haben nach der EU-Wahl unverhohlen Ihrer Freude Ausdruck gegeben, dass die Freiheitliche Partei Wähler verloren hat, dass diese „in den Keller rasselt“ – und haben dabei die Objektivität, zu der Sie sich heute im Vor­hinein bekannt haben, völlig außer Acht gelassen! Eine absolut unkluge Verhaltens­weise! Da hätte ich mir schon erwartet, dass Sie anders agieren!

Sie, Frau Abgeordnete Prammer, haben es auch leider Gottes verabsäumt – und das ist Ihnen ja bereits vorgeworfen worden –, sich von den Äußerungen des SPÖ-Klubobmann-Stellvertreters Broukal zu distanzieren. Sie haben auch nichts zu der angeblichen „Pogrom-Stimmung“ gesagt, die hier widerrechtlich seitens der SPÖ behauptet wurde.

In unserem Parlament herrscht keine „Pogrom-Stimmung“, sondern wir haben hier offene Auseinandersetzungen, Auseinandersetzungen, die eben manchmal schärfer und manchmal etwas weniger scharf geführt werden, aber: Verfolgt wird hier wirklich niemand! Da hätte ich mir jedenfalls schon erwartet, dass Sie dazu etwas sagen, Frau Abgeordnete Prammer.

Jedenfalls steht fest: Wer auch immer in dieses Amt gewählt wird, hat die partei­politische Brille abzunehmen, auch wenn man eine noch so engagierte Parlamen­tarierin ist.

Frau Abgeordnete Prammer – ich nehme an, Sie werden gewählt werden –, wir setzen große Hoffnungen in Sie, dass Sie all das, was Sie heute hier theoretisch abgehandelt haben, auch in die Tat umsetzen, dass Sie nämlich die Objektivität und Fairness eines Heinz Fischer fortsetzen und uns allen eine gute Präsidentin sein werden, eine Präsidentin, die uns nach außen gut vertritt, unabhängig von der Parteizugehörigkeit, und die auch die Vorsitzführung so gestaltet, dass wir eben so wie bisher in einem


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geordneten und kultivierten Rahmen agieren können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.37

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzte Rednerin hiezu ist vorläufig Frau Abgeordnete Dr. Brinek. 3 Minuten beträgt die Restredezeit Ihrer Fraktion. – Bitte, Frau Abgeord­nete.

 


14.37

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist bereits angesprochen worden: Wenn es um die Wahl zur Zweiten Präsidentin geht, geht es auch um die Diskussion von Anforderungen, von Kompetenzen, von Qualifikationen.

Die ÖVP nimmt das ernst – ernster jedenfalls, als es die SPÖ, die SPÖ-Frauen und -Männer genommen haben, als es darum ging, die erste Frau für das erste Amt in unserem Staate zu wählen.

Lassen Sie uns daher über Qualifikationen, über Bedingungen, über Ergebnisse reden – nicht über Frisuren, nicht über Kostümfarben, nicht über die Einrichtung von spöttischen Homepages.

Das Ergebnis, wenn wir über das originäre Arbeitsfeld von Kollegin Prammer sprechen, über die Frauenpolitik, ist bescheiden. Das muss es aber vielleicht einerseits auch sein, wenn man in einer Koalition arbeitet. Und bescheiden ist es andererseits auch, weil die Kollegen aus den eigenen SP-Reihen es ihr nicht leicht gemacht haben.

Ich erinnere beispielsweise nur an Frau Vranitzkys peinliche Äußerung über die Frauen, die ihre Kinder im Kindergarten abgeben, um sich dann schlecht bezahlten Arbeiten oder dem Vergnügen zu widmen.

Oder: Herr Vranitzky als Bundeskanzler hat gesagt, die Halbe/halbe-Kampagne der Frau Ministerin Konrad sei ein überflüssiges Thema.

Oder: Der in Ihrer Zeit, Frau Abgeordnete Prammer, agierende Bundeskanzler Klima hat auch peinliche frauenpolitische Äußerungen gemacht, wie wir in Zeitungen nach­lesen konnten, sodass Repräsentantinnen der SPÖ, so zum Beispiel Johanna Dohnal, den Saal verlassen haben, ja verlassen mussten.

Generalsekretär Rudas hat vor SPÖ-Gremien gesagt, zuerst würden die großen Themen besprochen gehört und dann die Kleinpunkte; Punkt 1: die Frauen. – Unter solchen Bedingungen mussten Sie, Frau Abgeordnete Prammer, arbeiten!

Bundeskanzler Klima als „Bundes-Kunstkanzler“ hat Uschi Glas geehrt und ihr das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst verliehen, und zwar für ihren – ich zitiere –„schätzenswerten Beitrag zur Chancengerechtigkeit“ und – ich zitiere weiter –„ für die kompakteste Ehe in der Branche“. – Also besonders in diesem Punkt weit gefehlt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin außer Dienst, Frau Kollegin Prammer, Sie haben zum Erkennt­nis des Verfassungsgerichtshofes im Zusammenhang mit Familie gesagt, diese Urteile müsse man nicht sehr ernst nehmen – um das jetzt großzügig zu interpretieren.

Lassen Sie mich zu einem Resümee kommen: Als die junge SP-Abgeordnete Tegischer die Bundespräsidentschaftskandidatin Knoll unterstützen wollte, wurde ihr das von der eigenen Partei verboten. Das ist nie widerlegt worden. – Frau Tegischer hat später auch keinen Platz mehr auf einer SP-Kandidatenliste gefunden.

Sie verlangen von uns heute, dass wir uns der Designierung, dem Wahlvorschlag lautend auf Kollegin Prammer anschließen. Meine Kollegin Baumgartner hat darauf


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hingewiesen, dass es einen ersten schönen staatspolitischen Zug geben könnte, dass Sie, Kollegin Prammer, sich von den genannten Äußerungen Broukals und Gusen­bauers distanzieren, damit die Wahlchance lebt. Daher: Die Chance lebt – wir warten auf Ihre Aktivitäten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.40

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Herr Abgeordneter Öllinger. Seine Restredezeit beträgt 3 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


14.41

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist jetzt nicht leicht, zu Ihnen zu sprechen und noch Ihr Ohr zu bekommen, aber ich bitte Sie um eines – weil ich selbst, wie viele von Ihnen, mit dem Verlauf der letzten Wochen nicht zufrieden war, weil ich mir wünschen würde, und das ist auch eine Bitte an den Nationalrat, dass wir uns irgendwann in diesem Haus wieder eine politische Kultur geben und die Debatte, die beim letzten Mal zu Recht unter­brochen wurde, weiterführen können auf einem politischen Niveau, das diesem Haus gebührt –, ich bitte Sie darum, dass Sie das, was hier so viel Missstimmung verursacht hat, nicht zum Maßstab nehmen für eine Wahl.

Ich bitte Sie auch darum, dass Sie bei den Kriterien – ich habe es sehr gut gefunden, Herr Klubobmann Molterer, dass Sie Kriterien definiert haben – bleiben. Denn wenn wir diese Kriterien anlegen, dann kommt entweder fast jeder oder jede in diesem Haus in Frage – und ich glaube, wir können es vielen zutrauen, dass sie in dieser Funktion ihr Amt mit der entsprechenden Objektivität ausüben – oder niemand. Denn wir alle haben politische Neigungen und Wertungen, wir alle haben Emotionen.

Ich würde Sie nur ersuchen, dass Sie bei einer Frau nicht andere Maßstäbe anlegen, als Sie das bei einem Mann machen würden. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.43

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt das Verlangen vor, die Wahl in Wahlzellen durchzuführen. Ich werde daher so vorgehen.

Auf den vorliegenden Wahlvorschlag habe ich bereits hingewiesen.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 87 Abs. 3 der Geschäftsordnung auch Stimmen gültig sind, die auf andere wählbare Kandidaten lauten. Stimmzettel, die „weiß“ abgegeben werden oder auf die irgendetwas anderes geschrieben ist, sind ungültig. Also: Man muss einen Wahlvorschlag oder einen Kandidaten/eine Kandidatin vermerken, dann ist das gültig.

Gemäß § 87 Abs. 7 der Geschäftsordnung ist die Wahl des Präsidenten geheim, und zwar mit Stimmzetteln durchzuführen.

Ich unterbreche nunmehr kurz die Sitzung, um die technischen Voraussetzungen für die Wahl in Wahlzellen zu schaffen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 14.44 Uhr unterbrochen und um 14.46 Uhr wieder aufge­nom­men.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Vorbereitungen sind beendet, und ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Ich bitte den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Wimmer, sich bereitzuhalten.


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Meine Damen und Herren! Der Stimmzettel, der zu benützen ist, wird samt Kuvert bei Namensaufruf durch den Schriftführer von den hiezu bestimmten Bediensteten der Parlamentsdirektion ausgegeben. Für die Wahl ist ausschließlich dieser amtliche Stimmzettel zu verwenden.

Auf diesen Stimmzettel ist der Name des gewünschten Kandidaten oder der gewünschten Kandidatin zu schreiben. Nach dem Ausfüllen des Stimmzettels in der Wahlzelle ist dieser, im Kuvert verschlossen, in die hiefür bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich bitte nunmehr die Abgeordneten, bei Namensaufruf durch den Schriftführer Stimm­zettel und Kuvert in Empfang zu nehmen und sich sodann in eine der Wahlzellen zu begeben.

Herr Abgeordneter Wimmer, bitte beginnen Sie mit dem Namensaufruf.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführer Wimmer und Auer begeben sich die Abgeordneten in die Wahlzellen und werfen sodann die Stimmzettel in die Urne.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Haben alle Aufgerufenen ihre Stimme abgegeben? – Das ist der Fall.

Die Stimmenabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenauszählung vornehmen. Die Sitzung wird zu diesem Zweck für einige Minuten unterbrochen.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenauszählung vor. – Die Sitzung wird um 15.17 Uhr unterbrochen und um 15.28 Uhr wieder aufgenommen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Wahlergebnis bekannt:

Abgegebene Stimmen: 178; davon gültig: 157. Die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen beträgt 79.

Es entfielen auf Mag. Barbara Prammer 96 Stimmen. 61 Stimmen entfielen auf andere Abgeordnete.

(21 Stimmen waren ungültig. – Die 61 gültigen Stimmen entfielen auf die Abgeordneten Dkfm. Dr. Bauer: 1, Broukal: 3, Bures: 1, Dr. Cap: 2, Fleckl: 3, Gaál: 15, Mag. Gross­mann: 1, Hagenhofer: 4, Heinzl: 1, Mag. Kuntzl: 6, Prähauser: 1, Schasching: 1, Schie­der: 20, Mag. Stoisits: 1, Mag. Wurm: 1.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit ist Mag. Prammer zur Zweiten Präsidentin des Nationalrates gewählt.

(Lang anhaltender allgemeiner Beifall. – Die Abgeordneten der SPÖ und Abgeordnete der Grünen erheben sich von ihren Sitzen.)

Ich frage die Gewählte, ob sie die Wahl annimmt.

 


Abgeordnete Mag. Barbara Prammer: Ich nehme die Wahl mit Freude an!

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich beglückwünsche Frau Abgeordnete Mag. Prammer zur Wahl zur Zweiten Präsidentin. (Allgemeiner Beifall. – Einige Abgeordnete, allen voran Abg. Dr. Gusenbauer mit einem Blumenstrauß, begeben sich zu Präsidentin Mag. Prammer und gratulieren dieser.)


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2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (464 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957, das Insolvenz-Ent­geltsicherungsgesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch und das Jugend­ausbildungs-Sicherungsgesetz geändert werden (Arbeitsmarktreformgesetz) (543 d. B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Wöginger – und nicht wie im gedruckten Aus­schussbericht angegeben Abgeordneter Neugebauer. Auf eine mündliche Bericht­erstattung hat Herr Abgeordneter Wöginger jedoch verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Abgeordneter Öllinger. Wunschredezeit: 8 Minu­ten. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


15.31

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Ich möchte ja (in Richtung SPÖ-Bänke, wo Abg. Mag. Prammer immer noch zu ihrer Wahl zur Präsidentin gratuliert wird) die Gratulationsfeierlichkeiten nicht stören, bin aber trotzdem der Meinung, dass auch dieses Thema Aufmerksamkeit verdienen würde. Ich sehe schon ein, dass das jetzt etwas überschattet wird. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Herr Bundesminister! Ich gestehe Ihnen durchaus zu, dass mit dieser Vorlage bei weitem nicht das Schlimmste passiert ist und dass sich die Änderungen etwa im Bereich der Zumutbarkeitsbestimmungen durchaus noch von Beispielen aus anderen Ländern, in denen in den letzten Jahren Verschärfungen stattgefunden haben, unter­scheiden, indem Sie sie, wenn man so sagen kann, noch mit Maß vorgenommen haben.

Aber was ist das Maß? Was ist den Menschen und was ist den Arbeitslosen zumut­bar? – Zunächst einmal die Wahrheit, die ist ihnen zumutbar. Die Wahrheit ist, Herr Bundesminister und meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir in Österreich schon mit den alten Zumutbarkeitsbestimmungen die schärfsten in EU-Europa hatten. Die Wahrheit ist, dass es immer dann eine Debatte über Verschärfung von Zumut­barkeitsbestimmungen gibt, wenn die Arbeitslosigkeit besonders hoch ist, wenn also der Effekt der Verschärfung von Zumutbarkeitsbestimmungen als besonders niedrig angesetzt werden muss. Die Wahrheit ist, Herr Bundesminister, dass mit jeder weiteren Verschärfung – und wir hatten ja schon sehr scharfe Zumutbarkeits­bestim­mungen – auf dem Arbeitsmarkt eine Dequalifikationsspirale in Gang gesetzt wird, die dem österreichischen Arbeitsmarkt nicht unbedingt zuträglich ist. Die Wahrheit ist, Herr Bundesminister, dass auf dem österreichischen Arbeitsmarkt – und wir klagen das schon seit mehreren Jahren ein, das hängt also nicht nur mit Ihrer Verantwortung als Bundesminister zusammen – in den letzten Jahren zusehends weniger für Qualifizie­rung von Arbeitslosen ausgegeben wird, sondern eher für andere Kursmaßnahmen.

Wenn man sich diese Wahrheit vergegenwärtigt, dann frägt man sich natürlich: Was nützt diese Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen? Das ist nicht das, was wir auf dem Arbeitsmarkt in Österreich in erster Linie brauchen. Der Ansatzpunkt, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, ist nicht, dass der Arbeitslose oder die Arbeitslosen an dieser Situation schuld sind oder dass durch eine Verschärfung von Zumutbarkeitsbestimmungen die Lage auf dem Arbeitsmarkt verbessert werden könnte, die Beschäftigung erhöht werden könnte. Im Gegenteil! Es


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fehlt an konjunkturpolitischen Maßnahmen, es fehlt an beschäftigungspolitischen Maß­nahmen, es fehlt an qualifizierenden Maßnahmen für Arbeitslose.

Herr Bundesminister, warum diskutieren wir nicht etwa, dass die Hauptschulkurse, die es für Schulabbrecher gegeben hat – und bei den Schulabbrechern, bei den unqualifi­zierten Menschen auf dem Arbeitsmarkt gibt es das größte Problem mit Arbeits­losigkeit –, wieder eingeführt und vom Arbeitsmarktservice, aber natürlich auch vom Bildungsministerium tatsächlich verstärkt gefördert werden? Das wäre ein Ansatzpunkt, um in Richtung mehr Qualifikation zu gehen.

Natürlich weiß ich auch – und das wissen auch Sie, Herr Bundesminister –, dass mehr Qualifikation alleine nicht ausreicht. Damit bin ich beim nächsten Problem: Es ist gut, Herr Bundesminister, dass in diesem Paket auch die Fortsetzung der Maßnahmen für die Jugend festgeschrieben ist. Aber Sie wissen zumindest von meinen Debatten­beiträgen, dass diese Ausbildungslehrgänge für sich genommen nicht mehr die geeig­nete Maßnahme für die Beschäftigung von Jugendlichen sein können und es auch nicht sind. Das sehen wir an den Arbeitslosen-Statistiken, in denen sich ganz klar zeigt, dass die Arbeitslosigkeit vor allem in der Altersgruppe von 19 bis 26 Jahren in den letzten Jahren immer besonders stark angestiegen ist. Das bedeutet: Nach dem Ende der Ausbildungsmaßnahmen folgt die Arbeitslosigkeit. Das ist ein Problem für den Arbeitsmarkt, aber nicht nur für den Arbeitsmarkt, sondern vor allem für die Gesell­schaft. Angesichts dessen hätte ich mir gewünscht, dass man, statt noch einmal an der Zumutbarkeitsschraube herumzudrehen und die Dequalifikationsspirale ein weiteres Mal in Gang zu setzen, darüber diskutiert, wie viele und welche Mittel und welche Maßnahmen für den Arbeitsmarkt notwendig sind. Das sind beileibe nicht die, bei denen am Arbeitslosen selbst als dem Verursacher von Arbeitslosigkeit angesetzt wird. Das ist nicht das Problem, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wir hatten Ende Mai 2004 215 000 registrierte Arbeitslose, wir hatten über 40 000 Menschen in Schulungsmaßnahmen und über 30 000 auf Pensionsvorschussleistung, insgesamt also fast – ich übertreibe es ein bisschen – 300 000 Arbeitslose in einem Monat, in dem eigentlich die Konjunktur und damit auch die Beschäftigung wieder in Gang gesetzt und die Arbeitslosigkeit etwas reduziert hätte sein sollen.

Wie viele offene Stellen gab es? – 27 000 offene Stellen für 300 000 Menschen! Glauben Sie tatsächlich, dass das durch eine Verschärfung der Zumutbarkeits­bestim­mungen gelöst werden kann? Man setzt den Jugendlichen zum dritten oder vierten Mal irgendwelche Kurse vor, Kurse, die in den letzten Jahren teilweise auch in der Qualität gelitten haben, weil kein Geld dafür vorhanden war beziehungsweise es nicht für Kurse ausgegeben wurde. Glauben Sie nach wie vor, dass das die Antwort für die Jugend ist? – Das ist der Grund, meine sehr verehrten Damen und Herren, warum wir dem nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

Der Ansatzpunkt für diese Maßnahmen, für notwendige Maßnahmen ist der falsche. Es ist nicht der oder die Arbeitslose! Herr Bundminister, ich danke bei dieser Gelegenheit, dass Sie zumindest in diesem Paragraphen die Formulierungen so geändert haben, dass sie geschlechtsneutral sind, dass wir nicht mehr nur den Arbeitslosen haben, über den im Gesetz gesprochen wird, sondern dass auch die Frauen mit bezeichnet sind. Aber das ist nicht der Punkt, sondern der Punkt ist nach wie vor, dass es an den richtigen Maßnahmen für den Arbeitsmarkt fehlt. Es ist nicht wirklich ein schlimmes Gesetz, das kann man nicht sagen. Es sind darin auch Punkte enthalten, die Verbes­serungen darstellen, aber es ist die falsche Perspektive. Auf dem Arbeitsmarkt, Herr Bundesminister, sind Sie – und diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen – und die gesamte Bundesregierung offensichtlich nicht bereit, die tatsächlich notwendigen Maßnahmen für Beschäftigung zu setzen, ausreichend Mittel für die Jugend bereit-


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zustellen oder besondere Zeichen zu setzen. Das ist schade! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.39

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. – Bitte.

 


15.39

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Öllinger, mit Ihrer Wortwahl, aber auch mit dem Inhalt werden Sie weder den Problemen noch dem hier vorlie­gen­den Inhalt wirklich gerecht. (Abg. Öllinger: Und das beurteilen Sie?) Ich sage Ihnen: Es geht nicht darum, was Sie hier zum Ausdruck gebracht haben, nämlich, es sei kein gar so schlimmes Gesetz oder sonst etwas, sondern es geht vielmehr um eine Lösung, die gemeinsam sozialpartnerschaftlich erarbeitet worden ist, und zwar im Rahmen einer Reihe von Lösungen wie Abfertigung und Arbeitnehmerschutz. Sinn und Zweck sind nicht, jetzt irgendetwas zu verschärfen oder irgendjemandem die Schuld dafür zu geben, dass man arbeitslos ist, sondern es geht darum, die Situation des Arbeitslosen zu verbessern, eine effizientere Abwicklung zu gewährleisten, wenn jemand in die bedauerliche Situation kommt, arbeitslos zu sein.

Warum? – Bis jetzt war es so, dass wir, wenn jemand arbeitslos war, eigentlich in den ersten drei Monaten die beste Chance hatten, ihn wieder in den Arbeitsprozess hineinzubringen. 72 Prozent der gemeldeten offenen Stellen wurden innerhalb des ersten Monats vergeben, 21 Prozent in den restlichen zwei Monaten. Das Problem dabei war, dass für alle anderen die Gefahr bestanden hat, dass sich die Arbeits­losigkeit verfestigt. Die bisherige Situation war schon so, dass Arbeitlose über 50 Jahre, wenn sie in den letzten 15 Jahren neun Jahre arbeitslosenversichert waren, bis zu 52 Wochen Berufsschutz gehabt haben.

Daher ist die Variante, jetzt so vorzugehen, wie die Sozialpartner vorgegangen sind, nämlich den Berufsschutz mit 100 Tagen entsprechend zu begrenzen, eine ausge­sprochen vernünftige Vorgangsweise, weil damit die Chance, dass sich jemand mit einer Änderung, mit einer anderen Orientierung auseinander setzt, einfach größer ist. Sie werden es in der Praxis sehen. Das Ziel ist es ja, dass man die durchschnittliche Vermittlungsdauer, die im Jahre 2003 101 Tage betragen hat, auf 90 Tage senkt. Damit erhöht man die Chancen für die Arbeitslosen. (Abg. Öllinger: Das Problem sind doch die fehlenden offenen Stellen!)

Zweiter Punkt. Es ist in diesem Zusammenhang auch definiert worden, dass der Entgeltschutz degressiv gestaltet wird. Sie haben in diesen ersten 100 Tagen – oder sogar mehr als 100 Tagen, in den ersten 120 Tagen – 80 Prozent Entgeltschutz. Das geht dann etwas weiter nach unten, aber damit haben Sie auch die Garantie, dass jemand, der jetzt eigentlich gezwungen ist, sich woandershin zu orientieren, auf der anderen Seite einen bestimmten Entgeltschutz hat. Das heißt, diese Maßnahme ist durchaus auch sozial ausgerichtet und hilft dem Betroffenen, diese Umorientierung besser zu bewältigen.

Zweiter wesentlicher Schwerpunkt dieser Arbeitsmarktreform war die Regelung der Zumutbarkeitsbestimmungen, was die Wegzeit anlangt. Ich muss ganz ehrlich sagen, bis jetzt war das von Gemeinde zu Gemeinde, und zwar abhängig von den Gemein­degrenzen und davon, welche Betreuungspflichten vorgelegen sind, immer sehr unter­schiedlich. Ich habe mich immer darüber aufgeregt, dass es eigentlich eine unter­schiedliche Behandlung gab zwischen einem, der ganz normal gearbeitet hat, und einem Arbeitslosen, dem man bestimmte Dinge nicht zugemutet hat. Ich komme aus dem Bezirk Rohrbach im Mühlviertel. Da pendeln relativ viele nach Linz aus und haben


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eine Wegzeit von eineinhalb Stunden hin und retour. Das ist denen zumutbar, einem Arbeitslosen war das bis jetzt nicht zumutbar.

Jetzt haben wir gemeinsam eine Änderung der Wegzeit geregelt, nämlich zwei Stun­den, das entspricht in etwa einem Viertel der täglichen Arbeitszeit von acht Stunden. Ich glaube, dass das eine durchaus akzeptable Regelung ist, weil sie fair ist, weil sie einen Arbeitslosen damit gleichstellt mit einem anderen Erwerbstätigen. Dass die Anfahrtszeit im Idealfall kürzer sein sollte, ist natürlich klar. Auf der anderen Seite ist auch die Anfahrtszeit für bis zu 20 Arbeitsstunden in der Woche geregelt worden, und zwar mit eineinhalb Stunden, und ich glaube, dass auch das sehr positiv ist.

Das Positivste insgesamt ist aber, dass für jeden Arbeitslosen auch ein individueller Betreuungsplan erstellt werden muss. Bis jetzt gab es eine Philosophie, wonach Arbeitslosigkeit im Wesentlichen verwaltet wurde und nicht gemanagt in Richtung Beschäftigung. Diese Philosophie ist jetzt anders. Jetzt wird mehr Effizienz hergestellt, und der gravierendste Unterschied zu früher ist meines Erachtens der: In anderen Ländern hat man das im Streit durchgesetzt und beschlossen – beispielsweise in Deutschland, da gibt es wesentlich schärfere Regelungen, würde ich sagen –, bei uns haben das die Sozialpartner verhandelt. Diese Regelung hat in der Bevölkerung eine hohe Akzeptanz, was dazu führen wird, dass die Regelung in der Praxis auch gelebt werden kann. Deswegen, meine Damen und Herren, ist der Wert der Sozialpartner­einigung nicht unbedingt der, dass die wieder einmal etwas zusammenbringen, son­dern der Wert dieser Einigung ist, dass das in der Praxis gelebt wird.

Sie werden daher erleben, dass wir eine bessere Vermittlung haben, dass wir, was die Arbeitgeber anbelangt, den Vorteil haben werden, dass die Arbeitgeber rascher Arbeitskräfte kriegen, dass der einzelne Arbeitslose im Schnitt nicht so lang arbeitslos ist wie bisher. Das heißt, was wir insgesamt erreichen, ist eine Win-Win-Situation.

Ich bedanke mich als Arbeitgebervertreter sehr herzlich bei der Arbeitnehmerseite. Ich bedauere, dass Herr Präsident Verzetnitsch heute nicht da sein kann, denn er hat das im Wesentlichen auf dieser Seite (in Richtung SPÖ) mitverhandelt. Ich danke auch dem Wirtschaftsministerium und den zuständigen Abteilungen, dass hier im Wesent­lichen das auch so umgesetzt wurde, wie es vereinbart wurde.

Es liegt eine Win-Win-Situation vor. Es ist kein schlechtes, sondern ein sehr gutes Gesetz. Daher bedauere ich, dass Sie dem nicht zustimmen können, freue mich aber, dass im Wesentlichen alle anderen zustimmen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

15.45

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


15.45

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Kollege Mitterlehner, ich zögere – aber eigentlich nur deswegen, weil es bei Ihnen so eine Konkurrenz um den Titel gibt –, aber ich bin mal wieder versucht, Ihnen den Titel des „Mister Politischer Neusprech“ zu verleihen, denn was Sie gerade jetzt vorexerziert haben, wie die Arbeitslosen serienweise profitieren werden von dem Gesetz, das Sie machen, obwohl es nachweislich keinen einzigen zusätzlichen Arbeitsplatz schaffen wird, war ja fast schon bühnenreif. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Damit wird man die umbesetzten Arbeitsplätze besetzen!)

Das, was stimmt, ist, dass es eine Neuorientierung in der Politik der Regierung in Sachen Arbeitsmarkt gibt, und ich würde das, was wir in der Vergangenheit hatten, einmal grob in drei Etappen teilen: Wir hatten eine Etappe, in der sich die Bun-


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desregierung – nicht die jetzige und auch nicht die vorherige – aktiv darum bemüht hat, Arbeitsplätze zu schaffen, den Menschen Arbeitsmöglichkeiten zu geben und sie entsprechend zu qualifizieren und aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben. Also Arbeit schaffen war die erste vorhergegangene Phase.

In der Phase zwei danach ging es darum, die Arbeitslosigkeit zu verwalten. Da hat man geschaut, dass die Statistik in etwa einen gewissen Standard nicht überschreitet. Man hat in Kurse „Wie bewerbe ich mich richtig?“ ausgelagert, zum zweiten, zum dritten, zum vierten Mal, und so weiter. Da gab es also eine Verwaltungsphase der Arbeits­losigkeit.

Jetzt gehen Sie mit Ihrer Politik der Regierung her und sagen: Wir müssen Arbeitslose bekämpfen – nicht Arbeitslosigkeit, sondern Arbeitslose bekämpfen –, es müssen mög­lichst wenige werden. Was Sie nämlich vorexerzieren – Sie haben das jetzt, zwar unter anderen Vorzeichen, aber de facto natürlich ausgemalt –, ist: Wer es in den ersten 100 Tagen nicht geschafft hat, hat Pech bei Ihrer Regierungspolitik. Wer nicht zu den Privilegierten gehört, die in der Arbeitslosigkeit sehr rasch einen neuen Job finden oder überhaupt schon eine relativ fix in Aussicht haben, hat Pech gehabt, denn der Berufsschutz ist weg, der Entgeltschutz ist degressiv, die Zumutbarkeits­bestim­mungen werden ordentlich verschärft.

Sie machen damit auch aus dem einen Job, der auf neun Arbeitssuchende kommt, keinen einzigen mehr. Da müssen Sie mir einmal erklären und vor allem den Arbeits­losen erklären, wie Sie denn Ihre tollen 100-Tage-Ziele erreichen wollen, wenn auf jeden Arbeitsplatz, der jetzt verfügbar ist, acht bis neun Arbeitssuchende kommen, und zwar kontinuierlich. Mein Kollege hat Ihnen die Zahlen genannt. Was nützt es den anderen acht, die den Job nicht bekommen, wenn Sie sagen, es sei ihnen zumutbar, einen anderen Beruf zu ergreifen – den gibt es nämlich auch nicht ––, es sei ihnen zumutbar, weniger zu verdienen – es gibt auch keinen Job zu weniger Verdienst –, es sei ihnen zumutbar, ein, zwei Stunden Wegzeit am Tag in Kauf zu nehmen, wenn die Mobilität nicht gegeben ist und der Job nicht da ist?

Ich komme aus Gmünd aus dem oberen Waldviertel. Was glauben Sie, wie viele Frauen dort langzeitarbeitslos sind? Die werden mit der Wegzeit, die Sie jetzt als zumutbar definieren, erst recht keine Chance haben, einen Job zu finden. Frauen werden es generell – mit einer Ausnahme, auf die ich zu sprechen komme – mit den Wegzeitbestimmungen tendenziell noch schwerer haben, einen Job zu finden.

Erklären Sie mir einmal: Wie soll jemand, der vielleicht nicht täglich den PKW der Familie zur Verfügung hat, eine Wegzeit von bis zu zwei Stunden täglich schaffen können, wenn die öffentlichen Verkehrsmittel nicht ausreichend da sind?

Sie können ja noch nicht einmal beantworten – das konnten Sie auch im Ausschuss nicht –, wie Sie denn Wegzeit für einen Pendler definieren. Heißt es das, dass man um 6 Uhr in der Früh in den Zug steigen muss, damit man irgendwann in der nächsten größeren Ortschaft, wo der Arbeitsplatz ist, zwei Stunden später den Bürobetrieb schafft? Da sind wir auf vier, fünf Stunden im schlimmsten Fall. Ist das auch zumutbar? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das können Sie nicht beantworten! Gehen Sie von Stauzeiten aus oder nicht? (Abg. Dr. Mitterlehner: Von der Wirtschaft verstehen Sie nichts!) Gehen Sie von realen privaten, öffentlichen, sonstigen Verkehrsträgern aus?

Also was Sie hier machen, ist eine Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen. Sie schicken die Arbeitslosen ins Nirwana der ungeklärten Fragen, auch in anderen Punkten. Sie legen einen Betreuungsplan vor (Zwischenrufe bei der ÖVP) – ganz cool bleiben! –, der einseitig vom Arbeitsmarktservice vorgegeben werden kann, aber vom Arbeitssuchenden einzuhalten ist. Das ist eine ganz merkwürdige Verlagerung der Verantwortung zu jenen, die im Zweifelsfall nicht einmal eine Mitsprache genießen.


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Das heißt, Sie machen hier eindeutig ein Gesetz, das dazu beiträgt, die Zahl der Arbeitslosen zu reduzieren, indem sie aus dem Arbeitslosenanspruch hinausgedrängt werden. So schaut Ihre Politik aus! Unter diesen Vorzeichen wird, kann ich nur sagen, der Spruch, den Sie immer wieder aufgesagt haben – jeder Arbeitslose ist ein Arbeitsloser zuviel –, ganz merkwürdig interpretierbar. Sie meinen, jeder Arbeitslose, der den Anspruch noch nicht verwirkt hat, ist Ihnen aus Effizienz- und Kostengründen zu viel.

Wir meinen, jeder Mensch, der Arbeit sucht und sie nicht bekommt, ist ein Problemfall, dem man möglichst rasch wirksame Hilfestellung über Qualifikationsmaßnahmen, über begleitende Rahmenmaßnahmen leisten muss, damit er wieder Arbeit findet, und zwar Arbeit, von der er auch leben kann und die von ihm in Bezug auf die Zumutbarkeit in Anspruch genommen werden kann, also ohne dass es darauf hinausläuft, dass er stundenlang irgendwelche Anreisen in Kauf nehmen muss, um irgendwelche McJobs kombinieren zu können. (Beifall bei den Grünen.)

In diesem Sinne kann ich Sie nur auffordern: Kehren Sie um von Ihrer Umkehr! Kehren Sie zurück zu einer aktiven Arbeitsmarktpolitik – im Interesse der Arbeitslosen und nicht im Interesse der Kosteneffizienz! (Beifall bei den Grünen.)

15.51

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Silhavy. Ich erteile es ihr.

 


15.51

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Kollegin Weinzinger, ich kann Ihre Einschätzung unterstreichen, was das Ver­sagen der Bundesregierung bezüglich Beschäftigungs- und Wachstumspolitik anbe­langt, Ihre Einschätzung hinsichtlich dieser Regierungsvorlage kann ich allerdings nicht teilen, vielmehr kann ich Ihnen mitteilen, dass wir der Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschussberichtes unsere Zustimmung geben werden.

Positiv hervorheben möchte ich die Berücksichtigung der Betreuungspflichten auch bei der Vermittlung innerhalb des Wohnortes. Das ist auf jeden Fall qualitativ ein Fort­schritt, den wir damit erreichen können. Auch die Entgeltsicherung, vor allem bei Teil­zeitbeschäftigung, ist sicherlich ein wesentlicher Punkt, gerade was Armutsvermeidung und vor allem was das Einkommen von Frauen anbelangt.

Ich möchte auch sagen, dass die Realität zeigt, dass große Firmen, die einen Arbeits­kräftebedarf haben, Arbeitskräfte anstellen, die nicht aus der Profession kommen, die eigentlich dieser Firma zuzuordnen wäre, sondern Menschen mit anderen Ausbildun­gen bevorzugen. Das geschieht sicherlich schon auch aus Entgeltgründen – das muss man fairerweise auch dazusagen –, aber das ist Faktum. Wir haben in der Steiermark einen nicht allzu kleinen Betrieb, der hier als Beispiel angeführt werden könnte. Des Weiteren halte ich den Betreuungsplan für einen wirklichen qualitativen Fortschritt, weil er erstmals darauf Rücksicht nimmt, dass bestehende Qualifikationen – das ist ein wesentlicher Punkt – erhalten beziehungsweise erweitert werden müssen.

Ich freue mich auch, Herr Bundesminister, dass Teile unserer Forderungen hinsichtlich des Jugendausbildungssicherungsgesetzes aufgegriffen worden sind. Ich nehme an, das ist zum Teil auch darauf zurückzuführen, dass es mit Wien Verhandlungen gegeben hat und gerade die Stadt Wien gezeigt hat, dass sie bereit ist, finanzielle Mittel, und zwar nicht unbeträchtliche, in die Hand zu nehmen, damit man eben positiv etwas zur Jugendbeschäftigung beitragen kann.

Grundsätzlich stellt die neue Wegzeitregelung oder die Beurteilung der Wegzeit auch eine Verbesserung dar, wobei allerdings schon ein paar Unschärfen drinnen sind. Was


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ist nämlich die Zumutbarkeit „unter besonderen Bedingungen“, die dann letzten Endes über diese zwei Stunden hinausführen kann? Ein bisschen kritisch sehe ich auch, was den Anteil der Wegzeit bei einer Teilzeitbeschäftigung bis 20 Stunden anbelangt, weil es ein Unterschied ist, ob ich fünf Stunden am Tag arbeite oder vier Stunden am Tag oder einmal nur drei Stunden am Tag arbeiten muss. Wenn ich nämlich nur drei Stunden arbeite, dann sind eineinhalb Stunden Zumutbarkeit schon etwas übertrieben. Da wären, glaube ich, in der Praxis schon noch ein paar Nachjustierungen oder zumindest ein paar andere Bewertungs- und Beurteilungskriterien angebracht.

Ich stehe auch nicht an, Herr Bundesminister – auch an die Regierungsfraktionen gewandt –, hier zu sagen, dass ich mich sehr über Ihre Beweglichkeit gefreut habe, sodass es uns jetzt doch gelungen ist, die Sanktionen wieder auf das ursprüngliche Maß zurückzuschrauben. Ich hätte mir gewünscht, dass wir die Erstregelung der vier Wochen, wie es im Entwurf war, hätten einhalten können, aber ich bin schon damit zufrieden – und ich möchte das wirklich positiv anmerken –, dass Sie da die Beweg­lichkeit gehabt haben und von den verschärften Sanktionen zurückgegangen sind.

Wo wir in den Verhandlungen nicht auf gleich gekommen sind – das sage ich auch –, das sind die Sanktionsmechanismen, wenn jemand bei Teilzeit den Entgeltanspruch auf Grund von unwahren Behauptungen wahrnehmen will, weil wir der Auffassung sind, dass es für Teilzeitbeschäftigte oft schwerer nachzuweisen ist als für die Behör­de, also für das Arbeitsmarktservice. Aber hier lag ja Ihre Aussage aus dem Ausschuss zu Grunde – ich möchte sie hier im Plenum offiziell auch noch einmal wiederholen –, dass für die Durchführungsbestimmungen und für den Durchführungserlass ein Ein­vernehmen zwischen den Sozialpartnern in dieser Frage hergestellt wird, und ich hoffe, dass es dann zu einer gewissen Ausgewogenheit kommen wird.

Kritisch anmerken möchte ich, Herr Bundesminister, dass Sie zwar Ihre Gesetzes­materien immer wunderschön betiteln, aber es ein Arbeitsmarktreformgesetz trotz allem nicht geworden ist. Das Erste, was ich zu kritisieren habe, ist, dass Sie leider gegenüber dem Begutachtungsentwurf offensichtlich vor der Wirtschaft oder der Wirt­schaftskammer in die Knie gegangen sind. Ich hätte es sehr begrüßt, wenn wir endlich eine freiwillige Arbeitslosenversicherung für selbständig Erwerbstätige eingeführt hät­ten. Das hätte vielen, vielen Menschen in atypischen Verhältnissen zumindest eine Chance gegeben, in diese Versicherung zu kommen.

Sie haben auch die Chance verpasst, ein Mindestarbeitslosengeld zu verankern. Es fehlt die Bereitstellung der entsprechenden Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik, und es fehlen – und das wundert mich sehr, Herr Bundesminister – Maßnahmen entsprechend den Anregungen Ihres Regierungsbeauftragten, des Herrn Blum. Er hat aus Anlass seiner 100 Tage-Tätigkeit einen wirklich hervorragenden Bericht vorgelegt, in dem zahlreiche Anregungen zur Jugendbeschäftigung enthalten sind.

Alles in allem: Wir stimmen zu, aber es ist das, was Sie unter dem Titel versprechen, nicht im Gesetz drinnen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.56

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

 


15.57

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Rede der Frau Abgeordneten Silhavy ist schon eine ganz eigene. In allen Punkten, die Sie angeführt haben, haben Sie das Gesetz nur kritisiert (Abg. Silhavy: Nicht in allen Punkten! Das stimmt ja nicht!), mit Recht kritisiert. Warum stimmen Sie dann zu? Was steckt dahinter? Was ist da für ein Gegengeschäft


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gemacht worden? Ich glaube, diese Frage sollten Sie auch noch beantworten. (Abg. Silhavy: Sie haben mir nicht zugehört, Frau Kollegin Haidlmayr!)

Jetzt zum Arbeitslosenversicherungsgesetz: Herr Dolinschek hat die Tatsache, dass es jetzt zur Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes kommt, im Ausschuss da­mit gerechtfertigt, dass Arbeitslose schneller, effizienter und vor allem auch qualitativ besser vermittelt werden sollen. Jetzt frage ich mich, was Sie da schneller, effizienter und qualitativ noch besser machen wollen, wenn auf eine offene Arbeitsstelle neun Arbeitslose kommen. Das ist lächerlich! Bei dieser Arbeitslosensituation, die wir haben, wird sich mit dieser Gesetzesänderung in dieser Richtung absolut nichts tun, sondern bei dieser Regelung gibt es andere Profiteure, und zu diesen Profiteuren gehören schlicht und einfach die Unternehmen.

Herr Mitterlehner, Sie haben mir das im Ausschuss auch nicht beantworten können, weil es da einfach keine Antwort gibt, denn wo ich Recht habe, habe ich Recht. Das ist halt einmal so. Ich meine § 11, Nachsicht bei Selbstkündigung. Wenn man sich das anschaut, klingt das im ersten Moment gar nicht so blöd, dass es auch bei Selbst­kündigung eine Nachsicht gibt, dass man unter Umständen die Wartezeit nicht einhalten muss beziehungsweise sich diese Frist verkürzt oder überhaupt fällt. Dann habe ich mir überlegt: Wie gibt es das? Haben Sie jetzt plötzlich kapiert, dass einer, wenn er seinen Job verliert, nicht einen Monat lang am Hungertuch nagen kann, sodass Sie ihm das Geld jetzt gleich von Haus aus geben? Dann bin ich aber drauf­gekommen: Nein, das ist es nicht, sondern es geht um etwas völlig anderes. Es geht darum, dass die Abschaffung des Entgeltfortzahlungsgesetzes vor allem kleine Unter­nehmen trifft, denn ein Unternehmen mit zehn, zwölf Leuten kann es finanziell in der Regel nicht tragen, wenn da einer länger krank ist. Früher hat man gemäß Entgelt­fortzahlungsgesetz eingezahlt und hat in der Zeit, in der jemand krank war, die Lohn­kosten plus 12,8 Prozent von der Krankenkasse retourniert bekommen. Das gibt es heute nicht mehr, weil man eben Lohnnebenkosten gespart hat – so wurde es gesagt – und diese EFZ-Regelung abgeschafft wurde.

Gerade kleine Unternehmen können es sich jetzt nicht mehr leisten, dass sie jeman­den, der länger arbeitslos ist, mitfinanzieren. Deshalb greifen viele Unternehmen wenn heute einer krank wird, zu der Möglichkeit, zu sagen: Du, pass auf, ich kündige dich, und wenn du wieder halbwegs beieinander bist, dann stelle ich dich wieder an! In dieser Zeit fällt er natürlich aus dem Gehalt heraus. Es muss aber nicht Krankheit sein, es kann auch kurzfristiger Arbeitsmangel in einem Unternehmen sein, dass halt fünf, sechs Wochen keine Aufträge da sind. Dann werden die Leute gekündigt und nach sechs Wochen später wieder angestellt, und in dieser Zeit werden sie praktisch arbeits­los gemeldet und kriegen ihre Leistungen aus einem anderen Topf. Das kommt für das Unternehmen günstiger, als es müsste den mitschleppen. Das haben Sie ganz klar unterstützt, das war Ihre Lösung, aber diese Lösung nützt dem Betroffenen nichts, sondern nützt ausschließlich dem Unternehmen.

Zur Zumutbarkeitsbestimmung und zum Berufsschutz: Das ist auch so eine Ge­schichte! Wenn heute jemand, der im Metallbereich beschäftigt ist, arbeitslos wird, beispielsweise ein Schlosser, dann muss er jetzt innerhalb einer gewissen Zeit – nämlich innerhalb von 100 Tagen – wieder einen Job annehmen, etwa als Eisenbieger auf einer Baustelle. Das Einkommen ist dort vor allem im Sommer relativ gut, und das muss er machen. Ich frage mich nur: Was macht er, wenn er dann als Eisenbieger arbeitslos wird? Dann bekommt er nämlich nichts mehr! Es gibt ganz einfach Berufe, in welchen noch sehr viele unqualifizierte Menschen tätig sind, und diese werden in Zukunft überhaupt keine Möglichkeit mehr haben, einen Job zu bekommen.


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Das heißt: Die Arbeitslosigkeit wird mit diesem Gesetz nur weiter verschärft, indem man Unqualifizierten oder schlecht Qualifizierten noch weniger Chancen gibt, als sie bisher hatten.

Zum Problem der Wegzeit: Ich habe im Ausschuss ganz konkret gefragt, wie sich das verhält. Herr Mitterlehner, Sie kennen die Situation, denn Sie kennen sich dort auch aus. Die Leute, die zum Beispiel in Steyr arbeiten und in Hofkirchen oder in Losenstein oder irgendwo in dieser Gegend leben, hören um sechs Uhr zu arbeiten auf und sind um Viertel nach sechs auf dem Bahnhof. Der Zug geht aber erst um acht Uhr. Dann fahren diese Leute eine Dreiviertelstunde, bis sie zu Hause sind. – Handelt es sich ab Ende der Arbeitszeit, also ab Geschäftsschluss, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er daheim ankommt, um Wegzeit oder nicht? – Dazu hat Herr Fasslabend gesagt: Nein, es handelt sich dabei sicher nicht um Wegzeit!

Das heißt: Diese Leute müssen in der Regel drei bis vier Stunden auf Bahnhöfen herumsitzen, weil sie auf ein öffentliches Verkehrsmittel warten müssen, das gilt aber nicht als Wegzeit! Sie haben das Gesetz in diese Richtung also nicht verbessert, indem Sie es klarer geregelt haben, sondern Sie haben es noch weiter aufgemacht als bisher.

Frau Silhavy, ich verstehe einfach nicht, dass Sie da mitgehen! Es wird jetzt immer davon gesprochen, dass die Leute schneller vermittelt werden und alles besser wird. Ich meine: Es wird nichts besser, und die vorige Situation war schon schlimm genug. – Ich erzähle Ihnen jetzt einen Fall, der mir diese Woche per E-Mail übermittelt wurde.

Ein junger Mann ist arbeitslos. Er ist von einem Bezirk in den anderen übersiedelt und wusste nicht, wo er sich beim nächsten Termin melden muss. Er hat beim alten Arbeitsamt angerufen und mitgeteilt, dass er übersiedelt ist, und gefragt, wo er denn jetzt hingehen muss. Man hat ihm gesagt, dass er das Arbeitsamt in seinem neuen Wohnbezirk aufsuchen soll. Der Mann hat dann noch gefragt, wann er denn dort hingehen soll. Darauf erhielt er die Antwort, dass das ohnehin Wurscht sei, er solle sich halt melden, wenn er Zeit habe. Drei Tage später ist er dann dort hingegangen und hat erfahren, dass er in der fraglichen Zeit keine Notstandshilfe mehr bekommen hat. Er bekommt sie für diese Zeit einfach nicht, und das hat ihm kein Mensch gesagt!

In Zukunft bekommt er wieder die Arbeitslose, aber nur unter der Voraussetzung, dass er einen Zettel unterschreibt – das muss man sich einmal geben! –, dass er innerhalb von zwei Monaten einen Job suchen wird. – So etwas Verrücktes habe ich überhaupt noch nie gehört! Man kann sich doch nicht verpflichten, dass man innerhalb von zwei Monaten einen Job bekommen wird, wenn man zwei Jahre lang inklusive Suche durch das Arbeitsamt nichts gefunden hat!

Das sind die Ergebnisse dieses Gesetzes. Durch diese Neuregelung wurde es noch verschärft. Ich denke: Einem solchen Gesetz kann man nicht zustimmen, denn das geht absolut nur auf Kosten der arbeitslosen und Arbeit suchenden Menschen, und es ist einfach nicht tragbar, was Sie mit diesen aufführen! (Beifall bei den Grünen.)

16.03

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dolinschek –: Aber jetzt, Sigi!)

 


16.03

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem ich die Ausführungen der Kontraredner, jetzt der Grünen, verfolgt habe, muss ich jetzt feststellen: Der Sozial­sprecher der Grünen Öllinger war im Sozialausschuss nicht anwesend, weil er verhin-


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dert war, und die anderen kennen sich dabei anscheinend überhaupt nicht aus. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: So ist es!)

Das ist ein Problem, sonst wäre es doch nicht möglich, dass jemand jetzt hier wie Frau Weinziger oder Frau Haidlmayr sagt, dass es keine aktive Arbeitsmarktpolitik gibt. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist eine Frechheit!) Ich muss sagen: Ich kann das gar nicht nachvollziehen. Offenbar haben Sie verschlafen, was die letzten Jahre hier geschehen ist. Sie behaupten, dass wir Arbeitslose verwalten. – Vielmehr ist es das Bestreben dieser Bundesregierung in der Koalition, möglichst wenige Arbeitslose zu haben. Wir wissen um die Arbeitsmarktlage und haben entsprechende Sorgen. Wenn Sie aber behaupten, dass die Lage in Österreich besonders schlecht ist, dann ziehen Sie doch einmal einen Vergleich mit anderen europäischen Staaten oder international! Dann werden Sie feststellen: Wir liegen hier hervorragend!

Wir bekämpfen nicht Arbeitslose, sondern wir bekämpfen die Arbeitslosigkeit! Das ist Tatsache. Wenn Sie den Ausführungen der Kollegin Silhavy folgen, geschätzte Damen und Herren von den Grünen, dann werden Sie feststellen: Es wird dort Kritik geübt, wo man Verbesserungen weiter ausweiten will, die momentan noch nicht möglich sind. Das ist verständlich. Man hat aber auch gehört – und darüber bin ich besonders froh –, dass die SPÖ hier mitgehen wird. Betreffend die Sanktionen ist es uns gelungen, wie Frau Silhavy vorher erwähnt hat, diese auf das bisher übliche Maß zurückzunehmen und auch so zu belassen. Ich teile ihre Meinung, dass diese Sanktionen überhaupt nichts gebracht hätten.

Ansonsten gibt es aber wesentliche Verbesserungen. Frau Kollegin Haidlmayr! Wenn ich sage, dass die Vermittlung von Arbeitslosen mit diesem Arbeitsmarktreformgesetz schneller, besser und effizienter gestaltet wird, so ist das selbstverständlich im Sinne der Arbeitslosen, denn kein Arbeitsloser ist bestrebt, dass er in Arbeitslosigkeit ver­bleibt, sondern dass er eine Arbeit bekommt! Die bisherigen Zumutbarkeitsbestim­mun­gen werden jetzt entfallen. Stattdessen wird die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes innerhalb einer angemessenen Zeit, nämlich innerhalb eines Viertels der täglichen Arbeitszeit, festgelegt, und im Hinblick auf die unterschiedlichen regionalen und per­sönlichen Umstände wird von dem starren Festlegen einer Grenze im Gesetz jetzt abgegangen. Die Beurteilung der Angemessenheit der Wegzeit wird jetzt unter Berück­sichtigung des Verhältnisses zwischen Wegzeit und der durchschnittlichen täglichen Normalarbeitszeit vorgenommen und hebt die Entfernungsregelung, wie sie bisher üblich war, auf.

