Stenographisches Protokoll

78. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 13. Oktober 2004

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 


Stenographisches Protokoll

78. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode             Mittwoch, 13. Oktober 2004

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 13. Oktober 2004: 10.01 – 22.21 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Bundesministers für Finanzen zur Regierungsvorlage betref­fend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2005 samt Anlagen

2. Punkt: Änderung des Übereinkommens zur Errichtung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz und das Wertpapieraufsichtsgesetz geändert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz und das Lebensmittel­gesetz 1975 geändert werden

5. Punkt: Bundesgesetz über das Verbot des Inverkehrbringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch überprüft worden sind

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die als Bundesgesetz geltende Verordnung über den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer bei Arbeiten in Druckluft sowie bei Taucherarbeiten und das Mutterschutzgesetz 1979 geändert werden

7. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Väter-Karenzgesetz geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Maklergesetz, das Versicherungsvertragsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Bankwesen­gesetz geändert werden

9. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Abgeltung stationärer medi­zinischer Versorgungsleistungen von öffentlichen Krankenanstalten für Insassen von Justizanstalten

10. Punkt: Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung

11. Punkt: Bundesgesetz über den Ersatz von Schäden aufgrund einer strafgericht­lichen Anhaltung oder Verurteilung (Strafrechtliches Entschädigungsgesetz 2005 – StEG 2005)


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78. Sitzung / Seite 2

12. Punkt: Bericht über den Antrag 65/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Novellierung des Strafrechtlichen Entschädi­gungsgesetzes (StEG)

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz, die Exekutionsordnung, das Gerichtsorganisationsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, das Bundesgesetz zur Durchführung des Europäischen  Übereinkommens vom 27. Jänner 1977 über die Übermittlung von Anträgen auf Verfahrenshilfe, das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Firmenbuchgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Rechts­anwaltstarifgesetz, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechts­anwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2004)

14. Punkt: Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG, mit der die Vereinbarung über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken geändert wird

15. Punkt: Bericht über den Antrag 379/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Novellierung des Liegenschaftsteilungsgesetzes und des Grunderwerbssteuergesetzes“

16. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauträgervertragsgesetz geändert wird (454/A)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 14

Geschäftsbehandlung

Antrag gemäß § 69 Abs. 3 der Geschäftsordnung, die Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz 2005 samt Anlagen (650 d.B.) in erste Lesung zu nehmen – Annahme       16, 16

Wortmeldung des Abgeordneten Karl Öllinger betreffend Pensionsharmoni­sierungsgesetz                  17

Antrag des Abgeordneten Karl Öllinger gemäß § 69 Abs. 3 der Ge­schäfts­ordnung, die Regierungsvorlage betreffend das Pensionsharmonisie­rungsgesetz (653 d.B.) in erste Lesung zu nehmen – Ablehnung     17, 18

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung in diesem Zusammenhang:

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 17

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 17

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 18

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 18

Antrag der Abgeordneten Doris Bures, Kolleginnen und Kollegen auf Ein­setzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Prüfung der Gebarung des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen sowie des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen sowie des Hauptverbandes der Sozial-


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78. Sitzung / Seite 3

versicherungsträger hinsichtlich der Planung, der Vorbereitungs­verhand­lungen, der Vertragsverhandlungen, der Vergaben sowie insgesamt der Durch­führung des Projektes Chipkarte (E-card) ab der Einleitung eines entsprechenden Ver­gabe­verfahrens durch Einladung von fünf Bewerbern zur Anbotslegung im Februar 2000 gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung ............... 223

Bekanntgabe ................................................................................................................... 46

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG .......................................................................................................... 46

Redner:

Doris Bures ................................................................................................................. 226

Dr. Erwin Rasinger ..................................................................................................... 228

Dr. Günther Kräuter ................................................................................................... 229

Barbara Rosenkranz .................................................................................................. 231

Karl Öllinger ................................................................................................................ 231

Ablehnung des Antrages .............................................................................................. 232

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 66

Antrag der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen, den Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (617 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz und das Lebensmittelgesetz 1975 geändert werden, 630 d.B., gemäß § 73 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Gesundheitsausschuss rückzuverweisen – Ablehnung  70, 97

Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen, den Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (617 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz und das Lebensmittel­gesetz 1975 geändert werden, 630 d.B., gemäß § 73 Abs. 3 Z. 2 der Geschäfts­ordnung an den Gesundheitsausschuss rückzuverweisen – Ablehnung  73, 97

Antrag des Abgeordneten Karl Öllinger im Sinne des § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Anwesenheit des Bundeskanzlers und des Bundes­ministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz – Ableh­nung ......................................................................  109, 110

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung betreffend die Ausführungen von Staatssekretär Franz Morak im Rahmen der Behandlung des Dringlichen Antrages:

Mag. Wilhelm Molterer .............................................................................................. 109

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................. 109

Dr. Josef Cap .............................................................................................................. 110

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  14, 223

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gewährung eines bundeseinheitlichen Heizkostenzuschusses (455/A) (E) .............................................. 98

Begründung: Dr. Alfred Gusenbauer ......................................................................... 101

Staatssekretär Franz Morak ...................................................................................... 105


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Debatte:

Ing. Hermann Schultes (tatsächliche Berichtigung) .................................................. 110

Doris Bures ................................................................................................................. 111

Mag. Walter Tancsits ................................................................................................. 113

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................. 115

Doris Bures (tatsächliche Berichtigungen) ........................................................  117, 125

Karl Öllinger ................................................................................................................ 117

Heidrun Silhavy .......................................................................................................... 119

Ingrid Turkovic-Wendl ............................................................................................... 121

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................. 123

Mag. Dietmar Hoscher (tatsächliche Berichtigung) .................................................. 124

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) ................................................................... 125

Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................. 125

Renate Csörgits .......................................................................................................... 127

Helga Machne ............................................................................................................. 128

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................. 129

Sabine Mandak ........................................................................................................ ... 131

Dr. Christoph Matznetter (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 133

Rudolf Parnigoni (tatsächliche Berichtigung) ............................................................ 133

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................. 133

Heidrun Silhavy (tatsächliche Berichtigung) .............................................................. 136

Franz Riepl .................................................................................................................. 136

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Walter Tancsits, Sigisbert Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Heizkostenzuschuss – Zurück­ziehung ...............................  122, 134

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Walter Tancsits, Sigisbert Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Heizkostenzuschuss – An­nahme (E 70) ............................  135, 138

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 455/A (E) ............................. 138

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärung des Bundesministers für Finanzen zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2005 samt Anlagen – Beschluss auf erste Lesung  19, 16

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (560 d.B.): Änderung des Übereinkommens zur Errichtung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (646 d.B.)             ............................................................................................................................... 40

3. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (546 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz und das Wertpapieraufsichtsgesetz geändert werden (647 d.B.)                         40

Redner:

Dr. Christoph Matznetter ............................................................................................. 40

Mag. Peter Michael Ikrath ............................................................................................ 42

Kurt Eder ....................................................................................................................... 43

Josef Bucher ................................................................................................................. 44

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................... 45

Mag. Dietmar Hoscher ................................................................................................. 46

Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 48

Dkfm. Dr. Hannes Bauer ............................................................................................. 49


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78. Sitzung / Seite 5

Dr. Werner Fasslabend ................................................................................................ 50

Marianne Hagenhofer .................................................................................................. 51

Mag. Hans Langreiter .................................................................................................. 52

Mag. Melitta Trunk ....................................................................................................... 53

Gabriele Tamandl ......................................................................................................... 54

Genehmigung des Staatsvertrages in 646 d.B. ............................................................. 55

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 646 d.B. ........... 55

Annahme des Gesetzentwurfes in 647 d.B. .................................................................. 55

4. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (617 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz und das Lebensmittel­gesetz 1975 geändert werden (630 d.B.)                       55

Redner:

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 55

Ing. Hermann Schultes ................................................................................................ 57

Dr. Eva Glawischnig .............................................................................................  58, 93

Mag. Wilhelm Molterer (tatsächliche Berichtigung) .................................................... 63

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................... 63

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat ...................................................................... 66

Kai Jan Krainer ............................................................................................................. 68

Fritz Grillitsch ............................................................................................................... 71

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ............................................................................. 72

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll .................................................................  78, 93

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (tatsächliche Berichtigung) ................................. 81

Barbara Rosenkranz .................................................................................................... 82

Dr. Gabriela Moser ....................................................................................................... 83

Dipl.-Ing. Günther Hütl ................................................................................................. 85

Klaus Wittauer .............................................................................................................. 86

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ............................................................................. 88

Anton Doppler .............................................................................................................. 89

Mag. Johann Maier ....................................................................................................... 90

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung der Existenz einer gentechnikfreien Landwirtschaft in Österreich („Gentechnikschutzpaket“) – Ablehnung ................................................................................................................  76, 98

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heinz Gradwohl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verhinderung des Inverkehrbringens eines genetisch ver­änderten, glyphosat-toleranten Ölrapsprodukts (Brassica napus L., Linie GT 73) – Ablehnung .......................................................  92, 98

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes – Ablehnung            94, 98

Annahme des Gesetzentwurfes ..................................................................................... 98

5. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (614 d.B.): Bundesgesetz über das Verbot des Inverkehrbringens von kos­metischen Mitteln, die im Tierversuch überprüft worden sind (631 d.B.) ...................................................................................................................... 138


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78. Sitzung / Seite 6

Redner:

Dr. Erwin Rasinger ..................................................................................................... 138

Ing. Erwin Kaipel ........................................................................................................ 139

Barbara Rosenkranz .................................................................................................. 140

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................. 140

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat .................................................................... 142

Maria Grander ............................................................................................................. 143

Beate Schasching ...................................................................................................... 145

Klaus Wittauer ............................................................................................................ 146

Dipl.-Ing. Günther Hütl ............................................................................................... 147

Dr. Günther Kräuter ................................................................................................... 147

Elmar Lichtenegger ................................................................................................... 148

Annahme des Gesetzentwurfes ............................................................................... ... 150

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (504 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die als Bundesgesetz geltende Verordnung über den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer bei Arbeiten in Druckluft sowie bei Taucherarbeiten und das Mutterschutzgesetz 1979 geändert werden (632 d.B.) ......................................................................................................... 150

7. Punkt: Bericht und Antrag des Gesundheitsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Väter-Karenzgesetz geändert wird (633 d.B.) .............................................. 150

Redner:

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................. 150

Ridi Steibl .................................................................................................................... 152

Renate Csörgits .......................................................................................................... 154

Barbara Rosenkranz .................................................................................................. 155

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................. 155

Dr. Erwin Rasinger ..................................................................................................... 156

Erwin Spindelberger .................................................................................................. 156

Barbara Riener ........................................................................................................... 157

Erika Scharer .............................................................................................................. 158

Anna Höllerer .............................................................................................................. 159

Mag. Christine Lapp ................................................................................................... 160

August Wöginger ....................................................................................................... 161

Sabine Mandak ........................................................................................................... 162

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 632 und 633 d.B. ......................................... 163

8. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (616 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Makler­gesetz, das Versicherungsvertragsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Bankwesengesetz geändert werden (629 d.B.)               163

Redner:

Mag. Johann Moser ................................................................................................... 163

Dr. Reinhold Mitterlehner .......................................................................................... 169

Michaela Sburny ......................................................................................................... 171

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................................. 173

Dr. Christoph Matznetter (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 174

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................. 174

Peter Marizzi ............................................................................................................... 176

Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler ............................................................................... 176


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78. Sitzung / Seite 7

Mag. Kurt Gaßner ....................................................................................................... 177

Mares Rossmann ....................................................................................................... 178

Hermann Krist ............................................................................................................ 179

Carina Felzmann ........................................................................................................ 180

Konrad Steindl ............................................................................................................ 181

Johann Ledolter ......................................................................................................... 182

Dipl.-Ing. Hannes Missethon ..................................................................................... 183

Herta Mikesch ............................................................................................................. 184

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 185

9. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (622 d.B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Abgeltung stationärer medizinischer Versorgungsleistungen von öffentlichen Krankenanstalten für Insassen von Justizanstalten (634 d.B.) .................................... 185

Redner:

Werner Miedl ............................................................................................................... 186

Otto Pendl ................................................................................................................... 187

Dr. Dieter Böhmdorfer ............................................................................................... 188

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................. 189

Dr. Gertrude Brinek ................................................................................................... 190

Genehmigung der Vereinbarung .................................................................................. 191

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (518 d.B.): Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung (635 d.B.) ............................................................................................................................. 192

11. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (618 d.B.): Bundesgesetz über den Ersatz von Schäden aufgrund einer straf­gerichtlichen Anhaltung oder Verurteilung (Strafrechtliches Entschädigungs­ge­setz 2005 – StEG 2005) (636 d.B.) ................................................ 192

12. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 65/A (E) der Abge­ordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Novellierung des Strafrechtlichen Entschädigungsgesetzes (StEG) (637 d.B.) ...................................................................................................................... 192

Redner:

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................ 192

Mag. Johann Maier ..................................................................................................... 193

Dr. Dieter Böhmdorfer ............................................................................................... 194

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................. 195

Bundesministerin Mag. Karin Miklautsch ............................................................... 196

Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler ............................................................................... 197

Mag. Johann Maier (tatsächliche Berichtigung) ........................................................ 198

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................ 198

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 200

Mag. Heribert Donnerbauer ...................................................................................... 201

Mag. Gisela Wurm ...................................................................................................... 202

Anton Doppler ............................................................................................................ 203

Dr. Christian Puswald ................................................................................................ 204

Rudolf Parnigoni ........................................................................................................ 205

Mag. Heribert Donnerbauer (tatsächliche Berichtigung) .......................................... 206


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78. Sitzung / Seite 8

Genehmigung des Staatsvertrages in 635 d.B. ........................................................... 207

Annahme des Gesetzentwurfes in 636 d.B. ................................................................ 207

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 637 d.B. ..................................................... 208

Gemeinsame Beratung über

13. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (613 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozess­ord­nung, das Außerstreitgesetz, die Exekutionsordnung, das Gerichtsorgani­sations­gesetz, die Rechtsanwaltsordnung, das Bundesgesetz zur Durchführung des Europäischen  Übereinkommens vom 27. Jänner 1977 über die Übermittlung von Anträgen auf Verfahrenshilfe, das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Firmen­buchgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungs­gesetz 1962, das Rechtsanwaltstarifgesetz, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2004) (638 d.B.) ........................................................ 208

14. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (403 d.B.): Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG, mit der die Vereinbarung über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken geändert wird (639 d.B.)                  208

15. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 379/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Novel­lierung des Liegenschaftsteilungsgesetzes und des Grunderwerbssteuer­ge­setzes“ (640 d.B.) ................................................................... 208

Redner:

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................ 208

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................ 209

Dr. Dieter Böhmdorfer ............................................................................................... 210

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 210

Mag. Peter Michael Ikrath .......................................................................................... 211

Mag. Ruth Becher ...................................................................................................... 212

Mag. Karin Hakl .......................................................................................................... 212

Bettina Stadlbauer ..................................................................................................... 213

Franz Glaser ................................................................................................................ 214

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................... 215

Anna Franz .................................................................................................................. 216

Dr. Peter Wittmann .................................................................................................... 217

Michael Praßl .............................................................................................................. 217

Johann Ledolter ......................................................................................................... 218

Annahme des Gesetzentwurfes in 638 d.B. ................................................................ 219

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 638 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend Maßnahmen zur Bewältigung von Massenverfahren (E 71) ........................................ 219

Genehmigung der Vereinbarung in 639 d.B. ................................................................ 219

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 640 d.B. ..................................................... 219

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 640 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend ein vereinfachtes Verbücherungsverfahren nach dem Liegenschaftsteilungsgesetz (E 72)                  219


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78. Sitzung / Seite 9

16. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauträger­vertragsgesetz geändert wird (454/A) ..... 219

Redner:

Mag. Johann Maier ..................................................................................................... 219

Anna Franz .................................................................................................................. 221

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 221

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 222

Dipl.-Ing. Werner Kummerer ..................................................................................... 222

Zuweisung des Antrages 454/A an den Justizausschuss ........................................... 223

Eingebracht wurden

Petitionen ...................................................................................................................... 15

Petition betreffend „Lärm macht krank“ (Ordnungsnummer 38) (überreicht von der Abgeordneten Heidemarie Rest-Hinterseer)

Petition betreffend „Umweltverträglichkeitsprüfung für den Neubau der Hoch­leistungsbahnstrecke Tauernbahn in der Kur- und Tourismusregion Gasteiner Tal: Eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit!“ (Ordnungsnummer 39) (überreicht von den Abgeordneten Heidemarie Rest-Hinterseer, Dr. Gabriela Moser, Erika Scharer, Dr. Christian Puswald, Mag. Peter Michael Ikrath, Mag. Hans Lang­reiter und Dr. Caspar Einem)

Petition betreffend „Umweltverträglichkeitsprüfung für den Neubau der Hoch­geschwindigkeitsbahnstrecke Gasteinertal: Eine volkswirtschaftliche Notwendig­keit!“ (Ordnungsnummer 40) (überreicht von den Abgeordneten Dr. Christian Puswald und Mag. Peter Michael Ikrath)

Petition betreffend „Nordbahnanrainer ersticken im Kohlenstaub – Für die Ver­wendung geschlossener Kohlenstaubsilos“ (Ordnungsnummer 41) (überreicht vom Abgeordneten Dr. Robert Rada)

Regierungsvorlagen ................................................................................................... 14

624: Bundesgesetz, mit dem das Emissionszertifikategesetz, BGBl. I Nr. 46/2004, geändert wird

626: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die integrierte Vermeidung und Verminderung von Emissionen aus Dampfkesselanlagen (Emissions­schutz­gesetz für Kesselanlagen – EG-K) erlassen wird

627: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kasachstan auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

628: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Malta über die Vertretung der Republik Malta durch österreichische Vertretungsbehörden hinsichtlich der Erteilung von Visa zur Durchreise und zum kurzfristigen Auf­enthalt

641: Bundesgesetz, mit dem das Umweltinformationsgesetz geändert wird (UIG-Novelle 2004)

642: Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen


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78. Sitzung / Seite 10

643: Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Grenz­kon­trollgesetz, das Bundesgesetz über die Führung der Bundesgendarmerie im Bereich der Länder und die Verfügung über die Wachkörper der Bundespolizei und der Bundesgendarmerie und das Beamten-Dienstrechtsgesetz geändert werden (SPG-Novelle 2005)

644: Budgetüberschreitungsgesetz 2004 – BÜG 2004

645: Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 2004 geändert wird

648: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Umwelt­verträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 geändert werden (UVP-G-Novelle 2004)

649: Budgetbegleitgesetz 2005

650: Bundesfinanzgesetz 2005 samt Anlagen

651: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die statistische Erhebung des Warenverkehrs (Handelsstatistisches Gesetz 1995 – HStG 1995) geändert wird

652: Bundesgesetz, mit dem das Militärbefugnisgesetz geändert wird

Berichte ......................................................................................................................... 15

Zu III-91: Ergänzung zum Siebenten Umweltkontrollbericht (Berichtszeit­raum 2001 bis 2003); BM f. Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser­wirtschaft

Zu III-98: Bericht betreffend die Jahresberichte 2002 und 2003 der Beschwerde­kommission in militärischen Angelegenheiten und Stellungnahme des Bun­desministers für Landesverteidigung; Zurückziehung der Stellungnahme; BM f. Landesverteidigung

Vorlage 27 BA: Bericht betreffend den Budgetbericht 2005; BM f. Finanzen

III-95: Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2003

III-105: Bericht betreffend den Gesamtbericht über den Einsatz besonderer Ermittlungsmaßnahmen im Jahr 2003; BM f. Justiz

III-107: Jahresbericht 2003 der Energie-Control GmbH; BM f. Wirtschaft und Arbeit

Anträge der Abgeordneten

Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gewährung eines bundeseinheitlichen Heizkostenzuschusses (455/A) (E)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen betreffend vorzeitige Abberufung des Geschäftsführers des Kunsthistorischen Museums (456/A) (E)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Maßnahmenpaket für mehr Verkehrssicherheit (457/A) (E)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prämien für Medaillengewinner­Innen der paralympischen Spiele in Athen (458/A) (E)


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Anfragen der Abgeordneten

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend monarchistische Tendenzen im KHM (2174/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Postenbesetzung an der Spitze der ÖBB-Holding (2175/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für aus­wärtige Angelegenheiten betreffend Begleitung eines Fotografen zur UN-General­versammlung (2176/J)

Doris Bures, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Missstände und Geldverschwen­dung beim Projekt „e-Card“ (2177/J)

Doris Bures, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Missstände und Geldverschwendung beim Projekt „e-Card“ (2178/J)

Doris Bures, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Missstände und Geldverschwendung beim Projekt e-Card“ (2179/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zeitplan für die Umsetzung legistischer Vorhaben im Bereich der inneren Sicherheit (2180/J)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend lesbische, schwule und bisexuelle Webseiten als „Imageproblem“ für das Bundes­kanzleramt (2181/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend AGES – Schließung der bakteriologisch-serologischen Geschäftsstelle in Linz (2182/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend AGES – Schließung der bakteriologischen-serologischen Geschäftsstelle in Linz (2183/J)

Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend finanzielle Gleichbehandlung konfessioneller und nicht-konfessioneller Schulen (Waldorf-Schule Klagenfurt) (2184/J)


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78. Sitzung / Seite 12

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend PPP-Projekte der ASFINAG (2185/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Schenkungssteuer (2186/J)

Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Vergünstigungen für den zu lebenslanger Haft verurteilten Wolfgang Ott (2187/J)

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend ungezähmte Reiselust des Verkehrsministers (2188/J)

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Anzahl der täglichen Abbuchungsfehler im österreichischen Mautsystem und Einnahmenverluste durch Systemmängel (2189/J)

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend nachgewiesene gravierende Mängel der Inter­operabilität des Mautsystems mit der Schweiz (2190/J)

Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Erlassung eines rechtswidrigen Bescheides in Angelegenheit eines tschetschenischen Ehepaares (2191/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen (2192/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend KHM als Stätte der geselligen Begegnung (2193/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend KHM als Stätte der geselligen Begegnung (2194/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend SPIELBODEN Dornbirn (2195/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Koordination der Fragen des übergeordneten Straßennetzes zwischen Bund und Ländern (2196/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Gebarung des Familienlasten­ausgleichsfonds (2197/J)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Medaillen­prämien für OlympionikInnen und ParalympionikInnen (2198/J)

Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Schmälerung von Abfertigungen wegen nicht erfolgter Wahl einer Mitarbeitervorsorgekasse (2199/J)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Erstellung des Frauenberichtes 2005 (2200/J)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Frauenratgeberin (2201/J)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Käthe Leichter-Staatspreis – Österreichischer Staatspreis für die Frauengeschichte der Arbeiterinnen und Arbeiterbewegung (2202/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend „Nutzung der Ökoabgaben aus dem Ökostrom­gesetz 2003“ (2203/J)

Anfragebeantwortungen


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des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen (2060/AB zu 2097/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen (2061/AB zu 2099/J)

*****

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen (23/ABPR zu 24/JPR)

 



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Beginn der Sitzung: 10.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweite Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Dritter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Sitzung ist eröffnet.

Ich begrüße Herrn Bundespräsidenten Dr. Heinz Fischer, der gemäß der Tradition unter uns weilt, sehr herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Ferner begrüßen wir auch Herrn Altbundespräsidenten Dr. Kurt Waldheim, der eben­falls bei unserer Sitzung anwesend ist. (Neuerlicher allgemeiner Beifall.)

Die Amtlichen Protokolle der 76. und 77. Sitzung vom 22. September 2004 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Stummvoll und Lackner.

Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 2174/J bis 2191/J.

2. Anfragebeantwortungen: 2060/AB und 2061/AB.

Anfragebeantwortung (Präsident des Nationalrates): 23/ABPR.

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Emissionszertifikategesetz, BGBl. I Nr. 46/2004, geändert wird (624 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die integrierte Vermeidung und Ver­minderung von Emissionen aus Dampfkesselanlagen (Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen – EG-K) erlassen wird (626 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Umweltinformationsgesetz geändert wird (UIG-No­velle 2004) (641 d.B.),

Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (642 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Grenzkontrollgesetz, das Bundesgesetz über die Führung der Bundesgendarmerie im Bereich der Länder und die Verfügung über die Wachkörper der Bundespolizei und der Bundesgendarmerie und das Beamten-Dienstrechtsgesetz geändert werden (SPG-Novelle 2005) (643 d.B.),

Budgetüberschreitungsgesetz 2004 – BÜG 2004 (644 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 2004 geändert wird (645 d.B.),


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Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Umweltverträglich­keitsprüfungsgesetz 2000 geändert werden (UVP-G-Novelle 2004) (648 d.B.),

Budgetbegleitgesetz 2005 (649 d.B.),

Bundesfinanzgesetz 2005 samt Anlagen (650 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die statistische Erhebung des Waren­verkehrs (Handelsstatistisches Gesetz 1995 – HStG 1995) geändert wird (651 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Militärbefugnisgesetz geändert wird (652 d.B.).

4. Ergänzung oder Änderung von Regierungsvorlagen oder Berichten:

Ergänzung zum Siebenten Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Berichtszeitraum 2001 bis 2003) (Zu III-91 d.B.),

Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung betreffend die Jahresberichte 2002 und 2003 der Beschwerdekommission in militärischen Angelegenheiten und Stellungnahme des Bundesministers für Landesverteidigung; Zurückziehung der Stellungnahme (Zu III-98 d.B.).

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuss:

Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend den Budgetbericht 2005 (Vor­lage 27 BA);

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 38 betreffend „Lärm macht krank“; überreicht von der Abgeordneten Heidemarie Rest-Hinterseer,

Petition Nr. 39 betreffend „Umweltverträglichkeitsprüfung für den Neubau der Hoch­leistungsbahnstrecke Tauernbahn in der Kur- und Tourismusregion Gasteiner Tal: Eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit!“; überreicht von den Abgeordneten Heidemarie Rest-Hinterseer, Dr. Gabriela Moser, Erika Scharer, Dr. Christian Puswald, Mag. Peter Michael Ikrath, Mag. Hans Langreiter und Dr. Caspar Einem,

Petition Nr. 40 betreffend „Umweltverträglichkeitsprüfung für den Neubau der Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke Gasteinertal: Eine volkswirtschaftliche Notwendig­keit!“; überreicht von den Abgeordneten Dr. Christian Puswald und Mag. Peter Michael Ikrath,

Petition Nr. 41 betreffend „Nordbahnanrainer ersticken im Kohlenstaub – Für die Ver­wendung geschlossener Kohlenstaubsilos“; überreicht vom Abgeordneten Dr. Robert Rada.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Außenpolitischer Ausschuss:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Malta über die Ver­tretung der Republik Malta durch österreichische Vertretungsbehörden hinsichtlich der Erteilung von Visa zur Durchreise und zum kurzfristigen Aufenthalt (628 d.B.);


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Budgetausschuss:

Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2003 (III-95 d.B.);

Finanzausschuss:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kasachstan auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (627 d.B.);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Justizausschuss:

Bericht der Bundesministerin für Justiz betreffend den Gesamtbericht über den Einsatz besonderer Ermittlungsmaßnahmen im Jahr 2003 (III-105 d.B.);

Wirtschaftsausschuss:

Jahresbericht 2003 der Energie-Control GmbH; vorgelegt vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit (III-107 d.B.).

*****

Ankündigung eines Dringlichen Antrages

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Abgeordneten Steier, Kolleginnen und Kollegen haben vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 455/A (E) der Abgeordneten Dr. Gusen­bauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gewährung eines bundeseinheitlichen Heizkostenzuschusses dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird der Dringliche Antrag um 15 Uhr behandelt werden.

Antrag gemäß § 69 Abs. 3 GOG

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Es liegt mir der Antrag gemäß § 69 Abs. 3 der Geschäftsordnung vor, die Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz 2005 samt Anlagen, 650 der Beilagen, in erste Lesung zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein ent­sprechendes Zeichen. (Die Abgeordneten der Grünen erheben sich von ihren Sitzen, ebenso die Abgeordneten der SPÖ; die Abgeordneten von ÖVP und Freiheitlichen bleiben auf ihren Plätzen sitzen. – Zwischenrufe bei den Grünen und der SPÖ in Richtung ÖVP und Freiheitliche.) – Jetzt wird abgestimmt über die erste Lesung. (Abg. Parnigoni – in Richtung ÖVP und Freiheitliche –: Wollt ihr nicht? – Die Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen erheben sich nun ebenfalls von ihren Sitzen.)

Der Antrag auf erste Lesung ist – Herr Kollege Bösch!? – einstimmig angenommen.

*****

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. (Abg. Dr. Jarolim: Das Verhalten war typisch für das Budget, Herr Präsident!) – Bitte.

 



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10.03

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich danke der Mehrheit im Hohen Haus, dass sie bereit war, mit uns hinsichtlich der Regierungsvorlage über die Pensionsharmonisierung in eine erste Lesung einzutreten.

Herr Präsident! Wir haben die erste Lesung deshalb verlangt, weil die Regierungs­vorlage über das Pensionsharmonisierungsgesetz nach der Begutachtung innerhalb weniger Tage von der Bundesregierung beschlossen und dem Parlament zugeleitet wurde.

Auf diese Regierungsvorlage über das Pensionsharmonisierungsgesetz gibt es aber in den Stellungnahmen diverser Organisationen, die dem Parlament ebenfalls zugeleitet werden und wurden, überwiegend ablehnende Reaktionen. Deshalb sind wir sehr froh, dass es jetzt zu dieser ersten Lesung im Parlament kommt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.04

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Kollege Öllinger, das muss ein Irrtum sein. Wir haben vorhin abgestimmt, das Bundesfinanzgesetz in erste Lesung zu nehmen. Das ist der Beschluss von morgen. (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Rufe bei der ÖVP: Guten Morgen!) Und jetzt kommt ihre Wortmeldung zur Geschäftsordnung. Stellen Sie einen Antrag?

 


10.05

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Ja! Ich stelle den Antrag, die Regierungsvorlage über das Pensionsharmonisierungsgesetz, 653 der Beilagen, in erste Lesung zu nehmen.

10.05

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Molterer. – Bitte.

 


10.05

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Guten Morgen, Herr Öllinger! (Neuerliche Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Dr. Glawischnig – auf die Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen deutend –: Das kann man für Sie aber auch sagen!) Meine Damen und Herren! Wir haben in der letzten Präsidiale diese Frage intensiv beraten und einen Drei-Parteien-Konsens über die Behandlung der so wichtigen Pensionsharmonisierungsmaterie gefunden.

Es ist sichergestellt, dass einerseits Öffentlichkeit gegeben ist – nämlich dadurch, dass wir ein öffentliches Hearing zum Thema Pensionsharmonisierung abhalten –, und es ist eine ausführliche parlamentarische Behandlung sichergestellt. Der Öffentlichkeit ist das Thema „Pensionsharmonisierung“ durch die intensive Verhandlungstätigkeit der Bun­desregierung seit Monaten bekannt.

Wir bleiben daher dabei, diese Entscheidung der Präsidiale über die Parlaments­behandlung umzusetzen (Abg. Dr. Jarolim: Sehr zynisch!), und lehnen daher diesen Antrag, der hier gestellt wurde, ab. (Beifall bei der ÖVP.)

10.06

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Geschäftsbehandlung hat sich weiters Herr Abge­ordneter Dr. Cap zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


10.06

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ja, das ist richtig: Wir haben das in der Präsidialkonferenz diskutiert. Andererseits, muss ich sagen, ist es


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ja bekannt, dass das, was die Regierung da vorgeschlagen hat, ein sehr ungerechtes und unsoziales Pensionsharmonisierungsmodell ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn das Bedürfnis besteht – und es besteht natürlich auch von unserer Seite her –, dem sowohl in der Öffentlichkeit als auch im Parlament einen größtmöglichen Erörterungsraum zu geben, so sehen wir keinen Grund, diesem Antrag der Grünen nicht beizutreten (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Zack-zick-zack!) und das auch konsensuell in den Plan, den wir in der Präsidialkonferenz gefunden haben, einzubauen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Daher würden wir das unterstützen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.07

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung kommt von Herrn Klubobmann Scheibner. – Bitte.

 


10.07

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt nach eingehender Beratung einen Vorschlag von drei Fraktionen darüber, wie diese wichtige Pensionsharmonisierung im Parlament diskutiert werden soll – einen Vorschlag von der Österreichischen Volks­partei, den Freiheitlichen und der Sozialdemokratischen Partei!

In diesem Vorschlag ist die erste Lesung nicht vorgesehen. Wir stehen zu dem, was wir in der Präsidiale vereinbart haben. Deshalb hatten wir ja – und werden noch die Gelegenheit haben, zu dieser Pensionsharmonisierung grundsätzlich Stellung zu nehmen. Wir gehen jedoch von diesem gemeinsamen Vorschlag, der in der Präsidial­konferenz beschlossen wurde, nicht ab. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

10.07

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ein Antrag auf Durchführung einer Debatte wurde nicht gestellt.

Wir kommen daher sogleich zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Karl Öllinger, das Pensionsharmonisierungsgesetz einer ersten Lesung zu unterziehen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag beitreten, um ein Zeichen der Zu­stimmung. (Rufe bei den Freiheitlichen – in Richtung der sich von ihren Plätzen erhebenden Abgeordneten der SPÖ –: Zack-zick-zack!) – Dieser Antrag findet nicht die Mehrheit.

Wir kommen nunmehr zur Behandlung der Tagesordnung.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 2 und 3, 6 und 7, 10 bis 12 sowie 13 bis 15 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Gestaltung und Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von


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8 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP und SPÖ je 140 Minuten, Freiheitliche 96 Minuten sowie Grüne 104 Minuten.

Darüber befindet das Hohe Haus. Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Redezeitvorschlag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Weiters teile ich mit, dass die gesamte Budgetrede vom ORF übertragen wird.

Entsprechend einem Einvernehmen in der Präsidialkonferenz werde ich die Sitzung von 13 Uhr bis 13.30 Uhr unterbrechen.

1. Punkt

Erklärung des Bundesministers für Finanzen zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz 2005 samt Anlagen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Ich erteile nunmehr dem Herrn Bundesminister für Finanzen zur Abgabe der Erklärung das Wort. (Abg. Heinzl: Ein schöner Tag!)

 


10.09

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Bundes­präsident! Sehr geehrter Herr Präsident des Nationalrates! Hochverehrter Herr Bun­deskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Regierungskolleginnen und -kollegen! Hohes Haus! Der Ihnen heute vorgelegte Entwurf für den Bundesvoranschlag 2005 ist zu einem Zeitpunkt erstellt worden, zu dem sich alle nationalen und internationalen Ex­perten über eine Konjunkturerholung einig waren. (Zwischenruf der Abg. Dr. Gabriela Moser.) Nach drei Jahren der wirtschaftlichen Schwäche ist das laufende Jahr – trotz eines starken Anstiegs des Erdölpreises und anderer Risken – von einem kräftigen, weltweiten Aufschwung auf breiter Basis gekennzeichnet.

In den USA wird für heuer ein reales Wirtschaftswachstum von über 4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erwartet. In Asien boomt die Wirtschaft wie nie zuvor, vor allem China befindet sich mit Wachstumsraten von über 9 Prozent in einem beeindruckenden wirtschaftlichen Aufholprozess. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni.) Selbst Japan, das mehr als ein Jahrzehnt mit wirtschaftlicher Stagnation und Deflation zu kämpfen hatte, blickt heuer mit einem realen Wirtschaftswachstum von 4 Prozent wieder spürbar bes­seren Zeiten entgegen. Die Weltwirtschaft wächst heuer real um 5 Prozent. Das ist das stärkste weltwirtschaftliche Wachstum, das es seit rund 30 Jahren gegeben hat. (Abg. Dr. Jarolim: Ist das auf die Regierung zurückzuführen?)

Für die Europäischen Union wird 2005 ein reales Wirtschaftswachstum von rund 2,5 Prozent prognostiziert. Die konjunkturelle Durststrecke der letzten Jahre ist jedenfalls auch in Europa vorbei, und es gibt allen Grund, mit Optimismus in die Zukunft zu blicken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Mag. Posch.)

Das gilt für Europa insgesamt; Österreich wird aber besser sein und stärker wachsen als die meisten Länder in Europa,

weil wir in den letzten Jahren eine aktive Wirtschaftspolitik gemacht haben,

weil wir mutige strukturpolitische Reformen umgesetzt haben und

weil wir mit der großen Steuersenkung die verfügbaren Einkommen der Bürger stärken und die Standortqualität Österreichs deutlich verbessern.


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Deshalb steht Österreich besser da als die meisten Mitgliedstaaten der Union. Deshalb, meine Damen und Herren, ist die Zeit der Ernte gekommen. Freuen wir uns darauf! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: Das ist aber eine groteske Rede! – Abg. Dr. Partik-Pablé – in Richtung des Abg. Dr. Jarolim –: Stören Sie doch nicht!)

Wir sind im Jahr 2000 mit dem Ziel angetreten, das Land einem umfassenden Erneuerungsprozess zu unterziehen, einem Erneuerungsprozess, der den Wohlstand aller fördert, der die Zukunftschancen heutiger und künftiger Generationen sichert, der Arbeitsplätze schafft und der den sozialen Zusammenhalt weiter stärkt. Wir sind mit dem Ziel angetreten, das geographische Zentrum Europas auch zum wirtschaftlichen Zentrum Europas zu machen.

In unserer Vision von Österreich soll die Wirtschaft sozialer sein als in den dynami­schen Vereinigten Staaten, und sie soll dynamischer sein als die sozialen Markt­wirtschaften des restlichen Europas. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist ja peinlich, was Sie da sagen! – Ruf der Abg. Dr. Partik-Pablé und Gegenruf des Abg. Dr. Jarolim.)

Wir arbeiten für ein Österreich, das ausgezeichnet sein soll von

weniger Steuern und Abgaben, dafür mehr verfügbarem Einkommen für die privaten Haushalte, mehr Konsum, daher mehr Geld für Investitionen und Arbeitsplätze;

weniger staatlicher Einmischung und Bevormundung, dafür mehr individueller Freiheit, mehr Unternehmertum und mehr Eigenverantwortung;

weniger Ausgaben für die öffentliche Verwaltung, dafür mehr Mittel für die Zukunfts­sicherung des Landes: für Forschung und Entwicklung, für Bildung, für Ausbildung, für die Infrastruktur;

weniger staatlicher Umverteilung nach dem Gießkannenprinzip, dafür mehr sozialer Gerechtigkeit und finanzieller Nachhaltigkeit durch ein leistungsfähiges und ein treffsicheres Transfersystem (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim) und

einem Denken, meine Damen und Herren, nicht in Legislaturperioden (Abg. Mag. Kogler: Nein, nein!), sondern für Generationen, um dadurch am eigenen Beispiel vorzuleben, dass Wohlstand und Gerechtigkeit Hand in Hand gehen können.

Das ist unsere Vision! Ziele, die sich auszahlen für unser Land! Ein guter Weg für Österreich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Haar­sträubend!)

Hohes Haus! Seit dem 4. Februar 2000 verfolgen wir ganz konsequent eine wirt­schafts- und budgetpolitische Strategie, die auf drei Säulen basiert:

erstens auf der Politik eines ausgeglichenen Haushalts über den Konjunkturzyklus,

zweitens auf einer Senkung der Steuer- und Abgabenquote auf zumindest 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2010 und

drittens auf einer aktiven Wachstums- und Beschäftigungspolitik.

Auf dieser Grundlage hat die Bundesregierung in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Maßnahmen umgesetzt, die Österreich leistungsstärker und (Abg. Öllinger: Bes­ser!) dynamischer, ja einfach besser (Abg. Öllinger: Besser, ja! Stärker! Dynamischer!) gemacht haben. Unser Motto ist: Die Zukunft sollte man nicht vorhersehen wollen, sondern möglich machen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.)

Wir haben die öffentlichen Finanzen auf eine solide Basis gestellt. (Abg. Reheis hält eine Tafel in die Höhe mit der Aufschrift „Höchste Steuerbelastung“, wo je ein Wort


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in Blau und eines in Schwarz gehalten ist.) Wir haben erstmals seit fast 30 Jahren praktisch zweimal einen ausgeglichenen Haushalt erreicht. (Ruf bei der ÖVP: Das Taferl ist falsch!)

Wir haben mit der Steuerreform 2004 und 2005 die größte steuerliche Entlastungs­offensive eingeleitet, die es in unserem Land jemals gegeben hat.

Mit der Pensionssicherungsreform 2003 und der Pensionsharmonisierung 2005 wur­den Meilensteine in vorausschauender Sozialpolitik gesetzt. – Sie (in Richtung des Abg. Reheis) dürfen nicht in der Vergangenheit leben, Herr Abgeordneter, sondern sollten mit uns in die Zukunft gehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! (Abg. Pfeffer hält eine Tafel in die Höhe mit der Aufschrift „Höchste Staatsverschuldung“, wo je ein Wort in Blau und eines in Schwarz gehalten ist. – Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Mehr soziale Gerechtigkeit, die Stärkung des sozialen Zusammenhalts: Dieser Grund­satz ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen. – Rufe bei der ÖVP: Edlinger!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Ich würde Sie bitten, dem Herrn Finanzminister zuzuhören! (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Diese Lächerlichkeit muss man ja kommen­tieren!)

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser (fortsetzend): Mehr soziale Gerechtigkeit, die Stärkung des sozialen Zusammenhalts: Dieser Grundsatz zieht sich gleichsam als roter Faden durch die Arbeit dieser Bundesregierung. (Abg. Broukal: Ein bisschen mehr intellektuelle Redlichkeit!)

Nie zuvor hat eine Bundesregierung mehr in die Zukunft unseres Landes investiert: mehr Ausgaben für die Forschung, leistungsfähige Universitäten, mehr Geld für die Bildung, für Investitionsprojekte in der Infrastruktur.

Wir nützen die Vorteile und Chancen der Erweiterung der Europäischen Union. Das sichert bestehende, das erschließt neue Märkte für die österreichischen Unternehmen.

Wir haben den Staat moderner gemacht. Es gibt heute weniger öffentlich Bedienstete und schlankere Ministerien. Die Qualität der Verwaltung ist dadurch nicht schlechter, sondern im Gegenteil besser geworden.

Wir haben gesagt: Privat ist besser als Staat. Mit unserer erfolgreichen Privatisie­rungspolitik haben wir einen Schlussstrich unter die verlustreichen, planwirtschaftlichen Ansätze früherer Jahre gezogen. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer hält eine Tafel in die Höhe mit der Aufschrift „Öffentliches Eigentum verschleudert!“.)

Das ist unsere Bilanz nach viereinhalb Jahren des neuen Regierens für Österreich. Das ist die Bilanz unserer erfolgreichen Erneuerungspolitik: eindeutige wirtschafts­politische Überzeugungen, klare Positionen, konsequente Umsetzung. Da kennt man sich aus, darauf können Sie sich verlassen. Darauf können wir stolz sein, und genauso machen wir auch weiter, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Österreich hat sich in den letzten Jahren zu einem Musterland für eine erfolgreiche Wirtschafts- und Budgetpolitik entwickelt. Ein Schulterschluss aus gestal­tungswilliger Politik und veränderungsbereiter Bevölkerung hat Österreich zu einem Land mit überdurchschnittlicher Dynamik, zu einem Land der maßvollen, aber konse-


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quenten Veränderungen, zu einem Land der Flexibilität, der Innovationskraft und der Erneuerung gemacht. Österreich ist heute ein Wirtschafts- und Arbeitsstandort, um den uns viele beneiden – wir sind auf der Überholspur, unsere Strategie stimmt.

In den neunziger Jahren wurden österreichische Bundesregierungen von inter­nationalen Institutionen kritisiert. Jetzt wird Österreich vom Internationalen Währungs­fonds, von der Europäischen Kommission, von der OECD als Vorzeigebeispiel für erfolgreiche Reformpolitik gelobt. In den letzten drei Jahren hat sich Österreich viel besser entwickelt als unsere Nachbarländer Deutschland, Italien oder die Schweiz. (Abg. Mag. Posch: ... die Kurzfassung lesen?) In allen wesentlichen ökonomischen Eckdaten sind wir dem Durchschnitt der Eurozone voraus. (Abg. Riepl hält eine Tafel in die Höhe mit der Aufschrift „Rekordarbeitslosigkeit“. – Rufe bei der ÖVP – in Rich­tung SPÖ –: Wien! Wien! – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Zur Arbeitslosigkeit: Mit 3 244 380 Beschäftigten hat Österreich im September 2004 einen neuen Rekordwert erreicht, Herr Abgeordneter. Daher: Machen wir nicht madig! Freuen wir uns über die positiven Dinge in unserem Land! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Rekordbeschäftigung mit 3 244 380 Beschäftigten! Das sind um 27 900 Beschäftigte mehr als noch im September 2003, das sind fast 100 000 Beschäftigte mehr als noch im Jahr 1999. Wir weisen die drittniedrigste Arbeits­losenrate innerhalb der Europäischen Union auf.

Das Bruttoinlandsprodukt in Österreich pro Kopf – in Kaufkraftstandards gemessen – liegt um 21 Prozent über dem Durchschnitt der Europäischen Union. Wir belegen damit hinter Luxemburg, hinter Dänemark, hinter Irland den ausgezeichneten 4. Platz.

Österreichs Inflationsrate ist eine der niedrigsten in der Eurozone. Im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2003 hatten wir eine Inflationsrate von 1,8 Prozent, in der Eurozone lag dieser Wert bei 2,3 Prozent. Für 2005 wird einer der stärksten Zuwächse beim Realeinkommen prognostiziert, nämlich mit 2 Prozent netto pro Kopf.

Die österreichischen Unternehmen konnten ihre Exporte im ersten Halbjahr um über 11 Prozent steigern. Mit 85 Milliarden € werden die Exporte heuer einen absoluten Rekordwert erreichen. Dadurch sollen auch etwa 50 000 neue Arbeitsplätze geschaf­fen werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dieser Rekordwert auch bei den Exporten ist eine klare Bestätigung für die inter­nationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Im Zeitraum zwischen 1999 und 2003 haben unsere Exporte sogar um 31 Prozent zugelegt! Meine Damen und Herren! Wir haben damit auch im Handelsbereich den früheren Exportweltmeister Deutschland übertroffen.

Die Direktinvestitionen österreichischer Unternehmen im Ausland haben im Vorjahr mit 47 Milliarden € ebenfalls einen neuen Rekordwert erreicht. Österreich steht in Slo­wenien und in Kroatien jetzt schon an erster Stelle bei den Direktinvestitionen. In Tschechien, in der Slowakei und in Ungarn belegen wir den ausgezeichneten dritten Platz.

Wir nützen die Chancen der Erweiterung. Österreich ist der Standort für internationale Headquarter. Mehr als 1 000 internationale Unternehmen koordinieren ihre Aktivitäten in Mittel- und Osteuropa bereits jetzt aus Österreich.

Die Wiener Börse wird zunehmend als Quelle von Eigenkapital genutzt. Anfang des Jahres 2000 lag der ATX bei 1 066 „Punkten“. In den letzten Tagen wurde erstmals die 2 100 „Punkte“-Marke überschritten. Das heißt, wir haben fast eine Verdoppelung


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geschafft. Die Wiener Börse ist damit die bestperformende Börse der entwickelten westlichen Industrienationen. Im gleichen Zeitraum, in dem wir fast verdoppelt haben, hat die NASDAQ 59 Prozent verloren, der DAX 46 Prozent und der japanische NIKKEI 42 Prozent. Kein Zufall, meine Damen und Herren, sondern ideenreiche Politik für den Finanzplatz Österreich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben jetzt in Österreich 50 000 Unternehmen mehr als im Jahr 1999, also auch mehr an unternehmerischer Kultur in unserem Land. Meine Damen und Herren! Laut Statistik der Oesterreichischen Nationalbank ist die Eigenkapitalfinanzierung dieser Unternehmen von 21,4 Prozent im Jahr 1999 auf fast 27 Prozent im Jahr 2003 angestiegen. Ein wirklich großer Erfolg!

Allein der Blick in die Insolvenzstatistik zeigt, dass Eigenkapitalmangel die zentrale Insolvenzursache ist und – umgekehrt – ausreichendes Eigenkapital wiederum Grund­voraussetzung dafür ist, dass es ein exponentielles Unternehmenswachstum und mehr Beschäftigung geben kann.

Ich glaube daher wirklich, dass man sagen kann: Gemeinsam, meine Damen und Herren, haben wir in kurzer Zeit sehr viel erreicht. Dafür möchte ich der öster­reichischen Bevölkerung, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und den Unter­nehmen danken. Sie alle haben einen nicht immer angenehmen, aber notwendigen Reformkurs mitgetragen. Unsere hervorragende Bilanz, die guten Wirtschafts­leistun­gen: Das ist die gemeinsame Ernte! Und die, meine Damen und Herren, hat erst begonnen. 2005 wird ein wirklich gutes Jahr für Österreich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Vertrauen in die Politik schafft man aber nur dann, wenn Überschriften und Inhalte übereinstimmen. (Abg. Broukal: Richtig! Guter Hinweis!) Unsere ausge­zeichneten Leistungen spiegeln sich daher einerseits in den Fakten und andererseits in zahlreichen internationalen Rankings, wie zum Beispiel im „World Competitiveness Yearbook“, wider.

Im Jahr 2000 war Österreich die Nummer 8 in der Europäischen Union. Wir sind angetreten und haben gesagt: Wir wollen Österreich unter die Top 3 der Europäischen Union bringen! Heute darf ich Ihnen sagen: Bereits heuer haben wir dieses Ziel erreicht! Die jährlich im Rahmen der Lissabon-Strategie ermittelten Strukturindikatoren beweisen: Österreich gehört zu den drei besten Wirtschafts- und Arbeitsstandorten der Europäischen Union. Ein großer Erfolg, meine Damen und Herren, der international Beachtung findet! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Im Jahr 1999 wies Österreich gemeinsam mit Portugal das höchste Haushaltsdefizit der Europäischen Union auf. Das Budget, das ich von meinem Amtsvorgänger Rudolf Edlinger übernommen habe, wies ein Defizit von 2,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus – dazu eine nicht finanzierte Steuerreform. Das Defizit wäre auf über 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes explodiert. (Rufe bei der ÖVP: Wahnsinn!)