Der Berufschutz wird ebenfalls in einen Entgeltschutz geändert, und dazu muss ich Folgendes sagen: Ein Berufsschutz hat, wenn der entsprechende KV schlecht ist und wenig bezahlt wird oder gar keiner besteht, überhaupt keinen Sinn! Wichtig ist, dass man eine Entgeltsicherung hat, und ein Entgeltschutz wird jetzt eingeführt, und zwar für die ersten 120 Tage in der Höhe von 80 Prozent des zugrunde liegenden Entgelts. Das sind 80 Prozent des vorherigen durchschnittlichen Verdienstes; für die restliche Zeit gelangen 75 Prozent zur Auszahlung.

Der Berufsschutz wird weiterhin für 100 Tage bestehen, das wird auch so festgelegt, und in der Regel wird die Wiederaufnahme einer Beschäftigung im bisherigen Tätig­keitsbereich innerhalb dieser Zeit möglich sein. Durch die Beschränkung dieses Berufsschutzes auf 100 Tage verringert sich die Gefahr des Entstehens beziehungs­weise der Verfestigung von Langzeitarbeitslosigkeit. Das ist der Sinn und Zweck, und das ist eine aktive Arbeitsmarktpolitik, sehr geehrte Damen und Herren!

Eine Verbesserung der Betreuungspflicht wurde ebenfalls heute schon angesprochen. In der Regierungsvorlage ist vorgesehen, dass dieser dreijährige Fortbezug von Arbeitslosengeld in Form der Notstandshilfe und im Fall der Pflege von Angehörigen in


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Form von Pflegegeld der Stufe 3 – bisher war Pflegestufe 4 vorgesehen – gebührt, sofern eine Weiterversicherung durch die Pensionsversicherung erfolgt. Der Betreu­ungsplan – und das wurde ebenfalls von den meisten der Vorredner positiv bewertet – wird im AMS-Gesetz jetzt gesetzlich verankert.

Auf Grund der Lage auf dem Lehrstellenmarkt werden ebenfalls bewährte Maßnahmen der Jugendausbildungssicherung wie Lehrgänge gefördert und aufrechterhalten. Außerdem ist die verpflichtende Ausstellung eines Dienstzettels für freie Dienst­verhält­nisse als Informationsgrundlage für die Rechte und Pflichten aus diesen Arbeits­verhältnissen in dieses Arbeitsmarktreformgesetz integriert, und ich glaube, dass das eine gute und richtige Sache ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.09

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort ge­mel­det hat sich Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

 


16.09

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Dieses Arbeitsmarktreformpaket – und natürlich bekenne ich mich zu diesem Titel, verehrte Frau Abgeordnete Silhavy! – ist ein bahnbrechendes Reformpaket und schreibt ein neues Kapitel vor allem in Sachen Zumutbarkeit.

Lassen Sie mich eingangs einige Sätze zur Situation auf dem Arbeitsmarkt formulieren, ohne lediglich auf Arbeitslosenzahlen einzugehen! – Österreich ist in der glücklichen Lage, einen relativ flexiblen Arbeitsmarkt zu haben, und zwar nicht erst, seitdem ich Verantwortung als Arbeitsminister trage. Das kommt uns zugute. Die Dynamik dieses Arbeitsmarktes ist hoch, eine Dynamik, die auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass – natürlich einschließlich Saisonbeschäftigungen – etwa jeder zweite Job pro Jahr neu besetzt wird und damit die Wahrscheinlichkeit besteht, dass Menschen, die in Arbeitslosigkeit geraten, auch relativ rasch wieder in Arbeit kommen, entweder selbst oder mit Unterstützung durch das AMS; der Weg ist dann sekundär, Hauptsache es klappt!

Wir befinden uns in einer deutlich besseren Situation als beispielsweise Deutschland, Frankreich und die meisten anderen EU-Mitgliedstaaten. In Wirklichkeit sind die deutschen Arbeitsmarktreformen, die unter dem Titel Hartz 1 bis Hartz 4 laufen, Nach­vollzüge dessen, was in Österreich über die Jahre entwickelt wurde. Nicht ohne Grund war die Hartz-Kommission auch vielfach bei uns und beim AMS in Österreich und hat – was völlig in Ordnung ist – das, was bei uns gut funktioniert, in diese deutschen Reformpakete mit übernommen.

Das kommt letztlich auch dadurch zum Ausdruck, dass wir in Österreich jetzt schon für arbeitslos gewordene Menschen eine Vermittlungsdauer von durchschnittlich rund 100 Tagen haben. Diese Regierung, das Kabinett Schüssel II, hat es sich zum Ziel gesetzt, auf 90 Tage herunterzukommen. In Deutschland ist diese Dauer weit, weit höher.

Nochmals: Ich möchte an dieser Stelle gar nicht so sehr die Arbeitslosenzahlen, sondern vor allem die Arbeitsmarktflexibilität in den Vordergrund rücken.

Gleichzeitig ist es uns in Österreich gelungen, mit den Zielgruppen besonders erfolg­reich zu agieren: Es wird deutlich mehr für Frauen und deren Arbeitsmarktprobleme getan als für Männer. Auch mit der Zielgruppe junge Menschen sind wir erfolgreich unterwegs. Gott sei Dank, letztlich auch dank der Maßnahmen, die gesetzt wurden, ist die Jugendarbeitslosigkeit rückläufig, sehr geehrter Herr Abgeordneter Öllinger, und


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zwar nicht nur jene bis zu den 19-Jährigen, also derjenigen jungen Menschen, die im Wesentlichen in einer Lehre stehen. Vielmehr sind jetzt auch in der Gruppe der bis zu 25-Jährigen erstmals die Arbeitslosenzahlen rückläufig. Das soll auch dazu gesagt werden, das haben Sie nicht erwähnt.

Ebenso ist die Entwicklung bei den älteren Menschen: Die über Fünfzigjährigen sind im Arbeitsmarkt besser unterwegs als die 25- bis 50-Jährigen. Auch in diesem Bereich ist die Arbeitslosigkeit rückläufig.

Ich hoffe, dass wir in absehbarer Zeit insgesamt wieder über rückläufige Arbeitslosen­zahlen diskutieren können!

Auch Langzeitarbeitslosigkeit ist als Problem rechtzeitig erkannt worden. Das AMS geht mit seiner aktiven Arbeitsmarktpolitik mit vielen NGOs als Unterstützer und Ko­operationspartner diesbezüglich sehr erfolgreich vor.

Lassen Sie mich jetzt, nachdem das gesagt wurde, den Sozialpartnern danken, denn das Herzstück dieses Arbeitsmarktreformpaketes ist natürlich die Neuformulierung der Zumutbarkeitsbestimmungen. Es handelt sich hiebei, Herr Öllinger, um keine Verschär­fung, sondern um eine Modernisierung im Interesse der Arbeitnehmer dieses Landes und im Interesse der Arbeitslosen. Ich bedanke mich bei den Verhandlern, für die mir Präsident Verzetnitsch und Präsident Leitl das Ergebnispapier vorgelegt haben. Selbst­verständlich war es in einer so ureigenen Sozialpartnermaterie unser und mein Anlie­gen, diesen Sozialpartnerwillen in ein Gesetz umzusetzen, was technisch gar nicht so einfach war.

So gesehen, kommt es nicht von ungefähr, dass die große Oppositionspartei nach durchaus engagierten Verhandlungen im Ausschuss heute die Zustimmung geben kann, wofür ich mich auch meinerseits, sehr geehrte Frau Abgeordnete Silhavy, bei Ihnen als Stellvertreterin Ihrer Fraktion herzlich bedanke. – Im Übrigen: Schade, dass Präsident Verzetnitsch nicht da sein kann! Gute Besserung!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich aber auch einiges zum Thema Jugendausbildung sagen! Ich habe schon festgestellt, dass die Maßnahmen greifen. Es gibt einige Bestimmungen, welche die Jugendausbildung fortentwickeln. – Wir müssen mit der Situation leben, dass wir zumindest für die nächsten drei bis fünf Jahre auf Grund geburtenstarker Jahrgänge, die nachrücken, und auf Grund einer Wirtschaft, die jedenfalls nicht so viele Lehrstellen bereitstellen kann, wie ich mir das wünschen würde, Sondermaßnahmen brauchen.

Wir haben im Zusammenhang mit den Lehrgangsplätzen jetzt ein Netz von 7 000 Plät­zen etabliert. Das wurde im Übrigen nicht von mir erfunden, sondern die Sozialpartner einschließlich der Regierungsvertreter haben das im Verwaltungsrat des AMS so formuliert. Sollte das zu wenig sein, wird ausgeweitet werden müssen. Dieses Netz wird so breit gestrickt und so groß sein, dass alle Jungen darin Platz haben, die sonst keinen Lehrplatz finden, das heißt, es gilt die Garantie, dass jeder und jede Jugend­liche in diesem Land, der oder die keinen Lehrplatz findet, zumindest einen Lehrgangs­platz bekommt, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir haben das in Abstimmung mit den Sozialpartnern weiterentwickelt, da ist manche Anregung auch von der Arbeitnehmerseite gekommen. Diese Lehrgänge können jetzt – müssen aber nicht – auf zwölf Monate ausgedehnt werden. Es gibt eine Ver­pflichtung für das AMS, die Jugendlichen entweder auf eine reguläre Lehrstelle zu vermitteln oder aber in den nächsten Lehrgang zu transferieren.

Dieses Reformpaket beinhaltet die Möglichkeit, auch einen vierten Lehrgang anzuhän­gen, inklusive Vorbereitung auf die Lehrabschlussprüfung. Das heißt, es gibt einen


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zwar nicht gleichwertigen, aber zumindest auch akzeptablen zweiten Weg für jene Jungen in Österreich, die keinen regulären Lehrplatz finden, wiewohl ich an dieser Stelle sage: Herr Abgeordneter Mitterlehner! Schauen wir uns das an, was in Deutsch­land möglich ist! Dort gibt es einen Ausbildungspakt betreffend einige Zigtausend Lehr- beziehungsweise Ausbildungsplätze, die von der Wirtschaft zugesagt werden. – Wir haben auch in Österreich einen Ausbildungspakt, den der Bundeskanzler mit dem Prä­sidenten der Wirtschaftskammer und mit mir abgeschlossen hat, und der auch besagt, dass ein bestimmter Prozentsatz eines jeglichen Geburtsjahrganges in eine duale Berufsausbildung kommt. Und es ist wichtig, dass das auch umgesetzt wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kommerzialrat Blum, der Regierungs­beauftragte in Sachen Lehrlingsausbildung und Jugendbeschäftigung, ist erwähnt worden. Es gibt breite Akzeptanz auch auf Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsseite, und das ist gut so. – Wir werden mit Kommerzialrat Blum vor allem in Richtung noch bes­sere Möglichkeiten zur Absolvierung der Berufsreifeprüfung – aus meiner Sicht: der Berufsmatura – arbeiten. Es geht um die Etablierung einer Reihe von konkret praxis­orientierten Lehrberufen. Es geht um überbetriebliche Ausbildungseinrichtungen in Ergänzung zu Lehrgangsmodellen, und es geht letztlich auch um Ausbildungs­ver­bünde, dass man es Firmen leichter macht, bei der Ausbildung von jungen Menschen zusammenzuarbeiten.

Hier sind wir auf gutem Wege, und ich bin überzeugt davon, dass wir, so wie es Tradition ist, auch in Sachen Jugendausbildung alles oder zumindest fast alles im Konsensweg beschließen werden, sowohl auf Sozialpartnerebene als auch hier im Hohen Hause.

Lassen Sie mich, Herr Präsident, jetzt ganz kurz auf einige kritische Anmerkungen von Abgeordneten eingehen, die ich so nicht stehen lassen kann!

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Öllinger! Wenn Sie von den schärfsten Zumutbar­keitsbestimmungen Europas sprechen, dann rate ich Ihnen: Schauen Sie sich Rot-Grün in Deutschland an! Dort haben Ihre Freunde Mitverantwortung, und dort kann jemand ohne Betreuungsverpflichtungen im gesamten deutschen Bundesgebiet auf einen Arbeitsplatz vermittelt werden. Es träfe also eher auf Deutschland denn auf uns zu, von den schärfsten Zumutbarkeitsbestimmungen zu sprechen.

66 Prozent, also zwei Drittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik-Mittel werden für Qualifizie­rungsmaßnahmen ausgegeben, und die Tendenz ist steigend. Diesbezüglich haben Sie auch nicht Recht.

Sie sprechen von 300 000 Arbeitslosen. Sie nehmen die Arbeitslosenrate, zählen die in Schulung Befindlichen hinzu und erfinden dann noch Pensionsvorschussbezieher dazu. (Abg. Öllinger: Das ist nicht erfunden!) Sehr geehrter Herr Abgeordneter Öllin­ger! Ich halte mich an die Statistiken, die in bewährter Weise seit Jahr und Tag in gleicher Weise von den AMS-Verantwortlichen erstellt werden, und gemäß diesen haben wir zurzeit etwas über 200 000 Arbeitslose.

Gott sei Dank, Frau Abgeordnete Silhavy, haben wir jetzt mit Wien einiges vereinbart! Ich hoffe, dass die Maßnahmen hier bald greifen. Aus heutiger Sicht haben wir in ganz Österreich im Jahresabstand per Mitte Juni etwa 400 Arbeitslose mehr als im Vorjahr. Das heißt, im Moment scheint der Anstieg der Arbeitslosigkeit fast zum Stillstand gekommen zu sein. In Wien sind es aber etwa 4 000 Arbeitslose im Jahresabstand mehr. Dieses Problem wurde erkannt, und ich hoffe, dass die Maßnahmen greifen und dass die Sozialpartner und die politisch Verantwortlichen in Wien konkrete Schritte setzen können.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie gesagt: Auch 200 000 Arbeitslose sind jedem von uns zu viel, das steht außer Frage, jeder Einzelne ist zu viel. Aber man darf diesbezüglich keine Milchmädchenrechnung anstellen. Herr Öllinger ist jetzt nicht mehr im Saal, aber Frau Haidlmayr hat das auch so gesagt: Es ist eine Milchmädchen­rechnung, wenn man sagt, dass beim AMS so und so viele offene Stellen gemeldet sind und so und so viele Leute Jobs suchen. Das disqualifiziert sich von selbst!

Sie wissen ganz genau, dass die allermeisten offenen Stellen beim AMS überhaupt nicht gemeldet sind. Herr Öllinger, strukturell wichtig ist, dass die Zahl der offenen Stellen insgesamt jetzt wieder steigend ist. Das gehört zu den Schwalben, die hoffentlich bald auch insgesamt im Arbeitsmarkt ein wenig Sommer bringen werden!

Frau Abgeordnete Weinzinger, ich bin in der Politik manches durchaus auch an pointierter Polemik gewohnt. Das ist kein Problem! Lassen Sie es mich aber doch zurückweisen, auch wenn Sie jetzt auch nicht im Saal sind! Schade, wenn die Debatte so abläuft! Sie sprechen von drei Phasen: „Arbeit schaffen!“ sei einmal der Slogan der Regierung gewesen. – Eine Regierung hat leider Gottes noch nie Arbeitsplätze geschaffen! Wenn, dann hat eine Regierung mit dem Gesetzgeber die Rahmen­bedin­gungen geschaffen, und die Unternehmungen haben dann Arbeitsplätze geschaffen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Dann sei die Arbeitslosigkeit verwaltet worden.

Und jetzt würden wir die Arbeitslosen bekämpfen! – Also das ist nicht mehr pointiert, das ist polemisch, und das weise ich im Interesse der Arbeitslosen dieses Landes ganz deutlich zurück, auch wenn Sie jetzt nicht im Saal sind, Frau Abgeordnete! (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Abgeordnete Silhavy, in Sachen Arbeitslosenversicherung für Selbständige sage ich Ihnen: Das ist aufgeschoben, nicht aufgehoben. Wir sind da noch nicht so weit, aber ich habe durchaus vor, dieses Projekt weiter zu betreiben.

Ein Mindestarbeitslosengeld können auch Sie nicht wollen, sehr geehrte Frau Abgeord­nete, denn mit einem Mindestarbeitslosengeld im Sinne einer definierten Summe ent­steht automatisch Ungerechtigkeit gegenüber Teilzeitbeschäftigten, die dann mit einem aktiven Erwerbseinkommen weniger haben als mancher, der einfach ein Mindest­arbeits­losengeld bezieht. – Das funktioniert nie und nimmer.

Wir haben ja soziale Parameter eingeführt – das war ich, das waren keine Vorgänger, sondern das geschah nach dem Jahr 2000 –, indem wir festgelegt haben, dass Allein­stehende ohne Betreuungspflichten dann, wenn ihr Arbeitslosengeld unter dem Existenzminimum liegt, zumindest 60 Prozent – nicht 55 Prozent – Nettoersatzrate be­kommen, und wenn sie Betreuungspflichten haben, erhalten sie eine Nettoersatzrate von 80 Prozent. Dort haben wir also Maßnahmen gesetzt, aber da ist man schon ziemlich knapp an der Grenze des Schaffens von Ungerechtigkeiten. Es kann nie so sein – jedenfalls aus meiner Sicht –, dass sich Arbeitslosigkeit auch finanziell lohnt. Es braucht auch in dieser Hinsicht Anreize, zurück in die Beschäftigung zu gehen. (Abg. Silhavy: Aber es kann ja nicht sein, dass eine Leistung ...!)

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Haidlmayr, auch an Ihre Adresse nochmals ein paar Worte zur Entgeltfortzahlung: Abgesehen davon, dass ich es nach wie vor für sinnvoll halte, dieses „Risiko“ – unter Anführungszeichen – auf die betriebliche Ebene zu transferieren und nicht weiter Lohnnebenkosten entstehen zu lassen, hat das über­haupt nichts mit dem Thema Arbeitslosigkeit zu tun, sondern ausschließlich mit dem Thema Krankenstand. Diesen Zusammenhang habe ich Ihnen schon im Ausschuss deutlich zu machen versucht. Ich muss es heute noch einmal sagen, weil Sie es in Ihrer Plenarrede wieder erwähnt haben.


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Danke noch einmal den drei Fraktionen, die dieser Vorlage heute die Zustimmung geben, danke auch den Sozialpartnern. Aus meiner Sicht ist diese Einigung nicht viel weniger wert als die Einigung zum Thema „Abfertigung neu“, Mitarbeitervorsorge für alle, und durchaus auf eine Stufe mit der wirklich bahnbrechenden Reform des Arbeit­nehmerschutzes zu stellen. Besten Dank – und danke, Herr Präsident, für die Erteilung des Wortes. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.23

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Fasslabend. – Bitte.

 


16.24

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Kolleginnen und Kollegen von der grünen Fraktion! Ich habe den Eindruck, heute tun Sie sich ein biss­chen schwer mit der Ablehnung dieses Gesetzentwurfes. (Abg. Öllinger: Nein!)

Wenn selbst Frau Abgeordnete Silhavy, die keine Gelegenheit vorübergehen lässt, der Regierung und den Regierungsparteien „soziale Kälte“ vorzuwerfen, sich dazu bekennt und ankündigt, dass ihre Fraktion die Zustimmung geben wird, dann sollten Sie es sich vielleicht auch noch überlegen! (Abg. Silhavy: Na, na! – Ruf bei der ÖVP: Sie widerrufen? – Abg. Öllinger: Wir sind halt grün!)

Sie tut es im Wesentlichen deshalb, weil es eine sozialpartnerschaftliche Einigung gibt. (Abg. Öllinger: Was hat das damit zu tun?) Das heißt, Arbeiterkammer und Gewerk­schaft haben nach langen Verhandlungen mit der Wirtschaftskammer und der Land­wirtschaftskammer ihre Zustimmung zu dieser Regelung gegeben, und ich bin sehr froh darüber. (Abg. Öllinger: Singen ausgerechnet Sie ein Loblied auf die Sozial­partner?) Ich glaube, sie hätten diese Regelung sogar schon einige Jahre früher machen sollen. Das wäre von Vorteil für die Menschen gewesen, die Arbeit suchen.

Wir sind der Ansicht, dass es kaum etwas Schwierigeres für einen Menschen gibt – von Krankheit vielleicht abgesehen –, als keine Arbeit zu haben. (Abg. Öllinger: Ja, das glaub ich auch!) Das trifft die Menschen in ihrer Substanz, in ihrer Würde. Das reicht weit in ihre ganz persönlichen Verhältnisse hinein und ist gar nicht schwierig genug einzuschätzen. Insofern müssen wir uns auch damit auseinander setzen, was man tun kann, um diesen Menschen zu helfen. (Abg. Öllinger: Jobs, Jobs, Jobs!)

Ich habe das auch im Ausschuss gesagt: Ich komme aus einer Gemeinde, wo 80 Prozent der Menschen auswärts arbeiten müssen. Sie haben im Durchschnitt zwischen fünf und 20 Minuten Wegzeit bis zum Bahnhof, dann über eine Stunde Fahrzeit mit dem Zug und, wenn sie dann in Wien sind, durchschnittlich noch einmal ungefähr zwischen fünf Minuten und einer halben Stunde Wegzeit mit einem öffent­lichen Verkehrsmittel.

Die haben nie verstanden, dass teilweise bereits bei der Hälfte der Wegzeit von manchen Arbeitslosen Jobs abgelehnt wurden, weil das angeblich nicht zumutbar ist. (Abg. Öllinger: Kennen Sie diese Arbeitslosen?)

Ich glaube daher, dass diese Regelung wirklich ein echter Fortschritt und auch sozial gerechter ist – auch in Hinblick auf die anderen, die eben unter genau diesen Bedingungen leben müssen. Daher verstehe ich nicht, dass Sie diese Haltung weiter beibehalten.

Was mich besonders freut, ist, dass man aber auf die individuellen Probleme eingeht, indem man die Betreuungspflichten viel stärker berücksichtigt, als das in der Vergan­genheit der Fall war.


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Ich glaube, wir sollten uns überhaupt viel mehr damit auseinander setzen, wirklich problembezogene Lösungen zu finden, so wie es im AMS-Bereich gelungen ist, in den letzten Jahren bereits eine deutliche Verbesserung – wie es der Herr Bundesminister ausgeführt hat – von der Arbeitslosenverwaltung hin zur Arbeitsvermittlung zu bringen. (Abg. Öllinger: Was hat das an der Arbeitslosigkeit verbessert?)

Das müssen wir fortsetzen, denn es war ja so, dass in der Vergangenheit viele Betriebe ihre offenen Stellen gar nicht gemeldet haben, weil sie das Gefühl hatten, das, was vom Arbeitsamt kommt, ist oft in der Qualifikation oder in der Ernsthaftigkeit der Bewerbung gar nicht ausreichend.

Ganz im Gegenteil: Wir müssen zwischen denen, die statistisch arbeitslos sind, und denen, die arbeitswillig und arbeitsuchend sind, trennen. Letzteren muss man alle Mittel zur Verfügung stellen, damit sie auch tatsächlich Arbeit finden. Man muss sie viel stärker von denen unterscheiden, die zu bestimmten Zeitpunkten vielleicht nicht so besonders darauf aus sind, Arbeit zu finden, einfach weil sie eine Zeitspanne überbrücken wollen oder was auch immer.

Sie wissen ganz genau, dass mehr als die Hälfte aller, die in der Arbeitslosenstatistik aufscheinen, im Anschluss daran keinen Job in Anspruch nimmt, sondern in irgend­eine andere Situation übergleitet. (Abg. Öllinger: Haben Sie Jobs für die?) Nach meiner Ansicht sollten wir uns gut überlegen, ob wir nicht längerfristig – ich sage das jetzt auch ganz losgelöst von dieser Situation – ein neues System finden wollen, das auf diese Problemstellung viel mehr und besser Bezug nimmt.

Unsere Aufgabe muss es nämlich sein, eben denen zu helfen, die Arbeit suchen und die Arbeit brauchen. Diese muss man stärker von denen trennen, die einfach aus irgendwelchen Gründen Arbeitslosengeld beziehen, ob das jetzt für kurze Zeit ist, weil sie sich in einer Saisonbeschäftigung befinden oder was auch immer. Tun wir das nicht, verfehlen wir unsere Aufgabe, mit den vorhandenen Mitteln ein Maximum an Effizienz zu erreichen.

Viel ist auf diesem Gebiet schon geschehen. Das ist unter anderem auch dem Herrn Bundesminister und seinen Beamtinnen und Beamten zu verdanken. Ich gratuliere zu dem, was bisher geleistet wurde, und wünsche mir, dass das ganz konsequent auch in Zukunft fortgesetzt wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.29

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig. – Bitte.

 


16.29

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Frau Kollegin Haidlmayr, meine Kollegin Heidrun Silhavy hat dieses Gesetz nicht nur kritisiert, sie hat natürlich auch auf dessen positive Seiten hingewiesen und begründet, warum wir seitens der Sozialdemokratie diesem Gesetz heute zustimmen werden.

Nichtsdestotrotz sind wir uns auch dessen bewusst, dass dieses Gesetz nicht das Allheilmittel für die Problematiken der Arbeitslosigkeit und des angespannten Arbeits­marktes sein kann. Es genügt nicht, ein Gesetz zu verabschieden und zu denken, dass damit alle Probleme gelöst sind. Ich denke, dazu sind die Probleme viel zu vielseitig und auch zu vielschichtig. Das ist uns von der Sozialdemokratie durchaus auch bewusst.

Arbeitslosigkeit betrifft nahezu alle Berufsgruppen. Früher war es eher so, dass die geringer qualifizierten Menschen öfter von Arbeitslosigkeit betroffen waren. Heute


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reicht sie in alle Berufsgruppen und Berufsschichten hinein. Das ist ein ernst zu nehmendes Problem.

Jede(r) dritte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin ist zumindest einmal im Jahr von Arbeitslosigkeit betroffen. Herr Kollege Fasslabend! Ich möchte davor warnen zu sagen, es gebe vielleicht Menschen, die gerne in der Arbeitslosigkeit verweilen. Ich glaube das nicht, sonst würden wir ja den Österreicherinnen und Österreichern nach­sagen, ein Drittel aller ArbeitnehmerInnen sei zu faul, um zu arbeiten. Ich glaube, das ist nicht in unserem Sinne.

Es ist auch jede Altersgruppe betroffen, von den ganz jungen bis zu den älteren Menschen. Die Langzeitarbeitslosigkeit nimmt meines Wissens zu und nicht ab, wie Kollege Mitterlehner gesagt hat. – Im Gegenteil: Im Vergleich zum Vorjahr ist die Langzeitarbeitslosigkeit um 17 Prozent gestiegen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sie sehen, Arbeitslosigkeit ist längst kein Randgrup­pen­problem mehr, sondern ein Problem, das jeden Österreicher und jede Öster­reicherin treffen kann. Ich denke, das ist ein Problem, das man sehen und ernst nehmen muss und das man nicht immer mit lapidaren Vergleichen zu anderen EU-Staaten abtun soll. Ich glaube, damit ist niemandem gedient, weder den arbeitslosen Menschen, noch uns, die wir sie unterstützen möchten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube auch nicht, dass es Sinn macht, darauf zu warten, dass die Konjunktur anspringt. Es muss eine eindeutige Willenserklärung von den verantwortlichen Politi­kerinnen und Politikern, allen voran von Ihnen, Herr Minister, geben, um das Problem zu erkennen und auch Maßnahmen zu entwickeln, die Arbeitslosigkeit wirklich an der Wurzel zu bekämpfen.

Wenn wir heute dieses Gesetz beschließen und wenn wir tatsächlich etwas für die arbeitslosen Menschen tun möchten – und ich behaupte jetzt einmal, dass wir das alle wollen –, sollten meiner Meinung nach ein paar Dinge schnellstens in Angriff genom­men werden.

Erstens und allem voran ist es meine persönliche Überzeugung, dass man Arbeits­losigkeit und insbesondere die arbeitslosen Menschen ernst nehmen muss, dass man sie nicht in Ecken stellen soll, wo wir sie nicht stehen haben wollen. Es gibt schon Anträge seitens der Grünen und der Sozialdemokraten bezüglich des Mitpartizipierens von arbeitslosen Menschen. Vielleicht denken Sie einmal ernsthaft darüber nach, ob Sie das nicht mit uns diskutieren und in Erwägung ziehen können!

Zum Zweiten – und davon bin ich auch überzeugt – muss man dem AMS Mittel und Personalressourcen zur Verfügung stellen, denn sonst werden die Betreuungspläne, die im Gesetz stehen, leider nur auf dem Papier stehen bleiben. Wir alle kennen die angespannte Situation im AMS, und ich halte es für wichtig, Personalressourcen zur Verfügung zu stellen.

Ich glaube, es macht auch keinen Sinn, wenn man die Mittel immer umschichtet, je nachdem, welche Gruppe gerade besonders von Arbeitslosigkeit betroffen ist. Herr Minister! Sie haben im Ausschuss und jetzt wieder angesprochen, dass sich bei den jugendlichen und älteren Arbeitnehmern die Arbeitslosigkeit verringert hat. Das mag stimmen und stimmt auch, aber bei den 25-Jährigen bis 49-Jährigen hat sich eine Lücke aufgetan. Das wissen Sie auch. Auch die Frauenarbeitslosigkeit ist exorbitant angestiegen. Ich denke, dieses Umschichten von Mitteln macht auf lange Sicht keinen Sinn, sondern es müssen ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit allen arbeitslosen Menschen geholfen werden kann.

Ganz kurz noch – da das Licht schon blinkt –: Ich denke, man sollte Arbeitslosigkeit auch hinsichtlich der einzelnen betroffenen Menschen anschauen. Es stehen hinter


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diesen 250 000 Menschen, die zurzeit arbeitslos oder in Schulungsmaßnahmen sind, auch 250 000 Einzelschicksale und 250 000 Familien. Arbeitslosigkeit bedeutet für die betroffenen Menschen immer auch einen Verlust des Selbstbewusstseins. Sie haben oft, wenn sie länger arbeitslos sind, überhaupt kein Vertrauen mehr in ihre Fähigkeiten. Wie soll es einem arbeitslosen Menschen gehen, wenn er in unserer leistungs­orientierten Gesellschaft nichts leisten darf?

Arbeitslosigkeit bedeutet auch immer öfter den Eintritt in die Schuldenfalle. Die durch­schnittliche Arbeitslosenunterstützung beträgt, wie wir alle wissen, für Frauen 610 € und für Männer 787 €, die Notstandshilfe ist noch um einiges niedriger, falls man über­haupt eine bekommt. Wie soll man damit auf lange Sicht seinen Zahlungen nach­kommen? Das ist der Einstieg in die Schuldenfalle, und Schulden und wenig Selbst­bewusstsein sind sicher nicht förderlich für ein Bewerbungsgespräch oder eine neuer­liche Arbeitsaufnahme, denn das ist für die arbeitslosen Menschen einfach eine Existenz gefährdende Situation. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich denke daher, eine menschenwürdige Existenzsicherung für arbeitslose Menschen muss ein Ziel von uns allen sein. Abschließend mein Appell an alle Mitglieder des Nationalrats: Bekämpfen wir tatsächlich gemeinsam die Arbeitslosigkeit und nicht die arbeitslosen Menschen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.35

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Walch. – Bitte.

 


16.35

Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ärgert mich schon ein bisschen, wenn die grüne Fraktion und leider auch die letzte Rednerin der SPÖ behaupten, wir hätten 300 000 Arbeitslose. (Abg. Heinisch-Hosek: Haben wir ja!) – Bitte, ich habe da die Statistik des AMS. Ihr werdet doch nicht unterstellen, dass das dort Lügner sind. (Abg. Öllinger: Geh bitte!)

Diese Statistik sagt aus, dass wir im Mai 215 495 Arbeitslose hatten. Der Prozentsatz der arbeitslosen Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren ist um 5,2 Prozent zurück­gegangen, jener der älteren, über 50-jährigen Arbeitslosen ist um 9,1 Prozent gesun­ken. Die Zahl der offenen Stellen ist um 13 Prozent gestiegen, und die der Lehrstellen­suchenden um 1,9 Prozent gesunken. (Abg. Riepl: Es sind mehr als voriges Jahr!)

Ich weiß, dass es schwierig ist, aber bitte bleiben wir einmal bei der Wahrheit und machen wir es nicht noch schlechter, als es schon ist! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Diese Regierung setzt ja Maßnahmen, und nicht wenige! Ich glaube, ich muss hier am Rednerpult wieder einmal Aufklärung betreiben: Diese Regierung hat viele Maßnah­men gesetzt, sie hat Konjunkturpakete in Milliardenhöhe verabschiedet und vergibt viele Förderungen für Lehrlinge, für Jugendliche und auch für ältere Menschen. Diese Regierung investiert!

Was mich, da ich aus dem Baugewerbe komme, natürlich besonders freut, ist, dass der Infrastrukturminister in den Straßen- und Bahnausbau Milliarden steckt. Der Motor der Wirtschaft ist die Bauwirtschaft: Wenn die Bauwirtschaft floriert, gibt es in den restlichen Wirtschaftsbereichen auch dementsprechend Arbeit.

Diesen Vorschlag zur Änderung des Arbeitsmarktförderungsgesetzes hat ja nicht irgendjemand gemacht. Ich verstehe nicht recht, Kollege Öllinger, wieso du kein Vertrauen zu den Sozialpartnern hast. Die Sozialpartner haben auch gesehen, dass man helfen muss. Den Arbeitslosen kann ich ja nicht unterstellen, dass sie 100 oder


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mehr Tage arbeitslos sein wollen. Sie wollen Arbeit! (Abg. Öllinger: Die kriegen sie aber nicht!)

Jetzt hat man Maßnahmen ergriffen, dass die Arbeitsmarktverwaltung auch ent­sprechende Schritte setzt, die Arbeitslosen innerhalb von 100 Tagen zu vermitteln, wobei auch ein Einkommensschutz gegeben ist. Schauen Sie sich einmal an, wie es in der Praxis aussieht, wenn jemand gekündigt wird und nachher wieder in seinen Beruf zurückkehrt! Bildet ihr euch wirklich ein, dass er denselben Lohn wie bei der vorhergehenden Firma hat, wenn er auch nur zwei Monate arbeitslos war? – Das spielt es nicht! (Abg. Öllinger: Eben!)

Jetzt besteht die positive Situation, dass er 80 Prozent bekommen muss. (Abg. Öllin­ger: Nicht „muss“!) In diesem Gesetzentwurf sind viele gute Dinge enthalten, Herr Kollege Öllinger, darum verstehe ich Sie einfach nicht.

Der Berufsschutz von 100 Tagen, den ich erwähnt habe, hilft ja auch. Ich kenne nur Arbeitslose, die sich bei uns vorstellen kommen, die 14 Tage, drei Wochen oder länger arbeitslos sind und natürlich daran interessiert sind, eine entsprechende Stelle zu bekommen.

Der Betreuungsplan ist wichtig, da das Arbeitsamt nicht verwalten, sondern vermitteln soll. In Wirklichkeit haben wir da wieder Druck auf das AMS ausgeübt, damit man sich dort um die Vermittlung kümmert.

Schauen wir aber einmal, wie es in der Praxis abläuft: Wenn ich sage, es gibt 27 000 offene Stellen – auch der Herr Minister hat es schon gesagt –, dann stimmt das nicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Großteil der Betriebe schaltet Inserate und holt sich auf diese Weise Arbeitskräfte. Das wollen wir aber nicht. Dieses Geld kann ja im Betrieb anders eingesetzt werden. Wenn Leute vom AMS kurzfristig vermittelt werden, dann werden auch die Inserate der Vergangenheit angehören. Das AMS ist ja auch dafür da, dafür zahlen wir ja Steuergelder. Daher würde ich darum ersuchen, diesem Gesetzentwurf die Zustimmung zu erteilen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.39

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Scheucher-Pichler. – Bitte.

 


16.39

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, diese Gesetzes­vorlage ist von den Pro- und Kontrarednern schon sehr detailliert beleuchtet worden. Ich versuche, noch einmal zusammenzufassen.

Was ist dieser Regierung wichtig? Was ist Ziel dieser Regierungspolitik? – Die indivi­duelle Betreuung von Arbeitslosen, die rasche und effiziente Vermittlung von Arbeitsplätzen, die Unterstützung bei beruflicher Neuorientierung, die Reduzierung der Zahl der Langzeitarbeitslosen, eine gerechte und zumutbare Regelung der Wegstrecke und der Wegzeiten und – das möchte ich noch ganz besonders betonen – die Absiche­rung pflegender Angehöriger.

Das sind Ziele dieser Regierung, und mit dieser Regierungsvorlage gehen wir einen ganz entscheidenden Schritt in die richtige Richtung. Das, meine Damen und Herren – vor allem von der grünen Fraktion –, ist aktive Arbeitsmarktpolitik! Das ist Arbeitsplatz­sicherung! (Beifall bei der ÖVP.)

Da Sie den Betreuungsplan erwähnt haben, so denke ich, dass es gerade darauf ankommt, hier auf Qualifizierungen aufzubauen und das gesetzlich zu verankern. Das


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sind entscheidende Verbesserungen auch in Richtung einer rascheren, effizienteren Vermittlung, und das geschieht eben durch die entsprechende richtige Qualifikation. Es ist menschlich und sozial, dass die Menschen schnell wieder Arbeit finden.

Dabei geht es um Einzelschicksale; diesbezüglich bin ich bei meiner Kollegin von der SPÖ. Es geht darum, wirklich so rasch wie möglich für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz zu finden. Aber auch aus dem Aspekt der Wirtschaft – ich sage das gerade auch als Unternehmerin – ist es wichtig, rascher und effizienter qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bekommen.

Die Verringerung der Zahl der Langzeitarbeitslosen wurde bereits angesprochen, auch die Festlegung des Berufsschutzes mit 100 Tagen. – Auch das ist ein wichtiger Aspekt, um effizienter arbeiten zu können.

Wichtig für Frauen ist Folgendes: Als Ergänzung zum geänderten Berufsschutz wird ein individueller Entgeltschutz eingeführt. Konkret heißt das, dass das Entgelt aus der angebotenen Beschäftigung während der ersten 120 Tage des Bezuges des Arbeits­losengeldes nicht weniger als 80 Prozent sein darf. Ich sage das bewusst noch einmal, weil das gerade auch für Teilzeitbeschäftigte, gerade auch für Frauen, die eine Teil­zeitbeschäftigung haben, wichtig ist. Diese Maßnahme stellt einen effektiven Einkom­mensschutz dar; das ist gerade für Frauen sehr wichtig, sage ich auch aus der Sicht der Frauensprecherin.

Die Zumutbarkeitsbestimmungen wurden bereits erwähnt. Auch da, denke ich, ist die Beurteilung der Wegzeiten eine wichtige Verbesserung.

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir noch zwei Bemerkungen auch aus der Sicht der Frauen und aus der Sicht der Jugend! Ich meine, das Gewähren einer Verlängerung der dreijährigen Fortbezugsfrist von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe bei Pflege eines Angehörigen mit Pflegegeld ab Pflegestufe 3 – bisher war es Pflege­stufe 4 – ist ein wichtiger menschlicher Aspekt, ein wichtiger Aspekt auch in Richtung Familie und ein richtiger Aspekt in Richtung Generationenvertrag. Ich denke, auch das sollten wir gerade im Zusammenhang mit dieser Gesetzesvorlage positiv bewerten und positiv sehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Bundesminister ist ja auch darauf eingegangen. Es erfolgen wichtige Fortschritte für die Jugend in Richtung Verbesserung des Berufsreifegesetzes, in Richtung praxis­nahe Ausbildung. Die bewährten Maßnahmen des Jugendausbildungs-Sicherungsge­setzes werden verlängert. Die Lehrgangsdauer kann auf bis zu zwölf Monate ausge­weitet werden, und es wird die lehrgangsmäßige Vorbereitung für die Lehrabschluss­prüfungen verankert. Ich denke, auch das ist ein ganz wichtiger Aspekt.

Jeder arbeitslose Jugendliche ist einer zu viel, es gibt nichts Bittereres, als wenn ein junger Mensch eine gute Ausbildung absolviert hat und dann keinen Arbeitsplatz findet. Daher ist auch dieser Punkt ein ganz wichtiger Aspekt dieser Gesetzesvorlage.

Meine Damen und Herren, abschließend darf ich sagen: All diese Maßnahmen bedeu­ten aktive Arbeitsmarktpolitik! Ich freue mich darüber, dass es ein Drei-Parteien-Antrag ist. Ich bin eine begeisterte Anhängerin der Sozialpartnerschaft. Ich freue mich darüber und denke, auch das ist ein positiver Aspekt, dass wir hier einen Konsens gefunden haben. (Beifall bei der ÖVP.)

16.43

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Scharer. – Bitte.

 



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16.43

Abgeordnete Erika Scharer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn im Bereich der Beschäftigungspolitik nur alles so einfach wäre! Grundsätzlich sind alle Verbesserungsmaßnahmen, die dazu dienen, dass Arbeitslosigkeit verhindert oder beendet wird, Arbeitslosigkeit von vornherein vermieden wird, sehr positiv zu bewerten.

Ob die vorliegenden Zumutbarkeitsbestimmungen, als Arbeitsmarktreformgesetz be­titelt, das richtige Regelungswerk sind, ist meines Erachtens zu bezweifeln, denn, Herr Minister, meine Damen und Herren, der beste Betreuungsplan, die am meisten zu­mutbare Wegzeitregelung, die ausgeklügeltsten Berufsschutz- und Entgeltschutz-Bestimmungen lösen nicht die Beschäftigungsprobleme in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Arbeitsmarktpolitik als zentrales Thema für die Bevölkerung darf nie isoliert von besseren Rahmenbedingungen für die ArbeitnehmerInnen betrachtet werden. Es ist eben sehr einfach, Quotenvergleiche anzustellen. Und immer dann – habe ich so das Gefühl –, wenn man sich nicht zu helfen weiß, verweist man auf die Probleme in Deutschland. Das nützt den einzelnen Arbeitslosen aber wenig.

Meine Damen und Herren! Ende Mai gab es 28 000 offene Stellen; denen gegenüber standen 215 000 Arbeitsuchende, das heißt, acht Arbeitsuchende kommen auf eine gemeldete offene Stelle. Über die Effizienz des Arbeitsmarktservice zu reden, wie rasch es vermitteln kann, dieser Wunsch, diese Vermittlung 1 : 1 durchführen zu können, sodass im Endeffekt keine Arbeitslosen übrig bleiben, das ist eigentlich ein Wunsch an das Christkind.

Bei allen gut gemeinten Schulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, Herr Minister: Es fehlen die Arbeitsplätze! Dieses Spiel mit Arbeitslosen – wenn du diese Qualifikation hast, hast du einen Arbeitsplatz, wenn du die Qualifikation dann aber hast, ist leider der Arbeitsplatz weg – ist Realität. (Beifall bei der SPÖ.)

Es fehlen speziell in ländlichen Regionen ausreichende öffentliche Nahverkehrs­ange­bote. Vor allem, Herr Minister – im Ausschuss habe ich Sie wiederholt darauf hinge­wiesen –, fehlen dem AMS über 100 MitarbeiterInnen, um die zusätzlichen Maßnah­men dieser Regierung vollziehen zu können. Auch dieses Gesetz bedeutet eine zusätzliche Administration für die MitarbeiterInnen des AMS und könnte wesentlich effizienter abgewickelt werden, wenn genügend Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zur Verfügung stünden. (Beifall bei der SPÖ.)

Außerdem fehlen familienpolitische Maßnahmen, es fehlen Kinderbetreuungs­einrich­tungen mit für den Arbeitsmarkt bedarfsgerechten Öffnungszeiten, es fehlen qualifizier­te Teilzeitstellen.

Ich kann mich noch an Ihre Regierungserklärung erinnern, als Sie verkündeten, Sie wollen die Frauenerwerbsquote drastisch erhöhen. Im Jahr 2002 hatten wir eine Frauenerwerbsquote von 42,1 Prozent, im Jahr 2003 von 42,6 Prozent. Das ist eine Steigerung von nur 0,5 Prozent (Bundesminister Dr. Bartenstein: Das stimmt ja nicht, Frau Kollegin! Die ist weit über 60 Prozent!), zumal Sie wissen, dass dieser Zuwachs rein auf Teilzeitbeschäftigten, auf prekären beziehungsweise geringfügigen Beschäfti­gungsverhältnissen beruht, die nicht existenzsichernd sind.

Bedauerlich und bedenklich ist, Herr Minister, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, dass Sie sämtliche Verbesserungsanträge – Initiativanträge, Ent­schließungsanträge – der Opposition ablehnen. Sie, Herr Minister, geben uns das Gefühl, dass Sie uns achselzuckend zu verstehen geben: Ja, diese Entwicklung der Arbeitslosigkeit und die Rahmenbedingungen muss man so zur Kenntnis nehmen.


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Herr Minister, schaffen Sie bessere Rahmenbedingungen, dann haben wir auch gute Chancen, das Arbeits- beziehungsweise Beschäftigungsproblem in den Griff zu bekommen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.48

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rossmann. – Bitte.

 


16.48

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Manchmal glaube ich, auch die Grünen verschließen sich einfach der Realität. Sie kennen doch in vielen Bereichen die Diskrepanz zwischen einer relativ hohen Sockelarbeitslosigkeit auf der einen Seite und genügend offenen Stellen auf der anderen Seite. Und trotzdem: Wenn Betriebe Mitarbeiter suchen, finden sie diese Mitarbeiter nicht. Wir kennen die ewige Debatte betreffend Saisonniers und Ernte­helfer, wir kennen die Debatte im Tourismus, wir kennen die Debatte im Dienst­leistungsbereich, wir kennen die Debatte im Gewerbebereich. Gerade dieses Gesetz setzt dort an, dass eben die gezieltere Vermittlung nun endlich möglich sein soll und dass dieser Ruf nach Saisonniers und nach Aufstockung der Kontingente endlich ein Ende finden soll.

Die einzelnen AMS-Stellen haben, so gut sie konnten, bisher vermittelt, aber ihnen waren dort, wo es wirklich um eine gezieltere Vermittlung auch über Bezirksgrenzen hinweg und um die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen geht, einfach die Hände gebunden, nämlich dort, wo es die gesetzlichen Möglichkeiten nicht zuließen, gezielter zu vermitteln. Deshalb sind wir sehr froh darüber, dass nun gerade die Vermittlung über Bezirksgrenzen hinweg möglich wird.

Ich erinnere nur an zwei Beispiele: Es war bisher nicht möglich, von Wien eine Verkäuferin nach Vösendorf zu vermitteln. – Es ist unvorstellbar in der heutigen Zeit, dass diese Bezirksgrenzen nicht zu überwinden sind! – Oder: Ein Koch aus Ober­kärnten war nicht einmal nach Radstadt vermittelbar.

Das alles sind Dinge, die auch dazu beigetragen haben, dass die Sockelarbeits­losig­keit so bestehen geblieben ist. Folgendes, Herr Bundesminister: Sie haben überall unsere Unterstützung, wenn es um Erhöhung der finanziellen Mittel geht, eben dort, wo das AMS weitere Mittel braucht, um beispielsweise die EDV umzustellen, denn, wie mir bekannt ist, ist die AMS-EDV nicht einmal so weit, dass die einzelnen AMS-Stellen Vermittlungsmöglichkeiten über Bezirksgrenzen hinweg machen können.

Zur Stadt Wien: Das Gros der Arbeitslosigkeit ist in der Stadt Wien zu Hause. Das müssen auch Sie von der SPÖ zur Kenntnis nehmen! Eine Vermittlung über Bezirks­grenzen hinweg wird es jetzt möglichen machen, dass man eben auch von Wien hinaus in die einzelnen Bezirke vermitteln kann, selbstverständlich bei zumutbarer Wegzeit.

Was die Jugendarbeitslosigkeit anlangt: Der Lehrstellenmarkt in Österreich hat sich in zwei Bundesländern so positiv entwickelt, nämlich in Kärnten und in Tirol, sodass sowohl in Kärnten als auch in Tirol mehr als 100 offene Lehrstellen mehr angeboten werden, als es dort Lehrstellensuchende gibt. – Wenn Sie sich dazu die Zahlen in Wien anschauen: 978 Lehrstellensuchende und dem gegenüber nur 199 offene Lehrstellen! Das ist eine Dramatik, die wirklich auf eine falsche Politik in der Stadt Wien zurück­zuführen ist! Nochmals: Falsche Jugendpolitik und falsche Arbeitsmarktpolitik in der Stadt Wien! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit war bisher nicht in dem Maße möglich, weil es einfach einen Hemmschuh infolge eines starren Berufsschutzes gegeben hat,


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eben auch in Bezug auf die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen. Ich freue mich darüber, dass es infolge einer Einigung seitens der Sozialpartner nun möglich wird, dass es da – mit einem Entgeltschutz – sehr wohl zu einer Lösung kommt, sodass eben, wenn jemand sehr lange arbeitslos ist, vom Berufsschutz abgegangen werden kann.

Herr Bundesminister, abschließend ersuche ich Sie, sich eines großen Anliegens von uns Freiheitlichen anzunehmen, nämlich einer Gleichstellung der Lehre mit der ge­samten anderen Berufsausbildung. Und ich sage gleich dazu: Der Kärntner Weg, dass erstmals eine Berufsmatura kostenlos sein wird, ist der Weg in die richtige Richtung.

Herr Bundesminister, ich ersuche Sie, darüber nachzudenken, wie wir auch in Zukunft den Jugendlichen diese Chancengleichheit ermöglichen und die Gleichstellung mit jedem anderen Maturanten bewerkstelligen können. Das ist uns Freiheitlichen wirklich ein großes Anliegen – und ich meine auch, dass das eine neue Motivation für die Lehrlinge ist, wie mit ihnen umgegangen wird, indem eben Matura Matura ist und diese auch kostenlos für alle sein soll. – Danke vielmals. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.53

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Riener. – Bitte.

 


16.53

Abgeordnete Barbara Riener (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Vorab zu den Ausführungen von Kollegin Scharer, die ich darauf aufmerksam machen möchte, dass die Frauenerwerbsquote bei 62,8 Pro­zent liegt, diese Tendenz noch steigend ist – und Österreich daher schon jetzt über dem Lissabon-Ziel liegt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dieses Arbeitsmarktreformgesetz ist ein gutes Gesetz, wird doch mit diesem den neuen Erfordernissen auf dem Arbeitsmarkt entsprochen und unter anderem der Langzeitarbeitslosigkeit entgegengewirkt. Wie ich unseren Bundesminister Bartenstein kenne – und auch die übrigen Regierungsmitglieder –, wird es in dieser bewährten Art auch sicherlich weitergehen, wenn sich neuerliche Erfordernisse auf dem Arbeitsmarkt ergeben sollten.

In dieser Debatte möchte ich mich auf drei Themenbereiche beschränken beziehungs­weise diese besonders hervorheben.

Erstens: Bezogen auf die Zumutbarkeit wird unter anderem festgehalten, dass die Möglichkeit gewährleistet sein muss, die gesetzlichen Betreuungsverpflichtungen einhalten zu können. Ich bin vor allem über die Klarstellungen in den Erläuternden Bemerkungen sehr froh, dass die Betreuung von Kindern im Vor- und Grundschulalter Anerkennung findet. Warum? – In meiner Arbeit als Sozialarbeiterin hatte ich – Gott sei Dank! – mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im AMS zu tun, die seinerzeit bereits berücksichtigt haben, dass die Betreuung von Kindern auch in Bezug auf das Arbeits­losenversicherungsgeld wichtig ist und Vermittlungen von Ganztagsjobs für Mütter nicht getätigt wurden. – Die ÖVP zeigt also wieder einmal, dass sie die Familienpartei ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweitens begrüße ich auch, dass für die Rahmenfristerstreckung auf drei Jahre für den Bezug des Arbeitslosengeldes für all jene – das wurde ja bereits mehrfach erwähnt –, die pflegebedürftige Angehörige betreuen, künftig nicht mehr die Pflegestufe 4, son­dern nur mehr die Pflegestufe 3 von Nöten ist. Ich sehe das gerade deshalb als sehr wichtig an, da ja, wie wir alle wissen, Pflegegeldeinstufungen österreichweit sehr un-


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ter­schiedlich gehandhabt werden. – Die ÖVP ist also auch die Partei, die Pflege­verpflichtungen wahrnimmt und ernst nimmt! (Beifall bei der ÖVP.)

Drittens: Die Einführung der Erstellung individueller Betreuungspläne für arbeitslose Personen – das wurde bereits erwähnt – ist gleichfalls sehr erfreulich, da mit den Arbeitslosen die Zumutbarkeit besprochen wird, Maßnahmen zur Chancenver­besse­rung für die Vermittlung erarbeitet werden und im Prinzip Einvernehmen hergestellt wird. Jedoch kann ich auch der Tatsache, dass letztlich ohne Einverständnis der arbeits­losen Personen ein verbindlicher Betreuungsplan erstellt wird, etwas abge­winnen, denn jeder Mensch – das wissen wir hier alle – hat seine subjektive Sicht der Dinge, vor allem auch, wenn er selbst davon betroffen ist.

Durch diese Besprechung der Betreuungspläne kann es sicherlich auch zu neuen Ein­sichten und Verhaltensänderungen kommen. – Die ÖVP mit Wirtschaftsminister Martin Bartenstein stellt also den Menschen in seiner eigenen Situation in den Mittelpunkt! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Fazit: Diese Regierung und die ÖVP unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel im Besonderen beweisen auch mit diesem Arbeitsmarktreformgesetz, dass die Menschen mit ihren Familien, mit pflegenden Angehörigen und ihrer persönlichen Situation im Mittelpunkt ihrer Politik stehen. (Beifall bei der ÖVP.)

16.57

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Grossmann. – Bitte.

 


16.57

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es fehlen derzeit schon an die 11 000 Lehrstellen – und mit Schulschluss strömen noch weitere tausende Lehrstellensuchen­de auf den Arbeitsmarkt. (Abg. Rossmann: In Wien!) Ziel dieser jungen Menschen ist es, eine vollwertige Berufsausbildung zu bekommen, einen zukunftversprechenden Arbeitsplatz. Und damit kann jedes Auffangnetz – wie eben auch das des Jugend­ausbildungs-Sicherungsgesetzes – immer nur bestenfalls die zweitbeste Lösung sein, ist aber absolut notwendig, denn keine zivilisierte Gesellschaft darf es zulassen, dass junge Menschen arbeitslos auf der Straße stehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Insofern bin ich froh darüber, dass man sich in dieser Regierungsvorlage auch weiter­hin zum JASG bekennt – und auch einige unserer Verbesserungsvorschläge aufge­nommen wurden, sodass Lehrgänge nun auch zwölf Monate lang dauern können, allerdings nicht müssen.

Herr Minister Bartenstein, seien Sie dessen versichert: Wir werden darauf achten, wie das in der Praxis ausschauen wird – und auch darauf, ob all jene, die einen Arbeits­platz brauchen, auch tatsächlich einen bekommen, wie Sie das ja, Herr Minister, heute hier versprochen haben.

Der zweite positive Punkt ist, dass die Schulentlassjahrgänge 2005 da auch bereits einbezogen worden sind, sodass zumindest im nächsten Jahr das Zittern ausbleiben kann, ob es diese Maßnahme weiterhin geben wird oder nicht.

Wir von der SPÖ fordern allerdings eine dauerhafte Absicherung dieser wichtigen Maß­nahmen und die Streichung der abstrusen Beschränkungen und Befristungen, da ja sämtliche Wirtschaftsforschungsinstitute in den nächsten sechs bis sieben Jahren keine Entspannung auf dem Lehrstellenmarkt prognostizieren. – Sie, Herr Bundes­minister, rechnen offensichtlich mit einer rascheren Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Österreichs, nur: Mit Ihnen wird es das wohl nicht spielen; dafür brauchen wir schon eine andere Bundesregierung, nämlich eine sozialdemokratisch geführte Bun-


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desregierung! Und: Je früher, desto besser für unser Land! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Aber vielleicht haben Sie diese Überlegungen ohnehin schon in Ihre Prognosen einbezogen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Regler.)

JASG-Maßnahmen, Herr Minister, dürfen nicht als „Parkplatz“ missverstanden werden, um Jugendarbeitslosigkeit zu beschönigen oder zu vertuschen. Die Zeit im JASG muss aktiv genutzt werden, um Jugendliche in ihrer Persönlichkeit zu stärken und diese für einen Arbeitsplatz zu qualifizieren. Da darf keinesfalls gespart werden! Da ist das Beste gerade gut genug!

Deshalb sollte die Finanzierung des JASG nicht ausschließlich aus den Mitteln der Arbeitsmarktförderung erfolgen. Um die Qualität zu sichern, sollten auch Steuermittel herangezogen werden. Schließlich geht es um die Zukunft unserer Jugend, und die sollte es uns wert sein, meine ich.

Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren auf der rechten Seite dieses Hauses, war die Zukunft der Jugend in der letzten Sitzung des Sozialausschusses nicht einmal eine Diskussion wert, denn Sie haben unseren Antrag betreffend „Der Jugend faire Chancen für die Zukunft eröffnen“ kraft Ihrer Mehrheit schon wieder vertagt. Ich weiß nicht, warum Sie sich diesem Thema nicht stellen wollen, denn eine bessere Berufs- und Bildungsberatung, gebührenfreies Nachholen des Hauptschulabschlusses für alle, Ausbildungsgarantie für alle Jugendlichen, ein fairer Lastenausgleich zwischen aus­bildenden und nicht ausbildenden Betrieben, höchste Qualität der Lehrlings­aus­bil­dung – das alles müsste eigentlich auch Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Anliegen sein. (Abg. Amon: Ist es auch!)

Wir brauchen dringend eine Verbreiterung der Ausbildung, die auch dann Zukunfts­perspektiven bietet, wenn sich die Anforderungsprofile der Wirtschaft ändern, und keine Schmalspurausbildungen, die in eine Sackgasse führen. Jugendarbeitslosigkeit ist nicht nur ein immer dringlicher werdendes politisches Problem, sie ist sozialer Sprengstoff, sie ist eine menschliche Tragödie. Und darüber nicht einmal reden zu wollen, ist eine Schande! (Beifall bei der SPÖ.)

17.01

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wöginger. – Bitte.

 


17.02

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Mich als jungen Abgeordneten freut es, dass im Rahmen dieses Arbeitsmarktreformgesetzes auch wichtige Maßnahmen für unseren Lehrstel­lenmarkt und somit für unsere Jugend beschlossen werden.

Wir alle wissen aus unserer täglichen politischen Arbeit in unseren Wahlkreisen, dass es eines der wichtigsten Anliegen unserer Jugend ist, eine Lehrstelle, einen Job, einen Arbeitsplatz zu finden. Darum verlängern wir mit dem heutigen Beschluss die bewähr­ten Maßnahmen des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes und bieten dadurch allen Jugendlichen der nächsten beiden Jahrgänge, die eine Lehrstelle suchen, eine Aus­bildungsmöglichkeit.

Die Lehrgangsdauer wird auf bis zu 12 Monate ausgeweitet, und für die Vorbereitung auf die Lehrabschlussprüfung werden zusätzlich Lehrgänge eingerichtet. Das heißt, es wird ein noch besseres Auffangnetz für jene geschaffen, die nicht gleich eine Lehrstelle finden, und die Lehrgangszeit wird angerechnet und kann somit effizient für den Ein­zelnen genutzt werden. – Also wieder ein wichtiger und richtiger Schritt zur Verrin-


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gerung der Jugendarbeitslosigkeit! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Aktuelle Arbeitsmarktdaten zeigen, dass wir von den Regierungsparteien auf dem richtigen Weg sind. Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, die beiden Konjunk­turbelebungspakete und das gezielte Jugendbeschäftigungspaket zeigen ihre Wirkung. Dies beweisen die rückläufigen Arbeitslosenzahlen bei den unter 25-Jährigen und die Abnahme der Altersarbeitslosigkeit bei den 49- bis 59-Jährigen. Österreich verzeich­nete im Mai dieses Jahres nach österreichischer Berechnung eine Jugendarbeits­losigkeit von 6,5 Prozent. Dies bedeutet einen Rückgang gegenüber dem Vergleichs­zeitraum des Vorjahres von 5,2 Prozent.

Nicht ohne Stolz, meine sehr geehrten Damen und Herren, verweise ich auf Ober­österreich, wo mit einer Jugendarbeitslosigkeit von 4,3 Prozent die besten Werte von ganz Österreich zu finden sind. Ich wäre froh, könnte ich von jedem Bundesland so erfreuliche Daten präsentieren.

Nachdenklich stimmen mich die Zahlen von Wien. Das rot regierte Wien schlägt in der Statistik (Abg. Marizzi: Hören Sie auf mit dem alten Schmäh! – Abg. Eder: Schwach­sinn! – Abg. Nürnberger – in Richtung ÖVP –: Schreibt ihm etwas Gescheiteres auf!) – ich weiß, dass Sie das nicht gerne hören, aber man muss es Ihnen schon auch sa­gen – sowohl bei der Jugendarbeitslosigkeit mit 9,1 Prozent als auch bei den gesamten Arbeitslosendaten mit 9,4 Prozent nach oben aus und verzerrt damit den gesamtöster­reichischen guten Datenstand. Österreich hat mit 6,3 Prozent eine der geringsten Arbeitslosenraten vorzuweisen und steht in der EU hinter Luxemburg an zweiter Stelle. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Erlauben Sie mir ein Gedankenspiel: Wenn auch Wien so gute Zahlen präsentieren könnte, wie wir sie in Oberösterreich mit 3,7 Prozent haben, dann wären wir jetzt schon die Nummer eins in der EU, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Neuer­licher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Ich halte aber auch die weiteren Änderungen durch diesen Gesetzentwurf, die vor allem die Flexibilität der Zumutbarkeitsbestimmungen betreffen, für sehr gute Maß­nah­men. Bisher kam es immer wieder zu unterschiedlichen Beurteilungen, was zumutbar ist und was nicht. Das fällt jetzt weg, und es wird mehr auf die unterschiedlichen regionalen und persönlichen Umstände eingegangen – weg von der starren Festlegung einer Grenze im Gesetz.

Auch die Anpassungen im Berufs- und Entgeltschutz sowie die Erstellung eines indi­viduellen Betreuungsplanes für jeden Arbeitsuchenden sind wichtige Eckpunkte in diesem Entwurf. Jeder Arbeitslose ist einer zu viel. Ich kann Maßnahmen zur Verkür­zung der Arbeitslosengeldbezugszeiten und zur besseren Vermittlung von Arbeits­willi­gen nur begrüßen und unterstreichen.

Ich bedanke mich als Arbeitnehmervertreter bei dieser Bundesregierung, stell­vertre­tend bei Ihnen, Herr Bundesminister, für diese wichtige Reform des Arbeitsmarktes, und ich danke auch für den breiten Konsens hier im Hohen Haus und bitte um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.06

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeord­neter Dobnigg zu Wort. – Bitte.

 


17.06

Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Die SPÖ wird diesem Arbeitsmarkt­reform-


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gesetz zustimmen, hat aber dennoch einige Vorbehalte beziehungsweise Vorschläge. Zu einigen Punkten möchte ich kurz Stellung beziehen.

Vorweg, Herr Kollege Wöginger: Ich glaube, wir brauchen nicht gegenseitig auf Bundesländer zu zeigen, in denen es vielleicht eine andere politische Mehrheit gibt. Auch bei uns in der Steiermark, wo die ÖVP die Mehrheit hat, gibt es sehr viele – zu viele! – jugendliche Arbeitslose. Ich glaube, wir sind aufgefordert, hier Rahmen­bedingungen zu schaffen und zu helfen, denn es ist richtig, was Sie sagten: Jeder einzelne Arbeitslose, ob jung oder alt, ist einer zu viel! Es steht ein Familienschicksal dahinter. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Marizzi: Die haben andere Sorgen mit der EStAG!)

Die Situation Jugendlicher auf dem Lehrstellenmarkt spitzt sich leider immer mehr zu. Meine VorrednerInnen haben bereits darauf hingewiesen, das im Jahr 2004 zirka 10 000 Jugendliche auf Maßnahmen aus dem Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz angewiesen sein werden. Auf Grund dieser sehr unangenehmen und bereits alarmie­renden Situation müssen daher in Bezug auf die Lehrlingsausbildung von Seiten der Politik raschest greifende Maßnahmen gesetzt werden.

Ich glaube, nicht nur in meinem Bezirk Leoben gibt es zu wenige Lehrstellen, sondern auch in vielen anderen Bezirken und Regionen in Österreich. Viele von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden ebenso wie ich wahrscheinlich tagtäglich damit konfrontiert sein, werden von Lehrstellensuchenden aufgesucht, von deren Eltern, Großeltern, Geschwistern angesprochen und um Hilfe gebeten. Leider ist es uns aber vielfach nicht mehr möglich, zu helfen.

Die alarmierende Zahl von Lehrstellensuchenden und diese negative Entwicklung kennt man doch schon seit einigen Monaten. Trotzdem fehlen von Seiten dieser Bundesregierung entsprechend greifende Initiativen und Aktivitäten.

In einem aber, so hoffe ich, sind wir uns alle einig: Die Jugend ist unsere Zukunft. Und auch die heutige Jugend braucht eine entsprechende Zukunft! (Beifall bei der SPÖ.)

In dem Unternehmen, in dem ich tätig bin, in der voestalpine am Standort Donawitz, haben sich in den letzten Monaten über 250 Schulabgängerinnen und Schulabgänger um eine Lehrstelle beworben. Davon können wir gerade einmal 30 Jugendlichen einen Lehrplatz anbieten. 30 von 250 Jugendlichen! (Abg. Marizzi: Ein Skandal!) Der Rest muss verzweifelt weitersuchen, und ein Großteil wird leider wahrscheinlich im Herbst ohne einen Lehrplatz dastehen. (Abg. Marizzi: Ein Skandal ist das!) Diese Situation gibt es sicherlich nicht nur in meinem Heimatbezirk, sondern auch in Ihrem Bezirk oder Ihrer Region, geschätzte Kolleginnen und Kollegen.

Deshalb müssen wir verstärkt und rasch Initiativen für ein entsprechendes Lehr­stellen­angebot setzen. So wie derzeit kann und darf es nicht weitergehen! Wir alle wissen, dass wir in Zukunft bestens ausgebildete Facharbeiter brauchen – dies bestätigt auch eine Studie der Wirtschaftskammer –, nur müssen diese Facharbeiter auch ent­sprechend ausgebildet werden.

Ein angebotener Lehrgang dient zwar kurzfristig als Überbrückung, löst aber das Prob­lem nicht wirklich. Daher gibt es hier nur ein Miteinander von Wirtschaft und Politik.

Derzeit sind die Kosten für die Lehrlingsausbildung in Österreich zwischen den Unter­nehmen meiner Meinung nach ungerecht verteilt. Deshalb sollen jene Betriebe, die keine Lehrlinge ausbilden, so der SPÖ-Vorschlag, in Zukunft einen finanziellen Beitrag in einen Fonds leisten. Dieses Geld sollen dann jene Betriebe bekommen, die Lehr­linge ausbilden. Darüber hinaus sollte der Lehrlingsfonds auch die Motivation der Betriebe steigern, Lehrlinge auszubilden. Und auch die bestehenden Lehrwerkstätten sollten in Zukunft verstärkt für Lehrlingsausbildung genützt werden.


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66. Sitzung / Seite 49

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich und meine Fraktion sind der Meinung, dass alle Jugendlichen das Recht auf eine Lehrstelle oder einen Platz in einer weiter­führenden schulischen Ausbildung haben müssen. Es sollte und dürfte deshalb kein Jugendlicher ohne Ausbildungsplatz dastehen!

Herr Bundesminister Bartenstein! Sie haben in der letzten Sitzung des Sozial­aus­schus­ses vorige Woche die Aussage getroffen: Die Jüngeren verdienen besondere Chan­cen. – Dieser Aussage stimme ich zu 100 Prozent zu. Setzen Sie diese Aussage zum Wohle unserer Jugend aber auch in die Tat um! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.11

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Marek. – Bitte.

 


17.11

Abgeordnete Christine Marek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Mit dem heute zu beschließen­den Gesetz liegt einmal mehr ein Entwurf vor, mit dem tatsächlichen Gegebenheiten und Notwendigkeiten Rechnung getragen wird. Dass außerdem eine Sozialpartner­einigung die Grundlage für diese Vorlage ist, ist für mich die Bestätigung unserer altbewährten Sozialpartnerschaft in Österreich. Umso mehr freut mich die Zustimmung der SPÖ.

Gerade als Frauen- und Familienpolitikerin begrüße ich es sehr, dass in Zukunft Betreuungspflichten für Kinder auch entsprechend geltend gemacht werden können, wenn es darum geht, ob ein Job angenommen werden muss oder nicht. Früher galt das Argument, dass Kinderbetreuungspflichten bestehen, nur dann, wenn eine ver­mittelte Arbeitsstelle außerhalb des Wohnortes gelegen war. Diese Einschränkung gilt mit dem neuen Gesetz nicht mehr.

Gerade für Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher wird dies künftig Erleichterungen bringen, da sie einfach überproportional stark von leider nicht immer vorhandenen Betreuungsangeboten abhängig sind. Einer Alleinerzieherin in Vöcklabruck etwa wurde der Bezug des Arbeitslosengeldes für eine gewisse Zeit gesperrt. Sie wurde nämlich an einen Gastronomiebetrieb vermittelt, in dem sie auch am Wochenende und teil­weise bis 24 Uhr hätte arbeiten müssen. Sie konnte für ihr Kind keine Betreuung auftreiben und lehnte die Stelle daher ab, was die Sperre des Arbeitslosengeldes zur Folge hatte. Auf Grund der neuen geänderten Bestimmungen wird es in Zukunft derartige Härtefälle nicht mehr geben.

Eine zweite wichtige Neuerung, meine Damen und Herren, ist die entsprechende Berücksichtigung von Wegzeiten für die Zumutbarkeit, was bisher nahezu ohne Belang war. Der vorliegende Vorschlag sieht eine Wegzeit im Verhältnis zur Arbeitszeit vor, was eine für alle Beteiligten flexible und positive Lösung ermöglicht. Früher konnte man, wenn man keine Betreuungspflichten hatte, praktisch österreichweit vermittelt werden. Die neue Regelung ist eine deutliche Verbesserung für die Arbeitsuchenden und bietet endlich auch entsprechende Rechtssicherheit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Frage des Berufsschutzes, der mit dem neuen Gesetz nach 100 beziehungsweise 120 Tagen Arbeitslosigkeit in einen Entgeltschutz umgewandelt wird. Damit wird einerseits verhindert, dass Arbeitsuchende in einer ohnehin schwierigen persönlichen Situation Tätigkeiten annehmen müssen, die weit unter dem Niveau ihrer früheren Beschäftigung liegen, andererseits ermöglichen wir den Betroffenen damit mehr Chancen im Hinblick auf eine raschere Wieder­einglie­derung ins Berufsleben.


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66. Sitzung / Seite 50

Ein Wort zu Ihnen, Kollege Öllinger, Kolleginnen Weinzinger und Haidlmayr: Wir, die ÖVP, wollen die Arbeitsuchenden nicht vor Berufstätigkeit schützen, wie Sie es offensichtlich wollen, sondern ihnen wirklich zur Berufstätigkeit verhelfen. Das ist aber eine Frage der Betrachtungsweise und auch des Realitätsbezuges. Gleiches gilt auch für die von Ihnen geforderte Arbeitslosenanwaltschaft.

Dass wir mit der 100- beziehungsweise 120-Tage-Regelung einen der Praxis durchaus angemessenen Zeitraum definieren, zeigen die aktuellen Zahlen. Demnach lag die durchschnittliche Verweildauer in der Arbeitslosigkeit 2003 österreichweit bei 101 Ta­gen. Dazu möchte ich festhalten, dass diese Zahl im gleichen Zeitraum in Wien 136 Tage betrug. Damit treibt Wien diesen Bundesschnitt also wieder einmal wie so oft in allen möglichen Bereichen massiv in die Höhe und zeigt, wie es nicht geht.

Aber noch ein Wort zu dem vorher gefallenen Vergleich Steiermark – Wien. Ich habe hier die Zahlen, Stand Mitte Juni 2004: Der Anstieg der Zahl der Arbeitslosen in der Steiermark liegt deutlich unter dem Anstieg der Zahl der Arbeitslosen in Wien, er beträgt nämlich nur die Hälfte. Die Zahl ist um 10,7 Prozent gefallen – und ist somit sogar noch geringer –, während sie in Wien um 5,4 Prozent gestiegen ist. Ich glaube, dieser Vergleich macht uns sicher und zeigt, wo Wien steht und wo die Steiermark. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.15

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Keuschnigg. – Bitte.

 


17.16

Abgeordneter Georg Keuschnigg (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich darf noch einmal ganz kurz auf den Stil eingehen, in dem die Fraktion der Grünen mit diesem Gesetz umgeht, mit einem Gesetz, das relativ intensiv verhandelt und im Vorlaufprozess auch sehr intensiv abgeklopft wurde. Wenn man sich die Polemik anschaut, mit der Sie, Frau Weinzinger, dieses Gesetz niedergeredet haben, hat man schon den Eindruck, dass Sie wahrscheinlich wirklich große Probleme haben, dieses Gesetz abzulehnen.

Sie sagen im Wesentlichen, diese Bundesregierung mache nichts für die Arbeits­marktpolitik. Dazu ganz klar: Diese Bundesregierung betreibt eine sehr erfolgreiche Bud­getpolitik und setzt parallel zu ihrem Sanierungskurs auch laufend Maßnahmen zur Wirtschaftsankurbelung und Arbeitsplatzsicherung – siehe die drei Konjunkturpro­gramme, siehe die Steuerreform, eine Steuerreform, die letztlich in ganz Europa große Beachtung findet, die wirklich einen Schub in Richtung Standortsicherung, in Richtung Arbeitsplatzsicherheit bewirkt. Trotzdem versuchen Sie, das einfach zu ignorieren und wegzureden.

Die Zahlen bezüglich der Arbeitsmarktsituation in Österreich wurden hier schon wieder­holt genannt. Man kann aber nicht einfach so tun, als lägen wir nicht ungefähr bei der Hälfte dessen, was das umliegende Ausland diesbezüglich an Zahlen aufweist. Auch dass wir bei der Jugendarbeitslosigkeit die niedrigsten Werte in ganz Europa haben, kann man nicht einfach wegreden.

Ich glaube, Sie ignorieren bewusst und gegen besseres Wissen – das ist eigentlich das Bedauerliche – Maßnahmen, weil sie erfolgreich sind und nicht in Ihre Strategie passen. Wir sind mit Ihnen noch einigermaßen versöhnt vom gemeinsamen Beschluss des Tierschutzgesetzes her, aber was Sie, Frau Weinzinger, heute geliefert haben, braucht diesen Vorrat erfolgreich auf.

Zwei Ziele sind es, die dieses Arbeitsmarktreformgesetz begleiten: einerseits der Versuch, hohe Solidarität mit jenen Menschen zu zeigen, die keine Arbeit haben,


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66. Sitzung / Seite 51

andererseits auch die Effizienz der Vermittlung zu verbessern, zu steigern. Und ich sage, das darf in sich kein Widerspruch sein! Und das ist auch kein Widerspruch. Es geht einerseits um die betroffenen Menschen, aber es geht andererseits auch um die Solidargemeinschaft, die das alles leistet.

Ich bin sehr froh, dass dem hier eine Sozialpartnereinigung zugrunde liegt, und ich bin auch sehr froh, dass zumindest die größere Oppositionspartei mitgeht, weil damit jene Menschen, die keine Arbeit haben, das richtige Signal erhalten: dass nämlich die Politik nicht polemisiert, sondern versucht, in einem Miteinander die beste Lösung für sie zu finden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.19

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. – Bitte.

 


17.19

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Eine solide sozialpartnerschaftliche Verhandlungszeit liegt hinter uns. Wir haben im Ausschuss letzte Verbesserungen, die für alle oder für einen großen Teil der Opposition die Möglichkeit der Zustimmung geschaffen haben, vorgenommen. Es handelt sich alles in allem um ein fortschrittliches Gesetz für unseren Arbeitsmarkt.

Daher war ich sehr neugierig auf die heutige Debatte, darauf, was der Fraktion der Grünen einfallen wird, um hier dagegen sein zu können. Und da gibt es einige Behauptungen, die nicht unwidersprochen bleiben dürfen.

Erstens: Frau Kollegin Weinzinger, Sie haben gesagt, auf eine freie Stelle kommen neun Arbeitsuchende. – Falsch! Auf eine gemeldete freie Stelle! Die meisten freien Stellen werden nicht dem AMS gemeldet, sondern werden – das ist ja aus den Zahlen klar ersichtlich – jenseits des AMS besetzt. Unser Arbeitsmarktreformgesetz von heute wird dazu beitragen, dass das Service für den Arbeitsmarkt verstärkt von Unternehmen mit gemeldeten freien Stellen in Anspruch genommen wird.

Zweiter Punkt – das betrifft auch die Kollegin Weinzinger: Vielleicht habe ich Sie hier falsch verstanden, wenn Sie gesagt haben, dass Menschen, die vielleicht keinen PKW zur Verfügung haben, dann mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren müssen. Ich halte das für eine interessante Anmerkung gerade von der grünen Fraktion. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte hier wirklich die ÖBB in Schutz nehmen: Für die meisten Einpendler in dieser Stadt ist vom Süden und vom Westen her der Arbeitsplatz viel besser und schneller mit der Eisenbahn erreichbar.

Drittens zur Frage der Zumutbarkeit, wo Sie behaupten, sie würde verschärft werden: Das ist eindeutig falsch! Es wird an die Realität des Arbeitsmarktes angepasst und auf einen Entgeltschutz abgestellt. 120 Tage 80 Prozent Entgeltschutz heißt, dass für zwei Drittel der Arbeitslosen überhaupt keine Veränderung eintritt. 100 Tage alter Berufs­schutz heißt, dass für die Hälfte der Arbeitslosen überhaupt keine Veränderung eintritt.

Mit diesem Arbeitsmarktreformgesetz tätigen wir Verbesserungen im Sinne einer modernen Arbeitswelt. Es wird auf realistische Zeiten und auf realistische Bezüge abgestellt – für alle: für die Arbeitslosen, für die Arbeitsuchenden und für die Unternehmer, die Arbeitnehmer brauchen. Daher kann man diesem Gesetz aus guten Gründen zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.22

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


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66. Sitzung / Seite 52

Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, Platz zu nehmen.

Wünscht der Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 543 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das Gesetz ist somit auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (475 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bundes­gesetz über die Post-Betriebsverfassung und das Arbeits- und Sozialgerichts­gesetz geändert werden (544 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schopf. Die Redezeit ist wunschgemäß auf 4 Minuten eingestellt. – Bitte.

 


17.23

Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Bei dieser Regierungsvorlage geht es vor allem darum, dass die diesbezügliche EU-Richtlinie, in der die Beteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europäischen Gesellschaften geregelt ist, ganz konkret bis zum 8. Oktober 2004 umgesetzt wird.

Es wurde bei uns in Österreich bereits sehr früh begonnen, konkrete Überlegungen über die zu erfolgende Umsetzung dieser Vorschriften anzustellen. In einigen Staaten in Europa ist dies leider nicht der Fall, und es ist zu befürchten, dass dies bis zum Oktober 2004 auch nicht erledigt wird, so zum Beispiel in Spanien, in Italien, aber leider auch in Griechenland.

Ich möchte an dieser Stelle positiv festhalten, dass die Regierungsvorlage die EU-Richtlinie im Großen und Ganzen in befriedigender Art und Weise umsetzt. In zwei Punkten, sehr geehrte Damen und Herren, sind wir jedoch der Auffassung, dass diese Richtlinie nicht gänzlich umgesetzt ist. Dies war auch der Grund, warum wir beim letzten Sozialausschuss in der letzten Woche einen Antrag auf Vertagung eingebracht haben mit dem Ersuchen, die problematischen Punkte nochmals zu verhandeln. Leider wurde dieser Antrag abgelehnt, und die Regierungsfraktionen und die Grünen stimmten dieser Vorlage zu.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ohne diese Änderungen gibt es gravierende und nicht hinnehmbare Defizite bei den Rechten der Arbeitnehmervertreter im Ver­hältnis zu den Rechten der Kapitalvertreter. Wir fordern daher die gleichen Rechte in diesen Gesellschaften, wie sie Kapitalvertreter genießen, insbesondere bei Personal­entscheidungen.


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66. Sitzung / Seite 53

Als zweiten Punkt fordern wir eine Ersatzregelung für den Fall, dass das zur Ent­sendung der österreichischen Vertreter in das besondere Verhandlungsgremium berechtigte Organ in keiner der in Österreich beteiligten Gesellschaften errichtet ist. Konkret heißt dies, dass keine Betriebsräte oder keine Betriebsausschüsse errichtet sind. Sollte dies der Fall sein, so sind wir der Meinung, dass die österreichischen Mitglieder von den zuständigen freiwilligen Berufsvereinigungen der Arbeitnehmer, sprich von den zuständigen Gewerkschaften, zu entsenden sind.

Zum Schluss, meine Damen und Herren, ist noch zu sagen, dass wir es generell bedauern, dass es nicht gelungen ist, auf europäischer Ebene ein einheitliches Betriebsverfassungsgesetz zu gestalten. Wir hoffen, dass es im Rahmen der heutigen Plenarberatung noch zu den entsprechenden Änderungen im Sinne der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen am Gesetzentwurf kommt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich lade Sie wirklich ein, unserem Abände­rungs­antrag zuzustimmen, den ich hiermit einbringe. Ansonsten sind wir gezwungen, diese Vorlage abzulehnen.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Aus­schusses für Arbeit und Soziales (544 der Beilagen) über die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bundes­ge­setz über die Post-Betriebsverfassung und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden (475 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzestext wird wie folgt geändert:

1. In Artikel I wird in Z 6 § 218 Abs. 4 wie folgt geändert:

„(4) Im Fall, dass ein gemäß Abs. 1 bis 3 zur Entsendung berechtigtes Organ in keinem der in Österreich beteiligten Gesellschaften, betroffenen Tochtergesellschaften oder betroffenen Betriebe errichtet ist, sind die in das besondere Verhandlungsgremium zu entsendenden österreichischen Mitglieder von der zuständigen freiwilligen Berufs­vereinigung der Arbeitnehmer zu entsenden.“

2. In Artikel I erhält in Z 6 der bisherige „§ 218 Abs. 4“ die Bezeichnung „§ 218 Abs. 5“.

3. In Artikel I Z 6 lautet § 248 wie folgt:

„(1) Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichts- oder Verwaltungsrat haben die gleichen Rechte, einschließlich des Stimmrechts, und Pflichten wie die vom zuständigen Organ oder durch die Satzung der Europäischen Gesellschaft bestellten Mitglieder.

(2) Die Anzahl der Arbeitnehmervertreter in den Ausschüssen des Aufsichts- oder Verwaltungsrates bestimmt sich nach dem Anteil gemäß § 245. Hinsichtlich der Rechte und Pflichten der Arbeitnehmervertreter in den Ausschüssen gilt Absatz 1.“

*****

Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.28

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Abänderungsantrag der Abgeordneten Silhavy, Genossen und Genossinnen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.


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66. Sitzung / Seite 54

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Neugebauer. – Bitte.

 


17.28

Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zur Sachinformation meines Vorredners brauche ich nichts mehr zu ergänzen. Wir sind mit dieser Vorlage im Plan, also recht­zeitig vor dem 8. Oktober unterwegs.

Es geht um den Titel der Handelsgesellschaften, die auf dem Gebiet der Gemeinschaft in der Rechtsform Europäischer Gesellschaften gegründet werden können, und damit auch um die Rechte der Beteiligung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Europäischen Gesellschaften, welche sich insbesondere auf die Rechte der Unter­richtung, Anhörung und Mitbestimmung beziehen.

Es ist ein sehr ausdifferenziertes Gesetz, das sich mit den Bereichen von der Definition und Einrichtung des besonderen Verhandlungsgremiums über die Rechtsstellung der österreichischen Mitglieder im besonderen Verhandlungsgremium bis zur Schaffung eines Gerichtsstandes beschäftigt. Letzteres wird insbesondere durch die Änderung des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes rechtlich klargestellt. Wir haben damit Beteiligungsrechte auf grenzüberschreitender Ebene in Ergänzung zur gesetzlichen Betriebsverfassung. Ich denke, dass damit ein tauglicher Interessenausgleich gefun­den worden ist. Es sind Maßnahmen, zu denen der Bund auf Grund zwingender Vor­schriften des Gemeinschaftsrechtes verpflichtet ist.

Der Anteil, der die Änderung des Post-Betriebsverfassungsgesetzes betrifft, gilt aus­schließlich für jene Bereiche, die dem Post-Betriebsverfassungsgesetz in Analogie zu den Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes unterworfen sind.

Zu der einen monierten Änderung, die Kollege Schopf im Zusammenhang mit der Entsendung von Mitgliedern in das besondere Verhandlungsgremium angesprochen hat: Ich gehe zunächst einmal aus der Praxis davon aus, dass diese Regelungen natürlich nur für große Unternehmen interessant sind, die alle in der Regel einen Betriebsrat haben. Nichtsdestotrotz möchte ich aber darauf hinweisen, dass die Entsendung der österreichischen Mitglieder durch ein Vertrauensvotum im Wege der Wahl von Betriebsräten und Zentralbetriebsräten erfolgt. Das ist eine deckungsgleiche Regelung, wie wir sie bei den Europäischen Betriebsräten auch entsprechend angewendet haben.

Ich lade Sie ein, dieser Vorlage Ihre Zustimmung zu geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.31

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Keck. – Bitte.

 


17.31

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ent­sprechend der Verordnung 2157 aus dem Jahr 2001 über das Statut der so genannten Europäischen Gesellschaft wird es in der EU und damit auch in Österreich demnächst möglich sein, Handelsgesellschaften in der Rechtsform einer so genannten Societas Europaea zu gründen. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Unter diesem Begriff sind Unternehmen zu verstehen, die supranational agieren, aber dennoch in allen Ländern mit gleichen Spielregeln konfrontiert werden. Betriebe wie zum Beispiel auch die voestalpine können damit in Zukunft auf den Grätschschritt einzelner ausländischer Tochterunternehmen mit jeweils unterschiedlichen nationalen Rahmenbedingungen verzichten.


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66. Sitzung / Seite 55

Das Ziel dieser Erfindung ist ein Versuch zur Kostenreduktion, also die viel gepriesene Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Glaubt man Brüssel, so können damit tatsächlich Einsparungseffekte von bis zu 30 Milliarden € erzielt werden, also eine ganze Menge Geld für die Wirtschaft. Wo diese enorme Summe eingespart wird, meine Damen und Herren, brauche ich Ihnen vermutlich gar nicht erst zu erzählen. 30 Milliarden € können nicht alleine durch den Wegfall von Stempelmarken erzielt werden. Es ist dies Geld, das durch den Abbau von Rechtsabteilungen, durch den Abbau von Beratern oder auch den Abbau von Bürokräften zusammenkommt.

Auch die so wunderbar dargestellte problemlose Umstrukturierung des Europäischen Unternehmens trägt nicht gerade zur Sicherheit und Berechenbarkeit eines nationalen Arbeitsmarktes bei.

Natürlich ist es für den Profit fein, wenn eine Handelsgesellschaft unbürokratisch und schnell von einem Land ins andere wechseln kann, doch ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wie sieht das für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Firmen aus? Was ich Ihnen zu verstehen geben will: Bei aller Euphorie dürfen wir niemals auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unseres Landes vergessen! Auch die EU hat dies eingesehen und daher im Statut zur Europäischen Unternehmung die ver­pflichtende Beteiligung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ergänzt.

An uns liegt es nun, diese Notwendigkeit in nationales Recht zu gießen. Der vorlie­gende Entwurf tut dies im Großen und Ganzen zufrieden stellend, aber wir haben frühzeitig mit den Überlegungen zur Umsetzung dieser EU-Vorschrift begonnen, und heute sind nur mehr einzelne Tücken im Detail ungelöst. Wir haben aus diesem Grund einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich speziell mit den Rechten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt. Es sollte uns doch heute gelingen, diese Richtlinie vollständig umzusetzen.

Wenn Sie unserem Abänderungsantrag zustimmen, so gibt es für meine Partei kein weiteres Hindernis, dieser Umsetzung der EU-Richtlinie zuzustimmen. Wenn Sie das machen, hätten wir es gemeinsam geschafft, ein akzeptables – wenn ich in der Wirtschaftssprache reden darf – Produkt zustande zu bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.34

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dolin­schek zu Wort. – Bitte.

 


17.34

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist das erste Mal, Frau Präsidentin, dass Sie mich aufgefordert haben, ans Rednerpult zu treten – es wird noch öfter der Fall sein in dieser Legislaturperiode. Ich wünsche Ihnen alles Gute bei Ihrer nicht einfachen und schwierigen Aufgabe! Walten Sie Ihres Amtes objektiv, so wie wir es gewohnt sind! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der ÖVP, der SPÖ und der Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dieser Regierungsvorlage, mit der das Arbeits­verfassungsgesetz, das Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden, werden Rechte von Arbeitnehmern in der Europäischen Gesellschaft geregelt. Es geht dabei um Unterrichtungs- und Anhörungsrechte bezüglich der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens, um die Einbindung in unternehmerische Entscheidungsprozesse. Damit wird eine Beteiligung der Arbeitnehmer an unternehmerischen Maßnahmen und Entscheidungen auf grenz­überschreitender Ebene gewährleistet.


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66. Sitzung / Seite 56

Konkret vorgesehen ist, dass ein besonderes Verhandlungsgremium mit den zustän­digen Organen der beteiligten Gesellschaften eine Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gesellschaft abschließt, wobei Mindestinhalte gesetzlich vorgegeben sind. Scheitern diese Verhandlungen über so eine Verein­barung, werden Anhörungs- und Mitbestimmungsrechte beziehungsweise Bestim­mungen bezüglich der Einrichtung eines Betriebsrates in der Europäischen Gesell­schaft kraft Gesetzes festgelegt. Als Gerichtsstand ist der jeweilige Sitz dieser Euro­päischen Gesellschaft vorgesehen. Diese vorgesehenen Bestimmungen dieser Richt­linie sind ein wichtiges Instrument der Arbeitnehmervertretung auf grenzüberschrei­tender Ebene und als Ergänzung zur gesetzlichen Betriebsverfassung zu sehen. Öster­reich setzt mit diesem Gesetz eine entsprechende EU-Richtlinie um, und wir stimmen diesem natürlich gerne zu. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

17.36

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Bundesminister Dr. Bartenstein zu Wort. – Bitte.

 


17.37

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Auch ich möchte die erste Wortmeldung meinerseits unter Ihrem Vorsitz zum Anlass nehmen, Ihnen herzlichst zur Wahl zu gratulieren und Sie um eine gute Zusammenarbeit in den nächsten Monaten und Jahren zu bitten, sehr geehrte Frau Präsidentin Prammer!

Meine Damen und Herren! Es ist schon gesagt worden, die Regierungsvorlage, die Ihnen vorliegt, soll zum Status der Europäischen Gesellschaft Klarheit schaffen hin­sichtlich der Beteiligung von Arbeitnehmern. Hier gibt es eine klare Priorität, nämlich die Priorität, dass die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Vereinbarung, die zwi­schen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite in guter sozialpartnerschaftlicher Manier ausgehandelt wird, geregelt werden soll. Und für den Fall, dass es eine solche Ver­einbarung nicht gibt, gelten zwingende Auffangregelungen.

Was meine ich mit der Beteiligung der Arbeitnehmer in dieser Europäischen Ge­sellschaft? – Da geht es insbesondere um das Recht auf Unterrichtung, das Recht auf Anhörung und das Recht auf Mitbestimmung. Es ist schon gesagt worden, dass in den dieser Verhandlung heute vorauseilenden Gesprächen sehr vieles außer Streit gestellt werden konnte, aber nicht alles, wie das ja auch aus dem Abänderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion hervorgeht.

Da möchte ich schon dazusagen: Für den Fall, dass es zu dieser Vereinbarung nicht kommt, schlagen Sie gemäß Ihrem Abänderungsantrag ein Entsendungsrecht der frei­willigen Berufsvereinigung, das heißt der Gewerkschaft, vor. Das ginge mir einen Schritt zu weit. Ganz abgesehen davon mache ich darauf aufmerksam, dass Sie in den Vorgesprächen von einem Entsendungsrecht der gesetzlichen Interessenvertretung ausgegangen sind, sodass hier eine gewisse Veränderung Ihrer Position festgehalten werden kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird, wie das Abgeordneter Neugebauer auch gesagt hat, in der Praxis wohl keine Rolle spielen, und zwar deswegen, weil diese Europäische Gesellschaft generell von größeren Strukturen gebildet wird und in diesen größeren Strukturen im Regelfall ein Betriebsrat eingerichtet sein wird. Wie gesagt, daher kaum von Relevanz.

Der zweite Teil Ihres Abänderungsantrages sieht eine Gleichberechtigung von Arbeit­nehmervertretern im Aufsichts- und Verwaltungsrat der Europäischen Gesellschaft in


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66. Sitzung / Seite 57

jeder Beziehung vor. Hier mache ich schon darauf aufmerksam, dass dies in Öster­reich in den Fällen eben nicht gilt, wo es in Ausschüssen um die Beziehungen zwi­schen der Gesellschaft und Mitgliedern des Vorstandes geht. Das heißt, auch hier geht Ihr Abänderungsantrag einen Schritt zu weit und ist die Vorgangsweise, die in der Regierungsvorlage vorgeschlagen wird, auch durchaus im Einklang mit der Richtlinie der Europäischen Union. – Danke, Frau Präsidentin. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.40

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Ab­geord­neter Nürnberger. Ich erteile es ihm.

 


17.40

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Ich verspreche Ihnen, Frau Präsidentin, ich werde mich ganz zahm benehmen, um Sie nicht in die Ver­legenheit zu bringen, gerade mir als Erstem einen Ordnungsruf erteilen zu müssen, denn normalerweise ... (Zwischenrufe und Heiterkeit bei der ÖVP.)

Es ist der Inhalt dieses Gesetzes heute schon erläutert worden, ich brauche daher nicht mehr näher darauf einzugehen. Es ist in den Ausführungen des Herrn Ministers und auch in jenen des Abgeordneten Neugebauer nicht zu erkennen gewesen, dass Sie unserem Abänderungsantrag die Zustimmung geben werden. Daher werden wir diesem Gesetz nicht zustimmen, obwohl ich zugeben muss, dass wir diesem Gesetz sehr gerne zugestimmt hätten, weil es doch auf der einen Seite Verbesserungen bringt, nämlich Verbesserungen für die Wirtschaft.

Es werden in der Regierungsvorlage – ich möchte das positiv bemerken – zwar die österreichische Gesetzeslage bei der Mitbestimmung und diverse Rechtsnormen berücksichtigt, aber wir müssen, wenn wir nach den internationalen Richtlinien unserer internationalen Gewerkschaftsverbände gehen, feststellen, dass Sie zum zweiten Mal die Chance vertan haben, sehr klare und eindeutige Mitbestimmungsrechte für die Arbeitnehmer zu vereinbaren. Wir wollten da mit Hilfe unseres Abänderungsantrages zu klareren Regelungen kommen.

Darüber hinaus gibt es noch zwei, drei weitere Kritikpunkte. Zum Beispiel: Wenn im § 230 vorgeschrieben wird, dass Häufigkeit, Ort und Dauer der Betriebsratssitzungen schon im Vorhinein festgelegt werden müssen, dann ist das völlig fern jeder Realität, weil sich Sitzungsorte und Termine jeweils nach den Ereignissen und Erfordernissen richten müssen.

Die Einschränkung der Kosten für nur einen Sachverständigen ist auch nicht zu akzeptieren, weil die Themenbereiche, die angesprochen werden müssen, sehr unter­schiedlich sein können und in der Regel auch sind und es daher mehrere Experten geben müsste.

Wie gesagt, es sind sicherlich einige positive Aspekte in diesem Gesetz enthalten. Wir hätten ihm auch gerne unsere Zustimmung gegeben, aber da die Arbeitnehmerrechte, die Mitbestimmungsrechte nicht jene Qualität aufweisen, die wir uns vorstellen, können wir diesem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.42

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Öllin­ger zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeord­neter.

 



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66. Sitzung / Seite 58

17.42

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Schönen guten Tag, Frau Präsidentin! Ich begrüße Sie in Ihrer neuen Funktion! (Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Dr. Stummvoll: Guten Morgen!)

Zum Gesetz: Wir Grünen bekennen uns zur Mitbestimmung und damit auch zur Regu­lierung von Arbeitsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

Es war ganz interessant, dem Abgeordneten Keck zuzuhören, wie er nicht zu Unrecht vermutet hat, dass das große Einsparungspotential, das man sich durch die Schaffung dieser Europäischen Gesellschaft, der Societas Europaea, erhofft, nicht allein durch die Gebühr für Stempelmarken hereingebracht werden kann, sondern dass es dazu natürlich auch des Einsparens von Rechtsabteilungen im Bereich dieses quer durch Europa sehr unterschiedlich gestalteten Gesellschaftsrechts bedarf, das für diese Organisationsform der Europäischen Gesellschaft vereinheitlicht wird.

Ich möchte es nur klarstellen, Kollege Keck: Gegen diese Vereinheitlichung hatten wir im Prinzip überhaupt nichts. Das ist okay! Dass es jetzt wieder 15, eigentlich in Zukunft 25 unterschiedliche Regelungen der Mitbestimmung im Rahmen der Richtlinien­kom­petenz gibt und geben wird, das macht die Sache, was die Mitbestimmung betrifft, nicht unbedingt einfacher. Ob sich die Unternehmen, die jetzt diese Europäische Gesell­schaft gründen, mit 25 unterschiedlichen Konvoluten dieser Art gut zurechtfinden werden und wollen, das ist wieder eine andere Sache. Im Prinzip, ganz ehrlich: Das ist eine Form der Regulierung, die – und das ist kein Vorwurf an den österreichischen Gesetzgeber – schon sehr weitgehend ist.

Wenn man unsere auch nicht schlecht regulierte österreichische Arbeitsverfassung als Grundlage der Beziehung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern hernimmt, wo ich mir wünschen würde, dass manche Bestimmungen etwas einfacher und manche Zugänglichkeiten etwas leichter wären, etwa die Möglichkeit zur Gründung eines Betriebsrates – das ist kein einfaches Unternehmen im Rahmen der österreichischen Arbeitsverfassung, da muss man schon sehr genau aufpassen, dass man da alle Bestimmungen und Voraussetzungen einhält –, so muss man sagen: Mit diesem Werk wird es auf einer Ebene oder auf etlichen Ebenen darüber nicht einfacher, sondern wesentlich komplizierter. Das merkt man auch am Umfang, der den entsprechenden Paragraphen zugemessen wird.

Wir werden diesem Gesetz zustimmen. Es ist auch von sozialdemokratischer Seite berechtigt Kritik geäußert worden, aber trotzdem, Sie haben auch selbst gesagt – und es ist jetzt ein bisschen paradox nach dem, was wir vorher diskutiert haben –, dass es für Sie im Wesentlichen zufrieden stellend ist.

Worauf ich, und zwar trotz des Bekenntnisses zur Regulierung der Arbeits­beziehun­gen, den Fokus noch legen möchte, das ist Folgendes: Wir haben in Europa etliche Bereiche in den Arbeitsbeziehungen – und da geht es nicht um die ganz großen Ge­sell­schaften –, die völlig unterreguliert sind. Ich habe vorhin mit meinem Klubvorsitzen­den darüber gesprochen, dass es etwa im Bereich des gesamten Verkehrswesens ein Arbeitsrecht gibt, das Europas unwürdig ist, nämlich de facto keines, was Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in Europa und innerhalb Europas ermög­licht, die an die Ausbeutungsverhältnisse des 19. Jahrhunderts erinnern. Da braucht man nicht nur die bulgarischen Transportarbeiter herzunehmen, sondern da kann man auch darauf zurückgreifen, wie die Beziehungen im Bereich des Verkehrs zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, egal in welchem Land der Europäischen Union, was die Arbeitszeiten betrifft, was das Arbeitsrecht als solches betrifft, inzwischen aus­schauen – natürlich auch, was die Löhne betrifft.


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66. Sitzung / Seite 59

Das heißt – und darauf will ich hinaus –: Wir haben mit dieser Societas Europaea und den entsprechenden Regelungen der Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein hochkomplexes, um nicht zu sagen, sehr kompliziertes Mitbestim­mungsrecht – das ist gut und könnte auch erweitert werden, obwohl wir mit dem vor­liegenden Entwurf auch einverstanden sind –, und wir haben andere Bereiche der Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Europa, wo sich nichts tut und wo sich niemand kümmert.

Wir haben vorhin, ganz am Anfang dieser Sitzung davon gesprochen, dass die euro­päischen Probleme auch in diesem Parlament etwas stärker artikuliert werden sollten. Das ist ein Punkt, wo wir erstens in Österreich Handlungsbedarf haben, und zwar nicht nur im Bereich der wenigen Personen, die bei uns in der Seeschifffahrt beschäftigt sind, sondern auch, was die Transportarbeiter betrifft, und wo es vor allem um einen Bereich geht, in welchem wir quer durch Europa die miesesten Arbeitsverhältnisse oder fast die miesesten Arbeitsverhältnisse von allen haben. Ich würde mir wünschen, dass auch in diesem Bereich in Österreich, aber auch in Europa etwas weitergeht, was nicht unbedingt den Umfang dieser Mitbestimmungsregelung erreichen muss, aber was den Namen verdient, dass sich auch Europa irgendwie an eine soziale Dimension erinnert. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Mag. Wurm.)