Der Schuldenstand zum damaligen Zeitpunkt: 66,5 Prozent des Bruttoinlands­produk­tes, die vierthöchste Schuldenquote der Europäischen Union. Diese Bundesregierung, meine Damen und Herren ... (Abg. Reheis hält eine Tafel in die Höhe, auf der in blauer und in schwarzer Schrift zu lesen ist: „Höchste Steuerbelastung“.) – Sie haben das falsche Taferl, Sie müssten einmal Ihre Schulden aufzeigen, die Sie über 30 Jahre zustande gebracht haben – leider Gottes! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber es ist interessant, dass Sie die Farbe gewechselt haben. Sie haben so schön in Blau-Schwarz geschrieben, offensichtlich ist Rot nicht mehr in. (Heiterkeit und Beifall


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bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Sie haben auch die Farbe gewechselt von Blau zu Schwarz!) – Der war nicht schlecht.

Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung musste Schulden in Höhe von 133 Milliarden € übernehmen. Wir mussten jährliche Zinszahlungen in Höhe von 7,3 Milliarden € übernehmen. Das bedeutet, jeden Tag muss der Steuerzahler den Betrag von 53 Millionen € für Tilgung und Zinsen für diese Schulden bezahlen. Jeden Tag 53 Millionen €!

Österreich wurde für diese Budgetpolitik von der Europäischen Kommission, vom ECOFIN-Rat, vom Internationalen Währungsfonds und von der OECD massiv kritisiert. Die österreichische Budgetpolitik wurde auf europäischer Ebene als inakzeptabel bezeichnet, sie wurde zurückgewiesen, weil sie nicht mit den Anforderungen des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes übereingestimmt hat.

Das hat sich seit der politischen Wende im Jahr 2000 grundlegend geändert. Wir haben die Quadratur des Kreises in der Finanzpolitik geschafft, und erstmals, meine Damen und Herren, seit fast 30 Jahren haben wir im Jahr 2001 einen Budget­überschuss geschafft und 2002 mit einem sehr kleinen Defizit von 0,2 Prozent fast wieder einen ausgeglichenen Haushalt erreicht. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Wenn Sie Ihre Finanzpolitik mit unserer vergleichen, dann muss ich Ihnen sagen: Über 30 Jahre hatten sozialdemokratische Finanzminister im Schnitt Budgetdefizite von 2,3 Prozent pro Jahr. Wir haben hier einen Quantensprung zum Besseren geschafft und liegen im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2004 bei einem Defizit von 0,8 Prozent. 0,8 Prozent im Schnitt hier, 2,3 Prozent bei Ihnen – das ist ein klarer Vergleich, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dank dieser Reformleistungen zählen wir heute zu jenen Mitgliedstaaten in der Euro­päischen Union, deren Budgetpolitik von der Kommission und vom ECOFIN-Rat, also von den Mitgliedstaaten der Union, mit Höchstnoten ausgezeichnet wird. Erstmals ist es uns heuer gelungen, nachdem wir als Schlusslicht in der Union mit Alfred Finz antreten mussten, dass unser aktuelles Stabilitätsprogramm als eines der vier besten von der Kommission gelobt wurde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte in diesem Zusammenhang ansprechen, dass die Opposition uns jetzt wegen der Defizitentwicklung im heurigen Jahr, also 2004, kritisiert. Statt 0,7 Prozent Defizit wird es voraussichtlich ein Defizit von 1,3 Prozent geben. Wenn man fair ist, dann sollte man aber auch dazusagen, dass wir uns erst nach der Beschlussfassung dieses Budgets auf die große Steuerreform geeinigt und Teile dieser Steuerreform bereits von 2005 auf 2004 vorgezogen haben.

Meine Damen und Herren! Wenn man fair ist, dann sagt man auch dazu, dass wir international wirklich gut liegen. Das durchschnittliche Defizit aller Mitgliedsländer der Wirtschafts- und Währungsunion wird heuer bei 2,7 Prozent liegen. Wenn man fair ist, dann sagt man dazu, dass Sie 1,3 Prozent niemals geschafft haben. Sie haben in 30 Jahren kein einziges Mal einen so guten Wert geschafft. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Und wenn man fair ist, meine Damen und Herren, dann sagt man dazu, dass die Defizite 2004 in Frankreich 3,7 Prozent, in den Niederlanden 3,5 Prozent, in Italien 3,2 Prozent, in Portugal 3,4 Prozent, in Griechenland 3,2 Prozent und in Deutschland sogar 3,6 Prozent betragen.

Wenn wir die Frage stellen, meine Damen und Herren: Haben diese Staaten mit diesen viel höheren Defiziten jetzt zum Beispiel eine Senkung der Arbeitslosigkeit erreicht?, dann kommen wir drauf: Nein, das war nicht der Fall! Wir hatten im August 2004 in Österreich 4,5 Prozent Arbeitslosigkeit, 4,8 Prozent waren es in den Niederlanden,


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8,5 Prozent in Italien, 9,6 Prozent in Frankreich und sogar 9,8 Prozent Arbeitslosigkeit in Deutschland. Aber: 4,5 Prozent in Österreich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wie schaut es mit der Frage nach dem Wachstum aus? Haben diese Länder, weil höheres Defizit, ein höheres Wachstum erreicht? – Man kommt drauf: wiederum nein! Den 2 Prozent für Österreich gemäß der Prognose des Internationalen Währungsfonds für das heurige Jahr stehen 1 Prozent für die Niederlande, 1,1 Prozent für Italien und 1,4 Prozent für Frankreich gegenüber.

Das heißt, meine Damen und Herren, wir haben ein niedrigeres Defizit, wir haben ein höheres Wachstum, wir haben eine deutlich niedrigere Arbeitslosigkeit – alles Beweise dafür, dass unsere stabilitäts- und reformorientierte Wirtschafts- und Budgetpolitik eben auch bessere Ergebnisse beim Wachstum und bei der Beschäftigung bringt. Das ist auch ein Beweis dafür, dass wir mit unserer Wirtschafts- und Budgetpolitik richtig liegen, und ein klarer Auftrag, diesen richtigen Weg auch fortzusetzen. Genau das haben wir vor! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Ich darf Ihnen in diesem Sinne daher heute das Budget für das Jahr 2005 präsentieren, und das auch zu unserer Politik passend in einer frischen Form: transparent, nachvollziehbar, modern. Sie sehen, wir haben völlig neue Unterlagen gestaltet, nicht nur vom Design, sondern auch vom Inhalt her. Herr Abgeordneter Öllinger, Sie lachen jetzt, es war die grüne Fraktion, die immer gefordert hat, dass wir den Budgetbericht, dass wir die Teilhefte, dass wir die Arbeitsbehelfe, dass wir die Erläuterungen erstens informativer gestalten sollen und dass wir zum Beispiel auch ein Gender Budgeting aufnehmen sollen. Wir haben das Gender Budgeting aufgenommen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Glawischnig  auf ein Teilheft zeigend –: Da kommen Frauen nicht vor!) Uns ist die Frauenpolitik sehr wichtig, Frau Abgeordnete! Und wir leben sie!

Professor Van der Bellen hat mich am Beginn dieser Woche aufgefordert, dem Nationalrat ehrlich und seriös Bericht zu erstatten. Meine Damen und Herren! Meines Wissens sind die gesamten Budgetmaterialien, all diese Unterlagen, die Sie hier sehen, das erste Mal seit zehn Jahren dem Parlament bereits einen Tag vor der Budgetrede übermittelt und gestern verteilt worden, so wurde es mir berichtet. Sehr geehrter Herr Abgeordneter Van der Bellen! Das verstehen wir unter ehrlicher und seriöser Berichterstattung dem Hohen Haus gegenüber. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir setzen weiterhin die Schwerpunkte dort, wo es um die Zukunft unseres Landes und seiner Menschen geht: bei den Ausgaben für Bildung und Forschung, bei den Ausgaben für die Infrastruktur, bei den Ausgaben für mehr Sicherheit, bei den Ausgaben für Familien. Wir sind überall dort sparsam, wo der Bür­ger keine entsprechende Gegenleistung für seine Steuern erhält.

Der Ihnen heute vorliegende Bundesvoranschlag 2005 sieht Einnahmen in der Höhe von 58,9 Milliarden € und Ausgaben in der Höhe von 64 Milliarden € vor. Im kom­menden Jahr rechnen wir mit einem Maastrichtdefizit des Gesamtstaates von 1,9 Pro­zent des Bruttoinlandproduktes. Ich darf gleichzeitig dazu sagen, dass der Durchschnitt der Euroländer, der zwölf Länder, die die Wirtschafts- und Währungsunion formen, im nächsten Jahr bei 2,8 Prozent liegen wird und dass sechs Länder der Eurozone über 3 Prozent liegen werden. Durchschnitt 2,8, sechs Länder über 3, Österreich bei 1,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

Auch das Budget für das Jahr 2006, meine Damen und Herren, ist ausverhandelt, es wurde gestern im Ministerrat beschlossen. 2006 wird dieses Maastrichtdefizit – aus heutiger Sicht bestanzugebender Wert – auf 1,7 Prozent zurückgehen. Für 2008


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streben wir wieder einen ausgeglichenen Haushalt an. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Kräuter hebt eine Tafel in die Höhe, auf der zu lesen ist: „Milliardengrab Eurofighter“.)

Meine Damen und Herren! Nachdem die Finanzausgleichsverhandlungen noch nicht abgeschlossen sind, haben wir unterstellt, dass die Länder in der Lage sein sollten, zumindest einen Überschuss von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erwirt­schaften, und dass die Städte und Gemeinden einen ausgeglichenen Haushalt er­reichen werden. Mir ist natürlich bewusst, dass die Opposition das Ansteigen dieses Defizits kritisieren wird, das ist auch ihre Aufgabe, überhaupt keine Frage. Ich stehe auch nicht an, zu sagen, dass wir das Budgetdefizit auch wieder absenken müssen. Das Ziel ist gesteckt für das Jahr 2008 mit einem ausgeglichenen Haushalt. Ich betone aber gleichzeitig, meine Damen und Herren, dass uns dieser vorübergehende Anstieg des gesamtstaatlichen Defizits nicht passiert ist, sondern wir nehmen es ganz bewusst in Kauf, und zwar deswegen, weil wir immer gesagt haben, dass diese Steuerreform nicht gegenfinanziert wird und dass dieser vorübergehende Anstieg des Defizits not­wendig ist, um den Wirtschaftsaufschwung zu verstärken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn man uns jetzt kritisch entgegenhält, dass Alfred Finz und ich das höchste Defizit unserer Zeit zu verantworten haben, dann ist das fraglos richtig, aber gleichzeitig, meine Damen und Herren, haben wir die niedrigste Steuer­belastung seit den achtziger Jahren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Reheis hebt neuerlich die Tafel in die Höhe, auf der zu lesen ist: „Höchste Steuerbelastung“.)

Gleichzeitig sage ich dazu: In 30 Jahren Bundesregierungen vor uns hat man es ganze drei Mal geschafft, auf knapp unter 2 Prozent im Defizit zu kommen. Drei Mal in 30 Jahren haben Sie es geschafft, einen ähnlich guten Wert zu erreichen, wie es unser schlechtester Wert ist. Daher: Ich bin der Überzeugung, meine Damen und Herren, es ist das Recht der Bevölkerung, es ist die Pflicht dieser Bundesregierung, jetzt alles zu tun, um Arbeit zu schaffen. Genau das machen wir mit diesem Budget, genau das machen wir mit dieser Steuerreform, eben ohne Gegenfinanzierung: Steuern runter, Österreich rauf – das ist unser Weg! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen voll Überzeugung: Wir können dieses höhere Defizit auch ruhigen Gewissens verantworten, und zwar deshalb, weil dieses Geld sehr gut investiert ist. Die unteren und mittleren Einkommen werden massiv entlastet, die Kaufkraft der Bevölkerung wird deutlich erhöht, der Wirtschafts- und Arbeitsstandort wird auf­gewertet, die Eigenkapitalbasis der Klein- und Mittelbetriebe wird gestärkt und die Investitionen werden angekurbelt.

Wenn man fair und objektiv ist, dann sieht man ein sehr klares Bild: Wir haben der weltwirtschaftlichen Verflachung mit zwei Konjunkturbelebungspaketen, mit einem Wachstums- und Standortpaket und mit einer wirklich sehr substanziellen steuerlichen Entlastung gegengesteuert. Wenn wir das nicht getan hätten, meine Damen und Herren – um auch diesen Zusammenhang einmal herzustellen –, dann würden wir nach wie vor etwa ausgeglichen budgetieren, dann hätten wir im Jahr 2006 sogar einen leichten Budgetüberschuss. Wir aber haben genau das gesagt, was Sie immer unterstellt haben, dass wir das nicht tun. Wir haben gesagt: Das Nulldefizit ist tatsächlich kein Dogma! In wirtschaftlich schwierigen Zeiten muss man den Schwer­punkt eben in Richtung mehr Wachstum und mehr Beschäftigung verschieben – ohne aber die Politik eines ausgeglichenen Haushalts über den Konjunkturzyklus aus den Augen zu verlieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Sie können bei einem sicher sein: Wir sagen nicht heute so und morgen ganz anders (Abg. Eder: Nur! – ironische Heiterkeit bei der SPÖ), wir präsentieren Ihnen heute nicht eine Steuersenkung und sind morgen doch für eine Steuererhöhung, sondern wir gehen ganz bewusst einen wohl überlegten Weg. Und dieser Weg heißt: Weniger Steuern und Abgaben, gleichzeitig solide Staatsfinanzen. Das zahlt sich aus für Sie, das zahlt sich aus für die Bevölkerung, das zahlt sich aus für Österreich, und dann, hoffe ich, haben wir als Regierung auch einmal etwas davon. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Hohe Steuern sind ein Zeichen des Wohlfahrtsstaates alter Prägung. Hohe Steuern führen in einer globalisierten Welt zu Standortnachteilen und zu höherer Arbeitslosigkeit. Schon das Kabinett Schüssel I hat daher von Beginn an klar gemacht, dass es eine der wichtigsten Aufgaben ist, die Bevölkerung und die Wirtschaft grund­legend zu entlasten. Mit der Steuerreform 2004/2005 löst die österreichische Bundes­regierung ihr Entlastungsversprechen ein. Der Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Steuerreform könnte nicht besser gewählt sein, die Steuerentlastung wird den konjunk­turellen Aufstieg weiter festigen und die Dynamik des Wachstums zusätzlich stärken.

Nach Schätzungen des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung wird durch die Steuersenkung das reale Wachstum in den nächsten beiden Jahren um zusätzlich 0,4 Prozent beziehungsweise 0,5 Prozent erhöht. Die Entlastung bewahrt laut Wirt­schaftsforschungsinstitut über 3 000 Österreicherinnen und Österreicher vor Arbeits­losigkeit und schafft über 4 000 neue Arbeitsplätze. Wir senken die Steuern und Abgaben in zwei Etappen um 3 Milliarden €. Damit entlasten wir jeden Steuerzahler im Durchschnitt um 500 € pro Jahr. Wir geben jedem Haushalt in Österreich im Durchschnitt 1 000 € mehr an Kaufkraft und kommen unserem Ziel, die Abgabenquote bis zum Jahr 2010 auf 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes abzusenken, in Riesen­schritten näher.

Schon 2005 schaffen wir es, die Abgabenquote auf 41,7 Prozent des Bruttoinlands­produktes zurückzuführen, was viel besser ist, als wir uns im Regierungs­überein­kommen mit den 43 Prozent für 2006 vorgenommen haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber 2006, meine Damen und Herren, gelingt uns der wirklich große Schritt. Wir schaffen es, 2006 die Abgabenquote auf nur noch 40,6 Prozent zu reduzieren. Meine Damen und Herren, von fast 45 Prozent 2001 auf 40,6 Prozent – das ist eine Senkung der Steuern und Abgaben von 4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in nur sechs Jahren! (Bravorufe bei der ÖVP. – Lebhafter Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie ehrlich sind, dann müssen Sie zugestehen: Man hat uns die ersten ehrgeizigen Ziele mit dem Nulldefizit nicht zugetraut, dann hat man uns das nächste ambitionierte Ziel mit den 40 Prozent Abgabenquote im Jahr 2010 nicht zugetraut. Jetzt erreichen wir dieses Ziel mit den 40 Prozent Abgabenquote im Jahr 2010 praktisch um vier Jahre früher und schaffen im Jahr 2006 schon 40,6 Pro­zent. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn wir überlegen, was das für die Bevölkerung heißt, dann sehen wir, dass im Jahr 1999 jeder Steuerpflichtige, jeder Arbeitnehmer, jeder Selbständige im Durchschnitt 160 Tage im Jahr für die Entrichtung seiner Steuern und Abgaben arbeiten musste. Im Jahr 2006 werden es nicht mehr 160 Tage, sondern 148 Tage sein. (Zwischenrufe des Abg. Dr. Matznetter.) Das heißt, wir geben den Menschen mehr Freiheit, mehr als zwei Arbeitswochen weniger für den Staat, und damit zwölf Tage mehr für sich selbst und die Familie. Weniger Steuern, mehr zum Leben! Davon hat der österreichische Steuerzahler etwas! Das macht Sinn! Das ist ein


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großer Sieg für mehr Einkommen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Sburny: Das ist Zynismus pur!)

Meine Damen und Herren! Wenn ich Ihnen vor vier Jahren gesagt habe – ich glaube, Sie erinnern sich daran –: „Ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Budget“ (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), dann sage ich Ihnen heute: Ein gutes Jahr 2005 beginnt mit der größten Steuerentlastung in der Geschichte der Zweiten Republik! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei den Freiheitlichen.) Diese Ent­lastung bringt einen Aufschwung in Österreich. (Abg. Heinzl hält eine Tafel in die Höhe, auf der in schwarzer und in blauer Schrift „Rekordarbeitslosigkeit“ zu lesen steht. – Abg. Öllinger: Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben!)

Die Steuerreform 2004/2005 ist sozial gerecht, die Entlastung ist ausgewogen verteilt: 1,5 Milliarden € Entlastung für die Unselbständigen, für Arbeitnehmer und für Pensionisten (Abg. Sburny: Das ist eine unglaubliche Unwahrheit!), weitere 1,5 Milliar­den € Entlastung für die Unternehmen, für die Sicherung und Stärkung des Wir­tschafts- und Beschäftigungsstandortes Österreich.

Ein ganz besonders zentrales Anliegen dieser Steuerreform sind dabei die kleineren und mittleren Einkommen, die AlleinverdienerInnen und die AlleinerzieherInnen, die Familien. Rund zwei Drittel der Entlastung bei der Lohn- und Einkommensteuer entfallen auf Jahresbruttoeinkommen zwischen 10 000 € und 25 000 €. Weiters hat diese Bundesregierung die Negativsteuer von 60 Millionen € auf 90 Millionen € erhöht. Das ist eine Maßnahme, die treffsicher vor allem die armutsgefährdeten Bevölkerungs­gruppen unterstützt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich darf Ihnen das auch gerne anhand einiger Beispielen belegen:

Eine allein erziehende Mutter mit zwei Kindern und einem monatlichen Bruttoein­kommen von 1 300 € musste bisher 862 € an Steuern pro Jahr zahlen. Ab dem 1. Jänner 2005 wird diese allein erziehende Mutter keine Steuer mehr zahlen, sondern 14 € direkt als Transfer, als Negativsteuer vom Finanzamt ausbezahlt bekommen. Das ist eine steuerliche Verbesserung für diese allein erziehende Mutter mit zwei Kindern um 876 € im Jahr. Weniger Steuern, mehr zum Leben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein Angestellter mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 1 500 € hatte bisher eine steuerliche Belastung von 1 855 €. Ab dem 1. Jänner 2005 wird seine steuerliche Belastung nur noch 1 410 € betragen. Die Steuerersparnis beträgt immerhin 445 € pro Jahr.

Ein Pensionsbezieher, eine Pensionsbezieherin, allein stehend, mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 1 000 €, hat bisher immerhin 788 € an Steuern gezahlt. Ab dem 1. Jänner 2005 verringert sich diese Belastung von 788 € auf 144 €. Das ist eine Entlastung um 644 €.

Meine Damen und Herren! Wir setzen auch unsere familienfreundliche Politik fort. Wir haben Kinderzuschläge zum Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrag eingeführt und die Zuverdienstgrenze beim Alleinverdienerabsetzbetrag deutlich erhöht. Das ent­lastet Familien um 230 Millionen €. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Von dieser Steuerreform profitieren alle! Es profitiert die gesamte Bevölkerung, es profitieren Arbeitnehmer, Selbständige, Erwerbstätige, Pen­sionisten, die breite Masse der Klein- und Mittelbetriebe ebenso wie große Industrie­betriebe.

2,6 Millionen Arbeitnehmer in Österreich werden mit 990 Millionen € entlastet.


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900 000 Alleinverdiener, davon 100 000 Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher, werden mit weiteren 230 Millionen € entlastet.

660 000 Pendler werden mit zusätzlichen 20 Millionen € entlastet. 1 050 000 Pen­sionisten werden mit 450 Millionen € entlastet.

130 000 Landwirte werden mit 50 Millionen € entlastet.

100 000 Einzelunternehmen und Personengesellschaften, also die Klein- und Mittel­betriebe unseres Landes, werden mit 400 Millionen € entlastet.

100 000 GesmbHs und Aktiengesellschaften, die meisten davon ebenfalls Klein- und Mittelbetriebe, werden mit 1,1 Milliarden € entlastet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das heißt: weniger Steuern und mehr Geld für den privaten Konsum. Das heißt: höhere Realeinkommen. 2 Prozent im Jahr 2005 pro Kopf wird es mehr Geld für die Österreicherinnen und Österreicher für das Leben geben. Das bedeutet einen wich­tigen Impuls für die Familien, für die Wirtschaft, mehr Investitionen, mehr Wachstum und mehr Beschäftigung. Eine sehr gute Reform zum richtigen Zeitpunkt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Ein bisschen zu dick aufgetragen!)

Hohes Haus! Die österreichische Wirtschaft ist einem sehr starken internationalen Wett­bewerbsdruck ausgesetzt. 2004 ist auch deshalb ein besonderes Jahr, weil die Erweiterung der Europäischen Union um zehn neue Mitgliedstaaten umgesetzt wurde. Das bringt uns viele Chancen und Möglichkeiten, die wir auch nutzen wollen, aber es bringt uns auch erhöhten Konkurrenzkampf. Die Weltwirtschaft ist vernetzt, enorm schnelllebig und in immer stärkerem Ausmaß globalisiert. Man kann gegen die Glo­balisierung sein, man kann für die Globalisierung sein, aber, meine Damen und Herren, die Globalisierung hat keine Telefonnummer, sie hat kein Büro, sie hat keine Adresse, bei der man sich beschweren könnte, sie findet ganz einfach statt, ob wir das wollen oder nicht! Deswegen müssen wir auch alles tun, damit unsere Wirtschaft die Chancen und die Vorteile dieser Globalisierung nützen kann.

Österreich zeichnet sich durch ein hervorragendes Unternehmertum, durch das ausgezeichnete Qualifikationsniveau unserer Arbeitskräfte, durch die Qualität der Infrastruktur und durch die Sicherheit in unserem Land aus. Die letzten großen Reformen in der Unternehmensbesteuerung gehen allerdings schon auf die Jahre 1989 und 1993 zurück. Seither haben viele andere Länder ihre Unterneh­menssteuern sehr stark abgesenkt. Die Slowakei zum Beispiel hat sich für eine Flat Tax mit einem Steuersatz von 19 Prozent entschieden. Ungarn besteuert Unternehmensgewinne mit 16 Prozent, Polen mit 19 Prozent, Slowenien mit 20 Prozent, die Schweiz mit 24 Prozent.

Daher war die österreichische Bundesregierung vor einer ganz klaren Entscheidungs­situation. Die Frage war: Wollen wir aktiv sein oder wollen wir passiv sein? Wollen wir handeln und proaktiv sein oder wollen wir warten, bis der Schaden eingetreten ist, und erst dann reagieren? (Abg. Öllinger: Ist Ihre Politik ein Joghurt? – Abg. Dipl.-Ing. Kum­merer hält eine Tafel in die Höhe, auf der in schwarzer und blauer Schrift „Öffent­liches Eigentum verschleudert“ zu lesen steht.) Wenn wir nichts tun, meine Damen und Herren, dann werden – das haben wir genau gewusst – Unternehmen Österreich verlassen, dann werden ausländische Investitionen ihren Weg um Österreich herum nehmen. Und ich sage Ihnen: Eine Politik, die nicht weiß, was sie will, eine Politik, die wartet, bis der Schaden eingetreten ist, das ist keine Politik. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aus diesem Grund war uns immer klar, es kann hier nur einen gestaltenden offensiven Weg geben – einen Weg, der die Investoren, der die Märkte überraschen sollte. Klare


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und substantielle Verbesserungen für den Wirtschafts- und Arbeitsstandort, sodass das internationale Blitzlicht auf Österreich gelenkt wird. Ein Quantensprung für den Wirt­schafts- und Arbeitsstandort Österreich musste unser Ziel sein. Ich bin der Über­zeugung, wir haben dieses Ziel auch erreicht, nämlich durch drei Schritte:

erstens durch die deutliche Senkung des nominellen Körperschaftsteuersatzes von 34 Prozent in einem Schritt auf 25 Prozent ab dem 1. Jänner 2005;

zweitens durch die Einführung der begünstigten Besteuerung von nicht entnommenen Gewinnen für Einzelunternehmen und Personengesellschaften; Gewinne, die im Unter­nehmen bleiben, werden schon seit dem 1. Jänner 2004 begünstigt;

drittens durch die Einführung der attraktivsten Gruppenbesteuerung in Europa mit dem 1. Jänner 2005, was Österreich zu einem besonders interessanten Standort für Entscheidungszentralen internationaler Unternehmen macht.

Diese drei Schritte, Körperschaftsteuersenkung, begünstigte Besteuerung nicht ent­nommener Gewinne und Gruppenbesteuerung, sind ganz wesentliche steuerliche Stand­ortvorteile, die eindeutig für Österreich sprechen. Das starke ausländische Interesse schon vor dem In-Kraft-Treten der Steuerreform bestätigt das.

Wir hatten im Zeitraum Jänner bis September bereits rund 1 780 Erstkontakte mit potenziellen Investoren, ein Plus von 17 Prozent gegenüber dem Jahres­durch­schnitt 2003. Bei der Austrian Business Agency sind derzeit 384 Investitionsprojekte im Verhandlungsstadium, das ist ein Plus von 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und von diesen Investitionsprojekten entfallen wiederum 157 auf Deutschland, das ist ein Plus von 64 Prozent.

Wir senden ganz klare Signale mit unserer Steuerreform aus, wir tragen das auch nach außen. Wir gehen auch in diese anderen Länder. Wir sagen: Investoren, kommt nach Österreich! Ihr seid uns in hohem Maße willkommen. Macht euer Headquarter in Österreich! Bearbeitet die osteuropäischen Märkte von Österreich aus! Österreich ist das geographische Zentrum Europas, aber wir machen Österreich auch zum wirt­schaftlichen Zentrum Europas! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wie goldrichtig wir mit dieser Reform der Unternehmens­besteuerung liegen, wird auch durch die internationale Medienberichterstattung und durch Studien von internationalen Steuerexperten bestätigt.

Eine aktuelle Studie der KPMG vergleicht die tatsächliche Gesamtsteuerbelastung in Österreich mit derjenigen in unseren osteuropäischen Nachbarländern und kommt zu dem Schluss, dass Österreich unter Berücksichtigung der verschiedenen Bemes­sungsgrundlagen diese Staaten in der Attraktivität der Unternehmenssteuern eingeholt beziehungsweise sogar überholt hat!

Die angesehene deutsche „FAZ“ schreibt „Steuerreform beflügelt Österreichs ATX“. Die international stark beachtete „Financial Times Deutschland“ zitiert Experten mit Bewertungen wie „Das ist ein großer Schritt nach vorn“ oder „ein echter Quan­tensprung“ oder „Das ist eine Sensation“. Die bedeutende „Neue Zürcher Zeitung“ schreibt von einem „großen Wurf“.

Viel wichtiger aber noch, meine Damen und Herren: Viele Unternehmen haben bereits die richtigen Entscheidungen für ihren Verbleib in Österreich, für Investitionen in unserem Land oder gar für die Verlagerung ihrer Unternehmensaktivitäten nach Österreich getroffen. Ein paar Beispiele hiezu:

Die BMW-Gruppe Österreich hat Anfang Juli in Steyr die siebente und bislang größte Ausbaustufe in Betrieb genommen. Investitionskosten: 500 Millionen €.


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Die Firma Sandoz, zur Novartis-Gruppe gehörend, investiert in Tirol am Standort Schaftenau 148 Millionen €, schafft 50 neue Arbeitsplätze und erhöht die Aufwen­dungen für Forschung und Entwicklung auf 133 Millionen €.

Opel Austria Powertrain hat Ende Juni in Wien Aspern das neue Werk für Sechsganggetriebe eröffnet. Investitionskosten: 380 Millionen €, Arbeitsplätze für 800 Mitarbeiter.

Infineon, mit Sitz in Villach, hat im Juni mit dem Bau des neuen Forschungszentrums für Automobil- und Industrieelektronik begonnen. Hochqualitative Arbeitsplätze für 270 Mitarbeiter.

Escada hat für ein neues Logistikzentrum Investitionskosten von 20 Millionen € auf­gewendet mit Arbeitsplätzen für 100 bis 120 neue Mitarbeiter.

Und viele Klein- und Mittelbetriebe, meine Damen und Herren, haben Investitions­entscheidungen getroffen und gehen mit einem größeren Optimismus in die Zukunft.

Das bestätigt uns nur einmal mehr: Es gibt keine rechte Wirtschaftspolitik, keine linke Wirtschaftspolitik, sondern es gibt nur eine richtige Wirtschaftspolitik. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Matznetter: Und eine falsche!)

Diese Steuerreform ist eben der Meilenstein in unserer richtigen und vorbildlichen österreichischen Wirtschafts- und Standortpolitik. Diese Steuerreform ist die Erfolgs­dividende für unsere Bevölkerung. Diese Steuerreform ist der Turbo für mehr Wachs­tum und mehr Beschäftigung. (Abg. Mag. Kogler: Bitte, Gnade!) Das ist gut für die Menschen in unserem Land, das ist gut für Österreich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Reheis hält eine Tafel in die Höhe, auf der in schwarzer und blauer Schrift „Höchste Steuerbelastung“ zu lesen steht.)

Hohes Haus! Der Bundesvoranschlag 2005 setzt die Prioritäten dort, wo es um die Zukunft unseres Landes geht, wo es um die Zukunft der Bevölkerung geht.

Gezielte Schwerpunktsetzungen, Investitionen in die Zukunft auf der einen Seite, staatliche Aufgaben- und Ausgabenreformen auf der anderen Seite: Das ist das Wesen einer modernen, einer zeitgemäßen Budgetpolitik.

Unser Ziel ist ein wettbewerbsfähiger, ein innovativer, ein wissensbasierter Wirtschafts­standort Österreich. Dazu brauchen wir natürlich gut ausbildete, hoch qualifizierte Arbeitskräfte. Wir brauchen Experten, wir brauchen Forscher in den Betrieben, an den Universitäten, in den Forschungseinrichtungen. (Abg. Öllinger: Universitäten, genau!)

Frau Bundesministerin Elisabeth Gehrer, Herr Vizekanzler Hubert Gorbach und Herr Staatssekretär Eduard Mainoni haben diese Herausforderung angenommen, ebnen den Weg zu einem Ausbildungs-, Forschungs- und Wissensstandort Österreich, weil wir wissen, wie notwendig die Ausbildung, die Weiterbildung für alle Bürger dieses Landes ist. Denn: Lernen, meine Damen und Herren, ist wie das Rudern gegen den Strom. Sobald man aufhört, treibt man zurück.

Daher war es so wichtig, dass wir mit der Errichtung der Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung einen Meilenstein in der österreichischen Forschungs­politik setzen konnten, dass wir mit der Forschungsprämie und dem Forschungs­freibetrag wichtige Anreize für die Unternehmen geschaffen haben, mehr in Forschung und Entwicklung zu investieren.

In Summe sind das über den Zeitraum 2004 bis 2006 1,2 Milliarden € zusätzlich, über die Dotationen des Ressortkapitels hinaus, die für Forschung und Entwicklung zur Verfügung stehen. Das heißt, wir haben diese Mittel signifikant erhöht. Wir haben aber auch gleichzeitig klare und transparente Strukturen für die Forschungs- und Inno-


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vations­förderung geschaffen. Mit der Errichtung der Forschungsförderungsgesellschaft gibt es erstmals ein einheitliches Dach für die Forschungsförderung in Österreich.

Auch die neuesten Daten der Statistik Austria belegen es: Österreich hat auf Grund der zahlreichen Initiativen, die wir in diesen letzten Jahren gesetzt haben, enorm aufgeholt. Wir haben die Gesamtsumme der Forschungsausgaben von 2000 bis 2004 gegenüber dem Vergleichszeitraum 1995 bis 1999 um ganze 47 Prozent gesteigert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Vor zehn Jahren war die Forschungsquote bei rund 1,5 Pro­zent des BIP. Die Forschungsausgaben werden in diesem Jahr fast 2,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreichen. Wir liegen damit innerhalb der Europäischen Union schon an der fünften Stelle.

Wir sind bei der Forschungsförderung einen neuen Weg gegangen. Wir sind bei der Ausbildung, bei den Universitäten einen neuen Weg gegangen. Mit der Universitäts­reform werden unsere Hochschulen zu selbstständigen, zu effizienten und zu flexiblen Akteuren in Europa. Wir haben damit die Voraussetzungen für internationale Standards in Forschung und Lehre geschaffen, haben eine leistungsorientierte, eine offene Geisteshaltung entwickelt, die auch mit der Gründung einer Eliteuniversität unter­strichen werden soll – einer Eliteuniversität, die besondere Qualitäten und besondere Leistungen hervorbringen soll. Wir haben auch bei den Fachhochschulen einen Schwerpunkt gesetzt, indem wir die Studienplätze auf rund 33 000 bis zum Jahr 2009 ausbauen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Insgesamt, meine Damen und Herren, stehen wir bei über 9 Milliarden € budgetärer Ausgaben für die Bildung, damit bei 14 Prozent des Gesamtbudgets. In Anlehnung an Debatten des Vorjahres mit Herrn Professor Van der Bellen darf ich sagen: Ohne Bilanzverlängerung, Herr Professor Van der Bellen, denn in diesem Betrag von knapp über 9 Milliarden sind 647 Millionen € Bilanzverlängerung für die Ämter der Univer­sitäten enthalten; daher ohne Bilanzverlängerung etwas mehr als 8,4 Milliarden €, was zusätzliche 120 Millionen € im Vergleich zum letzten Voranschlag 2004 bedeutet. Das ist also eine enorme Investition in unsere Jugend, in den Standort, in die Zukunft. Das kann sich wirklich sehen lassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mehr Geld für die Forschung, mehr Geld für die Bildung, für die Ausbildung, mehr Geld für die Infrastruktur. Damit stärken wir den Wirtschaftsstandort, damit stärken wir die Wettbewerbsfähigkeit. Dieser Bundesregierung ist der Ausbau von Schiene und Straße – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Erweiterung der Europäischen Union – ein zentrales Anliegen. Im Rahmen der Infrastrukturoffensive werden im Zeitraum 2000 bis 2010, in diesen zehn Jahren, insgesamt über 30 Milliarden € für Straße und Schie­ne bereitgestellt. Wir haben die Investitionen in diesem Bereich in den Jahren 2000 bis 2004, wiederum im Vergleich zu 1995 bis 1999, um 32 Prozent gesteigert. Damit investieren wir in die Zukunft des Landes. Wir schaffen Voraussetzungen für mehr Wachstum, für mehr Beschäftigung, für mehr Lebensqualität, für bessere Umweltbedin­gungen.

Ich möchte ein Dankeschön für das große Engagement von Hubert Gorbach und Helmut Kukacka sagen, auch was die ÖBB-Reform betrifft, wo uns ein wirklich großer Erfolg gelungen ist. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Eines der wichtigsten Ziele unserer Wirtschaftspolitik ist die Voll­beschäftigung. (Abg. Riepl hält eine Tafel in die Höhe, auf der in schwarzer und blauer Schrift „Rekordarbeitslosigkeit“ zu lesen steht.) Arbeit und Einkommen, das sind die wirksamsten Mittel gegen Armut und soziale Ausgrenzung. Diese Bundesregierung – allen voran Bundesminister Martin Bartenstein – hat in den letzten Jahren gemeinsam mit den Sozialpartnern eine Reihe von Projekten realisiert, um die Funktionsfähigkeit


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des österreichischen Arbeitsmarktes zu verbessern. Eine aktive Arbeitsmarktpolitik wurde forciert, die Effizienz der Arbeitsvermittlung gesteigert, das Frühwarnsystem bei Kündigungen weiterentwickelt, individuelle Betreuungspläne für jeden Arbeitsuchenden erstellt und eine Qualifikationsoffensive für jüngere und ältere Arbeitslose voran­getrieben.

Im internationalen Vergleich liegen wir mit den Arbeitsmarktdaten hervorragend. Wir haben die drittniedrigste Arbeitslosigkeit in der gesamten Europäischen Union. Wir haben mit 3 244 380 unselbstständig Beschäftigten mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer als je zuvor. Noch steigt die Arbeitslosigkeit, das wollen wir nicht beschönigen, sie steigt leicht, aber, meine Damen und Herren, erfreulicherweise gab es bereits im September 4 Prozent weniger Arbeitslose im Alter von 15 bis 24 Jahren, 8,1 Prozent weniger Arbeitslose bei den über 50-jährigen Arbeitsuchenden und 6,1 Prozent weniger Langzeitarbeitslose. Die Inländerarbeitslosigkeit ist um 1 Prozent zurückgegangen. (Zwischenrufe des Abg. Dr. Matznetter.)

Viele Länder, meine Damen und Herren, beneiden uns um diese ausgezeichneten Arbeitsmarktdaten. Ich meine, es ist wirklich nicht selbstverständlich, dass man in schwierigen Zeiten die drittniedrigste Arbeitslosenrate und die zweitniedrigste Jugend­arbeitslosigkeit hat. Daher möchte ich Martin Bartenstein für dieses große Engagement für mehr Beschäftigung auch sehr herzlich danken. Rekordbeschäftigung: 100 000 Arbeitsplätze mehr als 1999. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber genauso klar, meine Damen und Herren, möchte ich betonen: Wir geben uns sicher mit dem Erreichten nicht zufrieden! Wir finden uns nirgendwo mit der Arbeits­losigkeit ab! Wir kämpfen um jeden einzelnen Arbeitsplatz, weil wir wissen, dass Arbeit Sinn stiftet. Wo die Arbeit fehlt, da gibt es Frustration und Verzweiflung. Wir wollen daraus Hoffnung und Zuversicht machen. Daher ist das Wichtigste jetzt: Arbeit zu schaffen! Das wird uns mit dem Aufschwung durch Entlastung auch gelingen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Sie hinterfragen unsere Arbeitsmarktpolitik. – Wir haben im Bundesvoranschlag 2005 1,5 Milliarden € für aktive und aktivierende arbeitsmarktpoliti­sche Maßnahmen vorgesehen. Das ist fast doppelt so viel, wie Sie im Jahr 1999 für die aktive Arbeitsmarktpolitik eingesetzt haben. (Abg. Öllinger: Nicht wir!) Wir investieren 2005 insgesamt 4,5 Milliarden € in den Arbeitsmarkt. Diese Bundesregierung ermög­licht attraktive Rahmenbedingungen für einen besseren Arbeitsmarkt, weil wir wissen, dass nur erfolgreiche und innovative Unternehmen Arbeitsplätze schaffen können. Aber dort, meine Damen und Herren, wo es möglich ist, ergreifen wir auch selbst Maß­nahmen und werden selbst für unsere Jugend aktiv.

Unser Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat eine Lehrlingsoffensive gestartet. 800 Lehrlinge werden im nächsten Jahr im Bereich der Bundesverwaltung eine Lehrstelle erhalten, bis der private Arbeitsmarkt ihnen eine Perspektive geben kann. Der Herr Bundeskanzler hat ausverhandelt, dass die Länder und Gemeinden weitere 1 000 Lehrplätze schaffen werden. Das heißt, meine Damen und Herren: 1 800 Lehr­plätze mehr! Arbeitslosigkeit wird von uns nicht verwaltet, im Gegenteil: Arbeitslosigkeit wird ganz gezielt bekämpft! Und das gibt uns Grund, optimistisch zu sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Eine aktive Rolle in der Außenpolitik stärkt natürlich das Ansehen Öster­reichs bei seinen internationalen Partnern, eine aktive Rolle nützt den Unternehmen. Außenpolitik ist nicht zuletzt Standortpolitik. Die hervorragenden Exportdaten der letzten Jahre, vor allem gegenüber unseren neuen EU-Partnerstaaten, sind dafür der beste Beweis.


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Diese Bundesregierung steht für eine aktive Außenpolitik. Sie nimmt ihre inter­nationalen Verpflichtungen ernst, sie stellt die dafür notwendigen Budgetmittel zur Verfügung.

Der Bundesvoranschlag 2005 sieht weitere Steigerungen bei den Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit vor, sodass wir das Ziel von 0,33 Prozent des Brutto­inlandsproduktes im Jahr 2006 auch erreichen werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich darf an dieser Stelle nochmals meine herzliche Gratulation an dich, liebe Benita, zur neuen Herausforderung aussprechen. Es ist eine Auszeichnung für dich und für Österreich, dass du in den nächsten Jahren die Außenpolitik der gesamten Union gestalten kannst. Ich denke, dass dein international viel beachtetes Hearing ein hervor­ragender Einstieg für diese neue Aufgabe war. – Alles Gute, liebe Benita! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen.) – Nebenbei darf ich vielleicht noch erwähnen: Benita hat die Budgets so verhandelt, als wäre sie auch in Zukunft Außenministerin. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Unser Programm für Österreich heißt Zukunftssicherung. Zukunftssicherung bedeutet, dass wir bei allen Entscheidungen, die wir heute treffen, das Morgen bereits mitdenken. Österreich ist ein Land mit hoher Lebensqualität, ein Land mit einer intakten Umwelt und Landwirtschaft. Wir wollen gemeinsam mit Bundesminister Josef Pröll dafür sorgen, dass das auch in Zukunft so bleibt. Wir wollen, dass auch künftige Generationen ein „lebenswertes“ Land vorfinden.

Wir können mit dem Bundesvoranschlag 2005 die konsequente Umsetzung des 3-Milliarden-€-Agrarpaketes sicherstellen. Es sind ausreichend Mittel zur Kofinanzierung der Gemeinschaftsprogramme budgetiert, sodass wir alle Förderungen aus dem EU-Haushalt auch voll ausschöpfen können. Mit der Förderung des Biodiesels sinken die Kosten für die Bauern. Die Betriebsmittel werden verbilligt. Ein vor langer Zeit gege­benes Versprechen wird eingelöst: Die Landwirtschaft wird noch wettbewerbsfähiger!

Wir stellen 30 Millionen € zusätzlich zur Erreichung des Kyoto-Ziels zur Verfügung. Österreich wird auch in den nächsten Jahren erneuerbare Energiequellen für die Ökostromgewinnung heranziehen. Lenkungsmaßnahmen sollen die verstärkte Nutzung von Diesel-Partikelfiltern fördern. Die Beimischung von biogenen Kraftstoffen wird durch eine weitere Ökologisierung der Mineralölsteuer begünstigt und damit billiger. Das heißt, wir setzen auch hier ein Zeichen zur Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und bereiten Österreich auch auf diesem Gebiet besser auf die Zukunft vor. – Ein Beweis mehr dafür, meine Damen und Herren, dass wir unsere Verantwortung für Österreich ernst nehmen und es nicht nur um das Heute, sondern auch um das Morgen und um das Übermorgen geht. Vielen Dank, Sepp Pröll! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: Noch ein paar Sprechblasen!)

Unsere Eltern und Großeltern haben Österreich zu einem reichen Land gemacht – einem Land, in dem innerer Zusammenhalt und Solidarität wichtig sind. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.) Dieser Bundesregierung ist soziale Gerechtigkeit ein großes Anliegen. Eine Politik, die Sozialleistungen mit ungedeckten Schecks auf die Zukunft schafft und die Finanzierung durch Belastung der nächsten Generationen verschiebt, hat mit sozialer Gerechtigkeit nichts zu tun. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Unser Ziel ist daher, Fairness zwischen den Generationen und die bessere Ab­sicherung der wirklich Bedürftigen und Behinderten zu schaffen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.) Wir wollen ein sozial verträgliches Wachstum, bessere Chancen für die


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Jugend und mehr Unterstützung für die Familie. Dadurch stärken wir die soziale Verantwortung und den sozialen Zusammenhalt in unserem Land.

Wir sind mit der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes einen neuen Weg gegangen. Wir haben die Familienförderung weiter ausgebaut, wir haben die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert. Im Jahr 2005 werden die familienbezogenen Leistungen aus dem Bundesbudget auf 5,3 Milliarden € ansteigen. Österreich bleibt damit das familienfreundlichste Land der Welt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es hat noch nie eine Bundesregierung gegeben, die mehr für Menschen und Behin­derungen in Österreich gemacht hat als diese Bundesregierung. Für uns ist die berufliche und die gesellschaftliche Integration behinderter Menschen ein zentrales Anliegen. Uns ist die Sensibilisierung für die Anliegen behinderter Menschen wichtig. Wir wollen, dass alle Menschen in diesem Land faire Chancen haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Trotz Pensionssicherungsreform 2003 und Pensions­harmonisierung 2005 sind im Bundesvoranschlag 2005 um 734 Millionen € mehr für Pensionszahlungen veranschlagt als in diesem Jahr. Die Pensionsleistungen steigen nach wie vor sehr stark, es sind um 734 Millionen € mehr veranschlagt. Dieser Anstieg zeigt, wie wichtig uns auch die Reform des Pensionssystems sein musste, wie wichtig eine Absenkung dieser bisherigen Ausgabendynamik ist. Er zeigt aber auch, dass sozialpolitische Verantwortung für diese Bundesregierung nicht nur ein politisches Schlagwort ist, sondern auch ein konkretes Anliegen bei der Umsetzung ihrer Refor­men.

Meine Damen und Herren! Letzter Punkt in diesem Zusammenhang: Seit 1995 hat es keine Anhebung des Pflegegeldes mehr gegeben. Wir haben uns bereits im Regie­rungsübereinkommen darauf geeinigt, das Pflegegeld zu valorisieren. – Auch diesbe­züglich halten wir Wort: Wir haben eine zweiprozentige Valorisierung mit dem 1. Jän­ner 2005 vorgesehen. Daher stellen wir im Bundesvoran­schlag 2005 40 Mil­lionen € mehr als bisher für die Finanzierung des Bundespflegegeldes zur Verfügung.

Daher in Summe, meine Damen und Herren: Im Bundesvoranschlag 2005 sind nicht weniger als 19,5 Milliarden € – das sind über 30 Prozent der gesamten Budget­aus­gaben – für Sozialleistungen vorgesehen. Einen besseren Beweis für das soziale Gewissen dieser Bundesregierung, einen besseren Beweis für die erfolgreiche Arbeit von Herrn Bundesminister Herbert Haupt und Frau Staatssekretärin Ursula Haubner gibt es wohl nicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: Das ist ja peinlich, diese Rede!)

Hohes Haus! Österreich hat eines der besten staatlichen Pensionssysteme der Welt – aber auch eines der teuersten! Mit etwa 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts weist Österreich die höchsten Pensionsausgaben innerhalb der Europäischen Union auf. In nur wenigen Mitgliedstaaten ist die Beschäftigungsrate der über 55-Jährigen niedriger als in Österreich. In nur wenigen Mitgliedstaaten erfolgt der Eintritt in das Berufsleben später als bei uns. Die Anzahl älterer Menschen nimmt zu, die Anzahl jüngerer Menschen nimmt ab. Immer weniger Erwerbstätige müssen immer mehr Pensionisten finanzieren.

Daher liegt völlig auf der Hand, dass ein solches System, bei dem die Kluft zwischen Beiträgen und Leistungen immer größer wird, bei dem eine immer größere Anzahl von Pensionisten durch eine immer kleinere Anzahl von Erwerbstätigen finanziert werden muss, auf Dauer nicht funktionieren kann. Es geht uns um die Aufrechterhaltung des Generationenvertrages. Es geht um die Beendigung von Sonderrechten und Privile­gien. Es geht um eine faire Lastenverteilung zwischen den Generationen.


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Meine Damen und Herren! Wir wollen der Bevölkerung mit gutem Gewissen sagen können, dass unser staatliches Pensionssystem auf Dauer finanzierbar ist; ein staat­liches Pensionssystem, von dem auch die heute jungen Menschen eine gerechte und angemessene Pension im Alter erwarten können. Unser Ziel ist es aber ebenso, niemanden mit den dafür notwendigen Reformen zu überfordern sowie die Anpas­sungskosten fair und sozial verträglich zu gestalten und zu verteilen. Die Menschen müssen die Möglichkeit haben, sich auf die geänderten Lebensbedingungen einzu­stellen.

Die sehr ambitionierte Antwort auf diese hoch gesteckten Ziele ist die Harmonisierung der Pensionssysteme. – Eine Jahrhundertreform, meine Damen und Herren! Keine Bundesregierung hat sich über Jahrzehnte an diese Reform herangewagt, aber dieses Kabinett Schüssel II macht auch das scheinbar Unmögliche möglich. (Abg. Dr. Gla­wischnig: Bescheidenheit ist eine Zier!) Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, Hubert Gorbach, Ursula Haubner, Herbert Haupt, Martin Bartenstein, Herbert Scheibner, Willi Molterer, die Präsidenten der Sozialpartner haben ein Jahr lang verhandelt. Die Bundesregierung hat alles getan, um zu einem breiten Konsens über die Parteigrenzen hinweg zu kommen. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist an Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten, was Sie hier erzählen!)

Das Ergebnis ist ein wirklicher sozialpolitischer Meilenstein. Ein großer Wurf! Die Harmonisierung der Pensionssysteme steht; sie wurde gestern im Ministerrat beschlossen. Sie ist fair, sie ist solidarisch, sie ist nachhaltig, sie ist gerecht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie ist fair (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim), weil der Konsens aller Sozialpartner über die Grundformel: 45 Versicherungsjahre führen im 65. Lebensjahr zu einer Pension von 80 Prozent des Lebensdurchschnittseinkommens ... (Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Dr. Jarolim. – Abg. Bures: Das ist unerträglich! – Ruf bei der SPÖ: Falsch!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol (das Glockenzeichen gebend): Das gilt nicht Ihnen, Herr Minister, das gilt Herrn Abgeordnetem Jarolim. (Abg. Dr. Jarolim: Diese Groteske!)

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: (fortsetzend): Sie ist fair, weil der Konsens aller Sozialpartner über die Grundformel: 45 Versicherungsjahre führen im 65. Lebensjahr zu einer Pension von 80 Prozent des Lebensdurch­schnitts­einkommens, berücksichtigt wird,

weil ein einheitlicher Steigerungsbetrag von 1,78 Prozent gilt,

weil der Verbraucherpreisindex als Basis für die Pensionserhöhungen herangezogen werden wird,

weil es eine einheitliche Höchstbeitragsgrundlage für alle gibt,

weil die Aufwertung erworbener Ansprüche mit der Beitragsgrundlagensteigerung erfolgt; allein das bedeutet eine 1- bis 1,5-prozentige höhere Aufwertung der ein­gezahlten Beträge pro Jahr als früher. – Das ist eine Verbesserung, meine Damen und Herren, und keine Verschlechterung, die mit dieser Harmonisierung einhergeht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dieses harmonisierte System ist transparent und flexibel zugleich, weil ein Pensions­konto für jeden Versicherten eingerichtet wird,

weil ein Pensionskorridor von 62 bis 68 Jahren eingeführt wurde für diejenigen, die vom Regelpensionsalter von 65 Jahren abweichen wollen oder müssen.

Sie ist nachhaltig, weil für ausgewiesene Ansprüche die Leistung garantiert wird,


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weil ein Nachhaltigkeitsfaktor die Sicherung der Finanzierbarkeit gewährleistet.

Sie ist sozial, weil die Arbeitslosenzeit für die Pension angerechnet wird,

weil Schwerarbeit besondere Berücksichtigung findet (Zwischenrufe bei der SPÖ),

weil die Harmonisierung nur für alle unter 50-Jährigen gilt, aber andererseits nicht gänzlich die Last der Reform auf die Jugend abgewälzt wird,

weil der Deckel der möglichen Verluste von 10 auf 5 Prozent gesenkt wird,

weil höhere Pensionen solidarisch dadurch einen Beitrag leisten, dass sie mit einem Fixbetrag angepasst werden, und

weil Kindererziehungszeiten sowie Präsenz- und Zivildienst und Hospizkarenz mit einer wesentlich höheren Beitragsgrundlage, und zwar statt wie bisher mit monatlich 640 €, mit 1 350 € in Zukunft, angerechnet werden. (Abg. Heinisch-Hosek: Nein! 1 100 €! Falsche Zahlen!)

Meine Damen und Herren! Ab dem 1. Jänner 2005 soll es dieses einheitliche Pen­sionsrecht für alle geben: Fair, solidarisch, nachhaltig und gerecht, keine Privilegien, keine Sonderrechte, ein gleiches Pensionsrecht für alle, mit Vorteilen für die Frauen, für die Schwerstarbeiter, für Langzeitversicherte! Ein wirklich großer Wurf, der inter­national viel Anerkennung finden wird. Wir laden Sie ein: Tragen Sie alle dieses Jahrhundertwerk mit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Hohes Haus! In den letzten Jahren wurde die Welt leider Gottes von schrecklichen Terroranschlägen erschüttert. Gerade in unsicheren Zeiten will die Bundesregierung eindeutige Signale senden: Österreich ist ein sicheres Land, Sicherheit ist uns ein ganz wichtiger Wert. Daher setzen wir auch im Bundesvoranschlag 2005 klare Schwer­punkte für noch mehr Sicherheit in Österreich. Wir geben für die innere und äußere Sicherheit sowie für die Justiz zusammen rund 4,7 Milliarden € aus.

Wichtige Reformprojekte sollen unsere Sicherheitsorganisationen noch schlagkräftiger machen.

Altbürgermeister Helmut Zilk war ja auf Ersuchen von Verteidigungsminister Günther Platter tätig, was die Leitung der Bundesheerreform-Kommission betrifft. Die Ergeb­nisse dieser Bundesheerreform-Kommission liegen vor. Unser Bundesheer wird moderner, die umfassende Sicherheit unseres Landes noch besser garantiert werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dipl.-Ing. Kummerer hält eine Tafel mit der Aufschrift „Milliardengrab Eurofighter“ in die Höhe.)

Innenminister Ernst Strasser treibt die grundlegende Exekutivreform voran, Polizei, Gendarmerie und Zollwache werden zu einem exekutiven Wachkörper, „Team 04“, zusammengeführt. Wir wollen weniger Verwaltung, weniger Leitungsstrukturen, mehr Sicherheit für die Bevölkerung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Justizministerin Karin Miklautsch entwickelt eine große Justizreform, um sowohl die Gerichtsbarkeit als auch den Strafvollzug den Erfordernissen des 21. Jahrhunderts anzupassen.

Daher gilt unser Dank für mehr Sicherheit in Österreich diesen drei Ministern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einige weitere Schwerpunkte des Bundes­haushalts ganz kurz angesprochen:

Österreich hat eines der besten Gesundheitssysteme der Welt; auf EU-Ebene nehmen wir sogar den zweiten Platz hinter Finnland ein. Wenn wir wollen, dass unser Gesund-


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heitssystem auch in Zukunft zu den besten der Welt zählt, müssen wir seine Finanzierbarkeit sicherstellen. Hier hat Frau Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat den Weg bereits klar umrissen. Wir müssen die Leistungen und die Kosten unseres Gesundheitssystems transparent machen, Patienten müssen im Zentrum der Reform stehen, und die Vorsorge muss einen neuen Stellenwert bekommen.

Qualität statt Quantität ist das Credo bei der Verwaltungsreform. Weniger Personal, mehr Kunden- und Serviceorientierung, E-Government, FinanzOnline, elektronischer Akt, die Gründung einer Buchhaltungsagentur, die Reform der Finanzverwaltung ste­hen beispielhaft für eine schlanke und leistungsorientierte Verwaltung.

Ausgehend vom Jahr 2000 bis heute konnte der Personalstand bei den Bundes­bediensteten um nicht weniger als 14 000 verringert werden. Die Summe aller Ver­waltungs­reformmaßnahmen erbrachte Einsparungen in der Höhe von 1,5 Milliarden €.

Alfred Finz hat sich dafür ganz besonders eingesetzt. Ich möchte dir, Alfred, auch sehr herzlich danken dafür, dass wir das sechste und siebente Budget gemeinsam aus­verhandelt haben. (Abg. Öllinger: Der wird aber gelobt heute!) Ich möchte dir und den Mitarbeitern des Finanzministeriums danken für diese sehr, sehr positive, sehr gute Zusammenarbeit. Die Ergebnisse können sich sehen lassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Privatisierungen, meine Damen und Herren! Wir sind angetreten und haben gesagt: Privat ist besser als der Staat!, und zwar aus tiefer Überzeugung. Wir haben eine große Privatisierungsinitiative eingeleitet. Wir haben im Jahre 2000 in der ÖIAG Schul­den von 6,3 Milliarden € übernommen. Dem stand ein Vermögen von 5 Milliarden € gegenüber. Das bedeutet, wir haben eine Unterdeckung, ein Minus von 1,3 Milliarden € übernommen. (Abg. Öllinger: Sagen Sie lieber nichts zur ÖIAG!) Jetzt haben wir – gerne sage ich das (Abg. Öllinger: Könnte ein Problem werden!) – folgende Situation: 1,7 Milliarden € an Schulden, ein Vermögen von 5,7 Milliarden € – das heißt eine Über­deckung von 4 Milliarden €!

Noch einmal: Übernommen haben wir ein Minus von 1,3 Milliarden €, jetzt ist ein Plus von 4 Milliarden € vorhanden. Das heißt, wir haben Vermögenswerte, wir haben Werte von 5,3 Milliarden € für den Steuerzahler geschaffen. – Das ist eine Sanierung der ÖIAG, das sind schwarze Zahlen, das erste Mal seit 30 Jahren. Das ist eine sehr gelungene Privatisierungspolitik. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dipl.-Ing. Kummerer hält eine Tafel mit der Aufschrift „Öffentliches Eigentum verschleudert“ in die Höhe.)

Sport. – Staatssekretär Karl Schweitzer hat ein besonders gutes Verhandlungs­ergeb­nis erreicht. Der Bund stellt ab dem Jahr 2005 ungedeckelt 3 Prozent der Umsätze der Österreichischen Lotterien GesmbH, zumindest aber 40 Millionen € pro Jahr für die besondere Sportförderung zur Verfügung. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heit­lichen.) – Lieber Karl Schweitzer, ich hoffe, es reicht auch für den Europameister bei der EURO.

Kunst- und Kulturnation. – Österreich ist zu Recht eine weltweit berühmte Kunst- und Kulturnation. Staatssekretär Franz Morak hat erfolgreich verhandelt und erreicht, dass wir für die Kunst im Bundesvoranschlag 2005 224,5 Millionen € vorsehen, was auch wichtig ist für das Jubiläumsjahr 2005: 50 Jahre Staatsvertrag, 60 Jahre Zweite Re­publik, 10 Jahre Mitgliedschaft bei der Europäischen Union. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wir haben in den letzten Jahren viel erreicht. Unser Erneuerungsprogramm hat Österreich stärker und nachhaltig wettbewerbsfähiger, moderner und international erfolgreicher gemacht. Wir


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haben eine neue Freiheit und eine neue Dynamik in dieses Land gebracht, eine Dynamik, die notwendig ist, um im internationalen Wettbewerb an die erste Stelle kommen zu können. Darauf wollen wir aufbauen, das ist das Fundament für unsere Wirtschafts- und Finanzpolitik der nächsten Jahre.

Unser Ziel, meine Damen und Herren, sind ein ausgeglichenes Budget über den Konjunkturzyklus, Nulldefizit 2008, weniger Schulden, ein geringerer Zinsendienst.

In den letzten 50 Jahren ist es niemandem gelungen, die Abgabenleistung so stark zu senken, wie dieser Bundesregierung unter der Führung von Wolfgang Schüssel. Mehr als 4 Prozent des BIP weniger an Steuern und Abgaben und trotzdem stabile Staatsfinanzen, besser als die Europäische Union, das ist eine außerordentliche Leistung! Wir wissen, was wir wollen! Andere wollen die Steuern erhöhen – wir senken die Steuern! Und das ist gut so, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Unser Ziel sind Investitionen in die Zukunft, in die Forschung, in die Ausbildung, in die Infrastruktur. Damit stärken wir den Wirtschaftsstandort, damit stärken wir unsere Wett­bewerbsfähigkeit.

Unser Ziel sind ein leistungsfähiger, ein serviceorientierter öffentlicher Sektor, weniger Regulierung, weniger Bürokratie, flexiblere Rahmenbedingungen, mehr Wettbewerb. Damit fördern wir das private Unternehmertum, damit schaffen wir neue Arbeitsplätze.

Unser Ziel sind bessere Chancen für die Jugend, für die Familien, für die sozial Schwächeren. Die Verbesserung des sozialen Zusammenhalts, die Sicherstellung von mehr sozialer Gerechtigkeit in unserem Land ist eines der zentralen Anliegen dieser Bun­desregierung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir leben in einer Zeit des Wandels, der Umbrüche, der raschen Veränderungen: die zunehmende Globalisierung der Märkte, die rasanten Entwicklungen im technologischen Bereich, die demographische Verschiebung.

Wir nehmen diese Herausforderungen offensiv an, um damit Wohlstand und Ein­kommen nicht nur für die heutigen, sondern auch für die künftigen Generationen zu sichern.

Österreich ist das Land zum Arbeiten!

Österreich ist das Land zum Investieren!

Österreich ist das Land zum Leben!

Und jene unter Ihnen, die bis jetzt auf einen Werbespruch gewartet haben sollten, muss ich heute enttäuschen, denn diese Steuersenkung ist die beste Werbung für sich selbst. (Abg. Öllinger: Das war wirklich die beste Werbung!)

Daher: Aufschwung durch Entlastung! Dieser Bundesvoranschlag macht Österreich noch besser, bitte geben Sie ihm Ihre Zustimmung. – Vielen Dank für Ihre Auf­merk­samkeit. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abgeordnete der SPÖ halten Tafeln mit unterschiedlichen Aufschriften in die Höhe.)

11.22

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich danke dem Herrn Bundesminister für seine Ausfüh­rungen.

Ich teile dem Hohen Haus mit, dass alle Unterlagen betreffend das Budget gestern um 14 Uhr im Nationalrat eingelangt sind. Sie wurden zwischen 15 und 16 Uhr an die Opposition und zwischen 16 und 17 Uhr an die Regierungsparteien verteilt. Seit Mitternacht sind alle Unterlagen im Internet zugänglich. Das ist das erste Mal, dass uns


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das gelungen ist. Ich möchte mich bei den Beamten dafür bedanken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die erste Lesung zum Bundesfinanzgesetz findet morgen statt.

2. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (560 d.B.): Ände­rung des Übereinkommens zur Errichtung der Europäischen Bank für Wieder­aufbau und Entwicklung (646 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (546 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Börsegesetz und das Wertpapieraufsichtsgesetz geändert werden (647 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir setzen jetzt mit den Tagesordnungspunkten 2 und 3 fort, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. Seine freiwillige Redezeit­beschränkung beträgt 8 Minuten. – Herr Kollege Matznetter, Sie sind am Wort. (Abg. Dr. Matznetter – auf dem Weg zum Rednerpult –: Da komme ich doch schnell herunter, nachdem der Applaus der Regierungsfraktionen bald abgeebbt ist!)

 


11.25

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Wir haben heute zwei Tagesordnungspunkte zu behandeln. Der erste betrifft die Erweiterung der Möglichkeiten der EBRD für Finan­zierungen in der Mongolei.

Wie wir bereits im Finanzausschuss klargelegt haben, begrüßen wir die Erweiterung der Geschäftsfelder für die EBRD, da sie bereits in der Vergangenheit wesentliche Aufgaben für die strukturelle Erneuerung nach dem Jahr 1989 in Mittel- und Osteuropa geleistet hat. (Mitglieder der Bundesregierung sind dabei, die Regierungsbank zu verlassen, und sprechen miteinander.)

Herr Präsident! Vielleicht könnten Sie die Bundesregierung zum Plausch hinauslassen, dann könnten die Parlamentarier hier die Tagesordnungspunkte behandeln. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich bitte alle, die Plätze einzunehmen und den allge­meinen Geräuschpegel zu senken. Vor allem würde ich auch bitten, das „Getümmel“ bei der Regierungsbank einzustellen.

Am Wort ist der Redner!

 


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (fortsetzend): Herr Präsident! Die Abgeord­neten wollen ja ihrer Tätigkeit nachgehen. – Die Regierungsbank leert sich. Gut, damit können wir mit dem Thema weitermachen. (Abg. Neudeck: Wir haben heute 16 Ta­ges­ordnungspunkte und nicht 2!)

Die EBRD hatte in der Vergangenheit einige Probleme mit der ihr innewohnenden Organisation, man muss aber sagen, dass die Bank gerade in den letzten Jahren eine sehr, sehr ordentliche Gebarung gemacht hat. Die Erweiterung bedeutet aber auch, nämlich was das Umfeld des wirtschaftlichen Tätigwerdens Europas Richtung der


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Staaten der ehemaligen Sowjetunion und nunmehr auch der Mongolei betrifft, dass man in größeren Zusammenhängen, auch was den Wiederaufbau dieser Länder betrifft, denkt und einiges an Fortschritten zustande bringt.

Meine Fraktion wird daher dieser Änderung und Erweiterung die Zustimmung erteilen.

Nun aber zum wichtigeren Punkt, zu den neuen Bestimmungen betreffend den Insider­handel.

Meine Damen und Herren! Ich darf daran erinnern, dass die österreichische Börsenwirklichkeit keinen sehr guten Ruf hat, was die Verhinderung des Insiderhandels betrifft. Ich darf daran erinnern, dass erst voriges Jahr bekannt wurde, dass der Generaldirektor eines der größten Unternehmen in diesem Lande im Rahmen eines außergerichtlichen Tatausgleichs einer Verurteilung wegen Insiderhandels entgehen konnte. Ich darf gleichzeitig aber auch daran erinnern, dass sich die FMA, die auf Basis einer Vier-Parteien-Einigung vor ein paar Jahren eingerichtet wurde, selbst hinsichtlich mancher Dinge, die heute an der Börse stattfinden, außerstande sieht, wesentliche Schritte für eine Besserstellung zu unternehmen.

Was meine ich damit? – Ein Beispiel: Im Bereich der Telekom Austria bekam eine Reihe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine sehr, sehr hohe Erfolgsprämie. Diese war vom Erreichen eines bestimmten Kurses an der Wiener Börse, und zwar zu einem ganz genau definierten Zeitpunkt, abhängig. Und just zu diesem Zeitpunkt gab es eine Kauforder einer österreichischen Bank, durch die der Kurs genau so weit angehoben wurde, dass diese Prämien fällig wurden.

Was kann die FMA machen? – Die FMA bemühte sich, diesbezüglich sofort Erhe­bungen einzuleiten, endete jedoch mit der Feststellung: Wir können eigentlich nicht erheben, wer diesen Kaufauftrag wirklich gegeben hat!

Jetzt wäre es Aufgabe der Bundesregierung gewesen, mit diesem Vorschlag dafür zu sorgen, dass aus der zahnlosen Behörde eine Behörde wird, die tatsächlich etwas unternehmen kann. Man hätte sich hiebei ein Beispiel an Regelungen und Einrich­tungen in anderen Ländern nehmen können, auch an den Befugnissen und Vollmach­ten, die zum Beispiel die SEC in den USA hat.

Ich verstehe jedoch überhaupt nicht, wieso im Ausschuss selbst eine weitere Entschärfung der Regierungsvorlage, auf die man sich geeinigt hatte, vorgenommen wurde. Es wurde der Strafrahmen herabgesetzt, und es wurde insgesamt jenem Anspruch nicht Rechnung getragen, den die Bundesregierung vorgegeben hatte, nämlich einer Verschärfung der Bestimmungen.

Ich habe im Ausschuss detailliert dargelegt, dass durch die genaue Definition der einzelnen Tatumstände, wo einfach die Richtlinie abgeschrieben wurde, in Wirklichkeit die Möglichkeit der Verfolgung der Täter eingeschränkt statt erweitert wird.

Es war das Bundesministerium für Justiz – ich weiß schon, Kollegin Miklautsch war damals noch nicht ressortverantwortlich –, das in seiner Stellungnahme zu dem Projekt des Insiderhandels ausdrücklich diese Art von Gesetzwerdung rügte.

Das Bundesministerium für Justiz schreibt in seiner Stellungnahme – Frau Justiz­minis­terin, das war die Geschäftszahl 241001/3-III/5/04 – ausdrücklich, dass in mehr­facher Hinsicht die wörtliche Übernahme der EU-Richtlinie problematisch erscheint. Die Richtlinie hat notwendigerweise ein gewisses Maß an Unbestimmtheit. Eine wörtliche Übernahme der Bestimmungen einer Richtlinie überträgt diese Unbestimmtheit in das nationale Recht. Eine solche Vorgangsweise, die schon bei gewöhnlichen Verwal­tungsbestimmungen mit dem Gebot hinreichender Determinierung in Konflikt gerät, ist bei strafrechtlichen Normen umso bedenklicher.


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Meine Damen und Herren! Wieso hört man nicht dem Justizministerium zu? Wieso sind Sie nicht bereit, in diesem Punkt Vernunft zu zeigen und die neuen Bestimmungen dort hineinzunehmen, wo sie hingehören, ins Strafrecht? Da gehören zwei Sätze ins Strafgesetzbuch, keine genauen kasuistischen Definitionen. Und dort gehören weitere Maßnahmen gesetzt, die eine Verschärfung im Bereich der Börsendelikte bewirken – und nicht eine Entschärfung wie dieses Gesetz.

Hier wird nur Munition geliefert, damit Anwälte Täter, die sich selbst oder Dritte bereichert haben, herausboxen können. Das kann nicht der Sinn des Gesetzes sein, und daher werden wir nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.32

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Mag. Ikrath. Wunsch­redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.32

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Geschätzte Kollegen! Ich setze jetzt gerne, was die Änderung des Börsegesetzes und des Wertpapieraufsichtsgesetzes betrifft, die Debatte, die wir schon im Finanzausschuss mit Kollegen Matznetter geführt haben, fort.

Aus unserer Sicht ist dieses Gesetz, wie wir es jetzt vorliegen haben, nicht nur in vorbildlicher Weise erarbeitet worden, nämlich in einem intensiven Dialog mit Experten und Fachleuten, sondern es eignet sich auch optimal dafür, den Marktmissbrauch, den Insiderhandel, die Marktmanipulation künftig entweder zu verhindern oder – im Einzelfall – dort, wo dies nicht gelingt, massiv und hart zu verfolgen und zu bestrafen. Das ist deswegen notwendig, weil sich diese Bundesregierung und auch die Abgeord­neten der Regierungsparteien verpflichtet sehen, ein reibungsloses Funktionieren des österreichischen Kapitalmarktes sicherzustellen und das Vertrauen der Öffentlichkeit, das Vertrauen der Anleger in die Börse, in die Kapitalmärkte nicht nur zu rechtfertigen, sondern auch weiter zu festigen.

Dass jetzt dafür auch das Timing perfekt ist, zeigt das verstärkte Vertrauen der Anleger in Österreich in Wertpapiere, insbesondere in Aktien. Im letzten Dreivierteljahr stieg der Prozentsatz jener, die sich vorstellen können, in Aktien zu veranlagen, von 10 auf immerhin 12 Prozent der Bevölkerung. Das bedeutet für uns Verpflichtung, bedeutet gleichermaßen aber auch, dass dieses Gesetz zum richtigen Zeitpunkt, also richtig getimt kommt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was die Inhalte betrifft, hat Kollege Matznetter eine extrem verkürzte Darstellung gegeben. Ich möchte das schon deutlicher ausführen. Wir haben mit diesem Gesetz nicht nur den Tatbestand des Missbrauchs der Insiderinformation wesentlich erweitert und auch präzisiert – einen Tatbestand, der an sich schwer erfassbar ist. Dieser Tat­bestand ist jetzt so präzisiert, dass entsprechende Rechtssicherheit damit verbunden ist. Auch das ist ein Gebot, dem wir zu folgen haben, vor allem wenn es um harte Strafsanktionen geht, auf die ich noch Bezug nehmen werde.

Wir haben den Tatbestand des Missbrauchs von Insiderinformationen auf den privaten Handel erweitert, also eine ganz wesentliche Erweiterung dieses Tatbestandes vor­genommen, und wir haben es vor allem der Finanzmarktaufsicht auf deren eigenen Wunsch ermöglicht, künftig an der strafrechtlichen Verfolgung teilzunehmen, aus­reichend einbezogen zu werden und ihre Expertise einzubringen.

Das heißt, es ist das Gegenteil dessen, was Kollege Matznetter gesagt hat, der Fall und wahr. Wir haben der Finanzmarktaufsicht nicht irgendwelche Zähne, sondern sehr spitze Zähne gegeben – das wird auch von der FMA anerkannt. Ich weiß nicht, wieso Kollege Matznetter das im Ausschuss und auch heute wieder einfach ignoriert hat.


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Lassen Sie mich jetzt noch zum Strafausmaß kommen. Das Strafausmaß für den primären Insider haben wir im Falle eines Schadens oder eines Vermögensgewinns von über 50 000 € auf fünf Jahre erweitert, also von zwei Jahren auf künftig fünf Jahre. Wir haben die Straffolge so um mehr als 100 Prozent verschärft und haben zudem keine alternativen Geldstrafen mehr vorgesehen. Es wird in Zukunft auch eine Diver­sion, ein außergerichtlicher Tatausgleich nicht mehr möglich sein. Damit liegen wir in der österreichischen Strafrechtssystematik genau dort, wo nach der Verhältnis­mäßigkeit ein solcher Tatbestand mit seinen Rechtsfolgen liegen soll, und – das ist noch wichtiger, weil es internationale Märkte sind – wir liegen im europäischen Ver­gleich hoch – das möchte ich noch kurz anführen. In Deutschland sind fünf Jahre, aber auch Geldstrafen angedroht, in der Schweiz drei Jahre und Geldstrafen, in Frankreich, Großbritannien sieben Jahre, aber auch Geldstrafen sind dort möglich. Man kann sich dort also, wenn ich es überspitzt sage, auch freikaufen. Wir liegen mit der Ver­schärfung unseres Strafrahmens daher am oberen Ende. Das war uns ein Anliegen. Wir stehen dazu.

Wenn wir jetzt nicht die Zustimmung der Opposition dazu finden, werden wir das auch verkraften. Wir jedenfalls handeln, wir stärken das Vertrauen in die Kapitalmärkte!

Und wenn der Herr Finanzminister gesagt hat: Ein guter Tag beginnt mit einem guten Budget!, dann sage ich: Wir setzen diesen guten Tag mit guten Gesetzen fort! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.38

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Eder. Wunsch­redezeit: 4 Minuten. – Herr Kollege, bitte.

 


11.38

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Ikrath hat eine Reihe der Argumente, die er zu diesen Ge­setzen, nämlich dem Börsegesetz und dem Wertpapieraufsichtsgesetz jetzt hier ange­führt hat, auch im Finanzausschuss dargelegt. Wir haben dort eine sehr sachliche und gute Diskussion zu dieser Materie geführt. Nur ist es so – Kollege Matznetter hat das schon im Detail ausgeführt, ich möchte das aus anderen Blickwinkeln betrachten –, dass eine Reihe von Argumenten, die von uns vorgebracht wurden, nicht in das Gesetz eingeflossen sind. Daher werden wir diesem Gesetz auch nicht die Zustimmung geben, also nicht deshalb, weil wir die Richtung, in die das geht, für falsch halten, sondern deshalb, weil eine Reihe wichtiger Punkte, die ich noch nennen werde, nicht in das Gesetz eingeflossen sind.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir dürfen nicht vergessen, Insiderhandel war lange Zeit hindurch eine Art Kavaliersdelikt. Man hat gedacht, das ist so, man hat eben mehr Informationen als andere und kann rechtzeitig kaufen oder verkaufen und damit ganz schön Geld verdienen. Nur: Dem ist nicht so, denn es gibt ja, wenn einer gewinnt, auf der anderen Seite Verlierer. Und daher bin ich dafür, dass dieses Gesetz in der Form gemacht wird – das ist gar keine Frage.

Aber die Zielsetzung, nämlich den Missbrauch in allen möglichen Varianten auszu­schalten, wird mit diesem Gesetz allein nicht erreicht. Ich denke nur etwa an die Organ­schaften, daran, wie viele Generaldirektoren einzelner Banken in wie vielen Aufsichtsräten von Unternehmungen sitzen. Es ist oft so, dass weit über 20 oder 30 Aufsichtsratsfunktionen durch eine Person abgedeckt werden. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ich weiß schon, aber dann sollte man das auch einmal mit in die Diskussion ein­bringen. Ich sage ja nicht, dass das total schlecht ist, ich sage nur, man sollte auch


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einmal überlegen – vielleicht kann ich Sie dazu einladen, die Spezialisten auf diesem Gebiet –, ob es Sinn macht, dass einzelne Personen dadurch, dass sie die Möglichkeit haben, in unterschiedlichsten Gesellschaften zu sitzen, ganz andere Informationen haben als jene, die nicht in diesen Gesellschaften im Aufsichtsrat sitzen. Sie haben natürlich ganz andere Informationsmöglichkeiten, und die Beweisführung ist der zen­trale Punkt in dieser ganzen Situation.

Wir haben es hier also mit einer Materie zu tun, wo es nicht nur darum geht, kriminelle Tätigkeiten hintanzuhalten, die mit einem entsprechenden Strafausmaß belegt sind. Darüber haben wir ja auch im Ausschuss diskutiert. Der ursprüngliche Vorschlag der Regierung – und das wurde ja vom Justizministerium auch begründet – hat ein an­deres Strafausmaß vorgesehen. Dann wurde wieder argumentiert, dass diese drei Jahre in Verbindung mit unmittelbarer Gefängnisstrafe auch eine harte Strafe sind. Das kann man so oder so sehen, das will ich gar nicht in Abrede stellen. Aber man muss beim Strafausmaß auch immer wieder berücksichtigen, wie die Strafausmaße bei Verbrechen gegen Leib und Leben von Menschen und die Strafausmaße im Finanz­bereich sind. Über das alles kann man diskutieren. Aber grundsätzlich war es uns zu wenig, dieses Gesetz in der uns nun vorliegenden Form zu konzipieren. Es ist aus unserer Sicht nicht entsprechend scharf genug konzipiert, und ich glaube, dass man hier noch einmal wird nachbessern müssen und die Erfahrung noch ein bissel wird spielen lassen müssen. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, das will ich nicht bestreiten, aber trotzdem geben wir dem Gesetz in dieser Form heute nicht die Zu­stimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

11.42

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Bucher ans Rednerpult. Seine Wunschredezeit ist 10 Minuten. – Bitte.

 


11.42

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich möchte zunächst ein paar Sätze zum ERP-Fonds sagen, der sich aus unserer Sicht sehr, sehr gut entwickelt hat und der der öster­reichischen Wirtschaft in den letzten Jahren zu einem großen Vorteil verholfen hat und insgesamt auch die gesamte Förderkulisse in Österreich verändern konnte, indem wir die Schwerpunkte der Wirtschaftsförderung im Bereich des AWS zusammengelegt haben. Auch wenn es hier in den letzten Jahren Anlaufschwierigkeiten gegeben hat, ist doch die Fördereffizienz gesteigert worden und hat die Wirtschaft einen großen Vorteil. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was mich besonders freut, ist natürlich auch der Umstand, dass die investitions­intensiven Wirtschaftsbereiche, Wirtschaftszweige wie beispielsweise der Tourismus einen relativ hohen Anteil an den Wirtschaftsförderungen und zinsengestützten Kre­diten, die ausbezahlt werden, haben. (Ruf bei der SPÖ: Viel zu wenig!) Ja, natürlich! 10 Prozent sind es vom gesamten Fördervolumen. Wir können uns immer mehr wünschen, aber das entspricht in etwa dem BIP-Anteil, den der Tourismus in Öster­reich einnimmt. Damit können wir, so glaube ich, zufrieden sein, weil ja ergänzend dazu immer auch Landesförderungen ausbezahlt werden und nicht nur der Bund für tourismusintensive Förderungen zur Verfügung steht.

Ich glaube also, dass wir allein auf Grund dieser Statistik, wonach durch Neu­inves­titionen und durch diese Offensive des AWS 1 500 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden, eine sehr gute Bilanz ziehen können.

Der dritte Tagesordnungspunkt betrifft das Börsegesetz und das Wertpapier­aufsichts­gesetz. Hier wird eine EU-Richtlinie von uns in ein neues Gesetz eingearbeitet. Der Insiderhandel in Österreich ist heute ja schon als Kavaliersdelikt bezeichnet worden.


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Für viele Private und auch Wertpapierhändler ist ja gar nicht klar, dass Insiderhandel strafbar ist. Ich glaube, dass mit diesem Gesetz eines erreicht wurde, und das ist sehr wesentlich, nämlich dass auch die Privaten, wenn sie über Insiderinformationen verfügen, in die Pflicht genommen werden.

Ich denke, dass wir eines sehr gut geschafft haben: eine optimale Balance zu finden, was den Strafrahmen betrifft. Wenn heute vom Herrn Kollegen Eder kritisiert wurde, dass der Strafrahmen zu gering ist und dass man eigentlich zehn Jahre hätte ansetzen können, dann glaube ich, dass man da auch einen Vergleich zu den Strafdelikten herstellen muss: Eine 10-jährige Höchststrafe besteht bei Vergehen gegen Leib und Seele, für Totschlag und Körperverletzung, sodass hier die Verhältnismäßigkeit zu den wirtschaftskriminellen Handlungen nicht gegeben ist.

Ich glaube also in Summe, dass diese von uns in dieses Gesetz hineingepackte Strafandrohung von fünf Jahren eine verhältnismäßig gute und auch durchschnittliche Höchststrafe ist, mit der man leben kann und die sicher auch einen wichtigen Impuls in Österreich setzen wird, was die Entschärfung des Insiderhandels betrifft. Ich glaube, dass das vertrauensbildende Maßnahmen sein werden, die auch den Börsenplatz Österreich positiv beeinflussen werden. Wir haben ja heute im Rahmen der Budget­rede bereits gehört, dass die Entwicklung des Börsenplatzes Österreich eine sehr positive ist, die auch über das Land hinaus ausstrahlt, beispielsweise nach Budapest, wo es attraktive Kapitalmarktbeteiligungen gibt.

Wir werden diesem Gesetz die Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.47

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte.

 


11.47

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Mit den in Diskussion stehenden Änderungen zum Börse­gesetz und Wertpapieraufsichtsgesetz werden den Behörden und den Gerichten bes­sere und wirksamere Mittel zur Bekämpfung des Machtmissbrauchs im Börsenbereich in die Hand gegeben, insbesondere zur Bekämpfung des Insiderhandels und der Marktmanipulation.

Wir setzen mit diesen gesetzlichen Änderungsvorschlägen die EU-Marktmissbrauchs­richtlinie vollständig um.

Was sind die Schwerpunkte? – Eine wesentliche Erhöhung der Strafen, Melde- und Veröffentlichungspflichten der Emittenten börsenorientierter Wertpapiere – Stichwort Ad-hoc-Publizität –, Melde- und Veröffentlichungspflichten potentieller Insider – Stich­wort Director’s Dealings –, Melde- und Veröffentlichungspflichten von Personen, die auf die Börsenentwicklung Einfluss nehmen könnten – Stichwort Analystenpflichten.

Die Stellung der Finanzmarktaufsicht im gerichtlichen Strafverfahren wegen Insider­handel wird analog den Finanzbehörden im gerichtlichen Finanzstrafverfahren ent­sprechend gestärkt.

Wenn jetzt diskutiert wird, ob fünf Jahre für Insiderhandel ausreichend sind oder zehn Jahre ausreichend sind, so verweise ich auf die derzeitige Gesetzeslage. Derzeit beträgt die Höchststrafe zwei Jahre. Mit den nun in Diskussion stehenden fünf Jahren erhöhen wir auf mehr als das Doppelte. Außerdem wird – im Gegensatz zu bisher – die Anwendung der Diversion ausgeschlossen.


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Wenn ich jetzt international vergleiche – Herr Abgeordneter Ikrath hat das angeführt –, so beträgt die Höchststrafe in Deutschland fünf Jahre, in Finnland vier Jahre, Frank­reich hat eine höhere Strafe mit sieben Jahren – wobei man aber dazusagen muss, dass Frankreich im Vergleich zu Österreich im Strafrecht generell höhere Höchst­strafen vorsieht als Österreich –, Großbritannien hat sieben Jahre – da gilt Ähnliches wie für Frankreich –, und die Schweiz hat drei Jahre.

Ich glaube also, diese Anhebung auf fünf Jahre ist durchaus angemessen im Vergleich zu den bisherigen Regelungen, im Vergleich zum internationalen Recht, und wir stärken heute mit diesem Gesetz den Kapitalmarkt, das Vertrauen in den Kapitalmarkt. Wie der Finanzminister heute schon in seiner Budgetrede dargestellt hat, hat der öster­reichische Börsenplatz in den letzten Jahren eine tolle Entwicklung genommen, und ich glaube, mit diesen gesetzlichen Rahmenbestimmungen wird diese Entwicklung we­sentlich unterstützt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

11.50

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass die Abgeordneten Bures, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt haben, einen Untersuchungsausschuss zur Prü­fung der Gebarung des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen sowie des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen sowie des Hauptver­bandes der Sozialversicherungsträger hinsichtlich der Planung, der Vorbereitungs­hand­lungen, der Vertragsverhandlungen, der Vergaben sowie insgesamt der Durch­führung des Projektes Chipkarte (e-card) ab der Einleitung eines entsprechenden Vergabeverfahrens durch Einladung von fünf Bewerbern zur Anbotslegung im Februar 2000 einzusetzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen. Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung finden die Debatte und Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung statt.

*****

Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Mag. Hoscher für 4 Minuten Wunschredezeit ans Rednerpult. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


11.51

Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Kollege Eder hat es bereits erwähnt, dass die Stoßrichtung der Novellen zum Börsegesetz und Wertpapieraufsichtsgesetz grund­sätzlich richtig und begrüßenswert ist. Insbesondere finde ich es begrüßenswert, dass sich offensichtlich auch in der Bundesregierung die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass vollkommen liberalisierte Finanzmärkte zwar etwas Gutes sein können, aber ent­sprechende Rahmenbedingungen und scharfe Regelungen brauchen, das heißt, dass es so etwas wie Marktversagen gibt – was jahrelang abgestritten wurde –, Markt­versagen wie etwa Insiderhandel und Marktmissbrauch.

Ich verhehle nicht, dass es mit diesen Novellen sicherlich zu gewissen Verbes­serun­gen des Konsumentenschutzes und damit des Anlegerschutzes kommt und dass zu­mindest formal auch die Stellung der FMA gestärkt wird. Nur: Mit der FMA beginnen schon die ersten Grundprobleme, denn wenn die Finanzmarktaufsicht nicht zusätzliche


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Ressourcen bekommt – und es ist ja die Frage, ob die Banken das dann freiwillig bezahlen werden, ob es dann nicht wieder politisches Lobbying geben wird –, wird man sich mit der Vollziehung dieser Novellen schwer tun.

Nur ein Beispiel dazu: § 48a Abs. 2 Z 3 definiert zum Beispiel als Marktmanipulation insbesondere die entsprechende Ausnutzung von Zugängen zu traditionellen oder elektronischen Medien etwa durch die Abgabe von Stellungnahmen, die geeignet sind, Kursmanipulationen hervorzurufen. Das erfordert natürlich eine massive Recherche­tätigkeit der Finanzmarktaufsicht. Wenn alle diese Medien dann durchrecherchiert wer­den müssen, bedarf es dazu sicherlich zusätzlicher Mittel. Das heißt also: Entweder war die FMA bis jetzt vollkommen überbesetzt – dann sollte man sich darüber auch den Kopf zerbrechen –, oder sie wird dieses Gesetz nicht so vollziehen können, wie es vollzogen werden sollte.

Derartige Defizite ergeben sich unserer Meinung nach aber auch aus gewissen Formulierungen. Da stellt sich dann die Frage: Will man eigentlich, dass dieses Gesetz so vollzogen wird, oder hat man absichtlich derartige Formulierungen eingebaut? Nehmen Sie als Beispiel nur etwa die Bezeichnung „genaue Information“ beim Insider­handel im § 48a Abs. 1 Z 1 a), der vieles offen lässt, obwohl er vorgibt, dies genau zu definieren. Er stützt sich auf Begriffe wie „hinreichende Wahrscheinlichkeit“ oder „Ereignisse“, die „in Zukunft eintreten werden“ – obwohl wir ja heute in der Budgetrede gehört haben, die Zukunft sollen wir machen, anstatt zu warten, dass sie eintritt – oder „mögliche Auswirkung“ und derartige Dinge mehr. Das heißt also, hier passt etliches nicht zusammen. Das lässt sehr viel offen und insbesondere sehr viel Raum für Gutachten und Gegengutachten. (Abg. Mag. Ikrath: Kollege Hoscher! Wollen Sie den Tatbestand jetzt erweitern oder nicht?)

Wir wollen den Tatbestand – und da scheint offensichtlich ein Unterschied gegeben zu sein – vollziehbar erweitern und nicht nur formal am Papier stehend erweitern. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist Ihre Meinung – und Ihre Meinung ist auch legitim, ebenso wie unsere!

Ein eigenartiges Gefühl bei der Strafbemessung bleibt schon. Jetzt kann man bei der Strafbemessung sicherlich diskutieren, ob zehn Jahre oder fünf Jahre angemessen sind. Ich denke, dass fünf Jahre, insbesondere unter Ausschluss der Diversion, durch­aus diskussionswürdig sind und dass man sagen kann, das ist auch noch eine Verschärfung. Ich will mich da gar nicht auf die zehn Jahre kaprizieren, nur ist die Vorgangsweise schon eine eigenartige: Das Finanzministerium legt zuerst einmal einen Entwurf mit zehn Jahren vor. Dann sagt Staatssekretär Finz im Ausschuss – und ich glaube ihm das –, das sei sozusagen ein Entgegenkommen gegenüber dem Justizministerium gewesen, denn eigentlich hätte man immer fünf Jahre gewollt. Das ist allerdings eine Vorlage des Finanzministeriums gewesen. Das Finanzministerium stimmt im Ministerrat wieder den zehn Jahren zu, weil ja das Einstimmigkeits­erfordernis gegeben ist. Dann kommt ein Abänderungsantrag, in dem wieder fünf Jahre drinnen stehen. Dann heißt es wieder: Das Justizministerium war jetzt doch wieder für diese fünf Jahre.

Diese Vorgangsweise hinterlässt nicht gerade ein beruhigendes Gefühl bezüglich der Harmonie und der Koordinierungsfähigkeit innerhalb der Bundesregierung, was ja auch aus der Budgetrede hervorgegangen ist.

Besonders eigenartig ist dann schon, dass im Begutachtungsentwurf des Finanzminis­teriums die persönliche Haftung von Vorstandsmitgliedern von Aktiengesellschaften im Fall von unrichtigen Informationen enthalten war. Das ist jetzt vollkommen draußen, davon ist überhaupt keine Rede mehr! Die Frage nach dem Grund dafür wurde auch


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im Ausschuss nicht beantwortet – ein weiterer Punkt, weshalb wir leider diese Novelle ablehnen müssen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.56

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Kogler ans Rednerpult. Wunschredezeit: 7 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


11.56

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nur auf das Börsegesetz und das Wert­papieraufsichtsgesetz beziehen und kann allen Vorrednern in dem Punkt zustimmen, dass die Sache nicht ganz so einfach ist. Wir haben es uns auch nicht einfach gemacht. Wir hatten im Ausschuss auf Grund der Abänderung der Regierungsvorlage den Zugang, dass man hier möglicherweise nicht zustimmen sollte. Wir haben uns aber – und dieses Ereignis ist eine Seltenheit hier im Haus, das gebe ich gerne zu – während der Ausschussdebatte schon mit dem Kollegen Ikrath nicht nur in Verbindung gesetzt, sondern auch seine Argumente gehört. Jedenfalls werde ich – und ich habe das schon gemacht – meiner Fraktion empfehlen, dieser Vorlage nun zuzustimmen, und zwar nicht, weil nicht einige Kritikpunkte aufrechtzuerhalten wären oder nicht einiges von dem, was Kollege Matznetter hier sehr bestimmt vorgebracht hat, von uns geteilt wird, sondern deshalb, weil das eine sehr wichtige Sache ist und unter dem Strich eine Verbesserung zum Status quo jedenfalls von uns diagnostiziert wird, ich betone: eine Verbesserung zum Status quo. Dass es noch mehr und schärfer – in dem Fall muss man sagen, schärfer – sein könnte, ist eine zweite Debatte.

Ich anerkenne hier auch die Zugänge, dass man das schon in Relation setzen muss zu anderen Delikten, aber ich möchte noch festhalten, was für uns das Ausschlaggebende für unsere Zustimmung ist: dass nicht nur der Strafrahmen ausgeweitet wird – was auch erfolgt, immerhin von zwei auf fünf Jahre –, sondern auch die Möglichkeit, wenn man so will, einer alternativen Geldstrafe de facto entfällt. Das muss man natürlich von der erhofften abschreckenden Wirkung her, die so eine Bestimmung zu entfalten imstande ist, betrachten; ich halte das für das viel schärfere Instrument als die Erhö­hung von zwei auf fünf Jahre. Denn wenn man wirklich gewahr sein muss, dass man von der Beteiligung am Kapitalverkehr und an Transaktionen ausgeschlossen wird oder mit erheblichen Behinderungen auf Grund von Freiheitsentzug zu rechnen hat, dann sollte das schon eine entsprechende Wirkung entfalten.

Ob und inwieweit die Einschränkung oder die konkrete Beschreibung der Deliktsfälle mehr Schaden oder Nutzen stiftet, dazu muss ich Ihnen sagen: Ich bin da noch zu keiner endgültigen Weisheit gelangt, stelle aber fest, dass mich das nicht hindert, insgesamt eine Verbesserung zu konstatieren.

Was schon ein Problem ist, jedenfalls rechtstechnisch – in der Sache selber werden wahrscheinlich auch noch die einen oder anderen Experten streiten –, ist die strecken­weise 1 : 1-Umsetzung der EU-Richtlinie im Gesetzestext. Das erscheint mir nicht nur eigenartig, sondern möglicherweise auch reparaturbedürftig, aber: Lassen wir einmal das Gesetz wirken, schauen wir, wie insbesondere die FMA damit zurande kommt, die ja letztendlich ein positives Urteil gesprochen hat, und schauen wir, wie das Justiz­ministerium weiterhin seine Stellungnahmen hier aufrechterhält!

Ich habe mich bei der Frau Justizministerin vorhin noch erkundigt, weil ihr Vorgänger Böhmdorfer hier doch auch Einwände gehabt hat: Das geht jetzt aus ihrer Sicht so weit in Ordnung. Ich würde also sagen: Schauen wir uns an, wie das wirkt, man kann ja noch gescheiter werden! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeord­neten der SPÖ und ÖVP.)

11.59

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
78. Sitzung / Seite 49

Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bauer. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


12.00

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Zuerst einmal: Es hat auch die SPÖ-Fraktion festgestellt, dass es ein Schritt ist, der durchaus eine Verbesserung darstellt, aber eben keine ausreichende Verbesserung.

Wir alle wissen, wie wichtig die Finanzmarktaufsicht für das Funktionieren eines Finanzmarktes ist. Ich möchte anhand einiger Beispiele darstellen, wie schwierig es tatsächlich ist, darzustellen, dass Marktmissbrauch und Insider-Geschäfte vorliegen. Das ist mir bewusst. Ich weiß auch, dass in Österreich auf Grund der Kleinheit des Marktes der Begriff „Insider“ schwer zu definieren ist, denn wenn man in vielen Auf­sichtsräten sitzt und Funktionen hat, dann kann man Wissen einfach nicht so leicht wegschalten. Das heißt, es ist äußerst schwierig, den Nachweis zu führen, dass Insider-Trading begangen wurde. Das erfordert – das wurde schon angedeutet – Auf­klärungsarbeit von Anwälten und schwierige Verfahren, um dies festzustellen. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Ich glaube allerdings auch, dass man einmal darüber diskutieren muss, wie die Frage angegangen werden soll, wie man sich in Zukunft als Insider selbst schützen kann. Da wäre es, glaube ich, wichtig, viel mehr auf andere Maßnahmen, nämlich auf Maß­nahmen, die parallel dazu laufen sollen, zu setzen, zum Beispiel auf erhöhte Publi­zitäts­verpflichtung, die im Aktiengesetz verankert werden soll, oder auf die Verstärkung der Prospekthaftung. Da kann man sehr viel mehr tun, um dem Kapitalmarktrecht, das auf den Funktionsschutz einerseits und auf den Anlegerschutz andererseits abzielt, besser zu entsprechen.

Ich meine, dass jeder von uns weiß, was die Prospekthaftung derzeit nicht macht, nämlich bei Stückelungen von über 50 000 € pro Aktie das Gleichheitsprinzip bei den Anlegern voll anzuwenden. Das heißt, da besteht eine Lücke, und da müsste man im Interesse des Anlegerschutzes einiges tun.

Ich möchte aber auch folgenden Umstand zu bedenken geben: Wie war es möglich, dass bei der Telekom Austria ein Kurs von 12,74 € mit Datum 13. August bis 18. August auf über 14 € hinaufgejagt wurde und dann durch eine Meldung auf 11 € am 19. August abgestürzt ist? – Da muss man sich schon die Frage stellen: Können Informationen, die diesbezüglich vorliegen, von Insidern genutzt werden, oder kann man da nur eines machen: die Öffentlichkeit so zu informieren, dass der Vorwurf des Missbrauchs von Insider-Informationen überhaupt erst gar nicht entsteht?

Dabei ist Finanzminister Grasser wahrlich nicht sehr vorteilhaft ausgestiegen! Der Anstieg der Aktien hat begonnen mit dem Treffen mit dem Amtskollegen aus der Schweiz – das war sehr deutlich, auch wenn dementiert wurde, dass die Telekom Gegenstand der Gespräche war, so glaubte das niemand so recht –, und dann kam der Absturz. Wenn die ÖIAG, statt an die Öffentlichkeit zu gehen, eine Aufsichts­ratsitzung abhält, dann ist das wahrlich – und so wurde es auch von den Medien kom­mentiert – eine schlechte strategische Leistung. Ich könnte da bei der Telekom Austria fortsetzen, möchte aber dazu nur mehr sagen, dass ich glaube, dass es darum geht, Informationen so an die Öffentlichkeit zu bringen, dass der Vorwurf des Insider-Tradings nicht erhoben werden kann.

Auf jeden Fall ist die FMA ihrer Aufsichtspflicht nicht so nachgekommen, dass sie eingeschritten wäre – mit Ausnahme einer kurzen Unterbrechung des Handels –, und sie hat auch keine Untersuchung durchgeführt, obwohl diese dringend notwendig gewesen wäre. Entweder hat die FMA aus Gründen ihrer Kapazität das nicht gemacht,


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78. Sitzung / Seite 50

oder es wurde ihr – so würde ich das formulieren – das Einschreiten nicht ermöglicht. Ich glaube, dass Insider-Trading viel breiter gesehen werden muss, als wir es derzeit diskutieren. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Ikrath: Hoscher will das viel enger sehen!)