17.49

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Fasslabend zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


17.49

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass dieses Gesetz einen Fortschritt darstellt, das ist in den Ausführungen der Redner aller hier im Hohen Hause vertretenen Fraktionen zum Ausdruck gekommen.

Auch wenn die Sozialdemokraten nicht mitgehen werden, weil ihnen die Mitbestim­mungsrechte noch zu wenig ausgeprägt sind, möchte ich doch sagen: Ich persönlich halte dieses Gesetz nicht nur für einen Fortschritt, sondern für einen großen Fortschritt und halte jede weiter gehende Lösung für absolut unrealistisch – wenn ich nur daran denke, was etwa auch die SPÖ im Fall Magna im Hinblick auf die sonst übliche Betriebsverfassung in Österreich in Kauf genommen hat.

Zur Klarstellung möchte ich nur ganz kurz zum Ausdruck bringen, was in diesem Gesetz wirklich drinnen steht. Da steht drinnen – ich zitiere –:

„Zeitpunkt, Form und Inhalt der Anhörung müssen den Arbeitnehmervertretern auf der Grundlage der erfolgten Unterrichtung eine Stellungnahme zu den geplanten Maß­nahmen des zuständigen Organs ermöglichen, die im Rahmen des Entscheidungs­prozesses innerhalb der Europäischen Gesellschaft berücksichtigt werden kann.“

Des Weiteren heißt es im Gesetz: „Unter Mitbestimmung im Sinn des VI. Teiles ist die Einflussnahme des Organs zur Vertretung der Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmer­vertreter auf alle Angelegenheiten der Europäischen Gesellschaft durch die Wahrneh­mung des Rechts zu verstehen, einen Teil der Mitglieder des Aufsichts- oder des Verwaltungsrates der Europäischen Gesellschaft zu wählen oder zu bestellen oder einen Teil oder alle Mitglieder des Aufsichts- oder Verwaltungsrates der Europäischen Gesellschaft zu empfehlen oder abzulehnen.“

Ich halte das für eine klare und auf die Realität bezogene, ausgezeichnete Lösung, und daher werden wir diesem Gesetz auch zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.51

 



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66. Sitzung / Seite 60

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 475 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich lasse zunächst über den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag und dann über den Gesetzentwurf in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Die Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- bezie­hungsweise Abänderungsantrag betreffend §§ 218 und 248 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Nun kommen wir zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich ersuche jene Abgeordnete, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, und damit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen.

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (469 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozial­versiche­rungsgesetz geändert werden (2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2004 – 2. SVÄG 2004) (536 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nunmehr zum 4. Punkt der Tages­ordnung.

Wünscht die Frau Berichterstatterin das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Somit ist die Debatte eröffnet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Silhavy. Ihre freiwillig gewählte Redezeit beträgt 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


17.54

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die gegenständliche Regierungsvorlage muss deswegen so dringlich behandelt werden, weil der Verfassungsgerichtshof bei der Pensionsreform 2000 die Absätze 2, 3, 4 und 5 des § 264 ASVG aufgehoben hat.


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Wir haben in der Ausschusssitzung schon bekundet, dass wir zum einen sehr bedauert haben, dass Sie bis zum letzten Abdruck gewartet haben, um uns diese Regierungs­vorlage zu übermitteln, und dass zum anderen in der Regierungsvorlage viele unserer Kritikpunkte nicht berücksichtigt worden sind.

Was aber noch viel erstaunlicher ist, ist folgender Umstand: Der Abänderungsantrag, von dem uns angekündigt wurde, dass wir ihn bekommen, und bei dem Kollege Tancsits als Sozialsprecher der ÖVP uns im Ausschuss zugesichert hat, dass wir ihn 24 Stunden vorher, spätestens am Montag, bekommen, und den wir auch erhalten haben, enthält wesentlich mehr Abänderungen, als angekündigt worden ist. Er enthält Teilsanierungen für die Bauern-Sozialversicherung im Bereich der Krankenversiche­rung, Umschichtungen von der Unfallversicherung der Bauern zur Krankenver­siche­rung und Beitragsveränderungen in der Bauern-Krankenversicherung.

Sie haben das, was Sie medial angekündigt haben, nämlich bei der Bauern-Sozial­versicherung Änderungen bis 1. Juli durchführen zu wollen, in einem Abänderungs­antrag eingebracht. Ich finde das sehr, sehr unredlich, muss ich Ihnen sagen, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, denn eigentlich sollte so etwas in die Begutachtung gehen und nicht in Form eines Abänderungsantrages im Rahmen der zweiten Lesung in dieses Hohe Haus kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich finde es auch gänzlich unverständlich, wenn Sie bei der grundsätzlichen Debatte über die Finanzierung der Krankenversicherungen einen Teil, einen Versicherungs­träger herausnehmen, um Teilsanierungen durchzuführen, und den Rest der Kranken­versicherungen im Regen stehen lassen, was die Finanzierungsaspekte anbelangt.

Bis dato hat die Frau Bundesministerin Rauch-Kallat verschwiegen, wie sie sich das wirklich vorstellt. Wir wissen nach wie vor nicht, welche Konzepte Sie haben, um die Krankenversicherungen finanziell wieder auf gesunde Beine zu stellen.

Das ist wirklich sehr empörend und zeigt eindeutig, dass Sie wieder einmal nur Klien­telpolitik betreiben, dass es Ihnen nicht um das Gesundheitswesen an sich geht, sondern dass Sie einfach nur die Bedürfnisse und Anregungen einer offensichtlich von Ihnen sehr stark geprägten Sozialversicherung berücksichtigen.

Das glaube ich schon, Herr Präsident (in Richtung des Abg. Grillitsch), dass Sie dazu nicken, weil es Ihre Gruppe ist, die Sie da vertreten. Aber können Sie das im Sinne von Solidarität gegenüber allen anderen Versicherten, zum Beispiel ASVG-Versicherten, wirklich so vertreten? (Abg. Grillitsch nickt.)

Glauben Sie, dass das wirklich noch dem Parlamentarismus entspricht? (Abg. Gril­litsch: Ja!) Dann tun Sie mir sehr Leid, denn dann haben Sie ein sehr eingeschränktes Demokratieverständnis. Das möchte ich Ihnen hier schon sagen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Grillitsch.)

Auf den gesamten Gesundheitsaspekt wird unser Gesundheitssprecher, Kollege Lackner, noch näher eingehen. Ich möchte noch zur ursprünglichen Vorlage ein paar Punkte sagen, Herr Staatssekretär.

Sie sind zwar von einem Jahr auf zwei Jahre vor dem Todeszeitpunkt gegangen, es hat Ihnen aber sogar Frau Ministerin Rauch-Kallat bestätigt, dass das zu wenig ist. Es hat das Justizministerium gesagt: Wenn man schon nur zwei Jahre nimmt, dann muss man aber die besten zwölf Monate nehmen. Auch das haben Sie nicht berücksichtigt! Sie haben Leistungen der Arbeitslosenversicherung, der Krankenversicherung mit Nettobezügen drinnen und nicht mit Brutto beziehungsweise mit der Beitragsbemes­sungsbasis, was wieder eine wesentliche Veränderung beim Einkommensbegriff darstellt. Und Sie haben erstmalig auch die Unfallversicherungsleistungen drinnen. Das


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gibt es eigentlich bisher nur bei der Ausgleichszulage und sonst nirgendwo als Ein­kommensbegriff. Ich finde es ungeheuerlich, dass Sie das heranziehen.

Daher ist mir schon klar, dass Sie am allerletzten Tag mit dieser Regierungsvorlage daherkommen, weil Sie ganz genau wissen, dass das, was Sie da machen, gegenüber den Menschen, die ein Anrecht auf mehr Sicherheit haben, nicht in Ordnung ist.

Alles in allem kann man sagen: Weder kommen Sie mit dieser Regierungsvorlage dem, was der Verfassungsgerichtshof von Ihnen verlangt, aus unserer Sicht nach, noch hat das etwas mit Fairness und Gerechtigkeit zu tun, weil es wieder Zufälligkeiten der Lebensabläufe und -verläufe nicht ausschließt. Wir lehnen daher diese Vorlage ab.

Wie gesagt, zum Abänderungsantrag wird Kollege Lackner noch ausführlich Stellung nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.58

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. Seine freiwillig gewählte Redezeit beträgt 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


17.58

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte zur gegenständlichen Regie­rungsvorlage, die im Wesentlichen eine Sanierung der Hinterbliebenenpensions-Re­gelung nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes darstellt, sprechen. Ich möchte aber auch einige Bemerkungen machen, was die parlamentarische Vorgangs­weise und die Beratungen aus der Sicht meiner Vorrednerin betrifft.

Es ist richtig, dass die Regierungsparteien angekündigt haben, im Rahmen dieses Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes auch noch andere Änderungen, die für die Erhaltung der sozialen Krankenversicherung notwendig sind und die Fortschritte für den Patienten bringen sollen, mitzuverhandeln. Wir haben aus diesem Grund in der vergangenen Woche versucht, einen zusätzlichen Sozialausschusstermin zustande zu bringen, doch das ist nicht gelungen. Ich mache Ihnen das nicht zum Vorwurf, Frau Kollegin, Sie haben sich sicherlich bemüht, aber das ist nicht gelungen, daher werden wir diese umfangreichen Änderungen heute natürlich auch nicht vornehmen. Ich bitte Sie daher, sich in Ihren Debattenbeiträgen auf die vorliegende Regierungsvorlage zu beschränken. (Beifall bei der ÖVP.)

Worum geht es bei der Hinterbliebenenpension? – Das klarzustellen ist, glaube ich, schon wichtig, vor allem um Fehlinformationen dahin gehend, dass hier Änderungen vorgenommen und Witwenpensionen verschlechtert würden, von Anfang an den Wind aus den Segeln zu nehmen. – Der Grundsatz der Berechnung, der Grundsatz der Versorgung, die auf das Familieneinkommen von Witwen oder Witwern abstellt, wird gleich gelassen. Dieser Grundsatz lautet, dass wir bei etwa gleichen Einkommen von zwei Pensionen 40 Prozent an Hinterbliebenenpension so wie jetzt auch in Zukunft auszahlen werden. Dieser Betrag ändert sich – und wird sich auch in Zukunft ändern – beim Vorliegen von sehr hohen Einkommen. Da kann die Hinterbliebenenversorgung, wenn 6 900 € im Monat ohnehin vorhanden sind, bis auf null absinken – oder sie kann, bei niedrigen Einkommen, auf 60 Prozent steigen.

Noch einmal: Das bleibt unverändert. Das, was der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis kritisiert hat, war die Berechnung dieser beiden Einkommen. Bisher wurden die Bemessungsgrundlagen der beiden Pensionen miteinander ver­glichen, und dabei ist es bei einer Reihe von Fällen zu nicht vorhersehbaren und nicht berechenbaren Einkommenseinstufungs-Willkürlichkeiten gekommen, sodass wir in der Verbesserung der Bemessung der Witwen-/Witwerpension jetzt auf die tat-


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sächlichen, realen Einkommen abstimmen – wobei vom Verfassungsgerichtshof jene zum Todeszeitpunkt genannt wurden. Wir sind so weit gegangen – und dafür sprechen die entsprechenden Stellungnahmen und Gutachten –, dass wir hier einen zweijäh­rigen Bemessungszeitraum einführen, vor allem um den jeweiligen Hinterbliebenen beziehungsweise die Hinterbliebene von Zufälligkeiten einer Einkommens-Moment­aufnahme zu schützen.

Saniert, verändert wird also nicht die Witwenpension, sondern saniert wird die Be­rechnung der Bemessung derselben. Dass dies in Summe nicht nur zu einer gerech­teren, zu einer planbareren, zu einer berechenbareren Bemessung führen wird, sondern auch noch mit einer leichten Zuwaage für die Betroffenen verbunden sein wird, kann man daraus ersehen, dass die uns vorliegenden Berechnungen der Sozial­versicherung von geringfügigen Mehrkosten gegenüber der jetzigen Regelung in der Höhe von 3 Millionen € ausgehen.

Meine Damen und Herren! Ich nehme an, dass Sie unter diesen Gegebenheiten der Gesetzesvorlage zustimmen werden, weil wir damit dem Auftrag des Verfassungs­gerichtshofes zur Sanierung entsprechen und weil wir damit für die betroffenen Hinter­bliebenen eine Verbesserung vornehmen.

Ich denke also, dass dieser notwendigen Änderung – zeitgerecht im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes – nichts im Wege steht, und bitte um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.04

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Er wünscht eine Redezeit von 7 Minuten. – Bitte.

 


18.04

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Frau Präsidentin, auch ich gratu­liere Ihnen, und Ihnen zuliebe werde ich heute von der „ChefärztInnenpflicht“ sprechen! (Beifall und Bravoruf bei den Grünen sowie Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf bei den Grünen.) – Nicht zu viel Lob, sonst kommt man ja nicht mehr zum Reden!

Dieses Gesetz wäre im Prinzip, was die ChefärztInnenpflicht betrifft, durchaus in einigen Zügen positiv gewesen, aber Sie versuchen immer wieder – ich sage jetzt nicht „Kraut und Rüben“ – unterschiedliche Materien in eine Beschlussfassung zusammen­zustopfen, möchte ich fast sagen, sodass eine differenzierte Ja- oder Nein- Antwort, eine Zustimmung oder Ablehnung, einfach dann sachbezogen nicht möglich ist. Es tut mir Leid, aber Sie haben das auch irgendwie durch vielleicht Überstrapazierung von Taktik und Strategie verhindert.

Die Regelung ist deswegen positiv, weil sie jedenfalls Erleichterungen für PatientInnen bringt und ihnen mühsame, zeitaufwendige Besuche bei den Kassen erspart. Trotzdem ist sie nicht mehr als ein erster Schritt in eine möglicherweise richtige Richtung. Ich hätte mir, verbunden mit einem ersten Schritt, erwartet, dass man diese Regelung befristet, um auch Anreize zum zweiten Schritt zu schaffen und Überlegungen an­zustellen, wie man hier zu besseren Lösungen kommen kann.

Kritik an diesem Gesetz sollte deswegen erfolgen, weil der damit verbundene Verwal­tungsaufwand nicht unbeträchtlich ist, die Kontrolle, vor allem die individuelle Kontrolle von verschriebenen Medikamenten bei PatientInnen mehr als arbeitsaufwendig ist und auch der Sanktionsmechanismus, der ÄrztInnen betreffen würde, in seiner Ausgestal­tung oder Durchführbarkeit letztlich fragwürdig erscheint.


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Der Punkt ist nämlich folgender: Es muss Ihnen schon klar sein, dass das Best-Clinical-Practice-Modell – wie verschreibe ich am besten sachgerecht und nach internationalen Kriterien? – immer bedeutet, dass 80 Prozent dieser Empfehlungen auf einen Patienten zutreffen können, aber 10, 20 Prozent nicht. Das heißt, sozusagen „Best Human Practice“ gibt es dann nicht mehr. Jeder Arzt, jede Ärztin wird aber sagen können: In diesem Fall, aus diesem Grund musste ich so oder so handeln!, und das wird nicht immer falsch sein. Und wir können nicht bei jeder Verschreibung ein Gerichtsverfahren einleiten und eine Wissenschaftskommission einberufen. Vor allem bei Nebenwirkungen werden Sie sehen, dass Patienten unterschiedlich reagieren.

Dass die Sorgen des Hauptverbandes und seine Kritik an Ihrer Lösung verständlich sind, ergibt sich allein daraus, dass der Hauptverband mit dem Rücken zur Wand steht und es sich nicht leisten kann, die Kostenentwicklung im Medikamentensektor allzu großzügig zu betrachten, und die Verwaltungsexplosion – das ist vielleicht ein grober Ausdruck, aber: die Strapazierung von Mehrverwaltung – wird ihm auch wieder auf den Kopf fallen, weil Sie ja sagen, hier müsse eingespart werden.

Im Übrigen ist das Wort „ChefärztIn“ schon ein irreführender Begriff, denn von Chefin und Chef ist da relativ wenig die Rede. Das sind einfach AkademikerInnen, die nach Vorgaben der Kassen ja oder nein sagen – wenn Kontingente erfüllt sind, wenn etwas überschritten wird. Das hat mit Medizin relativ spärlich zu tun, und ich würde Ihnen beziehungsweise dem Hauptverband raten, dass man mit Ressourcen von Akade­mikerInnen im Hauptverband, aber auch in Ihrem Ressort sorgsamer und rationaler umgeht und diese vielleicht das erarbeiten lässt, was vernünftige Behandlungs­richt­linien und vernünftige Empfehlungen von Medikamenten bei bestimmten Indikationen betrifft. Hier könnten Sie wahrscheinlich auch gute Leute brauchen.

Was mich immer wundert und was ich auch schlecht finde, ist, dass in dieser Debatte vorwiegend das Denken in Feindbildern sachorientierte Lösungen erschwert: Feindbild Hauptverband – immer die Bösen, Betonierer et cetera –, Feindbild Ärztekammer, Feindbild Pharmaindustrie und die Kassen im Allgemeinen.

Gerade was die Pharmaindustrie betrifft – ich bin ja nicht ihr Pressesprecher –, würde ich hier schon einmal wagen zu erwähnen, dass Preise der Medikamente in Österreich diskret unter dem EU-Schnitt liegen. Und wenn Sie meinen, dass sozusagen die ÖVP Planwirtschaft auf diesem Sektor durch Preisgestaltungen betreiben soll, wird das, glaube ich, nicht ganz so einfach sein, weil gewisse Anreize, neue, innovative Medi­kamente zu entwickeln, bestehen bleiben sollten.

Was beeinflusst aber die Verschreibepraxis? – Sie sollten sich hier darum kümmern, zu Lösungen durch bessere Ausbildung zu finden, Medizinökonomie auch in der Pharmakologie im Studium von Medizinerinnen und Medizinern stärker einzubinden, und vielleicht auch dafür sorgen, dass endlich datengestützte Banken, EDV-gestützte Arztpraxen etwas, was ich als sachorientierte und diagnosebezogene Möglichkeiten bezeichnen würde, erleichtern.

Und ganz zum Schluss: Freiwilligkeit mit gewissen sachten Anreizsystemen oder auch mit Druck verbunden, das ist nicht schlecht. 30 Prozent aller Medikamentenkosten entstehen nur durch vier Medikamentengruppen: solche gegen Bluthochdruck, Säure­hemmer Magen, Antidepressiva und Lipidsenker. Wenn Sie es schaffen, bei diesen vier Gruppen die Kosten um nur 20 Prozent durch Generika zu reduzieren, haben Sie 6 Prozent der Gesamtarzneimittelkosten eingespart – etwas, was bis jetzt noch nie erreicht wurde. Und ich glaube, wenn Sie diese Indikationsgruppe von 4 Medi­kamen­tengruppen auf 15 Gruppen erweitern, hätten Sie 50 Prozent aller Medika­menten­kosten, die Sie durch Verhaltensmaßregeln, Empfehlungen, wissenschaftliche Stu-


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dien – die Sie oder der Hauptverband vielleicht auch finanzieren könnten – beein­flussen könnten.

Es tut mir Leid, aber auf Grund dieser Verquickung mit Witwen – fast hätte ich jetzt automatisch gesagt: und Waisen –, die wir nicht gut finden, und weil auch die For­derungen des Verfassungsgerichtshofes hier nur lückenhaft erfüllt worden sind, können wir diesem Gesetz en bloc, wie Sie es gedacht haben, leider nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

18.11

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Ab­geordneter Dolinschek. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


18.12

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Verfassungsgerichtshof hat die Bestimmungen über die Berechnungsweise der Witwenpension, die ja aus den neunziger Jahren stammt, damals auf das gemeinsame Einkommen, also auf das Haushaltseinkommen vor dem Tod eines Partners abgestellt, wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz als verfassungswidrig aufgehoben. Der Verfassungs­gerichts­hof hat hier festgestellt, dass für die Berechnung der Versorgungslage zum Todes­zeitpunkt ein gangbarer und gerechter Weg gefunden werden muss.

Die Aufhebung tritt mit 1. Juli 2004 in Kraft und betrifft das ASVG, das BSVG und das GSVG, die geändert werden. Bei der verfassungskonformen Neuregelung der Berech­nung der Witwenpension soll in Zukunft die Relation der Einkommen des verstorbenen und des überlebenden Ehepartners in den letzten beiden Jahren vor dem Zeitpunkt des Todes des Versicherten maßgebend sein.

Dabei bleibt die Pensionsberechnungsformel nach § 264 Abs. 2 ASVG und den Parallelbestimmungen, die seit dem 1. Oktober 2000 gilt, unverändert. Durch die Heranziehung des Einkommens der letzten zwei Jahre soll die Versorgungslage zum Todeszeitpunkt besser wiedergegeben werden als beim Abstellen auf die Bemes­sungsgrundlage, so wie es bisher der Fall war. Das ist der entscheidende Unter­schied. Die Bandbreite der Pensionshöhe wird somit weiterhin zwischen 0 Prozent und 60 Pro­zent der fiktiven Pension des Verstorbenen betragen, wobei weiterhin für Hinter­bliebene mit geringem Einkommen eine untere Schutzgrenze – im Jahr 2004: 1 503,50 € – sowie eine Leistungsobergrenze bei höheren Einkommen – im heurigen Jahr 6 900 € monatlich – gelten wird.

Bei gleich hohen Berechnungsgrundlagen wird wie bisher die Witwenpension 40 Pro­zent betragen, bei unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen erhöht oder vermindert sich dieser Prozentsatz für jeden Prozentpunkt um 0,3. Also die Obergrenze der Witwenpension beträgt 60 Prozent der Pension des Verstorbenen.

Der Verfassungsdienst wurde diesbezüglich eingebunden. Die in dieser Regierungs­vorlage enthaltene Neuregelung stellt finanziell eine wesentlich günstigere Variante dar und bringt vor allem für die Frauen eine Verbesserung. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Mag. Tancsits.)

18.14

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Waneck. Ich erteile es ihm.

 


18.14

Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit und Frauen Dr. Reinhart Waneck: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Zuerst möchte ich Ihnen herzlich zu Ihrer


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Ernennung gratulieren! – Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zu den Ausführungen von Frau Abgeordneter Silhavy möchte ich insofern Stellung nehmen, als es auch im Sozialausschuss einen gewissen Kritikpunkt dahin gehend gab, als die Tätigkeit der Kommission zur Neuregelung der Witwenpensionen nicht transparent genug erschien. Ich darf dazu wie folgt Stellung nehmen:

Bei dieser Kommission hat es sich um Experten von Sozialpartnern, Hauptverband, Bundeskanzleramt, Bundesministerium für Finanzen, Bundesministerium für Gesund­heit und Frauen sowie Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz gehandelt. Die Termine der Kommission waren vor der Begutach­tung am 30. Oktober 2003, am 19. November 2003, am 9. Dezember 2003, am 8. Jän­ner 2004 und am 27. Jänner 2004. Über jede Besprechung wurde ein Protokoll erstellt und an alle Teilnehmer übermittelt. Diese Protokolle sind auch jederzeit einsehbar. Nach der Begutachtung fand noch eine Sitzung der Kommission statt, die am 13. April 2004 stattfand.

Das Ergebnis dieses Begutachtungsverfahrens waren 22 Stellungnahmen. Zwölf da­von sprachen sich für die Variante eines reinen Einkommensmodells aus. Auch der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes sagt, dass diesbezüglich keine Bedenken bestehen. Zehn der schriftlichen Äußerungen stimmten ebenfalls unter der Voraus­setzung der Verlängerung des einjährigen Bemessungszeitraumes zu. Diesen Stellungnahmen wurde auch dadurch Rechnung getragen, dass in der nunmehrigen Gesetzesvorlage der Berechnungszeitraum auf zwei Jahre verlängert wurde. Bei einem noch längeren Zeitraum bestünde laut Auskunft des Verfassungsdienstes und des Justizministeriums die neuerliche Gefahr einer Aufhebung durch den Verfassungs­gerichtshof. – Das zur Erklärung. (Abg. Silhavy: Aber das Justizministerium selbst hat ja einen ganz anderen Vorschlag gemacht!)

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.16

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lapp zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


18.17

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Irgendwie erinnert mich diese Debatte, bei der wir auf der einen Seite über die Hinterbliebenenversorgung, auf der anderen Seite über einen Abänderungsantrag, der nicht eingebracht wurde, reden, mehr an eine Dar­stellung im so genannten absurden Theater. Deshalb finde ich es auch sehr inter­essant, dass der Herr Staatssekretär für Gesundheitsfragen zur Regelung der Hinter­bliebenenversorgung gesprochen hat.

Der Verfassungsgerichtshof hat den Berechnungsmodus für die Hinterbliebenen­pension aufgehoben, die Reparaturvorlage muss bis 30. Juni vorhanden sein. Im Jahr 2003 gab es über 437 000 Menschen, die davon betroffen waren. Es ging dem Verfassungsgerichtshof darum, die Versorgungsstandards zu sichern.

Das ist leider fraglich, denn durch diese notdürftige Reparatur, die jetzt vorliegt, ist es so, dass die letzten beiden Jahre gelten – das ist ja schon ausgeführt worden. Dadurch ergeben sich zufällige Ergebnisse, denn wenn jemand in den letzten beiden Jahren Krankengeld, Arbeitslosenunterstützung, Notstandshilfe oder andere geringere Bezüge bekommen hat, dann sind das wesentlich geringere Bezüge, die auch den Hinterbliebenen betreffen.

Im Ausschuss wurde noch kritisch darüber gesprochen, dass die Hinterbliebenen selbst alle Unterlagen zusammensammeln müssen, um nachzuweisen, dass sie jetzt


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ein Anrecht auf diese Hinterbliebenenversorgung haben. Im Abänderungsantrag war vorgesehen, dass der Hauptverband diese Datensammlung vornimmt. Nun ist es wieder so, dass die hinterbliebenen Menschen sich darum kümmern müssen, wo sie sämtliche Einkommensnachweise, Lohnzettel et cetera herbekommen. Sämtliche Nachweise, die zeigen, was der Verstorbene verdient hat, wie hoch der Versorgungs­standard ist, müssen jetzt weiter beigebracht werden. Auch das ist wieder ein Zeichen dafür, dass diese Regelung von einer notdürftigen Reparatur im absurden Theater nicht weit entfernt ist.

Herr Kollege Tancsits, Sie haben vorher sehr kryptisch darüber gesprochen, dass eine zusätzliche Sitzung des Sozialausschusses nicht zustande gekommen wäre. Ich möchte Ihnen nur sagen, dass die Verhandlungen für den Sozialausschuss so gelautet haben, dass bis zum Freitag, dem 11. Juni, bis 15 Uhr die Vorlagen und die Abän­derungsanträge vorliegen sollen. Dass wir jetzt über Anträge diskutieren, die kurz in den Klubs herumgegeistert sind, aber jetzt nicht vorliegen, ist meiner Meinung nach auch wieder ein Beispiel dafür, dass Sie in der Regierung eigentlich nicht verlässlich für die Menschen arbeiten und dass Sie nur diese notdürftigen Reparaturen vorneh­men.

Die Menschen in Österreich haben aber ein Recht auf Verlässlichkeit. Wir wollen keine Zufälligkeiten. Ihre Regierungsarbeit jedoch ist schon sehr stark von Zufälligkeiten gekennzeichnet. Das werden sich, glaube ich, die Menschen nicht gefallen lassen: Ineffiziente Regierungsarbeit wird abgewählt! (Beifall bei der SPÖ.)

18.20

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

 


18.20

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die nun zu beschließende Regierungsvorlage zur Berechnungsweise der Witwen- und Witwerpension bildet, glaube ich, einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der Versorgung der Hinterblie­benen. Wie schon vom Herrn Staatssekretär erwähnt, hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. Juni 2003 die Bestimmungen über die Berechnungsweise der Witwen- und Witwerpension wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz als verfassungswidrig aufgehoben – diese Regelung stammt aus den neunziger Jahren, ihre Aufhebung tritt nunmehr mit 1. Juli 2004 in Kraft.

Es ist dazu Folgendes zu sagen: Zur Vorbereitung dieser Neuregelung wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, in der die Sozialpartner, der Hauptverband der öster­reichischen Sozialversicherungsträger, das Bundeskanzleramt und natürlich auch die Ministerien für Finanzen, für Gesundheit und Frauen und auch für soziale Sicherheit eingebunden und vertreten waren.

Die derzeit geltende Regelung knüpft an die Bemessungsgrundlage der/des Verstor­benen und der/des Hinterbliebenen an. Nun wurde ein neuer Ansatz gefunden, wonach auf die Relation der Einkommen des verstorbenen und des überlebenden Ehepartners in den letzten zwei Kalenderjahren vor dem Zeitpunkt des Todes des Versicherten Bezug genommen wird. Dadurch wird sehr wohl eine Versorgung gesichert, die dem zuletzt erworbenen Lebensstandard nahe kommt – dem wird vor allem durch die Berücksichtigung des Einkommens von zwei Kalenderjahren Rechnung getragen, da das Einkommen des letzten Jahres eben oft durch Krankheit und Arbeitslosigkeit geprägt sein kann.


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Die finanziellen Auswirkungen sind auch schon genannt worden: Es sind 3 Millionen € jährlich. Die Pensionsberechnungsformel und die Parallelbestimmungen, die seit dem 1. Oktober gelten, bleiben unverändert. Die Pensionshöhe – das hat mein Kollege Walter Tancsits, unser Sozialsprecher, schon erwähnt – bleibt weiterhin bei bis zu 60 Prozent der fiktiven Pension der/des Verstorbenen. Es gibt auch weiterhin eine untere Schutzgrenze für die Hinterbliebenen, die derzeit bei 1 503 € liegt, sowie eine Leistungsobergrenze, die derzeit bei 6 900 € liegt.

Bei gleich hoher Berechnungsgrundlage bleibt die Witwenpension und Witwerpension wie bisher bei 40 Prozent. Interessant ist nur – und das könnte eine wirklich sinnvolle inhaltliche Diskussion sein –, warum derzeit rund 430 000 Frauen Witwenpension beziehen, unter den Männern dies jedoch nur 39 000 tun. Dazu würde mir einiges einfallen, was in dieser Situation doch etwas Hoffnung für die Frauen gibt. (Abg. Öllinger: Sagen Sie es doch, Frau Kollegin Steibl! Sagen Sie es einfach!) – Aber die Sache ist zu ernst, um damit zu scherzen.

Die Gesamtausgaben für die Witwen- und Witwerpension belaufen sich auf zirka 2,8 Milliarden €. Und diese Neuregelung wird, wie gesagt, dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Rechnung tragen.

Hinweisen möchte ich noch darauf, dass auch angestrebt wird, dass im Rahmen der Harmonisierung der Pensionssysteme eine eigenständige Alterssicherung für Frauen – bei der unsere Frau Bundesministerin auch intensiv mitarbeitet, da es ihr ein wirkliches Anliegen ist – in größerem Umfang neu zu gestalten ist.

Weiters möchte ich darauf hinweisen, dass wir bei der Pensionssicherungsreform 2003 gerade im familien- und frauenspezifischen Bereich Maßnahmen gesetzt haben, die schon ein wichtiger Schritt in Richtung Pensionsabsicherung für Frauen sind. Und auch wenn Herr Kollege Öllinger jetzt schmunzelt, möchte ich diese Maßnahmen noch gerne aufzählen, da ich glaube, Sie haben es schon wieder verdrängt – vergessen sicher nicht. (Abg. Öllinger: Verdrängen tue ich gar nichts!)

Die Zeit lässt es nicht mehr zu, aber Sie wissen: die Erhöhung der pensions­begrün­denden Kindererziehungszeiten auf 24 Monate; beim Durchrechnungszeitraum werden pro Kind drei Jahre herausgenommen; die Entlastung für die Bäuerinnen­pension und zum Beispiel auch die Anhebung der Bemessungsgrundlage.

Ich bin überzeugt davon, dass alle Parteien dieser Grundlage, dieser Unterlage zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Was?)

18.25

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Öllin­ger zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort.

 


18.26

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Kollegin Lapp hat vollkom­men Recht: Das ist absurdes Theater! Das ist ja fast nicht mehr zu überbieten!

Wir diskutieren hier zwei Materien, die miteinander – sagen wir einmal außer dem Namen Sozialversicherungs-Änderungsgesetz – wenig gemein haben. Es antwortet der Herr Staatssekretär für Gesundheit zu den Witwenpensionen, weil aus dem eigent­lichen Sozialministerium offensichtlich niemand bereit war oder ist, dazu etwas zu sagen.

Von den Vertretern der Regierungsparteien erfahren wir bis jetzt auch keinen Grund dafür, warum die für diese Plenarsitzung angekündigte Abänderung jetzt doch nicht


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kommt. Wir erfahren auch keinen Grund dafür, warum die für diese Plenarsitzung angekündigte Abänderung, die ja deswegen so rasch erfolgt ist, weil der Hauptverband angeblich bei seiner Regelung versagt hat, nun doch keine gute Regelung sein kann, sonst wäre sie ja gekommen.

Also was ist jetzt los? – Offensichtlich ist es so, dass – und das sage ich ganz offen, Frau Bundesministerin –, was die Chefarztpflicht und den von Ihnen vorgetragenen Vorschlag betrifft, der jetzt nicht zur Debatte steht – obwohl wir im Vertrauen darauf, dass das, was Ihre Regierungsparteien angekündigt haben, ja tatsächlich eintreten dürfte, teilweise schon über ihn debattiert haben –, dass also all das nicht eintritt! – Das ist wirklich absurdes Theater!

Ich hatte für den von Ihnen vorgeschlagenen Entwurf durchaus Sympathie, und zwar nicht, weil ich im Detail mit ihm übereingestimmt hätte – da kann man unterschiedlicher Meinung sein –, und weil ich vor allem als Parlamentarier der Meinung bin, dass bei einer doch so heiklen Materie wie der Abschaffung der Chefarztpflicht eine um­fassende Beratung notwendig ist, weil mir auch nicht gefallen hat – und das ist Punkt 3 –, dass Sie zunächst den Hauptverband „ins Feuer geschickt“ haben, dann aber, als dieser im Feuer der Ärztekammer notwendigerweise etwas verbrannt ist, sagen: Jetzt machen wir das, die können es einfach nicht!, und dann – obwohl Sie es offensichtlich selbst nicht können – nicht in der Lage sind, als Vertreter der Regierungsparteien zu sagen: Wir können es auch nicht. – Aber das nur nebenbei.

Für die vorgeschlagene Variante hätte ich eine bestimmte Sympathie gehabt, obwohl die Auswirkungen im Detail und in den Konsequenzen einfach gründlicher zu beraten gewesen wären. Aber klar, Frau Bundesministerin: Wenn man als Patient oder Patientin mit den Chefärzten zu tun hat – und das hat irgendwann einmal jeder; ich hatte bisher nur ein Mal das Glück, mit einem Chefarzt konfrontiert zu werden –, dann fragt man sich: Wozu wird diese chefärztliche Genehmigung vorgenommen, wenn der Chefarzt, vor dessen Zimmer man eine halbe Stunde warten muss, einfach nur den Stempel „draufhaut“. – Das kann es ja nicht gewesen sein! Und jeder weiß das, darum greift die Argumentation des Hauptverbandes, die sehr viel Sinn machen würde, würde sie in der Praxis angewandt werden, in diesem Fall auch nur bedingt.

Aber klar ist, dass, wenn sie abgeschafft wird, im finanziellen Bereich möglicherweise massive Auswirkungen damit verbunden sind – das wissen wir nicht. Es ist eine Regelung, die provisorisch eingeführt wird und mit der etwas – was niemand goutiert – abgeschafft wird, schwer wieder rücknehmbar – das wissen wir jedenfalls; man wird nicht die Chefarztpflicht provisorisch abschaffen können und dann sagen: Das hat nicht funktioniert, jetzt führen wir sie wieder ein! Das machen Sie nicht, das würden wir auch nicht gerne machen!

Insofern wäre all das ein guter Grund, derartige Materien umfassend zu beraten, weil ich mir wünsche, dass die Chefarztpflicht fällt, weil es keinen Sinn macht, die Chef­arztpflicht in ihrer jetzigen Form beizubehalten. – Es wäre sinnvoll gewesen, das zu beraten. Sie aber wollten das nicht, weder parlamentarisch mit uns noch mit irgend­jemandem sonst.

Und ich stelle mit Erstaunen fest, dass die Chefarztpflicht ganz offensichtlich (Abg. Steibl: Herr Kollege Öllinger!) – lassen Sie mich das noch sagen, Frau Kollegin Steibl! (Abg. Steibl: Nein! Ich wollte nur fragen, von was Sie jetzt reden!) – gar nicht der Grund für die Rücknahme ist, sondern ein politischer Kompromiss mit der FPÖ in dieser schweren Stunde der FPÖ jetzt das Wichtigere ist. Es war nämlich darin die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge der Bauern vorgesehen. Die FPÖ, ein Bauernvertreter der FPÖ, hat gemeint: Das kommt nicht!, und jetzt kommt es nicht. (Heiterkeit des Abg. Dr. Cap.) Wenn es bei den Pensionisten oder bei anderen


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Gruppen gerechtfertigte Gründe für eine Erhöhung gibt, dann kommt es trotzdem, auch wenn die Pensionisten sagen: Das trifft uns hart! (Zwischenruf des Abg. Marizzi.)

Bei den Bauern kommt dann, wenn ein FPÖ-Vertreter etwas dagegen sagt, die Erhöhung nicht! Wir lernen: Bisher waren wir der Meinung, dass es nur dann, wenn das ein ÖVP-Bauernvertreter sagt, nicht kommt. Jetzt wissen wir, auch ein FPÖ-Bauernvertreter in der Stunde der Not der FPÖ kann erreichen, dass eine Erhöhung – in diesem Fall eine Harmonisierung! – der Beiträge, die, weil sie, obwohl sie wieder nur in einem Versicherungsbereich erfolgt, die Harmonisierung intendiert, dann, wenn es der FPÖ nicht passt und die Stunde für sie zu schwer ist, nicht kommt. Dann kommt auch die Chefarztpflicht nicht. Dann kommt gar nichts. Und dann kommt nicht einmal ein Regierungsvertreter heraus und sagt uns, warum etwas nicht kommt. (Abg. Marizzi: Aber es kommen wieder Wahlen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist tatsächlich absurdes Theater!

Frau Kollegin Steibl, Sie haben, und das ist der zweite Teil, die Witwenpensionen geschildert. Es gäbe noch vieles zu sagen, Sie haben aber trotzdem wieder nur eines geschafft, nämlich die litaneiartige Aufzählung dessen (Zwischenruf der Abg. Steibl), was Sie im Bereich der Pensionen jetzt durch die Pensionsreform 2003 erreicht haben. Sie haben die Probleme wieder nicht erwähnt, sehr wohl aber versucht, den Fokus darauf zu richten, dass es über 400 000 Witwer- und Witwenpensionen, und davon die meisten Frauen, gibt.

Reden wir einmal darüber, dass es eigentlich eines modernen Pensionswesens, eines modernen Staatswesens und eines modernen Sozialversicherungswesens unwürdig ist, wenn Frauen, die sehr viel an Arbeit – wenn auch nicht unbedingt an Erwerbs­arbeit, sondern das Gros der Arbeit außerhalb der Erwerbsarbeit – leisten, keine eigen­ständige Alterssicherung haben. (Abg. Steibl: ... Mütterpension!) Und damit meine ich nicht nur die Belohnung fürs Kinderkriegen, denn es gibt auch Frauenarbeit jenseits des Kinderkriegens. Und wir sollten auch nicht die Anzahl der Kinder als Maßstab für die Pensionshöhe hernehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Reden wir darüber, dass es ein modernes Sozialversicherungswesen durchaus vertra­gen könnte (Abg. Steibl: ...! Dann müssen die Väter genauso in Teilzeit gehen!), jedem, der ein bestimmtes Alter erreicht hat, eine eigenständige Alterssicherung bezie­hungsweise Grundsicherung zu geben! Reden wir auch darüber, dass Pensions­splitting durchaus notwendig und möglich ist, aber ein Pensionssplitting einer Sozial­versicherungspension nur dann einen Sinn macht, wenn es einen entsprechenden Sockel gibt, sonst stürzen unter Umständen bei den niedrigen Pensionen, die viele in Österreich erhalten, beide in die Armut oder in die Ausgleichszulage!

Reden wir darüber, was für ein modernes Pensions- und Sozialversicherungswesen in Österreich notwendig wäre! Aber bitte kommen Sie nicht damit – Sie haben es nur bedingt versucht, das will ich Ihnen anrechnen, Frau Kollegin Steibl –, dass die bestehende Vorlage eine gute Reparatur dessen ist, was eigentlich von Ihnen wieder einmal schlecht geliefert worden war, nämlich eine Reform bei den Witwen- und Waisenpensionen. Der Verfassungsgerichtshof hat sie aufgehoben, und jetzt müssen Sie das reparieren.

Und Sie schleudern – so wie die Regierungskoalition beisammen ist, fast schon „natur­notwendig“, könnte man sagen – in die nächste Reparatursituation hinein, denn dass diese von Ihnen vorgeschlagene Reform bei den Witwenpensionen keine gute ist, das hat in der Begutachtung fast jeder beziehungsweise jede festgestellt. (Abg. Steibl: Nein, das stimmt nicht! Man kann es lesen, wie man will!) – Da müssen Sie schon weit oder ganz tief ins schwarze Kernland beziehungsweise in die schwarzen Kern-


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organisationen hineingehen, um jemanden zu finden, der ein gutes Haar an diesem Entwurf lässt!

Es ist kein guter Entwurf! Und es ist vor allem angesichts des Umstandes, dass wir vor einer Harmonisierung der Pensionssysteme stehen, bei der das dann wiederum nicht zur Debatte stehen wird, weil es ja jetzt repariert worden ist, keine gute Perspektive für all das, was im Sozialversicherungswesen momentan an Reformen tatsächlich notwendig wäre.

Herr Staatssekretär Waneck, der vorhin ganz verzweifelt in den FPÖ-Redeunterlagen geblättert hat, damit er eine ergänzende Argumentation zu seinem schriftlichen Text findet, wird sich schwer tun in dieser Debatte, die notwendig wäre – führen wir sie doch, Frau Kollegin Steibl! –, in dieser Debatte darüber, wo das Pensionssystem für Frauen, aber auch insgesamt, sozusagen noch Lücken aufweist. Diese Debatte hier zu führen, das wäre notwendig gewesen. Und das wäre ein Anlass gewesen. Aber es ist einmal mehr versäumt worden.

Das betrifft aber nicht nur die Witwen- und Witwerpensionen, sondern leider auch das, was Sie noch immer nicht gesagt haben, nämlich eine öffentliche Erklärung darüber, warum es jetzt überhaupt nichts zum Thema Chefarztpflicht beziehungsweise zum Thema Anhebung der Krankenversicherungsbeiträge der Bauern gibt.

Ich würde mir wünschen, dass die Regierung ein bisschen offener, zumindest hier – wenn es schon zu spät ist und wenn es schon sichtbar ist, was die Gründe sind –, mit uns darüber redet. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Steibl: Lassen Sie sich überraschen!)

18.36

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Walch zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. (Abg. Dr. Cap – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Walch –: „Traumteam“ habe ich gelesen! Traumteam! Dreamteam! Mit Walch!)

 


18.37

Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich gratuliere Ihnen zur Wahl! – Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Zu Kollegin Lapp und zum Kollegen Öllinger möchte ich nur sagen: Es stimmt schon, dass dieser Antrag nicht gekommen ist. Man arbeitet öfters an etwas, aber ihr stimmt ja sowieso nicht zu. Es spielt keinen Walzer, ob er da ist oder nicht. Bei Verbesserungen habt ihr noch nie zugestimmt. (Heiterkeit und Beifall bei den Frei­heitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Und jetzt ist es wieder so. Bei dieser Reparatur, dieser Aufhebung vom Verfassungs­gerichtshof wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, sind wir, obwohl der Hauptverband und die Arbeiterkammer einbezogen worden sind und einen Vorschlag für eine Neuberechnung gemacht haben, mit der womöglich auch WitwenpensionistIn­nen weniger Geld bekommen hätten, nicht diesen Weg gegangen. (Abg. Silhavy: Das stimmt ja nicht!) Daher haben wir ein neues Modell ... (Abg. Silhavy: Das gleiche Pensionsmodell ...! Mit Übergangsbestimmungen!) – Frau Kollegin! Bitte hören Sie ein bisschen zu! (Abg. Silhavy: Ich habe das gelesen! Im Gegensatz zu Ihnen!)

Wir haben ein neues Modell und gesagt: Wir lassen es gleich, wir berechnen die letzten zwei Jahre. Wir legen eine Schutzgrenze von 1 503 € – ich glaube, es ist gut, damit diese so viel bekommen, damit sie auch ein entsprechendes Einkommen haben, denn das sind wir schuldig – und eine Obergrenze von 6 900 € fest. (Abgeordnete der Freiheitlichen und der ÖVP sprechen miteinander über ein Dokument. – Abg. Öllinger:


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Ich glaube, der Antrag kommt noch!) Und das lässt sich die Regierung 3 Millionen € kosten!

Daran sieht man: Reparaturen mit Verbesserungen! Durch die Reparatur mit FPÖ-ÖVP-Regierungsmaßnahmen gibt es teilweise mehr Geld für die Hinterbliebenen, und daher würde ich auch Kollegen Öllinger ersuchen, dieser Vorlage zuzustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.39

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­ministerin Rauch-Kallat. Ich erteile es ihr.

 


18.39

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Präsiden­tin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich darf vielleicht auch als Frauenministerin meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, dass die Witwenpensionen nach dem Befolgen des Verfassungsgerichtshofsurteils in dieser heute vorliegenden Reparatur einer Verbesserung zugeführt werden, die, wie Herr Abgeordneter Walch gerade gesagt hat, die Regierung 3 Millionen € kosten wird beziehungsweise das Budget mit 3 Millionen € belasten und damit natürlich gerade für die Hinterbliebenen eine wesentliche Verbesserung ihrer persönlichen Einkommenssituation sein wird.

Lassen Sie mich ganz kurz – im Detail hat ohnehin Herr Staatssekretär Waneck schon dazu Stellung genommen – etwas zu der Diskussion, die hier virtuell abgeführt wurde über einen Abänderungsantrag, der nicht eingebracht wurde, sagen. Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen – und das hat Herr Abgeordneter Tancsits in seiner Wortmeldung sehr deutlich gesagt –, dass die Regierungsfraktionen im Ausschuss gebeten haben, einen neuerlichen Ausschusstermin festzusetzen, um die Möglichkeit zu haben, einen sehr umfassenden Abänderungsantrag bis Freitag, 15 Uhr übergeben zu können.

Dieser Vorschlag hat keine Zustimmung gefunden. Das heißt, es war keine ... (Abg. Silhavy: Stimmt nicht! Sie konnten nicht garantieren, dass es ihn überhaupt geben würde!) – Nein, im Ausschuss – ich kann mich noch sehr genau erinnern – war prinzipiell klar, dass die Opposition nicht bereit ist, eine zusätzliche Ausschuss-Sitzung am Montag durchzuführen. (Abg. Heinisch-Hosek: Oh ja!) Gut. Ich habe das nicht so verstanden.

Es wäre natürlich nicht sehr einfach gewesen und wahrscheinlich auf heftige Kritik Ihrerseits gestoßen, hätte man ohne Beratung im Ausschuss einen derart umfas­senden Abänderungsantrag in zweiter Lesung beschlossen. Dieser umfassende Abän­derungsantrag, in dem die Chefarztpflicht-neu enthalten war, aber auch noch andere Bereiche, etwa das Heilmittelpaket, Präzisierungen in diesem Bereich, aber auch eine wichtige Maßnahme zur Konsolidierung der Bauernkrankenkasse, wurde Ihnen daher – alles andere hätten Sie wahrscheinlich hier wesentlich angekreidet –informell über­geben, damit Sie sich auch damit auseinander setzen können.

Lassen Sie mich aber ganz kurz zu diesem Abänderungsantrag, nur die Chefarztpflicht betreffend, etwas sagen. Wenn Sie sich den Antrag ansehen, Herr Abgeordneter Öllinger, werden Sie erkennen, dass von dem Modell, das wir in der Öffentlichkeit diskutiert haben, nichts im Abänderungsantrag steht, sondern lediglich eine Ermäch­tigung an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen enthalten ist, eine derartige Verordnung zu erlassen. Diese Verordnungsermächtigung liegt derzeit beim Haupt­verband.

Wir haben uns auch sehr bemüht, die festgefahrenen Verhandlungen der Selbst­verwaltung zwischen Hauptverband und Ärztekammer wieder flottzumachen. Wir


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wären auch fast zu einer Einigung dieser beiden Verhandlungspartner gekommen, hätte es nicht eine klare Ablehnung des Vertreters des Hauptverbandes für das von Ihnen als durchaus vernünftig beschriebene Modell gegeben.

Da es keine Einigung gegeben hat bis zu dem Zeitpunkt, den ich gesetzt habe – dieser war so angesetzt, dass das sozusagen noch rechtzeitig in diesen Abänderungsantrag hineingekommen wäre –, habe ich gesagt: Unter diesen Umständen werden wir eine Verordnungsermächtigung für das Gesundheitsministerium vorsehen, und zwar nach dem Subsidiaritätsprinzip, das heißt, dass, wenn eine derartige Verordnung durch eine Einigung zwischen Hauptverband und Ärztekammer abgelöst würde, diese den Vorzug haben würde. – Genauso lautet das.

Selbstverständlich, Herr Abgeordneter Öllinger, werde ich diese Verordnung, wenn das in einem Sozialversicherungs-Änderungsgesetz beschlossen ist, in die Begutachtung schicken und selbstverständlich auch in dieser Begutachtungsphase gerne diskutieren, um sie dann zu erlassen. Noch ist Zeit. Es ist kein Malheur, wenn das heute nicht in einem Gesamtantrag enthalten ist. Daher habe ich auch nicht darauf gedrängt, dass dieser Bereich jetzt unmittelbar wieder herausgelöst werden muss. Sie müssen sich anschauen, wie kompliziert derartige Abänderungsanträge beziehungsweise Sozial­versicherungs-Änderungsgesetz-Novellen sind. (Abg. Öllinger: Das wissen wir!) Das ist der Grund – Sie werden mir hier zustimmen können. Ich bitte um Verständnis.

Wir werden selbstverständlich an der Chefarztpflicht-neu festhalten, denn ich denke, die österreichischen Versicherten haben es sich verdient, dass sie nicht mehr schikaniert werden von einer Maßnahme, die sie als Schikane empfinden: dass sie nämlich mit einem Rezept, das ihnen ihr verantwortungsvoller Hausarzt oder Facharzt verschrieben hat, zu einer Stelle gehen müssen, wo sie nicht einmal begutachtet werden oder, wenn begutachtet, möglicherweise von einem Facharzt, der gar nicht in dem entsprechenden Fachgebiet ausgebildet ist und dem daher die Beurteilung auch relativ schwer fällt, und im schlimmsten Fall – oder im besten Fall, je nachdem, wie man das sieht – von der Sekretärin den Stempel bekommen.