12.04

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Dr. Fasslabend. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


12.04

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich war vorgestern bei einer Arbeitstagung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt, wo es auf der einen Seite um die Lissabon-Strategie gegangen ist und auf der anderen Seite um den Währungs- und Beschäfti­gungspakt. Ich bin nun doch schon mehrere Jahre in der Politik, aber ich muss sagen: Mir ist es bei einer internationalen Tagung noch nie so gegangen wie dort, nämlich, dass ich aus Expertenkreisen beziehungsweise von Wirtschaftsprofessoren aus ganz Europa so anerkennende Worte über Österreich gehört habe, und zwar anerkennende Worte betreffend die Entwicklung der Kenndaten und die Entwicklung der wichtigsten Wirtschafts- und Beschäftigungsstrukturen. – Ich war ungeheuer positiv angetan, das muss ich wirklich sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Ausführungen der Wirtschaftsprofessoren bezogen sich, wie gesagt, auf Österreich. Wir haben in Österreich zweifelsohne – und das ist ja heute auch aus der Budgetrede sehr klar herausgeklungen – eine ungeheuer positive Entwicklung im Börsenbereich, nämlich seit dem Jahre 2000 eine Steigerung um fast 100 Prozent, was den Kurs des ATX betrifft, bei gleichzeitig starken Verlusten sowohl auf den amerika­nischen wie auch auf wichtigen europäischen Börsen; ich denke da etwa an den DAX oder den japanischen Nikkei.

Das ist kein Zufall! Natürlich ist das im Wesentlichen das Produkt der unterneh­merischen Aktivitäten auf dem Bankensektor und auf anderen Sektoren in Mittel- und Osteuropa, das ist aber auch auf die Unterstützung durch die Regierungspolitik zurück­zuführen, nämlich auf die Kapitalmarktoffensive, die die Bundesregierung eingeleitet hat.

Ich sage nur – weil auch Kollege Eder dazu gesprochen hat –: Ich glaube, dass die Bestellung von Generaldirektor Schenz eines Fachmannes, der davor das größte Unternehmen Österreichs geleitet hat – zum Kapitalmarktbeauftragten, der sich damit auseinander setzt, wirklich ein ganz, ganz wichtiger Beitrag dazu war. Meiner Meinung nach hat all das – die Regulierungen, die gesamtwirtschaftliche Situation und die Maß­nahmen der Bundesregierung – wesentlich dazu beigetragen, dass da eine äußerst positive und für die österreichische Wirtschaft wichtige Entwicklung eingetreten ist.

Das bedeutet, es gibt mehr Eigenkapital für österreichische Firmen, das bedeutet auch, dass man notfalls genügend Kapital hat, um ein österreichisches Unternehmen auch österreichischerseits auffangen zu können, und das bedeutet auch, dass mehr in Innovation investiert wird, et cetera. Natürlich soll, gerade wenn die Entwicklung derart interessant ist, begleitend dazu auch die Kontrolle entsprechend verstärkt werden, und genau das tun wir heute.

Da bin ich bei dem Punkt angelangt, wo ich sagen muss, dass ich die Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion nicht mehr verstehe. Denn: Sie gehen hier heraus und sagen als einzige Partei im Parlament, dass Sie dagegen sind. Gleichzeitig sagt aber jeder Einzelne von Ihnen auch, es sei eine eindeutige Verbesserung im Vergleich zur bisherigen Regelung, das müsse man zugeben. – Bis vor vier Jahren haben Sie selbst


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78. Sitzung / Seite 51

regiert, haben keine derartig gute Regelung zusammengebracht – aber trotzdem sind Sie jetzt dagegen!

Da fängt meiner Meinung nach die Bestemmopposition wirklich zu wirken an! Dass Sie sich in einer derartigen Situation einfach nicht dazu durchringen können, auch ein Ja zu der neuen Regelung zu sagen, und nur aus irgendwelchen formalen Gründen einem Ukas aus Ihrer Klubführung Folge leisten, das finde ich eigentlich traurig.

Oppositionspolitik soll hart sein, soll konsequent sein, soll durchaus auch darauf hinweisen, so wie es Kollege Kogler von den Grünen gemacht hat, dass man das eine oder das andere noch weiter hätte fassen oder noch mehr hätte verbessern können, aber das kann doch nichts daran ändern, dass man dann, wenn man etwas gut und richtig findet, ja dazu sagt. Genau dazu fordere ich Sie auf! Überdenken Sie Ihre Position, Sie sind hier mit Sicherheit auf dem falschen Dampfer! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.08

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

 


12.08

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich gehe wieder zurück zum Tagesordnungs­punkt und beschäftige mich mit der Regierungsvorlage, in welcher es um die Sat­zungsänderung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung geht.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Diese Bank fördert – und das wissen wir alle – den Übergang zur offenen und freien Marktwirtschaft für private und unternehmerische Initiativen in den mittel- und osteuropäischen Ländern, die sich den Grundsätzen der Mehrparteiendemokratie, des Pluralismus und der Marktwirtschaft unterordnen bezie­hungsweise dazu bekennen. Die Mongolei gehört nicht zu diesen mittel- und ost­europäischen Ländern und hat daher diese Bank ersucht, dass auch in ihrem Land Projekte gefördert werden, und Österreich begrüßt dieses Vorhaben.

Wir Sozialdemokraten stehen diesem Ansinnen äußerst positiv gegenüber, aber ich möchte doch am Beispiel von Bosnien-Herzegowina ganz besonders kritisch anmer­ken, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Prinzipien derartige Gelder zu vergeben sind. Es muss die Frage untersucht werden: Wie werden denn diese Gelder vergeben?

Bosnien-Herzegowina hat eine offizielle Arbeitslosigkeit von15 Prozent, tatsächlich sind es aber 70 Prozent, trotzdem ist in Bosnien-Herzegowina große wirtschaftliche Aktivität erkennbar, vieles wurde bereits durchgeführt, aber es zahlen dort nur wenige Men­schen Steuern.

Das heißt, geschätzte Kolleginnen und Kollegen: Die Rahmenbedingungen der Geld­vergabe sind sehr genau zu beachten beziehungsweise durch zusätzliche Auflagen sogar noch zu verstärken, denn es müssen schon für das jeweilige Land, in welches Gelder fließen – auch von uns – Steuereinnahmen lukriert werden können! Es kann nicht sein, dass dort Gelder ohne Steueraufkommen einfach in der Schattenwirtschaft verschwinden. Unser Ziel muss es sein, geschätzte Kolleginnen und Kollegen – und darum, Herr Staatssekretär, bitte ich Sie –, dass in diesen Transformationsländern die Wirtschaft unter denselben Rahmenbedingungen wie unsere Wirtschaft vorzugehen hat, denn sonst können wir nie – nie! – mit diesen Ländern wirtschaftlich Schritt halten! Es ist meine Bitte und mein Auftrag an Sie, das bei dieser Bank entsprechend vorzubringen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.11

 



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78. Sitzung / Seite 52

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Abge­ordneter Mag. Langreiter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


12.11

Abgeordneter Mag. Hans Langreiter (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind uns alle, was die Börsengesetz-Änderung betrifft, darüber einig, dass etwas getan werden muss, aber die größere Oppositionspartei ist sich anscheinend doch nicht ganz einig. Jetzt kann man natürlich, wie Herr Kollege Hoscher es gemacht hat, unterstellen, dass man die Absicht hat, eigentlich kein wirkliches Gesetz zu machen. Das ist eine andere Ebene, auf diese wollen wir uns nicht begeben.

Aber ich kann das Argument des Herrn Kollegen Bauer sehr wohl nachvollziehen, der meinte, dass man vielleicht in der Publizität der gehandelten Papiere durchaus etwas machen könnte. Ich habe mich da eingelesen und habe mir gedacht, da ist vielleicht der eine oder andere Handlungsbedarf tatsächlich gegeben.

Nur: Das ist jetzt der erste Schritt, den wir heute machen. Ich glaube, dass das auch wichtig ist. Die Kontrolle des Finanzmarktes – ich glaube, da sind wir uns einig – geht in Ordnung, es geht um den Vertrauensschutz, es geht um österreichisches Kapital, es geht vor allen Dingen auch um den Schutz der Kleinanleger, es geht darum, dass wir Missbrauch präventiv zu verhindern versuchen. Es sollen auch so manche Irritationen verhindert werden.

Es wurde im Ausschuss auch angeführt, dass da sogar das Rechtsanwaltsgesetz betroffen sei und dass die Begriffe unbestimmt seien. Dazu muss ich sagen: Es ist tatsächlich eine schwierige Materie! Auf der einen Seite reden wir von Deregulierung von Gesetzesbestimmungen, aber auf der anderen Seite versuchen wir, jede Lebens­weise irgendwie zu regeln.

Ich gehe davon aus, dass natürlich – und das wird nicht ausbleiben – auch eine Recht­sprechung, auch eine Judikatur wird entstehen müssen, um basierend auf den Erläuternden Bemerkungen dieses Gesetzes dem Vertrauensschutz, dem Anleger­schutz – wie immer man das bezeichnen mag – entsprechend zur Artikulation zu verhelfen.

Wir haben nur die Rahmenbedingungen mit diesem Gesetz zu schaffen, wir sind nicht die Kronjuristen dieser wunderschönen Republik. Es sollte natürlich auch da, wie in allen anderen Bereichen auch, auf die Verhältnismäßigkeit und auf die sachliche Rechtfertigung von Gesetzesbestimmungen hingewiesen werden.

Dass man über Strafrechtskataloge Diskussionen führt, das ist, glaube ich, legitim. Kollege Eder hat das auch gesagt, das ist mir klar. Darüber werden wir immer Dis­kussionen führen. Auf der einen Seite hören wir aus den Medien, dass das eine oder andere Leid passiert, dass zum Beispiel deutsche Eltern ihre Tochter fast verhungern ließen, und da geht es um zwei Jahre bedingt, und auf der anderen Seite löschen rasende Autofahrer das Leben junger Menschen aus: So gesehen wird man als außenstehender Prozessbeobachter immer ein Problem damit haben, dass das eine oder andere Strafrechtliche vielleicht auch hinkt.

Ich freue mich, dass die Grünen diesem Gesetz zustimmen. Was ich bei den Sozialdemokraten etwas vermisse, das ist die Bereitschaft, anzuerkennen, dass ein Ziel dieses Gesetzes auch ist, dafür zu sorgen, dass es zu keiner Wettbewerbs­verzerrung zu Lasten der vielen Anleger, vor allen Dingen der Kleinanleger kommt, die über keinen Wissensvorsprung verfügen. Genau das sollte man verhindern! Wir von


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78. Sitzung / Seite 53

den Regierungsparteien machen das gemeinsam mit den Grünen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.15

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Trunk. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


12.15

Abgeordnete Mag. Melitta Trunk (SPÖ): Wirklich geschätzte Frau Präsidentin! (Zwischenruf des Abg. Großruck.) Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Eine kurze Anmerkung: Es gibt „wirklich geschätzt“ im Verhältnis und im Gegensatz zu der verbalritualen Begrüßungsanrede hier (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Frei­heitlichen), und ich lege großen Wert darauf, dass meine Wertschätzung der Frau Präsidentin gegenüber eine wirkliche ist und nicht nur eine rhetorische Floskel. – So viel dazu. (Demonstrativer Beifall des Abg. Ellmauer.)

Herr Kollege Fasslabend und Herr Kollege Langreiter! Zur ablehnenden Haltung der SPÖ-Fraktion kann ich nur sagen – das in aller Kürze, denn 3 Minuten Redezeit sind wirklich sehr wenig –: Halbherzigkeiten sind der Feind des Wirksamen!

Ich darf nun auf Ihr Unverständnis unserer Haltung gegenüber ganz kurz eingehen:

Diese Novelle ist – so wie manch andere auch oder manch anderes Gesetz auch – leider auch ein Beleg für die Unkultur des Umgangs der Regierungsparteien mit Stel­lungnahmen, mit Entwürfen, mit Kritik, und zwar nicht nur jener der Opposition, sondern auch jener von Experten, die im Rahmen des Begutachtungsverfahrens vorgebracht wurden.

Dass Sie Handlungsbedarf sehen, einerseits auf Grund der EU-Richtlinien, anderer­seits aber auch auf Grund der nachgewiesenen, recherchierten – in vielen Fällen war man handlungsunfähig – nationalen und internationalen Tatbestände des Insider­handels, ist positiv zu bewerten – das haben meine Kollegen und Kolleginnen vorhin schon formuliert –, dass Sie aber wieder einmal die Chance vertan haben, real wirksame, anwendbare, praktikable und wirklich abschreckende Sanktionen bezie­hungsweise Strafen festzuschreiben, das ist schade. Sie wissen auch, dass dieser Spielraum dafür gegeben gewesen wäre. Dass Sie letztlich beim Strafrahmen – in der Regierungsvorlage waren zehn Jahre verankert – gleich der halbe Mut verlassen hat, ist bedauerlich, denn zehn Jahre sind wesentlich abschreckender als fünf Jahre.

Zweiter Punkt: Dass Ihnen Oppositionskritik wenig wert ist, das wissen wir, aber dass auch die Kritik des Innenministeriums nicht einmal Berücksichtigung findet, ist bedenk­lich, denn ich kann nachvollziehen, dass es tatsächlich eine massive Einschränkung kriminalpolizeilicher Tätigkeiten darstellt, wenn nun das Innenministerium beziehungs­weise die Polizei nur mehr auf Ersuchen der Finanzmarktaufsicht tätig werden kann. Ich denke, das hätte man sich schenken können, diesem Einwand seitens des Innen­ministeriums hätte man Gehör schenken sollen.

Letzter Punkt ist, dass nicht nur die Arbeiterkammer, sondern auch andere Experten monieren, dass Sie bestimmte Haftungsfragen auf den Tatbestand einer quasi nach­weislich groben Fahrlässigkeit reduzieren. Das ist nicht gerade strafabschreckend, sondern das ist eine Form der Verharmlosung. Ich meine, dass Insiderhandel keines­wegs mit Augenzwinkern hingenommen und schon gar nicht als Kavaliersdelikt ange­sehen werden darf. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Ikrath: Wir zwinkern nicht, aber Sie beunruhigen!)

12.19

 



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78. Sitzung / Seite 54

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als vorläufig Letzte dazu zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Tamandl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


12.19

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Frau Kollegin Trunk, ich denke doch, dass wir, wenn wir „Sehr geehrter Herr Präsident“ oder „Sehr geehrte Frau Präsidentin“ hier sagen, das auch wirklich ernst meinen, dass es nicht nur eine Floskel ist. Das ist eine Unterstellung Ihrerseits! Diese Ihre Meinung kann ich überhaupt nicht mit Ihnen teilen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Vertrauen in die Stabilität und in die Fairness eines Finanzplatzes ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für Inves­titionen. Eine effiziente Aufsicht leistet einen wesentlichen Beitrag dazu, und die öster­reichische Finanzmarktaufsicht wurde daher nach modernsten und zukunftsweisenden internationalen Standards aufgebaut.

Zum Schutz der Verbraucher, Anleger und Gläubiger wacht die FMA über die Ausstat­tung der Finanzdienstleistungsunternehmen mit Eigenmitteln sowie über die Trans­pa­renz und Fairness auf dem österreichischen Kapitalmarkt. Finanzmärkte entwickeln sich ständig weiter. Es werden permanent neue Produkte erarbeitet, bestehende verbessert und nicht mehr zielführende ausgeschieden. Gleichzeitig werden aber auch neue Techniken und Verfahren eingeführt, bestehende optimiert und überkommene ersetzt, es wird also ständig weiterentwickelt.

Es ist das also ein permanenter Wandel, mit dessen Tempo selbstverständlich auch die Aufsicht mithalten muss. Große Bedeutung kommt dabei den rechtlichen Rah­menbedingungen zu. So tragen die europäischen Richtlinien zur wirksamen Bekämp­fung des Marktmissbrauches bei, um das reibungslose Funktionieren der Wertpapier­märkte und das Vertrauen der Öffentlichkeit in diese Märkte zu gewährleisten.

Einige Verbesserungen sind beispielsweise die Ausweitung des Tatbestandes der Marktmanipulation oder etwa der Aufbau der verfahrensrechtlichen Stellung der FMA im Insiderverfahren.

Insgesamt trägt der vorliegende Entwurf dazu bei, die Fairness und Attraktivität des heimischen Kapitalmarktes zu erhöhen, und das in einer ausgewogenen Art und Weise.

Da von den Sozialdemokraten so vehement ein höheres Strafausmaß gefordert wird: Es würde meines Erachtens die Balance der Strafandrohungen im gesamten Strafrecht in Frage stellen, wenn etwa für vorsätzliche schwere Körperverletzung mit tödlichem Ausgang derselbe Strafrahmen gelten würde wie für Insiderhandel. Es kann wohl nicht im Sinne des Gesetzgebers – also in unserem Sinne – sein, dafür den gleichen Straf­rahmen zu haben, weil somit ein Delikt gegen Leib und Leben nicht so schwer wiegen würde wie ein Vermögensdelikt.

Es freut mich, dass die Grünen dem zustimmen werden und den Verbesserungen sehr wohl Rechnung tragen. Wenn die SPÖ nicht mitgehen kann, dann tut es uns Leid, aber es ist eben immer so, dass die Opposition, wenn es nicht unbedingt um ihre eigenen Ideen geht, nicht zustimmt. Nur: Die Unkultur, wie Regierungsparteien mit Oppositions­parteien umgehen, wird in Wien mehr als deutlich. Leider ist Kollegin Trunk nicht Wienerin, sonst würde sie solche Dinge vielleicht gar nicht erst sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.22

 



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78. Sitzung / Seite 55

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Von den Berichterstattern wird kein Schlusswort gewünscht.

Wir gelangen daher zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Änderung des Übereinkommens zur Errichtung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in 560 der Beilagen, die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Jetzt gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz, dass die französische und die russische Sprachfassung dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundes­ministerium für Finanzen aufliegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch das ist einstimmig beschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz und das Wertpapieraufsichtsgesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 647 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Gesetzentwurf ist mit Stimmenmehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist ebenfalls die Mehrheit.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

4. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (617 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz und das Lebensmittelgesetz 1975 geändert werden (630 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich eröffne damit die Debatte.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Cap. Freiwillige Redezeit­beschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


12.25

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Ich muss ein bisschen mein Befremden aus­drücken: ein stehender Staatssekretär, ein fehlender Minister. (Staatssekretär Dr. Finz steht in abwartender Haltung hinter der Regierungsbank. – Abg. Neudeck, auf die Reihen der SPÖ deutend: Ein fehlender Parteivorsitzender!) Da geht es um das Gen­technikgesetz, und wir gehen davon aus, dass eigentlich Minister Pröll auf der


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78. Sitzung / Seite 56

Regierungsbank sitzen sollte. Herr Staatssekretär Finz wollte gerade gehen, aber dann hat er gesehen, dass dann die Regierungsbank völlig leer wäre. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jetzt ein Dauerzustand ist, und nehme an, der Minister wird (Ruf bei der ÖVP: Wird geholt!) jetzt geholt. – Gut.

Zur Tagesordnung. – Sie wissen, dass 90 Prozent der österreichischen Bevölkerung Gentechnik bei Lebensmitteln grundsätzlich ablehnen, dass es da heftige Kritik gibt, große Sensibilität, und die Gefahren für Konsumenten, Produzenten und Umwelt sind daher ein relevanter und ganz entscheidender Tatbestand.

Dieses neue Gentechnikgesetz öffnet jetzt allerdings dem Einsatz von gentechnisch veränderten Sorten und letztlich damit Lebensmitteln Tür und Tor. Und im Übrigen sind wir meilenweit davon entfernt, dass es hier einen Vier-Parteien-Entschließungsantrag gibt. (Demonstrativer Beifall des Abg. Grillitsch.) Das sei einmal dazu festgehalten.

Ich komme zu einem weiteren Punkt. Wir haben die öffentliche Ankündigung gehört, dass hier überhaupt gleich eine Generaldebatte zur Umweltpolitik stattfinden soll, und die Grünen möchten das auch noch mit einem Misstrauensantrag verbinden. Ich möchte daher auch die sozialdemokratische Position dazu ein wenig darstellen.

Wenn man sich die Liste dessen ansieht, wofür der auch Umweltminister, sage ich jetzt – und die Betonung liegt auf dem Wort „auch“ in diesem Fall –, steht, dann stellt sich schon die Frage, inwieweit hier nicht auch massive Kritik anzubringen ist. Ob das die Frage der Liberalisierung des Wassers ist im Zuge der auf der WTO-Ebene zu verhandelnden Materie oder andere Dinge, es stellt sich schon die Frage, ob da nicht doch mehr Widerstand seitens des Ministeriums entgegengesetzt werden könnte, größere Einflussnahme auf die Haltung der Europäischen Kommission ausgeübt werden könnte. (Abg. Mag. Molterer: Der Cap tut sich sehr schwer!)

Das gilt auch für die Frage des Aufbaues einer Anti-Atompolitik, wo sogar Ungarn uns neuerdings angeboten hat, als Bündnispartner zur Verfügung zu stehen. Wir können davon ausgehen, dass der Melker Prozess im Prinzip gescheitert ist. 70 Pannen waren in Temelín bislang erkennbar, und trotzdem soll jetzt die endgültige Betriebs­genehmigung erteilt werden!

Wir üben auch Kritik bezüglich der Umsetzung oder Erfüllung der Kyoto-Ziele. Wir sind der Auffassung, dass Österreich weiter denn je davon entfernt ist. Das Ziel, bis 2010 13 Prozent weniger CO2-Emissionen gegenüber 1990 anzustreben, ist nicht wirklich erreichbar, weil zu wenig dafür getan wird.

Es liegt uns auch kein ausfinanzierter, mit den Bundesländern verhandelter neuer Klimaschutzplan vor. Es ist Säumigkeit festzustellen bezüglich eines Althaussanie­rungsprogramms; auch ein solches wäre natürlich im Interesse der Umwelt.

Kritik gibt es grundsätzlich im Bereich der Verkehrspolitik anzumerken, wo die CO2-Emissionen am stärksten anwachsen.

Wir haben heute im Rahmen dieser Selbstlob-Orgie des Finanzministers, der da mit zwei Kilo Weihrauch bei seiner Budgetrede aufmarschiert ist, auch das Stichwort Bundesbahn, ÖBB, vernommen. Wir sagen, dass mit der Kürzung der Bahninves­titionen, mit dem personalpolitischen Herumfuhrwerken kein positiver Beitrag geleistet wurde.

Es gibt also eine Reihe von Kritikpunkten, bis hin dazu, dass wir erkennen müssen, dass Umweltschutzförderungsmittel eher zur Aufdoppelung der Agrarförderung ver­wendet werden, als dass der Umweltschutz im Mittelpunkt stünde.

Anders sehen wir das beim Ökostromgesetz. Diesbezüglich sind wir der Auffassung, dass sich da sehr wohl eine kleine Gruppe „goldene Nasen“ verdienen möchte, dass


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die Windstrombetreiber mit Renditen von 14 bis 17 Prozent arbeiten. (Abg. Grillitsch: Was hat denn die Arbeiterkammer gesagt?) – Das ist eher an die Adresse des Minis­ters Bartenstein gerichtet, aber es ist Gegenstand der Debatte, und es kann sich natürlich auch der Umweltschutzminister als Mitglied dieser Regierung dazu äußern, dass das nicht zum Vorteil der Kleinkonsumenten ist.

Wir haben da also eine etwas differierende Auffassung, auch in der öffentlichen Debatte. Nichtsdestotrotz muss man resümierend sagen, dass der Herr Landwirt­schaftsminister zwar ein begabter Agrarlobbyist ist, dass aber der Umweltschutz nicht wirklich im Zentrum seiner politischen Überlegungen und seiner Arbeit steht, sondern weit zurückbleibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher sind wir der Auffassung, dass dieser Misstrauensantrag heute zu unterstützen ist. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Molterer: Das war mit „großer“ Begeisterung! – Bundes­minister Dipl.-Ing. Pröll: Das war so überzeugend!)

12.31

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Abgeord­netem Ing. Schultes das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


12.31

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir erleben heute wirklich eine Premiere, eine Premiere besonderer Art. Einige Kollegen sind draufge­kommen, dass wir einen erfolgreichen Minister haben, der noch nicht angepatzt ist. Und daher haben sich die Grünen vorgenommen, ihn heute anzupatzen.

Was mich persönlich ein wenig enttäuscht: Herr Cap, der doch ein anderes Lieblings­opfer hat, patzt jetzt auch unseren Pröll an. – Nicht notwendig, schade drum! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Molterer: Wird auch nicht gelingen!)

Ich denke, dass wir diesen heutigen Diskussionsblock durchaus auch mit Freude auf uns zukommen lassen können. Ich freue mich, dass unser Bundesminister Pröll hier ist, obwohl er gar nicht hier sein müsste. Er will sich das einfach „geben“. Normaler­weise redet er ja sehr viel mit den Grünen, er nimmt auch sehr viele ihrer Anregungen auf, und die werden dann auch heftig diskutiert. Dass er sich dafür einmal so anpatzen lassen muss, hat er wahrscheinlich nicht erwartet. – Aber alles ist einmal das erste Mal, und ich gratuliere dir, dass du jetzt auch in diesen „Kreis“ aufgenommen bist.

Hohes Haus! In der heutigen Diskussion geht es auch um die Frage der Gentechnik, da – und das ist wichtig und richtig – wieder ein sachlich notwendiger Schritt im Rahmen unserer Gesetzeswerke gesetzt wird. Wir haben ja die Gentechnikpolitik in Österreich etwas anders formuliert, als das im restlichen Europa der Fall ist. Europa sagt: Freier Handel, freier Warenverkehr – jeder kann kaufen, was er will. Wir in Öster­reich wissen, dass wir manches nicht wollen – und vor allem nicht in Österreich produ­ziert haben wollen. Aber den freien Warenverkehr werden wir trotzdem nicht ausschließen können. Das ist Europarecht.

Daher müssen wir, wenn wir in der Frage der Gentechnik Österreich sauber halten wollen und den österreichischen Landwirten, den Bauern die Chance geben wollen, nachhaltig auf Gentechnik zu verzichten, sehr intelligent und im Zusammenwirken aller österreichischen Verantwortlichkeiten ein Rahmenwerk schaffen, in dem wir unseren Status der gentechnikfreien Produktion am Acker weiter absichern können.

Unsere Bauern vertrauen darauf, dass sie das österreichische Saatgut verwenden können. Wir haben über die Saatgutverordnung festgestellt, dass in Österreich pro-


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duziertes Saatgut gentechnikfrei sein muss, und zwar nicht irgendwie, sondern tatsächlich nach den härtesten überhaupt möglichen Werten.

Wir müssen bezüglich Deklaration und Nachvollziehbarkeit jetzt alles umsetzen, was notwendig ist, um auch den Verarbeitern und dem Handel die Sicherheit geben zu können, zu wissen, was sie wirklich haben. Und wir setzen darauf, dass der Kunde, der Konsument, das auch wirklich so will, wie wir es erhoffen. Wir wissen auch, dass unsere Betriebe sehr verantwortungsvoll handeln, und wir wissen sowohl von den Saatgutproduzenten in Österreich als auch von Seiten des Handels, dass man auch in Zukunft auf Gentechnikfreiheit setzen will.

Also alles gut und schön. Was haben wir dann heute zu beschließen? – Heute bauen wir sozusagen das letzte Sicherheitsnetz für den Fall, dass jemand in fernerer Zukunft vielleicht auf Grund der europäischen Rechtslage tatsächlich einmal auf die Idee kommen könnte, so etwas in Österreich anzubauen. Es kann durchaus sein, dass irgendwelche internationalen Konzerne einfach eine Diskussion provozieren wollen. Dafür müssen wir vorsorgen! Und mit diesem Gesetz sorgen wir vor, dass auch die letzten Fragen des Risikos geklärt sind, und geklärt ist, wer wofür zur Haftung zu ziehen ist. Wir wollen, dass das für die Öffentlichkeit transparent ist und sie erfährt, was sich abspielt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Eine gute Sache also, und ich bedanke mich wirklich bei allen Kollegen, die daran mitgearbeitet haben. Es geht da um konstruktive Beiträge aus der Saatgutwirtschaft, aus den Ministerien, aus der AGES, es geht um Beiträge aus den Bundesländern, letztendlich auch aus dem Bund.

Mit Bedauern muss ich feststellen, dass die Einzige, die ihre Aufgaben in diesem Bereich nicht ordentlich gemacht hat, die Europäische Kommission war, denn Koexis­tenzregeln, die in Europa praktikabel sind, haben sie bis jetzt noch nicht auf den Tisch gelegt.

Wir sind der Meinung, dass wir in Österreich einen richtigen Weg gehen, und wenn wir Hand in Hand, die Bauern, alle Verarbeiter und die Konsumenten, eine starke Kette bilden, werden wir das gentechnikfreie Österreich noch lange schützen können: für frische Produkte, für gesundes Genießen und Freude an Österreich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.35

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber begleitet Abg. Dr. Gla­wischnig zum Rednerpult und stellt einen Korb mit Obst und Gemüse auf das Rednerpult, der mit einem Schild mit der Aufschrift „Gentechnik-Anbau! Bald auch in Österreich?“ versehen ist. – Ruf bei der ÖVP: Redet ihr zu zweit?)

 


12.36

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Es ist auch für mich heute eine besondere Situation. Ich bin jetzt seit fünf Jahren Umweltsprecherin der Grünen, seit fast 15 Jahren Umweltaktivistin und Umweltschützerin, und wir hatten natürlich immer ein sehr ambivalentes Verhältnis zu einem Umweltminister oder zu Umweltministerinnen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist ja eine Abschiedsrede!?)

Wir haben viele Umwelt-Auseinandersetzungen miteinander ausgetragen. Wir haben oft solidarisch kritisiert, scharf kritisiert, aber immer solidarisch, weil wir immer genau wussten, unter welchem Druck ein Umweltminister, eine Umweltministerin steht. Und


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wir haben auch einige erlebt, die in die Knie gegangen sind unter dem Druck aus der Wirtschaft, aus der Landwirtschaftskammer, aus der Industriellenvereinigung.

Es ist immer eine solidarische Kritik gewesen, und ein Misstrauensantrag hat nichts mit „Anpatzen“ zu tun, sondern da geht es um die Frage: Vertrauen oder Versagen des Vertrauens. Wir haben diese Instrumente auch immer sehr sparsam eingesetzt. Ein einziges Mal haben die Grünen gegen eine Umweltministerin einen Misstrauensantrag eingebracht, und zwar 1991. Das ist jetzt 13 Jahre her!

Wir haben in dieser Zeit gewaltige Umweltkonflikte miteinander gehabt und auch ge­wal­tige Umweltkonflikte gegenüber anderen Akteuren ausgetragen. Einer der großen Konflikte war die Gentechnik, die seit mittlerweile zwölf Jahren auch in diesem Haus Thema ist. Ich habe immer gedacht, in Bezug auf Gentechnik gibt es einen Konsens, einen sehr, sehr breiten Konsens auch in diesem Haus bezüglich Ablehnung einer Technologie, die die Entschlüsselung der Bausteine des Lebens dazu verwendet, ausschließlich industrielle Interessen bei der Pflanzenzucht, in der Tierzucht umzu­setzen. Einer Technologie, bei der dann Produkte herauskommen wie Mais, der gegen irgendwelche Herbizide resistent ist, oder Sojabohnen, die mit Gensequenzen von Bakterien versetzt worden sind, die dann gegen alles, was an Umweltgiften eingesetzt wird, resistent sind, Produkte, die dem Konsumenten und der Konsumentin absolut null bringen.

Noch dazu kennt niemand die ökologischen Auswirkungen, die langfristigen Auswir­kungen dieser Produkte vor allem auch auf die Gesundheit von Menschen, auf die Gesundheit von Kindern, weiß man nicht, ob sie Allergien et cetera hervorrufen.

Mit der Gentechnik wurden diese Schranken durchbrochen. Wir haben das immer sehr, sehr kritisch beurteilt, was Österreich angeht, weil ja niemand weiß, worauf man sich hier langfristig einlässt. Die Natur ist nicht kontrollierbar. Alles, was freigesetzt wird, ist irreversibel, und wir stehen heute hier mit diesem Gesetz an einem Scheideweg, wie es in dieser Frage weitergeht.

Vor diesem Scheideweg, vor dieser Entscheidung haben wir natürlich mit Spannung erwartet: Was kommt jetzt in diesem Gesetz? Wie wird sich der Umweltminister verhalten? – Ein Umweltminister übrigens, der sich im Gegensatz zu seinem Vorgän­ger, dem damaligen Bundesminister Molterer, immer klar und offen gegen die Gen­technik in der österreichischen Landwirtschaft ausgesprochen hat. Der Vorgänger hat das nicht getan. Der Vorgänger hat immer gesagt, er möchte diesen Weg auch für die österreichische Landwirtschaft offen lassen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Deshalb ist er ja Klubobmann geworden!) Minister Pröll hat das nie gesagt. Er hat immer gesagt, er möchte die Gentechnik aus der österreichischen Landwirtschaft draußen haben. – (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Dafür hat er keinen Misstrauensantrag gekriegt!)

Die Europäische Union hat sich anders entschieden. Mit nächstem Jahr wird das Moratorium fallen, und wir werden dann auf den österreichischen Feldern Mais, Erdäpfel – das ist im Übrigen eine Zuckerrübe (jeweils das entsprechende Gemüse aus dem Korb herausnehmend) – und so weiter haben, die eben nicht gentechnikfrei sind. Das (auf den Inhalt des Korbes weisend) sind Symbole für Produkte, die ab nächstem Jahr auf den österreichischen Feldern freigesetzt werden, wenn dagegen nichts unternommen wird.

Mit Spannung haben wir jetzt die Aktivitäten des Umweltministers erwartet, denn er hatte sehr hohe Erwartungen geweckt, auch sehr hohe Erwartungen von 1,2 Millionen Menschen, die ein Volksbegehren unterschrieben haben, das man ernst nehmen muss, auch heute noch ernst nehmen muss, sechs Jahre danach. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Das war und ist ein politischer Auftrag, vor allem an einen Umweltminister.


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Diese 23 Anträge, die auf der europäischen Ebene auf uns zukommen, sind jetzt abzuwehren. Und mit Spannung habe ich erwartet, was jetzt kommt. Es tut sich hier ein riesiges Konfliktpotential auf – Haftungsfragen, Koexistenzfragen –, ja es steht die Existenz der gesamten biologischen Landwirtschaft in Österreich heute hier mit diesem Gesetz und den Begleitmaßnahmen, falls es solche gibt, auf dem Spiel.

Herr Umweltminister, Sie haben sich auf die andere Seite gestellt. Sie haben bei diesem Gesetz persönlich die Haftung verwässert und damit die Konflikte in die Dörfer getragen. Sie haben durch eine völlig ungenügende Haftungsregelung genau den kleinen Biobauern, dessen Nachbar dann im Falle eines Konfliktes vom Gentechnik­konzern Monsanto mit einer riesigen Rechtsabteilung unterstützt wird, im Stich gelassen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Pirklhuber – in Richtung des auf der Regie­rungsbank sitzenden Bundesministers Dipl.-Ing. Pröll –: Nicht lachen! Nicht lachen!)

Sie, Herr Minister, haben auch alles, was sonst in Ihrem Bereich möglich wäre, nicht getan. Ich hätte mir erwartet, wenn jemand das wirklich ernst nimmt, wenn jemand das ernst meint und sagt: Ich möchte die österreichische Landwirtschaft und Lebens­mittelproduktion gentechnikfrei halten!, dass er dann alles tut, was nur irgendwie denkbar und möglich ist.

Ich frage Sie, Herr Minister: Wie können Sie das irgendjemandem erklären, dass die österreichische Umweltförderung in der Landwirtschaft Gentechniksaatgut verträgt? Wie ist das vereinbar? Wie kann man mit Umweltfördermitteln Gensaat in Österreich fördern? – Ich glaube, das versteht überhaupt niemand in Österreich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich verstehe auch nicht, wie man einem Vorschlag, der so bestechend einfach ist, nicht folgen kann, nämlich einfach das große Förderprogramm entsprechend auszurichten, wodurch 90 Prozent der österreichischen Fläche mit einem Federstrich gentechnikfrei bleiben würden. Da brauchen Sie nicht mit Bartenstein zu streiten, sondern das brauchen Sie nur in das Förderprogramm hineinzuschreiben, so wie das Slowenien bereits macht. Die EU wird das notifizieren, wie sie es bei Slowenien auch gemacht hat, und dann haben wir 90 Prozent garantiert gentechnikfrei!

Ich kann diese Aussagen nicht mehr hören: irgendwelche gentechnikfreien Zonen, gentechnikfreies Waldviertel, gentechnikfreie Anbauzonen für Saatgut. – Im Umkehr­schluss heißt das, dass alle andere Zonen – das Weinviertel, das Mühlviertel und alle anderen Regionen – Gentechnikzonen sind. Und das will ich nicht, Herr Umwelt­minister – und das will auch die österreichische Bevölkerung nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dadurch, dass Sie jetzt hergehen und sagen: Das reicht alles, das genügt!, wollen Sie – ich kann es nicht anders interpretieren – über die Hintertür still akzeptieren, dass in der österreichischen Landwirtschaft ab nächstem Jahr Gentechnik zum Einsatz gelangt. Sie wollen das still akzeptieren und die Hintertür dafür einfach aufmachen – anders ist diese Halbherzigkeit nicht erklärbar.

Der besondere Vorwurf in diesem Zusammenhang – und das hat auch mit Vertrauen zu tun – ist, dass Sie vorher gesagt haben, Sie wollen das nicht. Das ist eine Täuschung und auch ein Vertrauensbruch, nicht nur uns Grünen, sondern auch der Bevölkerung gegenüber. Der Verdacht ist, dass das ein reines Lippenbekenntnis war, und das ist inakzeptabel! (Beifall bei den Grünen.)

Das ist das eine. Aber es gibt noch ein zweites und ein drittes Thema, das mich emotional sehr aufwühlt, weil es auch einen der großen Umweltkonflikte der öster­reichischen Geschichte betrifft. Seit 1978 ist eines, glaube ich, unbestritten und klar:


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Die österreichische Bevölkerung will keine Atomkraftwerke, und die österreichische Bevölkerung hat eine sehr positive Einstellung zu allem, was mit erneuerbaren Energien, mit Ökostrom zu tun hat. Viele wissen das, die Bürgermeister in den Gemeinden wissen das: Die Leute wollen das, und das macht auch Sinn! Sie wollen keine Abhängigkeit vom Erdöl, dessen Preis mittlerweile auf den Märkten bei 53 oder 54 Dollar pro Barrel liegt. Die wahnsinnige Abhängigkeit davon wird mittelfristig den Strompreis noch einmal verteuern! Nicht nur alles, was auf fossiler Basis erzeugt wird, sondern auch alles, was auf Gasbasis erzeugt wird, wird mittelfristig zu sehr hohen Strompreisen und auch zu gewaltigen sozialen Problemen führen.

Dass Sie sich einerseits über den Ökostrom mit diesen 10 € pro Haushalt im Jahr aufregen und andererseits die 200 € Kostensteigerung für 900 000 Haushalte in Österreich durch die Preisentwicklung bei Heizöl leicht einfach so hinnehmen, das ist schon bemerkenswert! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dass Sie die einzige vernünftige Alternative, die es im Energiebereich gibt, nämlich das konsequente Etablieren von erneuerbaren Energien, sei es im Strombereich oder im Wärmebereich, nicht umsetzen, sondern sich gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister hinsetzen und dieser Branche den Todesstoß versetzen, das hat mir letzte Woche auch emotional wehgetan, hat mich geschmerzt. Es ist dies eine Branche, die seit 15 Jahren einen Systemwechsel nach dem anderen zu überleben hat, die sich ständig und immer wieder bemüht, irgendwo etwas aufzustellen, mit Bürgerbeteiligung – das sind keine Aktiengesellschaften, das sind Bürgerbeteiligungsgesellschaften! Gerade der Wind – die effizienteste Form – hat keine Lobby, der ist Ihnen Wurscht! Diese Einigung ist das Aus für die Windenergien, das Aus für 15 000 Arbeitsplätze, die Sie gerade in die Donau leeren, das Aus für Exportchancen – und verheerend als europäisches Signal.

In Mittel- und Osteuropa macht man gerade die Gesetze im Bereich Ökostrom­förde­rung und schaut, wie man das anlegen soll. Diese Länder schauen jetzt auf Österreich. Ich habe die ganze Woche Anrufe bekommen, wo die Leute uns gefragt haben: Seid ihr wahnsinnig? Ihr habt ein funktionierendes Gesetz, das erste funktionierende Um­weltgesetz – das gibt es noch nicht einmal zwei Jahre –, und da setzt sich der Umwelt­minister hin und sagt: Es ist ein Erfolg, wenn ich einem Mindestrentner, der 500 € bekommt und dem Bartenstein nur mehr 5 € geben will, jetzt 10 € gebe! – Das ist ein Erfolg? – Das ist kein Erfolg, das ist eine absolute Katastrophe in diesem Bereich, Herr Umweltminister! (Neuerlicher Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist der allerschwerste Rückschlag, den wir bis jetzt in diesem Bereich hatten. Es ist schade vor allem auf Grund der gewaltigen wirtschaftlichen Möglichkeiten und Poten­tiale, die es in diesem Bereich gibt: In Deutschland – das wissen alle – hat der Bereich Windenergie bereits mehr Arbeitsplätze verwirklicht als die Atomwirtschaft. Das sind gewaltige Chancen! Die exportieren in die ganze Welt! Auch wir hätten hier eine riesiges Potential – aber nein: Wenn einmal etwas funktioniert, dann muss man es niedertreten!

Ich nenne Ihnen jetzt noch ein paar Zahlen, um aufzuzeigen, was das wirklich bedeutet: Allein heuer hätten wir für diesen Bereich 122 Millionen € an Fördervolumen, Vergütungsvolumen zur Verfügung gehabt. Für nächstes Jahr sind es 22 Millionen – das ist ein Minus von 80 Prozentpunkten! Was kann man damit noch bauen? – Da kann man im Garten ein paar Ökostromanlagen aufstellen, aber mit einem bewussten Wirtschaftskurs hat das nichts mehr zu tun!

Im Bereich Biomasse werden wir nächstes Jahr zwei mittelgroße Anlagen bauen kön­nen. Im Bereich Biogas werden wir 18 Anlagen bauen können. – Alleine in Ober­österreich wurden heuer mehr Anlagen gebaut als diese 18 Biogasanlagen.


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Der Wind ist tot: Da gibt es vielleicht zwei kleinere Windparks, aber unter diesen Rahmenbedingungen wird so etwas niemand mehr bauen. Für alle Anlagen soll das Prinzip „first come, first served“ gelten: Sollen sich die Leute am 2. Jänner vor das Ministerium stellen, damit sie „first come“ sind, damit sie eine Förderung bekommen? Dann haben sie vielleicht das ganze Risiko, einen Genehmigungsbescheid nicht rechtzeitig zu bekommen, und dann ist der Fördertopf leer.

Wie stellen Sie sich das vor? In ganz Europa hat man diese Ausschreibemodelle wieder abgeschafft – wir führen sie ein. Es ist wirklich schlimm! (Beifall bei den Grünen.) – Ich muss mich aufregen.

Und das alles vor dem Hintergrund einer Kampagne, bei der der Wirtschaftsminister und die E-Control mit manipulativen Zahlen arbeiten, die sich gewaschen haben! Sie verwenden nachweislich falsche Zahlen und verwenden sie immer wieder. – Ich sage ja auch nicht zu Ihnen: Die Landwirtschaftsförderung kostet jeden Haushalt 1 200 € im Jahr! – Das ist einfach total unseriös.

Ich kenne auch Menschen, die sich in irgendeiner Weise auch ästhetisch nicht mehr wohl fühlen mit den vielen Windrädern auf der Parndorfer Platte. Trotzdem: Selbst­verständlich soll es Bürgerbeteiligung, einen sensiblen Umgang, entsprechende Ab­stände geben – alles klar –, aber die Schönheit einer Energieerzeugungsform, die keinen nuklearen Müll, keine Treibhauseffekte, keine Hochwässer et cetera produziert, steht dem einfach entgegen! Deswegen ist es so schade, dass Sie sich da auf die falsche Seite gestellt haben, Herr Umweltminister. Es ist wirklich schade! (Beifall bei den Grünen.)

Der dritte Bereich – und damit bin ich schon fast am Schluss meiner Rede –: Vor zwei Tagen – es hat sich angekündigt, und es ging dem auch ein langer Kampf voraus, den viele in diesem Haus miterlebt haben und wo es auch eine sehr große Unterstützung aus der österreichischen Bevölkerung gegeben hat – ist die atomrechtliche Bewilligung für Temelín für die nächsten zehn Jahre juristisch beschlossen worden. Das ist ein glatter Bruch des so genannten Melker Abkommens – wir kennen es alle –, das wortidentisch vorsieht, dass der kommerzielle Betrieb des AKW Temelín erst nach Abschluss aller Untersuchungen – Untersuchungen, Sie wissen es, zu den sieben großen Sicherheitsmängeln – aufgenommen wird.

Jetzt geht das Ding in Betrieb, bekommt für zehn Jahre eine Betriebsgenehmigung, und was macht der Umweltminister? – Der Umweltminister geht her und sagt: Das hat nichts mit dem Melker Abkommen zu tun, das läuft alles weiter – und so weiter.

Ich wünsche mir einen Umweltminister, der sagt: Das ist ein glatter Bruch! Das werden wir nicht hinnehmen, und wir werden diesen Kampf gegen Temelín auch nicht aufgeben, egal, wie schwer es ist! – Sie haben auch sonst nichts vorzuweisen: Es gibt keine einzige Sicherheitsverbesserung, und es gibt auch keine Aktivitäten in die Rich­tung, wie es auch der Nationalrat von Ihnen verlangt hat, nämlich Ausstiegsverhand­lungen anzugehen. – Das ist das Dritte.

Was wird jetzt passieren? – Die Grünen bringen heute einen Misstrauensantrag gegen den Umweltminister ein. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das wissen wir schon!) Wir sind die Opposition – die Regierungsmehrheit im Haus wird voraussichtlich diesen Antrag niederstimmen. (Abg. Mag. Molterer: Zu Recht!) Aber ich und die grüne Fraktion, wir können einem Umweltminister nicht vertrauen, der die Möglichkeit, die österreichische Landwirtschaft gentechnikfrei zu halten, ausschlägt, der zur Kenntnis nimmt, dass das Aus der gentechnikfreien Landwirtschaft vor der Tür steht, der dem Ökostrom den schlimmsten Rückschlag bislang versetzt und der den Kampf gegen Temelín aufgibt. Ich kann es nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


12.49


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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Klubobmann Mag. Molterer zu Wort gemeldet. Sie kennen die Geschäftsordnung. 2 Minuten Redezeit.

 


12.49

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Kollegin Glawischnig hat behauptet, der Umweltminister stünde auf der falschen Seite.

Ich berichtige: Er steht auf der richtigen Seite, nämlich auf der Seite der Umweltpolitik mit Hausverstand! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Grünen. – Abg. Dr. Van der Bellen: Das ist ja ein Witz, Entschuldigung! Wenn das jetzt eine tat­sächliche Berichtigung war? Nein, wirklich nicht! – Uns werfen Sie immer wieder Miss­brauch der Geschäftsordnung vor! Das ist ja ein Witz! – Das ist nicht lustig, Herr Molterer! Das mache ich das nächste Mal auch! Dann möchte ich sehen, was Sie sagen!)

12.50

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Klubobmann, der Klarstellung halber: Das war keine tatsächliche Berichtigung!

Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch zu Wort. Herr Abgeordneter, Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 5 Minuten. – Bitte.

 


12.50

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Frau Minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Vielleicht könnten die Grünen ihre Produkte, die sie hier zur Schau gestellt haben, auch wieder wegräumen, denn ich glaube, die Schulung von Frau Dr. Glawischnig ist beendet – und wir sollten zum eigentlichen Thema übergehen.

Faszinierend war schon – das nur eingangs meiner Ausführungen –, dass sowohl Redner der SP-Fraktion, aber vor allem auch Frau Dr. Glawischnig minutenlang über einen Misstrauensantrag gesprochen haben, aber eingebracht wurde ein solcher offen­sichtlich nicht. Offensichtlich waren Sie hier so beschäftigt mit dem Aufstellen von Zuckerrüben, Kartoffeln und Maisprodukten, dass Sie vergessen haben dürften, einen solchen Antrag einzubringen. Es wird das aber vielleicht einer Ihrer folgenden Redner machen, sodass darüber dann abgestimmt werden kann. (Abg. Dr. Pirklhuber trägt den mit Obst und Gemüse gefüllten Korb vom Rednerpult weg.) – Danke.

Interessant wird jedenfalls die Begründung sein, warum Sie einen Misstrauensantrag einbringen, einen Antrag, der meiner Überzeugung nach nicht nachvollziehbar ist, aber wahrscheinlich besteht das Misstrauen der Grünen darin – ich möchte jetzt wirklich nicht den Herrn Landwirtschaftsminister Pröll verteidigen –, dass, wie ja Frau Dr. Glawischnig selbst gesagt hat, Herr Minister Pröll der erste ÖVP-Landwirtschafts­minister ist, der gegen die Gentechnik ist. Das dürfte Sie von den Grünen so skeptisch stimmen, dass Sie gleich einen Misstrauensantrag gegen Bundesminister Pröll ein­bringen. Und das ist doch eigentlich nicht nachvollziehbar, denn normalerweise müss­ten Sie doch anerkennen, dass Bundesminister Pröll Ihre Linie vertritt! Für uns Frei­heitliche ist Ihre Vorgangsweise daher wirklich unverständlich.

Nun zum Thema Gentechnik, mit dem ich mich jetzt beschäftigen möchte, wobei dieses Thema ja beinahe schon in jeder Sitzung diskutiert wird. Es ist ja fast schon faszinierend, dass immer wieder über diese Sache diskutiert wird, wo es doch, und zwar quer durch alle Fraktionen, ein klares Bekenntnis gegen das In-Verkehr-Bringen von gentechnisch veränderten Produkten gibt. Darüber ist, wie gesagt, hier schon sehr oft diskutiert worden, und es haben immer wieder alle Parteien bekräftigt, dagegen zu


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sein. Es ist dazu ja auch zu einem Moratorium gekommen; es wurde dazu auch sehr viel seitens der Grünen inszeniert.

Im Endeffekt ist es jedoch so, dass es dazu, was den nationalen Bereich betrifft, Handlungsbedarf gibt. Und warum gibt es diesen Handlungsbedarf? – Den gibt es einmal leider deshalb, weil uns die Europäische Union, weil uns Brüssel etwas vor­geschrieben hat, wurde doch das In-Verkehr-Bringen von gentechnisch veränderten Organismen von einer Institution vorgeschrieben, die dem nationalen Parlament sozu­sagen vorgelagert ist. Jetzt könnte man darüber philosophieren, warum es dazu gekommen ist, warum zum Beispiel gerade die deutsche Landwirtschaftsministerin Künast, eine Vertreterin der Grünen, in der EU nicht gegen eine Ausbringung solcher Produkte gestimmt hat, warum es sozusagen das grüne Aushängeschild der euro­päischen Politik nicht verhindert, ja das In-Verkehr-Bringen gentechnisch veränderter Organismen nicht einmal zu verhindern versucht hat. Nein, denn dort wurde auf einmal europäische Politik der Politik der Grünen untergeordnet, besser gesagt: übergeordnet. Da ist also, wie man gesehen hat, die Politik der Grünen an Grenzen gestoßen; jetzt aber hier, im nationalen Parlament ... (Abg. Dr. Pirklhuber: ... lang nicht ausgelotet!)

Herr Dr. Pirklhuber, „ausgelotet“ hin oder her: Die Grüne Renate Künast war als Land­wirtschaftsministerin auf europäischer Ebene für das In-Verkehr-Bringen gentechnisch veränderter Organismen! Das sind Fakten! Ich würde mir daher erwarten, dass Sie von den Grünen sich einmal hier herausstellen und das erklären – und nicht immer nur auf dieser Regierung sozusagen herumhacken, wenn hier bei uns im österreichischen Parlament Gesetze gemacht werden, mit denen der Versuch unternommen wird, dieses Diktat aus Brüssel so in den Griff zu bekommen, so damit umzugehen, dass wir das zumindest handlen können, dass wir also für jenen Bereich, in dem sich nahezu alle Österreicherinnen und Österreicher wünschen, dass das In-Verkehr-Bringen gen­technisch veränderter Lebensmittel verhindert wird, die notwendigen Rahmenbedin­gungen schaffen, auch wenn uns das auf Grund der Entscheidung in Brüssel nicht leicht gemacht wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das, geschätzte Damen und Herren, führt mich jetzt auch zu einem Seitensatz, den ich hiemit anbringen möchte: Ich glaube, dass uns diese Gentechnik-Diskussion, dass uns dieses Diktat der Europäischen Union auch im Hinblick auf künftige Entscheidungen ein bisschen vorsichtiger machen sollte, stehen doch in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten wichtige Entscheidungen aus Brüssel an, und auch da sollten wir sehr vorsichtig sein, dass wir nicht wieder von „oben“, aus Brüssel also, ein Diktat bekom­men, sodass wir dann später womöglich hier im Parlament Gesetze beschließen müssen, um zumindest Schadensminimierung zu betreiben, und zwar Schadens­minimierung in den verschiedensten Bereichen. In diesem Zusammenhang denke ich etwa nur an die kontroversielle Diskussion rund um einen EU-Beitritt der Türkei oder auch an die geplante EU-Verfassung, wo Dinge in Diskussion stehen, wo es dann hintennach wiederum heißen könnte: Ja warum wurde denn nichts dagegen unter­nommen?!

Nun ein paar Worte zum Gentechnikgesetz selbst, wobei ich meine, dass das Ergebnis wirklich herzeigbar ist. Dazu hat es hier ja monatelange Verhandlungen gegeben, und gerade unser freiheitlicher Umweltsprecher Klaus Wittauer, aber auch unser damaliger Justizminister Dieter Böhmdorfer, der freiheitliche Agrarsprecher, also ich selbst, und viele Vertreter der Freiheitlichen Partei haben in diesem Zusammenhang monatelang mit der ÖVP verhandelt – und haben etwas erreicht, was, wie ich meine, durchaus herzeigbar ist. Über das Erfüllen von Wünschen zu 100 Prozent könnte man selbst­verständlich diskutieren, aber da gleich mit einem Misstrauensantrag vorzugehen, das ist, glaube ich, der falsche Weg.


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Zusammenfassend: Wir haben einheitliche Kriterien festgelegt, Zulassungsbefristun­gen gibt es für zehn Jahre; es gibt klare Strafbestimmungen. Was das In-Verkehr-Bringen gentechnisch veränderter Produkte betrifft, gibt es auf Bundesebene klare Haftungsregelungen. Wir haben bundeseinheitliche Regelungen geschaffen, wir haben eine Beweislasterleichterung eingeführt, und wir haben – und da bin ich als Kärntner stolz darauf, weil wir in Kärnten als Erste dieses Modell verwirklicht haben – mit dem Vorsorgegesetz auch versucht (Abg. Dr. Pirklhuber: Salzburg! Salzburg hat das erste Gesetz!), Regelungen zu treffen, die das In-Verkehr-Bringen erschweren. (Abg. Dr. Pirklhuber: Aber es ist Salzburg, nicht Kärnten!)

Summa summarum gibt es eine klare Festlegung auf drei Ebenen: Die europäische Ebene hat leider versagt – es ist ein Wahnsinn, darüber sind wir uns, glaube ich, alle einig. Auf Bundesebene beschließen wir heute hier ein gutes Gesetz, das eine deutliche Verbesserung des Status quo bedeutet. Die Landesgesetze beziehungs­weise die Landeskompetenzen – Lösung der Koexistenzfrage – werden wahrscheinlich im Endeffekt auch dazu führen, dass sich die meisten bäuerlichen Betriebe zumindest überlegen werden, gentechnisch veränderte Produkte einzusetzen.

Neben all diesen gesetzlichen Rahmenbedingungen gibt es aber auch – und darauf lege ich hier besonderen Wert – die Möglichkeit, sich persönlich einzubringen. Jeder Konsument kann in gewissem Ausmaß durch sein Kaufverhalten mitentscheiden. Auch Firmen können mitgestalten – ich denke nur etwa an die „Kärntnermilch“, deren Vor­stand beschlossen hat, dass bei den Milchkühen, deren Milch an sie geliefert wird, nur mehr gentechnikfreie Futtermittel einzusetzen sind. All das sind Maßnahmen, durch die man klar festmachen kann, wo die Reise hingehen soll, und ich glaube, wir werden auch fernab dieser Diskussionen, also draußen im täglichen Geschäft sozusagen, gefordert sein, dafür zu sorgen, dass es hier zu Verbesserungen kommt.

Es wurden noch weitere Themen angesprochen: Herr Klubobmann Cap hat auf einer sehr unemotionalen Ebene, muss ich sagen – eigentlich ganz untypisch für Sie, Herr Klubobmann –, hier über Ökostrom, Biospritbeimischung und dergleichen gesprochen. Ich denke also, dass all diese Gesetze doch in eine gute Richtung weisen. Dass es hier auch Maximalforderungen geben könnte, dass es Punkte gibt, wo sich der eine oder andere mehr erwartet hat, ist keine Frage. Aber darauf aufbauend einen Miss­trauensantrag zu stellen, das ist ein bisschen verwegen.

Ich muss ehrlich sagen, auch ich stimme mit der Meinung von Minister Pröll nicht unbedingt immer zu hundert Prozent überein, und wir diskutieren auch sehr oft kontroversiell und sind dann am Ende auch nur selten wirklich einer Meinung, nur: Einen Misstrauensantrag gegen Minister Pröll zu stellen, davon sind wir heute weit entfernt! Wenn wir ein Ranking erstellen würden, dann gehört er meines Erachtens zu jenen ÖVP-Ministern, die sich sicherlich im letzten Drittel befinden, wenn es darum geht, jemandem das Misstrauen auszusprechen. Und das sollten sich die Grünen auch überlegen. (Rufe bei den Grünen und der SPÖ: Wer ist denn der Erste? Wer steht denn oben? – Abg. Krainer: Wer steht denn ganz oben auf der Liste?)

Und ich erwarte mir schon auch, Herr Dr. Pirklhuber, eine gewisse Konsequenz in Ihrer Politik. Wenn Sie beziehungsweise wenn Frau Dr. Glawischnig sich hier herstellt und uns ihre Entrüstung und ihre wirklich tiefe Enttäuschung über die „katastrophale“ Um­weltpolitik des Ministers Pröll und der ÖVP vorspielt, sage ich einmal – ich glaube, es wird nicht ganz so ernst gewesen sein –, so muss ich sagen: In Oberösterreich, wo Sie mit der Österreichischen Volkspartei in einer Koalition sind, könnten Sie wirklich einmal demonstrieren, wie wichtig es Ihnen ist, dass die ÖVP eine glaubwürdige Umweltpolitik macht. Dort könnten Sie es dingfest machen: Treten Sie aus der Koalition aus und beweisen Sie damit, dass Sie mit der Politik der ÖVP nicht zufrieden sind! – Danke.


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(Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gabriela Moser: Was soll denn das? – Ironische Heiterkeit der Abg. Dr. Gabriela Moser.)

12.59

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Meine Damen und Herren! Es ist 12.59 Uhr. Ich werde daher, wie vereinbart, die Sitzung für eine halbe Stunde unterbrechen. Ich werde die Sitzung pünktlich um 13.30 Uhr wieder aufnehmen. Die erste Rednerin wird Frau Bundesministerin Rauch-Kallat sein.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 12.59 Uhr unterbrochen und um 13.30 Uhr wieder aufge­nommen.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Meine Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Wir setzen in der Redner- und Rednerinnenliste fort. Als Nächste gelangt Frau Bundes­ministerin Rauch-Kallat zu Wort. – Bitte, Frau Ministerin.

 


13.30

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Präsident! Hohes Haus! (Abg. Dr. Glawischnig: „-tin“!) Bitte? (Abg. Dr. Glawischnig: „Frau Prä­sidentin“! – Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: „Frau Ministerin“! „Frau Präsidentin“! – Ruf bei der ÖVP: Aber geh!) Frau Präsidentin – bitte! „Frau Präsidentin“ ist ein Pleonasmus, aber bitte. (Abg. Mag. Stoisits: Das ist kein Pleonasmus! Das ist richtig angewandt!) Gut, also werde ich in Hinkunft ... (Abg. Mag. Stoisits: Wir sagen ja auch nicht zu Ihnen: „Herr Bundesministerin“!) Ja, ich nehme es zur Kenntnis.

Frau Präsidentin! Hohes Haus! Lassen Sie mich ganz kurz zur Gentechnik-Novelle Stellung nehmen. Diese Gentechnik-Novelle ist nicht nur auf Grund der Entwicklung der letzten Jahre auch in der Europäischen Union notwendig geworden, sondern sie wird erstmals auch das Gentechnikgesetz um wesentliche Punkte erweitern und vor allem verschärfen.

Es geht hier um vier große Handlungsfelder und Handlungsbereiche, nämlich einer­seits um die Verbesserung der Sicherheitsbewertung von Freisetzungsanträgen und In-Verkehr-Bringungs-Anträgen zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt, zweitens um den Bereich des Schutzes der Verbraucherinteressen, ferner um die Erhöhung der Transparenz und Information der Öffentlichkeit und Sicherstellung der Überwachung sowie viertens um den Schutz der heimischen Landwirtschaft und die Absicherung der biologischen und der konventionellen Landwirtschaft.

Lassen Sie mich zum ersten Punkt kurz Stellung nehmen. Erstmals werden einheitliche europäische Kriterien festgelegt für die Sicherheitsbewertung bei Freisetzungen und In-Verkehr-Bringen von gentechnisch veränderten Organismen, unter besonderer Berück­sichtigung auch langfristiger und akkumulierter Umweltauswirkungen. Darüber hinaus wird es eine Befristung der Zulassung auf längstens zehn Jahre geben, was grund­sätzlich auch für Verlängerungen der Zulassung gilt, und die Festlegung konkreter Fristen für die einzelnen Verfahrensschritte im EU-weiten Zulassungsverfahren für das In-Verkehr-Bringen von GVOs, weiters die Überprüfung bestehender Zulassungen und die Festlegung spezifischer Anwendungsbestimmungen in der Genehmigung zum In-Verkehr-Bringen, insbesondere auch unter Berücksichtigung gegebener ökologischer Bedingungen. Das heißt, es ist dies ein sehr umfassender Schutz der Umwelt.

Für den Schutz der Verbraucherinteressen wird es eine Festlegung der Zuständigkeit für die Vollziehung der Verordnungen 1829 und 1830 über gentechnisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel und über die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von


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GVOs geben, sowie das Einführen von horizontalen Strafbestimmungen für einen Verstoß gegen diese Verordnungen und auch eine schrittweise Entfernung bedenk­licher Antibiotikaresistenzmarker in GVO-Produkten bis zum 31. Dezember 2004. Das ist vor allem wichtig, um Antibiotikaresistenzen vorzubeugen.

Was Erhöhung der Transparenz, Information der Öffentlichkeit und Sicherstellung der Überwachung anbelangt, wird dies durch eine verpflichtende Kundmachung von Genehmigungs- und Risikomanagemententscheidungen und eine Registerführung über die Orte der Freisetzungen zur Erleichterung der Überwachung gewährleistet. Durch die entsprechende Verordnungsermächtigung sollen die in den Ländern entste­henden Register bundeseinheitlich zusammengeführt werden, und die Erweiterung des beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen geführten Gentechnikregisters wird dies auch sicherstellen.

Eine eindeutige Kennzeichnung und Maßnahmen zur Gewährleistung der Rück­ver­folgbarkeit werden ebenfalls die Verbraucherinformation erhöhen, genauso wie eine verpflichtende Überwachung, ein Monitoring von in Verkehr gebrachten Produkten.

Lassen Sie mich kurz auch etwas über den Schutz der heimischen Landwirtschaft und die Absicherung der biologischen und konventionellen Wirtschaftsweise sagen. Wir haben eine ganz besondere Sorgfaltspflicht zur Vermeidung unbeabsichtigter Ver­mischungen von GVOs einschließlich der Einführung einer Grenzwertregelung fest­gelegt. Die Grenzwertregelung übernimmt einerseits die von der EU beschlossenen Grenzwerte für Produkte, die für die Verarbeitung insbesondere zu Lebensmitteln oder Futtermitteln bestimmt sind. Für den von der EU nicht geregelten Bereich wird ein subsidiärer Grenzwert von 0,1 Prozent festgelegt.

Es wird – und das ist etwas, worauf wir besonders stolz sind – auch die Umsetzung einer sehr klaren Haftungsregelung vorgenommen, die die Interessen unserer Bauern, die gentechnikfrei wirtschaften wollen – sowohl der Biobauern als auch jener kon­ventionell wirtschaftenden Landwirte, die keine gentechnisch veränderten Produkte anbauen wollen –, sicherstellen, und die wird auch voll berücksichtigt. Mit dieser bun­deseinheitlichen Haftungsregelung wird ein Beitrag zur Koexistenzfrage des Bundes entsprechend dem Vorsorgeprinzip ergänzend zu den Regelungen in den Bundes­ländern geleistet, sollte der Anbau von GVOs auf europäischer Ebene erlaubt werden.

Zum Kritikpunkt, warum nicht weitere gesetzliche Regelungen zur Koexistenz in die­sem Gesetz beinhaltet sind, darf ich festhalten, dass Bestimmungen, die zusätzlich zur neu eingeführten Sorgfaltspflicht und den vorgesehenen Haftungsbestimmungen für die Landwirtschaft erforderlich sein könnten, auf Grund mangelnder Bundeskompetenz nicht enthalten sind. Dabei kann aber der Weg, den das Land Kärnten mit seiner Regierungsvorlage für ein Kärntner Gentechnikvorsorgegesetz beschritten hat, auch eine EU-konforme Regelung und Lösung des Nebeneinanderbestehens eines et­waigen künftigen GVO-Pflanzenanbaus mit der biologischen und der konventionellen Landwirtschaft darstellen.

In jedem Fall ist die Haftungsregelung so klar festgehalten, dass wir überzeugt sind, dass die österreichischen Bauern wahrscheinlich in keinem – und wenn, dann nur in einem überaus geringen – Maße von gentechnisch veränderten Organismen Gebrauch machen werden. Österreich hat eine hohe Sensibilität in Fragen der Gentechnik, und ich gehe davon aus, dass gerade diese Sensibilität und das Bewusstsein sowohl der Landwirte als auch der Konsumenten dazu führen wird, dass derartige Produkte in Österreich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht angebaut werden. (Abg. Öllinger: Die


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Landwirte und die Konsumenten schon, aber nicht die Agrarkonzerne! Die Futtermittel­konzerne!)

In diesem Sinne glaube ich, dass wir mit dieser Verordnung sicherstellen können, dass nicht nur die Richtlinien entsprechend umgesetzt werden, sondern dass Österreich auch in Zukunft ein gentechnikfreies Land bleiben wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.39

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Krainer zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

 


13.39

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es das Ziel dieses Gesetzes ist, Österreich in der Landwirtschaft weiter­hin gentechnikfrei zu halten, dann ist dieses Ziel klar verfehlt worden. Die Richt­linie 2001/18, die hier umgesetzt werden soll, gibt den Nationalstaaten, und damit auch Österreich, das Werkzeug und die Möglichkeit, über gewisse Maßnahmen ein Land auch weiterhin gentechnikfrei zu halten.

Als Erstes wäre hier die Frage der Koexistenz zu nennen. Ausdrücklich soll diese auf nationaler Ebene gelöst werden, und ausdrücklich ist es hier auch möglich, die Ko­existenzregeln derart weitläufig auszulegen, dass de facto keine Möglichkeit, Gen­technik in der Landwirtschaft einzusetzen, gegeben ist – wenn man das will! Nur habe ich den Eindruck, dass diese Bundesregierung das nicht will. Ich habe den Eindruck, dass vor allem die Bauernfunktionäre sich denken (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Bauern­bundfunktionäre!): Wenn in ganz Europa die Gentechnik in der Landwirtschaft eingesetzt wird, dann haben unsere Bauern in Österreich, wenn sie das nicht dürfen, einen Wettbewerbsnachteil, einen Standortnachteil, und deswegen müssen sie es auch dürfen.

Und das ist es, was jetzt passiert: dass man sich in diesem Gesetz eine Hintertür offen halten will, um Gentechnik in der Landwirtschaft einzusetzen. De facto wird aus diesem Offenlassen einer Hintertür natürlich ein Tür-und-Tor-Aufmachen für die Gentechnik in der Landwirtschaft. Das geschieht durch dieses Gesetz.

Das Erste ist, die Koexistenz wird in diesem Gesetz überhaupt nicht geregelt, oder zumindest nicht in einem Ausmaß, wie es angebracht wäre.

Die zweite Möglichkeit, die wir hätten, in diesem Gesetz etwas zu regeln, ist die Frage der Haftung. Da gibt es einen ganz einfachen, wunderbaren Vorschlag, nämlich: Jeder Bauer, der Gentechnik in der Landwirtschaft einsetzen will, muss eine Haftpflicht­ver­sicherung abschließen, die alle möglichen Schäden deckt. Das wäre ganz einfach, aber Sie wollen das nicht. Vielleicht gäbe es auch gar keine Versicherung, die eine derartige Haftpflichtversicherung anbieten würde, weil die Schäden einfach nicht mess­bar sind. Aber da kann ich nur sagen: Wenn die Schäden wirklich nicht messbar wären, müssten wir froh sein, wenn die Technik nicht eingesetzt wird. Doch auch hier blockieren Sie!

Die dritte Möglichkeit, eine sehr einfache Möglichkeit, betrifft die Frage der Förderun­gen. Das ist ein Vorschlag der Grünen; sie haben gemeint, beim ÖPUL, dem Öster­reichischen Programm für umweltgerechte Landwirtschaft, mit dem 90 Prozent der Ackerflächen in Österreich gefördert werden oder aus dem es Förderungen für 90 Pro­zent der Flächen gibt, könnte man in die Förderungsrichtlinien einfach hineinschreiben: Es darf in der Landwirtschaft nur gentechnikfrei gearbeitet werden! – und schon wären 90 Prozent gentechnikfrei. Ja, wenn diese Bauern sich weiterhin fördern lassen wollen,


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wäre das so. Und es wäre auch konsequent, wenn wir hier unsere Grundsätze der Gentechnikfreiheit wirklich einfordern und ansetzen wollten.

Aber was macht die ÖVP, was macht der ÖVP-Bauernbund? – Der sagt: Nein, das ist kein effektives Mittel, um die Gentechnik hintanzuhalten, weil Bauern auch weiterhin sagen können: Ich will nicht gefördert werden!, und dann können sie Gentechnik einsetzen. – Das stimmt schon, nur lautet dazu der Umkehrschluss, dass Sie Fol­gendes wollen: Sie wollen alle Bauern, die Gentechnik einsetzen, anscheinend fördern, sonst würden Sie das aus den Förderrichtlinien herausstreichen. Wenn das jetzt die Politik der ÖVP ist, den Einsatz von Gentechnik zu fördern (Abg. Grillitsch: Wie der Blinde von der Farbe ...!), dann ist das, bitte, etwas ganz anderes, als Sie in Ihren Sonntagsreden behaupten. (Abg. Grillitsch: Wie der Blinde von der Farbe!)

Nicht nur, dass dieses Gesetz die Möglichkeiten, die uns die Richtlinie gibt, nicht in Anspruch nimmt, geht es sogar noch hinter die Schutzmechanismen der Richtlinie zurück! In der europäischen Richtlinie gibt es bei der Frage, unter welchen Bedingun­gen der Einsatz der Gentechnik verboten werden kann, ausdrücklich zwei Gründe. Der eine ist: zum Schutz der Gesundheit, und der andere ist: zum Schutz der Umwelt. In unserem Gesetz findet sich der Schutz der Umwelt nicht mehr, es geht nur noch um die Gesundheit der Menschen. Der Schutz der Umwelt ist einfach gestrichen worden, mit fadenscheinigen Argumenten: das wäre verfassungswidrig – was ja absolut lächerlich ist!

Wir haben in dieser Frage sogar die Zweidrittelmehrheit angeboten, aber das wollen Sie nicht. Wieso? – Ganz einfach: Weil Sie auch hier die Tür offen lassen wollen dafür, dass Raps angebaut wird, der natürlich eine Gefahr für die Umwelt in Österreich wäre, weil der Raps auch wild wachsend vorkommt und sofort durch Auskreuzungen irre­versibel gentechnisch verändert werden würde.

Deswegen stellen wir den Antrag, den Bericht des Ausschusses an den Gesund­heitsausschuss rückzuverweisen, weil wir hier ganz besonders weit weg sind von dem, was auch die ÖVP und die FPÖ zumindest in Sonntagsreden immer behaupten.

Die Frage ist, was in dieser Sache der Minister macht, der ja immer sagt, dass er nicht zuständig sei. Er hat eine wunderbare österreichische Charta für Gentechnikfreiheit ins Leben gerufen, die wirklich ganz spannend ist, wenn man sie liest. Darin gibt es acht Punkte, und bei allen acht Punkten geht es darum, dass andere etwas machen sollen, aber nie er selbst. Das soll entweder auf europäischer Ebene gelöst werden, oder das sollen die Länder machen, nur er selbst nie, obwohl hier ausdrücklich steht, es soll die Optimierung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die gentechnikfreie Produktion erfolgen, optimierte rechtliche Rahmenbedingungen für die Schaffung gentechnikfreier Zonen soll es geben. – Das ist aber in diesem Gesetz nicht zu sehen! Da ist ein absolutes Versagen festzustellen, das ist ein reiner PR-Gag!

Wenn Sie bei Minister Grasser schon ein bisschen nachgefragt haben, wie das denn mit Misstrauensanträgen so sei – weil das ja für Sie neu ist –, dann hoffe ich, dass Sie sich auch gleich darüber erkundigt haben, was es eigentlich bedeutet, wenn diese PR-Maschen nicht mehr funktionieren und das Ganze nach hinten losgeht. Denn Ihre PR-Maschen, die Sie hier und auch in vielen anderen Fragen anwenden, werden ebenfalls nach hinten losgehen, und Ihnen wird es am Ende des Tages genauso ergehen wie dem Minister Grasser heute. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Mol­terer: Da trauert man fast Ulli Sima nach, wenn man Krainer hört!)

13.45

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der Antrag auf Rückverweisung wurde ent­sprechend eingebracht.


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Dieser Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Krainer, Mag. Maier, Gradwohl und KollegInnen gem. § 73 Abs. 3 Z 2 GOG auf Rückverweisung des TOP 4 – Bundesgesetz, mit dem das Gentech­nikgesetz und das Lebensmittelgesetz 1975 geändert werden – bei der 78. Sitzung des Nationalrates

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen gem. § 73 Abs. 3 Z 2 GOG den Antrag, TOP 4:

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (617 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Gentechnikgesetz und das Lebensmittelgesetz 1975 geändert werden (630 d.B.)

nochmals an den Gesundheitsausschuss zu verweisen.

Begründung:

Seit vielen Jahren bestätigen Umfragen, dass über 90 Prozent der österreichischen Bevölkerung Gentechnik bei Lebensmittel grundsätzlich ablehnen. Aus diesem Grund hat es bislang in Österreich einen nationalen Konsens darüber gegeben, dass unsere Landwirtschaft und der Lebensmittelhandel gentechnikfrei bleiben müssen.

Mit der vorliegenden Gesetzesnovelle hat die Regierung diesen Konsens gebrochen und die Gefahren für KonsumentInnen, ProduzentInnen, Umwelt und das Grund­bedürfnis vieler Menschen nach gentechnikfreien Lebensmitteln ignoriert.

Österreich, das im Biolandbau vorbildhaft in ganz Europa war, hat wieder einmal eine Chance verpasst den Biolandbau nachhaltig abzusichern.

Im Gegenteil, mit der Novelle zum Gentechnikgesetz werden nun die Türen für eine Gentechnik-Landwirtschaft, die unwiderrufliche Schäden für Mensch und Umwelt anrichten kann, geöffnet.

Der Höhepunkt der Unverfrorenheit ist aber die Tatsache, dass künftig auf Grund der bestehenden Förderrichtlinien auch der Anbau von gentechnisch veränderten Pro­dukten mit Geldern der SteuerzahlerInnen gefördert wird.

Vor dem Hintergrund eines zukunftsträchtigen Bündnisses der österreichischen Kon­sumenten mit den österreichischen bäuerlichen Produzenten ist die Standesvertretung der Bäuerinnen und Bauern aufgefordert, absolute Rechtssicherheit herzustellen die garantiert, dass jene Bäuerinnen und Bauern, die gentechnikfrei produzieren möchten dies auch umsetzten können und damit den Konsumentenwünschen nach gentechnik­freier Nahrung entsprechen können.

Österreich und sein vorbildhafter Biolandbau dürfen nicht ruiniert werden und Öster­reichs KonsumentInnen, die gentechnikfreie Produkte kaufen wollen, sollen auch in Zukunft Vertrauen in die landwirtschaftlichen Produkte heimischer Bauern haben können.

Die vorliegenden Änderungen zum Gentechnikgesetz müssen abgelehnt werden, da die notwendigen Sicherheits- und Schutzstandards nicht normiert wurden. Es droht damit das Ende einer gentechnikfreien Landwirtschaft und damit das Ende von gen­technikfreien Lebensmitteln. Die Wahlfreiheit von KonsumentInnen ist damit nicht mehr gewährleistet. Die Erläuterungen – wie sie der Vorlage zu entnehmen sind – geben den Stand der Diskussion des Jahres 2003 wieder. Durch den Wegfall des Gentechnik­moratoriums auf der EU-Ebene und den zu erwartenden neuen Zulassungen von


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GVO´s ergeben sich für die österreichische Landwirtschaft neue immense Problem­stellungen. Diese Entwicklung wurde bei den vorliegenden Änderungen in keiner Weise berücksichtigt. Im übrigen gehen die Schutzbestimmungen des vorliegenden Antrages hinter die Normen der EU-Richtlinie 2001/18 zurück.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Grillitsch zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


13.45

Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Frau Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Positive PR ist mir lieber, Herr Kollege Krainer, als eine chronische Verunsicherung der Bevölkerung in Österreich. Ich sage Ihnen das wirklich ganz ehrlich. (Beifall bei der ÖVP.)

Das, was Sie, Herr Kollege Krainer, jetzt an den Tag gelegt haben, gemeinsam mit diesem Misstrauensantrag der Grünen, ist eigentlich das, von dem ich geglaubt habe, dass es vorbei ist, dass diese Zeit vorbei ist und wir wirklich Nachhaltigkeitsstrategien, nachhaltige Themen für das Leben in Österreich, für gesundes Leben, für sicheres Leben auch im Nahrungsmittelbereich und insgesamt, hier diskutieren können.

Wir haben gemeinsam einen Vier-Parteien-Antrag verabschiedet (Abg. Dr. Gla­wischnig: Genau! – Abg. Mag. Molterer: Und gehalten!) und gehalten (Abg. Krainer: Sie haben sich verabschiedet davon!), meine lieben Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Krainer: Sie haben sich verabschiedet!) Wir haben damals gesagt, wir brauchen Schutz und Sicherheit für den Konsumenten und auch für den Produzenten. Dieses Gesetz ist die Grundlage dafür, und ich bitte Sie: Beenden Sie Ihre Strategie, die Bauern in ein Gentechnik-Eck zu treiben. Denn die Bauern in Österreich sind in keinem Gentechnik-Eck, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn Sie, Herr Kollege Pirklhuber, von einem makabren Gesetz sprechen, dann sage ich Ihnen, was makaber ist: dass Sie vor dem Landwirtschaftsministerium gentechnisch veränderten Mais abladen wollen. Das ist makaber. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist makaber, Herr Kollege Pirklhuber! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.) Das ist Verunsicherungspolitik der Grünen, wie wir sie in Wirklichkeit in den letzten fünf Jahren nicht erlebt haben.

Meine Damen und Herren! Weil Frau Kollegin Glawischnig meint (Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Grünen), man soll das Förderungsinstrumentarium im ÖPUL im Sinne eines Gentechnik-Verbotes ändern, bin ich froh, Frau Kollegin Gla­wischnig, dass Journalisten relativ schnell „überrissen“ haben, was Ihre Strategie dabei ist, nämlich ein Getöse, das nur zur Verunsicherung beiträgt.

Sie kennen sicherlich den „Kurier“-Artikel von Grete Kopeinig; ich darf ihn nun zitieren: Die EU erlaubt seit kurzem die Aussaat von Gentechnik. Bisher hat allerdings noch kein österreichischer Bauer wissend das manipulierte Saatgut verwendet, und die Chance ist groß, dass es so bleibt. (Abg. Dr. Pirklhuber: Das darf er ja gar nicht!) – „Die Chance ist groß, dass es so bleibt“, und die Menschen in Österreich haben Vertrauen zu den heimischen Bauern, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Pirklhuber: Ist ja gar nicht zugelassen bisher! Rechtlich nicht möglich!)

Und weiter heißt es da: Mündige Konsumenten setzen auf strenge Kenn­zeichnungs­pflichten und wollen Nahrungsmittel, die nicht genverseucht sind. – Wir geben den


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Konsumenten die Sicherheit, und die Konsumenten haben Vertrauen zu uns. Ich sage Ihnen, wir werden das auch in Zukunft so halten – davon bin ich überzeugt!

Sie gehen jetzt her und nehmen das zum Anlass, jenen Minister anzugreifen, der nicht nur optisch die Nachhaltigkeit nach außen trägt (Heiterkeit bei den Grünen), sondern der sie auch in seinem Ministerium umsetzt (Abg. Dr. Gabriela Moser: Aber die Ge­sundheit ...!): Ökostrom-Gesetz, GAP-Reform, Biotreibstoff-Richtlinie – meine Damen und Herren, das sind Dinge, bei denen es darum geht, heimische Potenziale mit neuen Technologien nachhaltig zu nutzen, um einerseits Zigtausende Arbeitsplätze in Österreich zu schaffen und gleichzeitig einen wesentlichen Beitrag für die Umwelt zu leisten.

Ich komme damit zum Schluss. – Überdenken Sie Ihren Kurs! (Abg. Dr. Glawischnig: Sie auch!) Wir leben in einer enormen Veränderungsdynamik, meine lieben Kollegin­nen und Kollegen von den Grünen und auch von der SPÖ, aber mich beängstigt Ihr Kurswechsel. (Abg. Öllinger: Oje, Sie sind sehr schnell zu beängstigen!) Ihr Kurs­wechsel beängstigt mich! (Abg. Dr. Glawischnig: Sie brauchen sich nicht zu fürchten!) Es hat mich sehr gefreut, dass Sie in den letzten Jahren vom „Fundi“ weggekommen sind und in Wirklichkeit zu grünen Realpolitikern geworden sind. Aber nun sind Sie wieder auf dem Weg zurück dorthin, wo Sie begonnen haben, meine Damen und Herren. (Abg. Öllinger: Eine Zwangsjacke ...? Meinen Sie das? – Weitere Zwischen­rufe bei den Grünen. – Abg. Scheibner, in Richtung Grüne: Jetzt seid ihr enttäuscht!)

Wissen Sie, wann es Ihnen gut gegangen ist? – Als Sie zwischenzeitlich versucht haben, unseren ökosozialen Weg zu kopieren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Wo der Bauernbund so sehr dafür war!) Mit Ihrem Auftreten heute beweisen Sie, dass Sie das nur kopieren wollten und nicht kapiert haben, worum es geht, meine Damen und Herren. Sie haben nicht kapiert, worum es geht! (Beifall bei der ÖVP.)

Daher rufe ich Sie auf: Gegen Sie wieder ab von Ihrem seinerzeitigen Motto, das Sie jetzt wieder zu beleben versuchen: Rein in die Höhlen und rauf auf die Bäume! Machen wir doch keine Realitätsverweigerung! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Glawischnig: So schauen wir aus, nicht wahr? – Abg. Öllinger: Das war aber jetzt eine pro­grammatische Rede!)

13.51

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der nächste Redner, der zu Wort gelangt, ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Pirklhuber. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minu­ten. – Bitte.

 


13.51

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Werte Damen und Herren! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrte Frau Präsidentin! Das Wortgetöse des Kollegen Grillitsch ist schon vermessen. Vermessen insofern, als Sie noch vor kur­zem, im letzten Wahlkampf, die Grünen im Rahmen einer Dreckschleuder-Propaganda mit Zwangsvegetarismus und Ähnlichem in Verbindung gebracht haben, wovon einiges auch Sie, Herr Bundesminister, als damals zuständiger Bauernbunddirektor zu verant­worten hatten. Es ist schon bedenklich, dass eine solche Zeitung, nämlich die Bauern­zeitung, jährlich über 200 000 € an Presseförderung bekommt, und das sollte man sich vielleicht auch einmal überlegen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Wollen Sie Zensur? – Abg. Grillitsch: Möchten Sie die Schreibweise vorschreiben?)

Aber nun zur Sache. – Frau Bundesministerin! Dieses Gentechnikgesetz, das Sie hier vorgelegt haben, ist unzureichend und völlig inakzeptabel. Es fällt sogar noch hinter den Entwurf vom Mai 2003 zurück. Und das ist entscheidend! Wir haben das bereits im Ausschuss diskutiert.


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Ich möchte an die Kernpunkte unserer Kritik erinnern. Die Sicherung der gen­technikfreien Landwirtschaft, Frau Bundesministerin, ist keine Zielbestimmung. Sie haben hier wieder von Schutz gesprochen, aber das ist keine Zielbestimmung. Ziel­bestimmung des Gesetzes ist die Förderung der Gentechnik! Das ist ein Faktum, denn so steht es in diesem Gesetz.

Die Haftungsregelung – Sie haben sie angesprochen – ist völlig unzureichend. Es gibt keine volle Beweislastumkehr und vor allem keine verpflichtende Deckungsvorsorge. Wie sollen denn die Schäden bezahlt werden? Warum sind die Gentechnik-Anwender nicht verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen? Frau Bundesministerin, das haben Sie in Ihrer Wortmeldung nicht erklärt.

Meine Damen und Herren! Es gibt überhaupt keine rechtliche Schnittstelle zu den einzelnen Länderregelungen, die den Anbau betreffen. Es ist schon klar, dass es Länderkompetenz ist, den Anbau zu regeln. In welcher Form, auf welche Art und welche Rahmenbedingungen bundeseinheitlich vorgegeben werden sollen, damit gentechnikfreie Regionen, gentechnikfreier Anbau in den Ländern ordnungsgemäß durchgeführt werden kann, darauf haben Sie keine Antworten gegeben. Das ist eindeutig ein Rückfall hinter den Novellierungsvorschlag des damals zuständigen Ministers Herbert Haupt aus dem Jahr 2003. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist insbesondere deswegen bedenklich, weil die Freisetzungsrichtlinie, die umge­setzt werden muss, weil eine Klage gegen die Republik Österreich wie auch gegen andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union im Laufen ist, eindeutig vorsieht, dass zum Schutz besonderer Öko-Systeme und geographischer Gebiete Zulassungs­beschränkungen möglich sind. Sie haben dazu in dieser Novelle nichts Detailliertes vorgeschlagen. Frau Bundesministerin, das ist leider nicht zum Lachen! Leider ist auch Bundesminister Pröll völlig hinter seinen Möglichkeiten zurückgeblieben, die er als Landwirtschaftsminister hätte. Er hätte in der interministeriellen Arbeitsgruppe Vorschläge einbringen können, die wirklich zu einem Schutz der Existenz der gen­tech­nikfreien und biologischen Landwirtschaft in Österreich geführt hätten. Der ursprüng­liche Entwurf sah sogar vor, den Begriff „soziale Unverträglichkeit“ einzu­führen, und zwar auf Basis ethischer Überlegungen, die auch mit der Freisetzungs­richtlinie kom­patibel wären, damit eben kein „Krieg in den Dörfern“ entsteht, Kollege Grillitsch. In einer kleinstrukturierten Landwirtschaft muss es logischerweise zu vielen Rechts­streitigkeiten auf lokaler Ebene kommen, wenn man das nicht klar regelt.

Der ursprüngliche Entwurf sah ein Agrarregister vor, in dem jedes Jahr bis zum 1. Februar bekannt zu geben war, wer welche GVO-Pflanzen anbauen will. So hätten die Anrainer auch die Möglichkeit gehabt, rechtzeitig zu intervenieren. Ihr Gen­technik­register hingegen, das Sie hier festschreiben, enthält nur die bewilligten Anträge und nicht bereits die Antragsvorlagen. Das ist der Punkt! Nur das, was Sie bewilligt haben, in ein Register einzutragen, das ist bei weitem zu wenig und vor allem zu spät, Frau Bundesministerin.

Auch die Parteienstellung im Bezug auf die Möglichkeiten in den Regionen hätte ausgeweitet werden müssen. Gentechnikfreie Gemeinden gibt es inzwischen viele in Österreich. Viele Gemeinden haben sich per politischem Entschluss entschieden, keine Gentechnik in ihrer Landwirtschaft zu akzeptieren. Diese Gemeinden haben nach diesem Gentechnikgesetz jedoch keine Parteienstellung. Ein weiterer Fauxpas, der verunmöglicht, das Optimum herauszuholen.

Aus diesen Gründen, Frau Bundesministerin, bleibt uns nur übrig – und das haben wir Ihnen bereits im Ausschuss gesagt –, zu empfehlen, diese Novelle zurückzustellen. Ich stelle daher den Antrag, den Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regie­rungsvorlage 617 der Beilagen, Bundesgesetz mit dem das Gentechnikgesetz und das


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Lebensmittelgesetz 1975 geändert werden, an den Ausschuss rückzuverweisen. Das ist die einzige Chance, um hier wirklich noch etwas für die österreichische Landwirt­schaft und die Lebensmittelsicherheit zu retten. (Beifall bei den Grünen.)

Und nun zu Bundesminister Pröll! Sie werden ja nachher die Chance haben, auf einige der Fragestellungen einzugehen. Auf jeden Fall haben Sie bisher keine gesetzlichen Maßnahmen in Ihrem eigenen Wirkungsbereich beschlossen, um die österreichische Landwirtschaft vor Gentechnik zu schützen. Das ist ein Faktum, meine Damen und Herren, weil alle legistischen Maßnahmen, die bislang bestehen, nicht von Ihnen, sondern von Vorgängern oder von anderen Ressorts beschlossen wurden. Aus Ihrem Ressort gibt es keine Gesetzesinitiative, die bereits beschlossen wäre, und darum geht es, Herr Bundesminister. Sie sind lange genug im Amt!

Reden Sie sich bitte auch nicht auf die Länder aus! Klarerweise gibt es Initiativen auf Länderebene. Allein, dass die gesamte Verantwortung auf die Länder abgeschoben wird, meine Damen und Herren, zeigt jedoch völlig klar, dass Sie Ihre Kompetenz nicht wahrnehmen. Sie versagen hier! Sie geben Ihre Kompetenz auf und schieben die Verantwortung den Ländern zu. Das kann es aber nicht sein! Es ist ein bundes­einheitlicher Rahmen nötig, damit den Bundesländern einheitliche Standards vorge­geben werden. Derzeit ist das nicht der Fall.

Frau Bundesministerin! Das einzige Gesetz, das bisher auf Länderebene beschlossen wurde, ist das Salzburger Gentechnik-Vorsorgegesetz. Das ist seit 1. Oktober 2004 in Kraft. Das Kärntner Gesetz ist noch eine Vorlage. Oberösterreich hat ein Verbots­gesetz, das man versucht, in Brüssel auf dem Rechtsweg durchzusetzen. Auch dabei vermissen wir, Herr Bundesminister, jede echte Unterstützung. Was haben Sie bisher gemacht, damit das Selbstbestimmungsrecht der Regionen auf EU-Ebene gestärkt wird? Was haben Sie unternommen, damit im Gentechnikgesetz die strengsten Krite­rien eingeführt werden? – Sie haben nichts gemacht!

Die Haftungsfrage, meine Damen und Herren, ist aus bäuerlicher Sicht wirklich einfach unmöglich geregelt. Stellen Sie sich folgenden konkreten Fall vor: Ein Biobauer, der, wenn er seine Maisernte bei seinem Vermarkter abliefern will, plötzlich feststellen muss, dass seine Ernte eine gentechnische Verunreinigung von über 1 Prozent auf­weist, kann seinen Mais nicht mehr verkaufen. Was muss er machen? Wie kann er klagen? Er kann nicht zum Richter gehen, nicht auf ein Gericht gehen, um dort eine Klage einzubringen – nein, dieser Bauer/diese Bäuerin muss zu einer Schiedsstelle in der Landwirtschaftskammer gehen. Meine Damen und Herren! Man muss zur Land­wirtschaftskammer gehen, um sich dort in einem Schiedsverfahren vor einem Kammergericht per Zwang, per Gesetz gütlich zu einigen. Die Bäuerinnen und Bauern sind verpflichtet, so vorzugehen!

Das gibt es im ganzen österreichischen Rechtssystem nicht, dass man Schadenersatz nicht sofort einklagen kann. Ein Mediationsverfahren auf freiwilliger Basis ja, aber nicht verpflichtend! Das ist nur eine Verschleppungstaktik! Der Bauer bekommt sein Geld nicht; er muss monatelang auf die Behebung des Schadens warten. Wenn es im Schiedsverfahren zu keiner Einigung kommt, dann braucht er eine Bestätigung von diesem Kammergericht. Mit dieser Bestätigung geht er dann zu einem ordentlichen Gericht, um zu klagen.

Meine Damen und Herren! Das ist aber nicht alles. Sobald er klagt, muss er auch die Kosten für das Schiedsgericht übernehmen. Der Bauer übernimmt die Kosten, die bei der Landwirtschaftskammer angefallen sind, damit er überhaupt klagen kann. Das ist unglaublich, Herr Bundesminister! Und da sprechen Sie von einer guten Haftungs­lösung?


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Schlussendlich geht es auch um die Beweislastumkehr, wie Sie sie hier festschreiben, diese halbherzige Lösung. Jeder Gentechnikanwender, der glaubhaft dartun kann, dass die Schäden nicht von ihm verursacht sind, ist aus dem Schneider, und der Bio­bauer hat wieder die volle Beweislast. So ist die Realität! (Abg. Wittauer: Das ist genau umgekehrt!) – Lesen Sie den Gesetzesvorschlag! Wissen Sie, was das heißt, „glaubhaft dartun“? Jeder Anwender wird sagen: Ja schauen Sie, ich habe die entsprechenden Anwendungsregeln ordnungsgemäß erfüllt, ich habe die entsprechen­den Auflagen des Saatguterzeugers erfüllt! – Und Sie als Biobauer, haben Sie eine Bestätigung, dass bei dem Mähdrescher XY auch wirklich eine Reinigung durchgeführt wurde, bevor er auf Ihrem Feld gefahren ist? Et cetera, et cetera. Es gibt tausende Argumente, Herr Bundesminister, wir wissen das.

Folgendes sei in diesem Zusammenhang auch klar gesagt: Versuchen Sie sich heute nicht zum wiederholten Male hinter der Bundesministerin Renate Künast zu ver­stecken. Verzeihen Sie mir den Ausdruck, aber Sie sind einfach zu breit gebaut dazu, und außerdem sollten Sie wissen, Herr Bundesminister, dass die anfänglich viel strengeren Vorschläge von Frau Bundesministerin Künast in Deutschland von Ihren Parteikolleginnen und -kollegen massiv abgeschwächt wurden. Also das kann es nicht sein! Wir sind hier in Österreich, und wir haben österreichische Gesetze zu be­schließen, die unser Land vor Gentechnikanbau schützen sollen. (Beifall bei den Grünen.)

Brüsten Sie sich auch nicht damit, Herr Bundesminister, dass Sie sich in Brüssel dafür einsetzen. Das erwarten wir von Ihnen, aber dazu gibt es auch ganz klare Beschlüsse hier aus dem Hause. Wir haben im EU-Hauptausschuss gemeinsam einen Antrag beschlossen, in dem Sie dazu aufgefordert und daran gebunden werden, das Gen­technik-Moratorium auf EU-Ebene weiter zu vertreten und für seine Aufrecht­erhaltung einzutreten. Herr Bundesminister! Sie vollziehen diesbezüglich nur die Meinung dieses Hauses. Stellen Sie es also nicht so hin, als ob das Ihre Privatmeinung wäre! (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Schlussendlich muss ich Ihnen klar sagen: Sie agieren in Sachen Gentechnik klassisch wie ein Jahrmarkthausierer. Erst versprechen Sie, sich für die Gentechnikfreiheit der Landwirtschaft einzusetzen, aber wenn es wirklich um die Sache geht, bleiben Sie untätig. Lippenbekenntnisse, das ja, aber die konkreten Umsetzungen, die rechtlichen Maßnahmen, die bleiben Sie uns schuldig. Ihr Versagen ist daher aus unserer Sicht eklatant und Ihre Missachtung der Wünsche der österreichischen Bevölkerung einfach unerträglich. So kann man nicht umgehen mit 1,2 Millionen Österreicherinnen und Öster­reichern, die wirklich klar und deutlich durch das Gentechnik-Volksbegehren gesagt haben, dass sie keine Gentechnik-Lebensmittel wollen.

Ich ersuche daher alle Kolleginnen und Kollegen hier im Hause, unseren Ent­schließungsantrag, der auch verteilt werden wird, der ein Gentechnik-Schutzpaket beinhaltet und aus dem wir sehr viele Vorschläge bereits im Ausschuss eingebracht haben, Frau Bundesministerin, betreffend die Sicherstellung der Existenz einer gentechnikfreien Landwirtschaft in Österreich zu unterstützen. Das ist eine Chance, ein Signal zu setzen.

Frau Bundesministerin! Ich erinnere Sie daran, dass Sie im Ausschuss gesagt haben: Jawohl, wir können weiter darüber reden. Genau in diesem Punkt würde ich Sie ersuchen, weiter darüber zu reden, bevor dieses Gesetz beschlossen wird. Versuchen wir, das Schlimmste zu verhindern!

Herr Bundesminister Pröll! Zu unserer Forderung im Agrarumweltprogramm, gen­technikfreies Saatgut als Förderbedingung zu verankern, habe ich bisher keine Gesprächsbereitschaft wahrgenommen, und ich denke mir, Sie haben heute hier die


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Chance, diese Tür endlich aufzumachen. Dann hat unser Misstrauen vielleicht ein Quäntchen weniger Bedeutung und weniger Berechtigung. Solange Sie aber diesen Weg nicht einschlagen, bleibt unser Misstrauen aufrecht, insbesondere dann, wenn wir daran denken, dass das EU-Mitglied Slowenien diese Maßnahmen bereits umgesetzt hat.

Herr Bundesminister Pröll! Ihre Untätigkeit ist unerträglich, handeln Sie endlich, statt Lippenbekenntnisse abzugeben! Ihre Antworten sind bisher völlig unzureichend – ich werde sehen, was Sie dann zu sagen haben – und bestätigen unser Misstrauen. Nehmen Sie Ihre Verantwortung endlich wahr, und schützen Sie die gentechnikfreie und biologische Landwirtschaft in Österreich! Das wäre notwendig. (Beifall bei den Grünen.)

14.04

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der von Herrn Abgeordnetem Pirklhuber angesprochene Entschließungsantrag wurde in seinen Kernpunkten erläutert und gilt als eingebracht.

Gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung wird er auch an die Abgeordneten verteilt und dem Stenographischen Protokoll beigedruckt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Glawischnig, Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicher­stellung der Existenz einer gentechnikfreien Landwirtschaft in Österreich („Gen­technikschutzpaket“) eingebracht im Zuge der Debatte über Bericht des Gesund­heitsausschusses über die Regierungsvorlage (617 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz und das Lebensmittelgesetz 1975 geändert werden (630 d.B.)