Wir wollen eine strenge Indikationenlösung, eine sehr klare Kontrolle der Chefärzte, eine hohe Verantwortung der niedergelassenen Ärzte in der Verschreibungspraxis mit entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten, wenn diese Verantwortung nicht in dem Maße wahrgenommen wird, wie es zu erwarten ist, und eine strenge Kontrolle der Einhaltung dieser Indikationenlösung durch die Chefärzte der Krankenkassen bei den jeweils niedergelassenen Ärzten.

Ich denke, dass das ein sinnvolles Modell ist. Wir haben diesbezüglich auch mit der Ärztekammer sehr hohe Übereinstimmung finden können, auch mit Vertretern der Sozialversicherungen. Ich denke, wenn diese Verordnungsermächtigung an das Bun­desministerium für Gesundheit und Frauen geht, dann könnten wir eine derartige Verordnung auch in großem Einvernehmen beschließen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.45

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Silhavy zu Wort gemeldet. Ich mache auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam: 2 Minuten Redezeit, beginnend mit der Wiedergabe des zu berichtigenden Sachverhaltes, anschließend Gegendarstellung.

 


18.46

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin Rauch-Kallat hat soeben in ihren Ausführungen behauptet, die Oppositionsparteien


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hätten eine Ausschuss-Sitzung am Montag nicht ermöglicht. – Diese Behauptung ist falsch!

Wir haben angeboten, am Montag für 16 Uhr eine weitere Sozialausschuss-Sitzung mit ausschließlich einem Tagesordnungspunkt, nämlich der Regierungsvorlage 469 der Beilagen, anzuberaumen. Wir haben uns weiters dazu bereit erklärt, diese Sitzung auch noch am selben Tag zu Ende zu führen, damit eine Beratung hier und heute im Parlament möglich gewesen wäre.

Unsere Voraussetzung war, dass die Regierungsfraktionen uns bis Freitag, 15 Uhr – damit die Parlamentsdirektion auch noch die Möglichkeit hat, eine Ausschuss-Sitzung ordnungsgemäß einzuberufen – diesen Abänderungsantrag zur Verfügung stellen. Die Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien, namentlich Kollege Tancsits und Kollege Dolinschek, konnten das nicht sicherstellen, und daher ist eine weitere Ausschuss-Sitzung nicht zustande gekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.47

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Ab­geordnete Heinisch-Hosek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


18.47

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Mitglieder der Bun­desregierung! Ich glaube, in dieser Debatte darf einfach nicht unerwähnt bleiben, wie sorglos bei der Sozialgesetzgebung der Umgang Ihrerseits mit Anträgen von der Opposition ist. (Zwischenruf der Abg. Steibl.) Für mich, Frau Kollegin Steibl, heißt das auch: sorgloser Umgang mit den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger, mit denen sich die Oppositionsanträge, sowohl unsere als auch die der Grünen, beschäftigt haben.

Ich erinnere Sie nur an Folgendes, und das ist wirklich zu kritisieren, Frau Kollegin Steibl: Da gibt es wochenlang, monatelang keinen Termin für eine Sozialausschuss-Sitzung, und dann setzen Sie sie unmittelbar hintereinander an (Abg. Steibl: Das ist bei der SPÖ gelegen!) – das ist an Ihnen gescheitert, nicht an uns, das wissen Sie genauso gut wie ich (Abg. Steibl: Sie haben nicht zugestimmt!) –, mit dem Effekt – und jetzt kommts –, dass wieder einmal mehr als zwei Drittel der Tagesordnungspunkte nicht im Plenum diskutiert werden können, weil sie im Vorfeld vertagt wurden.

Das heißt, wir können heute nicht darüber reden, dass Sie eventuell auch Anträge von uns abgelehnt hätten. Es ging um wirklich wichtige Dinge, wie zum Beispiel um Vorschläge für Verbesserungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Bereich Nacht- und Schwerarbeit. Es ging in den Anträgen um Verbesserungen beispielsweise im Bereich des Kinderbetreuungsgeldes, mit dem nachgewiesenermaßen die jungen Frauen selbst nicht zufrieden sind, so etwa um vorhandene Arbeitshemmnisse nach dem Wiedereinstieg, der oft nicht einmal gewährleistet ist. Es ging um Verbesserungen für junge Leute, die keine Arbeit haben. Es ging um ein Lehrlingspaket der SPÖ. – Das alles ist vertagt worden.

Es ging auch um Maßnahmen zur Lückenschließung in der Arbeitslosenversicherung – ein ganz wichtiger Beitrag für atypisch beschäftigte Menschen, aber auch für freie DienstnehmerInnen und deren Absicherung in der Arbeitslosenversicherung, den wir hätten leisten können.

Der vorliegende Entwurf, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat weder auf die Vorschläge der Pensionsversicherungsträger noch auf die des Hauptverbandes Rück­sicht genommen. Das Teilpensions-Modell beispielsweise, das empfohlen war, ist nicht einmal in Erwägung gezogen worden.

Ein Satz im Besonderen Teil in den Erläuterungen ist mir besonders wichtig, und den möchte ich Ihnen zur Kenntnis bringen: „Mit der vorgeschlagenen Neuregelung wird


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dem oben zitierten Erkenntnis des VfGH Rechnung getragen“ – das wird sich erst weisen, ob das so ist, meine Damen und Herren –, „wobei jedoch festgehalten werden muss, dass eine weitergehende Neugestaltung dieses Rechtsbereiches im Rahmen der Harmonisierung der Pensionssysteme“ – und die folgende Klammersetzung ist mir so wichtig – „(,Eigenständige Alterssicherung für Frauen‘) angestrebt wird.“

Leider hat sich die Frauenministerin schon zu Wort gemeldet, hat aber über eigen­ständige Alterssicherung von Frauen kein einziges Wort – leider, leider! – verloren.

Sie wissen genauso gut wie ich, dass gerade ältere Arbeitnehmerinnen besonders oft von Arbeitslosigkeit betroffen sind! Enorm verschärfend für diese Personengruppe ist zusätzlich noch die Abschaffung der vorzeitigen Alterspension, weil die Anrechnung des Partnereinkommens bedeutet – eben durch die Pensionsreform 2003, die so viele Verschlechterungen für Frauen mit sich gebracht hat –, dass viele ältere Frauen, die arbeitslos sind, ohne jegliche öffentliche Unterstützung dastehen! Und da muss man schon die Frage stellen, wie und ob für diese Frauen der Lebensstandard an ihrem Lebensabend gesichert ist.

Diese Frauen müssen durch Ihre Pensionsreform enorme Pensionsverluste hinneh­men! Um diese Verluste auszugleichen, muss man nicht irgendwelche pensions­begründenden Zeiten als „Meilensteine“ verkaufen, weil das ohnehin erst in Jahrzehn­ten der Fall sein wird, weil das eben nur für Geburten nach dem 1. Jänner 2002 gilt.

Meine Damen und Herren! Die jetzt jungen Frauen werden vielleicht einmal – wir hören ja dazu von Ihnen von den Koalitionsparteien überhaupt keine Vorschläge im Zusammenhang mit der Pensionsharmonisierung – irgendeine Minimalregelung haben. Und wer weiß, ob diese überhaupt bleibt! (Abg. Steibl: Dann fragen Sie Verzetnitsch!) Und so gehts weiter, Kollegin Steibl, aber nicht im Sinne der Frauen!

Wir von der SPÖ haben dazu Vorschläge gemacht, weil uns die Lebensstandard­sicherung von Frauen wirklich viel wert ist. – Was Ihnen von ÖVP und FPÖ diese wert ist, das wird sich erst weisen! (Beifall bei der SPÖ.)

18.52

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Scheucher-Pichler. Angegebene Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


18.52

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Frau Präsidentin! Auch ich darf Ihnen sehr herzlich gratulieren und Ihnen alles Gute für Ihre Arbeit wünschen! – Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! An meine Vorrednerin: Ich glaube, es bringt uns nicht wirklich weiter, ewig darüber herumzudiskutieren, warum diese oder jene Sitzung damals nicht stattgefunden hat. (Abg. Heinisch-Hosek: Es geht um die Frauen, Frau Kollegin!)

Ja, es geht um die Frauen, genau um die geht es uns – und deswegen wollten wir nicht, dass der Tagesordnungspunkt Reparatur der Hinterbliebenen-Regelung bei der letzten Sitzung abgesetzt wird. Sie wollten das jedoch und haben gesagt, dieser Tagesordnungspunkt möge abgesetzt werden (Abg. Heinisch-Hosek: Was? Das ist ja nicht wahr!) – und damit wäre es zu einer Verzögerung gekommen, was wir jedoch nicht wollen!

Herr Mag. Tancsits als Fraktionssprecher hat sich wirklich sehr bemüht, da einen Konsens zu finden, und ich betone: Wir wollen auch weiterhin Konsens! Wir wollen diese Verbesserungen, wir wollen all das, was in den Abänderungsanträgen diskutiert wird, und wir stehen auch dazu, diese Diskussionen zu führen. (Abg. Silhavy: Sie kennen sich in der Geschäftsordnung nicht aus! Das ist das Problem!)


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Sie von der SPÖ wollten, dass dieser Tagesordnungspunkt abgesetzt wird; damit wäre es eben zu einer Verzögerung gekommen! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Tatsache ist, Frau Kollegin: Mit 1. Juli 2004 tritt diese Aufhebung in Kraft. Nochmals: Wir wollen, dass es heute zu dieser Reparatur kommt. Ja, wir stehen dazu, das hat auch Frau Bundesministerin Rauch-Kallat gesagt. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes dazu ist eben so – und wir setzen daher heute den richtigen Schritt, eine neue Berechnungsweise der Bemessung zu beschließen. Und das ist, wie ich meine, gut und richtig so. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Tatsache ist also, dass es damit zu einer Sanierung kommt, dass damit die Einkom­menssituation zur Zeit des Todes widergespiegelt wird. Das ist richtig und gut so, denn durch die Heranziehung des Einkommens der letzten zwei Kalenderjahre vor dem Todeszeitpunkt soll die Versorgungslage zum Todeszeitpunkt besser wiedergegeben werden. – Das ging ja auch klar aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes hervor. Und das wird jetzt eben repariert.

Meine Damen und Herren! Maßgebend für die Höhe der Witwen- beziehungsweise Witwerpension soll in Hinkunft die Relation des Einkommens des verstorbenen und des überlebenden Ehepartners sein; die Pensionsberechnungsformel bleibt aber unverändert. Der Grundsatz der Versorgung wird gleich gelassen, wobei es weiterhin eine untere Schutzgrenze für Hinterbliebene mit geringem Einkommen sowie eine Leistungsobergrenze bei hohem Einkommen geben soll. Bei gleicher Berechnungs­grundlage soll die Witwen- beziehungsweise Witwerpension weiterhin 40 Prozent betragen.

Es handelt sich dabei also um eine ganz seriöse Sanierung. Dass wir weitere Ver­besserungen wollen, auch diese EDV-mäßige Erfassung, von der ja bereits ge­sprochen wurde, sowie das, worüber in vergangenen Sitzungen hier diskutiert wurde, dazu stehen wir. – Nochmals: Gerade Herr Abgeordneter Mag. Tancsits hat sich wirklich sehr bemüht, da einen Konsens zwischen den Fraktionen herbei­zufüh­ren – und wird das sicherlich auch weiterhin tun; dazu stehen wir.

Da Sie von der SPÖ meinten, dass für Frauen nichts getan worden sei, darf ich schon darauf hinweisen, dass gerade in dieser Legislaturperiode für Frauen sehr, sehr viel gemacht wurde. Jene Anträge, die Sie in der letzten Ausschuss-Sitzung diskutieren wollten, sind doch bitte Anträge, die schon zum Teil umgesetzt wurden. Ich verweise in diesem Zusammenhang nur auf Folgendes: Elternteilzeit, Verbesserungen beim Kinderbetreuungsgeld, wie Wegfall der Zuverdienstgrenze et cetera.

Sie von der SPÖ tun jedoch heute so, als wären 24 Monate Pensionsbegründung für Kindererziehungszeiten nichts! Sie hätten das doch alles vorher machen können, haben da jedoch nichts getan! Weiters verweise ich auf längere Ersatzzeiten. – Alles ganz wichtige Verbesserungen gerade auch für Frauen!

Auch da vertraue ich unserer Bundesministerin Maria Rauch-Kallat, die gerade bei der Pensionsharmonisierung darauf achten wird, dass die Frauen nicht zu kurz kommen. Wir brauchen gut ausgebildete Frauen, wir brauchen Frauen, die gute Berufschancen haben, denn dann werden sie auch eine gute Pension bekommen. Wir stehen aber auch dazu, dass Beruf und Familie vereinbar sein sollen, dass es wichtig ist, beides unter einen Hut zu bringen. Junge Frauen und Familien möchten sich nicht für Familie oder Beruf entscheiden, sondern wollen beides! Und das ist unser Zugang zu einer guten Frauen- und Familienpolitik! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.56

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Lackner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 



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18.56

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Ich werde mich jetzt nicht sehr lange mit der Regierungsvorlage zur Neuordnung der Witwenpension auf­halten, denn darüber hat ja meine Kollegin Silhavy ausführlich gesprochen und auch begründet, warum wir von der SPÖ dieser Regierungsvorlage nicht zustimmen werden.

Frau Kollegin Steibl, ich verstehe schon: Wenn man so kleine Erfolge hat, dann sollte man sie feiern: gerade auch in Anbetracht dessen, dass sich die Regierungskoalition von ÖVP und FPÖ momentan ohnehin nicht gerade in ausgezeichneter Verfassung befindet. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Meine Damen und Herren, ich verstehe schon, dass Sie daher gerade darüber so ausführlich reden möchten. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Aber, Frau Kollegin Steibl – Ihre Kollegin Scheucher-Pichler hat ja bereits das Stich­wort „Pensionsharmonisierung“ angesprochen –, ich bin schon verwundert darüber, dass die Regierungsparteien, die vergangenes Jahr, und zwar am 11. Juni 2003, einen Entschließungsantrag eingebracht haben, in dem die Regierung aufgefordert wurde, bis Ende 2003 ein Gesetz vorzulegen, das diesen Ansprüchen gerecht wird, hier herinnen sitzen und überhaupt nichts dergleichen tun, dass eben in diese Richtung ... (Abg. Neugebauer: Aber der Kollege Verzetnitsch informiert Sie über diese Ge­spräche!) – Sind Sie der Gesetzgeber oder Kollege Verzetnitsch? (Abg. Neugebauer: Das sind Sozialpartnerverhandlungen!) Ich weiß nicht, Herr Neugebauer, Sie kennen sich offensichtlich nicht so richtig aus! Sie sind der Gesetzgeber, Herr Kollege Neu­gebauer! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Neugebauer. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Faktum ist, Herr Kollege Neugebauer: Sie von den Koalitionsparteien sind säumig! Sie bringen nichts mehr auf die Reihe, Herr Kollege! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Dem ist so – und da können Sie reden, so lange Sie wollen: Das wird der Wähler nicht goutieren, Herr Kollege Neugebauer, und er wird Sie auch bei den nächsten Wahlen abstrafen! Und das ist richtig! Sie, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, werden alsbald auf den Oppositionsbänken Platz nehmen müssen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Herr Staatssekretär Waneck, ich bin schon einigermaßen erstaunt – und ich bin wirklich nicht sehr schnell aus der Fassung zu bringen –: Uns von der SPÖ wurde am Montag ein Abänderungsantrag übermittelt, in dem die Sanierung der Bauern-Kranken­versicherung sozusagen als dringlich befunden wird. Kollege Donabauer – ich weiß nicht, ob er jetzt gerade hier im Saal ist – wird mir sicherlich zustimmen, dass da in der Tat großer Handlungsbedarf gegeben ist. Ich meine, dass dort bei einem Schul­denstand von zirka 200 Millionen € und bei der Krankenversicherung von 93,1 Mil­lionen € dringender Handlungsbedarf gegeben ist.

Herr Kollege Donabauer, es würde mich schon interessieren – Sie sind ja einer der Redner nach mir –, was sich da seit diesem Montag geändert hat, sodass diese Dring­lichkeit, die offensichtlich am Montag noch gegeben war, heute plötzlich nicht mehr gegeben ist. Gibt es da Ihrer Ansicht nach doch keinen Handlungsbedarf mehr? Oder haben Sie vielleicht größere Probleme mit Ihrem Koalitionspartner FPÖ? Ich hätte schon gerne gewusst, was Sie in dieser Sache zu tun gedenken. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Frau Bundesministerin, Sie haben mir dankenswerterweise ein Schreiben übermittelt, in dem Sie Stellung beziehen zu einer Neuregelung der Bewilligung und Kontrolle von chefärztlichen Arzneimittelspezialitäten. Auch da, Frau Bundesministerin, war am Montag beziehungsweise vergangene Woche noch Dringlichkeit gegeben. Sie, Frau Bundesministerin, haben ja selbst gesagt, dass man jetzt sehr rasch handeln müsse, um die Versicherten von dieser lästigen Chefarztpflicht zu befreien.

Ich kenne das ganze Procedere bereits aus dem Vorjahr, nämlich dem Dezem­ber 2003. Auch damals wurde von den Regierungsfraktionen genau dieser Punkt abgefeiert. Bis zum heutigen Tage, meine Damen und Herren, gibt es allerdings die Chefarztpflicht immer noch, die Versicherten müssen nach wie vor zum Chefarzt gehen.

Ich hätte schon gerne gewusst, wie es jetzt in Wirklichkeit weitergeht, denn ich glaube, es kann doch nicht im Interesse der Versicherten sein, dass wir diese ungute Situation prolongieren. Ich hoffe, dass wir demnächst einen Abänderungsantrag oder eine Regierungsvorlage zu Gesicht bekommen, die diesen Ansprüchen gerecht wird und wo wir endlich das leidige Thema Chefarztpflicht einer Erledigung zuführen können. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

19.01

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Marek. – Bitte.

 


19.01

Abgeordnete Christine Marek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Von den Hinterbliebenen­pensionen sind in den allermeisten Fällen Frauen betroffen, deren Versorgungslage mit dem vorliegenden Gesetz gesichert wird. Ich bin der Überzeugung, dass die letzten beiden Jahre vor dem Tod des Partners als Beobachtungszeitraum für die Ermittlung des zu haltenden Lebensstandards durchaus ausreichend sind.

Zu dem Vorwurf der Opposition, dass es damit zu besonderen Härtefällen kommen könnte, wenn der Partner etwa längere Zeit vor dem Ableben langzeitarbeitslos oder Sozialhilfeempfänger war, möchte ich auf die untere Schutzgrenze von 1 503 € hinweisen. Damit werden nämlich genau diese Härtefälle verhindert.

Übrigens wird damit – meine Kollegin Ridi Steibl hat bereits darauf hingewiesen – einer der Vorschläge umgesetzt, der von einer Arbeitsgruppe erarbeitet wurde, in der neben den Sozialpartnern auch Vertreter des Hauptverbandes sowie des betroffenen Minis­teriums und des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes waren.

Auch wenn wir hier nur das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes umsetzen, meine Damen und Herren, bekennen wir uns doch ganz klar zur Notwendigkeit der Verbesserung der Situation von Frauen insbesondere im Bereich der Alterssicherung. Im vorliegenden Gesetz findet sich daher auch in den Erläuterungen – Frau Kollegin Heinisch-Hosek hat ja dankenswerterweise gerade darauf hingewiesen – das klare Ziel zur eigenständigen Alterssicherung für Frauen, welches im Zuge der Pensions­harmonisierung erreicht werden soll. Herr Kollege Öllinger, damit bekennen wir uns dazu, dass wir auch die Verhandlungen darüber führen werden, dass Frauen im Alter ein eigenständiges Auskommen haben und wie das funktionieren kann. Herr Kollege, Sie wissen allerdings auch ganz genau, dass die große offene Frage dabei die Frage der Finanzierung ist.

Sie, Frau Kollegin Heinisch-Hosek, wissen sehr wohl, dass die Verhandlungen über die Pensionsharmonisierung derzeit auf Sozialpartnerebene laufen. Und jetzt müssen Sie mir erklären, was Sie wollen. Sie kritisieren einerseits, dass wir angeblich keine


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Vorschläge zur Harmonisierung haben, und andererseits, dass wir auch mit den Sozial­partnern zu wenig reden. Jetzt verhandeln wir mit den Sozialpartnern, und es passt Ihnen auch nicht.

Einen Teil der auch von Ihnen für die Harmonisierung geforderten Teile für die Pension haben wir bereits berücksichtigt. Dies wurde bereits mehrfach gesagt. So wie diese Bun­desregierung nämlich die Leistungen von Frauen in der Familie für die Pension berücksichtigt hat, ist dies keiner Regierung vorher gelungen. Das war aber offen­sichtlich auch eine Frage der Prioritäten. Damit sind erste große, wichtige Schritte für die Frauen gesetzt. In diesem Sinn werden wir auch weiterhin die notwendigen Maßnahmen für eine eigenständige Altersabsicherung für die Frauen setzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.04

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Donabauer. Ich erteile es ihm.

 


19.04

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsident! Frau Bundes­minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wenn die Sozialdemokratie auch 30 Jahre lang den Sozialminister gestellt und in vielen Be­reichen gut gearbeitet hat – keine Frage –, muss man doch sagen, dass noch eine Menge Arbeit übriggeblieben ist und dass sie uns einige heiße Kartoffeln übergeben hat, an denen wir hart zu arbeiten haben.

Manchmal frage ich mich schon, wie Ihr Zugang zur Sozialpolitik heute ist. Wenn ich mir die Diskussion hier anhöre und an die Debatte im Sozialausschuss denke, dann, muss ich sagen, habe ich doch leichte Sorgen.

Zum Ersten: Wer dieser Regierungsvorlage bezüglich der Regelung der Hinterblie­benenpensionen nicht zustimmen kann oder nicht zustimmen will, der verkennt in Wahrheit das Ziel dieses Gesetzeswerkes. Ich denke, dass es dadurch zu einer Verbesserung nicht nur für die Frauen, sondern grundsätzlich für die Hinterbliebenen kommt, also etwas Positives, dass wir den Berechnungszeitraum auf zwei Jahre ausdehnen und somit den Lebensstandard sichern. Was ist da bitte fraglich?

Wenn im Sozialausschuss eine Stunde lang über die administrativen Teile dieses Gesetzeswerkes diskutiert wurde, dann darf ich Ihnen sagen, es handelt sich um jene Einkommensbestandteile, die auch heute schon bei Inanspruchnahme der Hinter­bliebenenpension erhoben werden müssen und Teil des Bewilligungsverfahrens sind. Sie sagen somit: Auch eine gute Vorlage kann unsere Zustimmung nicht finden, weil wir einfach den Gesetzeswerken dieser Regierung nicht zustimmen wollen. – Das ist keine Sozialpolitik! Davor muss man wirklich warnen. Das muss man auch öffentlich sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben im Sozialausschuss den Bericht der Arbeitsinspektion diskutiert. Da ist unter anderem eine Ausweitung der Berufskrankheitenliste gefordert worden – etwas, was Abgeordneter Öllinger, seit ich ihn kenne, immer wieder mit entsprechender Beharr­lichkeit fordert. Jetzt hat es auch die Sozialdemokratie eingefordert. Sie hätten es schon machen können! Sie hätten ja 30 Jahre Zeit gehabt. Aber, bitte, es ist ja nicht gekommen. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Was mich ärgert, ist, dass Herr Vizepräsident Driemer, der nicht bei der Sitzung war und somit auch nicht weiß, was Inhalt der Diskussion war, plötzlich in einer Aus­sendung feststellt, dass dieser Bundesregierung bestehend aus ÖVP und FPÖ die kranken Leute nichts wert sind und sie die Gesundheitspolitik nicht interessiert und vieles mehr. – Richten Sie dem Herrn Driemer liebe Grüße aus! Er soll sich bei solchen


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Aussagen wirklich zurücknehmen. Die bringen in Wahrheit überhaupt nichts. Der Bericht der Arbeitsinspektion ist so tadellos, ist so herzeigbar, dass man dem Minis­terium wirklich ein Kompliment machen kann und dass wir sagen können, dass die Sozialpolitik in Österreich in Ordnung ist. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

In der Vergangenheit war es so, dass Sie, wenn Sie Berichte vorgelegt haben, immer verlangt haben, dass sie gelobt werden. Wir dürfen sie auch loben, das ist unser gutes Recht.

Und ein Letztes: Wenn heute mehrmals der Abänderungsantrag eingefordert wurde, dann verstehe ich es. Ich verstehe zwar nicht, dass dazu schon eine Generaldebatte eröffnet worden ist. Sie werden aber die Möglichkeit haben, sich in der nächsten Zeit damit zu beschäftigen. Das können wir Ihnen versichern.

Wenn Frau Kollegin Silhavy meint, dass das ein singulärer Prozess einer Berufsgruppe ist, dann darf ich Ihnen schon auch sagen, das ist kein singulärer Prozess einer Berufs­gruppe, sondern das ist ein wohlüberdachtes Konzept für die gesamte Sozial­versicherung und deren Finanzierungssicherheit in Zukunft. Das alles ist nur deshalb notwendig geworden, weil Sie in der Vergangenheit das Problem nicht lösen konnten und weil der Verfassungsgerichtshof auf Grund von Beschwerden im Hinblick auf gewisse Mängel ein gutes Werk des Ausgleichsfonds aufgehoben hat, was wir zu respektieren haben. Wir haben auf Grund dieser Tatsache für eine Neuausrichtung zu sorgen. Wir werden in den nächsten Tagen einen Vorschlag vorlegen, und ich hoffe, dass wir dann Ihre Zustimmung finden werden. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

19.08

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe die Debatte.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Dies ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 469 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehr­heit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung mit Stimmenmehrheit ange­nommen.

5. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (456 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanz­konglo­merats (Finanzkonglomerategesetz – FKG) erlassen wird sowie das Ver­sicherungsaufsichtsgesetz, das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichts­gesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Börsegesetz und das Pensionskassengesetz geändert werden (520 d.B.)


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6. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (470 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Gebührengesetz 1957, das Bewertungsgesetz 1955, das Bodenschätzungsgesetz 1970 und das Abgabenverwaltungs­organisationsgesetz geändert werden (521 d.B.)

7. Punkt

Bericht und Antrag des Finanzausschusses über den Entwurf eines Bundes­gesetzes, mit dem das Gebührenanspruchsgesetz 1975 geändert wird (522 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 bis 7 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet. Ich eröffne damit die Debatte.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. Seine Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

 


19.11

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekre­tär! Hohes Haus! Zunächst möchte ich sagen, Frau Präsidentin, liebe Barbara, es ist angenehm, hier deinen Vorsitz zu erleben! Ich gratuliere auch noch einmal zur Wahl und freue mich auch auf deine Vorsitzführung!

Wenn wir schon bei den Nachträgen sind, dann möchte ich sagen, Kollege Donabauer hat mit einer gewissen Schönredung von Problemen geendet, die ernsthafte sind. Ich möchte mir als Nachtrag nur ganz kurz erlauben zu sagen: Ein Ausgleichsfonds als Lösung von Problemen der dauerhaften Finanzierung der Krankenversicherungsträger ist keine Lösung. In diesem Sinne brauchen wir ernsthafte Konzepte in diesem Bereich, und es ist keine Beschönigung der Probleme notwendig, die in diesem Bereich bestehen. Sie sollten mehr zur Lösung beitragen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Grillitsch: Kennen Sie das Konzept?)

Aber wir sind jetzt bei den Tagesordnungspunkten 5 bis 7. Ich beginne gleich mit dem ersten Teil, nämlich der Regelung der Finanzmarktaufsicht für den Bereich der Finanz­konglomerate, das heißt, gerade für jenen Bereich, wo es zu einer Vermischung ver­schiedener Formen von Finanzinstitutionen kommt. Es ist ein Bereich, meine Damen und Herren, dessen Regelungsbedarf dringlich ist. In Kontinentaleuropa ist die Situation leider so, muss ich sagen, dass es keine sehr strengen und klaren Rege­lungen hinsichtlich Trennung gibt: Dies ist eine Investmentbank, dies ist ein Versiche­rer, dies ist eine finanzierende Bank und jenes ist eine Depotbank. Eine klare Trennung in diesem Bereich, wie sie teilweise in den USA vorherrscht, würde dem Konsumenten mehr Sicherheit bringen. Er könnte sich darauf verlassen, dass nicht das Eigen­interesse zum Beispiel seiner Bank und ihres eigenen Nostroportfolios eine Rolle bei der Beratung spielen kann, die er für seine eigene Veranlagung bekommt.

Insofern ist es aber auch zu begrüßen, wenn wir jetzt hier bei der näheren Umsetzung der entsprechenden Bestimmungen auf europäischer Ebene die Finanzmarktaufsicht stärken, damit sie im Bereich der Finanzkonglomerate eine einheitliche Aufsicht führt, damit nicht Dinge passieren können, wie das in einem Bereich – der in die Ver­sicherungsaufsicht fallenden Tatbestände – der Fall ist. Diese sind dort vielleicht nicht im Prüfungsfeld und auch im Bereich der Bankenprüfung nicht enthalten, sodass es im Rahmen einer Gesamtprüfung unter Umständen zu der Situation kommt, dass Teile im Rahmen der bisherigen Aufsicht unbehandelt bleiben.


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Ich möchte bei diesem Punkt ankündigen, dass wir so wie im Finanzausschuss auch hier im Plenum diesem Teil, diesem Tagesordnungspunkt die Zustimmung erteilen werden; möchte aber die Gelegenheit nicht verstreichen lassen, die Diskussion zur Finanzmarktaufsicht, die wir im Ausschuss begonnen haben, fortzusetzen, auch zur Klarstellung der Haltung meiner Fraktion und, wie ich glaube, auch der anderen Fraktionen.

Punkt eins: Die gemeinsame Vorstellung bei Schaffung der Finanzmarktaufsicht war hohe Effizienz, das heißt eine mit möglichst geringen Kosten, Personaleinsatz und Sacheinsatz verbundene effiziente Form der Kontrolle, die Vorfälle, wie – ich kann sie ja nennen – Rieger Bank, Trigon Bank und BHI in Zukunft im Vorfeld verhindern hilft. Zweitens sollte es eine moderne Form sein, die nicht so sehr nach den, wenn man so will, kanzleiorganisationsmäßigen Gegebenheiten des öffentlichen Dienstes operiert, also eher eine moderne Form eines Dienstleistungsbetriebes annimmt. Wir haben uns aber gleichzeitig auch erwartet, dass die Funktionen, die schon vorher gegeben waren, unverändert erhalten bleiben.

Ich möchte an dieser Stelle nicht verschweigen, dass wir dann über die Beantwortung von Anfragen seitens des Finanzministers nicht glücklich sind, wenn der Bun­desminister darauf hinweist, dass er nur eine Aufsichtsfunktion hat, und jenes Mindest­maß an Berichterstattung, das dem Parlament zusteht, bei seiner Verwaltung der FMA nicht lückenlos erfüllen kann. Wir sind in Diskussion – das brauchen wir nicht zu verschweigen –, um Lösungen dafür zu finden. Jede Verbesserung ist uns recht. Eine direkte Anfragemöglichkeit halte ich in einer Zeit, in der immer mehr ausgliedert wird, nicht für schlecht. Warum sollen die Verantwortlichen, die dort selbständig agieren, diesem Haus nicht auch persönlich Rede und Antwort stehen. Es könnte aber auch eine Verpflichtung geben, dass der Minister in höherem Ausmaß auch auf die Akten zugreift, wenn das Parlament etwas wissen will. Ich präferiere die erste Möglichkeit. Wenn man moderne Institutionen schafft, dann muss auch die Möglichkeit der Rechtfertigung und der Beantwortung von Fragen der gesetzgebenden Körperschaften gegeben sein.

Ich komme nun zum zweiten Punkt, der eine Reihe von Änderungen im Bereich des Gebührengesetzes 1957, des Bewertungsgesetzes 1955, des Bodenschätzungs­geset­zes 1970 und des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes betrifft.

Meine Damen und Herren! Ich habe – der Herr Staatssekretär erinnert sich an unsere Diskussion – im Finanzausschuss die Frage gestellt und ich stelle sie hier noch einmal: Ich verstehe nicht, wenn man zum Beispiel den Bereich der Bodenschätzung heran­zieht, wieso man dort, wenn man wo lokale Kenntnis und eine lokale Verantwortung braucht, dem zuständigen Finanzamtsvorstand Kompetenz wegnimmt, diese auch nicht beim neuen Regionalmanagement ansiedelt – nein, man siedelt sie in der Himmelpfortgasse im Bundesministerium für Finanzen an. Eine Finanzamtsorgani­sation gehört zu jenen Dingen, die immer geändert werden müssen. Aber wir sehen eine strukturelle Straffung, die in immer stärkerem Ausmaß das Gegenteil von dem ist, was man als modernes Management sieht, nämlich kleine, schlagkräftige Einheiten mit hoher eigener Verantwortung, und das waren die Finanzämter mit ihren Vorständen. Jede einzelne Maßnahme, die hin zu einer Zentralbehörde führt, kann nicht der richtige Kurs sein.

Man kann über vieles, etwa über die Zwischenstufe der Finanzlandesdirektionen, positiv oder negativ denken, aber so ist der Aufbau unseres Staates, der eine Re­gionalzone, eine Bundesländerstruktur und eine Bundesstruktur hat. Das ist etwas, was man auch im Bereich der Finanzverwaltung nicht einfach vom Tisch wischen kann. Jede Schwächung auf regionaler Ebene und auf der Ebene des Landes bedeutet, dass letztlich Bürgerinnen und Bürger, aber auch Unternehmungen, die im Fall der Finanz


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großen Diskussionsbedarf haben, immer darauf angewiesen sind, in vielen Dingen bis nach Wien zu fahren. Als Wiener Steuerberater könnte ich sagen: Na wunderbar, dann bekommt man auch Klienten aus der Provinz!, aber das kann nicht das Ziel des Handelns und des Treibens sein. Was man lokal lösen kann, soll dort passieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Letzter Punkt zu diesem Kapitel – und jetzt komme ich zu einem Punkt, der nicht aufgeklärt ist –: Wir haben hier angeblich verpflichtende Erhöhungen von Gebühren drinnen, wo uns der Herr Staatssekretär nicht sagen konnte, wie viele Gebühren durch ihren Wegfall die Erhöhungen ausgleichen. Ganz ehrlich – als Parlamentarier fühle ich mich nicht ausreichend informiert, um zu wissen, dass das nicht einfach eine weitere Gebührenerhöhung ist. Teilweise handelt es sich um eine Verdreifachung der Gebüh­ren. Teilweise bewegen sich die Gebühren in einer Höhe, meine Damen und Herren, wie zum Beispiel bei der Visa-Erteilung, wo man fragen muss, ob sich die Leute das noch leisten können und sollen und ob diese bei einem Tourismusland noch sinnvoll sind.

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einen Punkt anbringen. Generell gilt: Gebühren sind eine Form der Finanzierung, die nicht immer die am besten geeignete ist, und zwar besonders dann nicht mehr, wenn sie Steuercharakter erreicht. Dieselben Fraktionen, die zu Recht sagen, eine Mietvertragsgebühr, eine Kreditgebühr ist eine Besteuerung ... (Abg. Neudeck: Kanalgebühr!) Wenn die Gebühr über die Kosten hinausgeht, ist sie eine Form der Besteuerung. All diese Dinge sind keine geeignete Grundlage für eine zusätzliche Steuer. Ja, das Kanalnetz kostet immer noch mehr, als die Gebühr beträgt, aber wenn es Gemeinden gibt, die mehr als das ... (Weiterer Zwischenruf des Abg. Neudeck.) Dass die in Wien so billig Kanäle bauen, das wäre echt toll, aber danke für das Lob für die Stadtverwaltung. (Abg. Neudeck: Die sollen es senken! Das war kein Lob!)

Aber nun zurückkommend zum Kernproblem: Wir wollen der Gebührenbefreiung für Leumundszeugnisse zustimmen. Wir haben daher eine gesonderte Abstimmung über Artikel 1 Ziffer 1a und Ziffer 5a beantragt. Wir können dem Rest mangels Aufklärung und grundsätzlicher Zielrichtung nicht die Zustimmung erteilen.

Zum Tagesordnungspunkt 7: Da geht es um die Anpassung des Gebühren­anspruchs­gesetzes 1975. Da werden wir die Zustimmung erteilen.

Lassen Sie mich abschließend noch kurz einen Punkt anführen, der die Gesetzes­materialien und die Art der Abhandlung betrifft.

Wir alle würden davon profitieren – ich sage das bewusst so –, würden im Vorfeld bestimmte Dinge in Vorbegutachtung gehen, würde man bestimmte Dinge vorher informell abklären, sodass jeder weiß, was geschieht. Dann müssten wir manche Dinge hier nicht in der Art ausführen, dass wir daraus jedes Mal ein Politikum machen. Viele Punkte sind sachliche Hinweise, und da sollte schon der Stolz des Hauses bewirken, dass wir sie besser machen können. Das stärkt die Zusammenarbeit und fördert die Nutzung der fachlichen Kompetenz, die wir in einer tollen Beamtenschaft haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen.)

19.20

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Dr. Stummvoll. – Bitte.

 


19.20

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst, Frau Präsidentin, möchte auch ich mich in die Reihe der Gratulanten einreihen, denn es könnte sonst der


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Umkehrschluss gezogen werden. Natürlich wünsche auch ich Ihnen, dass Sie dieses Amt und diese Funktion mit viel Erfolg und Freude in den nächsten Jahren ausüben werden.

Meine Damen und Herren! Ich möchte vor allem zum Finanzkonglomerategesetz etwas sagen, weil das ein sehr schönes Beispiel für eine Problemstellung ist, die wir derzeit generell in der Politik haben.

Wir leben in einer Zeit, die ein wesentliches Kennzeichen hat: das Tempo der Ver­änderung. Für die Politik ist es eigentlich nicht leicht, mit diesem Tempo der Verän­derung überhaupt Schritt zu halten. Das Gesetz, das uns jetzt vorliegt, ist ein gutes Beispiel dafür.

Erst vor wenigen Jahren, vor zweieinhalb oder drei Jahren, haben wir nach jahrelanger Vorarbeit die neue Finanzmarktaufsicht beschlossen – sehr professionell vorbereitet, unabhängig, eine Allfinanzaufsicht – und waren der Meinung: Das haben wir jetzt!

Die Entwicklung der Finanzmärkte ist sehr dynamisch und hat dazu geführt, dass wir schon wieder ein neues Gesetz brauchen, weil Finanzkonglomerate – Banken, Ver­sicherungen, Wertpapierfirmen treten als Konglomerat auf – von diesem noch so modernen und effizienten Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz nicht erfasst sind.

Es ist auch ein gutes Beispiel dafür, warum wir diese Gesetzesflut haben, denn nach dem derzeitigen Stand werden unter das neue Gesetz drei, vier, maximal fünf Finanz­konglomerate fallen – aber trotzdem brauchen wir ein eigenes Gesetz. Wir brauchen es, weil die derzeitige Finanzmarktaufsicht das auf Grund des Gesetzestextes nicht erfassen kann. Das heißt, wir haben hier die Situation, dass wir sagen müssen, wir brauchen dieses Gesetz trotz aller Vorwürfe von Gesetzesflut. Wir brauchen es für die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich. Wir brauchen es für die Stabilität des Finanzplatzes. Wir brauchen es auch für das Vertrauen der Sparer, der Anleger und der Versicherungsnehmer. – Dieses Gesetz ist also ein gutes Beispiel für dieses Tempo der Veränderung.

Wir stehen dazu, und ich bedanke mich auch dafür, dass wir da im Finanzausschuss einen Vier-Parteien-Konsens erreichen konnten. Ich möchte auch sagen – und ich sage das wirklich ganz bewusst –, dass wir hier über alle Fraktionsgrenzen hinweg wirklich bemüht sind, uns ein sehr konstruktives Gesprächsklima zu erhalten. Ich möchte daher auf die beiden anderen Punkte von Dr. Matznetter nur ganz kurz eingehen.

Aber zunächst noch dazu, was Sie, Herr Kollege Matznetter, zur Frage Auskunftsrecht, Informationsrecht gesagt haben. Sie haben natürlich Recht, die Finanzmarktaufsicht ist operativ unabhängig – aber trotzdem wird der Finanzminister eine gewisse politische Verantwortung gerade hier in diesem Hause nie völlig von sich weisen können. Ehrlich gestanden: Ich bin auch für eine entsprechende Transparenz und Auskunftstätigkeit, aber über den Finanzminister, würde ich sagen, der dem Parlament verantwortlich ist. Mir gefällt nicht die Variante – weil es ja eine unglaubliche Präjudizwirkung für viele andere ausgegliederte Organisationen hätte –, dass hier eine direkte Informations- und Auskunftspflicht besteht. Aber wir sind gerne bereit, hier sehr konstruktiv darüber zu reden.

Sie haben zum nächsten Gesetz einen weiteren Punkt angesprochen. Ich möchte dazu, was die Neustrukturierung der Finanzverwaltung betrifft, Folgendes sagen: Da kann man sicher über einzelne Punkte reden, aber insgesamt, muss ich sagen – das ist meine Erfahrung aus meinem Wahlkreis, wo wir fünf Finanzämter haben –, habe ich sowohl von den Mitarbeitern der Finanzverwaltung als auch von den betroffenen Steuerzahlern, seien es Arbeitnehmer oder Betriebe, ein sehr, sehr positives Feedback


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bekommen. Die Arbeitnehmer sagen, dass diese Servicestellen im Finanzamt eine tolle Sache sind. Die Betriebe sagen, dass sie immer für diese Grundsätze von New-Public-Management waren.

Ich möchte mich, Herr Staatssekretär, da Sie in diesen Fragen federführend waren, wirklich bedanken und sagen, dass wir froh sind, dass wir diese Neustrukturierung haben. Richtig ist, was Kollege Matznetter gesagt hat, dass es da oder dort noch Fragen gibt, die wir vielleicht noch klären sollten. Die Grundtendenz war aber: Weg von der Zentralisierung hin zu einer Regionalisierung! Und ich glaube, dieses Konzept wird letztlich auch die Leitlinie unserer weiteren zukünftigen Überlegungen sein.

Wir haben einen weiteren Tagesordnungspunkt, bei dem wir auch wieder konsensual einen Abänderungsantrag in zweiter Lesung einbringen werden, weil wir im Ausschuss gesagt haben, dass wir das bis zur zweiten Lesung noch klären werden. Ich lege wirklich Wert darauf, dass wir eben auch beim nächsten Punkt einen Vier-Parteien-Konsens haben. Dieser ist mir lieber, als wir beschließen zwei, drei Punkte mehr, aber es ist nur ein Mehrheitsbeschluss.

In diesem Sinne bitte ich um weitere konstruktive Zusammenarbeit im Finanz­ausschuss. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.25

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Mag. Kogler. Seine freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

 


19.26

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Vorsitzender Stummvoll hat gerade das konsensuale Klima im Ausschuss beschrieben. Dieses Klima führt dazu, dass sehr viel quasi schon im Einvernehmen gesagt wurde, sodass ich meine Ausführungen noch kürzer halten kann als die vorgesehenen 7 Minuten.

Ich möchte mich aber vorab im Wesentlichen dem Herrn Staatssekretär zuwenden und doch das Kritisierenswerte hervorstreichen.

Es ist ein bisschen eigenartig, wenn ausgerechnet Vorlagen aus dem Finanz­minis­terium immer stärker die Tendenz aufweisen, dem Bundeshaushaltsgesetz nicht zu genügen. Auch wenn es nicht die große Tragödie sein mag, aber immerhin moniert der Rechnungshof in seiner Schrift im Begutachtungsverfahren, dass einfach behauptet wurde, dass die finanziellen Auswirkungen dieses Gesetzes sozusagen gleich null, nicht nachweisbar sind, wenn es darum geht, ob die Finanzmarktaufsicht eine kostenmäßige Mehrbelastung hat oder nicht.

Der Punkt ist überhaupt nicht, dass die Finanzmarktaufsicht keine Mehrbelastung haben darf, wenn es ein sinnvolles Gesetz ist – was es natürlich ist, wie auch wir Grünen meinen –, aber man schwindelt sich in den entsprechenden Erläuterungen einfach drum herum, schreibt das so hin – sei’s drum, die Abgeordneten sollen das dann so hinnehmen.

In Wirklichkeit gibt es ja nur zwei Interpretationen: Entweder hat die Finanz­markt­aufsicht bis jetzt noch nicht die totale Auslastung ihrer Ressourcen erfahren – dann gibt es eben keine Mehrkosten, weil einfach vorhandene Kapazitäten genützt werden –, oder es gibt eben Mehrkosten. Dass die entsprechende Bekanntgabe dem Rech­nungs­hof wichtig ist, hat er betont, und jetzt schreibt er halt, dass das immer wieder ein bisschen zu salopp angegangen wird.


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Es gibt ja auch Fälle, wo Vorlagen gerade des Finanzministeriums, die das Haus erreichen, viel gravierendere Dinge betreffen, wo sehr wohl interessant ist, nämlich im mehrstelligen Millionenbereich, ob dem Bundeshaushaltsgesetz, namentlich § 14, entsprochen wird oder nicht. Ich sage das nur deshalb, weil uns das jetzt regelmäßig erreicht. Es vergeht keine Sitzung des Finanzausschusses, in der wir nicht feststellen, dass in der Begutachtung darauf hingewiesen wird – oft vom Rechnungshof, manch­mal aber auch von anderen Institutionen –, dass das nicht konform geht.

Wenn man vielleicht der Meinung ist, dass das Bundeshaushaltsgesetz hier zu streng ist oder Ineffizienzen in der Gesetzwerdung produziert, dann wird man einmal das Bundeshaushaltsgesetz anschauen müssen, aber der Übung, das einfach so still und heimlich immer wieder zu tolerieren, möchte ich mich nicht anschließen.

Es geht weiter in dieser Tonart: Die Oesterreichische Nationalbank schreibt etwa, dass bei den Beispielsrechnungen der §§ 7 und 8 wieder einmal völlig danebengegriffen wurde, selbst bei diesen simplen Rechenbeispielen, und schickt eine Korrektur. – Passt ins Bild.

Jetzt habe ich genug gemeckert. Mir war es jedoch ein Anliegen, das zu sagen, bei aller Konsensualität im Ausschuss, aber es betrifft ja auch das Finanzministerium und nicht die Ausschussarbeit.

In der Sache selbst: Herr Vorsitzender, es ist völlig klar, gerade in diesem Bereich entwickeln sich die Dinge sehr rasant. Es ist das für mich aber auch ein Beispiel, was die Wechselwirkung betrifft – grenzüberschreitend, im internationalen Zusammen­hang – zwischen Marktgeschehnissen und der Rolle des Staates, wenn Sie so wollen.

Auch Sie haben ja kein Problem, einzubekennen, dass es hier ganz offensichtlich den Staat braucht und dass hier der Befund gemacht werden muss, dass überall dort, wo es die Finanzmarktaufsicht braucht, sozusagen Marktversagen aus sich heraus und gar nicht abwendbar vorliegen könnte: nicht, weil irgendjemand böse ist, sondern allein aus dem Umstand heraus, dass die Marktteilnehmer in dem Bereich mit asym­metri­schen Möglichkeiten aufeinander treffen. Dies ist völlig ausreichend, dass das dann einen, wie wir meinen, sinnvollen staatlichen Eingriff begründet. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wieder einmal lernen wir: Ein funktionierender Markt braucht zumindest in diesem Sinne einen starken Staat. Auch das ist erfreulich, wenn diese Erkenntnis über­fraktionell Platz greift. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Jetzt möchte ich nur noch das Abstimmungsverhalten zum Punkt 6 begründen, mit dem besonderen Hinweis, dass wir im Ausschuss überhaupt keine befriedigende Ant­wort auf die Frage bekommen haben, in welchen Bereichen sich wie viel an Gebüh­renerhöhungen ergibt. Aber das ist vielleicht noch gar nicht das Tragischste. In einem Bereich ist die Gebührenerhöhung nämlich verbrieft und sicher, und zwar bei den Visagebühren. Da kann man auch noch darüber diskutieren, ob sie aus verschiedenen Kriterien heraus nicht ohnehin ein bisschen höher sein könnten, wenn sie sonst den Grundsätzen der sinnvollen Gebühreneinführung entsprechen. Aber das Vorblatt ist meines Erachtens in dem Bereich sehr verräterisch. Dort wird nämlich ungeniert darauf hingewiesen, dass die Vergebührung bei den Visa als Lenkungsinstrument – das wird dort zwar nicht so genannt – gedacht ist. Und das finden wir bei aller Liebe zu Kostenwahrheit, Sparsamkeit und was sonst noch doch ein bisschen übertrieben.

Ich glaube, die Frage von Visagebühren sollte zumindest auch noch anderen Kriterien genügen. Deshalb gibt es in diesem Punkt mit Sicherheit unsere Ablehnung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.32

 



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Stenographisches Protokoll
66. Sitzung / Seite 87

Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Bucher. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


19.32

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte, was diese drei Gesetzes­mate­rien betrifft, auf zwei davon zu sprechen kommen, zum einen auf die Änderungen im Bereich des Gebührengesetzes, die Herr Kollege Matznetter angeführt hat, und auf die Angleichung der Visagebühren an die europäischen Richtlinien.

Ich glaube, dass die Mehrkosten, die dadurch entstehen, relativ schlüssig sind, da sich auch im Bereich der Passausstellung eine neue Technologie entwickelt hat, die bio­metrische Daten, Fingerprint-Möglichkeiten, Fälschungssicherheit und dergleichen mehr beinhaltet. Ich glaube, dass das ein schlüssiger Grund ist und dass diese Mehrkosten auch gerechtfertigt sind.

Zum Finanzkonglomerategesetz: Ich glaube, dass wir diese Entwicklung auf inter­nationaler Ebene sehr genau beobachten können, wie sich da einerseits Kreditinstitute, weiters Börsenunternehmen und auch Versicherungsunternehmen zu einem gemein­samen Unternehmen zusammentun, weltweit als Akteure auftreten und Finanzdienst­leistungen anbieten. Es ist wichtig und richtig, dass hier ein Gesetz dafür sorgt, dass zukünftig die Beaufsichtigung im Bereich dieser Finanzdienstleistungen gewährleistet ist und die Finanzmarktaufsicht in Österreich tätig wird. Sie ist auch aufgerufen, über die Grenzen hinaus zu kooperieren, um sowohl im Interesse der Finanzkonglomerate als auch im Interesse der Konsumenten international tätig zu werden.