Nach einer Unterbrechung von sechs Jahren hat die EU-Kommission im Septem­ber 2004 mit der Eintragung von 17 Genmais-Sorten in das EU-Sortenregister erstmals den Anbau von Genmais in allen EU-Staaten erlaubt. Damit ist das Moratorium für die Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) gefallen und es droht eine Welle von neuen GVO-Zulassungen. Derzeit liegen 23 weitere Anträge vor, davon 11 für Einfuhr und Verarbeitung, die übrigen auch zum Anbau. Dabei geht es um Mais, Raps, Zuckerrüben, Sojabohnen, Reis und Baumwolle. Österreich ist bis heute nicht ausreichend vor den Risken dieser Zulassungswelle geschützt.

Die von der Bundesregierung vorgelegte Novelle zum Gentechnikgesetz ist nicht geeignet, die Existenz der gentechnikfreien österreichischen Landwirtschaft auf­recht­zuerhalten. Weder die Koexistenz- noch die Haftungsfrage werden in ausreichendem Umfang gelöst. Zu befürchten ist eine schleichende gentechnische Kontamination sowohl der konventionellen als auch der ökologischen Landwirtschaft. Wind und Bienen werden sich nicht an diverse Sicherheitsabstände zwischen Gentech-Feldern und gentechnikfreien Kulturen halten, Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen werden sich auf Dauer nicht von gentechnikfreien Kulturen und Wildpflanzen fern halten lassen. Das von der EU-Kommission und der Gentechnik-Industrie beschwo­rene friedliche Nebeneinander von Gentechpflanzen-Anbau und gentechnikfreier Land­wirtschaft („Koexistenz“) wird in der Praxis zu vorprogrammierten Konflikten führen.

In Anbetracht der kleinen Struktur der Österreichischen Landwirtschaft, der breiten Beteiligung der österreichischen Betriebe am Österreichischen Programm für umwelt­gerechte Landwirtschaft ÖPUL (75 % der Betriebe und 88 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche), des hohen Anteils an ökologisch sensiblen Gebieten (Nationalparke,


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Natura 2000-Gebiete, Schutzzonen laut Alpenkonvention) sowie des relativ hohen Anteils an Biobetrieben (rund 12 % der erfassten Betriebe und 14 % der land­wirtschaftlichen Nutzfläche) ist der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Österreich untragbar.

Auch wird der Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft und bei Lebensmitteln von der großen Mehrheit der österreichischen Bevölkerung abgelehnt, was durch das von 1,2 Millionen Menschen unterzeichnete Gentechnikvolksbegehren aus 1997 zum Ausdruck kommt

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, folgende Maßnahmen zu setzen:

1. Sicherstellung der dauerhaften Existenz einer gentechnikfreien Landwirtschaft in den Zielbestimmungen des Gentechnikgesetzes, denn nur dann ist „Koexistenz“ und „Wahlfreiheit“ überhaupt möglich

2. Streichung der Förderung der Gentechnik aus den Zielbestimmungen des Gen­technikgesetzes, um Zielkonflikte mit dem Vorsorgeprinzip zu vermeiden

3. Verankerung einer verursacherbezogenen Haftung (volle Beweislastumkehr, ge­samt­schuldnerisch und verschuldensunabhängig), damit Betriebe, die die Gentechnik anwenden, auch für die von ihnen verursachten Schäden aufkommen; Vorschreibung einer wirksamen Deckungsvorsorge (z.B. Haftpflichtversicherung) für alle Betriebe, die GVO anwenden; Schaffung aller notwendigen Voraussetzungen, damit Geschädigte ihre Ansprüche auf Nutzungsbeeinträchtigungen vor Gericht geltend machen können

4. Vollständige und rechtzeitige Information der Öffentlichkeit bzw. der Betroffenen über den Umfang von Genehmigungen, die Standorte von genehmigten Freisetzungen, Risikobewertung, Ergebnisse des Monitorings

5. Schaffung eines rechtlichen Rahmens zur Errichtung gentechnikfreier Gebiete in Österreich

6. Schaffung von geschlossenen gentechnikfreien Gebieten zum Anbau von Saatgut

7. keine Zulassung von GVO in ökologisch sensiblen Gebieten vor dem Hintergrund der Verpflichtungen aus der Konvention zur Biodiversität und dem Vorsorgeprinzip

8. Erhöhung des Strafrahmens entsprechend den potentiellen Risiken

9. Verbot von experimentellen Freisetzungen von GVO in Österreich

10. Verzicht auf gentechnisch verändertes Saatgut als notwendige Voraussetzung für die Teilnahme im österreichischen Programm für umweltgerechte Landwirtschaft (ÖPUL)

11. Unterstützung von Initiativen zur Errichtung von gentechnikfreien Zonen auf EU-Ebene, in Kooperation mit Nachbarstaaten sowie im nationalen, regionalen und lokalen Bereich

12. verstärkte Förderung der ökologischen Risikoforschung zur Verbesserung der Risikoabschätzung von GVO


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13. Unterstützung der Initiative der Bundesländer bei der Schaffung von bundesweit möglichst einheitlichen Gentechnik-Vorsorgegesetzen.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll. – Bitte.

 


14.05

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Misstrauensantrag zu einem Thema, das ich nicht ursächlich in meinem Ressort zu verantworten habe, gibt mir die Möglichkeit, heute hier auch über eineinhalb Jahre erfolgreiche Umweltpolitik Bilanz zu ziehen. (Die Ab­geordneten der Grünen halten Tafeln in die Höhe.) Ich freue mich auch sehr, dass die Taferlklassler aus dem grünen Bereich angekommen sind und uns ihre Meinung in diesem Bereich kundtun. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vier große Schwerpunkte in der Umwelt­politik in diesem Land und in Europa sind entsprechend zu klären. Der erste ist die Frage, wie wir zukünftig mit dem Thema Gentechnik umgehen. Es geht um die Klärung der Gentechnikfrage in Europa und in Österreich. Zweites Thema: konsequente Verfolgung des Klimaschutzzieles, eine weltweite, europäische, aber auch nationale Herausforderung. Drittens die Weiterentwicklung eines wichtigen Themas der Umwelt­politik, nämlich Ökostrom zuzulassen. Ich komme dann auch noch auf jeden Punkt zu sprechen. Und als vierter großer Bereich – gerade auch für unsere Kinder enorm wichtig –: Aktion für saubere Luft in Österreich.

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Bundesminister, wenn ich Sie kurz unterbrechen darf.

Dürfte ich die Damen und Herren Abgeordneten bitten, ihre Schilder wieder einzu­holen. – Danke vielmals.

Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll (fortsetzend): Jetzt haben sie sich so bemüht und müssen die Schilder erst wieder einholen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur Frage der Gentechnik sind viele Dinge gesagt worden, und ich sage Ihnen auch ganz klar und deutlich: Emotionen alleine haben in diesem wichtigen Bereich keinen Platz. Es geht um die Sache, es geht um die Frage der Findung von Antworten auf eine globale Herausforderung, die wir auch national beantworten müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Jahren ist Österreich die Speerspitze in Europa bei der Verhinderung der Zulassung von gentechnisch veränderten Produkten. Mit dem Moratorium, mit uns an der Spitze und zusammen mit anderen Ländern ist es uns bis jetzt gelungen, gentechnisch veränderte Produkte nicht zuzulassen. Ich habe in dieser Zeit in Europa niemanden, vor allem auch nicht aus dem grünen Bereich, an unserer Seite gesehen, wenn es dort darum gegangen ist, gegen die Gentechnik zu kämpfen. ÖVP-Minister in der Landwirtschaft und im Umweltbereich waren immer konsequent zur Stelle. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Pirklhuber: Das stimmt über­haupt nicht!)


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Wir haben in Österreich mit der Saatgut-Gentechnik-Verordnung eine Verordnung, die mittlerweile einen Trend gesetzt hat in Europa: 0,1 Prozent als Verunreinigungs­schwellenwert. Wir diskutieren in Europa momentan eine neue Verordnung, und Öster­reich dient als Vorbild in der Diskussion, und es ist uns gelungen, das, was die Kommission ursprünglich wollte, nämlich wesentlich höhere Grenzwerte, hintanzu­halten.

Nun zur Umsetzung: Gentechnikgesetz in Österreich. Mein persönliches Ziel als Um­welt- und Landwirtschaftspolitiker ist ganz klar, nämlich gemeinsam mit Maria Rauch-Kallat dafür zu sorgen, die Gentechnik beim Auspflanzen von Österreich möglichst fern zu halten. (Abg. Wittauer: Und mit uns!) Dieses Ziel soll mit dem Gentechnikgesetz auf Bundesebene umgesetzt werden, dieses Ziel werden wir gemeinsam mit den Bundesländern auch in der Etablierung von gentechnikfreien Zonen Punkt für Punkt umsetzen. Einzelne Länder haben bereits entsprechende Ge­setzeswerke, Vorsorge­gesetze vorgelegt, und wir sind dabei, den Plan abzuarbeiten, den wir uns koordiniert zwischen Bundesregierung und Ländern vorgenommen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gentechnikgesetz ist deswegen notwen­dig – da möchte ich darauf zurückkommen, was Abgeordneter Pirklhuber bezüglich Renate Künast gesagt hat –, weil sich manche in Europa schon vom Stopp der Gentechnikzulassung verabschiedet haben.

Ich zitiere Renate Künast aus einem Pressegespräch in Wien, abgedruckt in der Zeitung „Die Presse“ vom 21. Juli 2004 – einen interessanten Satz –: Bei einem der brennenden Themen sprach Künast aber dann doch Klartext, und zwar viel schärfer als Pröll jemals zuvor: Wir müssen die Gentechnik zulassen. – Das sagte Renate Künast, meine sehr geehrten Damen und Herren: klarer als Pröll jemals zuvor – weil ich die Gentechnik nicht in Österreich haben will. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Jakob Auer: Da schau her! – Abg. Prinz: Ungeheuerlich!)

Wir haben mit dem Gentechnikgesetz jetzt die nationale Antwort gegeben. Ein öffent­liches Register wird für all jene eine unglaubliche Herausforderung sein, die Gen­technik anwenden wollen. Nach wie vor bin ich in Europa dabei, die Gentechnik fernzuhalten. Wenn das nicht gelingt, haben wir mit dem Register, haben wir mit klaren Haftungsregelungen die entscheidenden Antworten gegeben, um das zu erreichen, was wir wollen, nämlich die Gentechnik möglichst draußen zu halten.

Ich komme auf Fritz Grillitsch zurück. Ich kenne keinen Bauern in Österreich, der aktiv auf uns zukommt und sagt, er werde auf Gentechnik setzen. Falls jemand auf die Idee kommt, haben wir mit diesem Gentechnikgesetz einen klaren rechtlichen Rahmen gesetzt. Im Vordergrund stehen – auch bei der Bewertung des Gesetzes – eindeutig die, die wir schützen wollen: Biobäuerinnen und Biobauern sowie konventionelle Bauern, die Gentechnik nicht anwenden wollen. (Abg. Dr. Pirklhuber: Das steht nicht im Gesetz!) Das Gesetz ist die klare Antwort darauf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der zweite Punkt, abseits der Gentechnik, ist die Klimapolitik. Niemand anderer hat in den letzten eineinhalb Jahren so viel ein­gesetzt, um das, wozu wir uns in Kyoto verpflichtet haben – nämlich minus 13 Prozent auf der Basis von 1990 beim CO2-Ausstoß –, zu realisieren. In den nächsten Monaten startet ein Maßnahmenpaket zum Emissionshandel. Mit der österreichischen Industrie wurden schwierige Diskussionen geführt, und wir haben den Emissionshandel in Österreich etabliert.

Wir haben in diesen drei Jahren im Budget plus 30, plus 60, plus 90 Millionen auf den Weg gebracht – Millionen für den Klimaschutz! Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Wir werden das Ziel bezüglich der Biotreibstoffe – 5,75 Prozent Beimischung – viel ambitionierter als die Europäische Union, die es erst 2010 erreichen wollte, schon 2008


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erreichen können. Es erfolgt dadurch eine Wertschöpfung, wir schaffen Arbeitsplätze im ländlichen Raum, und wir leisten einen Beitrag in der Höhe von 1 Million Tonnen CO2 zur Erreichung der klimapolitischen Ziele.

Wir haben im Bereich der Umweltförderung Inland in drei Jahren gemeinsam – viele in diesem Haus sind ja auch in den Gremien vertreten, die diese Förderung zuteilen – 195 Millionen € an Fördervolumen zugesagt, haben damit 2,5 Millionen Tonnen CO2 eingespart und so zur Klimastrategie beigetragen.

Dritter Punkt: Ökostromentwicklung zulassen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem von den Grünen! Wir hatten ein Ökostromgesetz mit einer Ziel­setzung von 4 Prozent im Jahr 2008. Es kam dann auf Grund einer Allianz der Arbeiterkammer, der Wirtschaft und der Industrie zu einem Entwurf, der aus meiner Sicht aus verschiedenen Gründen nicht gangbar war.

Wir haben dann eine sehr intensive Diskussion geführt und ein Ergebnis erzielt, das sich sehen lassen kann: Wir deckeln die Zuwachssumme mit 17 Millionen € pro Jahr. Wir erreichen damit nicht nur bis 2008 die 4 Prozent, sondern wir verdoppeln die Menge bis 2010 fast: in zwei Jahren von 4 auf 7 Prozent, meine sehr geehrten Damen und Herren! Neben dem Schwerpunkt Biomasse und dem Schwerpunkt Biogas lassen wir auch gemeinsam mit den Bundesländern eine Entwicklung in der Photovoltaik zu.

Jetzt zu einem Thema, das Sie, Frau Abgeordnete Glawischnig, angesprochen haben: Windkraft. Wir haben in der Windkraft in den letzten Jahren in ganz Österreich eine unglaubliche Entwicklung gesehen! Sie wissen das besser als ich: Wir sind in fast allen Projekten vor Ort auf den Widerstand von grünbewegten Bürgerinitiativen gestoßen, wenn wir Windkrafträder errichten wollten. (Rufe bei der ÖVP: Da schau her! – Widerspruch bei den Grünen.)

Wollen Sie es genauer wissen? – Zum Beispiel Kobernaußerwald in Oberösterreich. (Abg. Brosz: Im Waldviertel würden wir es gerne wissen! – Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig.) Für den Kobernaußerwald liegen die entsprechenden Bewilligungen bei den zuständigen Landesräten des Landes Oberösterreich. Wir haben in der Windkraft oftmals den Widerstand vor Ort gespürt – ich habe gesagt, grünbewegte Bürgerinitiativen –, und wir haben deswegen eine sinnvolle Zukunftsentwicklung zuge­lassen, aber die Dynamik, was die Entwicklung der Windkraft betrifft, etwas gebremst, nicht zuletzt, weil wir auch die windbesten Gebiete bereits entsprechend dargestellt haben. (Abg. Dr. Glawischnig: Das ist ein wirklich sehr unfaires Argument, es den Bürgern in die Schuhe zu schieben, dass die Wirtschaftskammer das blockiert hat!)

Vierter Punkt, meine sehr geehrten Damen und Herren: Aktion für saubere Luft. Diese Bundesregierung hat mit 1. Jänner 2004 die Treibstoffe schwefelfrei gestellt. Wir haben damit schlagartig eine spürbare, erhebliche Verbesserung erreichen können, was die Luftqualität betrifft. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben, was die Frage der Feinstaubproblematik vor allem in den urbanen Zentralräumen betrifft, mit der Förderung von Dieselpartikelfiltern oder ähnlichen Technologien eine wichtige und richtige Antwort gegeben. Mit einem diesbezüglichen Steueranreiz haben wir es geschafft, dass ab dem nächsten Jahr eine Entlastung eintritt, was die Luftqualität betrifft – vor allem für Kinder und ältere Menschen. Ich bin davon überzeugt, dass damit auch die Automobilindustrie in ganz Europa die Trend­wende sieht und dass diese neue Technologie immer stärker kommt, sodass im Verkehrsbereich die Luft verbessert wird.

Ich möchte noch etwas zu zwei Punkten sagen, die Sie angesprochen haben – einen davon gestern: die Umweltverträglichkeitsprüfung. Ja, wir haben das, was von vielen gefordert wurde, nämlich eine stärkere Bürgerbeteiligung der NGOs, gestern in der


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UVP-Novelle erstmals klar und deutlich umgesetzt. Insgesamt wurde mit der UVP-Novelle für den Umweltschutz und für wichtige Infrastrukturprojekte eine vernünftige Antwort gegeben. Auch das ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft für dieses Land. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Glawischnig: Da hat sich der Onkel Landeshauptmann durchgesetzt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was die Frage Temelín und die Anti-Atom­kraftbewegung betrifft, so muss man auch in dieser äußerst sensiblen Frage fair und klar argumentieren. Wir befinden uns im „Melker Prozess“ in einer sehr interessanten und spannenden Phase, weil die Experten wirklich Punkt für Punkt abarbeiten. Ich bitte darum, das, was dort passiert ist, also die Frage der Teilgenehmigung, korrekt wieder­zugeben. (Abg. Dr. Glawischnig: Zehn Jahre! Für zehn Jahre Teilgenehmigung!) Es gibt keine Endkollaudierung für dieses Projekt, sondern eine Teilgenehmigung. Diese widerspricht nicht den Vorgaben des „Melker Prozesses“ und der Brüsseler Beschlüs­se. Man muss auch in dieser Frage fair und klar argumentieren, da wir gemeinsam – Österreich und Tschechien – auf dem Weg sind, Temelín möglichst sicher zu machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend noch zu dem Grundsatzthema, das mich beschäftigt. In meinem Ressort ist die Nachhaltigkeit ein großes Leitbild. Oft kommt es mir so vor, als ob manche die drei Säulen, die dieses Dach der Nach­haltigkeit tragen, immer nur singulär bewerten: die Ökologie, die ökonomische Ausrichtung und die soziale Komponente. Wenn man immer nur auf eine Säule abstellt, wird das Dach der Nachhaltigkeit zusammenbrechen. Wir müssen das Ge­samte sehen.

Ich habe klar verhandelt, zum Beispiel in der Frage Ökostrom, um im ökologischen Sinne eine Antwort auf die ökonomischen und auf die sozialen Herausforderungen zu geben. Wir in dieser Bundesregierung sorgen dafür, dass wir nachhaltig, sozial und gerecht Politik machen. Das schlägt sich positiv auf die Lebensqualität nieder.

Frau Abgeordnete Glawischnig hat gesagt, sie war 15 Jahre im NGO-Bereich tätig und fünf Jahre hier im Parlament. – Jawohl: viel geredet, viel demonstriert. – Wir handeln! Das ist die Zukunft für dieses Land! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.18

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


14.18

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister hat hier behauptet, die Grünen hätten auf europäischer Ebene nichts dafür getan, dass die Landwirtschaft gentechnikfrei bleibt.

Ich berichtige tatsächlich, dass unsere EU-Abgeordneten im Europäischen Parlament, insbesondere der Vorsitzende im Agrarausschuss, Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, und unsere Kollegin Hiltrud Breyer im Umweltausschuss, eine Vielzahl von Initiativen gesetzt haben und Anträge eingebracht haben, um gentechnikfreies Saatgut und gentechnikfreie Regionen in Europa zu ermöglichen und die strengsten Kenn­zeichnungsvorschriften durchzusetzen. Das sei Ihnen mit auf den Weg gegeben, Herr Bundesminister!

Ich berichtige weiters tatsächlich, dass das, was Sie hier behauptet haben, nämlich dass der Schutz der biologischen und gentechnikfreien Landwirtschaft in dieser Geset­zesnovelle in den Zielbestimmungen angeführt sei, nicht stimmt. (Abg. Grillitsch: Ist das eine Berichtigung? – Abg. Hornek: Das ist keine tatsächliche Berichtigung! –


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Abg. Steibl: Das ist eine Rede!) Da kann ich Sie leider nur insofern berichtigen, als das nirgendwo steht. Sie können mir gerne zeigen, wo das enthalten ist. Ich habe es nicht gefunden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.19

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rosenkranz. – Bitte.

 


14.20

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr ver­ehrten Damen und Herren Minister! Hohes Haus! Maxime jeder ergebnisorientierten Politik muss die Kenntnisnahme von Tatsachen sein, und Tatsache ist, dass die EU in den Fragen der Gentechnik bedauerlicherweise eine grundsätzlich positive Haltung eingenommen hat. Wir hier in Österreich haben das zu Recht nicht getan. Wir stehen allen Fragen, die sich mit Gentechnik und mit Eingriffen in das Genom als das Zentrum des Lebens befassen, weitaus ernsthafter und weitaus respektvoller gegenüber.

Wir wollen da größte Sorgfalt walten lassen. Speziell wir Freiheitlichen halten uns an dieses Prinzip. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir legen vor allen anderen Gründen großes Augenmerk auf die Gesundheit der Bevölkerung – vor allem auch auf die langfristige Gesundheit – und auf die ökologischen Auswirkungen.

Die EU hat sich da, wie gesagt, anders entschieden. Für die EU stehen wie so oft auch hier ökonomische Interessen im Vordergrund. Es kam im Frühjahr 2001 zur Richtlinie, die grundsätzlich eine Freisetzung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln zuge­lassen hat. Daraufhin hat sich Österreich mit sechs weiteren Staaten zu einem Mora­torium zusammengeschlossen und festgelegt, dass es diese Richtlinie nicht umsetzen werde, solange nicht die Frage der Kennzeichnung und der Rückverfolgbarkeit gelöst ist.

Im Herbst 2001 kam es dann zu diesen Verordnungen, und die Geschlossenheit der Moratoriumsstaaten begann aufzubrechen. An eine Verlängerung des Moratoriums war nicht mehr zu denken. Das halte ich hier auch fest: Wie so oft ist auch dabei der Damm in Brüssel gebrochen.

Es besteht nunmehr die Notwendigkeit – auch um Schlimmeres zu verhindern –, diese Richtlinie in das österreichische Gesetz einzuführen. Ich halte dazu fest und will nicht verhehlen, dass es freiheitliches Anliegen war, maximale Sicherheitsvorkehrungen einzubauen. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, Herr Minister: Dieses Gesetz ist das, was von Ihnen zu erlangen war. Es ist in unseren Augen ein Kompromiss.

Dennoch, die Interpretation, die der Vorredner Krainer vorgenommen hat, dass nämlich die EU Möglichkeiten gegeben hätte, Österreich gentechnikfrei zu halten, ist eine paradoxe Verkehrung der tatsächlichen Gegebenheiten. (Abg. Krainer: Richtlinie lesen!) In Wahrheit ist es genau umgekehrt! Das ist eine Verkehrung der Zielsetzung. (Abg. Krainer: Lesen Sie doch die Richtlinie!) Die EU hat sich ganz klar auf die Seite derer gestellt, die diese gentechnisch veränderten Lebensmittel und Organismen zulassen wollten.

Insofern zieht natürlich schon auch der Hinweis auf Ihre Fraktionskollegin Künast. Man wird, auch wenn man sich ungern in Brüssel – in der besten aller Welten, frei nach Voltaire – mit Widerspruch bemerkbar macht, die Dinge dort regeln müssen, denn dort werden die Rahmenbedingungen geschaffen, mit denen wir hier leben sollen. Es ist ein sehr untaugliches und unrealistisches Vorhaben, in Brüssel beziehungsweise in der EU die Dinge passieren zu lassen, um dann in Österreich die Meinung aufrechtzuerhalten, dass man das, was von dort kommt, hier eigentlich sabotieren sollte. Das wird man schon anders sehen müssen!


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Mit diesem Gesetz, das für uns ein Kompromiss ist – ich wiederhole das noch einmal! –, ist das politisch Mögliche getan worden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.24

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


14.24

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­te Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Vertrauen stand am Anfang, Misstrauen ist heute in vielerlei Hinsicht gerechtfertigt. Ich darf es noch einmal auf den Punkt bringen. (Abg. Scheibner: Bringen Sie jetzt den Antrag ein?)

Herr Kollege Grillitsch! Sie haben ja gemeint, dass die KonsumentInnen und auch die Landwirtschaftstreibenden in Österreich nein zur Gentechnik sagen. Da sind wir durch­aus einer Meinung. Da herrscht Vertrauen. Aber Sie beschließen heute ein Gen­technikgesetz, das die Förderung der Gentechnik zum Ziel hat. Entschuldigen Sie bitte: Da herrscht Misstrauen! Das geht nicht. (Abg. Grillitsch: Dann haben Sie es nicht kapiert!)

Herr Kollege Grillitsch, Sie haben weiters gesagt, dass wir einen gemeinsamen Weg in Richtung Nachhaltigkeit brauchen. Da vertraue ich Ihnen aber nicht ganz, denn im konkreten Gesetz ist die Existenz einer gentechnikfreien Landwirtschaft in den Zielbestimmungen nicht vorhanden. (Ruf bei der ÖVP: Setzen, nachlernen! – Abg. Grillitsch: Noch einmal lesen!)

Entschuldigen Sie, aber da ist Misstrauen am Platz, und zwar sehr gravierendes Misstrauen! Ich habe es genau gelesen, und Sie wissen es auch, Sie brauchen da nicht abzuwinken. Es geht hier um Grundsatzfragen. Wenn ich Grundsatzfragen definiere, dann habe ich sie auch in die Zielbestimmungen hineinzunehmen. Die Zielbestimmungen entsprechen aber nicht den Intentionen der Landwirtschaft, der verschiedenen dort tätigen Bäuerinnen und Bauern, und auch nicht den Intentionen der KonsumentInnen. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister, Sie haben uns jetzt weismachen wollen, dass Sie sozusagen die Speer­spitze in Europa sind. – Kann sein, ich konnte Sie dort nie beobachten. Jetzt hier im Parlament sind Sie aber alles andere als eine Speerspitze, denn sonst würden Sie nämlich in der ganz zentralen Haftungsfrage sehr wohl viel strengere gesetzliche Bestimmungen verankern und beschließen lassen als die, die Sie vorlegen. Was ist denn mit der Beweislastumkehr? Was ist mit einem Gesamtverschulden? Das ist nicht relevant in diesen gesetzlichen Vorlagen.

Frau Ministerin, Sie selbst plädieren immer dafür, dass die Gesundheitspolitik in erster Linie bei der Vorsorge anzusetzen hat. Ich unterstreiche das und unterstütze Sie, aber Sie müssen sich selbst einmal unterstützen und aus Gründen der Gesundheit Vorsorge treffen, dass wir in Österreich eine gentechnikfreie Landwirtschaft in allen Facetten und in allen Zonen aufrechterhalten können. Darum geht es, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)

Eine wesentliche Stütze und ein wesentliches Lenkungsinstrument dieses sehr konser­vativen Ansatzpunktes des Aufrechterhaltens und des Bewahrens – dafür plädieren wir ja! – ist das ÖPUL-Programm. Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie die Gen­technikfreiheit im ÖPUL-Programm nicht als Förderungsvoraussetzung hernehmen und warum Sie nicht garantieren, dass in Zukunft Saatgut nur gentechnikfrei hergestellt wird.


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Da sind Sie selber unglaubwürdig, und das konnten Sie mit Ihren Äußerungen hier vor uns in keiner Weise berichtigen. (Abg. Dr. Pirklhuber: Er hat nichts dazu gesagt! Nicht geantwortet!) Da bleiben Sie unglaubwürdig, und da verdienen Sie leider unser Misstrauen in vielerlei Hinsicht! – Das zum ersten Komplex.

Zum zweiten: Herr Minister, Sie haben groß von Klimaschutz und Nachhaltigkeit ge­sprochen. Ökostrom war ein großer Vorsatz, ein großes Vorhaben von Ihnen, das Sie auch durchaus ambitioniert angegangen sind. Sie sind aber – Sie haben es auch selber zugegeben – vor den von Ihnen genannten anderen beiden Säulen, nämlich der wirtschaftlichen Säule und der sozialen Säule, der Nachhaltigkeit schlichtweg in die Knie gegangen. Sonst kann man es sich nämlich nicht vorstellen und nicht erklären, dass es einen Rückgang des Vergütungsvolumens beim Ökostrom auf ein Sechstel des Niveaus von 2004 gibt. Sie lassen sich in der Politik der Nachhaltigkeit, in der Politik alternativer Energiequellen auf ein Sechstel runterkürzen! Das ist für uns ein Skandal, und das verdient Misstrauen, Herr Minister! (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben sehr wohl darauf verwiesen, dass es bei der Windkraft, die sich sehr schnell über die Lande verbreitet hat und die auch sehr schnell Fuß fasste – das war die ökonomische Effizienz angesichts der bisherigen Förderbedingungen –, Bürgerwider­stände gibt. Ja, und wir haben in Oberösterreich dazu auch ein wirklich gutes Instru­ment des Dialogs entwickelt. Es gibt in Oberösterreich bei allen Umweltproblemen runde Tische, und es wird auch beim Kobernaußerwald eine konsensuale Lösung geben, wenn sich das weiterentwickelt. Das garantiere ich Ihnen. Das ist nämlich der nachhaltige und zukunftsträchtige Pfad einer Politik, die in Oberösterreich gemeinsam beschritten wird. Da geht es ja durchaus und nicht so, wie Sie das in Wien teilweise mit Missachtung der Perspektive ab 2010 betreiben, wo wir wirklich andere Energieträger brauchen werden, weil wir uns dann nämlich das Öl wahrscheinlich kaum mehr leisten können. Das wissen Sie auch sehr gut, Herr Minister!

Darum ein Argument zu Ihrer Darlegung bezüglich der Luftgüte: Sie haben am auto­freien Tag sehr wohl couragiert den Ring sperren lassen. Nur, meine Güte, was lese ich denn da ein paar Tage später? – Herr Minister Pröll für die Nord Autobahn. Entschuldigen Sie, was soll das mit nachhaltiger Verkehrspolitik zu tun haben? Minister Pröll für die Nord Autobahn – und heute reden Sie wieder von der Initiative für saubere Luft.

Da sind wir misstrauisch. Das verdient Misstrauen. Entweder man ist für eine nach­haltige Verkehrspolitik im Sinne des couragierten Fahrradfahrens, wie Sie es ja per­sönlich genauso wie ich praktizieren, oder man propagiert über die Presse Auto­bahnbauten, die sich – das ist ja das Interessanteste! – in keinster Weise ökonomisch rechnen können, weil die Frequenz, je weiter man nach Norden kommt, höchstens nur mehr ein Drittel oder ein Fünftel davon ausmacht, was in der Umgebung von Wien die Norm ist.

Das ist ein ineffizientes Projekt, und Sie wissen genau, wenn Sie Ihre Säulen der Nach­haltigkeit – die ökologische, die wirtschaftliche und die soziale – anlegen, dass Sie hier etwas in die Welt setzen, was umweltpolitisch, verkehrspolitisch und vor allem im Sinne einer Nachhaltigkeit völlig kontraproduktiv ist. Mit solchen Aussagen schüren Sie Misstrauen, Herr Minister.

Jetzt vielleicht ein Aspekt noch kurz: die Biokraftstoffe. Das muss man sehr differen­ziert betrachten. Es gibt da gewisse Perspektiven, die wir mittragen, wenn dieser Biokraftstoff ökologisch nachhaltig produziert wird, aber man liest auch sehr kritische Stimmen in „Wirtschaft & Umwelt“, denn – das können Sie selbst nachlesen – wenn man die Gesamtrechnung erstellt, kann es oft eine sehr teure Alternative werden. Und darum sollte man lieber Verkehr vermeiden.


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Zum Schluss noch: Ein Hauptaspekt der Nachhaltigkeit sind ja auch die Frage der Atomenergie und der Abschied von dieser, von der Kernkraft als solcher. Und da, Herr Minister, müssen Sie mir einmal klarmachen, wieso das Melker Abkommen nicht gebrochen ist, wenn jetzt der kommerzielle Betrieb des AKW Temelín bereits in vollem Umfang gewährleistet ist. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Nein! Das stimmt ja nicht!) In vollem Umfang wird dort produziert! Das ist keine Teilgenehmigung, wie Sie es hinstellen lassen, das ist volle kommerzielle Nutzung. Bitte widerlegen Sie das! Da laufen alle Teile des Kraftwerks, da gibt es Störfälle, und Sie lehnen sich zurück und sagen: Meine Güte! Das ist ja nur eine Teilgenehmigung, das hat nichts zu tun mit dem Melker Prozess. Wir sind durchaus auf Linie.

Ja, Herr Minister, Sie sind auf der Linie der Atompolitik. Das ist mein Problem, und deswegen dieses Misstrauen, das wir Ihnen hier und heute aussprechen. Das ist ein Vertrauensbruch, den wir sehr, sehr tief empfinden und gegen den wir uns massiv wehren müssen. Da können Sie sich nicht zurückziehen mit einem Blick gen Himmel, das nützt nichts. Hören Sie lieber auf Ihren Kollegen, den Herrn Landeshauptmann Pühringer in Oberösterreich! Der sieht einen klaren Verstoß gegen das Melker Abkommen. Schauen Sie nach Oberösterreich! Dort werden rechtliche Schritte gegen diesen Verstoß unternommen. Dort lehnt man sich nicht zurück so wie in Wien, wo im Polstersessel das Melker Abkommen vielleicht hin- und hergewälzt und gesagt wird: Na meine Güte, so weit ist es noch nicht gekommen, wir haben ja nicht den kom­merziellen Betrieb!, obwohl man täglich in der Zeitung liest, dass bereits 100 Prozent angeschaltet sind und das Werk voll in der kommerziellen Nutzung steht.

Herr Minister! Diese Beispiele – ich glaube, es waren drei oder vier – beweisen sehr wohl, dass Sie leider Abschied genommen haben von Ihrem couragierten Kurs. Wir wollen Ihnen wieder Mut machen für einen offensiven Umweltkurs. Und deswegen zu dem derzeitigen Status von Gentechnik, Atomkraft und Ökostrom: Nein, danke! So wollen wir es nicht. Das Misstrauen ist berechtigt. (Beifall bei den Grünen.)

14.33

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hütl. – Bitte.

 


14.33

Abgeordneter Dipl.-Ing. Günther Hütl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Ein Gen ist kein Gift“, sagt der Innsbrucker Universitätsprofessor Johann Hofmann vom Institut für Medizinische Chemie und Biochemie in der „Tiroler Tageszeitung“. Er spricht sinngemäß aber auch – ich sage es jetzt nur sinngemäß – von einer unsachlichen Diskussion, wie ich es einmal vornehm ausdrücken möchte.

Ich möchte aber nun nicht der Gentechnik das Wort reden. Wir stehen ja dieser The­matik kritisch gegenüber. Der Herr Bundesminister Pröll hat sich jahrelang bemüht, die Gentechnik von der Landwirtschaft fernzuhalten, und er bemüht sich weiterhin darum. Aber auf europäischer Ebene ist es nun einmal erlaubt und es ist Realität, gen­technisch veränderte Pflanzen anzubauen. Wir haben diese Richtlinie umzusetzen – wir sind schon spät dran –, und dieses Gesetz beinhaltet unter anderem eine klare und durchsetzbare Haftung für mögliche Schäden, die durch den Anbau solcher Pflanzen entstehen können.

Die Moratoriumsstaaten – das ist heute schon erwähnt worden –, unter anderen Frankreich, Italien, Dänemark, Griechenland, Luxemburg, Belgien und auch Österreich, haben schon im Februar 2001 erklärt, neuen Zulassungen von GVO-Erzeugnissen in Europa so lange nicht zuzustimmen, solange nicht gewisse Regelungen über die Rückverfolgung, die Kennzeichnung von GVO beziehungsweise Zulassungs- und


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Kennzeichnungsvorschriften unter anderem angenommen worden sind. Und unser Herr Bundesminister Josef Pröll steht nach wie vor zu diesem Moratorium.

Mit dieser Novelle heute werden diese Richtlinie über die absichtliche Freisetzung und das In-Verkehr-Bringen von GVO und flankierende Maßnahmen umgesetzt. Solche Bestimmungen, solche Maßnahmen sind einheitliche Kriterien für die Risikobewertung, Zulassung und Kennzeichnung, Befristung der Zulassung, eindeutige Kennzeichnung und die Rückverfolgbarkeit, verpflichtendes Monitoring, verbesserte Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung. Wichtig ist auch, dass verschärfte Vorschriften über die neue umfassende Sicherheitsbewertung und die Überwachung vorliegen. Um sinnvoll überwachen zu können, wurde ein zugängliches Register eingeführt. Von besonderer Bedeutung sind auch klare Haftungsregelungen im Interesse derjenigen Landwirte, die GVO-frei wirtschaften wollen.

Insgesamt sprechen wir von einem ausgewogenen und praktikablen Gesetz. Damit werden sowohl die gentechnikfreie landwirtschaftliche Produktion als auch der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Lebensmittel gesichert. Mit dieser Gen­technik-Novelle wird der Schutzgedanke bestmöglich umgesetzt, denn es ist die Sicherheit sowohl für den Konsumenten als auch für den Produzenten gewährleistet. Ich danke in dieser Hinsicht auch den beiden Bundesministern Maria Rauch-Kallat und Josef Pröll.

Dem Misstrauensantrag kann ich eigentlich wenig abgewinnen. Er scheint mir völlig aus der Luft gegriffen zu sein, aber in Anbetracht der knappen Zeit möchte ich nur auf die Spielplatztheorie von Herrn Kübeck in der „Kleinen Zeitung“ hinweisen. Also bitte nachzulesen: Spielplatztheorie der „Kleinen Zeitung“. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

14.37

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, ersuche ich den Abgeordneten Liechtenstein, dankenswerterweise das Telefon wegzulegen.

Herr Abgeordneter Wittauer, Sie sind am Wort.

 


14.37

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Regierungs­mitglieder! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Pirklhuber, gentechnikfreie Gemeinden, das ist wunderbar, ich unterstütze das. Das ist eine Initiative, die gemeinsam mit den Bauern gemacht worden ist, aber es ist keine Rechtssicherheit gegeben. Wenn ein Bauer diese Rechtssicherheit verlässt, dann ist es halt so, dass ein Bürgermeister sagen kann, diese Gemeinde ist gentechnikfrei. (Abg. Dr. Pirklhuber: Die Gemeinden beschließen das!) Ich weiß und ich unterstütze diese Initiative, aber es ist auf freiwilliger Basis.

Die Länder sind bemüht – da ist Kärnten eben ein Vorbild, das hat es schon geschafft, andere Bundesländer haben nachgezogen, Tirol hat dieses Gesetz mit übernommen –, möglichst die Voraussetzungen zu schaffen, dass garantiert ist, dass es zumindest sehr erschwert ist, dass Gentechnik eingesetzt wird. (Abg. Dr. Pirklhuber: Das ist noch nicht beschlossen! Das ist nur eine Vorlage!) Ich wollte das nur klarstellen, weil das so rübergekommen ist, als würde jede Gemeinde jetzt gentechnikfrei sein, nur weil es eine gemeinsame Aktion mit den Bauern gibt. (Abg. Dr. Pirklhuber: Sie haben keine Parteienstellung auf der Bundesebene! Das ist das Problem!)

Das wissen wir alles, aber wenn ich mir das heute anschaue, dann war es so, dass wir auf der nationalen Ebene gezwungen waren, sehr schnell zu reagieren, und das Gesetz wäre schon viel früher beschlossen worden, wenn wir Freiheitlichen nicht


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geschaut hätten, dass wirklich gewährleistet ist, dass es erschwert wird, gentechnisch verunreinigtes Saatgut einzusetzen. Das ist es, was wir tun! Die EU-Richtlinie gibt eine Linie vor, wie gentechnisch verunreinigtes Saatgut eingesetzt wird, und wir haben es mit allen Möglichkeiten, glaube ich, umgesetzt, dass es so schwer wie möglich ist, auf diesem Gebiet etwas zu tun.

Ich möchte schon etwas für die Bauern sagen: Jemand, der im ÖPUL ist, jemand, der biologisch anbaut – und das sind über 80 Prozent –, der wird nie gentechnisch verunreinigtes Saatgut nehmen, weil er sich damit die Grundlage nehmen würde. (Abg. Dr. Pirklhuber: Es sind nicht alle im ÖPUL!) Ich möchte nur für die Bauern reden. Die Bauern sind mündig genug, dass sie nachschauen und wissen, was sie anbauen.

Aber dazu, was für uns auch wesentlich war, muss man schon sagen: Dass das Moratorium gefallen ist, dass die Verlängerung nicht stattgefunden hat, daran war die Künast auch beteiligt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.) Ja, klar, weil sie nicht dafür gestimmt hat.

Wenn man heute die Grünpolitik gerade der deutschen Ministerin hernimmt – wenn ich das noch einmal wiederholen darf –, die dezidiert sagt, wir werden gentechnisch verunreinigtes Saatgut oder Sonstiges zulassen, dann ist das kein Kampf dagegen, sondern eine Ermunterung für diejenigen, die es tun wollen. Und da muss ich schon sagen, das ist eine enttäuschende Grünpolitik.

Wir Freiheitlichen sind immer für ein gentechnikfreies Österreich gestanden, und wir setzen uns auch ein. Wenn es – da muss ich auch ein bisschen Kritik an der ÖVP üben – nur noch der ÖVP ginge, würde das ein bisschen schwieriger aussehen. Für uns steht im Mittelpunkt des Interesses der Konsument, und der Konsument will es.

Wir haben auch dafür gesorgt, dass einheitliche Kriterien für die Risikobewertung gegeben sind. Die Verlagerung bei der Haftung, die Beweislastumkehr ist natürlich ein wesentlicher Faktor. Es ist nicht so, wie Sie gesagt haben, dass der biologisch anbauende Landwirt ein Problem hat. Natürlich ist es derjenige, der Gentechnik erzeugt, oder von mir aus der Maschinenring. Na klar, weil ich eine Rechnung habe, auf der draufsteht, dass dieses Saatgut gentechnikfrei ist. Das war unser Anliegen, und das haben wir auch umgesetzt mit der Justizministerin. Das war nicht so einfach, weil manche es nicht so wollten.

Wir haben also viel mehr Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung, was auch ein Vorteil ist. Und wenn man die Überprüfung der bestehenden Zulassungen oder auch der zukünftigen hernimmt, dann ist es natürlich schon so, dass wir alles getan haben, um die Zulassung von gentechnisch verunreinigtem Saatgut oder gentechnisch verunreinigten Organismen zu erschweren.

Zielsetzung dieser Regierung ist es, zu verhindern, aber wir können nicht eine EU-Richtlinie umsetzen, die Rahmenbedingungen für gentechnisch verunreinigtes Saatgut verlangt, und hergehen und das machen, was Sie sagen. Wir beschließen ein Gesetz dafür – natürlich, das müssen wir, das ist EU-Richtlinie –, aber wir beschließen das Gesetz so, dass es für jeden von der Haftung her, vom Risiko her fast verunmöglicht wird, bei uns in Österreich gentechnisch verunreinigtes Saatgut zu verwenden. Das ist ein wesentlicher Punkt, und das sollte man da sagen.

Minister Pröll das Misstrauen auszusprechen, wo Sie immer so geliebäugelt haben mit ihm, immer sehr freundlich waren, und jetzt gerade das Ökostromgesetz dafür herzunehmen, ist unverständlich. 17 Millionen € jedes Jahr – jetzt rechne ich Ihnen das einmal vor –, mal zehn, mal sechs – das sind die Jahre –, also 1,02 Milliarden € werden für den gesamten Zeitraum eingesetzt. Dann kommen noch zusätzlich das elfte und das zwölfte Jahr, das sind wieder 127 Millionen €. Und das ist gar nichts?! Fast


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1,2 Milliarden € werden beim Ökostrom für erneuerbare Energie eingesetzt. Und das ist nichts?! Also ich weiß nicht, wo Sie die Finanzen herholen, aber das ist eine Steigerung. Wir sind jetzt bei über 4 Prozent, und wir werden es bis 2008 schaffen, auf 7 bis 8 Prozent zu kommen. Das hätten Sie nie erreicht! Das war vor allem freiheitliche Handschrift, denn das haben wir immer gefordert und nicht unbedingt die Grünen. Denn bei Ihnen ist ja immer das Behindern, das Negative und das Dagegensein wichtig.

Ich fordere Sie auf, diesen Misstrauensantrag zurückzuziehen! Es ist besser, diese Regierung auf ihrem Weg zu einem gentechnikfreien Österreich zu unterstützen. Wir Freiheitlichen werden uns dafür einsetzen, wir Freiheitlichen stehen dafür, und ich hoffe, dass Sie ein bisschen geläutert sind und Ihre Un- und Halbwahrheiten hier heraußen nicht weiter verkünden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.44

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Scheucher-Pichler am Wort. – Bitte.

 


14.44

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ganz verstehe ich ja die Linie der Grünen nicht. Ich meine, ich verstehe sie öfter nicht, aber eben auch heute nicht. Am Vormittag haben Sie uns gesunde, frische (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig) – aber es war zumindest eine Linie, Frau Kollegin – Apferl geschenkt. Danke. (Abg. Dr. Pirklhuber hält ein Sackerl in die Höhe.) Sie zeigen das Sackerl her. So nebenbei bemerkt: Es ist ein viel zu großes Sackerl für so einen kleinen guten Apfel; im Sinne des Umweltschutzes viel zu groß, das Papiersackerl. Am Nachmittag stellen Sie gegen unseren Minister einen Misstrauensantrag, gegen jenen Minister, der dafür sorgt, dass unsere Bäuerinnen und Bauern, unsere Obstprodu­zenten gute Rahmenbedingungen haben. Ich denke, da gilt es auch einmal danke zu sagen für deren tolle Arbeit. Da gilt es wirklich einmal danke zu sagen, denn das hat noch niemand getan. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie verlassen den Weg einer konstruktiven Arbeit. Gerade bei Bundesminister Pröll und bei Frau Bundesministerin Rauch-Kallat habe ich immer das Gefühl gehabt, dass es einen sehr konstruktiven Diskurs gibt. Sie verlassen den konstruktiven Weg, indem Sie heute die Produzentinnen und Produzenten, aber auch die Konsumenten in Öster­reich im Stich lassen. Sie lassen sie im Stich, indem Sie – was wir mit dieser Gesetzes­vorlage tun – keine Antwort auf die EU-Vorgaben geben. (Abg. Dr. Pirklhuber: Das ist keine Antwort!)

Unser Bundesminister antwortet auf das, was in der EU passiert ist. (Abg. Dr. Pirkl­huber: Die sind für die Förderung der Gentechnik!) Das ist notwendig und dafür ein herzliches Dankeschön. Dafür wirklich ein herzliches Dankeschön, denn dieses Gesetz ist sachlich, es ist ausgewogen, dieses Gesetz bringt Sicherheit für Konsumenten und Produzenten, und der Schutzgedanke – gerade der Schutzgedanke, über den Sie die ganze Zeit sprechen – steht im Mittelpunkt dieses Gesetzes. (Abg. Dr. Pirklhuber: Wie passt das mit der Förderung der Gentechnik zusammen?) Es werden all jene ge­schützt, die gentechnisch veränderte Organismen, Produkte, Lebensmittel ablehnen. Das ist eine Tatsache. Das beschließen wir heute. Sie verunsichern – wir handeln! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Pirklhuber: Die Förderung der Gentechnik steht in den Bestimmungen! Die Förderung!) Da können Sie noch so laut schreien!

Allein die Einrichtung eines Gentechnikregisters – das ist heute schon mehrmals erwähnt worden; die Frau Bundesministerin Rauch-Kallat, der Herr Bundesminister


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Pröll haben es bereits erwähnt –, in das jeder sich verpflichtend eintragen muss, der gentechnisch veränderte Pflanzen anbaut, allein das ist ein ganz wichtiger Aspekt, bitte. So können potentielle Schadensverursacher schneller festgestellt werden. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Sie schauen hier weg. Wir handeln – Sie verunsichern, Sie schauen weg! Wir handeln – Sie verunsichern! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Regelung der Haftungsbestimmungen: Gerade in Bezug auf die Haftung gibt es hier klare und leicht durchsetzbare Haftungsbedingungen für mögliche Schäden, so­dass möglichst schnell und glaubhaft ein Schaden vor Gericht bekannt gemacht werden kann und auch gehandelt werden kann.

Auch die Tatsache der gentechnisch veränderten Kennzeichnung – auch das wollen Sie nicht wahrhaben – ist ein ganz wichtiger Aspekt, der gerade auch dem Kon­sumenten die Entscheidung erleichtert. Und das ist uns wichtig, denn uns liegen die Konsumentinnen und Konsumenten, aber auch die landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich am Herzen. Und dafür steht unser Bundesminister Pröll, dem Sie heute hier völlig zu Unrecht das Misstrauen aussprechen. Er steht für einen nachhaltigen Kurs, er steht für einen realitätsbezogenen Kurs, und dafür stehen auch wir von Seiten der ÖVP. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.47

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte.

 


14.48

Abgeordneter Anton Doppler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Minister! Herr Minister! Herr Präsident! Sehr geschätzte Abgeordnete zum Nationalrat! Die Regierungsvorlage zum Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird, ist heute sehr ausführlich debattiert worden, und ich möchte hier am Schluss dieser Debatte eigentlich nur mehr eine Zusammenfassung der wesentlichen Punkte in der heutigen Debatte geben. Ich möchte hier wirklich auch klarstellen, dass es ja nicht unbedingt von sich aus ent­standen ist, sondern dass es zu dieser Gesetzesänderung eben auch eine Vorge­schichte und eine Ergänzungsgeschichte gibt.

Auf Grund des Mahnschreibens der Kommission an mehrere Mitgliedstaaten, darunter natürlich auch Österreich, läuft ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtum­setzung der neuen Freisetzungsrichtlinie. Seit September 2003 liegt eine Klage vor, zum Schutz der Interessen der Österreicherinnen und Österreicher, also der Kon­sumenten, das österreichische Gentechnikrecht an die neuen Rahmenbedingungen anzupassen.

Geschätzte Abgeordnete! Um einer Vorverurteilung durch den EuGH zu entgehen, will die Bundesregierung die neuen Richtlinien so rasch wie möglich umsetzen und daher eine entsprechende Änderung des Gesetzes mit flankierenden Maßnahmen zur Durch­führung der dazugehörigen Verordnungen vorlegen. Auf Grund der Richtlinien werden einheitliche Kriterien für die Risikobewertung der Freisetzung und In-Verkehr-Bringung von GVOs unter Berücksichtigung der akkumulierten Umweltauswirkungen bestimmt.

Geschätzte Abgeordnete! Hohes Haus! Bestehende Zulassungen werden überprüft, eindeutige Kennzeichnungen und Maßnahmen zur Gewährleistung der Rückverfolg­barkeit sowie die verpflichtende Überwachung von in den Verkehr gebrachten Produk­ten, eine Registerführung über die Orte der Freisetzung und des kommerziellen Anbaus sind vorgesehen.

Zum Schutz der Verbraucherinteressen gibt es eine klare Festlegung der Zuständigkeit für die Vollziehung der Verordnungen über gentechnisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel sowie auch die Einführung von Strafbestimmungen gegen den Verstoß


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dieser Verordnungen – diese Strafbestimmungen beruhen nicht nur auf den vom Europäischen Gerichtshof vorgegebenen Strafbestimmungen, sondern es ist im österreichischen Entwurf auch eine österreichische Strafbestimmung vorgesehen –, Öffentlichkeitsbeteiligung durch verpflichtende Kundmachung sowie eindeutige Kenn­zeichnung der Maßnahmen zur Gewährleistung der Rückverfolgung.

Geschätzte Damen und Herren! Liebe Damen und Herren Abgeordneten! Ich glaube, besser kann man in Wirklichkeit ein Gesetz nicht vorbereiten, und bitte daher die Abgeordneten, dieser Vorlage die Zustimmung zu geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) – Danke.

Gestatten Sie mir aber noch einen Satz zum Misstrauensantrag gegen Minister Pröll. Ich muss das deswegen sagen, denn ich bin neu hier in diesem Haus – also ziemlich neu – und war immer der Meinung, dass ein Misstrauensantrag auch einer Begrün­dung bedarf. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Da ich heute aber keine Begründung gehört habe, fühle ich mich als Steirer dazu berufen, aufzufordern, diesem Miss­trauensantrag nicht zuzustimmen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.51

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.52

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei meinen Vorrednern habe ich oft den Eindruck gehabt, dass wir über verschiedene Materien reden. Haben wir einen anderen Entwurf einer Regierungsvorlage als Sie? Wenn ich den Satz höre: Wir lassen die Konsumenten nicht im Stich!, dann brauche ich mir nur den Text anzusehen, und darin ist zu lesen, dass die Frage der Kennzeichnung keinesfalls hundertprozentig und einwandfrei ist – also, sage ich Ihnen, werden die Konsumenten hier im Stich gelassen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bundesminister Grasser hat am Vormittag davon gesprochen, dass politische Glaubwürdigkeit nur dann gegeben sei, wenn die Überschriften mit den Inhalten übereinstimmen. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei diesem Gesetz stimmen weder die Überschriften noch die Inhalte.

Die Inhalte stimmen nicht, weil Fehler passiert sind. Ich frage mich, Frau Bun­desministerin – und ich habe das auch bereits im Ausschuss gesagt –, ob wir nicht bald Abänderungsanträge bekommen, da Zitierfehler darin enthalten sind. In diesem Entwurf wird beispielsweise in § 62 auf § 58a Z 6 verwiesen – diese Bestimmung gibt es nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren! Oder sehen Sie sich doch die Regelung in § 79k, die ich für verfassungswidrig halte, weil hier die Erwerbsgärtner ausgeschlossen sind, an! Ich frage mich, wie die Kollegen von der Wirtschaftskammer das gegenüber den Erwerbsgärtnern vertreten werden.

Aber das große Problem sehe ich im Bereich der Kennzeichnung. Wir wissen seit der letzten Sitzung des Gesundheitsausschusses, dass die Frau Bundesministerin nicht bereit ist, Ergebnisse, Analyseergebnisse, ob korrekt gekennzeichnet ist, der Öffent­lichkeit bekannt zu geben. Ich zitiere dazu aus der entsprechenden Verordnung 1830/2003:

„Die vollständige und zuverlässige Information der Verbraucher im Zusammenhang mit GVO und aus diesen hergestellten Produkten sowie Lebens- und Futtermitteln muss


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gewährleistet sein, damit die Verbraucher eine sachkundige Produktauswahl treffen können.“

Frau Bundesministerin, wenn Sie die Konsumenten nicht informieren, dass falsch gekennzeichnet ist, dass in Konserven oder in Backwaren GVOs enthalten sind, dann frage ich Sie: Wo bleibt da die Wahlfreiheit der Konsumenten? Und das haben Sie zu verantworten, Sie von der ÖVP und Sie von der FPÖ! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ähnliche Probleme haben wir natürlich auch im Landwirtschaftsbereich. Herr Bun­desminister! Ich habe mich gefragt, warum Sie nicht erzählt beziehungsweise diesem Haus vorenthalten haben, dass morgen ein Umweltministerrat stattfindet, ein Umwelt­ministerrat, auf dessen Tagesordnung eine Entscheidung des Rates über das In-Verkehr-Bringen eines genetisch veränderten glyphosat-toleranten Ölrapsprodukts steht.

Herr Bundesminister! Wollten Sie vielleicht – oder wollen Sie vielleicht morgen zustim­men?

Wir möchten Ihnen hier dieses Risiko nehmen. Ich darf daher folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gradwohl, Krainer, Mag. Maier und KollegInnen betreffend Verhin­derung des Inverkehrbringens eines genetisch veränderten, glyphosat-toleranten Ölrapsprodukts (Brassica napus L., Linie GT 73)

Entschließungsantrag

„Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird aufgefordert, bereits im Vorfeld der Sitzung des Ministerrates ,Umwelt der Euro­päischen Union, bei der sich jener Tagesordnungspunkt auf der Tagesordnung befin­det – ,Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über das In-Verkehr-Bringen eines genetisch veränderten, glyphosat-toleranten Ölrapsprodukts (Brassica napus L., Linie GT 73) gemäß der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates –, darauf hinzuwirken, dass gegen die Annahme des Vorschlages der EU-Kommission gestimmt und damit das In-Verkehr-Bringen dieses genetisch veränderten Ölrapsprodukts verhindert wird.

Zusätzlich wird der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser­wirtschaft aufgefordert, bei der entsprechenden Sitzung des Ministerrates ,Umwelt, wo dieser Tagesordnungspunkt auf der Tagesordnung steht, gegen den Vorschlag der EU-Kommission zu stimmen und damit das In-Verkehr-Bringen dieses genetisch veränderten Ölrapsprodukts zu verhindern.“

*****

Ich betone nochmals: Darüber soll morgen oder in den nächsten Tagen abgestimmt werden!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nicht auf die besondere Prob­lematik bei gentechnisch verändertem Ölraps eingehen, das ist, glaube ich, hinlänglich bekannt. Sie haben heute hier in diesem Hohen Haus die Chance, den Herrn


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Umweltminister zu zwingen, in Brüssel dagegen zu stimmen. Und dazu laden wir Sie ein! (Abg. Grillitsch: Kollege Maier, das wird nichts nützen!)

Wir haben einen Rückverweisungsantrag gestellt. Wir werden auch dem Antrag der Grünen zustimmen, wobei wir davon ausgehen, dass unter Punkt 2 im Antrag der Grünen nicht die Rote Gentechnik, sondern die Grüne Gentechnik gemeint ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir laden Sie ein, hier eine glaubwürdige Politik zu vertreten – und nicht nur von Überschriften zu reden, sondern auch die Inhalte entsprechend zu vertreten. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.57

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der von Herrn Abgeordnetem Maier verle­sene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Ver­handlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gradwohl, Krainer, Mag. Maier und KollegInnen betreffend Verhin­derung des Inverkehrbringens eines genetisch veränderten, glyphosat-toleranten Öl­raps­produkts (Brassica napus L., Linie GT 73), eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (617 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Gentechnikgesetz und das Lebensmittelgesetz 1975 geändert werden (630 d.B.)

Seit vielen Jahren bestätigen Umfragen, dass über 90 Prozent der österreichischen Bevölkerung Gentechnik bei Lebensmittel grundsätzlich ablehnen. Aus diesem Grund hat es bislang in Österreich einen nationalen Konsens darüber gegeben, dass unsere Landwirtschaft gentechnikfrei bleiben muss.

Nun besteht die Gefahr, dass durch eine Entscheidung beim zuständigen Ministerrat dieser Konsens durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gebrochen und damit die Gefahren für Konsumenten, Produzenten, Umwelt und das Grundbedürfnis vieler Menschen nach gentechnikfreien Lebensmitteln und Futtermitteln ignoriert werden.

Österreich und sein vorbildhafter Biolandbau dürfen durch derartige Freisetzungen nicht ruiniert werden. Österreichs KonsumentInnen, die gentechnikfreie Produkte kau­fen wollen, sollen auch in Zukunft Vertrauen in die landwirtschaftlichen Produkte heimi­scher Bauern haben können.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

„Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird aufgefordert, bereits im Vorfeld der Sitzung des Ministerrates "Umwelt“ der Euro­päischen Union, bei der sich jener Tagesordnungspunkt auf der Tagesordnung befin­det – “Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über das Inverkehrbringen eines genetisch veränderten, glyphosat-toleranten Ölrapsprodukts (Brassica napus L., Linie GT 73) gemäß der Richtlinie 2001/18/EG des europäischen Parlaments und des Rates“, darauf hinzuwirken, dass gegen die Annahme des Vorschlages der EU-Kom­mission gestimmt und damit das Inverkehrbringen dieses genetisch veränderten Ölrapsprodukts verhindert wird.


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Zusätzlich wird der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Was­serwirtschaft aufgefordert, bei der entsprechenden Sitzung des Ministerrates „Umwelt“, wo dieser Tagesordnungspunkt auf der Tagesordnung steht, gegen den Vorschlag der EU-Kommission zu stimmen und damit das Inverkehrbringen dieses genetisch veränderten Ölrapsprodukts zu verhindern.“

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll. – Bitte.

 


14.57

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Maier hat wieder etwas vorgeführt, was typisch ist: Morgen steht das nicht zur Debatte! Es ist verschoben auf Dezember. (Abg. Mag. Maier hält ein Schrift­stück in die Höhe.)

Ich weiß genau, welche Punkte morgen im Umweltministerrat in Luxemburg auf der Tagesordnung stehen. Dieser Punkt ist nicht mehr dabei, er ist auf Dezember verschoben. Ich möchte Sie nur davon informieren, deswegen habe ich darüber auch nichts gesagt. (Beifall und He-Rufe bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.)

14.58

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

 


14.58

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die ÖVP hat es nicht gern, wenn entweder der Koalitionspartner oder die Opposition nicht brav ist. Dann kommt immer die Enttäuschung: man sei nicht kooperativ (Abg. Murauer: So ist es!), und man verlasse den Kurs der Kooperation. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie waren noch nie drauf!)

Bei uns ist es halt so. Grüne werden immer sachorientiert entscheiden. Dort, wo Kooperation möglich ist, werden wir sie auch immer machen. Und wo Konfrontation notwendig ist, werden wir sie auch machen – und das ist eben heute einfach notwendig. (Beifall bei den Grünen.)

Dadurch, dass ich vorher vergessen habe, den Misstrauensantrag einzubringen, hätten Sie noch eine Chance gehabt, Herr Umweltminister. (Abg. Grillitsch: Ist das jetzt eine Entschuldigung für Ihr Agieren?) Und ich habe mir gedacht, es ist vielleicht ein Fingerzeig des Schicksals, dass ich es vorher vergessen habe, vielleicht kommt ja doch noch irgendetwas. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ah, Versöhnung!) – Nein!

Durch zwei Punkte bin ich nun noch mehr davon überzeugt, dass es richtig ist. Wir können Ihnen nicht mehr vertrauen. Erstens haben Sie zu all den Fragen um Gen­technikfreiheit, Förderung, über das Umweltprogramm nichts gesagt, und Sie haben auch nicht erklärt, warum Sie das nicht wollen. Zweitens haben Sie – und das ist etwas, von dem Sie genau wissen, dass es nicht stimmt, was Sie behauptet haben – das Aus für die Windkraft den BürgerInnen in die Schuhe geschoben. Sie haben gesagt, die engagierten BürgerInnen, die Sorge haben, dass das zu nahe am Haus ist, die Sorge um den Vogelschutz haben, seien daran schuld, und das ist unfair.

Sie wissen, dass das nicht stimmt. (Abg. Grillitsch: Aber das stimmt! Da gibt es genügend Beispiele!) Es war der Druck des Wirtschaftsministers, der Industriel­lenvereinigung, der E-Control – und nicht der Bürgerinnen und Bürger! Wir beide


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wissen es ganz genau, alle wissen, dass es nicht so war – und das war unfair, das war sehr unfair! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Grillitsch: ... Gemeinderatsbeschlüsse!)

Daher bringe ich nun aus voller Überzeugung folgenden Misstrauensantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Glawischnig, Van der Bellen, Pirklhuber, Freundinnen und Freunde betreffend Versagung des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Der Nationalrat wolle beschließen:

Dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird im Sinne des Art. 74 B-VG das Vertrauen versagt.

*****

(Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.)

15.00

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der von Frau Abgeordneter Dr. Glawischnig verlesene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhand­lung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Glawischnig, Van der Bellen, Pirklhuber, Freundinnen und Freunde betreffend Versagung des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (617 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz und das Lebensmittelgesetz 1975 geändert werden (630 d.B.)

Der Umweltminister hat sich in den zwei zentralen Bereichen Gentechnik und Öko­strom klar gegen Umweltinteressen gestellt.

Im Bereich Gentechnik hat es BM Pröll verabsäumt, Maßnahmen in Österreich zum Schutz vor der drohenden EU-Zulassungswelle von Gentech-Pflanzen zu setzen und trägt ein Gentechnikgesetz mit, das in keiner Weise geeignet ist, die Aufrechterhaltung der gentechnikfreien Landwirtschaft sicherzustellen. BM Pröll duldet mit seiner verfehlten Politik den Gentechnik-Anbau in Österreich.

Im Bereich Ökostrom hat BM Pröll entgegen seinen Zusagen einer Gesetzesnovelle zugestimmt, die eine massive Verschlechterung der Rahmenbedingungen für Öko­energien und damit einen schweren Rückschlag für Klimaschutz und Schwächung des Öko-Wirtschaftsstandortes Österreich bedeutet.

Die Bereiche Gentechnik und Ökostrom können ohne Übertreibung als für unser Land und die österreichische Bevölkerung als die zentralen und vorrangigen Umweltinter­essen bezeichnet werden.

Gentechnikfreie Landwirtschaft vor dem Aus

Zahlreiche Umfragen belegen die seit Jahren konstant hohe Ablehnung des Einsatzes der Gentechnik in Landwirtschaft und Lebensmitteln durch die österreichische Be-


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völkerung. Auch die große Mehrheit der heimischen Bäuerinnen und Bauern wollen keine gentechnisch manipulierten Pflanzen anbauen.

Die Gründe für die Ablehnung der Gentechnik lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Ungeklärte ökologische Risiken: Die Freisetzung gentechnisch veränderterer Pflanzen in die Umwelt ist ein unumkehrbares Experiment, dessen mittel- und langfristige Auswirkungen nicht abschätzbar sind. Zahlreiche nachteilige Effekte von Freisetzun­gen wurden bereits beobachtet (z.B. Resistenzbildungen, Schädigung von Nützlingen, vertikaler Gentransfer, Verwilderung, negative Einflüsse auf Bodenorganismen etc.).

Ungeklärte gesundheitliche Risiken: Studien und konkrete Fälle deuten darauf hin, dass Gentech-Lebensmittel Allergien auslösen und zur Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen führen können. In Fütterungsversuchen bei Ratten wurden Veränderun­gen des Blutbildes und weitere ungeplante Veränderungen im Stoffwechsel beobach­tet. Darüber hinaus sind die potentiellen langfristigen gesundheitlichen Risken noch kaum durch Langzeitstudien untersucht, da Gentech-Produkte erst seit 1996 (Soja­bohne, USA) auf dem Markt sind.

Kein Nutzen für KonsumentInnen: Der Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft ist eine Rationalisierungstechnik, die vor allem auf Profitmaximierung und Steigerung der Produktionseffizienz abzielt. Netto werden mehr Arbeitsplätze vernichtet als geschaf­fen, den KonsumentInnnen bringt die Gentechnik in Landwirtschaft und Lebensmitteln keinen Nutzen, dafür tragen sie als 'Versuchskaninchen' das volle Risiko.

Bedrohung für Biobauern und konventionelle LandwirtInnen: Die Koexistenz-Frage, also die Frage ob und unter welchen Bedingen ein Nebeneinander von Gen­technikanbau und gentechnikfreier Landwirtschaft überhaupt möglich ist bisher völlig ungelöst bzw. auch rechtlich nicht geregelt ist.

Im Jahr 1997 haben daher 1,2 Millionen ÖsterreicherInnen das Gentechnik-Volks­begehren unterschrieben und die Umsetzung folgender Maßnahmen gefordert:

1. Ein gesetzlich verankertes Verbot der Herstellung und des Verkaufs gentechnisch veränderter Lebensmittel und Agrarprodukte in Österreich.

2. Ein gesetzliches Verbot von Freisetzungen gentechnisch veränderter Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen.

3. Ein gesetzliches Verbot der Patentierung von Lebewesen.

Alle drei Forderungen sind bisher unerfüllt.

Durch den Fall des Gentechnik-Moratorium steht die bisherige Gentechnikfreiheit der österreichische Landwirtschaft vor dem Aus, falls keine Gegenmaßnahmen gesetzt werden. Bereits in der Anbau-Saison 2005 kann es zu ersten Freisetzungen kommen.

Nach einer Unterbrechung von sechs Jahren hat die EU-Kommission im September 2004 mit der Eintragung von 17 Genmais-Sorten in das EU-Sortenregister erstmals den Anbau von Genmais in allen EU-Staaten erlaubt. Bereits im Mai 2004 wurde die erste EU-weite Zulassung eines gentechnisch veränderten Lebensmittel erteilt. Nun dürfen z.B. Konserven mit Körnern aus gentechnisch veränderten Bt11-Zuckermais auf den Markt. Damit ist das Moratorium für die Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) gefallen, es droht eine Welle von neuen Zulassungen. Derzeit liegen der EU-Kommission 23 weitere Zulassungsanträge vor, davon 11 für Einfuhr und Verarbeitung, die übrigen auch zum Anbau. Dabei geht es um Mais, Raps, Zuckerrüben, Sojabohnen, Reis und Baumwolle.

Pröll duldet Gentechnik-Anbau


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78. Sitzung / Seite 96

Bis heute hat BM Pröll nichts getan, um die Existenz der bisher gentechnikfreien Land­wirtschaft in Österreich gesetzlich abzusichern. Im Gegenteil: Das von BM Pröll mitverhandelte neue Gentechnikgesetz ist völlig ungeeignet, um dem Gentechnik-Anbau einen wirksamen Riegel vorzuschieben, sondern ermöglicht den Anbau von Gentech-Pflanzen in Österreich bereits ab 2005. Ein ursprünglich guter Vorschlag für eine strenge Haftungsregelung aus dem Justizministerium wurde von Pröll wieder zu Fall gebracht. Die jetzige Haftungsregelung mit einer verwässerten Beweislastumkehr sind nicht geeignet, geschädigte gentechnikfrei produzierende LandwirtInnen zu schützen bzw. zu ihrem Recht auf Schadenersatz zu verhelfen. Die Koexistenz-Frage, also die Frage ob und unter welchen Bedingen ein Nebeneinander von Gen­technikanbau und gentechnikfreier Landwirtschaft überhaupt möglich ist, ist bisher ungelöst und im Gesetz auch nicht geregelt. Die Aufrechterhaltung einer gentechnik­freien Landwirtschaft ist im Gesetz nicht einmal als Ziel formuliert, stattdessen ist die Förderung der Gentechnik als Gesetzesziel verankert.

BM Pröll weigert sich darüber hinaus, in seinem alleinigen Kompetenzbereich wirkungsvolle Maßnahmen für eine Absicherung der gentechnikfreien österreichischen Landwirtschaft zu setzen und die Umwelt-Agrarförderungen (Österreichisches Pro­gramm für eine umweltgerechte Landwirtschaft, kurz: ÖPUL) an den Einsatz von gentechnikfreiem Saatgut zu binden. Mit dieser EU-konformen und gut kontrollierbaren Maßnahme wären mit einem Schlag 75 Prozent aller heimischen Betriebe und fast 90 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche erfasst. Im Jahr 2003 wurde im Rahmen des Umwelt-Agrarprogramms an insgesamt 135.175 Betriebe eine Fördersumme von insgesamt 628 Mio. Euro ausbezahlt. Das ÖPUL-Programm wird jeweils für mehrere Jahre aufgelegt, die derzeitige Programmperiode endet 2006. Die Grünen fordern konkret, dass BM Pröll für die ÖPUL-Periode 2007 – 2013 die Verwendung von gen­technikfreiem Saatgut als Teilnahmebedingung festschreibt.

Atomstrom statt Ökostrom?

Die österreichische Bevölkerung hat sich 1978 gegen den Bau des AKW Zwentendorf ausgesprochen, der Betrieb von Atomkraftwerken in Österreich ist per Verfassung untersagt. Seit der Liberalisierung der EU-Energiemärkte steigen jedoch die Atom­stromimporte nach Österreich kontinuierlich an und lagen im Jahr 2002 bereits bei über 16 Prozent, Tendenz weiter steigend. Der große Widerstand der österreichischen Bevölkerung gegen das AKW Temelin ist ein weiterer eindrucksvoller Beleg für die entschiedene Ablehnung der Atomenergie in Österreich.

Die Abhängigkeit von Energieimporten steigt auch im Bereich der fossilen Ener­gieträger Erdöl, Erdgas und Kohle zunehmend an. Die horrenden Erdölpreise im Jahr 2004 werden nicht nur für die Bevölkerung über gestiegene Preise für Treibstoffe und Heizöl direkt schmerzlich spürbar, sondern schlagen sukzessive auf die Strom­preise durch.

Die einzig ökologisch und wirtschaftlich vernünftige Alternative zu Atomstrom und fossilen Energien ist ein konsequenter Ausbau der Erneuerben Energien aus heimi­scher Produktion. Erneuerbare Energien sind nicht nur unerschöpflich, umwelt­freund­lich und klimaschonend, sondern stärken auch den Wirtschaftsstandort Österreich. Bis zu 60.000 neue Arbeitsplätze könnten bei entsprechender politischer Unterstützung in Österreich im Bereich der Erneuerbaren Energien bis 2020 geschaffen werden, sagt eine EU-Studie.

Vor diesem Hintergrund kann das von BM Pröll mitgetragene neue Ökostromgesetz nur als umwelt- und wirtschaftspolitische Katastrophe bezeichnet werden. Wird das Gesetz im Dezember 2004 vom Nationalrat in der vorliegenden Form beschlossen, so bedeutet das den bisher schwersten Rückschlag für die Erneuerbaren Energien in


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Österreich, eine weitere Zunahme von Atomstromimporten und eine Vergrößerung der Importabhängigkeit von fossilen Energieträgern. Diese rückschrittliche Politik verstößt klar gegen die Interessen der österreichischen Bevölkerung.

Pröll billigt massive Verschlechterung der Rahmenbedingungen für Ökostrom

Die Ökostrom-Einigung zwischen BM Pröll und BM Bartenstein bedeutet eine massive Verschlechterung der Rahmenbedingungen für die Ökoenergien. Das Ausschreibungs­modell für Windkraftanlagen widerspricht völlig dem europäischen Trend, Ausschrei­bungsmodelle sind in allen Fällen gescheitert. Im aktuellen Gesetzesvorschlag wird im Wind-Ausschreibungssystem zudem noch an einen inakzeptabel niedrigen Maximal­tarif von 6,9 Cent/kWh fixiert, der noch dazu jährlich sinken soll. Diese Bedingungen bedeuten das Ende für den Windkraftausbau in Österreich.

Im Bereich Biomasse und Biogas werden durch stark begrenzte Fördermittel nur mehr ein paar Anlagen pro Jahr gebaut werden können, im Bereich Photovoltaik, der eben­falls stark finanziell gedeckelt ist, werden Förderungen überhaupt nur dann gewährt, wenn die Bundesländer 50% der Fördersumme beitragen. Die generelle Abnahme­pflicht für Ökostrom wird abgeschafft, das neue Prinzip „first-come-first-serve“ bedeutet eine massive Planungs-, Investitions- und Rechtsunsicherheit. Um eine Förderung kann erst angesucht werden, wenn der Genehmigungsbescheid vorliegt, was insbe­sondere bei größeren Anlagen dazu führen wird, dass immense Planungskosten in den Sand gesetzt werden, wenn das (minimale) Förderbudget ausgeschöpft ist.

Während in anderen europäischen Staaten wie etwa Deutschland mit fixen Ein­speisetarifen für alle genehmigten Anlagen der forcierte Ökostromausbau erfolgreich fortgesetzt wird, damit mittlerweile in Deutschland sogar mehr Arbeitsplätze gesichert werden als durch die Atomenergie und gewaltige Exporterfolge eingefahren werden, will BM Pröll ein zentrales umwelt- und wirtschaftspolitisches Instrument massiv schwächen. Das im Gesetzesvorschlag festgeschrieben Ziel, bis 2010 einen Öko­strom­anteil von 7% (ohne Wasserkraft zu erreichen) wird bei weitem nicht ausreichen, um die EU-Vorgabe, den Anteil der Erneuerbaren Energien im Strombereich bis 2010 auf 78,1% zu steigern. Derzeit sinkt der Ökostromanteil am Gesamtstromverbrauch. Dieser Trend wird von BM Pröll nicht nur tatenlos zur Kenntnis genommen, sondern auch noch verstärkt. In der Gesetzesvorlage wird zudem mit falschen Zahlen gearbeitet. Das im Gesetz verankerte Ziel von 7% Ökostromanteil bis 2010 ist aufgrund des hohen Stromverbrauchs nicht erreichbar.

Einem Umweltminister, der sich in den für die Bevölkerung entscheidenden Umwelt­fragen Gentechnikfreiheit und Förderung Erneuerbarer Energien gegen die Interessen der Umwelt stellt, kann nicht länger das Vertrauen ausgesprochen werden.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird im Sinne des Art. 74 B-VG das Vertrauen versagt.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über die Anträge der Abgeordneten Krainer, Kolleginnen und Kollegen sowie Dr. Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen, den Gegenstand an den Gesundheitsausschuss rückzuverweisen.


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Ich werde über diese Anträge unter einem abstimmen lassen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Rückverweisung eintreten, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 617 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, und damit ist der Gesetzentwurf angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies ebenfalls die Mehrheit, der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung der Existenz einer gentechnikfreien Landwirtschaft in Österreich – Gentechnikschutzpaket.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Minderheit, und somit ist der Antrag abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Gradwohl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verhinderung des Inver­kehrbringens eines genetisch veränderten, glyphosat-toleranten Ölrapsprodukts.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Minderheit, und damit ist der Antrag abge­lehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Ver­trauens gegenüber dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gemäß Art. 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Da zu einem solchen Beschluss des Nationalrates gemäß Abs. 2 der zitierten Ver­fassungsbestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich diese ausdrücklich fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den gegenständlichen Misstrauensantrag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Brosz – in Richtung Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn –: Zuerst aber schauen!)

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gewährung eines bundeseinheitlichen Heizkostenzuschusses (455/A) (E)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zur dringlichen Behand­lung des Selbständigen Antrages 455/A (E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.


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Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Immer mehr Menschen sind trotz Erwerbsarbeit armutsgefährdet. Viele haben keine Chance am Arbeitsmarkt, besonders Frauen leben aufgrund fehlender eigenständiger Existenzsicherung unter der Armutsgrenze. Wegen mangelnder Mindeststandards reichen soziale Leistungen, wie Kinderbetreuungs- oder Arbeitslosengeld nicht für das Notwendigste.

So sieht die sozialpolitische Bilanz dieser Regierung Schüssel aus.

310 000 Menschen in Österreich (4 Prozent der Wohnbevölkerung) sind von Armut betroffen, ein Drittel der Armutsbevölkerung sind Kinder. Ihre Eltern sind erwerbslos, alleinerziehend oder haben Jobs, von denen sie nicht leben können. Ungefähr 100 000 Personen sitzen dauerhaft unter den Bedingungen von Armut und Ausgrenzung fest.

In einem reichen Land wie Österreich muss eine wirksame Armutsbekämpfung leistbar und machbar sein. Dass Armutsbekämpfung in erster Linie eine Frage des politischen Willens ist, zeigt die Tatsache, dass es beispielsweise bei der Anschaffung der Euro­fighter um ein Vielfaches jener Summe geht, die notwendig wäre, um die gröbsten Lücken im sozialen Netz zu schließen. Eine auf der 5. Österreichischen Armuts­konferenz präsentierte Studie zur bedarfsorientierten Grundsicherung zeigt, dass dafür bereits 1 Milliarde Euro ausreichen würde.

Die offiziellen Aktionspläne gegen Armut, zu denen sich auch die österreichische Regierung beim EU-Gipfel in Nizza verpflichtet hat, geben keine ausreichende Antwort auf die neuen sozialen Herausforderungen und Probleme des Sozialsystems: fehlende Mindestsicherungselemente, Armut trotz Arbeit, mangelhaftes Netz für psychisch Kranke, Zugang zu Arbeit und Wohnen für MigrantInnen, aktive Arbeitsmarktpolitik für stark Benachteiligte.

Auch die EU-Kommission schreibt in ihrer Bewertung der Aktionspläne gegen Armut vom „Fehlen innovativer aktiver Arbeitsmarktpolitik für diejenigen, die nicht im „ersten Arbeitsmarkt“ Beschäftigung finden, und vom Fehlen einer konkreten Reformper­spektive für die Sozialhilfe, welche von den Ländern entwickelt werden müsste“.

„Eine Reihe von Änderungen im Sozialbereich unter dem Titel „Soziale Treffsicherheit“ sollten evaluiert werden, – auf ihre möglichen Effekte im Zugang zu sozialen Gütern und Diensten."

„Verbindlichkeiten auf die zwei Jahre angelegte Perspektive des Nationalen Aktions­planes (NAP) sind rar, Vorschläge für eine mittelfristige Strategie fehlen. Da der NAP keine finanziellen Vereinbarungen inkludiert, ist nicht klar, wie das Ziel der stärkeren Unterstützung der am stärksten von Armut gefährdeten Gruppen erreicht werden soll“, kritisiert die EU-Kommission. Und weiter: „Der Plan tätigt mehr Anstrengung in die Auflistung eines Katalogs existierender Maßnahmen als in Aktionen, die in der Zukunft unternommen werden müssen“.

Alleine die Pensionspolitik dieser Regierung öffnet den Weg in die Altersarmut. Seit vier Jahren werden die Einkommen der PensionistInnen schamlos abgewertet. Bei einer 1 000-Euro-Brutto-Monatspension beträgt die Wertminderung bereits 808,61 Euro im Jahr oder rund 5,5 Prozent!

Das sind im Jahr umgerechnet 11 126,65 österreichische Schilling. Die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ haben für 2004 und 2005 beschlossen, dass alle Pensionen die über der Armutsgrenze (670 Euro monatlich) liegen, keine Teuerungsabgeltung erhal­ten, sie werden weiter gekürzt.

Die Arbeiterkammer hat errechnet, dass dadurch in bloß 20 Jahren die bestehenden Pensionen 48,6 Prozent ihres Wertes verlieren, also halbiert werden! In absehbarer


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Zeit werden durchschnittliche Männerpensionen von derzeit 1 000 Euro und durch­schnittliche Frauenpensionen von derzeit 700 Euro unter die Armutsgrenze fallen! Für künftige Pensionistinnen und Pensionisten wird diese Abwertungspolitik auch noch durch die bereits durchgeführten und die nunmehr geplanten Kürzungsmaßnahmen dramatisch verschärft.

Als unfassbar müssen unter diesem Gesichtspunkt die Aussagen von ÖVP-Klubchef Molterer, dass die Koalition nicht in der Lage sei, den dringend notwendigen Heiz­kostenzuschuss zu organisieren, gesehen werden. Molterer delegiert an die Länder. Dort gibt es unterschiedlichste, bürokratische Regelungen. Dass die Verfassung eine Zuständigkeit der Länder gebiete, kann nur als Ausrede gewertet werden.

Unter Sozialminister Geppert war es möglich, bundeseinheitlich unbürokratisch und automatisch einen Heizkostenzuschuss an Ausgleichszulagenbezieher, Arbeitslosen­geld- und NotstandshilfebezieherInnen, PensionsvorschussbezieherInnen, BezieherIn­nen von Opferrenten usw. auszubezahlen (Sozialrechts-Änderungsgesetz 1990, BGBl Nr. 741/1990). Es stellt sich die Frage, warum eine Leistung, die 1990 möglich war, nun unter für die Bevölkerung viel problematischeren Bedingungen nicht möglich sein sollte.

Die gestiegenen Energiepreise, die hohe Steuer- und Abgabenbelastung und die Pen­sionskürzungen der Regierung Schüssel machen die Schaffung eines bundesweit einheitlichen Heizkostenzuschusses im heurigen Winter dringend notwendig.

Für viele NiedrigeinkommensbezieherInnen sind die hohen Heizkosten einfach nicht mehr leistbar.

Heizöl kostete im September 2003 0,383 Euro/Liter (2 000 Liter) und im Septem­ber 2004 0,512 Euro/Liter (ebenfalls für 2 000 Liter). Das bedeutet für einen Haushalt (Einfamilienhaus), der durchschnittlich 2 000 Liter in der Heizsaison verbraucht, finanzielle Mehrkosten gegenüber dem Vorjahr von 258 Euro.

Die Belastungspolitik dieser Regierung hat mit dem Budgetbegleitgesetz 2003auch die Einführung einer Kohleabgabe gebracht. Diese bedeutet pro Kilogramm Koks oder Kohle zusätzlich zu den Preissteigerungen einen finanziellen Mehraufwand von 0,05 Euro. Vergleicht man die Einlagerungspreise von Koks, so zeigt sich, dass 2003 für 1 000 kg Koks 320 Euro zu bezahlen waren und heuer 485 Euro. Das bedeutet für Personen, die mit Koks heizen – und das sind im Regelfall nicht die begütertsten Mitmenschen – eine zusätzliche Belastung von 165 Euro (inklusive 50 Euro ! Kohle­abgabe für den Finanzminister) bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 1 000 kg Koks je Heizsaison.

Durch gestiegene Preise und Steuer- bzw. Abgabenerhöhungen im Bereich der Mine­ral­ölsteuer ergaben sich im heurigen Jahr bereits Mehreinnahmen von rund 270 Mil­lionen Euro für das Budget. Aus den Energieabgaben (Einführung der Kohleabgabe und Erhöhung der Erdgasabgabe) ergeben sich weitere Mehreinnahmen von rund 135 Millionen Euro – somit insgesamt über 405 Millionen Euro zusätzliches Körberlgeld für den Finanzminister.

Es ist daher nur recht und billig, wenn ein Teil dieser Mehreinnahmen in Form eines Heizkostenzuschusses wieder an die betroffene Bevölkerung zurückfließt.

Jene Menschen, deren Haushaltseinkommen unter 875 Euro liegt bzw. bis zur Höhe des Familienausgleichszulagenrichtsatzes reicht – das sind insbesondere Notstands­hilfe- und KindergeldbezieherInnen, PensionistInnen, Kranke, behinderte Menschen, ArbeitslosengeldbezieherInnen und BezieherInnen von Opferrenten – sollen einen monatlichen Heizkostenzuschuss für die Monate Oktober bis April von 40 Euro pro Monat erhalten.


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Notwendig ist ein bundeseinheitlicher Heizkostenzuschuss, der unbürokratisch bezieh­bar ist, denn aufgrund mangelnder Information, bürokratischer Hindernisse und unter­schiedlicher Kriterien und Vergabemodalitäten in den Bundesländern sind viele nur schlecht oder gar nicht in der Lage, einen Zuschuss zu beantragen. Auch die Abhän­gigkeit von der Sozialhilfe schließt viele Bedürftige – wie Arbeitslosengeld-, Not­standshilfe- oder KindergeldbezieherInnen – von einem Heizkostenzuschuss aus.

Aus diesen Gründen stellen die unterzeichneten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich, spätestens jedoch bis 8. November 2004 eine Regierungsvorlage zuzuleiten, damit von der Sozial­versicherung, dem Arbeitsmarktservice bzw. dem Bund für die Monate Oktober 2004 bis April 2005 so rasch wie möglich unbürokratisch ein Heizkostenzuschuss in der Höhe von 40 Euro monatlich an BezieherInnen von Leistungen aus dem Arbeitslosen­versicherungsgesetz, dem Karenzgeldgesetz, dem Kinderbetreuungsgeldgesetz, dem Sonderunterstützungsgesetz, dem Opferfürsorgegesetz, dem Heeresversorgungs­ge­setz, dem Impfschadengesetz, dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 sowie an alle Pensions- und RuhegenußbezieherInnen nach bundesrechtlichen Vorschriften, die ein Haushaltseinkommen von unter 875 Euro netto bzw. bei im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten bis zum Familienausgleichszulagenrichtsatz von 1 015 Euro im Monat haben, ausbezahlt werden kann.“

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Dr. Gusen­bauer als dem Antragsteller zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort.

Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf seine Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten. – Herr Antragsteller, bitte ergreifen Sie das Wort.

 


15.02

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundes­regierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Interessant, dass die Bundes­regierung von Herrn Staatssekretär Morak auf der Regierungsbank vertreten wird. (Ruf bei der ÖVP: Guter Mann!) Das ist auch ein gutes Symbol dafür, wofür die Bun­desregierung Geld hat: Für die Geburtstagsfeiern des Herrn Morak schon, für die Menschen, die im Winter frieren werden, nicht. – Das ist die Bilanz, die diese Bun­desregierung darstellt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Scheibner: Das ist eine Frechheit! Was war denn mit Häupl? ... Häupl-Geburtstagsfeier? – Abg. Amon: Letztklassig! – Abg. Murauer: Und das Sommerfest von Gusenbauer? Das zahlt auch der Steuerzahler! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Entgegen der Selbstbeweihräucherung des Herrn Finanzministers von heute Vormittag wird die Lage für immer mehr Menschen in Österreich immer härter und im kommenden Winter auch immer kälter. Wenn wir den letzten Armutsbericht hernehmen, dann sehen wir, dass dieser davon spricht ... (An­haltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Ich weiß, dass Sie das Schicksal der Menschen in Österreich nicht interessiert (Abg. Mag. Hakl: Doch! Doch!), das haben Sie schon mehrfach bewiesen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)


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78. Sitzung / Seite 102

Im Armutsbericht wird davon ausgegangen, dass rund eine Millionen Menschen in Österreich armutsgefährdet sind. Davon leben 310 000 Menschen in Österreich in akuter Armut. Ein Drittel der Armutsbevölkerung sind Kinder, und die Tendenz zur Armut verstärkt sich in Österreich leider immer mehr. Gerade die letzten Regelungen im Bereich der Pensionspolitik führen dazu, dass auf Grund der Nichtanpassung der Pensionen an die Teuerungsrate in den letzten Jahren eine Bruttopension von 1 000 € um rund 5,5 Prozent entwertet wurde, was bei einer solch geringen Pension allein zu einem jährlichen Verlust von über 800 € führt.

Es werden die letzten Beschlüsse über die Pensionskürzung und die noch an­stehenden Beschlüsse über die Pensionsharmonisierung dazu führen, dass die durch­schnittliche Männerpension in Österreich von rund 1 000 € weiter absinken und die durchschnittliche Frauenpension von 700 € auch noch weiter sinken wird. Das heißt: Immer mehr Menschen, vor allem ältere Menschen in Österreich, geraten immer mehr in die Armutsfalle. (Abg. Großruck: Sie lieben doch Moskau, Herr Gusenbauer! Abg. Ellmauer: Fahren Sie wieder einmal Boden küssen! – Abg. Scheibner: ... Papst­besuch ...!) – Ich weiß, Herr Kollege, Sie gehen ja davon aus, dass der Weihrauch des Herrn Finanzministers auch alle anderen wärmt und nicht nur ihn selber, aber damit werden Sie die sozialen Probleme der österreichischen Bevölkerung nicht bewältigen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die soziale Schieflage in Österreich wird immer größer, auch ausgedrückt dadurch, dass die realen Einkommen der Öster­reicherinnen und Österreicher in den letzten Jahren nicht steigen, sondern dass – ganz im Gegenteil – auf Grund der Belastungspolitik dieser Bundesregierung die realen Netto­einkommen der arbeitenden Bevölkerung heute auf dem Stand von 1996 angelangt sind. Das heißt: Obwohl die Menschen immer mehr arbeiten, immer härter arbeiten müssen, der Wettbewerb ein immer schärferer wird, sind die realen Nettolöhne auf das Jahr 1996 zurückgefallen.

Daher, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist von der heute Vormittag so unglaubwürdig betonten, aber viel strapazierten „sozialen Gerechtigkeit“ bei dieser schwarz-blauen Regierung überhaupt nichts zu spüren. Unter dieser Regierung wird ein Großteil der Bürger in Österreich ärmer, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.)

Es stellt die Armutskonferenz fest, dass in Österreich rund eine Milliarde € pro Jahr notwendig wäre, um die dringendsten Fälle von Armutsbekämpfung zu bewältigen. Eine Milliarde € würde ausreichen, um zumindest jenen 376 000, die in akuter Armut leben, zu helfen. (Abg. Großruck: 3 Milliarden macht die Steuerreform, nicht eine!) –Soll ich Ihnen etwas sagen, Herr Kollege Großruck? – Ihre Steuerreform hilft gerade diesen Menschen überhaupt nichts! (Abg. Großruck: ... zahlen keine Steuern mehr!) Sie hilft nur denjenigen, die es manchmal am wenigsten brauchen, und das ist das Problem an Ihrer Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade diese Menschen werden durch die verschiedensten Abgabenerhöhungen, Steuererhöhungen der vergangenen Jahre eminent betroffen. Gerade in Pensionisten-Haushalten, bei Menschen, die die Mindest­pension haben, bei Sozialhilfebeziehern sind die fixen Anteile für Wohnungs- und Heizkosten in einem viel, viel größeren Ausmaß schlagend als bei Menschen, die über ein höheres Einkommen verfügen.

So schrieb mir zum Beispiel ein Pensionist einen Brief, in dem er ausführte, er sei Mindestrentner – ich muss das glauben, was hier steht – und habe 557 € Frührente, dazu käme dann natürlich die Ausgleichszulage, er bezahle 173 € pro Monat Miete und habe Strom- und Gaskosten von 165 € sowie 25 € Telekommunikationskosten. Da


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stellt sich die Frage (Abg. Großruck: Wo lebt er?): Wovon leben diese Menschen? Was bleibt denen zum Leben übrig? (Abg. Großruck: Wenn er in Grieskirchen lebt, kriegt er einen Heizkostenzuschuss! Nicht aber in Wien!)

Genau für diese Menschen, meine sehr verehrten Damen und Herren, braucht man gerade dann, wenn ein kalter Winter zu erwarten ist, eine dementsprechende Unter­stützung. Daher brauchen wir einen Heizkostenzuschuss für jene Menschen in Österreich, die wirklich sozial bedürftig sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Heizkosten machen für viele Menschen einen großen Anteil am verfügbaren Einkommen aus, aber noch niemals zuvor sind die Heizkosten so stark gestiegen wie im vergangenen Jahr (Staatssekretär Morak: Das stimmt nicht!), noch nie zuvor so stark gestiegen! (Abg. Scheibner: In Wien vor allem!)

Mir hat eine Frau aus Gmünd – Herr Kollege Scheibner, wenn man mit den Menschen in Österreich spricht, erfährt man viel, ich würde Ihnen das auch empfehlen (Abg. Scheibner: In Wien die Stromkosten! Sehen Sie sich das einmal an! Strom und Gas!) – von ihren gestiegenen Heizölkosten erzählt und die Rechnung des ver­gangenen Jahres sowie jene von heuer geschickt. Dieser Aufstellung ist Folgendes zu entnehmen – es handelt sich um ein Zweifamilienhaus, daher Jahresverbrauchsmenge 4 000 Liter Heizöl –: Rechnung im vergangenen Jahr 1 490 €, Rechnung im heurigen Jahr 2 100 €. – Das sind um immerhin über 600 € binnen Jahresfrist mehr!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Art von Kostensteigerung für die ge­samte österreichische Bevölkerung, die natürlich diejenigen, die weniger verdienen, viel, viel weniger tragen können, einfach mit einer Handbewegung der Gering­schätzung so wegzuwischen, ist – soll ich Ihnen etwas sagen? – sozialer Zynismus und hat nichts mit sozial verantwortlicher Politik zu tun. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Interessant bei dieser Auseinandersetzung um die Heizkosten ist es, dass es nicht nur diejenigen trifft, die über größere Häuser oder Einfamilienhäuser verfügen, sondern bei einem durchschnittlichen Verbrauch, bei einem höchst durchschnittlichen Verbrauch kann man davon ausgehen, dass jeder österreichische Haushalt allein auf Grund der Energiepreissteigerungen mit mindestens 200 bis 300 € an Mehrkosten in diesem Jahr zu rechnen hat.

Jetzt werden Sie sagen: Da können wir nichts dafür, dass das Erdöl teurer wird! Was sollen wir dagegen unternehmen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! An den gestiegenen Ölpreisen verdienen viele, das ist richtig. Es verdienen daran die internationalen Erdölkonzerne, es verdie­nen daran die Produzentenländer, es verdienen daran auch die internationalen Spe­kulanten an den Rohstoffbörsen. Aber einer, der ganz vehement an den gestiegenen Rohölpreisen verdient, das ist der Herr Finanzminister. Das ist derjenige, der jeden Tag nur bei der Kasse sitzen und von dem, was die Österreicherinnen und Österreicher mehr bezahlen, seinen Anteil einkassieren muss.

Wie aus den eigenen Angaben des Finanzministeriums hervorgeht, wird es allein aus dem Titel der Preissteigerungen für Öl und Benzin in diesem Jahr zu Zusatz­ein­kommen von 270 Millionen € kommen. Dazu kommen noch die Abgabenerhöhungen im Bereich von Kohle und Koks, die Sie eingeführt haben, sodass allein aus diesem Titel der Finanzminister heuer 400 Millionen € zusätzlich einnimmt. Meine sehr ver­ehrten Damen und Herren! Das sind immerhin über 5 Milliarden Schilling, mit denen er nicht rechnen durfte, die auch nicht im Budget stehen. Das sind 5 Milliarden Schilling, die seine Dividende dabei sind, dass die Energiepreise so hoch sind und dass er seinen Anteil davon kassiert.


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78. Sitzung / Seite 104

Herr Klubobmann Molterer! Wenn Sie dann in der „Pressestunde“ sagen: Heizkosten­zuschuss – alles gut und schön, aber darum sollen sich doch die Länder kümmern, denn die sind dafür zuständig!, dann muss ich sagen: Das ist schon eine unverant­wortliche Vorgangsweise! Auf der einen Seite als Bund alle Mehreinnahmen zu kassieren und dann gleichzeitig zu sagen, aber um die soziale Stützung sollen sich gefälligst die Länder kümmern (Abg. Mag. Molterer: Die Länder haben nichts?), so einfach, meine Damen und Herren, kann sich die Regierung nicht aus der Verant­wortung stehlen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wenn Sie, Herr Molterer, sagen, die bekämen auch einen Teil der Einnahmen, dann würde ich Ihnen Folgendes raten: Nehmen Sie Nachhilfestunden bei Ihrem ober­öster­reichischen Landeshauptmann Pühringer, der öffentlich gesagt hat, Länder und Gemeinden bekommen 14 Prozent der Einnahmen, den Rest bekommt der Bund! Daher fordert er, dass die Bundesregierung zumindest die Hälfte eines bundes­einheitlichen Heizkostenzuschusses bezahlt, weil dort auch die zusätzlichen Einnah­men anfallen.

Herr Abgeordneter Molterer! Da würde ich sagen: Gehen Sie zu Ihrem Landes­hauptmann, lassen Sie sich von ihm erklären, wie das zu finanzieren ist! Er hat in diesem Fall offensichtlich eine realistischere Sichtweise als Sie, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Scheibner: Gibt es jetzt einen Heizkostenzuschuss in Wien oder nicht?)

Ich bin wirklich dankbar dafür, dass Herr Klubobmann Molterer sofort Häupl und Wien erwähnt. Das ist eine ganz glänzende Gelegenheit, meine sehr verehrten Damen und Herren, die permanente Miesmache, die von den Regierungsfraktionen in Bezug auf Wien immer durchgeführt wird, einmal klarzustellen. Zum Unterschied von allen ande­ren Bundesländern (Zwischenrufe bei der ÖVP) – hören Sie zu und informieren Sie sich! – gibt es in Wien automatisch für alle Sozialhilfebezieher – und für diese ist das Land zuständig – eine Heizbeihilfe von 67,24 € pro Monat über die gesamte Heiz- und Winterperiode.

Sie sollten sich am sozialen Wien ein Beispiel nehmen, Herr Klubobmann Molterer, anstatt hier dauernd zu polemisieren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Molterer.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kein anderes Bundesland – kein einziges anderes Bundesland! – leistet so hohe Heizbeihilfen, wie das die Bundeshauptstadt Wien für die Schwächsten der Bevölkerung tut. Sie sollten sich an die eigene Nase fassen, wenn Sie immer versuchen, die Probleme abzuschieben. Wien hat seinen Beitrag geleistet.

Herr Klubobmann Molterer! Wir sind uns doch einig darüber, dass die Situation der Pensionisten, die Situation der Notstandshilfebezieher, die Situation der Bezieher von kleinen Einkommen keine Angelegenheit der Sozialhilfe ist, sondern dass das eine gemeinsame Bundesangelegenheit ist.

Und ich frage Sie: Wieso sind Sie so knausrig? Wieso wollen Sie nicht von den 400 Millionen € Mehreinnahmen, die nicht einmal im Budget stehen, die bei Ihnen einfach so hereingeflattert sind auf Grund der hohen internationalen Ölpreise, den Schwächsten der Bevölkerung 150 Millionen € in Form eines bundeseinheitlichen Heizkostenzuschusses zurückgeben? Es bleiben Ihnen noch immer 250 Millionen € übrig, die nicht im Budget stehen, mit denen Sie nie rechnen durften und die im Übrigen von der Gesamtheit der österreichischen Bevölkerung über die höheren Energie- und Ölpreise finanziert werden. Es ist ohnehin nur ein Teil, den wir verlangen, ein Teil für diejenigen, die es am allerdringendsten brauchen.