Hier geht es auch um die Einhaltung von Benchmarks, nämlich im Bereich der Eigen­kapitalunterlegung und der Rücklagen, was eine gewisse Sicherheit für die Anleger bietet. Da gab es in der Vergangenheit schon einige Fälle, die zum Nachteil der Konsumenten ausgegangen sind. Es geht darum, Risikokonzentrationen auszu­schließen, vor allem auch die Gruppendynamik im Bereich der Finanzmarktaufsicht besser zu koordinieren und diese Überwachung zu gewährleisten.

Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz schafft Kompetenz für die Finanzmarkt­aufsicht als Behörde, schafft eine Normierung der Informationspflichten von Finanz­konglomeraten und definiert genau die Eigenkapitalunterlegung und Rücklagen, damit hier Missstände zukünftig ausgeschlossen werden können. Insgesamt ist das Risiko­management, das hier gefordert wird, eine sehr wichtige Grundlage dafür, möglichen Missständen im Bereich der Finanzdienstleistungsgewerbe Einhalt zu gebieten. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.35

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Hoscher. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


19.36

Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär und Landesparteiobmann! Auf Kollegen Stummvoll kurz zurückkom­mend – nicht als Kritik, in keinster Weise, sondern als Ergänzung –: Wir brauchen dieses Finanzkonglomerategesetz natürlich auch deswegen, weil es eine EU-Richtlinie ist, die wir umsetzen müssen.

Ich glaube, gerade das zeigt auch die dynamische Entwicklung in diesem Bereich sehr gut. Es ist bemerkenswert, dass sich der Bereich der Finanzmärkte wesentlich schnel­ler und umfassender auf die Liberalisierungs- und Harmonisierungsbedürfnisse, die von der EU ausgehen, eingestellt hat als etwa andere Wirtschaftsbereiche, was aber im Bereich der Finanzdienstleistungen nicht immer nur positiv zu sehen ist, weil dort


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66. Sitzung / Seite 88

doch auf Grund der Größe der Märkte und der Summen, die da bewegt werden, auch für die Realwirtschaft wesentliche Probleme entstehen können, wenn etwa Stabilitäts­krisen eintreten.

Schon allein aus dem heraus ist eine eigene Aufsicht in diesem Bereich notwendig und sehr begrüßenswert. Ich glaube, es ist auch begrüßenswert, diese im Bereich der Finanzmarktaufsicht anzusiedeln und hierfür keine neue Behörde zu schaffen, weil sonst sicherlich der Verwaltungsapparat größer wäre und damit die Kosten, die letztendlich von den Finanzdienstleistern zu tragen sind und wohl auf die Konsumenten übergewälzt werden, natürlich wesentlich höher wären.

Auch Kollege Stummvoll hat bereits erwähnt, es werden rund drei bis maximal fünf Konglomerate in Österreich betroffen sein. Dies ist, wenn man die österreichischen Märkte heranzieht, durchaus eine bemerkenswerte Zahl, die sich eben aus der historischen Entwicklung dieser Märkte ergibt, aber im Vergleich zu anderen Staaten der EU, wie gesagt, doch eine durchaus gewichtige Zahl ist.

Gerade da ist im Vorfeld der Novelle und im Vorfeld der Umsetzung der Richtlinie durchaus Kritik gekommen, was die Definition der Konglomerate angeht, was die Größenbestimmungen angeht, was die geplante Feststellung angeht, wann ein Konglo­merat vorliegt, das zusätzlich zu beaufsichtigen ist. Ich glaube, dass die jetzige Regelung durchaus praktikabel ist und auch von den Finanzdienstleistern in diesem Zusammenhang mitgetragen werden kann.

Es ist schon klar, dass hier zusätzliche Kosten für die Unternehmen entstehen, etwa auch im Bereich der Bilanzierung. Auf der anderen Seite glaube ich aber, dass auch zusätzliche Wettbewerbschancen gegeben sind, weil eine stärkere Aufsicht und transparentere Bilanzen ein Wettbewerbsvorteil sind, der genutzt werden kann. Es haben ja erste Rating-Agenturen bereits angekündigt, dass sie auf Grund dieser transparenteren Bilanzen unter Umständen bessere Einstufungen vornehmen können, wenn sie mehr Informationen haben und diesbezüglich eine Aufsicht vorhanden ist.

Ich bin nicht ganz der Meinung – was ebenfalls im Begutachtungsverfahren von manchen Seiten bemängelt wurde –, dass die zusätzlichen Eigenkapitalausstattungen und -unterlegungen, die notwendig sind, und damit unter Umständen verbundene Senkungen der Eigenkapitalrenditen gegen eine – unter Anführungszeichen – „ernst­hafte“ Umsetzung der Richtlinie stehen würden. Ich glaube, dass das eher kurz­sichtig ist, weil hier, wie erwähnt, durch die zusätzliche Aufsicht die Wettbewerbs­fähigkeit steigen kann und insbesondere das Konsumentenvertrauen steigen kann, wenn man es auch marketingtechnisch verwertet. Ich glaube, das Konsumenten­vertrauen ist im Bereich der Finanzdienstleister sehr wesentlich.

Überdies ist im Rahmen der Richtlinie durchaus eine Reihe von zusätzlichen Wahl­rechten zur Anwendung gelangt, die die Richtlinie offen lässt – ich denke etwa an die Methodenwahl bei der Berechnung der Eigenkapitalausstattung und so weiter –, sodass hier durchaus eine gewisse Flexibilität gegeben ist.

Umso mehr muss aber meiner Ansicht nach ein hohes Augenmerk gelegt werden auf die weitere EU-weite Umsetzung und insbesondere die länderübergreifende Zusam­menarbeit in diesem Bereich, weil doch die Gefahr besteht, dass hier durch verschie­dene Gestaltungsmöglichkeiten und eben durch die Inanspruchnahme dieser Wahl­möglichkeiten gewisse Gegebenheiten vorhanden sind, die – ich sage einmal unter Anführungszeichen – „kreative Ausweichmöglichkeiten“ bezüglich der Aufsicht offen lassen. Ich bin nicht ganz überzeugt davon, dass der Weg, der anscheinend in Richtung einer EU-weiten Finanzmarktaufsicht geht, der Weisheit letzter Schluss sein muss. Umso mehr wird es darauf ankommen, dass die nationalen Aufsichtsbehörden


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66. Sitzung / Seite 89

wirklich grenzüberschreitend zusammenarbeiten und den Text und den Geist dieser Richtlinie tatsächlich umsetzen.

In diesem Sinne werden wir sicher zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.40

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dr. Maier. Wunsch­redezeit: 4 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 


19.40

Abgeordneter Dr. Ferdinand Maier (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie schon die Vorredner alle gesagt haben, handelt es sich hier um die Umsetzung einer EU-Richtlinie. Ich habe das letzte Mal schon darauf hingewiesen: Da sieht man, wie wichtig eigentlich die Vorgänge in Brüssel sind.

Ich meine auch, man sollte sich einmal kurz in Erinnerung rufen, was denn unsere Vertreter insbesondere in den Expertengesprächen, sprich die beamteten Vertreter Österreichs, in den Verfahren in Brüssel für Stellungnahmen abgeben. Wenn man darüber mit verschiedenen Damen und Herren in der Kommission oder zum Beispiel in der Generaldirektion Binnenmarkt spricht, hört man ganz interessante Sachen. Da wird darauf hingewiesen, dass die Damen und Herren, die, was Aufsicht anbelangt, Öster­reich vertreten, oft wenig Verständnis für die praktische Umsetzung von verschiedenen Richtlinien zeigen. Da kommt der klassische Hinweis, dass die Kollegen aus England, Frankreich, Deutschland und dergleichen, was die Umsetzung auf den Finanzmärkten anbelangt, eher mit Augenmaß vorgehen. Und dann kommt der Hinweis: Den öster­reichischen Kollegen kann es nie scharf genug sein.

Das ist zwar unter Umständen ein Kompliment, aber gleichzeitig sollten wir ein bisschen aufpassen, dass wir dann nicht auch noch eine Übererfüllung der EU-Richt­linien vornehmen. Da sind wir ja in manchen Bereichen – ich rede jetzt gar nicht von diesem Verfahren, sondern generell – oft Spezialisten. Hier sei auch ein kleiner Hin­weis zur Situation zwischen der Nationalbank und der Finanzmarktaufsicht ge­stattet: Da hat man manchmal den Eindruck, das hat sich noch nicht so ganz ein­ge­spielt. Diese Eifersüchteleien sollten nicht in irgendwelche Gesetzesvorlagen münden.

Ich glaube nicht, dass man gegen die Effizienz der Prüfung sein soll; im Gegenteil, es kann nie genug Effizienz geben. Aber es kann nicht sein, dass Qualität durch Quantität ersetzt wird. Dies möchte ich deshalb ansprechen, weil ja einige Dinge in der „Pipeline“ sind, und da wird man sicherlich noch darüber diskutieren, dass wir keine Benach­teiligung im Sinne von hausgemachten zusätzlichen Kontrollen brauchen. Ich darf darauf hinweisen, dass wir angesichts des Meldewesens, das ja auch in diesen Konglomeratsrichtlinien beinhaltet ist, aus der Vorschrift einer jährlichen Meldung, wie sie die EU gemeint hat, hier gleich einmal eine vierteljährliche Meldung machen. Das wird also ein bisschen überhöht. Auf die Gefahr, dass wir mehr Meldeerfordernisse erfinden, um dann wiederum ein bisschen mehr Mitarbeiter und Bürokratie zu haben, sollten wir, glaube ich, Rücksicht nehmen und dem ein wenig gegensteuern.

Ein aktueller Hinweis noch, weil sowohl Finanzmarktaufsicht als auch Notenbank gefor­dert sind: Dass Meldungen über Auslandstöchter platziert werden sollen – und dieser Wunsch ist ohne Abstimmung mit den ausländischen Aufsichtsbehörden passiert –, heißt, dass unsere Institute, die im Ausland tätig sind, bis zu 14 verschiedene Melde­vorschriften zu erfüllen haben. Das kostet nur Geld und Zeit und hilft in Wirklichkeit niemand, es sei denn, dass die Mitarbeiterzahl, die ja in der Finanzmarktaufsicht im letzten Jahr bereits um 41 Mann gestiegen ist, weiter erhöht wird. Ich bitte, wir sollten da wieder in Richtung Effizienz gehen. Das ist aber eher pro futuro gesprochen und gilt


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66. Sitzung / Seite 90

nicht so sehr für das, worüber wir einstimmig der Meinung sind, dass wir das dringend brauchen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.44

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Sie sind am Wort, Frau Kollegin.

 


19.44

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es wird die Visagebühr neu geregelt. Der Herr Staatssekretär hat uns im Ausschuss erklärt, dass es eine EU-Vereinheitlichung ist. Gestatten Sie mir, Herr Staatssekretär, dass ich dazu insofern eine Anmerkung mache: Wenn wir jenen Ländern, die noch nicht bei der Europäischen Union sind, immer sagen: Europäische Standards sind Voraussetzung!, und: Ihr müsst europäisch wer­den!, dann wird das durch die Erhöhung der Visagebühren, wie sie jetzt vorliegt, für die Menschen wahrscheinlich mehr als erschwert werden.

Es kommt noch ein Aspekt dazu, und zwar gerade aus heutiger Sicht, da wir das Präsidium des bosnisch-herzegowinischen Völkerhauses im Haus zu Besuch hatten. Bei uns in Österreich leben jede Menge Bosnier, sie sind österreichische Staatsbürger, aber die Eltern sind in Bosnien-Herzegowina. Der Besuch dieser Bosnier bei uns in Österreich wird dadurch enorm verteuert. Auch diese Aspekte sollten Sie, bitte, in der Europäischen Union einbringen, wenn wir weiterhin verlangen, dass die Bürger von Nicht-EU-Staaten europäische Standards erfüllen sollen. Sie müssen sich auch in Europa orientieren können. – Das wollte ich sagen.

Was uns bei dieser Visagebühren-Regelung noch auffällt: Wenn schon die Gebühren verändert und neu geregelt werden, Herr Staatssekretär, verstehen wir nicht, dass – und das hat das Innenministerium in der Stellungnahme klar ausgeführt – offensichtlich nicht geregelt ist, dass die Erteilung von Aufenthaltstiteln durch eine Behörde mit Sitz im Inland und die Ausfolgung dieses Aufenthaltstitels durch eine Vertretungsbehörde im Ausland geschieht. Da kann zum einen das Gebührengesetz nicht zur Anwendung kommen und das Konsulargebührengesetz ebenfalls nicht. (Abg. Mag. Posch: Das ist wichtig!) Das heißt, dass dieser Aufenthaltstitel, der von einer Behörde im Inland erteilt und von der Vertretungsbehörde im Ausland ausgefolgt wird, demnach gebührenfrei ist. Herr Staatssekretär, wenn wir in Österreich etwas regeln, dann soll es bitte so geregelt sein, dass für alle dieselben Voraussetzungen bestehen.

Wir können aus diesem Grund nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.47

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rossmann. 4 Minuten Redezeit sind gewünscht. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort.

 


19.47

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Vorweg möchte ich die SPÖ fragen: Können Sie sich in Bezug auf Ihre Regierungszeit daran erinnern, ob es in dieser jemals irgendeine Gebührensenkung gegeben hat? (Abg. Dr. Jarolim: Wir werden Sie gerne an Ihre Regierungszeit erinnern!) – Wir können uns jedenfalls nicht daran erinnern. (Abg. Dr. Jarolim: ... anlässlich Ihres Chaos! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich erinnere Sie aber daran, dass es unter dieser Regierung sehr wohl eine Gebüh­rensenkung gegeben hat, nämlich in sehr großem Ausmaß. (Beifall bei den Frei­heitlichen.) Wissen Sie, wo es die gegeben hat? – Bei der Euro-Umstellung! Die Regierung hat den Mut gehabt, bei der Euro-Umstellung sämtliche Gebühren abzu­runden. Das war eine Gebührensenkung in Millionenhöhe!


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Was wir jetzt hier vorliegen haben, ist einmal mehr eine EU-Anpassung. Da bin ich ausnahmsweise einmal mit dem Kollegen Matznetter einer Meinung, dass man durchaus überlegen muss, wie tourismusfreundlich Visagebühren-Erhöhungen sind. Ich sage aber auch – wir wissen das aus Fernmärkten, und da nehme ich das Beispiel China her –, dass es jetzt mehr Visaanträge gibt und dass das Konsulat und die Botschaft mehr als je zuvor zu tun haben. Das ist einfach ein Verwaltungsaufwand, der nicht mehr zu bewältigen ist, und dadurch ist diese Gebührenerhöhung durchaus auch gerechtfertigt.

Ein weiterer Punkt ist die Gebührenerhöhung bei den Personalausweisen. Auch da hat, glaube ich, die Bevölkerung durchaus Verständnis für diese geringe Erhöhung, weil damit nämlich im Gegenzug eine rasche, eine bürokratielose Abwicklung gegeben ist und ein Personalausweis im Scheckkartenformat ausgehändigt wird. Ich glaube, wenn die Leistung stimmt, ist die Bevölkerung auch bereit, mehr dafür zu bezahlen. Das ist in diesem Sinn gerechtfertigt.

Abschließend freue ich mich ganz besonders darüber, dass es auch gelungen ist, die Gebührenbefreiung bei der Strafregisterbescheinigung dort zu ermöglichen, wo es um die ehrenamtlichen Sanitäter geht. Ich glaube, das ist ein richtiger Schritt: Wenn sich jemand bereit erklärt, dieses schwierige Ehrenamt zu übernehmen, und eine Straf­registerbescheinigung vorlegen muss, um das Ehrenamt antreten zu können, dann soll das gebührenfrei sein. Auch das haben wir zustande gebracht und nicht die SPÖ, die sich immer wieder überall dort feiern lässt, wo es um ein neues Sanitätsauto oder um die Eröffnung eines neuen Sanitätsstützpunktes geht, die das vielleicht in Sonntags­reden irgendwo kundtut, aber nie gehandelt hat.

Wir haben jetzt gehandelt, und es ist ein sehr, sehr schöner Zug, dass diese Gebüh­renbefreiung für die Strafregisterbescheinigung von Sanitätern möglich ist. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.50

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr hat sich Herr Staatssekretär Dr. Finz zu Wort gemeldet. – Herr Staatssekretär, Sie sind am Wort.

 


19.50

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Abgeordneter Matznetter hat Änderungen im Bewer­tungs­gesetz und Bodenschätzungsgesetz angesprochen. Die Änderung des Boden­schätzungsgesetzes und des Bewertungsgesetzes ist eine normale Reaktion auf die Neustrukturierung der Finanzverwaltung. Bei der Bodenschätzung hat es auf FLD-Ebene bisher Beiräte gegeben. Formal war der Vorsitzende dieser Beiräte der jeweilige Präsident der Finanzlandesdirektion. Dadurch, dass die Finanzlandesdirektionen auf­gelöst wurden, war eine Neuzuordnung dieser Beamten notwendig. Sie sind dem so genannten Fachbereich zugeordnet worden. Fachbereich bedeutet: Früher hat es in jeder FLD für jeden spezifischen Rechtsbereich einen Experten gegeben. Diese Experten sind jetzt formal einer zentralen Abteilung im Finanzministerium zugeordnet, sitzen aber regional in den früheren Dienststellen der FLD, gehören also zum Regionalmanagement. Formal ist also die Kritik an der Zentralisierung richtig, praktisch aber überhaupt nicht, weil die Beamten weiterhin in den Regionen zur Verfügung stehen.

Zum Zweiten, zu den Visagebühren: Hier war eine Anpassung an das EU-Recht erfor­derlich. Es hat bisher unterschiedlichste Visagebühren gegeben, die entweder niedri­ger als 35 € waren oder auch höher. Beim Durchreisevisum zum Beispiel war bisher eine Gebühr von 10 €, beim Reisevisum bisher je nach Dauer des Aufenthalts eine Gebühr zwischen 25 € und 50 € zu entrichten. Jetzt gibt es einen einheitlichen Betrag


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66. Sitzung / Seite 92

von 35 €, und ich denke, das ist auch im Sinne der Verwaltungsvereinfachung eine gute Regelung.

Frau Abgeordnete Hagenhofer! Sie haben einen Fall angeschnitten, den ich so nicht kenne. (Abg. Dr. Jarolim: Das war auch so gedacht!) Wenn im Inland durch eine Behörde ein Visum ausgestellt wurde und es im Ausland von der Vertretungsbehörde ausgefolgt wird, dann ist selbstverständlich dort die Gebühr einzuheben. Es werden alle Fälle gleich behandelt, und es ist nicht so, dass in diesen Fällen keine Gebühr erwächst. Das wäre ja gleichheitswidrig.

Herr Abgeordneter Kogler, Sie haben den § 14 Rechnungshofgesetz angesprochen im Zusammenhang mit den neuen Aufgaben der Finanzmarktaufsicht. Die Feststellung des Finanzministeriums, dass dem Bund hier keine Kosten erwachsen, ist richtig, und wir teilen die Auffassung des Rechnungshofes nicht, weil die Kosten der Finanz­marktaufsicht zwischen den von der Finanzmarktaufsicht Geprüften und dem Finanz­ministerium geteilt werden, wobei der Beitrag des Finanzministeriums gedeckelt ist. Wenn so wie in diesem Fall neue Aufgaben erwachsen, dann ändert sich nichts am Beitrag des Finanzministeriums. Es wachsen die Kosten für die Geprüften. Allerdings bleiben die Kosten für die Geprüften derzeit weit unter dem ursprünglich angenom­menen Ausmaß. Der Bund trägt mehr an Kosten der Finanzmarktaufsicht, als geplant war.

Von Herrn Abgeordnetem Maier wurde kritisiert, dass immer mehr Regulierungen hinzukommen und dadurch die Kosten der Finanzmarktaufsicht beziehungsweise die Kosten für die Geprüften wachsen. Ich denke, es ist in unser aller Interesse, dass wir einen sicheren Geld- und Kreditmarkt haben. Das ist ein Asset im Wirtschaftsstandort-Ranking, und daher muss man darum bemüht sein. Wenn wir eine EU-Vorgabe haben, dann prüfen wir natürlich auch intern, ob unserer Auffassung nach ergänzende Regelungen für einen sicheren Kredit- und Finanzmarkt notwendig sind. So haben wir es auch hier gemacht. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.55

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Marizzi. 3 Minuten Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


19.55

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wir Sozialdemokraten haben bei der Neugestaltung der Finanzmarktaufsicht aus unserer Verantwortung heraus und weil es auch sinnvoll ist gerne zugestimmt. Ich sage jetzt nicht „Moloch“, aber irgendwie hat Kollege Maier von der ÖVP doch Recht. Es ist ein umfangreicher Apparat geworden, es handelt sich ja mittlerweile um 200 Mitarbeiter. Wir haben den Lösungen der Hauptprobleme und auch den neuen Aufgaben zugestimmt.

Herr Staatssekretär! Meine Kritik deckt sich mit der, die auch Kollege Maier bereits angedeutet hat, der gemeint hat, wir sollten nicht überinterpretieren und uns nicht überorganisieren. Bei 200 Leuten erwarten wir schon eine ordentliche Organisation, die transparent und in Sachfragen kompetent ist. Und wenn ich mich an die schriftlichen Anfragen erinnere, Herr Staatssekretär im Finanzministerium, die wir an Sie gerichtet haben, so sind die Antworten, was die Finanzmarktaufsicht betrifft, in Wirklichkeit nicht präpotent zurückgekommen, sondern ein bissel schnoddrig, so in der Art „schmecks“. Wenn wir schon zustimmen, wenn wir eigentlich recht nett und konstruktiv sind, dann kriegen wir ein „Schmecks“ zurück, so nach dem Motto: Macht das irgendwie! In Wirklichkeit brauchen wir euch nur zum Abstimmen – und im Übrigen könnt ihr euch


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66. Sitzung / Seite 93

jetzt putzen! (Beifall bei der SPÖ. – Staatssekretär Dr. Finz: Welche Antwort war das? Welche?) – Ich habe nur drei Minuten!

Über diese Finanzkonglomerate wurde eigentlich schon alles gesagt. Kollegin Ross­mann, die vorhin gefragt hat, ob wir uns denn nicht erinnern könnten, was wir in der Regierung gemacht haben, möchte ich die neueste Ausgabe des „FORMAT“ vom letzten Freitag entgegenhalten: „Grassers Budgetloch“. Herr Staatssekretär, das sollten Sie sich durchlesen. Ich habe keine Zeit mehr, das zu interpretieren. Nehmen Sie das, legen Sie es sich aufs Nachtkastl, und lesen Sie es sich durch! Es kann doch nicht sein, dass das Minus jetzt noch eine Milliarde mehr ausmacht. Wenn man den „Kurier“ von heute durchliest, wonach der BUWOG-Verkauf die Mieten belastet und dort wieder eine Milliarde hineingesteckt wird, also auf der einen Seite das Finanzministerium eine Milliarde – nicht hinaushaut – anders verwirtschaftet und auf der anderen Seite die kleinen Mieter das zahlen müssen, dann bin ich mir sicher, Herr Staatssekretär, es wird Ihnen bei den nächsten Wahlen wieder so ergehen wie am letzten Sonntag. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Hoffentlich! – Abg. Rädler: Sie sollten das neue „NEWS“ lesen!)

19.58

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächste spricht Frau Abgeordnete Tamandl. Auch sie wünscht, 3 Minuten zu sprechen. – Bitte.

 


19.58

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Änderung des Gebühren­geset­zes ist durchaus notwendig, weil die Rechtslage hinsichtlich der Visagebühren nicht mehr dem EU-Recht entspricht, weil derzeit bei der Ausstellung von Aufenthaltstiteln Gebühren nach dem Gebührengesetz 1957 für verschiedene Schriften anfallen und zusätzlich noch Bundesverwaltungsabgaben für die Erteilung von Aufenthaltstiteln zu entrichten sind, vor allem aber, weil die Ausstellung von Personalausweisen im Scheckkartenformat für die ausstellende Behörde derzeit nicht kostendeckend ist.

Für die Länder ist es durchaus erfreulich, dass die Gebietskörperschaften nun pro aus­gestelltem Personalausweis 35 € erhalten und damit die Erhöhung des Kosten­deckungsgrades für Länder und Gemeinden sichergestellt wird.

Bei den Aufenthaltstiteln ist die Zusammenführung der Stempelgebühren und der Bundesverwaltungsabgabe zu einer Abgabe eine wesentliche Vereinfachung. Die finanziellen Auswirkungen dieser Gesetzesänderungen sind unterschiedlich. Weil Visa in der Regel von österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland ausgestellt werden, unterliegen sie der Konsulargebühr. Im Inland ausgestellte Visa bilden Ausnahmen, die Anpassung der Gebühr an die EU-Regelung wirkt sich daher nicht besonders wesentlich aus. (Staatssekretär Dr. Finz spricht bereits einige Zeit mit einem Mitar­beiter. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Auch bei den Aufenthaltstiteln wird die Änderung weitgehend aufkommensneutral sein, allerdings handelt es sich hiebei um eine wesentliche Verwaltungsvereinfachung.

Die wesentliche Auswirkung ist die Erreichung eines höheren Kostendeckungsgrades für die ausstellende Behörde bei Personalausweisen. Es gibt ja nur mehr diese scheck­kartenformatigen Ausweise, und das bedeutet beispielsweise bei Ausstellung von 50 000 Personalausweisen pro Jahr Mindereinnahmen für den Bund von 215 000 €.

Ein erfreuliches Detail am Rande – Frau Kollegin Rossmann hat es ja bereits angesprochen –: Durch einen Abänderungsantrag der Regierungsparteien ist es nun so, dass ehrenamtliche Sanitäter für das Ansuchen um einen Strafregisterauszug und auch dessen Ausstellung keine Gebühr mehr zahlen müssen. Sie ersparen sich damit


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66. Sitzung / Seite 94

zweimal 13 € und sind so von der Gebühr befreit. Es ist richtig und notwendig, dass jemand, der sich ehrenamtlich für so eine Tätigkeit zur Verfügung stellt – und unsere Rettungsorganisationen sind durchaus darauf angewiesen –, nicht auch noch finanziell belastet wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.00

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Moser. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.01

Abgeordneter Mag. Johann Moser (SPÖ): Hohes Haus! Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Schon der österreichische Ökonom und Kurzzeit-Finanzminister Joseph Schumpeter hat 1912 festgestellt, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen einem gut ausgebauten Finanzsystem und einer florierenden Wirtschaft gibt. Schum­peters These war auch, dass Innovationen die treibende Kraft erfolgreichen Wirtschaf­tens sind. Solche Innovationen haben zwischenzeitlich auch auf den Finanzmärkten Platz gegriffen: bei Finanzinstitutionen und bei Finanzprodukten, sei es auf Anleger­seite oder sei es auf Finanzierungsseite. Sowohl gutwillige als auch bösartige Finanz­akrobaten finden mittlerweile ein reiches Betätigungsfeld. Länderübergreifende gesell­schaftsrechtliche Verflechtungen, institutionelle Verflechtungen, produktmäßige Ver­flechtungen, gegenseitige Risikoübernahmen erhöhen die Undurchsichtigkeit. In diesem Umfeld bleiben die Schwachen, die Uninformierten auf der Strecke. – Das ist nicht unser Ziel, das ist nicht Ziel der Sozialdemokratie! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Menschen sollen ihr Erspartes sicher anlegen können. In Österreich sind dafür 1 300 Milliarden € verfügbar, daher müssen wir Sicherheit für die Leute schaffen.

Vieles ist bereits gesagt worden, aber eines ist besonders wichtig: Märkte brauchen zum Funktionieren Transparenz, Wettbewerb, klare Regeln, Mindeststandards und Aufsicht. Das vorliegende Finanzkonglomerategesetz ist vielleicht ein erster Schritt in diese Richtung, mit dem mehr Transparenz und mehr Sicherheit für die Anlage geschaffen wird. Daher unterstützen wir Sozialdemokraten dieses Gesetz und werden ihm zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.03

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Neudeck. 4 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter. Sie können die Redezeit aber auch unterschreiten, wie alle Vorredner, das ist Ihnen völlig freigestellt. (Abg. Neudeck – an das Rednerpult tretend –: Danke, aber herauskommen werde ich schon!)

 


20.03

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Finanzkonglomerategesetz wird die vor einigen Jahren eingeführte Finanzmarktaufsicht den modernen Bedürfnissen der Globalisierung angepasst, den Zusammenschlüssen von Banken, Versicherungen et cetera zu großen Finanzdienstleistern Rechnung getragen und somit der Konsumen­tenschutz für Anleger, Versicherte et cetera verbessert.

Das gegenständliche Gesetz basiert auf einer Vier-Parteien-Einigung und daher ist eigentlich – aber auch auf Grund der vielen Vorredner – nicht mehr notwendig, darauf näher einzugehen.

Interessant ist allerdings, dass die Sozialdemokratie einer fast 30-prozentigen Ermäßigung und Pauschalierung bei den Visa nicht zustimmt, aber das ist man ja in der Zwischenzeit schon gewöhnt, nämlich: Steuern erhöhen, aber nicht ermäßigen!


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66. Sitzung / Seite 95

Ich möchte kurz auf die Ausführungen des Kollegen Marizzi eingehen, von dem ich mir wünschen würde, dass er ein bisschen weniger Zeitung liest und ein bisschen mehr in Ausschüsse geht, und ihm sagen: Der BUWOG-Verkauf wird die Mieten so lange nicht erhöhen, so lange Freiheitliche in der Regierung sind, weil wir garantieren, dass das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz nicht sozusagen aufgemacht wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Eder nickt schon, das heißt, er stimmt zu. Die beiden Hände noch zusammen, dann ist es ein Applaus und du kommst ins Protokoll, Kollege! (Zwischenruf des Abg. Eder.)

Kollege Marizzi! (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ja, das ist ja die Gefahr! Deswegen ist es ja gut, dass da ein Besserungsschein eingeführt wurde, denn die Gefahr, dass die Sozialdemokratie, wenn sie wieder am Ruder ist, das Wohnungsgemeinnützig­keits­gesetz aufmacht und dann die Mieten erhöht, ist sehr groß. Wenn ich mir Ihre Verflechtungen im sozialen Wohnbau anschaue, dann muss ich sagen: Das ist nahe liegend, denn dann fließt wieder viel Geld in die SPÖ-Parteikasse. – Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.05

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.05

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Neudeck, ich würde mich an Ihrer Stelle um Ihre Kasse kümmern, nicht um unsere! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist eigentlich spannend, wenn man hier aufmerksam zuhört: Es geht um eine Gebührenerhöhung in gewissen Bereichen, und fast alle Redner, die dazu gesprochen haben, haben von einer EU-Rechtsanpassung gesprochen, haben also davon ge­sprochen, dass das eigentlich von der EU kommt. – Wenn ich mich recht an die Kommentare am Wahlabend der EU-Wahl erinnere, haben wir ja alle zusammen – oder jedenfalls die meisten – großartig gesagt: Wir müssen uns bemühen, die EU unseren Bürgern besser zu verkaufen! – Wenn wir hier heraußen ständig davon reden, dass wir eigentlich ja ohnehin nicht wollen, aber EU-Recht-Anpassungen vornehmen müssen, dann werden die Bürger sagen: Oje, die in Brüssel sind schuld, dass die Gebühren erhöht worden sind!

Ich denke mir, wir sollten auch hier in diesem Hohen Haus damit beginnen, uns wirklich einmal Gedanken zu machen: Warum müssen wir denn Maßnahmen an das EU-Recht anpassen? – Weil es Beschlüsse in Brüssel gibt, die ja nicht vom Himmel fallen, sondern die dort in Räten und sonstigen Gremien beschlossen werden! Es wäre also einmal ganz spannend, das nicht immer auf die EU zu schieben, sondern dazu zu stehen, dass Gebühren erhöht werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollegin Rossmann hat gemeint, bei der Euro-Umstellung seien den Bürgern hunderte Millionen € deswegen zugeführt worden, weil die Regierung abgerundet habe. Heute haben wir ein Beispiel, wie diese Abrun­dungen ausschauen! Das, meine liebe Frau Kollegin, sind keine Abrundungen, und die Bürger haben das ja auch sehr genau gespürt, wie Ihre Abrundungen seit 2000 ausschauen. Wissen Sie, was die Abgaben- und Steuererhöhungen seit 2000 aus­gemacht haben? – Das waren genau 4 930 Millionen €, sehr geehrte Frau Kollegin! Wissen Sie, was die Bürger beim „großen Wurf“ – Sie wissen schon, Steuerreform –zurückbekommen? – Sie bekommen genau 4 600 Millionen € zurück. Den Bürgerinnen und Bürgern fehlen also nach wie vor 330 Millionen € an Einkommen, an Kaufkraft.


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Erzählen Sie den Bürgern daher lieber nicht, dass Sie ihnen so viel zurückgegeben haben.

Das Problem dabei ist allerdings, dass die Gebührenerhöhungen, die sie hier mit­machen, die Bürger noch einmal treffen werden, denn wenn – und jetzt komme ich wieder zu meinem Spezialgebiet Gemeinden – die Gemeinden von diesem Finanz­minister und seinem Staatssekretär weiterhin so behandelt werden, dann werden die Gemeinden auch gezwungen sein, ihre Gebühren zu erhöhen. Jetzt höre ich schon Kollegen Auer, der da sagt: Meine Kanal- und Wassergebühren sind kostendeckend! – Das schauen wir uns einmal an, ob da auch Abschreibung und alles andere drinnen ist! – Wir haben aber auch Kindergartengebühren, Gebühren in Pflegeheimen, wir haben im Sozialbereich jede Menge Gebühren, und, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist eine Tatsache, dass die Delogierungen und die Privatkonkurse zuneh­men. – Also da müssen wir uns schon schön langsam überlegen, wie wir unsere Bürger wirklich entlasten. Das kann so nicht weitergehen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)

Lassen Sie mich noch einen Satz zu einem Tagesordnungspunkt im Finanzausschuss sagen, der heute hier leider nicht zur Debatte steht, weil er dort enderledigt wurde, nämlich der Bericht des Finanzministers über den Katastrophenfonds. – Ich bitte Sie wirklich sehr inständig – alle Fraktionen hier herinnen! –, sich noch einmal genau zu überlegen, ob es gescheit ist, 130 Millionen €, die man nicht für Hochwasser-Schutz­bauten in Anspruch genommen hat, ins Budget zurückzuführen. Jeder, der sich damit beschäftigt, weiß, dass noch fast nichts geschehen ist. Es konnte nichts geschehen, weil diese Projekte enorm lange Zeit benötigen. Jetzt beginnen wir schön langsam mit Schutzprojekten, und jetzt ist dieses Geld weg. Wie wir wieder zu dem Geld kommen können, hat mir noch keiner erzählt, aber die Bürgerinnen und Bürger in allen Bereichen oder Gebieten, die das Hochwasser erlebt haben, werden es nicht ver­stehen, wenn wir diese Gelder ins Budget zurückführen und nicht sinnvolle Schutz­vor­richtungen für diese Bürgerinnen und Bürger bauen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.10

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Doppler. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.10

Abgeordneter Anton Doppler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Ausführun­gen beziehen sich auf die Änderung des Gebührengesetzes. Da ich als Parlaments­neuling mich heute erstmals zu Wort melde, erlauben Sie mir bitte eine kurze Vor­stellung. Mein Name ist durch den Aufruf bereits bekannt. Ich bin 1956 geboren, komme aus St. Jakob im Walde, dem schönsten Blumendorf Europas, zugleich der nördlichsten Gemeinde des Bezirkes Hartberg, bin verheiratet und Vater zweier erwachsener Töchter. (Allgemeiner Beifall.)

Ich habe nach der Volks- und Hauptschule den Beruf des Einzelhandelskaufmannes erlernt. Zurzeit bin ich Angestellter in einer Versicherung und seit 1995 Bürgermeister der Gemeinde St. Jakob im Walde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Gaßner: Mehr Bürgermeister als Nationalrat!)

Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zu dem in Behandlung stehenden Gebührengesetz aus dem Jahre 1957 in der geltenden Fassung möchte ich im Beson­deren darauf verweisen, dass die Entscheidung des Rates der EU vom 13. Juni 2003 die Anpassung an die zwingende Regelung notwendig macht. Die geltende Rechtslage entspricht nicht dem EU-Recht. In der Vorlage wird eine moderate Gebühren­anpas-


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sung, verbunden mit einer Verwaltungsvereinfachung, vorgeschlagen, welche weitest­gehend aufkommensneutral sein wird.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Weiters möchte ich auf den Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn und Kollegen verweisen, welcher eine Gebührenbefreiung von Strafregistereingaben und die Ausstellung von Straf­register­bescheinigungen für berufsmäßige und ehrenamtliche Sanitäter vorsieht. Gerade die Tätigkeit als Sanitäter dürfen nur jene Personen ausüben, die neben anderen Voraussetzungen auch die für die Erfüllung der Pflichten des Sanitäters erforderliche Vertrauenswürdigkeit besitzen. Diese Vertrauenswürdigkeit ist vor Beginn der Tätigkeit durch die Vorlage eines Strafregisterbescheinigung nachzuweisen. Ehren­amtliche Rettungsorganisationen leisten Großartiges in der Gesellschaft, und ich glaube, dass es gut ist, dass wir diese Befreiung mittragen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Ihre Zustimmung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.13

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. 4 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


20.13

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Erlauben Sie mir, dass ich am Ende noch einmal kurz zum Lenkungseffekt Stellung nehme, den Sie bei der Erhöhung der Visagebühren, sich auf die Europäische Union berufend, jetzt durch den Nationalrat werden durchführen lassen.

Herr Staatssekretär! Ich akzeptiere es, dass man sich EU-Vorschriften nicht entzieht und dass man gemeinsames Vorgehen auch national und in den innerstaatlichen Bestimmungen entsprechend festlegt. Allerdings ist es immer auch eine Frage der Phantasie, nämlich auch der politischen Phantasie, wie man bestimmte Dinge angeht.

Herr Staatssekretär! Sozusagen durch das Einbekenntnis dessen, dass sich die Euro­päische Union mit den Stimmen der österreichischen Vertreter in den diversen Gremien da einverstanden erklärt hat, frage ich mich, wie es uns als nationalen Parlamentariern, wenn wir mit solchen Bestimmungen konfrontiert sind, künftig bei ähnlichen Dingen möglich sein sollte, auch auf Spezifika, die es gibt – alle Länder sind nicht über einen Kamm zu scheren –, hinzuweisen. Vor allem: Wie bekommen wir Information darüber, ob das passiert ist oder nicht? Da wir sie nicht haben, können wir nur mutmaßen.

Ich mutmaße jetzt, dass kein Mensch dort auf die spezifische österreichische Situation mit jenen ZuwanderInnen in Österreich und mit den spezifischen Ländern, aus denen sie kommen, hingewiesen hat. Die meisten von ihnen haben heute die österreichische Staatsbürgerschaft, aber sie haben nicht ihre Verwandten in Österreich, sondern zu Hause. Die Frau Kollegin Hagenhofer hat auf ein spezielles Land, nämlich Bosnien-Herzegowina, hingewiesen, und zwar deshalb, weil wir heute mit dem Präsidenten des bosnisch-herzegowinischen Völkerrates genau auch darüber diskutiert haben, denn von dort kommen die meisten, die noch ein Visum für Österreich brauchen. Schengen-Staaten und EU-Staaten brauchen es nicht mehr, aber jene Länder des ehemaligen Jugoslawien, mit denen es die intensivsten menschlichen, persönlichen, aber auch wirtschaftlichen Kontakte gibt, die werden hier schlicht und einfach durch das, was auch die Menschen in der Europäischen Union vielfach so kritisieren, durch dieses Nichteingehen auf spezifische Situationen, einfach überfahren.


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Wenn das österreichische Politik ist, dass man mit dem Geld der Allerärmsten Len­kungseffekte erzielt, indem man auf der einen Seite dort abkassiert und auf der anderen Seite sagt: Ich gestalte Visagebühren so, denn es sind nur arme Länder, die davon betroffen sind, von den paar reichen, die es gibt, rede ich nicht!, dann ist das bitte, Herr Staatssekretär, ein Armutszeichen der Europäischen Union, das ich hier gar nicht näher bewerten möchte. Da lügt sich doch die Europäische Union selbst – und damit auch Österreich – in die eigene Tasche, wenn sie immer wieder beteuert: Wir müssen Bosnien-Herzegowina helfen, wir müssen Serbien und Montenegro helfen, wir müssen die Länder unterstützen auf dem Weg zur Demokratisierung und beim wirt­schaftlichen Aufbau! Aber wenn es darum geht, abzukassieren bei Besuchsvisa für unsere österreichischen Staatsbürger und ihre Angehörigen, die noch dort sind, da kümmern wir uns nicht um diese Versprechen der Förderungen! – Das ist die erste Bemerkung.

Zweite Bemerkung: Österreich misst, was die Umsetzung von EU-Vorschriften angeht, wahrlich mit mehrerlei Maß, lese ich doch hier in den Erläuterungen, dass – und jetzt nehme ich zur Kenntnis, dass es unter Umständen sein muss, aber wann muss es sein? – die Umsetzung am 1. August 2005 erfolgt sein muss. Wann tritt das bei uns in Kraft? – Am 1. August 2004!

Wenn das, Herr Staatssekretär, nicht unverschämte Abkassiererei bei den Ärmsten der Armen ist, die hierher nach Österreich kommen wollen, um ihre Verwandten zu besuchen – ich beziehe mich diesmal nicht auf die Behinderungen des Tourismus –, dann weiß ich auch nicht mehr, wo wir sind. Da, Herr Staatssekretär, sollten Sie sich schon darauf besinnen, dass Sie immer noch eine christlich-soziale Partei vertreten. (Abg. Mag. Posch: Seit wann?) Seit wann, fragt Kollege Posch. Ich habe auch den Eindruck, es ist nur mehr eine neoliberale Partei. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.18

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht offenkundig kein Schlusswort.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Finanzkonglomerategesetz erlassen wird sowie das Versiche­rungsauf­sichtsgesetz, das Bankwesengesetz und weitere Gesetze geändert werden, samt Titel und Eingang in 520 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf die Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gebührengesetz, das Bewertungsgesetz, das Bodenschätzungsgesetz und das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz geändert werden, in 521 der Bei­lagen.

Hierzu haben die Abgeordneten Dr. Matznetter, Kolleginnen und Kollegen ein Verlan­gen auf getrennte Abstimmung gestellt.


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Ich werde zunächst über die vom Verlagen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetz­entwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen lassen.

Wir gelangen somit zur getrennten Abstimmung betreffend Artikel I Z 1a und 5a in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist in getrennter Abstimmung einstimmig angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung erteilen, um ein dies­bezügliches Zeichen. – Das findet die Mehrheit und ist damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Antrag findet die Mehrheit des Hohen Hauses und ist damit auch in dritter Lesung angenommen.

Ich lasse jetzt über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gebüh­renanspruchsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 522 der Beilagen abstimmen.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hierfür eintreten, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Der Entwurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte auch hier wiederum um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung oder Ablehnung. – Auch in dritter Lesung ist der Entwurf einstimmig angenommen.

8. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (454 d.B.): Ab­kommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen zur Vermei­dung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (524 d.B.)

9. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (494 d.B.): Abkom­men zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Moldau zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (525 d.B.)

10. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 386/A der Abgeordneten Fritz Neugebauer, Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundes-Personalvertretungsgesetz, BGBl. Nr. 133/1967, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 130/2003, geändert wird (527 d.B.)


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11. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 388/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Garantiegesetz 1977 geändert wird (528 d.B.)

12. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (480 d.B.): Bun­desgesetz zur Bereinigung von Bundeshaftungsgesetzen (Bundeshaftungs­rechtsbereinigungsgesetz) (526 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zu den Punkten 8 bis 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir treten in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Wunschredezeit: 7 Minu­ten. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


20.22

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Es sind fünf Tagesordnungspunkte unter einem zu verhandeln. Unsere Fraktion wird bei einem Punkt dagegenstimmen, beim Punkt 11 der Tagesordnung. Nachdem ich aber davon ausgehe, dass auch die SPÖ-Fraktion bei diesem Punkt dagegenstimmt, ist offensichtlich in der Vorbereitung der Rednerreihung irgendetwas durcheinander gekommen, sodass jetzt ich in den Genuss der Erstrede gekommen bin. Ich will mich aber trotzdem nur kurz fassen.

TOP 8 und 9: Doppelbesteuerungsabkommen. Eigentlich noch einmal hervorhebens­wert ist für uns TOP 12. Darauf wird vielleicht auch der Herr Ausschussvorsitzende Stummvoll noch einmal eingehen, weil er heute das konsensuale Klima auch anlässlich dieses Punktes schon im Voraus gelobt hat.

Hier geht es um Haftungsübernahmen des Bundes für bestimmte öffentliche Einrich­tungen und sogar Unternehmungen. Es hat sich herausgestellt, dass wir differenzieren müssen gegenüber dem Vorschlag, den wir vom Finanzministerium bekommen haben. Dort war im Zuge der Entrümpelung von Gesetzesmaterialien die an sich sinnvolle Übung angedacht, dass Haftungen, die quasi totes Recht sind, wenn man das so salopp ausdrücken darf, tatsächlich insoweit bereinigt werden, als man sie einfach aus den Gesetzeswerken nimmt, weil sie einfach im Laufe der Zeit jede Sinnhaftigkeit – durch Ablauf im Wesentlichen – verloren haben; nicht so bei fünf Haftungen, die unter etwa 40 aufgezählt wurden, die noch weiterleben würden.

Es hat sich herausgestellt, dass wir als Republik beziehungsweise auch als Firma – als Verbund zum Beispiel; ich glaube, die sind da noch dabei – einen gewissen Nachteil erleiden würden gegenüber dem Status quo, wenn wir die jetzt auch herausnehmen würden, weil dann nämlich für die Zukunft rechtlich etwas anderes gelten würde, nämlich bestimmte EU-Vorschriften, die diese Haftungsübernahmen in gleicher Form entweder gar nicht zulassen oder jedenfalls nur unter bestimmten Voraussetzungen zulassen.

Jetzt mag man der Meinung sein, dass auch das gescheit ist, weil sich die EU bei der dort verabschiedeten Richtlinie auch irgendetwas gedacht hat beziehungsweise die


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Richtlinie eine eigene Weisheit beinhaltet. Das kann ich weniger beurteilen. Wir haben uns da ganz pragmatisch auf die Position zurückgezogen, dass wir hier ohne Not eine Möglichkeit für die Republik und für die entsprechenden Unternehmungen erfahren lassen würden. Deshalb ist es jetzt im Vier-Parteien-Konsens – es liegt dann auch ein entsprechender Abänderungsantrag vor– so geregelt, dass vorläufig nur jene Haftun­gen beseitigt werden sollen, die ohnehin jede rechtliche Relevanz verloren haben.

Wichtig erscheint mir aber noch der Hinweis auf den Punkt 11 der Tagesordnung. Hier geht es um das Garantiegesetz. Das hat sehr viel mit der – wie ich meine, nicht ganz zu Unrecht – in Verruf geratenen AWS zu tun, mit der Austria Wirtschaftsservice GmbH, die wir eigentlich vor wenigen Jahren noch mit großer Hoffnung hier installiert und verabschiedet haben. Wir ersparen uns jetzt um diese Uhrzeit wahrscheinlich eine polemische Auseinandersetzung um diese leidige Angelegenheit. Ich beschränke mich darauf, festzustellen, dass dort institutionell nicht alles zum Besten steht.

Mit dieser Novelle erfolgt nun eine an sich rein theoretisch aus meiner Sicht durchaus vertretbare Abklärung von bestimmten Fondstöpfen. Jetzt ist aber das Problem, dass wir hier auch auf eine bestimmte Praxis rekurrieren müssen. Es mag finanztheoretisch schlau sein, dass wir verschiedene Haftungsobergrenzen, die in verschiedenen Töpfen gelten, insoweit zusammenführen, dass wir das für das gesamte Fondvolumen einfach sozusagen aufsummieren und damit die Haftungsgrenzen insgesamt in die Höhe heben, aber es spielen sich hier dann Risikoverschiebungen ab, es kommt zu einer erhöhten Flexibilität für die Institution, das ist ganz klar, es tritt aber in der konkreten praktischen Situation auch etwas anderes ein: Der – wenn man so will – Gesetzgeber, der Nationalrat, der ja hier die entsprechenden Obergrenzen pro Topf festlegen darf, beraubt sich selbst einer bestimmten Mitsprachemöglichkeit, indem er das zusam­menführt. Dagegen wenden wir uns in der jetzigen Situation sehr wohl.

Aus unserer Sicht macht es noch einen Sinn, die Töpfe so zweckzuwidmen, wie sie vorgesehen sind, und auch die entsprechenden Obergrenzen dort zu belassen. Was droht, ist – und mit dieser Meinung stehen wir nicht alleine da, Rechnungshofpräsident Fiedler hat das anlässlich einer Ausschussverhandlung, in der genau diese Frage­stellungen behandelt wurden, selbst so beantwortet –, dass nämlich da Transparenz und eine gewisse Mitgestaltungsmöglichkeit des Parlaments verloren gehen.

Das ist für mich eigentlich ausreichend, um zu sagen, dass wir gerade vor dem Hintergrund der jetzigen Verfasstheit des AWS dieser Sache nicht zustimmen. Es sind hier finanztheoretisch vielleicht doch sinnvolle Möglichkeiten nicht mit der Realität in Einklang zu bringen, weil es momentan sicher günstiger ist, dass bestimmte Vorgänge und bestimmte Geschäftsgebarungen im AWS noch stärker kontrolliert werden.

Deshalb zu diesem Punkt unsere Ablehnung. Sonst gibt es, wie gesagt, überall unsere Zustimmung. Ich darf auch noch einmal darauf verweisen, dass die Sache der Abän­derungen jetzt unter den Fraktionsführern durchaus einvernehmlich gelöst worden ist. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.28

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nun spricht Herr Abgeordneter Neugebauer 6 Minuten zu uns. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.28

Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zum Tagesordnungspunkt 10 drei Anmerkungen zu den Schwerpunkten:

Der erste Punkt betrifft den § 11. Durch die Organisationsänderung im Finanzminis­terium – nun werden statt der Finanzlandesdirektion Regionalmanagements eingerich-


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tet – sind die entsprechenden korrespondierenden Personalvertretungsorgane zu gestalten. Das geschieht mit dieser Passage.

Punkt zwei: Mit 1. Mai ist der Wachekörper Zollwache aufgelöst. Es sind mehr als 2000 Kolleginnen und Kollegen beinahe zu 100 Prozent wunschgemäß zum Teil in das Bundesministerium für Inneres, zum Teil in Zollagenden als Verwaltungsbeamte im Finanzministerium verblieben. Damit endet auch die Tätigkeit des Personalvertretungs­organs. Ich halte aber fest, das natürlich bis zum Ende der Funktionsperiode der Personalvertretung die Funktion des gewählten Personalvertreters an sich noch an­dauert. Ich bedanke mich bei den Zollwachebediensteten, dass diese nicht ganz einfache Überleitung doch auch sehr gut von der Kollegenschaft mitgetragen worden ist und letztendlich reibungslos über die Bühne gegangen ist.

Dritter Punkt: Organe der Personalvertretung müssten im Finanzministerium seit 1. Mai verändert werden. Im Hinblick darauf, dass im Spätherbst dieses Jahres an sich turnusmäßig Personalvertretungswahlen stattfinden werden, wird die Funktionsperiode für diese Organe bis zu den Personalvertretungswahlen – voraussichtlich 1. und 2. Dezember dieses Kalenderjahres – verlängert.

Vierter und letzter Punkt: Ich erlaube mir, folgenden Antrag einzubringen:

 Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn und Kollegen zum Antrag 386/A der Abgeordneten Neugebauer, Bucher betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Personalvertretungsgesetz, BGBl. Nr. 133/1967, geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Dem § 16 Abs. 7 wird folgender Satz angefügt.

„Für Bundesbedienstete, die nicht an einer Dienststelle des Bundes verwendet werden und nur für die Wahl des Zentralausschusses wahlberechtigt sind, können Sprengel­wahlkommissionen an der Einrichtung, der sie zur dauernden Dienstleistung zugewie­sen sind, bestellt werden.“

*****

Das hat den Sinn, dass wir nicht nur in großen Organisationseinheiten auf die Briefwahl angewiesen sind, sondern auch in Sprengeln direkt die Kolleginnen und Kollegen, wie etwa an den Universitäten, wählen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich lade Sie ein, den Anträgen zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.30

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Abgeordnetem Fritz Neugebauer verlesene Abänderungsantrag der Abgeordneten Stummvoll, Prinzhorn und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespersonalvertretungsgesetz geändert wird, ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Johann Moser. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort, Herr Abgeordneter.

 


20.30

Abgeordneter Mag. Johann Moser (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Staatssekretär! Wir werden den Tagesordnungspunkten 8, 9, 10, 12


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zustimmen, jedoch beim Punkt 11 der Tagesordnung dagegen sein. – Ich darf das wie folgt begründen.

Diese Änderung des Garantiegesetzes erfolgt vor einer eigentlich lahmenden Wirtschaft, und daher ist diese Wirtschaftsförderungseinrichtung von besonderer Bedeutung. Vordergründig geht es um die Flexibilisierung – wie Kollege Kogler schon erwähnt hat – der drei Instrumente Inlandsgarantien, Garantien für den Ost-West-Fonds und Kapitalgarantien. Das sind die vordergründigen Kriterien, worum geht es aber eigentlich wirklich? – In Wirklichkeit geht es um den Abtausch der Kapital­garantien auf Kosten der real wirksameren Garantien für Inlandsinvestitionen und für die Ost-West-Garantien. Das ist keine Verbesserung der Förderungssituation, weil privaten Kapitalgebern die Haftung gegeben wird und neue Investitionen in diesem Zusammenhang eigentlich unklar sind. Es bleiben in diesem Gesetz weniger Haftungsmöglichkeiten für die inlandswirksamen Investitionen, für die Inlandsgarantien. Das heißt: Weniger Investitionen können im Inland gefördert werden. Das ist der Kernpunkt!

Studiert man die Erläuterungen zu dieser Änderung genau, dann kann man sagen: Auf den ersten Blick ist da eigentlich überhaupt keine Notwendigkeit zur Änderung ableitbar. Die Haftungsrahmen werden mit 43 Prozent für die Inlandsgarantien beziehungsweise mit 37 Prozent für die Ost-West-Garantien und Kapitalgarantien angegeben. Warum braucht man diese Änderung? Weiß die Geschäftsführung des Austria Wirtschaftsservice vielleicht mehr? Gibt es Bedrohungspotentiale, die diese Änderungen notwendig machen?

Ich sage: Ja, es gibt sie. Die Förderlandschaft der Austria Wirtschaftsservice GesmbH, die so genannte unternehmensbezogene Wirtschaftsförderung, steht bei den Kapital­garantien vor dem Kollaps. Ich habe die Zahlen sehr genau studiert, und das Ergebnis, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ernüchternd! Das Volumen ist seit 2001 ständig gesunken. Es gibt für die Wirtschaft immer weniger Geld und immer weniger Haftungen. Sie nehmen der Wirtschaft Geld weg und lenken es in Richtung Invest­mentfonds!

Wir Sozialdemokraten sind für die Belebung des Kapitalmarktes, aber nicht auf Kosten der Wirtschaft, nicht auf Kosten der vielen fleißigen Gewerbetreibenden, nicht auf Kosten von Kaufleuten und nicht auf Kosten von KMUs! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kopf, der Generalsekretär des Wirtschaftsbundes, der heute leider nicht an­wesend ist, hat uns unterstellt, dass wir bezüglich AWS unseriös agieren, dass wir falsch informieren beziehungsweise dass wir bewusst mit Zahlen jonglieren. (Abg. Lentsch: Er ist krank!) Ich frage ihn in Abwesenheit: Warum muss man trotzdem das Garantiegesetz ändern? Das ist eine Kernfrage. Sie wissen es nicht! Sie wollen das AWS-Desaster ignorieren! Sie beten – das kann man nachvollziehen – AWS-Aussendungen nach und sind offensichtlich sehr schlecht informiert.

Was läuft falsch in dieser Austria Wirtschaftsservice GesmbH? Ich sage: Die Austria Wirtschaftsservice verprasst Geld der Steuerzahler. Ich sage: Die AWS-Geschäfts­führung hat sich einen Palast geschaffen. Gehen Sie in die Ungargasse 37, schauen Sie sich das an! Die Mieten dort explodieren, haben sich vervielfacht. Die Personal­kosten haben sich innerhalb von drei Jahren um 15 Prozent erhöht. Geschäftsführer drücken sich dort die Klinke in die Hand, weil sie permanent abgelöst werden, Auf­sichts­räte laufen davon, Fördervolumina gehen zurück, die AWS wird zum Zuschuss­betrieb. Jetzt muss zur Rettung der AWS das Garantiegesetz geändert werden. Wer hier noch behauptet, alles sei paletti, der hat jeden wirtschaftlichen Sachverstand verloren! (Beifall bei der SPÖ.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten sind für eine offensive Wirtschaftsförderung. Die Änderung dieses Gesetzes ist das Gegenteil. Das Ziel dieser Änderung ist nicht erkennbar, daher sind wir auch dagegen. Ich fordere Sie von der Regierungsseite auf, dass Sie zuerst Ihre Hausaufgaben machen und das AWS-Desaster beseitigen. Ich fordere Sie auf: Machen Sie, bevor Sie dieser Änderung zustimmen, eine Wirkungsanalyse dieser drei Garantieinstrumentarien, und gehen Sie dann auf Grund dieser Analyse weiter vor! Sie werden sehen, dass die österreichische Wirtschaft durch diese Änderung keinen Vorteil hat.

Wir lehnen daher diese Husch-Husch-Aktion ab. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.37

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Bucher. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.37

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die beiden Doppelbesteuerungsabkommen sind eigentlich die Weiterführung von Abkommen mit einzelnen Ländern auf bilateraler Ebene, um die Rechtssicherheit im Bereich der Besteuerung von selbständigen oder unselbständigen Beschäftigten zu gewährleisten, die in diesen Ländern, in diesem Fall in Polen oder in Moldawien, tätig sind. Ich möchte mich damit nicht zu sehr aufhalten, sondern zu dem Garantieänderungsgesetz kommen, das auch von meinem Vorredner andiskutiert wurde, im Speziellen auch betreffend AWS.

Ich glaube, dass wir gerade heute eine sehr wichtige gemeinsame Entscheidung getroffen haben, nämlich das Nationalstiftungsgesetz, gemäß welchem frisches Kapital für die Wirtschaft, für die Forschung, für Technologie und Entwicklung von uns allen beschlossen wurde und immerhin 125 Millionen € zur Verfügung stehen werden.

Ein weiterer Punkt ist natürlich eine gezielte Wirtschaftsförderung. Wir sollten uns alle einig sein, dass diese Wirtschaftsförderung auch gezielt jenen Unternehmen zugute kommt, die diese Kapitalspritzen auch brauchen. Eine dieser sehr wichtigen Maß­nahmen, um die Wirtschaft auch wieder auf Vordermann zu bringen, stellt das Instru­mentarium in Form der Austria Wirtschaftsservice GesmbH dar.

Ich erkenne diesbezüglich nicht die Missstände, welche die SPÖ geschildert hat. Ich kenne zwar die Problemfelder im Bereich der Geschäftsführer, aber betreffend die inhaltliche Arbeit des AWS gibt es aus Sicht der Wirtschaft keine großen Rekla­ma­tionen. Ich glaube, dass es gerade jetzt wichtig ist, eine Offensive anzugehen, wo wir erkennen, dass es in nächster Zukunft zu einem spürbaren Aufschwung kommen wird beziehungsweise wir am Beginn eines Aufschwunges stehen und dass die Export­förderung sehr wichtig ist. Die Exporte nehmen wieder einen sehr positiven Verlauf, und es wurden gerade im ersten Quartal dieses Jahres großartige Erfolge erzielt.

Ich denke, dass es sehr wichtig ist, dem AWS auch eine Haftungsgarantie zukommen zu lassen, die es ihm ermöglicht, über diese 1 Milliarde € zu verfügen, um der dynamischen Wirtschaft Kapital zur Verfügung zu stellen, sodass wir nicht jedes Mal vor die Situation gestellt sind, bei neueren Haftungsgarantien einen Beschluss zu fassen. Es ist dies aus unserer Sicht eine flexible Handhabung, um diese Haftungs­ausweitung auch sicherzustellen, ohne – das muss man auch dazusagen – dass das Gesamtobligo des Bundes verändert wird. – Es ist dies also aus unserer Sicht eine praktische Lösung im Interesse der Wirtschaft Österreichs. (Beifall bei den Freiheit­lichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.40

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


20.41

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte auf die Ausführungen von Herrn Abgeord­netem Moser eingehen.

Durch diese Änderungen im Garantiegesetz wird der Gesamtrahmen von 2 175 000 000 € nicht berührt. Es ändert sich in diesem Sinne überhaupt nichts, sondern es soll dieser Gesamtrahmen durch flexible Umschichtungen besser genützt werden können.

Es stimmt auch nicht die Behauptung, dass wir vor einer prekären finanziellen Lage stehen. Per 31. Dezember 2003 war der Haftungsrahmen bei Inlandsgarantien zu 45 Prozent genutzt, und bei Garantien im Rahmen des Ost-West-Fonds und bei Kapitalgarantien haben wir den Rahmen zu rund 37 Prozent genutzt, wir haben also überhaupt nichts überzogen, es ist genügend vorhanden, die AWS ist somit voll geschäftsfähig.

Zu den Fragen der Anmietung haben wir im Rechnungshofausschuss eine längere Diskussion geführt, da waren die Geschäftsführer ja anwesend. – Die Mietkosten betragen derzeit durch einen Standortwechsel 641 000 €. (Zwischenruf des Abg. Grad­wohl.) Darin sind aber noch disponible, weiter untervermietbare Flächen im Ausmaß von 500 Quadratmetern enthalten. Verhandlungen sind im Gange. Die Mietkosten werden sich auf 578 000 € verringern. Es ist richtig, dass die Mietkosten höher sind als die früheren, allerdings nur deshalb, weil es zum Beispiel für die Ex-Bürges und den ERP-Fonds auf Grund deren Unterbringung bisher keine Mietkosten gegeben hat. Wenn man die Mietkosten kalkulatorisch vergleicht, dann kommt in Zukunft eine geringe Anmietung zustande. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.43

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Donner­bauer. 5 Minuten Redezeit; das ist aber keine Obergrenze. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.43

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Hohes Haus! Wie heute schon mehrmals erwähnt, bilden einen Teil der hier unter einem zu behandelnden Materien auch zwei Doppelbesteuerungs-Abkommen, und zwar eines mit Polen und eines mit Moldawien. Diese Doppelbesteuerungs-Ab­kommen schaffen bekanntlich die Grundlage, um auch innerhalb der Europäischen Union wirtschaftliche Beziehungen zwischen verschiedenen Ländern zu ermöglichen und vor allem um Einkommen und Unternehmensgewinne nicht doppelt zu besteuern und damit wirtschaftliche Beziehungen zwischen den einzelnen Ländern fiskalisch zu behindern.

Aber lassen Sie mich über diese Abkommen hinaus, die ja einem Musterabkommen folgen, das von der OECD ausverhandelt wurde und daher inhaltlich nicht Grund für Auseinandersetzungen bieten wird, auch auf die Bedeutung der wirtschaftlichen Beziehungen innerhalb Europas und der neuen größeren Europäischen Union aus diesem Anlass eingehen.

Diese wirtschaftlichen Beziehungen waren in den letzten Jahren für Österreich schon von sehr großer Bedeutung, und zwar gerade jene mit unseren Nachbarländern, die seit 1. Mai bekanntlich mit uns gemeinsam Mitglied der Europäischen Union sind. Wir als angrenzende Region in Zentraleuropa und als Nachbarland zu vielen dieser neuen


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Mitgliedsländer haben schon in der Vergangenheit von den Wirtschaftsbeziehungen überproportional profitiert.

Wenn man sich nur einige Zahlen ansieht, dann kann man feststellen, dass Österreich schon innerhalb der EU-15 einen Anteil von 8 Prozent dieses europäischen Osthandels absolviert, erwirtschaftet und bestritten hat, wenn wir auch nur über 2 Prozent der Bevölkerung der EU-15 verfügt haben.

Eine andere Zahl: Die Exporte mit diesen neuen Mitgliedsländern sind schon in den letzten Jahren auf fast 13 Milliarden € und damit auf mehr als das Dreifache der ursprünglichen Ausgangsbasis angewachsen.

Diese Erfolge österreichischer Unternehmen und deren Mitarbeiter gerade in angren­zenden Nachbarländern, in den neuen Mitgliedsländern der Europäischen Union und darüber hinaus hatten sehr positive Auswirkungen auf den Wohlstand in Österreich, aber auch auf die Beschäftigung in unserem Land. So konnten in den letzten Jahren jährlich 7 000 zusätzliche Arbeitsplätze nur durch die wirtschaftlichen Erfolge mit den neuen Mitgliedsländern, mit unseren Nachbarstaaten vor allem im ehemaligen Ost­block durch unsere österreichischen Unternehmen geschaffen werden. Auch die für Österreich keineswegs so positive Leistungsbilanz der achtziger und neunziger Jahre hat sich dadurch sehr stark gebessert und konnte in den letzten Jahren ausgeglichen und zum Teil auch positiv geführt werden.

Wie gesagt: Eine wichtige Vorraussetzung für solche wirtschaftliche Beziehungen und positive Entwicklungen, von denen gerade wir als Brückenkopf zu diesen neuen Mit­gliedsländern sehr stark profitieren, sind sicherlich Harmonisierungen auf steuerlichem Gebiet. Nur dann, wenn Doppelbesteuerungen verhindert und vermieden werden kön­nen, gibt es für Unternehmen überhaupt wirtschaftliche Anreize, diese Möglichkeiten in den neuen Mitgliedsländern und in unseren Nachbarstaaten zu nutzen.

Aber das sind nicht die einzigen Voraussetzungen. Es sind noch weitere wichtige Voraussetzungen zu schaffen, womit man teilweise in den letzten Jahren begonnen hat. Ich darf nur auf die Infrastruktur im Verkehrsbereich Schiene/Straße hinweisen, die gerade für die Ostregion, für mein Bundesland Niederösterreich und für das Weinviertel ganz besonders wichtig ist. Da ist gemeinsam noch einiges zu tun, und ich darf in einem Nebensatz alle, die an einer wirtschaftlichen Entwicklung unserer Region inter­essiert sind, ersuchen und aufrufen, sich konstruktiv daran zu beteiligen und trotz aller Bedenken, die es bei solchen Verkehrsinfrastrukturprojekten durchaus geben kann, positiv mitzuarbeiten. Diese Bedenken sollen behandelt und es soll ihnen durch entsprechende Maßnahmen begegnet werden. Diese Bedenken sollen aber nicht dazu führen, dass die Schaffung von wichtigen Voraussetzungen dafür, dass sich die wirt­schaftlichen Beziehungen mit unseren Nachbarländern auch weiterhin sehr, sehr po­sitiv für unsere Region auswirken, behindert wird. Dazu möchte ich alle, die an dieser Entwicklung interessiert sind, aufrufen und sie bitten, hier mitzuarbeiten! – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.48

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Moser zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen die Geschäftsordnung: 2 Minuten, keine politischen Wertungen. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


20.48

Abgeordneter Mag. Johann Moser (SPÖ): Herr Staatssekretär Finz hat behauptet, dass die Mietkosten der AWS 587 000 € betragen. – Ich habe in einer parlamen­tari­schen Anfragebeantwortung als Antwort erhalten, dass sie 915 000 € ohne Zusatz­kosten betragen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.48

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Hoscher. 4 Minuten Wunschredezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.49

Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Einige Worte zum Garantiegesetz, zunächst zum Kollegen Bucher: Wir anerkennen durchaus die Intentionen, die sozusagen dahinter stecken, und die Bemühungen in diesem Umschichtungsbereich, aber du hast erwähnt, dass der Gesamtrahmen gleich bleibt, und genau da setzt unsere Kritik an: Wir glauben, dass die Flexibilität, über deren Sinnhaftigkeit man zweifelsohne diskutieren kann, nicht in dem Maße ausgenutzt wird, wie sie ausgenutzt werden könnte, wenn man auch den Rahmen entsprechend erhöhte. Deshalb werden wir dem Garantiegesetz unsere Zustimmung nicht geben. Der Rahmen bleibt eben bei 2,175 Milliarden €, und damit werden – wie schon bei der Steuerreform – keine zusätzlichen Investitionsanreize für die österreichische Wirtschaft generiert. Außerdem ist, ebenso wie bei der Steuerreform, eine Negierung und Nicht­ausnutzung von möglichen vorhanden Multiplikatoreffekten festzustellen, die durchaus im nationalökonomischen Bereich, etwa auch nach Studien des WIFO, noch vor­handen sind und die in Anspruch genommen werden könnten, um das Wirtschafts­wachstum zu stimulieren.

Weil gerade die AWS angesprochen wurde: Vielleicht hätte man die Mietkosten­differenz, die ja offensichtlich im Raum schwebt, in die Aufstockung des Garantie­rahmens stecken können. – Das wäre vielleicht für das Wachstum besser gewesen als die Mietzahlungen! Ein wesentliches Ziel der AWS ist es gerade auch, Unternehmens­neugründungen zu stimulieren. Das ist ein wesentlicher Förderungszweck dieser Ge­sell­schaft. Gerade auch, was junge Unternehmer und Unternehmerinnen angeht, sind Förderungsmaßnahmen sehr wichtig, denn auch das würde gerade im Bereich der Klein- und Mittelbetriebe – nicht nur im Tourismus, aber auch dort – den Arbeitsmarkt wesentlich entlasten und damit auf der anderen Seite wieder Budgeteinsparungen sozusagen aus den Multiplikatoren und aus den automatischen Stabilisatoren heraus generieren.

Dazu zählen eben zeitgemäße Fördersysteme und Investitionsanreize, aber auch die notwendigen Summen, denn die besten Richtlinien bezüglich der Förderungen nützen nichts, wenn das dahinter stehende Geld nicht vorhanden ist.

Gerade Garantien spielen in diesem Bereich auch bei Unternehmensneugründungen eine wesentliche Rolle, und im Unterschied zu den Regierungsparteien hat die SPÖ ja in den letzten Monaten bereits auch in diesem Bereich mit dem Masterplan für junge Unternehmen ein umfangreiches Konzept – auch öffentlich – vorgestellt. Wir laden Sie gerne dazu ein, das auch gemeinsam mit uns zu diskutieren und die Punkte dann umzusetzen.

Ich glaube, dass da unsere Meinungen in etlichen Bereichen gar nicht so weit aus­einander liegen. In diesem Konzept wird naturgemäß auch auf sinnvolle Garantie­instrumente eingegangen, ergänzend zu den bereits von uns eingebrachten Vor­schlägen, etwa was die Steuerreform oder auch Risikokapitalfonds angeht. Unserer Ansicht nach wird die vorliegende Novelle zum Garantiegesetz im Gegensatz dazu kaum zusätzliche stimulierende Effekte im Investitionsbereich haben, und deshalb sehen wir uns leider außerstande, hierzu die Zustimmung zu geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.52

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. 4 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 



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20.52

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst einige kurze Anmerkungen zu den Tagesordnungspunkten 8 und 9. Es sind beides Doppelbesteuerungs-Abkommen, zum einen zwischen Österreich und Polen, zum anderen zwischen Österreich und der Republik Moldau.

Basis hierfür bildet eine OECD-Richtlinie, wobei es hierbei um eine Einkommens- und Vermögensfeststellung geht, die es zu machen gilt. Hierzu sind Grundlagen und Berechnungsmodi festzulegen. Der Zweck ist Transparenz und Rechtssicherheit. Wenn beispielsweise ein Bürger mit Wohnsitz in Österreich in Polen arbeitet, soll eine Doppelbesteuerung hintangestellt beziehungsweise auch eine Steuerumgehung tun­lichst vermieden werden.

Beide Doppelbesteuerungs-Abkommen sind letztlich auch als Förderung der Wirt­schaftsbeziehungen zwischen diesen Staaten zu sehen.

Nun noch einige Anmerkungen zum Bundeshaftungsgesetz: Ursprünglich war ja die Aufhebung von 55 Sondergesetzen für Bundeshaftungen geplant. – Nun sind es 55. Dabei geht das Parlament einmal einen anderen Weg. Normalerweise machen wir in diesem Haus neue Gesetze. Es sollte möglicherweise auch Schule machen, wenn wir nun mit dieser Maßnahme Gesetze, die obsolet sind, beseitigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist eine Aufgabe für das Parlament, und ich kann mir vorstellen, dass eine solche Vorgangsweise durchaus dem einen oder anderen Kollegen Glücksgefühle bereiten würde.

Geschätzte Damen und Herren! Rechtsbereinigung im Zusammenhang mit der Bun­deshaftung bedeutet keinen Eingriff in bestehende Bundeshaftungen, und ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass es sich bei einem Großteil der aufzuhebenden Bundesgesetze um Haftungsübernahmen zugunsten von verstaatlichten Unternehmen handelt, die in dieser Form nicht mehr existieren oder bereits ganz oder teilweise privatisiert sind.

Es sei auch noch angemerkt, dass in einem liberalisierten Marktbereich Haftungs­übernahmen des Bundes für einzelne Unternehmen grundsätzlich problematisch und in der Regel nicht mehr zulässig sind.

Geschätzte Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluss noch kurz eine kleine Sorge mitteilen, die unseren Kollegen Matznetter betrifft. Ich habe nämlich vernommen, dass der Ausschuss sehr kurz getagt hat und dass Ihr Redebeitrag sehr kurz war. Heute haben Sie zu den Tagesordnungspunkten 5 bis 7 ebenfalls nur sehr kurz ge­sprochen. Ich mache mir ernsthaft Sorgen um Sie, Herr Kollege Matznetter! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Matznetter: Um meine Statistik? Die wird in Ordnung sein!)

20.55

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Staatssekretär Dr. Finz hat sich erneut zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


20.56

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Herr Abgeord­neter Moser! Wir reden von derselben Anfragebeantwortung. Die tatsächlichen Miet­kosten für das Jahr 2004 – und das finden Sie in der Anfragebeantwortung – betragen rund 641 000 € und werden sich weiter auf 578 000 € reduzieren. – Das steht auch drinnen.


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Es wurde aber von der AWS-Geschäftsführung ein kalkulatorischer Kostenvergleich hergestellt, weil die Burghauptmannschaft – wie ich schon gesagt habe – für diverse Fondseinrichtungen bisher keine Mieten verlangt. Daher war zwischen der alten und der neuen Örtlichkeit kein richtiger Vergleich möglich. Die 915 000 € sind ein fiktiver, kalkulatorischer Wert. Wie sich das ableitet, geht aus dieser Anfragebeantwortung genau hervor. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.56

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Langreiter. 4 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.57

Abgeordneter Mag. Hans Langreiter (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Änderung des Garantiegesetzes wurde zumindest von jedem zweiten Redner erwähnt. Natürlich wird da dem Finanzminister die Übernahme von Garantien für entsprechendes Kapital bei Inlandsgeschäften erleichtert und der gesetzliche Mindestrahmen erhöht, und das ist auch gut so.

Insgesamt wird damit auch ein flexibleres Management erreicht, und bei der Ausnützung der Haftungsgrenzen wird natürlich auch den Anforderungen des Wirt­schaftsstandortes entsprochen.

Ich möchte mich nicht – wie Kollege Kogler – auf eine polemisierende Ebene begeben, was die AWS betrifft. Meiner Meinung nach ist die AWS ein ganz wichtiges Segment – oder zumindest eine ganz wichtige Institution –, die den Wirtschaftsstandort auch ent­sprechend stärkt.

Kollege Moser hat meines Wissens möglicherweise die Zahlen von 2001 mit denen von 2004 verwechselt, wobei er selbst derjenige war, der sich für eine Kapital­garantie­rahmen-Erweiterung ausgesprochen hat, aber letztendlich hat er dann doch nicht zugestimmt. Damit wird nämlich auch das Fördervolumen für das letzte Jahr erreicht.

Ich möchte jetzt eine Lanze für das Unternehmen brechen, weil die Opposition die AWS immer wieder als Anlass für politisches Hickhack nimmt. Dieses Unternehmen arbeitet gut. Natürlich, Fusionen sind teuer, keine Frage. Fusionen sind nicht kostenlos und auch nicht frei von Friktionen, aber wenn man die Leistungsbilanz der AWS betrachtet, dann sieht man, dass sie positiv ist. Letztendlich ist das ja entscheidend für den Wirtschaftsstandort Österreich.

Die AWS hat im Jahre 2003 zirka 2000 Unternehmensgründungen unterstützt und damit 1 000 Arbeitsplätze geschaffen. 2003 wurde ein Investitionsvolumen in der Höhe von knapp 900 Millionen € mobilisiert, und letztendlich sind in diesem Unternehmen auch an die 200 Mitarbeiter beschäftigt, meine Damen und Herren, und die verdienen es wirklich nicht, dass man sie zum Spielball der Opposition macht.

Ich bin vielleicht einer der wenigen in diesem Hohen Haus, der mit der AWS indirekt als Bürgermeister und Bezirkspolitiker zu tun gehabt hat. Meine Erfahrung mit dieser Förderbank ist eine außerordentlich gute, auch was konkret ein Projekt mit einem Investitionsvolumen von knapp 65 Millionen € betrifft.

Meine Damen und Herren! Die Aufbereitung und die Planung dieses Projektes wurden von der AWS wirklich fachkundig, prompt und den Bedürfnissen entsprechend unter­stützt. Da war keine Rede von irgendwelchen langen Bearbeitungszeiten, sondern ganz im Gegenteil: Die Terminabsprache mit dieser Firma war gut. Wir hoffen, dass wir dieses Projekt in den nächsten Monaten auch wirklich umsetzen können. Letztendlich haben wir das, was wir von der AWS haben wollten, bekommen, denn es ist ja nicht einfach, sich in diesem Förderungskonglomerat auch entsprechend zu orientieren.


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Meine Damen und Herren! Alles in allem ist die Kritik der Opposition, was die AWS betrifft, nicht gerechtfertigt. Wir brauchen dieses Instrument nämlich für den Wirt­schaftsstandort Österreich, wir brauchen es für die Standortentwicklung und auch für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Das ist das Entscheidende! (Beifall bei der ÖVP.)

21.00

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Oberhaidinger 5 Minuten zu uns. – Bitte.

 


21.01

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Regierungsvorlage mit dem wirklich sehr sperrigen Titel „Bundeshaftungsrechtsbereinigungsgesetz“ wurde von einigen meiner Vorredner be­reits angesprochen. Der Titel ist zwar tatsächlich sehr sperrig, aber der Zweck dieser Vorlage ist ein guter, wie schon mehrmals erwähnt wurde. Totes Recht, sage ich ebenfalls so salopp wie einer meiner Vorredner, wird entrümpelt. In der Vorlage waren es ursprünglich 55 Gesetze, vom Jahr 1953 bis ins Jahr 2002, die hiermit bereinigt werden sollten.

Für meine Fraktion hat sich im Finanzausschuss die Frage gestellt, ob mit diesem Gesetz auch Haftungen bereinigt werden, die zum Zeitpunkt unseres EU-Beitritts bestanden haben und die trotz Liberalisierung noch zulässig sind. Ganz konkret ist es uns um fünf Gesetze gegangen, wovon zwei den Verbund betreffen und je eines die AUA, den Flughafen und die Voest.

Wir haben unsere Bedenken dahin gehend eingebracht, ob wir diese Gesetze in genau dieser Form wieder einführen können, wenn wir sie heute abschaffen. Herr Vorsitzen­der Kollege Stummvoll! Ich muss sagen, Sie haben unsere Bedenken aufgegriffen, es wurde darüber diskutiert und nicht einfach drübergefahren, und wir haben in der Aus­schusssitzung vereinbart, dass diese Bedenken geprüft werden. Unter dieser Vor­aussetzung haben wir im Ausschuss vorbehaltlich zugestimmt. Heute haben sich die Fraktionsvorsitzenden, wie wir schon gehört haben, auf einen Abänderungsantrag geeinigt, mit dem diese fünf Gesetze herausgenommen werden.

Unter diesen Voraussetzungen stimmen wir sowohl dem Gesetz als auch dem Abän­derungsantrag zu. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.03

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Liechten­stein. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


21.03

Abgeordneter Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte ein paar persönliche Worte an den Beginn meiner Rede stellen und etwas ansprechen, das mir seit meiner Jugend sehr viel bedeutet, nämlich ein einiges Europa und jetzt auch ein neues Auferstehen eines weitestgehend geeinten Mitteleuropas. Deshalb war für mich der 1. Mai dieses Jahres ein großer Freudentag.

Überflüssige Grenzen, die es nicht immer gab, sind endgültig gefallen, und unser Österreich und Wien sind wieder wesentliches Zentrum Europas geworden, geo­graphisch in der Mitte unseres Kontinents.

Daher ist es für mich auch schön, dass ich heute hier mit einer Gesetzesnovelle einsteige, die Positives für diese europäische Entwicklung mitbringen kann, auch wenn heute hier sehr viel Skepsis zum Ausdruck gebracht wurde, nämlich im Bereich des Garantiegesetzes.


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Das Garantiegesetz – das wurde ja heute schon mehrmals gesagt – regelt die Haftungsübernahme des Bundes für die Garantien der AWS für Unternehmen. Mittels des Initiativantrags der Kollegen Stummvoll und Prinzhorn wird die Haftungssumme für Inlandsgarantien, Garantien im Rahmen des Ost-West-Fonds und Kapitalgarantien von je 725 Millionen € auf je 1 Milliarde € angehoben, was ja auch schon angesprochen wurde.

Zum 31. Dezember 2003 – der Herr Staatssekretär hat das auch schon erwähnt – war der Haftungsrahmen bei Inlandsgarantien zu rund 45 Prozent, bei Garantien im Rahmen des Ost-West-Fonds zu rund 37 Prozent und bei Kapitalgarantien ebenfalls zu rund 37 Prozent ausgenützt. Wie die Praxis gezeigt hat, ist jedoch bei Kapitalgarantien der Ausnützungsgrad der Haftungsrahmen auf Grund der Eigenart dieses Geschäfts­feldes unter einem anderen Gesichtspunkt zu betrachten als bei den anderen beiden Geschäftsfeldern.

Um die Gleichwertigkeit der Fördermaßnahme in allen Geschäftsfeldern herzustellen, ist daher die Schaffung der Möglichkeit einer flexiblen Handhabung des Höchstrah­mens im Verhältnis der Geschäftsfelder untereinander erforderlich. Es wurde auch schon erwähnt, dass die Gesamthaftungssumme von 2,175 Milliarden €, die sich schon jetzt aus drei Mal 725 Millionen für die einzelnen Garantien ergibt, unverändert bleibt.

Durch diesen Antrag wird die Möglichkeit zu einer flexiblen Ausnutzung des Haftungs­rahmens geschaffen und damit eine stärkere Berücksichtigung der Bedürfnisse der Wirtschaft ermöglicht. Deswegen stehe ich dieser Sache positiv gegenüber. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.06

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer neuerlichen tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Moser zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


21.07

Abgeordneter Mag. Johann Moser (SPÖ): Herr Staatssekretär! Ich lese jetzt den Teil vor: „Die Netto-Mietkosten der AWS (ohne ERP-Fonds) für das Jahr ...“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter! Erwähnen Sie zuerst die zu berichtigende Behauptung!

 


Abgeordneter Mag. Johann Moser (fortsetzend): Zu berichtigen ist, dass Herr Staatssekretär Finz gesagt hat, dass die tatsächlichen Mietkosten 587 000 € betragen.

Dies ist auf Grund einer Anfragebeantwortung des Finanzministeriums zu berichtigen, in der geschrieben wird:

„Die Netto-Mietkosten der AWS (ohne ERP-Fonds) für das Jahr 2004 betragen am neuen Standort Ungargasse rund € 641 000.“

„Dem stehen tatsächliche Netto-Mietkosten von AWS und ERP-Fonds am Standort Ungargasse von rund € 915 000 gegenüber. Die effektive Miete für den ERP-Fonds beträgt € 274 000. Diese sind Bestandteil der Gesamtsumme von € 915 000.“

Daher: 641 000 € plus 274 000 € ergibt 915 000 €. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Grad­wohl: Hört, hört!)

21.08

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Jetzt kennen wir uns alle definitiv aus!

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dkfm. Dr. Bauer. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



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66. Sitzung / Seite 112

21.08

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Damen und Herren! Zuerst möchte ich kurz auf einige meiner Vorredner replizieren. Wenn Herr Kollege Donnerbauer da etwas verwechselt und meint, dass die Doppelbesteuerung ein Beitrag zur Steuerharmonisierung ist, möchte ich die Unterschiede herausstreichen, da unter Steuerharmonisierung in Europa üblicherweise etwas anderes verstanden wird.

Bezüglich der Infrastruktur in der Ostregion stimme ich zu, dass sie ausgebaut gehört und dass die Vorhaben unterstützt gehören, meine aber, dass wir in Wirklichkeit doch relativ langsam ausbauen, wenn man bedenkt, dass der Eiserne Vorhang 1989 gefallen ist. In der angesprochenen Ostregion werden die notwendigen Investitionen, die viele Jahrzehnte hindurch auf Grund der Randlage nicht erfolgt sind, nun wirklich nicht zügig nachgeholt, wie wir es erwartet hatten, sondern es werden im Gegenteil lange Zeiträume vorgegeben.

Ich möchte auch auf die Aussage eingehen, dass die AWS-Mitarbeiter nicht zum Spielball der Opposition werden sollen. – Das liegt uns ganz fern. Es wurde nicht die Arbeit nur eines einzigen Mitarbeiters oder die Arbeit insgesamt angegriffen, sondern die Vorgänge in der AWS. Und die sind wahrlich so, dass man nicht zufrieden sein kann, wenn so viele Wechsel in der Führung erfolgen, aber auch wenn man erlebt, dass sich diese Organisation einfach nicht so entwickelt, wie wir alle es erwartet haben.

Die Bedeutung der AWS ist ja unbestritten, und genau deshalb gehen wir auch so stark auf diese Diskussion ein, eben weil es eine wichtige Einrichtung ist und weil es notwendig ist, sie so zu organisieren, dass sie schlagkräftig ist.

Herr Abgeordneter Bucher hat von einer Ausweitung – und jetzt komme ich auf das Garantiegesetz zu sprechen – des Garantierahmens gesprochen. Dazu muss ange­merkt werden, dass er wohl diese drei Töpfe nicht ganz verstanden hat, weil doch klar ist, dass es in Wirklichkeit nur um den dritten Topf geht. Die anderen zwei würden dadurch etwas reduziert werden, weil der Höchstrahmen ja gleich bleibt, nämlich mit 2,175 Milliarden €.

Das bedeutet, dass das sehr wohl in einem Zusammenhang mit der AWS zu sehen ist. Die Frage ist daher, ob wir diese Änderung wirklich wollen, die institutionelle Anleger etwas bevorzugt, vor allem Venture-Capital-Firmen und andere. Wenn immer davon gesprochen wird, dass derzeit nur 37 Prozent des Kapitalgarantierahmens ausgenützt sind, so ist das in Wirklichkeit auch nicht ganz richtig, denn diese 37 Prozent sind fixe Zusagen, während bereits Zusagen, eine Art von Commitments, zu 100 Prozent vorliegen, da die Investmentbanker oder jene, die Venture Capital platzieren wollen, nur dann platzieren, wenn im Hintergrund schon die Zusage steht.

Daher kommt es zu diesem Engpass im dritten Topf, daher erscheint es auch not­wendig, diese Verschiebung vorzunehmen. Wir sind dagegen, weil wir meinen, dass dadurch die Ausgewogenheit in den Fördertöpfen nicht mehr gegeben ist und dass letztlich auch eine gewisse Willkür in der Vergabe möglich ist.

Ich halte das für eine sehr wichtige Begründung, denn die bisher fixe Zuordnung war ein Garant dafür, dass alle drei Garantie-Töpfe gleichwertig sind. Jetzt soll es zu einer Verschiebung kommen; da können wir einfach nicht mitgehen.

Ich meine, dass es gut wäre, über die Förderpolitik in Österreich insgesamt zu reden, weil wir tatsächlich einen Investitionsschub auf vielen Ebenen brauchen, der durch diese Fördermaßnahmen, die jetzt auch noch auf steuerlicher Seite sehr reduziert wurden, wahrlich nicht ausreichend ist.


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Man sollte die Diskussion über Förderpolitik grundsätzlich führen. Wir sind gerne dazu bereit, das im Finanzausschuss zu tun, wo die Gesprächsbasis sehr gut ist; das sei durchaus bestätigt.

Ich sehe nicht ein, dass unter dem Titel der Flexibilisierung – und so wurde es begründet – in Wirklichkeit eine andere Verteilung innerhalb der drei Garantiearten geschaffen werden soll.

Es geht auch nicht an, dass durch ein erfolgreiches Lobbying bestimmter institutioneller Anleger die Fördergleichgewichte verschoben werden könnten.

In diesem Sinne können wir von der SPÖ unsere Zustimmung nicht geben. Wir haben unsere Überlegungen angestellt, sind aber gerne bereit, über die Förderpolitik insgesamt zu diskutieren, weil ich meine, dass es tatsächlich mehr Impulse für die Wirtschaft geben muss. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.13

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dr. Brader 3 Minu­ten zu uns. – Bitte.

 


21.14

Abgeordneter Mag. Dr. Alfred Brader (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Mit in Verhandlung steht heute auch ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Personalvertretungsgesetz geändert wird.

Diese Änderung wurde notwendig, da mit dem Inkrafttreten der Novelle zum Abga­benverwaltungsorganisationsgesetz die bisherigen Finanzlandesdirektionen aufgelöst wurden und bestimmte, über den einzelnen Wirtschaftsraum hinausgehende Funk­tio­nen, die bis dahin von den Finanzlandesdirektionen wahrgenommen wurden, in neue Zuständigkeitsbereiche eingeteilt und an das Finanzministerium überführt wurden.

Diese Regionen der Steuer- und Zollkoordination werden aber vom Bundesministerium für Finanzen nicht zentral wahrgenommen, sondern eben auf fünf Regionen aufgeteilt. Diese neue Organisationsgestaltung erfordert eine entsprechende Adaptierung im Per­sonalvertretungsgesetz. Demzufolge muss in jeder dieser regionalen Steuer- und Zollkoordinationsgruppen ein entsprechender Fachausschuss eingerichtet werden.

Außerdem wurde laut einem Ressortübereinkommen mit dem Bundeskanzler und dem Finanzminister der Wachkörper Zollwache aufgelöst und natürlich auch die Tätigkeit der Personalvertretungsorgane beendet. Um aber die Kontinuität dieser Personal­vertreter, der gewählten Organe der Personalvertretung aufrechtzuerhalten, sollen die derzeit gewählten Organe bis zur nächsten Personalvertretungswahl ihre Tätigkeit weiter ausüben können.

An dieser Stelle möchte ich allen Personalvertretern im Bereich der Zollwache und ihren Kolleginnen und Kollegen Dank aussprechen, denn für sie war die Zeit dieser Umstellung sicher nicht leicht.

Im Großen und Ganzen ist aber der heute vorgelegte Gesetzentwurf eine der Realität folgende Anpassung, die für die Obliegenheiten der Personalvertretung Sicherheit und eine rechtliche Darstellung bedeutet. Darum wird dieser Antrag von uns auch begrüßt.

Abschließend möchte ich sagen, dass ich das erste Mal als Ersatzmitglied an einer Sitzung des Finanzausschusses teilnehmen durfte und ganz überrascht über das Klima in diesem Ausschuss und über das konstruktive Arbeiten war.


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Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Ausschussmitgliedern recht herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bucher.)

21.16

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


21.16

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, auch die heutige Debatte zu einer Reihe von Finanzgesetzen hat gezeigt, dass Kapitalmarktfragen, Finanzmarktfragen, letztlich Geldfragen, sage ich einmal, in hohem Ausmaß sehr sensible Fragen sind.

Daher habe ich wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass ich als Ausschussobmann jeweils an einem sehr breiten Konsens interessiert bin. Ich bedanke mich auch dafür, dass einige Redner das konstruktive Klima im Finanzausschuss heute erwähnt haben.

Ich glaube, wir könnten noch effizienter und in einem noch breiteren Konsens vorgehen, wenn wir, Herr Staatssekretär – das wäre die Bitte an das Finanz­minis­terium –, gewisse Unterlagen früher bekämen.

Ich bin gerne dazu bereit, dass wir auch informelle Besprechungen machen, wie wir es zum Beispiel mehrmals – das war für mich eigentlich ein Musterbeispiel einer guten Vorgangsweise – bei der seinerzeitigen Finanzmarktaufsicht gemacht haben. Damals haben wir mehrmals informelle Aussprachen abgehalten und sind dann in einer sehr heiklen, wichtigen und sensiblen Frage zu einem breiten Konsens gekommen.

Es geht hier um die Stabilität für die Anleger und um die Sicherheit für die Sparer. Das sind sensible Fragen. Ich glaube, es bestünde im Ausschuss die Bereitschaft, sehr konstruktiv zu diskutieren, aber wir müssen frühzeitig über solche Vorhaben informiert sein.

Daher meine Bitte an Sie, Herr Staatssekretär, und auch an den Herrn Finanzminister, uns möglichst frühzeitig über solche Reformvorhaben der Finanzverwaltung zu infor­mieren, um uns auch die Chance zu geben – unabhängig von konkreten oder kurz­fristigen Ausschussterminen, auch bei informellen Aussprachen –, einen breiten Kon­sens zu finden.

Ich bin kein Illusionist. Ich weiß, es wird immer wieder Interessengegensätze, es wird Differenzen geben. Aber zum Beispiel auch die Anregung des Kollegen Bauer, einmal eine informelle Grundsatzdebatte über die Förderungspolitik zu führen, scheint mir, ehrlich gestanden, sehr vernünftig zu sein. Ich würde sie gerne aufgreifen, aber dazu ist es Voraussetzung, dass wir vom Finanzministerium bei großen Reformvorhaben, bei denen die Chance besteht, dass wir zu einem Konsens kommen, einfach die Unterlagen und Informationen früher bekommen. Das wäre meine Bitte, Herr Staats­sekretär. (Beifall bei der ÖVP.)

21.18

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Jakob Auer spricht nunmehr 3 Minuten. – Bitte.

 


21.19

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich darf das unterstreichen, was mein Vorredner und Kollege Günter Stummvoll in Richtung Finanzministerium meinte, dass es eben zur Vorbereitung auf verschiedenste Vorlagen im Sinne einer Einvernehmlichkeit wichtig wäre, manche Unterlagen tatsächlich früher zu bekommen.


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Kollege Oberhaidinger hat zu Recht darauf hingewiesen, dass im Ausschuss vereinbart wurde, dass gerade in dem so einfach formulierten Bundeshaftungsrechts­bereini­gungsgesetz noch einige Punkte zu klären sind. Ich darf daher die Zusage, die ge­macht und heute zwischen den Fraktionsführern vereinbart wurde, dass diesbezüglich eine Änderung und Überprüfung notwendig sind, einhalten und folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Bucher, Dr. Matznetter, Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage 480 d.B. betreffend ein Bundesgesetz zur Bereinigung von Bundeshaftungsgesetzen (Bundeshaftungsrechtsbereinigungsgesetz) in der Fassung des Ausschussberichtes 526 d.B.

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die im Titel bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

In § 1 entfallen die Ziffern 34, 39, 41, 49 und 51. Die verbleibenden Ziffern sind daher neu durch zu nummerieren.

*****

In diesem Sinne stimmen wir von der ÖVP der neu formulierten Gesetzesvorlage gerne zu. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.20

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Herrn Abgeordnetem Jakob Auer vorgetragene Abänderungsantrag Dr. Stummvoll, Bucher, Dr. Matznetter, Mag. Kogler und KollegIn­nen ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Letzte Rednerin hiezu ist Frau Abgeordnete Sburny. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


21.21

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich werde noch einmal auf den Punkt Garantiegesetz eingehen, weil ich im Laufe der Debatte festgestellt habe, dass Sie seitens der Regierungsfraktionen sehr locker mit Hunderten Millionen Euro umgehen, was die AWS betrifft.

Da Sie, einschließlich Präsident Khol, festgestellt haben, Sie kennen sich jetzt eigentlich nicht mehr aus, nachdem Herr Kollege Moser eine tatsächliche Berichtigung gemacht hat, möchte ich dazu beitragen, dass Sie sich wieder auskennen und auch wissen, warum wir Grüne diesem Punkt ganz sicher nicht zustimmen werden.

Damit Sie sich auskennen: Der Aufsichtsrat der AWS hat eine Mietobergrenze von 900 000 € beschlossen. (Abg. Jakob Auer: Wir kennen alle Ausgaben!) – Gut. Ich werde das noch einmal genauer erläutern, damit ich ganz sicher sein kann.

Der Aufsichtsrat der AWS hat eine Mietobergrenze von 900 000 € beschlossen. Die Anfragebeantwortungen durch Minister Grasser sowohl an Kollegen Moser als auch an mich haben ergeben, dass die Miete der AWS nicht 900 000 € und schon gar nicht 645 000 € oder 641 000 €, wie es Herr Staatssekretär Finz behauptet hat, beträgt, sondern 915 000 € pro Jahr. Dazu kommen Leasingverträge, die über zehn Jahre gehen, die im Zusammenhang mit dem Mietvertrag abgeschlossen wurden, die weitere 800 000 € pro Jahr betragen.


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Wir kommen somit auf 1,7 Millionen € pro Jahr, auch wenn Sie seufzen, Herr Kollege Scheibner. Das ist etwas mehr als 900 000 €, die der Aufsichtsrat beschlossen hat. (Abg. Scheibner: Ich bin völlig am Boden zerstört!) Ich finde, das ist keine Lappalie, und ich finde es auch nicht lachhaft, diese Dinge einmal auf den Punkt zu bringen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist vor allem genau der Punkt, warum wir dieser Änderung des Garantiegesetzes nicht zustimmen werden, weil hier nämlich eine weitere Intransparenz stattfindet. Es ist nicht mehr zu unterscheiden, aus welchem Topf welche Garantie genommen wird, sondern Sie versuchen, das Ganze in einen Topf zu legen. Selbst Rechnungs­hofpräsident Fiedler hat im Ausschuss damals festgestellt, dass das der Transparenz nicht dienen wird.

Aus diesem Grund und weil Sie auch immer wieder mit derartigen Halbwahrheiten arbeiten, werden wir, um die Transparenz und auch die Kontrolle des Parlaments zu sichern, dieser Änderung des Garantiegesetzes nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.23

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Schlussworte werden nicht erwünscht. (Abg. Neudeck: Gewünscht!)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Abkommen mit der Republik Polen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Ein­kommen und vom Vermögen samt Protokoll in 454 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Wer zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Abkommen mit der Regierung der Republik Moldau zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll in 494 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Wer diese erteilt, den bitte ich um ein Zeichen. – Die Genehmigung erfolgt ein­stimmig.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Personalvertretungsgesetz geändert wird, in 527 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des erwähnten Abänderungsantrages abstimmen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 527 der Beilagen samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Kollegin­nen und Kollegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.


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Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf eintritt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Auch in dritter Lesung ist der Entwurf einstimmig angenommen.

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Garantiegesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 528 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Antrag in zweiter Lesung zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Antrag findet die Mehrheit. Er ist somit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung zustimmt, den bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch hier erfolgt die Zustimmung mit Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Bundes­haftungsrechtsbereinigungsgesetz, in 480 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Stummvoll, Bucher, Dr. Matznetter, Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Streichung einiger Ziffern in § 1 bezieht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf 480 der Beilagen samt Titel und Eingang unter Berücksichtigung des erwähnten Abände­rungsantrages der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Bucher, Dr. Matznetter, Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Wer dafür eintritt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung zustimmt, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Auch in dritter Lesung findet der Entwurf die einstimmige Billigung des Hauses. Er ist somit in dritter Lesung angenommen.

13. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Einrichtung und die Tätigkeit einer Arbeitslosenanwaltschaft (404/A)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst der Erstantragsteller, Herr Abgeordneter Öllinger. Wunsch­redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


21.27

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Es ist natürlich schwierig, Ihnen ein derartiges Thema, vor allem zu dieser Tageszeit und nachdem wir das Thema Arbeitslose heute schon debattiert haben, noch einmal näher zu bringen.

800 000 Menschen, 900 000 Menschen sind pro Jahr irgendwann einmal von Arbeits­losigkeit betroffen. – So weit, so schlecht.

Der Punkt ist: Niemand von diesen Menschen will gerne arbeitslos sein und bleiben. Niemand beabsichtigt, länger in der Arbeitslosigkeit zu bleiben, aber trotzdem passiert


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es immer wieder. Wenn man dann arbeitslos ist, hat man vor allem ein Problem: Im Unterschied zu fast allen Gruppen der Gesellschaft hat man keine Interessen­vertretung. (Abgeordnete der Freiheitlichen und der SPÖ stehen verkehrt zum Red­nerpult vor ihren Sitzreihen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich bitte, dem Redner nicht konstant den Rücken zuzuwenden!

 


Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Im Unterschied zu allen anderen Gruppen in der Gesellschaft hat man niemanden, keine Interessenvertretung hinter sich. Jetzt können Sie natürlich fragen: Brauchen die Arbeitslosen das? Das können doch auch die Interessenvertretungen der Arbeitenden machen, die freiwilligen oder die gesetzlichen, die Gewerkschaften oder die Arbeiterkammern.

Da gibt es aber ein Problem. Es gibt einen ganzen Packen an wissenschaftlicher Literatur, der sehr klar belegt, dass es zwischen arbeitslosen und arbeitenden Menschen naturgemäß auch Interessengegensätze gibt, dass arbeitende Menschen in erster Linie – und das ist nichts Verwerfliches, sondern etwas ganz Natürliches – ihre Interessen pflegen und vertreten wollen und dabei die Interessen von arbeitslosen Menschen hintangestellt werden. Da kann noch so viel guter Wille vorhanden sein, das ist einfach so.

Wir haben Interessenvertretungen für Schüler, für Studierende, wir haben eine Anwaltschaft für Kinder und für Jugendliche, es gibt Seniorenanwaltschaften, ja, es wird auch über Tieranwaltschaften diskutiert beziehungsweise beraten, aber Arbeits­losenanwaltschaften oder -vertretungen gibt es in dieser Republik nicht. – Auch in anderen Republiken nicht; das muss man der Ehrlichkeit halber dazu sagen.

Gleichzeitig ist es ein Riesenproblem, denn was ihre Stellung angeht, sind Arbeitslose gegenüber der Behörde, mit der sie am häufigsten zu tun haben, dem AMS, weit­gehend rechtlos. Wenn das AMS Sanktionen gegen Arbeitslose erlässt, dann werden sie vollstreckt, und erst wenn diese Sanktion vollstreckt ist, kann man dagegen beru­fen. Man kann nicht im vorhinein die Behörde dazu veranlassen, dass sie einen Bescheid erlässt, den beeinsprucht man, und nach Abschluss des Verfahrens kommt es dann zu der Sanktion. Das ist im zivilrechtlichen Bereich üblich, aber bei den Arbeitslosen ist es nicht so.

Ich kann Ihnen aus der Praxis auch der Gerichte beziehungsweise einer Behörde, die in den vergangenen Jahren immer wieder damit befasst wurde, der Volksanwaltschaft, sagen, dass sich die Anzahl der Beschwerden von Arbeitslosen wegen Arbeitslosigkeit gegenüber dem AMS gehäuft hat. Das AMS tritt eigentlich nur als Mittler für uns, für den Gesetzgeber, auf, weil wir ja schließlich für die Gesetze verantwortlich sind, deretwegen sich Arbeitslose beschwert fühlen und die eben vom AMS vollzogen werden.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, und nicht nur, weil die Volks­anwaltschaft diese Beschwerden häufig behandelt hat, auch die Gerichte diese Beschwerden häufig behandeln, zum Beispiel der Verwaltungsgerichtshof sehr viele Beschwerden im Bezug auf das Arbeitslosenversicherungsgesetz zu behandeln hat, eine Überzahl, sehr häufig letztendlich auch der Verfassungsgerichtshof noch damit befasst wird, wäre es zu überlegen – aber nicht nur deshalb – in der rechtlichen Auseinandersetzung mit der Behörde, ob man hier nicht eine eher niederschwellig organisierte Einrichtung installiert, die mit Rat und Tat, aber auch im Gesetz­gebungs­prozess als begutachtende Einrichtung tätig wird, die Informationen an die Betroffenen weitergibt, die Arbeitslose berät und natürlich auch Öffentlichkeit herstellt, eben eine Arbeitslosenanwaltschaft.


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Weil das ein Problem ist und damit Sie sehen, wie sehr sich Menschen beschwert fühlen, möchte ich Ihnen ganz kurz noch aus einem Erkenntnis des Verfassungs­gerichtshofes zitieren.

Da hat ein Beschwerdeführer in Oberösterreich – und es ist nicht zufällig Oberöster­reich; es gibt sehr viele Beschwerden gegenüber dem AMS in Oberösterreich – die Zuerkennung von Arbeitslosengeld beantragt. – Und das hat nichts mit Schwarz-Grün zu tun, Herr Kollege Scheibner. (Abg. Scheibner: Dass Sie sagen, in Oberösterreich gibt es viele Beschwerden, verstehe ich!)

Die Beschwerde ist übrigens aus dem Jahr 1995. Aber sei’s drum, Herr Kollege Scheibner, wir diskutieren das noch aus.

Der Beschwerdeführer hat Arbeitslosengeld erhalten, mit der Auflage, sich jeden Tag nicht beim AMS, sondern bei der Gemeinde zu melden. Der Beschwerdeführer hat dagegen Einspruch erhoben und hat letztendlich nach Jahren und nachdem er natürlich, weil er diese Kontrolltermine nicht jedes Mal eingehalten hat, auch Arbeits­losengeld verloren hat für einen Zeitraum von zwei Monaten, Recht erhalten, weil es völlig unbillig ist, jemandem aufzutragen, sich einmal pro Tag nicht beim AMS, sondern beim Gemeindeamt zu melden.

Das Gemeindeamt ist für Arbeitsvermittlung nicht zuständig. Klare Sache! Es hätte auch das AMS erkennen müssen, dass hier keine Kompetenz vorhanden ist. Es war ganz offensichtlich nur Schikane. Man sagt: Dem trauen wir nicht über den Weg, der soll jeden Tag zum Gemeindeamt hingehen!

Der Beschwerdeführer machte geltend, dass der Weg zum Gemeindeamt fünf Kilo­meter hin und fünf Kilometer zurück ist. Und wie es in Landgemeinden üblich ist – Kopfing im Sauwald, das kenne ich –, muss man da zu Fuß gehen. Das heißt, man ist eine Stunde bis eineinhalb Stunden mit dem Hinweg und eine bis eineinhalb Stunden mit dem Retourweg beschäftigt, nur damit das Gemeindeamt feststellt, er hat sich gemeldet. Es passiert sonst nichts mit der Person.

Und das soll diese Person jeden Tag machen! Dieses Verfahren, Herr Kollege Scheibner – die Beschwerde stammt aus einem vergangenen, zurückliegenden Jahr –, dauert natürlich im Beschwerdeweg – Verfassungsgerichtshof, zunächst Verwaltungs­gerichtshof – Jahre. Nach Jahren erhält der Beschwerdeführer Recht, und der Verfas­sungsgerichtshof stellt fest, dass der Gleichheitsgrundsatz verletzt worden ist.

Es müsste in einem Land wie Österreich doch möglich sein, dass wir derartige Probleme nicht bis zum Verfassungsgerichtshof, nicht bis zum Verwaltungsgerichtshof durchprozessieren müssen, wo schon jedem Betroffenen lange vorher klar ist, dass das einfach mit der Sache, nämlich mit Arbeitsvermittlung, nichts zu tun hat.

Es gibt manchmal schwierigere Problemlagen, aber sehr oft lässt sich, wie auch in diesem Haus hier, manches durch Gespräch, durch Information, durch Vermittlung, durch Kontaktnahme erledigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben den Entwurf vor sich. Intendiert ist die Errichtung einer bundesweiten Arbeitslosenanwaltschaft, die auch eingesetzt wer­den soll durch eine politische Behörde, in diesem Fall durch das Parlament. Wir schlagen vor, eine Arbeitslosenanwaltschaft ernsthaft zu diskutieren. Gerade auf euro­päischer Ebene wird derzeit über Maßnahmen von Seiten der EU-Kommission diskutiert, in Zusammenarbeit mit Arbeitsloseninitiativen, Arbeitslosenberatungsstellen, wie Arbeitslose wieder hereingeholt werden können und wie die Kommunikation, die Information, die Zusammenarbeit mit Arbeitslosen, Arbeitsloseninitiativen und ihre politische Mitwirkung verbessert werden soll.


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Und dafür wäre der Vorschlag der Arbeitslosenanwaltschaft, ganz egal, ob Sie dem konkreten Modell näher treten wollen oder einen anderen Vorschlag haben, unserer Meinung nach eine sehr wichtige Maßnahme, damit die betroffenen Personen nicht weiter von Stigmatisierung, von Ausgrenzung bedroht und betroffen sind. (Beifall bei den Grünen.)

21.37

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Huainigg. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten.

Bevor der Herr Abgeordnete das Wort ergreift, möchte ich ihm aber herzlich zu seinem heutigen Geburtstag gratulieren! (Allgemeiner Beifall.)

 


21.38

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Seht geehrte Damen und Herren im Hohen Haus! Vielen Dank für die Glückwünsche!

Jeder Arbeitslose ist ein Arbeitsloser zu viel. Man muss auch sehen, dass sich natürlich hinter jeder Arbeitslosigkeit auch persönliche Schicksale verbergen, dass man weniger Einkommen, weniger Familieneinkommen zur Verfügung hat. Man muss die Armutsfalle bedenken, und arbeitslose Menschen fallen oft auch in eine gewisse Zeitlosigkeit, es ist schwierig, soziale Kontakte zu halten, aus einem Team heraus­geworfen zu werden. Es ist wirklich ein großes Bestreben der Bundesregierung, arbeitslose Menschen in die Arbeitswelt zurückzuführen.

Es gibt in diesem Zusammenhang viele Versuche. Ich sehe das bei behinderten Menschen, wo wir zum Beispiel die integrative Berufsausbildung geschaffen haben, womit ein wichtiger Schritt von der Schule in die Berufswelt ermöglicht werden wird. Weiters geschieht das durch die teilqualifizierte Lehre und durch die persönliche Assis­tenz am Arbeitsplatz, wo wir Möglichkeiten für Menschen mit hohem Pflegebedarf geschaffen haben, um sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dadurch bekommen sie auch die erforderliche Pflege und Unterstützung in der Arbeit und können einer Be­schäftigung nachgehen beziehungsweise dieser auch bei Zunahme der Behinderung weiterhin nachgehen. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der Grünen.)

Den Stein der Weisen haben wir allerdings noch nicht gefunden, muss man zugeben – und ich glaube auch nicht, dass diese Anwaltschaft, die Sie da anregen, der Stein der Weisen wäre, würde diese doch, denke ich, einen zusätzlichen Behördenweg darstellen. Überdies bestünde dann die Gefahr, dass sich wie das AMS auch andere Behörden sozusagen abputzen und sagen: Dafür ist ohnehin die Anwaltschaft zuständig, da entledigen wir uns der Verantwortung!

Ich fände es sinnvoller, bestehende Einrichtungen mehr in die Pflicht zu nehmen, dass sie ihre Aufgaben verstärkt wahrnehmen, und ich fände es auch überlegenswert, Kompetenzen zu erweitern, so zum Beispiel – das wird ja sicherlich auch die an­schließende Diskussion ergeben –, ob man nicht die Volksanwaltschaft auch damit beauftragen sollte, nachgeordnete, ausgelagerte Stellen wie das AMS zu kontrol­lieren – und, wenn es Probleme gibt, einzuschreiten.

Jedenfalls meine ich, dass Ihr Antrag eine wichtige Anregung ist, um diese Diskussion, die wichtig ist, zu führen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.41

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. 5 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 



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21.42

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Arbeitslosigkeit bedeutet zweifelsohne – wir hatten ja heute bereits einen Tagesord­nungspunkt, in dem es um Arbeitsmarktpolitik ging – eine Situation, die enorm erschwerte Voraussetzungen für Menschen darstellt. Ich möchte jetzt – übrigens zum wiederholten Male – auf die Marienthal-Studie hinweisen, die zwar vor vielen Jahrzehn­ten durchgeführt wurde, jedoch im Wesentlichen eine noch immer gültige Analyse dahin gehend ist, wie es Menschen in der Arbeitslosigkeit geht, was das psychisch, was das finanziell beziehungsweise auch sozialpolitisch für sie bedeutet und welche gesundheitliche Folgen Arbeitslosigkeit nach sich zieht.

Die Forderung nach einer Arbeitslosenanwaltschaft, einer Arbeitslosen-SprecherIn ist eine Forderung der Armutskonferenz, und wir wissen ja, dass Arbeitslosigkeit zu den größten Armutsfallen in Österreich zählt. Diese unsere Forderung entspricht aber auch den Intentionen der EU, die ja eine Partizipation der Betroffenen, also der arbeitslosen Menschen, bei arbeitsmarktpolitischen Konzeptionen vorsieht.

Ich glaube zwar nicht, dass eine Übertragung dieser Aufgabe an die Volksanwaltschaft diesen EU-Intentionen entsprechen würde, muss aber sagen, dass mir auch der Antrag der Grünen zu stark in Richtung Volksanwaltschaft geht! Damit wäre nämlich eine Partizipationsmöglichkeit Arbeitsloser wieder nur eingeschränkt möglich und wir würden eine Institution schaffen, die zwar institutionalisiert würde, Partizipations­mög­lichkeiten jedoch wieder nur in sehr beschränktem Maße möglich wären.

Meine Damen und Herren, ich würde mir sehr wünschen, dass wir es in Bezug auf die Frage der Interessenvertretung arbeitsloser Menschen im Ausschuss tatsächlich ein­mal schaffen, inhaltlich, fachlich und sachlich darüber zu reden, in welcher Form wir das machen könnten. Mein größter Wunsch wäre, dass wir das unter Einbeziehung von Betroffenen beziehungsweise Vertretern und Vertreterinnen betroffener Gruppen machen, kommt doch diese Initiative aus Gruppen, die schwerpunktmäßig mit arbeitslosen Menschen zu tun haben. Das sind ja Vertreterinnen und Vertreter aus diesen Bereichen, die tagtäglich mit diesen Sorgen und Problemen konfrontiert sind.

Was wir sicher nicht wollen, ist, eine bessere Arbeitslosenberatungsstelle oder eine intensivere Beratungsstelle zu schaffen – dafür gibt es schon Einrichtungen, die diese Aufgabe wahrzunehmen haben –, sondern wir brauchen eine Stelle, wo Arbeitslose auch direkt an die Politik herankommen, wo sie bei der Gesetzgebung Begutachtungs- oder Mitsprachemöglichkeiten haben. Ich meine, dieser Intention sollten wir nach­zukommen versuchen.

Heute haben hier alle – ich glaube, das ist seitens aller Fraktionen geschehen – festgestellt: Wenn wir die Beschäftigungspolitik, wenn wir die Arbeitsmarktpolitik ver­bessern wollen, dann bedarf es der Beteiligung aller; es reicht nicht, nur an einem Rädchen zu drehen, sondern wir brauchen eine Wirtschaftspolitik, die da entsprechend ansetzt, wir brauchen eine Arbeitsmarktpolitik, die da entsprechend ansetzt, wir brauchen eine Steuerpolitik, die da entsprechend ansetzt – und wir brauchen dazu auch eine Wachstums- und Bildungspolitik.

Damit komme ich wieder zu einem Punkt, über den wir ja heute schon diskutiert haben. Wenn es in Zukunft Qualifikations- und Ausbildungsplanungen verbindlich geben soll, so ist das, meine ich, wieder ein Punkt, bei dem es sinnvoll wäre – da wird wahrscheinlich hin und wieder auch nicht alles so „klass“ sein; es wird Probleme geben, könnte ich mir vorstellen –, dafür eine entsprechende Anlaufstelle zu haben.

Ich persönlich würde mir wünschen, dass man sich mit dieser Frage, die eine äußerst sensible ist, ernsthafter auseinander setzt: Das ist doch bitte nicht die x-te Anwalt­schaft, sondern da es um Menschen in einer besonderen Betroffenheit geht, betrifft das


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doch Menschen, die oft nicht in der Lage sind, sozusagen für sich selbst ein Sprach­rohr zu sein. Arbeitslose Menschen – darüber gibt es ja Untersuchungen –, und da wieder gerade Frauen, ziehen sich eher zurück und tun keinesfalls öffentlich Miss­stände oder Probleme kund. Ganz im Gegenteil!

Arbeitslosigkeit – und interessanterweise: je mehr Arbeitslose es gibt, desto öfter passiert das – zieht auch eine gewisse Stigmatisierung nach sich. Das heißt, obwohl es weniger Arbeitsplätze als Menschen gibt, die arbeitslos sind, wird arbeitslosen Menschen oft zu vermitteln versucht: Du bist ja selbst schuld, denn du hast nicht die Qualifikation oder eben andere Defizite!

Daher: Um genau dieses Defizit, das in Wirklichkeit die Gesellschaft hat, aufzuarbeiten, bedarf es einer solchen Anlaufstelle, wie wir von der SPÖ das fordern. Ich würde also sehr darum bitten, diesen Entschließungsantrag, den wir zu diesem Thema einge­bracht haben, der allerdings sozusagen einen niederschwelligeren Zugang zu dieser Thematik beinhalten würde, zu diskutieren, uns im Ausschuss ernsthaft mit diesem Thema auseinander zu setzen – und nicht, dass gesagt wird: Da gibt es sowieso andere Dinge; das könnten wir sowieso vertagen!

Nochmals: Eine Befassung mit diesem Thema wäre mein ganz großes Anliegen bei dieser ersten Lesung. (Beifall bei der SPÖ.)

21.47

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Walch. Wunsch­redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


21.48

Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Öllinger, du hast es ja heute hier gesagt: Es ist schwierig mit diesem Antrag! – Ja, ich habe schon ein bisschen ein Problem damit. Ich bin zwar dafür, dass die Arbeitslosen auch diesbezüglich Aufklärung bekommen, dass sie entsprechend unterstützt werden, jedoch darf ich schon darauf hinweisen: Bei den Landes-Arbeitsämtern gibt es einen Beirat, besetzt mit Mitgliedern der gesetz­lichen Interessenvertretung; weiters gibt die Arbeiterkammer Informationen; für Gast­arbeiter gibt es Ausländervereine in der Arbeiterkammer beziehungsweise erhalten diese Vereine eine öffentliche Förderung.

Zu dem, Kollege Öllinger, was du gesagt hast, dass sich da in Linz einer bei der Gemeinde melden muss: Das ist mir ganz neu, weil die Gemeinde hat an und für sich mit dem AMS beziehungsweise mit einer solchen Meldung überhaupt nichts zu tun. (Zwischenruf des Abg. Öllinger.)

Daher ist meine beziehungsweise unsere Meinung die, dass wir diesem Antrag keine Zustimmung erteilen, denn das, was wir heute Vormittag beschlossen haben, ist bereits erledigt. Und wenn es da dennoch Probleme geben sollte, dann ist es doch auch Aufgabe von uns Politikerinnen und Politiker, die Betroffenen dorthin zu schicken, wo man diesen Menschen eine Beratung zukommen lässt. Außerdem macht das auch das AMS! Das ist doch nicht dazu da, in boshafter Weise irgendjemandem etwas wegzunehmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

21.49

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 404/A dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.


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Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen auf Einset­zung eines Untersuchungsausschusses betreffend Untersuchung der Verantwortung von Bundesministerin Gehrer als Aufsichtsorgan der Bundesmuseen hinsichtlich der fehlenden Konsequenzen aus offenkundigen Missständen im Kunsthistorischen Museum.

Dieser Antrag wurde inzwischen an alle Abgeordneten verteilt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG; Ausschuss zur Untersuchung der Verantwortung von Bundesministerium Gehrer als Aufsichtsorgan der Bundesmuseen hinsichtlich der fehlenden Konsequenzen aus offenkundigen Missständen im Kunst­historischen Museum

Begründung:

Widersprüchliche Aussagen zu aufklärungsbedürftigen Vorfällen im Kunsthistorischen Museum rund um den Diebstahl der Saliera und um die Prüfergebnisse eines Rohberichtes des Rechnungshofes werfen die Frage der Aufsichtspflichten der zuständigen Bundesministerin auf. Bereits 1998 hat der Rechnungshof kritisch auf das Fehlen eines kaufmännischen Direktors und damit das Fehlen einer Kontrolle des alleinigen Direktors Seipel hingewiesen. Diese Warnung blieb jahrelang ohne Konse­quenz von Seiten der zuständigen Bundesministerin.

Als die Grünen im Jänner 2002 nach Durchsicht der Firmenbücher eine Reihe von Unregelmäßigkeiten in den Bilanzen vorfanden, wie z.B. nicht übereinstimmende Posten in Mutter- und Tochtergesellschaft (KHM und Museums Collection Design und Vertriebsgesellschaft), wurden neunzehn parlamentarische Anfragen mit insgesamt 170 Fragen an die Bundesministerin gerichtet. Seit diesem Zeitpunkt war sie nach­weislich von den offenkundigen Missständen im KHM unter Direktor Seipel informiert. Durch die Anfragebeantwortungen konnte der Verdacht auf Bilanzbeschönigung und weitere Unregelmäßigkeiten nicht ausgeräumt werden, woraufhin alle einschlägigen Unterlagen dem Präsidenten des Rechnungshofes mit Anregung zur Prüfung der vollrechtsfähigen wissenschaftlichen Anstalt Kunsthistorisches Museum hinsichtlich von möglichen Unregelmäßigkeiten in den Bilanzen übermittelt wurden.

Die nun in den Medien zitierten Auszüge aus dem noch unveröffentlichten Rohbericht des Rechnungshofes beinhalten nun weitere schwere Vorwürfe. So soll der Privatmann Seipel Geschäfte mit dem Direktor Seipel abgeschlossen und Erlässe einfach ignoriert haben. Unzureichende Belege für Spesen, sehr hohe Repräsentationskosten, der Ver­kauf seines Privatautos an das Museum und die zweieinhalbfache Steigerung seines Geschäftsführerzuschlages sind weitere Beanstandungen. Der Rechnungshof bemän­gelt außerdem erschwerte Arbeitsbedingungen und Behinderungen beim Zugang zu Unterlagen im Zuge der Prüfung. Die Buchhaltung scheint besser geschützt zu sein als so manches Kunstwerk im KHM.

Beim Diebstahl der „Saliera“ wurden nach Veröffentlichung des Ermittlungsprotokolls durch das Nachrichtenmagazin besorgniserregende Fakten hinsichtlich der Sicher-


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heitsvorkehrungen bekannt. Nach Auskunft des Sicherheitschefs war das Gerüst, über das die Diebe eingestiegen waren, aus Kostengründen nicht gesichert. Der Diebstahl wurden den Dieben sehr leicht gemacht, wodurch fahrlässige Sorglosigkeit und verantwortungsloses Sparen am falschen Platz offenkundig wurde.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Zur Untersuchung folgender Gegenstände einen Untersuchungsausschuss ein­zusetzen:

Politische Verantwortlichkeit für die fehlenden Konsequenzen und politische Verant­wortlichkeit aus der Missachtung der Aufsichtspflicht gegenüber dem Direktor des Kunsthistorischen Museums trotz nachweislicher Information über Missstände.

Untersuchung der sträflichen Vernachlässigung der Aufsichtspflichten durch den Direktor des KHM im Zusammenhang mit dem Raub der „Saliera“.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen den Antrag, einen Untersuchungsausschuss im Verhältnis: 5 ÖVP, 4 SPÖ, 1 FPÖ, 1 Grüne einzusetzen.

In formeller Hinsicht verlangen die unterfertigten Abgeordneten die Durchführung einer Debatte über diesen Antrag.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gehen in die Debatte ein.

Sie kennen die Geschäftsordnung: 5 Minuten Redezeit; 10 Minuten für den Erstredner, für Mitglieder der Bundesregierung maximal 10 Minuten.

Als Erste spricht Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

 


21.50

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! – Von der Bundes­regierung ist niemand da. – Hohes Haus! Wir haben diesen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nicht aus Spaß eingebracht, nicht, weil uns irgend­wie fad ist oder weil wir unqualifizierte kulturpolitische Attacken gegen einen verdienten Museumsdirektor reiten wollen, sondern weil wir in Sorge sind um eine der wichtigsten Institutionen, um eine Institution, die im internationalen Ranking, was Alte Meister betrifft, unter den Top Five ist, und weil wir Sorge haben, dass diese Institution zu einem Selbstbedienungsladen verkommt.

Wir haben bereits 1998/1999 vom Rechnungshof eine sehr kritische Stellungnahme bezüglich der Konstruktion nach der Teilrechtsfähigkeit, nach der Vollrechtsfähigkeit erhalten. Er hat massiv kritisiert, dass es nur einen einzigen Geschäftsführer gibt, der ohne Kontrolle, ohne Vier-Augen-Prinzip schalten und walten kann, wie er möchte. Wir haben dann nach Durchsicht der Firmenbücher im Jahr 2002 eine Reihe von Unge­reimtheiten festgestellt, die sich auch durch Anfragebeantwortungen durch die Minis­terin nicht aufklären ließen. Es wurden alle Unterlagen an den Rechnungshof übermittelt, und das Ergebnis, das teilweise in den Medien vor zwei Wochen zitiert worden ist, gibt uns zu hundert Prozent Recht. Und die Vorwürfe sind noch sehr viel massiver, als wir sie damals formuliert haben.


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Bei diesen Vorwürfen geht es um sehr ernste Dinge, nämlich um eine völlige Vermischung der Verantwortung als Museumsdirektor und von offensichtlich privaten Interessen: Das Privatauto Seipels ist an das Museum verkauft worden. Man hat sich eine sehr fette Gehaltssteigerung in den letzten Jahren genehmigt. Der Museums­direktor bezieht mittlerweile ein Gehalt, das zwischen jenem des Kanzlers und jenem des Vizekanzlers liegt. Außerdem sind noch Nebentätigkeiten als Konsulent für die Ministerin ausgeübt worden. Es wurde eine Sphinx angekauft in der Größenordnung von einigen Millionen Dollar, die aber nicht in der Bilanz aufscheint. Wäre sie nämlich dort aufgeschienen, wäre das KHM konkursreif gewesen. Grabbeigaben, so genannte Figürchen, sind im Sechser-Pack gekauft worden, obwohl das Museum nur vier erwerben wollte – die anderen zwei sind sozusagen privat abgezweigt worden.

Die Buchhaltung wird besser geschützt als so manches Kunstwerk. Der Rechnungshof kritisiert zum Beispiel, dass er es nicht geschafft habe, eine elektronische Übermittlung der Daten die Buchhaltung betreffend zu bekommen, dass er es dann auch nicht geschafft habe im Museum einen Computerplatz zu bekommen, um die Buchhaltung einzusehen, dass er de facto behindert worden sei bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Buchhaltung.

Und das alles vor dem Hintergrund von mehreren Millionen Euro Steuergeldern, die die Republik der größten Kunstinstitution, Kulturinstitution Österreichs jedes Jahr zur Verfügung stellt!

Wir haben ernste Sorge, dass das Kunsthistorische Museum mit dieser Führung zu einem Selbstbedienungsladen verkommen ist. Seit dem Diebstahl der „Saliera“ drängt sich das Gefühl auf, dass sich die Ministerin – egal, was passiert – hinter diesen Direktor stellt und in keiner Weise hinterfragt, ob das noch angemessen ist, ob das noch verteidigungswürdig ist und ob das in irgendeiner Form noch ihrer Verantwortung als Ministerin entspricht.

Jetzt möchte ich Sie gerne einladen auf eine kleine Selbsterfahrungsreise. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Hammer, einen Meißel und eine Taschenlampe bei sich, und Sie begleiten mich jetzt beim Diebstahl der „Saliera“! Und ich sage Ihnen, jeder und jede von Ihnen hier in diesem Raum hätte es geschafft, die „Saliera“ zu stehlen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Wir sind ja keine Diebe!) Ich werde es Ihnen genau erklären und Ihnen auch die Sicherheitsvorschriften anhand dieser geistigen Reise noch einmal vor Augen führen.

Das Kunsthistorische Museum hat zwei Sicherheitssysteme. Eines stammt aus dem Jahr 1985, es handelt sich also um ein altes Sicherheitssystem, das im Wesentlichen aus Überwachungskameras, die Bewegungsmelder sind, besteht; sie reagieren de facto auf Bewegungen. Diese Überwachungskameras sind ganz normal installiert, auch in dem Raum, in dem sich die „Saliera“ befunden hat.

Weiters gibt es moderne Sicherheitssysteme, allerdings nicht in dem Raum, in dem die „Saliera“ gestanden ist, sondern in den großen Schauräumen. Das sind, wie man es auch aus Filmen kennt, quasi „Vorhänge“ vor den Bildern, Ultraschallfilter vor den Kunstwerken. Wenn man hingreift, wird Alarm ausgelöst. Diese Art der Sicherung gibt es allerdings, wie schon gesagt, nicht in dem Raum, in dem die „Saliera“ steht. Dort gibt es neben diesen Bewegungsmeldern – drei Stück in drei Ecken – noch eine Überwachungskamera. Diese schaltet sich allerdings nur ein, wenn Licht eingeschaltet wird. Licht schaltet sich allerdings nicht automatisch ein, wenn der Alarm losgeht, sondern dazu muss der Beamte, der im Haus ist, vom Untergeschoss in den ersten Stock laufen – das sind zwei Stockwerke – und dort die Lichtschalter betätigen. Dann geht das Licht – und die Kamera an.


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So, Sie als Dieb, stellen Sie sich vor, nähern sich von der Zweier-Linie mit einem Hammer und einem Meißel ... (Abg. Mag. Molterer: In diesem Haus gibt es keinen Dieb! – Abg. Dr. Stummvoll: Das können wir uns nicht vorstellen!) – Ein reines Gedankenspiel! Nicht Sie, Herr Molterer! Das würde ich Ihnen nie unterstellen, dass Sie die „Saliera“ gestohlen haben! Die Situation der Sicherheitsvorkehrungen ist so dramatisch, dass man das wirklich durchdenken muss.

Sie gehen also von der Zweier-Linie mit Hammer, Meißel und Taschenlampe zum Baugerüst. Das Baugerüst ist nicht gesichert. Sie können dort eine nur schlecht verschlossene Tür öffnen und dann über einzelne Stiegen hinaufgehen bis zum Fenster des Raumes IV, in dem die „Saliera“ steht. Sie schlagen das Fenster mit dem Hammer ein – nichts passiert! In vielen Museen gibt es zum Beispiel einen Magnet­filter, der bei Glasbruch sofort Alarm schlägt. Das passiert Ihnen dort nicht. (Abg. Neudeck: Jetzt müssen Sie nur noch sagen, wo Sie sie versteckt haben!) Sie können dann dort im Raum stehen und gemütlich eine Zigarette rauchen, weil die drei Bewegungsmelder genau diesen toten Winkel nicht erfassen. Sie stehen also dort und rauchen. Angenommen Herr Professor Van der Bellen steht dort und raucht. (Allgemeine Heiterkeit.) Er hat genügend Zeit dazu. Der Wächter sitzt vor dem Fernseher, schaut sich die Fußball-EM an oder was auch immer.

Dann gehen Sie zur Glasvitrine, schlagen mit dem Hammer die Glasvitrine ein – und dann geht der Alarm los. Sie nehmen die „Saliera“, begeben sich gemütlich wieder zum Fenster, steigen das Gerüst abwärts und fahren mit der Straßenbahn, mit der U-Bahn oder mit dem Auto von dort weg. Der Alarm hat sich ausgelöst. Er wurde als Fehlalarm identifiziert, nicht als echter Alarm, weil es im Kunsthistorischen Museum nämlich 130 Fehlalarme pro Jahr gibt. Und der Dieb oder die Diebin ist mit der „Saliera“ frohgemut vom Kunsthistorischen Museum über die Zweier-Linie hinwegspaziert.

Ich habe das so drastisch geschildert, weil es wirklich ein Kinderspiel war. Es ist, glaube ich, leichter, einen Kaugummiautomaten zu knacken, als die „Saliera“, eines der bedeutendsten Werke der italienischen Alten Meister aus dem Kunsthistorischen Museum zu entwenden. Wir erheben massiv den Vorwurf, dass bei den Sicherheits­vorkehrungen im KHM extrem geschlampt worden ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Warum war das Baugerüst nicht gesichert? Warum kann man ein Fenster einschlagen, ohne dass ein Alarm anschlägt? Warum installiert man eine Videokamera, die sich nicht automatisch einschaltet, wenn der Alarm angeht? Warum muss der Sicherheits­beamte zwei Stockwerke überwinden? Selbst wenn er Sprinter ist, braucht er mindestens fünf Minuten, um das Licht einzuschalten, damit dann die Kamera angeht. Warum steht die „Saliera“ überhaupt völlig ohne Objektschutz in einem Raum, in dem nur Bewegungsmelder installiert sind? Warum ist sie nicht durch einen dieser moder­nen Mikrowellen-Teppiche geschützt? Und warum handelt es sich hier überhaupt um ein Sicherheitssystem, das 20 Jahre alt und nicht State of the Art ist?

Das sind alles Vorwürfe, die sich Herr Seipel gefallen lassen muss. Wir wissen, dass die „Saliera“ eines der bedeutendsten Kunstwerke des KHM war. Und was für mich verblüffend ist, ist, dass sich die Ministerin, ohne auch nur irgendwie in Frage zu stellen, ob da jetzt alles in Ordnung war oder nicht, automatisch immer bei jedem Vorwurf vor den Direktor stellt, egal, ob das die Bilanzbeschönigungen sind, egal, ob das einer der größten Kunstraube seit dem Diebstahl der „Mona Lisa“ ist. Und es ermittelt nicht nur die österreichische Polizei, sondern es wird international ermittelt, die Deutschen, die Schweizer und die Italiener. Warum ist das alles möglich mit einer Ministerin, die sagt, dieser Mensch ist sakrosankt, der hat alles richtig gemacht?


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Auf Grund all dieser Vorkommnisse bringen wir diesen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ein, nicht zuletzt deshalb, weil ich meine, dass hier ein großer Teil an politischer Verantwortung nicht wahrgenommen wird. Und ich würde Sie auch bitten, ernsthaft darüber nachzudenken, ob das so weitergehen kann. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.59

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Wolfmayr. Sie haben es jetzt schwer. Ihre Redezeit ist 5 Minuten. (Abg. Dr. Wolfmayr – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich werde es versuchen!)

 


21.59

Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt nicht auf Ihr – zugegebenermaßen – schon amüsantes, imagi­niertes, inszeniertes Kunstraubspiel eingehen (Abg. Dr. Matznetter: Das ist nicht „imaginiert“! Sie ist weg, die „Saliera“!), auch nicht auf den flapsig-polemischen Stil von wegen „zu einem Selbstbedienungsladen verkommen“ und „privat abgezweigt“, was meiner Meinung nach Unterstellungen sind, sondern möchte zum vorliegenden Antrag der Grünen, der sich, oberflächlich betrachtet, auf die angeblichen Missstände im Kunsthistorischen Museum bezieht, wohl aber eher die Ministerin, vor allem aber Generaldirektor Seipel im Visier hat, ein paar grundsätzliche Dinge äußern.

Meine Damen und Herren, was geschieht da jetzt? – Teile der Opposition rufen lauthals nach Konsequenzen – und das in einer Angelegenheit, die längst auf dem Weg der rechtlichen Behandlung ist! Ein Rohbericht – und die Betonung liegt auf roh! – des Rechnungshofes ist kein Gegenstand öffentlicher Debatten beziehungs­weise sich daraus ergebender Konsequenzen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Bauer.)

Der Rohbericht des Rechnungshofes zum Kunsthistorischen Museum wird derzeit von Geschäftsleitung und Kuratorium des Kunsthistorischen Museums sowie der Kultursektion im Bildungsministerium einer Analyse unterzogen. Eine Stellungnahme an den Rechnungshof wird fristgerecht, also innerhalb der gesetzlich vorgesehenen drei Monate, erfolgen. Der Rechnungshof prüft dann diese Stellungnahme. Danach erscheint der Bericht des Rechnungshofes, der dem Parlament und dem zuständigen Ausschuss zugeleitet wird. – Das ist die Vorgangsweise; Sie kennen diese ja.

Erst dann soll dieser Bericht Gegenstand der öffentlichen Debatte sein. Und erst dann wird sich zeigen, welche Kritikpunkte zu diskutieren und ob allfällige Konsequenzen zu ziehen sind. – So sieht das der Lauf des Gesetzes vor.

Dass jetzt schon einige Kritikpunkte in der Öffentlichkeit kursieren, was letztlich zu dieser heutigen Debatte geführt hat, ist für mich nichts anderes als Ausdruck einer politischen Unkultur. Das ist eine Art von Vorverurteilung! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Bauer.)

Ich frage mich wirklich, meine Damen und Herren von der Opposition: Wie steht es um Ihr Verhältnis zu fundamentalen Grundsätzen der Gerechtigkeit, dazu, dass auch die andere Seite gehört werden muss, bevor ein Urteil ergeht? Dieses audiatur et altera pars, wo ist das bei Ihnen? (Abg. Dr. Matznetter: Der Untersuchungsausschuss soll das machen! Das ist ja der Sinn des Ausschusses!) Wie steht es mit Ihrem Verhältnis zur Unschuldsvermutung, zum Grundsatz, dass niemand – ich betone: niemand! – vorverurteilt werden darf? (Beifall bei der ÖVP. – Neuerliche Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Matznetter und Dr. Bauer.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Matznetter und Herr Abgeordneter Bauer, Sie haben Ihr Quantum an Zwischenrufen, glaube ich, schon strapaziert!

Am Wort ist die Rednerin!

 



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Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr (fortsetzend): Die Offenlegung von Rohberichten des Rechnungshofes würde doch das gesetzlich festgelegte Procedere ad absurdum führen. Diskutiert man Rohberichte des Rechnungshofes in der Öffentlichkeit, kann man sich doch gleich die Endberichte ersparen! Dann gibt es keine Möglichkeit der geprüften Institutionen, Stellung zu beziehen, dafür jede Chance für Politiker und Journalisten, zu interpretieren und – ausgehend von Vermutungen und subjektiver Wahrnehmung – darüber zu entscheiden, ob Kritik nun gerechtfertigt ist oder nicht. Mit seriöser und sachlicher Beurteilung hat das unserer Meinung nach allerdings nichts zu tun!

Wie bereits gesagt: Die von Ihnen geforderte Offenlegung der Fakten findet statt, und zwar Punkt für Punkt. Die Stellungnahme dazu wird kommen. Wie ich gehört habe, wollen Sie auch, dass Ministerin Gehrer dazu Stellung nimmt. – Ich kann Sie beruhigen: Auch Frau Bundesministerin Gehrer wird, und zwar in einer Sitzung des Kulturausschusses noch vor dem Sommer, Punkt für Punkt auf Ihre Vorwürfe eingehen und diese höchstwahrscheinlich entkräften können.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass Oberösterreich den jetzigen General­direktor des Kunsthistorischen Museums Wilfried Seipel als Leiter des Landes­museums ungern hat ziehen lassen (Zwischenrufe bei der SPÖ), weil Seipel dort als kompetente und qualifizierte Kraft – und das lasse ich mir von Ihnen nicht wegreden! – seine Managementfähigkeiten bereits bewiesen hat. Diese Fähigkeiten haben Dr. Seipel zum Generaldirektor eines der wichtigsten und international bekanntesten Museen Europas gemacht! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich verweise nur darauf: Sieben Häuser und eine schwierige Ausgliederung hat Dr. Seipel mit diesen seinen Managementfähigkeiten hervorragend bewältigt: als wissenschaftlicher Kurator, als wirtschaftlicher Direktor. All dessen Bezüge werden vom Kuratorium vorgeschlagen, vom Ministerium genehmigt, Bezüge, die im Vergleich mit anderen Managergehältern sicherlich gerechtfertigt und im internationalen Vergleich – schauen Sie sich das doch an! – absolut nicht überzogen sind.

Sie von der Opposition aber schütten Direktor Seipel öffentlich an, diskreditieren ihn – ohne dass er überhaupt eine Möglichkeit zur Gegendarstellung gehabt hätte! Sie veranstalten wegen eines erhofften kurzfristigen parteipolitischen Vorteils ein wahres Scherbengericht und werfen dabei bedenkenlos und ohne Zögern fundamentale Grundsätze der Gerechtigkeit, ja des Rechtsstaats über Bord! Und das finde ich bedenklich!

Deshalb ist es wohl selbstverständlich, dass wir den vorliegenden Antrag vehement ablehnen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

22.04

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächste spricht Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. Auch sie spricht 5 Minuten. – Bitte.

 


22.04

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Wolfmayr, es ist leider ein Faktum, dass die „Saliera“ gestohlen wurde, und es ist auch ein Faktum, dass das Kunsthistorische Museum mit seinem Direktor Wilfried Seipel in den letzten Wochen für eine Reihe von negativen Schlagzeilen gesorgt hat.


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Bei der Kritik, die wir dazu geäußert haben, geht es nicht, wie Direktor Seipel gemutmaßt hat, um das Begleichen politischer Rechnungen. Ich darf Ihnen sagen: Als Kultursprecherin wäre es mir wesentlich lieber, wenn das Kunsthistorische Museum durch seine Arbeit für entsprechendes Aufsehen gesorgt hätte. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der Diebstahl der „Saliera“, der große Sicherheitsmängel im Kunsthistorischen Museum aufgezeigt hat, ist nach wie vor nicht aufgeklärt, aber mittlerweile, meine Damen und Herren, liegt der polizeiliche Ermittlungsbericht vor – und dieser scheint unsere Vermutungen zu bestätigen, dass es schwerwiegende Sicherheitsmängel im Kunsthistorischen Museum gegeben hat.

Ich wiederhole in Kurzform die geführte „innere Reise“ der Kollegin Glawischnig: Der Zugang zum Baugerüst an der Fassade des Museums war nur mit einer Brettertür versperrt. Die äußeren Fensterscheiben sowie auch die Vitrine, in der die „Saliera“ ausgestellt war, bestanden nur aus einfachem Glas und waren nicht alarmgesichert. Es wurde schon gesagt: Die Videoanlage war nicht eingeschaltet, denn es war ja dunkel im Raum – und man hätte nichts gesehen! Es ist wie in einem Lustfilm oder Komikfilm. (Abg. Murauer: „Lustfilm“?! – Abg. Mag. Molterer: Was ist ein „Lustfilm“?) Es war ja dunkel, und man hätte den Raub der „Saliera“ sowieso nicht filmen können!, hat es geheißen.

Offensichtlich gab es im Kunsthistorischen eine ganze Menge von Fehlalarmen, auf die nicht besonders reagiert wurde. Schließlich wurde auch bekannt, dass der Sicher­heitschef des Kunsthistorischen Museums bereits ein Jahr vor diesem Diebstahl eine verbesserte Sicherung verlangte, jedoch kein Gehör gefunden hat.

Auf diese offenkundigen Sicherheitsmängel wurde – das hat unsere Fraktion immer wieder kritisiert – bis jetzt von der zuständigen Ministerin nicht reagiert. Es gibt auch noch immer keine wirkliche Evaluierung des Bewachungssystems dieses Bundes­museums.

Und, meine Damen und Herren, was für mich besonders und völlig unbegreiflich ist, ist, warum man für so eine Evaluierung über ein Jahr braucht, warum das ein Jahr in Anspruch nimmt – und warum da nicht längst für Mindeststandards gesorgt worden ist. Es ist überhaupt nicht verständlich, warum keinerlei Konsequenzen aus dem Raub der „Saliera“ gezogen werden, warum es keinerlei politische Verantwortung dafür gibt!

Es gibt also eine ganze Reihe aufklärungswürdiger Punkte – und das wurde auch vom Präsidenten des Rechnungshofes bestätigt. Die Ermittlungsergebnisse der Polizei zeigen ja, wie berechtigt unsere Zweifel sind.

Was aber Medienberichte auch zeigen, ist, dass es ganz offensichtliche Diskrepanzen gibt zwischen den jetzt bekannt gewordenen polizeilichen Ermittlungsergebnissen und den Beantwortungen unserer Anfragen, die wir gestellt haben. – Und das ist schon ein Punkt, der in einem Untersuchungsausschuss besprochen werden sollte.

Neben den Vorwürfen im Zusammenhang mit dem Raub der „Saliera“ gibt es, wie Sie wissen, weitere Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Kunsthistorischen Museum und dessen Direktor. Da geht es beispielsweise um den Ankauf des Museums von Grabbeigaben und um deren Verkauf an den Privatmann Seipel. Genauso soll der Direktor Seipel vom Privatmann Seipel ein Kraftfahrzeug gekauft haben. Kritisiert wird weiters die Gehaltshöhe des Direktors, genauso wie die Repräsentationskosten, die sehr hoch sind.


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Die Vorwürfe, die da erhoben werden, sind also sehr gravierend, aber was das Schlim­me dabei noch ist: Wie reagiert die Ministerin? – Sie reagiert überhaupt nicht; sie schweigt! Sie hat offensichtlich gut gelernt vom Bundeskanzler! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Heiterkeit des Abg. Neugebauer. – Abg. Mag. Molterer: Der ist ein guter Lehrmeister! Da könnten bei Ihnen viele etwas lernen!)

Deshalb, meine Damen und Herren, unterstützen wir diesen Antrag der Grünen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Ich meine, da ist eine ganze Reihe von Fragen zu klären. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

22.09

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächste spricht Frau Abgeordnete Rossmann. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


22.10

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Bei aller Kritik an der Geschäftsgebarung des KHM-Generaldirektors Seipel und bei allen offen­sichtlich vorhandenen Sicherheitsmängeln muss man sagen: Wir diskutieren heute – und dessen müssen wir uns schon bewusst sein – erst über einen nicht öffentlichen Rohbericht. (Abg. Öllinger: Wir diskutieren über den Untersuchungsausschuss, nicht über den Rohbericht!) Aus diesem Grund sagen wir ganz klar, dass man so fair sein soll und den Endbericht abwarten soll, und dann können wir darüber diskutieren, ob es einen Untersuchungsausschuss geben soll oder nicht. – Danke. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

22.11

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzte Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


22.11

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident, Sie hatten wirklich Recht, als Sie Mitleid mit der Kultursprecherin der ÖVP hatten, weil sie nur 5 Minuten Redezeit zur Verfügung hatte, denn es ist wirklich schwierig, Herrn KHM-General­direktor Seipel in fünf Minuten „reinzuwaschen“. Das ist geradezu unmöglich! (Beifall bei den Grünen.)

Ich habe den Rechnungshofbericht nicht gesehen, denn er ist, wie richtig festgestellt wurde, ein Rohbericht, und bei einem Rohbericht ist es generell so, dass man ihn vor dessen Herausgabe nicht bekommt. Blöderweise stehen in diesem Rohbericht des Rechnungshofes Sachen und Vorwürfe drinnen (Abg. Mag. Molterer: Den Sie nicht gesehen haben!), die von der grünen Fraktion, Herr Klubobmann Molterer, bereits im Jahre 2002 erhoben wurden. Es hat in diesem Zusammenhang 17 parlamentarische Anfragen an die Frau Bundesministerin gegeben, wo wir diese Vorwürfe durch Fragen aufzuklären versucht haben. Darauf hat es, gelinde gesagt, notdürftigste Antworten gegeben, so in der Art und Weise, wie die Kultursprecherin der ÖVP es vorhin in ihrem fünfminütigen Reinwaschungsversuch getan hat.

Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ist es Ihnen von der Regierung nicht pein­lich, wenn der Privatmann Seipel mit dem Generaldirektor Seipel in seinem eigenen Haus Geschäfte macht? – Das hat jetzt nichts mit dem Rohbericht des Rech­nungshofes zu tun, sondern mit allgemeiner Kritik, wo es immer schon geheißen hat, dass es ein Mangel ist – zugegeben ein gesetzlicher, aber ich wasche meine Hände in Unschuld, denn wir Grünen haben diesen gesetzlichen Bestimmungen nicht zuge­stimmt –, dass es bei der Ausgliederung der großen Museen nicht zur Bestellung von zwei Geschäftsführern gekommen ist, und zwar von solchen, die von Geld etwas


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66. Sitzung / Seite 131

verstehen – was ganz offensichtlich bei Herrn Generaldirektor Seipel nicht der Fall zu sein scheint, wenn es um ihn als Generaldirektor geht. Diesbezüglich bin ich schon sehr gespannt auf den Endbericht des Rechnungshofes. Wie das beim Privatmann Seipel ausschaut, das wage ich hier nicht zu beurteilen, das überlasse ich ganz Ihrer Phantasie.

Was Herr Generaldirektor Seipel sehr gut kann, das ist, „auf vielen Kirtagen zu tanzen“. (Abg. Mag. Molterer: Ein Museum zu managen!) Da kann man sagen: Er ist der klassische Typ eines Multifunktionärs, denn wie anders wäre es zu erklären, dass er gleichzeitig Generaldirektor von drei Museen sein kann, nämlich vom Kunsthistori­schen Museum – sozusagen einem Unikum weltweit, auf das wir mehr als stolz sein können –, vom Völkerkundemuseum und vom Theatermuseum. Eigentlich sind das Jobs für drei Leute, aber bitte, er ist ein Multi, vielleicht auch ein Multitalent, jedenfalls ein Multifunktionär. Nebenbei ist Seipel noch ORF-Stiftungsrat, und dann ist er auch noch Uni-Rat. Zufällig ist er Uni-Rat bei einer Hochschule, nämlich bei der Akademie der Bildenden Künste, wo es das Gerücht gibt, dass Herr Generaldirektor Seipel, weil er noch nicht zur Gänze ausgelastet zu sein scheint, auch noch die Gemäldegalerie der Akademie unter seine – ich sage es jetzt ganz höflich – Fittiche bringen will; er hat offensichtlich noch freie Kapazitäten.

Ich möchte diesen Zusammenhang zwischen seiner Bestellung zum Uni-Rat und diesem Gerücht aufzeigen. Ich kann es nicht bestätigen, ich stelle es zur Diskussion. Ich kann nicht einmal die Frau Ministerin fragen, denn sie ist nicht hier. Aber einen solchen Untersuchungsausschuss brauchen wir nicht nur, um die Verantwortung, die Ordnungsmäßigkeit bei der Gebarung und die Geschäftstüchtigkeit des Herrn Gene­raldirektors Seipel zu prüfen, sondern auch deshalb, um das zu hinterfragen, was Frau Bundesministerin Gehrer seit Jahren weiß, um zu untersuchen, warum sie trotzdem nicht gehandelt hat, obwohl sie spätestens durch die parlamentarischen Anfragen der Grünen Kenntnis von diesen Vorwürfen erlangt hat.

Das hat mit dieser ganzen Sache nichts zu tun. Wäre es nicht so traurig, würde man sagen: Dieser Raub der „Saliera“ ist eine Komödienstadl-Geschichte. Nur: Blöderweise ist die „Saliera“ weg! Diese Geschichte ist ja lustig (Abg. Dr. Stummvoll: Lustig ist das nicht!), aber sozusagen ein wesentliches Kulturgut ist uns allen verloren gegangen, denn das gehört ja uns allen und nicht dem Generaldirektor Seipel alleine.

Aber die Frau Ministerin schweigt dazu, schweigt auch zu den Ermittlungsergebnissen, die die Sicherheitsbehörden zutage gefördert haben. Lesen können Sie ja alle in diesem Raum. In diversen Medien können Sie nachlesen, was darüber publiziert wurde.

Wenn Sie meinen, dass das nicht genug Stoff für einen Untersuchungsausschuss ist, dann lesen Sie wahrlich zu wenig Krimis! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

22.16

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Glawisch­nig, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung geben, dies durch ein Zeichen zu bekunden. – Der Antrag findet nicht die Mehrheit und ist daher abgelehnt.


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66. Sitzung / Seite 132

Einlauf

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 414/A bis 418/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 1890/J bis 1899/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für morgen, Donnerstag, den 17. Juni 2004, 9 Uhr, ein.

Die Tagesordnung ist bereits verteilt. Die Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 22.17 Uhr

Impressum:

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