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78. Sitzung / Seite 105

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man sollte dabei auch nicht die büro­kratischen Hürden zu hoch machen. Zum Beispiel hat es auf Antrag der Sozial­demokratie in der Heizperiode 2000/2001 – seinerzeit hat die Regierung noch ein­gelenkt – den Beschluss hinsichtlich Gewährung eines Heizkostenzuschusses gege­ben. Aber ich muss Ihnen sagen, meine Damen und Herren: Die Volksanwalt­schaft hat geprüft, wie mit diesem Heizkostenzuschuss umgegangen wurde. Auf Grund der komplizierten Regelungen, der Antragstellung, der kurzen Antragsfrist sind im Ergebnis nur 18,9 Prozent – ich betone: 18,9 Prozent! – des beschlossenen Heizkosten­zuschus­ses ausbezahlt worden, weil ein Großteil derjenigen, die möglicherweise anspruchs­berechtigt gewesen wären, überhaupt nicht darüber informiert wurden, dass sie diese Möglichkeit haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hat die Volksanwaltschaft einstimmig in ihrem Bericht dem Parlament vorgeschlagen, dass, sollte es in Zukunft wieder zu einem Heizkostenzuschuss kommen, die Pensionsversicherungsträger angewiesen werden sollten, diesen Heizkostenzuschuss automatisch mit den Pensionszahlungen für den vereinbarten Zeitpunkt zu überweisen, damit die Menschen, die es brauchen, nicht an bürokratischen Hürden scheitern, sondern tatsächlich dazu kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was wir Sozialdemokraten heute for­dern, ist nicht ungebührlich. Der Winter wird hart, der Winter wird kalt, die Heizkosten der österreichischen Bevölkerung explodieren, und die Ärmsten der Armen werden es sich nicht leisten können. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Und ich sage Ihnen: Wenn Sie hier arrogant lachen, dann tragen Sie die Verantwortung dafür, dass unter Umständen Hunderttausende Menschen in diesem Land im Winter frieren! – Wir wollen das nicht tun, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen, dass es unter Anrechnung dessen, was die Länder tun – und da können sich alle an der eigenen Nase fassen und an Wien ein Beispiel nehmen –, einen bun­deseinheitlichen Heizkostenzuschuss in der Höhe von 40 € pro Monat für die gesamte Winterperiode gibt, für all jene Menschen, wie im Antrag formuliert, die in einer schwierigen sozialen Lage sind. Das verursacht pro Monat (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch) – Herr Kollege Scheuch, nicht einmal – für die gesamte Heiz­periode Kosten, die bedeutend geringer sind als die Zusatzeinnahmen des Finanz­ministers aus gestiegenen Rohölpreisen, aus gestiegenen Benzinpreisen und aus zusätzlichen Steuern allein in diesem Bereich.

Wenn Sie nur ein Quäntchen – ein Quäntchen! – von sozialem Mitgefühl haben, nur ein Quäntchen von sozialer Gerechtigkeit und nicht, so wie üblich, über das Schicksal der österreichischen Bevölkerung nur drüberfahren wollen, dann sollten Sie diese Maßnahme für die Ärmsten der Armen in unserem Land setzen. Es wäre nur fair, und es ist finanzierbar. Geben Sie sich einen Ruck, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.20

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich Herr Staatssekretär Morak zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


15.21

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Parlament ist ein arbeitsteiliges Organ, wie wir gehört haben: Die einen sind zuständig für das Herbeireden von Katastrophen, wir sind dafür zuständig, dass sie nicht stattfinden – durch unsere Politik, in der wir starke Signale senden und wirksame Handlungen setzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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78. Sitzung / Seite 106

Selbstverständlich, Herr Dr. Gusenbauer, passen Ihre Ausführungen perfekt auf die soziale Situation, aber nicht auf die derzeitige, sondern auf die, die diese Bundes­regierung im Jahr 2000 vorgefunden hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Aber geh, bitte! – Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist ja unglaublich! Einen nicht kompetenten Staatssekretär herschicken ist eine Provokation!)

Wir fanden große Probleme im Sozialsystem, keine Mindestsicherungselemente, Armut trotz Arbeit, mangelhafte Integrationspolitik auf dem Arbeitsmarkt, junge – junge! – teilweise allein erziehende Frauen ohne Existenzsicherung für sich und ihre Kinder, ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Morak, Sie haben eine bekannt starke und professionelle Stimme. Ich bitte Sie fortzusetzen! (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.)

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak (fortsetzend): Danke für die Hilfe, Herr Präsident!

... ein Pensionssystem, das den Herausforderungen der Zukunft nicht gewachsen war. Wir haben diese Probleme erkannt und begonnen, durch soziale, faire und gerechte Maßnahmen allen Bürgern in unserem Land Sicherheit zu geben und Perspektiven zu eröffnen.

Lassen Sie mich nur einige dieser Maßnahmen exemplarisch aufzeigen: Steuerreform, besonders für kleine und mittlere Einkommen, aktive Arbeitsmarktpolitik (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – Abg. Murauer: Bravo, sehr gut!), Absicherung der Pen­sionssysteme durch Reform und Verbreiterung der zweiten und dritten Säule, Hospizkarenz zur Absicherung pflegender Angehöriger, Kinderbetreuungsgeld auch für nicht berufstätige Mütter, Erhöhung und Ausdehnung der Familienbeihilfe, außer­ordentliche Erhöhung der Ausgleichszulagenrichtsätze. (Ruf bei der SPÖ: Das ist eine Provokation!)

Erstens: Zur Steuerreform. Die in zwei Etappen angelegte große Tarifreform garantiert, dass alle Steuerpflichtigen im Verhältnis 2003 zu 2005 zwischen 679 € und 144 € pro Jahr entlastet werden. Der Schwerpunkt der Entlastung wurde bei kleineren und mitt­leren Einkommen gesetzt.

Mit der Erhöhung der Steuerfreigrenze für Jahresbruttoeinkommen bis 14 500 € bereits ab 1.1.2004 zahlen bereits jetzt rund 2,4 Millionen Steuerpflichtige keine Ein­kom­men­steuer mehr. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Insgesamt profitieren davon 1,65 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, 730 000 Pensionisten und 60 000 Selbständige. (Ruf bei der SPÖ: Das ist ja unglaublich!)

Rund 200 000 Steuerpflichtige werden durch diese Maßnahme zusätzlich bereits heuer steuerfrei gestellt. Damit sind mehr als 40 Prozent der unselbständig Erwerbstätigen inklusive Pensionisten nicht mehr steuerpflichtig.

Im kommenden Jahr werden noch einmal zusätzlich 150 000 Personen steuerfrei gestellt. Alle Einkommen bis 10 000 € sind steuerfrei. Das entspricht einem Brutto­jahreseinkommen eines Arbeitnehmers von 15 770 € statt 14 500 € im Jahr 2004, bei Selbständigen einem Jahreseinkommen von 8 888 € und bei Pensionisten einem Jahresbruttoeinkommen von 13 500 € gegenüber 12 500 € im Jahr 2004. Das heißt, 2 550 000 Steuerpflichtige zahlen keine Einkommensteuer beziehungsweise Lohn­steuer. Trotzdem werden sie über die so genannte Negativsteuer mit etwa 35 Mil­lionen € entlastet. (Abg. Silhavy: Gratuliere! Das ist Ihr Verständnis von Sozialpolitik! – Abg. Öllinger: Was wollen Sie uns damit sagen?)


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78. Sitzung / Seite 107

Die Steuerreform hilft aber auch den Familien, besonders den Alleinverdienern und AlleinerzieherInnen. Wir unterstützen damit 2,3 Millionen Familien in Österreich, 900 000 Alleinverdiener und davon 100 000 AlleinerzieherInnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die konkreten Maßnahmen in diesem Bereich sind Kinderzuschlag zum Allein­ver­diener(erzieher)absetzbetrag – gilt rückwirkend ab 1. Jänner 2004 –, Anhebung der Zuverdienstgrenze beim Alleinverdienerabsetzbetrag von 4 400 auf 6 000 € – gilt rückwirkend ab 1. Jänner 2004 – und Anhebung der Pendlerpauschale um etwa 15 Prozent, davon profitieren 690 000 Pendler, und auch das gilt rückwirkend mit 1. Jänner 2004. (Ruf bei der SPÖ: Was hat das mit den Heizkosten zu tun?) – Ist Ihnen das unangenehm? – Gut. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Denken Sie an Ihr Finanzkonzept und seien Sie etwas ruhiger!

Insgesamt ergibt dies folgende Auswirkungen der Steuerreform auf die Bevölkerung: Die Entlastung durch den neuen Einkommensteuertarif bringt den weiblichen Steuer­pflichtigen einen Einkommenszuwachs von annähernd 2 Prozent, den männlichen Steuerpflichtigen von zirka 1,5 Prozent. (Abg. Silhavy: Das ist blamabel!) Durch die Steuerreform werden insgesamt 1 050 000 Pensionistinnen und Pensionisten mit 450 Millionen € entlastet, das heißt im Durchschnitt mit über 200 € – wobei etwa die Hälfte der Pensionisten überhaupt keine Steuern mehr bezahlt, das sind 90 000 bis 100 000 zusätzlich. (Beifall bei der ÖVP.)

Lassen Sie mich hier ein konkretes Beispiel bringen: Ein Pensionist mit einer monat­lichen Pension von 900 € zahlte bisher 40 € Lohnsteuer, er bezahlt heuer auf Grund der ersten Etappe der Steuerreform nur noch 4 € Lohnsteuer und ab 2005 gar keine Lohnsteuer mehr – das ist eine Ersparnis von 482 € pro Jahr! Das sind mehr als die von Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, geforderten 40 € pro Monat. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Matznetter: Mindestrentner, Herr Staatssekretär!)

Arbeitsmarktpolitik: Die Bundesregierung setzt auf eine konsequente Arbeitsmarkt­politik zur Gewährleistung des Vollbeschäftigungspfades. Im Jahr 2003 erreichten die Mittel für aktive und aktivierende Arbeitsmarktpolitik mit dem Rekordbudget von ins­ge­samt rund 1 400 Millionen € das bisher höchste Niveau in Österreich, das im Jahr 2004 um weitere rund 100 Millionen € überschritten wird.

Auch bei der absehbaren Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wird im Doppelbudget 2005/2006 das erreichte Niveau gehalten, um den arbeits­markt­politischen Turnaround sicherzustellen. Es ist auch gewährleistet, dass die mit der Lissabon-Strategie 2002 angepeilte Perspektive erreicht wird. Aber auch schon gegen­wärtig hat Österreich eine international herzeigbare und beachtete Position.

Familienpolitik: Mit 1. Jänner 2002 trat das Kinderbetreuungsgeldgesetz in Kraft. Damit erhalten Eltern für ihre ab 1. Jänner 2002 geborenen Kinder bis maximal zur Voll­endung des 36. Lebensmonates Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von € 14,53 pro Tag, darüber hinaus gebührt sozial schwachen Eltern und AlleinerzieherInnen ein Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 6,06 € pro Tag.

Seit dem 1. Jänner 2004 gebührt zusätzlich zum Kinderbetreuungsgeld bei Mehrlings­geburten ein Erhöhungsbetrag in der Höhe von 50 Prozent des Grundbetrages für das zweite und jedes weitere Kind. Die OECD hat festgestellt, dass durch diese Maßnahme 21 Prozent der armutsgefährdeten Familien, deren jüngstes Kind zwischen eineinhalb und zweieinhalb Jahre alt ist, durch das Kinderbetreuungsgeld über das Existenz­minimum gehoben werden.

Aber auch darüber hinaus wurden in den letzten Jahren Familienleistungen immer wie­der angehoben, wobei in Bezug auf Familienbeihilfe und Mehrkinderzuschlag auf folgende Leistungserweiterungen hinzuweisen ist:


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78. Sitzung / Seite 108

Ab 1. Jänner 2003 wurde bei der Gewährung der Familienbeihilfe eine zusätzliche Alterstaffelung eingeführt. Demzufolge wurde ab dem Monat, in dem ein Kind das dritte Lebensjahr vollendet hat, die Familienbeihilfe um 7,3 € pro Monat angehoben. Seitens des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen werden hiefür fast 130 Millionen € jährlich bereitgestellt.

Auch der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder wurde ab 1. Jänner 2003 um 7,3 € pro Monat angehoben. Für den Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen ergibt sich hiedurch ein Aufwand von fast 5 Millionen € jährlich. Für kinderreiche Familien wird zusätzlich zur Familienbeihilfe ein einkommensabhängiger Mehrkinderzuschlag geleistet. Dieser wurde mit 1. Jänner 2002 erhöht und beträgt nunmehr 36,4 € für das dritte und jedes weitere Kind. Das Familieneinkommen darf dabei einen bestimmten Jahresbetrag nicht überschreiten.

Eines muss zum Schluss zu den Heizkostenzuschüssen ganz klar gesagt werden (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Bravo! „Schluss“ ist gut!): Wir sprechen beim Heizkosten­zuschuss über eine Leistung, die in der österreichischen Bundesverfassung in die Zuständigkeit der Länder fällt. (Abg. Dr. Gusenbauer: Stimmt ja gar nicht!) Artikel 12 Bundes-Verfassungsgesetz sieht die Durchführung des Sozialwesens ausdrücklich bei den Ländern. Es muss auch klar gesagt werden, dass die Mehrzahl der Länder ihre Verantwortung in diesem Bereich wahrnimmt. Beispielsweise seien hier die Steiermark, Vorarlberg oder Kärnten genannt, die bis zu 150 €, teilweise bis weit über den Ausgleichszulagenrichtsatz, leisten. (Abg. Mag. Molterer: Bravo!)

Diese von der Verfassung vorgesehene Aufgabenteilung hat ihren Sinn. Gerade für Sozialleistungen, die nach Bedarf und nicht nach dem Prinzip der Gießkanne verteilt werden sollten, ist es notwendig, nahe am Bezieher zu sein, wenn sie den Bedürftigen erreichen sollen. Sie können in Wien nicht feststellen, unter welchen Verhältnissen die allein erziehende Invaliditätsrentnerin im Montafon lebt, genauso müssen sie die unterschiedlichen Sozialleistungen in den Ländern berücksichtigen. Denken Sie da an die länderweise unterschiedlichen Regelungen von Mietzinsbeihilfen, Wohnbeihilfen, Sozialhilfen und so weiter! (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Hier als Bundesgesetz­geber alles über einen Kamm zu scheren, das wäre ineffizient und ungerecht. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dolinschek.)

Meine sehr geehrten Abgeordneten! Wie ich dargelegt habe, hat diese Bundes­regie­rung ihre soziale Verantwortung in den letzten Jahren wahrgenommen. Auch fast alle Bundesländer tun dies in hervorragender Weise.

Herr Dr. Gusenbauer! Bevor Sie also einen solchen Antrag einbringen, würde ich Ihnen empfehlen, sich mit Ihren eigenen Landeshauptleuten zu koordinieren. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Diese wissen, was zu tun ist, und tun es auch. Das, was hier als Antrag vorliegt, entbehrt nicht einem gewissen Populismus. (Abg. Mandak: Das sagen gerade Sie!)

Es scheint mir vielmehr ein Misstrauensantrag gegen Landeshauptmann Niessl, Lan­deshauptfrau Burgstaller und Bürgermeister Häupl zu sein, denen sie offensichtlich nicht zutrauen, ihre Aufgaben wahrzunehmen (Abg. Dr. Gusenbauer: Unerhörte Dummheit!) und hier sozial gerechte Lösungen zu finden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

15.34

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 



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78. Sitzung / Seite 109

15.34

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Lesung über die wunderbaren Wirkungen oder Auswirkungen der Steuerreform zwar wunderschöne Beispiele gebracht, aber nicht zum Thema gesprochen. (Rufe bei der SPÖ: Genau!) Das Thema ist ein Heiz­kostenzuschuss für Personen, die gar nicht von der Steuerreform erfasst werden. (Abg. Dr. Fekter: Sie haben es nicht begriffen!) Sie haben leider in Ihrer Rede, Herr Staats­sekretär, Ihre Inkompetenz in dieser Frage bewiesen. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Präsident! Deshalb stelle ich den Antrag auf Beiziehung des Bundeskanzlers und des Sozialministers. Diese beiden wissen ja hoffentlich, worum es in dieser Sache gehen sollte. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

15.35

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zur Geschäftsbehandlung hat sich als Nächster Herr Klubobmann Mag. Molterer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.35

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Ich habe der Rede des Herrn Kollegen Gusenbauer entnommen, dass er breiten Raum seiner Rede nicht dem Thema „Heizkostenzuschuss“, sondern dem Thema „soziale Lage“ gewidmet hat. (Abg. Bures: Da haben Sie nicht zugehört!) Es ist daher völlig logisch, dass der Staatssekretär in seiner Antwort genau diese Gewichtung vorgenommen hat (Abg. Öllinger: Nein!) – einerseits auf die Frage der ausgewogenen und fairen Sozialpolitik durch diese Bundesregierung hinzuweisen und andererseits auch sehr klar zur Frage des Heizkostenzuschusses Stellung zu nehmen.

Ich denke, dass genau diese Vorgangsweise absolut okay ist. Ich habe daher kein Ver­ständnis für einen Antrag auf Beiziehung des Bundeskanzlers. Er ist exzellent durch seinen Staatssekretär Franz Morak vertreten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen.)

15.35

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

 


15.36

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Hohes Haus! Der Herr Staatssekretär hat sich exakt mit dem Thema auseinander gesetzt, das heute zur Debatte gestanden ist. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Der Herr Staatssekretär hat natürlich auf die Ausführungen des Erstredners der Sozialis­tischen Partei, des Herrn Abgeordneten Gusenbauer Bezug genommen. Er hat sich eindeutig mit der wirtschaftlichen Lage auseinander gesetzt und mit den Einkom­mensverhältnissen – mit all dem, was Herr Abgeordneter Gusenbauer zum Haupt­thema seines Redebeitrages gemacht hat.

Es ist daher überhaupt nicht gerechtfertigt, Kritik an den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs zu üben. Eine Herbeiberufung des Herrn Bundeskanzlers ist absolut unnotwendig, weil der Herr Staatssekretär alle aufgeworfenen Themen und Fragen beantwortet hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.36

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Klubobmann Dr. Cap. – Bitte.

 



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78. Sitzung / Seite 110

15.37

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Wir kennen Herrn Staatssekretär Morak als glänzenden Schauspieler aus dem Burgtheater. (Abg. Mandak: Es ist besser, wenn er nicht mehr spielt!) Wir wissen, dass er imstande ist, komplizierte Rollen auswendig in langen Stücken zu präsentieren. Wenn er heute den Text ausschließlich vorgelesen hat, dann hat er damit dargestellt, wie wenig er sich mit dieser Materie jemals in seinem Leben auseinander gesetzt hat. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Genau so ist es!)

Wenn Herr Klubobmann Molterer sagt, dass der Herr Bundeskanzler durch Herrn Staatssekretär Morak exzellent vertreten ist, dann kann ich dazu nur sagen: Diese Kritik hat sich nicht einmal der Herr Bundeskanzler verdient! (Heiterkeit bei der SPÖ sowie Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es ist schon ein Signal und eine Symbolik, dass es, wenn es hier um die Frage des Heizkostenzuschusses geht, der Herr Bundeskanzler nicht für wert hält, selbst von der Regierungsbank aus die Fragen zu beantworten beziehungsweise selbst hier Stellung zu nehmen, sondern dass er seinen Kunststaatssekretär hierher schickt. Daher unterstützen wir den Antrag des Abgeordneten Öllinger. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Brinek: Das ist Länderkompetenz!)

15.38

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Meine Damen und Herren! Herr Abgeord­neter Öllinger hat folgenden Antrag zur Geschäftsbehandlung gestellt:

Der Nationalrat wolle im Sinne des § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Anwesenheit des Bundeskanzlers verlangen.

Eine Debatte über diesen Antrag wurde nicht verlangt. Wir kommen daher sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies die Minderheit, und somit ist der Antrag abgelehnt.

Wir setzen in der Debatte fort.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist mit einer tatsächlichen Berichtigung Herr Abgeordneter Schultes. Beginnen Sie, bitte, mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung! (Abg. Neugebauer: Herr Staatssekretär! Hervorragende Arbeit! Bes­tens! – Demonstrativer Beifall der Abgeordneten Neugebauer und Dr. Brinek in Bezug auf den Zwischenruf des Abg. Neugebauer.)

 


15.38

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Abgeordneter Gusenbauer hat gesagt: Nehmen Sie sich ein Bei­spiel an Wien! Kein anderes Bundesland hat einen Heizkostenzuschuss. (Ruf bei der SPÖ: In dieser Höhe!)

Ich berichtige tatsächlich: In Niederösterreich wurde gestern in der Landesregierungs­sitzung unter Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll ein Heizkostenzuschuss für alle bedürftigen ... (Abg. Bures: Das ist keine tatsächliche Berichtigung! Er hat nichts von Niederösterreich gesagt!) – Zuhören! Dann wissen Sie es. Er hat gesagt ... (Abg. Dr. Gusenbauer: Wiedergabe der falschen Aussage!) Herr Präsident, darf ich das ausführen? (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Noch einmal! Die tatsächliche Berichtigung ist, Herr Gusenbauer hat gesagt: Nehmen Sie sich ein Beispiel an Wien! Kein anderes Bundesland hat so einen Heizkosten­zuschuss! (Abg. Dr. Gusenbauer: Was soll das?)


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78. Sitzung / Seite 111

Ich berichtige, dass Niederösterreich in der Landesregierungssitzung für alle Nieder­österreicher, die das brauchen, also für alle unter dem Richtsatz für die Aus­gleichszulage, einen Heizkostenzuschuss von 50 € beschlossen hat. (Abg. Bures: Das ist nicht zu berichtigen! – Abg. Silhavy: Das ist wenig!)

Nehmen Sie das zur Kenntnis! Es ist geschehen. Ihre Kollegen haben das auch mitbeschlossen und freuen sich. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) Wir haben Respekt vor der Zuständig­keit des Landes. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

15.40

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bures. – Bitte.

 


15.40

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn das Thema des heutigen Dringlichen Antrages zur Einführung eines bundeseinheitlichen Heizkostenzuschusses nicht so ernst wäre, Herr Staatssekretär, dann könnten Sie einem fast Leid tun, denn Ihr Auftritt heute hier war so traurig und hat vor Ahnungslosigkeit gestrotzt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute etwas, bei dem es darum geht, dass wir einen bundeseinheitlichen Heizkostenzuschuss einführen, der höchst notwendig wäre. Das wäre eine höchst notwendige Unterstützung. Meiner Auffassung nach stellt das fast eine sozialpolitische Verpflichtung dar. Wir erleben aber gleichzeitig ein Trauerspiel auf der Regierungsbank. Dass es zu so einem Thema Herr Staatssekretär Haupt nicht einmal wert findet, ins Hohe Haus zu kommen und Rede und Antwort zu stehen, ist ungeheuerlich. (Abg. Scheibner: Seit wann ist der Haupt Staatssekretär?)

Folgendes ist aber auch ungeheuerlich: Er hat eine Staatssekretärin. Wo ist Frau Staatssekretärin Haubner? – Sie ist heute auch nicht hier. (Abg. Neudeck: Es war die ganze Regierung da!) Wir hätten aber auch gerne mit Herrn Energieminister Bartenstein über die Energiepreise diskutiert. Der hat heute auch die Flucht ergriffen. (Abg. Grillitsch: 8 Prozent Strompreiserhöhung in Wien!) Wir hätten aber auch ganz gerne mit dem Finanzminister, der sich an Mehreinnahmen vergnügt, über den Heiz­kostenzuschuss diskutiert. Aber er ist wahrscheinlich erschöpft von seinen Schönreden am Vormittag. Herrn Staatssekretär Finz gibt es auch nur dann, wenn er irgendwelche Homepage-Bescheinigungen abzuliefern hat, wofür sich dann der Herr Finanzminister noch bedankt.

Den Herrn Bundeskanzler hätten wir heute ebenfalls gerne hier gehabt, um mit ihm dieses sozialpolitische Thema zu diskutieren, aber ihn kennen wir. (Abg. Grillitsch: Plus 8 Prozent!) Von Herrn Bundeskanzler Schüssel ist bei sozialpolitischen Themen natürlich keine Spur. Aber wir haben ja dafür Herrn Kunststaatssekretär Morak heute hier.

Herr Morak, ich finde, Ihre Ausführungen und Ihr Lächeln auf der Regierungsbank heute haben eigentlich nur gezeigt, dass Ihnen dieses Thema völlig egal ist. Das Traurige daran ist, dass die Menschen und die Schicksale, die dahinter stehen, Ihnen, der ÖVP und dem Bundeskanzler offensichtlich völlig Wurscht sind. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Neugebauer: An Ahnungslosigkeit nicht mehr zu überbieten!)

Weil wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen das so wichtig finden, möchte ich noch einmal unseren Vorschlag formulieren. Die SPÖ fordert einen unbürokratischen, bundeseinheitlichen Heizkostenzuschuss von monatlich 40 € für die Monate Oktober


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78. Sitzung / Seite 112

bis April für jene Menschen, die ein Einkommen von unter 875 € haben (Abg. Neu­deck: So wie wir es bis 1999 gehabt haben!), beziehungsweise für Familien, die mit einem Einkommen von unter 1 015 € das Auslangen finden müssen. (Abg. Grillitsch: Fragen Sie Häupl in Wien!)

Ich möchte Sie sehen, Herr Kollege, wie viele Tage Sie von dem Geld leben, von dem ganze Familien einen ganzen Monat lang tatsächlich leben müssen. (Abg. Neudeck: Ich habe dasselbe wie Sie, sogar weniger!)

Wir haben zu unserem Vorschlag auch einen ganz klaren Finanzierungsvorschlag. Der Finanzminister hat im Jahr 2004 durch die gestiegenen Energiepreise 270 Millionen € an Mehreinnahmen. Der Finanzminister hat 135 Millionen € an Mehreinnahmen durch die Erhöhung der Kohle- und Erdgasabgabe. Das ist eine Maßnahme, eine Steuer­erhöhung, die Sie zu verantworten haben! Diese hat es 2000 in dieser Höhe nicht gegeben. Das hat diese Regierung 2003 eingeführt. Daher haben Sie Mehreinnahmen von 405 Millionen €.

Da wäre es nur würdig und recht (Abg. Großruck: „In Wahrheit ist es würdig und recht“!), einen Teil davon, nämlich rund 168 Millionen €, die die Kosten für den Heiz­kostenzuschuss ausmachen, den bedürftigen Menschen zur Verfügung zu stellen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.)

Herr Staatssekretär! Da Sie die Lebenssituation der Menschen, die 2004 leben, nicht kennen, möchte ich Ihnen sagen, warum dieses Thema auch heute noch so besonders dringlich ist: nicht nur, weil es kalt wird und man tatsächlich heizen muss – Sie können es sich anscheinend nicht vorstellen, wie es ist, in einer ungeheizten Wohnung auch nur ein paar Tage leben zu müssen –, sondern auch deshalb, weil wir in Österreich die höchsten Energiepreise haben – unter anderem auch wegen der höchsten Steuern in diesem Bereich, für die Sie verantwortlich sind. (Abg. Großruck: Wieso kommen die Deutschen immer zu uns tanken?)

Wir haben in Österreich die höchste Arbeitslosigkeit in der Zweiten Republik. 253 747 Menschen in diesem Land haben mit heutigem Tag keine Arbeit und sind auf Arbeitsuche. Herr Staatssekretär! Im Vergleich zum Jahr 2000 sind das um 35,8 Pro­zent mehr Arbeitslose, die diese Regierung zu verantworten hat und die heute Probleme haben, ihre Heizkosten finanzieren zu können.

Wir haben in Österreich 310 000 Menschen, die arm sind. Nach dem Armutsbericht sind 876 000 Menschen armutsgefährdet, 88 000 Menschen beziehen Notstandshilfe, und die Tendenz ist durch Ihre falsche Sozialpolitik traurigerweise steigend. Das ist die sozialpolitische Bilanz dieser schwarz-blauen Regierung, und das ist der Beweis dafür, dass tatsächlich eine soziale Schieflage vorliegt.

Doch was machen Sie? – Sie stellen sich hier arrogant her und sagen: Nein! Keinen Cent für Heizkostenzuschüsse, keinen bundeseinheitlichen Heizkostenzuschuss.

Sie haben aber auch in der Vergangenheit keine einzige Maßnahme gesetzt, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Sie haben keine einzige Maßnahme gesetzt, die tatsächlich zur Armutsbekämpfung führen wird. Ganz im Gegenteil! Das, was Sie tun, ist, Pensionen zu kürzen. In Wirklichkeit wird dadurch die Altersarmut gesteigert. Das ist Ihre sozialpolitische Bilanz, die Sie auf dem Rücken der Schwächsten in dieser Gesellschaft austragen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wissen Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin ein optimistischer Mensch und denke, es muss immer so etwas wie Hoffnung geben. Ein notwendiger Kurswechsel in diesem Land würde vielen Menschen wieder Hoffnung geben, dass es auch wieder Politik mit sozialem Gewissen gibt. Weil ich ein positiver Mensch bin, will ich mir nicht vorstellen, dass Ihnen die Menschen mit ihren Problemen völlig egal sind,


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78. Sitzung / Seite 113

ich will mir nicht vorstellen, dass es Ihnen völlig egal ist, ob Menschen, Pensionisten, Familien zeitweise in ungeheizten Räumen leben müssen, und ich will mir nicht vor­stellen, dass Sie alle Mehreinnahmen abkassieren, ohne wenigstens einen Teil dieser Mehreinnahmen jenen Menschen zurückzugeben, die sie tatsächlich brauchen.

Daher richte ich einen ganz offenen Appell an Sie, noch einen letzten Funken an sozialem Gewissen an den Tag zu legen. Ich möchte mich Dr. Alfred Gusenbauer anschließen, der gesagt hat: Geben Sie sich einen Ruck und stimmen Sie einem bundeseinheitlichen Heizkostenzuschuss zu!

Diesen letzten Funken an sozialem Gewissen haben Sie, so hoffe ich, doch noch. Bitte, stimmen Sie zu! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mandak.)

15.47

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. – Bitte.

 


15.47

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich gebe zu, ich wäre wirklich überrascht, wenn ich aus den Ereignissen rund um diesen Dringlichen Antrag erfahren hätte, was die SPÖ wirklich will. (Abg. Gradwohl: Was können Sie? Lesen können Sie nicht! Zuhören können Sie nicht!) Sie stellen einen Antrag, in dem Sie über zwei Seiten mit zum Teil über drei Jahre alten Daten zur sozialpolitischen Lage argumentieren, und wundern sich, wenn Sie vom Staatssekretär eine Antwort, eine klare Antwort hinsichtlich der sozial­politischen Lage und der Maßnahmen dieser Bundesregierung bekommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie stellen einen Dringlichen Antrag, der in die Landtage gehören würde (Abg. Öllin­ger: Nein!), Sie bekommen eine Belehrung über die tatsächliche Kompetenz­situation, und Sie sagen nicht: Wir haben uns geirrt, wir ziehen das zurück und missbrauchen diese Stunde nicht dafür, einen Einführungskurs in Politische Bildung und Kompetenz­verteilung der Bundesverfassung zu bekommen! (Abg. Dr. Puswald: Missbrauch?! Wissen Sie, wovon Sie reden? – Abg. Dr. Gusenbauer: ... auf diese Schmieren­komödie einsteigen! Das ist unglaublich!)

Ich würde an Ihrer Stelle in den Bundesrat gehen und dort über die Kompetenz­änderung, die Sie offenbar vorhaben, diskutieren. Das tun Sie aber alles nicht, daher möchte ich es noch einmal in aller Kürze darlegen. (Abg. Dr. Puswald: Sie sind ahnungslos, Herr Kollege!)

Aufgabe der Länder ist es, vor Ort bei den Bürgerinnen und Bürgern zu entscheiden und rasch Hilfe dort zu bringen, wo es notwendig ist. Aufgabe des Bundes ist es, die Rahmenbedingungen zu schaffen (Abg. Dr. Puswald: Schaffen Sie sie!) durch eine Einkommens- und Entlastungspolitik, wie Sie sie heute Vormittag gehört haben, nämlich durch Kinderbetreuungsgeld und erhöhte Familienbeihilfe, durch die größte Steuersenkung der Zweiten Republik, ohne Erhöhung der Grundsteuern und ohne Erhöhung von Krankenkassenbeiträgen, wie es im SPÖ-Wirtschaftsprogramm vor­gesehen war! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn Sie heute Vormittag aufgepasst und nicht schon viele Jahre überholte Tafeln in die Höhe gehalten hätten, auf denen Sie offensichtlich Herrn Edlinger apostrophiert haben, der aber heute nicht mehr hier sitzt, dann würden Sie wissen, dass gerade jene Menschen, die von den erhöhten Energiekosten im besonderen Ausmaß betroffen sind, auch durch die Entlastungen durch die Steuerreform besonders von Seiten des Bundes und der Steuerpolitik entlastet werden (Zwischenruf der Abg. Silhavy), oder auch durch eine entsprechende Inflationsbekämpfung oder durch eine Veränderung


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der Ausgleichszulagenrichtsätze für Alleinstehende um 10,8 Prozent, für Ehepaare um 20,6 Prozent, wie es unter der Regierung Schüssel beschlossen worden ist. – Das ist aktive Sozialpolitik! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Öllinger.)

Dazu können die Länder ergänzen. Sie tun das auch, wenn auch unterschiedlich. Entweder geben die Länder direkt – so Vorarlberg, Kärnten, Tirol, Niederösterreich, Steiermark –, am Ausgleichszulagenrichtsatz orientiert oder sogar darüber liegend, oder sie ziehen die Gemeinden in zusätzliche Verantwortung – etwa Oberösterreich und, erst gestern beschlossen, das Burgenland – oder sie nehmen den Richtsatz für Sozialhilfeempfänger – so Salzburg und Wien – als Grundlage.

Ich glaube, ich habe Sie nicht richtig verstanden, Herr Kollege Gusenbauer. (Abg. Dr. Gusenbauer: Weil Sie gar nichts verstehen!) Sie sagten, dass Wien die höchsten Leistungen erbringt. Ist Ihnen nicht bewusst, dass Sozialhilfeempfänger mit dem Einkommen ganz deutlich unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz liegen (Abg. Dr. Gu­senbauer: Ja, natürlich!), dass Wien einen wesentlich kleineren Personenkreis erfasst als alle anderen Bundesländer, die Heizkostenzuschüsse gewähren?

Ich glaube, Sie haben das alles rund um die höchsten Sätze mit etwas anderem verwechselt, nämlich mit den Gas- und Strompreisen in Wien (Abg. Mag. Molterer: Ja, genau!), die sich seit dem Jahr 2000 wie folgt entwickelt haben:

1. November 2001 eine Erhöhung um 31 € für den durchschnittlichen Haushalt; Früh­jahr 2003: Wiengas beschließt, den Grundpreis für Gas um 95 Prozent anzuheben, in der Monatsabrechnung ist das dann etwa ein Zehntel mehr. Im Februar 2004 verlangt dann der Regulator, der Chef der E-Control, die Preise für die Kunden in Wien zu senken, da sie eindeutig überhöht sind. (Abg. Dr. Fekter: Ah da schau her! Miss­wirtschaft in Wien!) Was geschieht? – Nichts!

Ich korrigiere: Bis zum 1. November 2004 geschieht nichts. Dann wird in Wien die nächste Erhöhung in Kraft treten. Konkret wird beim Strom der Grundpreis für Privatkunden von 7,76 € im Jahr auf 10,16 € erhöht, für einen Kleinverbraucher wird das dann etwa 122 € mehr ergeben und für einen durchschnittlichen Haushalt 550 € mehr. (Abg. Dr. Fekter: Die soziale Kälte in Wien! – Ruf bei den Freiheitlichen: Das rote Wien!)

Ich empfehle Ihnen daher, die Sozialpolitik dieser Bundesregierung – so wie sie heute Vormittag dargestellt wurde (Abg. Dr. Gusenbauer: Also die Unsozialpolitik!) und wie sie Herr Staatssekretär Morak in seiner Stellungnahme jetzt noch einmal, wie ich glaube, einleuchtend dargelegt hat – zu unterstützen.

Ich empfehle jenen Bundesländern, die einer direkten Hilfe, etwa im Bereich der Heizkostenentwicklung, hinterherhumpeln, nämlich Salzburg und Wien, sich an ande­ren Bundesländern zu orientieren. Ich kann mir eine beratende Koordination von Seiten des Bundes, wenn es gewünscht und notwendig ist, durchaus vorstellen. (Abg. Dr. Gu­senbauer: Das ist eine Verhöhnung!)

Ich bitte Sie auch dringend, Genossen Häupl aufzufordern, die kommunalisierte Wiengas, Wienstrom und Fernwärme Wien dazu zu bringen, in Zukunft öko­nomisch vertretbare und sozial verträgliche Tarife zu verlangen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.54

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

 



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78. Sitzung / Seite 115

15.54

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Es ist eigentlich ein starkes Stück, dass die SPÖ hier hergeht, die Gewährung eines bundeseinheitlichen Heizkostenzuschusses verlangt, obwohl sie ganz genau weiß, dass sie selbst in ihrem stärksten Bundesland, in dem sie die Hauptverantwortung trägt, nämlich in Wien, säumig ist. (Abg. Dr. Gusenbauer: Wo?) In Wien. Selbstverständlich!

Sie haben soeben von meinem Kollegen Tancsits erfahren, wie die Unterstützung aussieht. Sie ist Teil des Hilflosenzuschusses, und in Wien gibt es den geringsten Teil. Ihr Bürgermeister weigert sich, den Heizkostenzuschuss zu vereinheitlichen. Gäbe es eine Vereinheitlichung, könnten wir in Österreich – ähnlich wie im Jahr 2000 – locker einen allgemeinen Heizkostenzuschuss seitens des Bundes zuschießen. (Abg. Dr. Gu­senbauer: Das ist alles ein Blödsinn, was Sie da erzählen! Absoluter Blödsinn!)

Die Kompetenz des Armenwesens liegt eindeutig bei den Ländern und nicht beim Bund. So ist es nun einmal. Dass im Jahr 2000 der Bund diesen Zuschuss für die Heizperiode Oktober 2000 bis April 2001 gewährt hat, lag an der Preissteigerung auf dem Erdölmarkt. Das war so. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Moment einmal! Moment einmal, dazu komme ich noch, Frau Kollegin Silhavy!

Das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 hat 600 Millionen Schilling dafür vor­gesehen. Die Vergabe erfolgte praktisch durch eine Kofinanzierung. In einem Sonder­bericht der Volksanwaltschaft wurde aber kritisiert, dass lediglich 113,5 Millionen Schil­ling, kaum 20 Prozent, ausgegeben wurden – das deshalb, weil die Bundesländer ein­fach zu wenig zugeschossen haben. (Abg. Öllinger: Na, na, na! – Abg. Silhavy: Das wäre schön!) Es galten unterschiedliche Tarife, auch Wien war nicht ausgenommen. Das war die Crux dabei. Man muss einfach bei der Wahrheit bleiben!

Außerdem hat der Sonderbericht der Volksanwaltschaft ... (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy.) – Frau Kollegin Silhavy, bleiben Sie am Boden! (Abg. Silhavy: Ich bleibe am Boden!) Wenn Sie den Sonderbericht der Volksanwaltschaft durchlesen, dann werden Sie draufkommen, es wird Kritik geübt, und diese Kritik lautet: keine einheitliche Vorgangsweise der Länder bei der Gewährung von Heizkostenzuschüssen zum Beispiel bei der Berücksichtigung von Einkünften, von Antragsfristen, bei der Höhe der Leistungen. Ebenso kritisiert werden Informationsdefizite für potentiell Be­günstigte und Hindernisse bei der Antragstellung. Das steht alles in diesem Son­derbericht. (Abg. Silhavy: Den Sie im Ausschuss nicht haben wollten!)

Aus diesem Grund wurde das Thema „Heizkostenzuschuss“ auch im Rahmen der zweiten Arbeitsgemeinschaft zur Weiterentwicklung der Sozialhilfe behandelt. Man hat das diskutiert und ist zu der Auffassung gelangt, dass es im Einvernehmen mit den Ländern bundeseinheitliche Regelungen geben sollte – zwischen den Ländern einer­seits und zwischen den Ländern und dem Bund andererseits. Das sollte erfolgen. Insbesondere sollte es einheitliche Grundsätze in der Gewährung geben. Das ist bis heute nicht erfolgt. (Abg. Silhavy: Aber Sie sind ja in der Regierung!) Frau Kollegin Silhavy, lassen Sie mich einmal ausreden!

Außerdem sind die Finanzausgleichsverhandlungen noch voll im Laufen. Warten Sie diese einmal ab! In Kärnten ist hinsichtlich eines Heizkostenzuschusses für sozial Bedürftige alles auf Schiene. Sie können das bei Ihrer Kollegin, der Frau Landesrätin Schaunig-Kandut, hinterfragen.

Es gab unterschiedliche Regelungen. Auf der einen Seite hat Frau Landesrätin Schaunig-Kandut einen Heizkostenzuschuss gewährt, auf der anderen Seite Herr Landeshauptmann Haider. Daraufhin ist man neue Wege gegangen, hat die Rege­lungen vereinfacht, entbürokratisiert und zusammengeführt. Es gibt ein einheitliches


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Formular. (Abg. Silhavy: ... Oberösterreich!) Hören Sie doch zu, vielleicht wollen Sie das auch in Wien oder in der Steiermark oder sonst wo umsetzen!

Es gibt ein einheitliches Formular, das bei den Gemeinden bis zum 28. Feber 2005 abgegeben werden kann. Die Auszahlung erfolgt dann durch das Land. Den Einkom­mensbeziehern von bis zu 680 € monatlich werden 100 € pro Monat gewährt. Familien mit bis zu 1 050 € Monatseinkommen, egal ob Rente oder sonstiges Einkommen, er­halten einen Zuschlag pro Kind von 80 €. Bei einem monatlichen Einkommen von maximal 900 € – Einkommen oder Rente – gibt es 60 € pro Monat, für Ehepaare oder Lebensgemeinschaften mit bis zu 1 400 € Monatseinkommen steigert sich das noch durch den Zuschlag pro Kind von ebenfalls 80 €. – Das einmal zu Kärnten, das muss ich einmal sagen.

Herr Landeshauptmann Haider und Frau Landesrätin Schaunig-Kandut haben sich darauf geeinigt, im heurigen Jahr diese gemeinsamen Heizkostenzuschüsse zu ge­währen. Damit sind die Hausaufgaben in Kärnten und auch die Fleißaufgaben erledigt. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Diese 1 Million € an Heizkostenzuschüssen, die im vergangenen Jahr gewährt worden sind, sind auf 1,5 Millionen € pro Jahr aufgestockt worden. Das ist schon wesentlich. Nehmen Sie sich hier in Wien ein Beispiel an Kärnten, wie das funktionieren kann, eine Leihgabe!

Sie von der SPÖ haben die „soziale Kälte“ angesprochen. – Die soziale Kälte herrscht nicht hier im Bund, die soziale Kälte herrscht in Wien. Weil Bürgermeister Häupl einen Heizkostenzuschuss für Bedürftige trotz empfindlicher Teuerung des Heizöls und der Kohle nicht gewähren will, wird in den Wohnungen in Wien in diesem Winter die soziale Kälte einziehen, und nicht auf Grund der Regelungen seitens des Bundes. Wir werden schon darauf achten, dass wir das auf Schiene bringen.

Die SPÖ hat in Wien in der Vergangenheit außerdem gesalzene Gas- und Strom­preiserhöhungen bewirkt, und die werden jetzt mit 1. November 2004 in Kraft treten. (Ruf bei der ÖVP: Die Preise sind nicht gesalzen, sondern gepfeffert!) Gerade jetzt, zu Beginn der Heizperiode, werden diese Maßnahmen in Kraft treten.

Außerdem hat die SPÖ in Wien drastische Erhöhungen der öffentlichen Tarife umge­setzt, was die Menschen mit niedrigerem Einkommen ebenfalls trifft. Die Kindergarten­kosten sind erhöht worden, und auch die Kürzung bei „Essen auf Rädern“ in Wien hat die SPÖ zu verantworten. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Das ist nicht im Sinne des Erfinders. Das führt zu einer Verarmung der Wiener Bevöl­kerung, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist höchst an der Zeit, dass Wien dem Beispiel Kärntens folgt oder auch jenem anderer Bundesländer, die ähnliche Rege­lungen haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Csörgits, nehmen Sie sich ein Herz, setzen Sie das um! Setzen Sie sich in Verbindung mit Ihrer Kollegin in der Kärntner Landesregierung, mit Frau Landesrätin Schaunig-Kandut, und setzen Sie das um! – Das einmal dazu.

Die soziale Kälte der SPÖ in Wien ist an der Tagesordnung. Diese Form von Sozial­leistungen, wie eben ein Heizkostenzuschuss, liegt in der Kompetenz der Länder, das ist eindeutig so niedergeschrieben.

Für die Zukunft, Herr Kollege Gusenbauer: Schauen Sie ein bisschen auf andere Bun­desländer, vielleicht können Sie sich etwas abpausen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.01

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Wortmeldung für eine tatsächliche Berich­tigung: Frau Abgeordnete Bures. – Bitte.

 



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16.01

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Dolinschek hat – erstens – gesagt, es gebe in Wien keinen einheitlichen Heizkostenzuschuss. – Das ist falsch!

Wahr ist viel mehr, dass in Wien für die Monate Oktober bis Mai automatisch, ohne Antrag, 67,24 € pro Monat an alle Sozialhilfebezieher ausbezahlt werden.

Zweite Behauptung des Abgeordneten Dolinschek: In Wien hat es gesalzene Gas­preiserhöhungen gegeben. – Ich berichtige tatsächlich: Das ist falsch! Im Jahr 2003 hat der Kubikmeter 0,47 € gekostet, im Jahr 2004 ist der Gaspreis in Wien auf 0,46 € gesunken. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Aber ohne Leitungs­gebühr!)

16.02

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Öllinger. 10 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


16.03

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Möchten Sie wissen, welchen Eindruck man bekommt, wenn man dieser Debatte folgt? – Dass es hoffentlich in diesem Winter nicht allzu kalt wird! Das muss man den Leuten schon wünschen, denn das, was Sie bis jetzt an Argumentation dafür geboten haben, warum das nicht möglich und warum das nicht notwendig ist (Zwischenruf des Abg. Grillitsch), lässt einen das Schlimmste befürchten, Herr Abgeordneter Grillitsch. Herr Abgeordneter Grillitsch, das ist wirklich inakzeptabel!

Wissen Sie, was mir dabei besonders weh tut? – Der Umstand, dass ich mir gedacht habe, dass es in einer Frage wie eben Heizkostenzuschüsse betreffend möglich sein müsste, doch einen parteiübergreifenden Konsens herzustellen. Das war sogar 2000/2001 möglich. Damals war es möglich, wir hatten einen Heizkostenzuschuss, den wir hier in diesem Haus diskutiert haben, den wir hier in diesem Haus beschlossen haben. (Abg. Ellmauer: Und nicht in Anspruch genommen wurde!)

Was unterscheidet den Winter 2000/2001, eigentlich den Winter vorher, von diesem? – Ich kann es Ihnen sagen: dass die Heizölpreise, aber nicht nur die, sondern die Energiepreise insgesamt in den letzten Monaten drastisch angestiegen sind! Damals waren sie bei weitem nicht so hoch. Der einzige Unterschied: Wir hatten die Erfahrung, dass der vorhergehende Winter sehr kalt war.

Wenn Sie sich jetzt hierher stellen und sagen: Die Preise sind zwar erheblich höher geworden, aber das interessiert uns nicht – und de facto sagen Sie das –, wir können das nicht, wir wollen das nicht, es machen ja ohnehin die Bundesländer, es machen ohnehin die Gemeinden irgendetwas! (Abg. Ellmauer: Die sind zuständig!), dann ziehen Sie die falschen Schlüsse.

Wissen Sie, was mir dabei – abgesehen davon, wie ich schon gesagt habe, dass ich mir gedacht hätte, es wäre möglich, hier einen Konsens zu erzielen – wirklich weh tut? Ich habe das Gefühl, dass da zum ersten Mal etwas bricht, mit so viel Arroganz – nicht von allen Rednern – ist über all diese Fragen hier im Parlament hinweggegangen wor­den, hat man gesagt: Das interessiert uns nicht!

Zur Rede des Herrn Staatssekretärs. – Entschuldigen Sie, Herr Staatssekretär, aber was hat die Erhöhung einer Pendlerpauschale mit Heizkosten zu tun? Können Sie das irgendjemandem erklären? Wie kommen Sie auf die Idee, uns hier herinnen zu verklickern, dass die Erhöhung einer Pendlerpauschale dafür geeignet sei, die erhöh­ten Heizkosten abzugelten? Wie kommen Sie auf die Idee, Herr Staatssekretär, uns verklickern zu wollen, dass der Mindestpensionist, also der/die Ausgleichszulagen-


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bezieher/in, von der Steuerreform auch nur einen Cent profitiert und deshalb erhöhte Heizkosten abgelten kann?

Das ist jenseitig! Wir alle, hoffentlich alle, wissen, dass ein Ausgleichszulagen­bezie­her/eine -bezieherin keinen Cent profitiert von dieser Steuerreform. Da können Sie Tabellen herunterlesen, wen diese Steuerreform begünstigt – das geht so etwas von vorbei! Genauso ist es offensichtlich von Ihrer Seite angelegt gewesen: Irgendetwas reden, nur nicht über das Thema!, nur, das Thema hätte es verdient. Ich zähle Ihnen mehrere Überlegungen dazu auf.

Herr Abgeordneter Gusenbauer, Sie haben einige erwähnt, die durch die Erhöhung der Heizölpreise beziehungsweise des Rohölpreises profitieren. Es wäre ganz spannend, auch im Parlament einmal darüber zu debattieren, was da in der Weltwirtschaft abläuft, wenn, wie gute Zeitungen berichten – die „Zeit“ etwa oder in Österreich auch der „Stan­dard“ –, die Profitmarge für diejenigen, die jetzt in der Spekulation auf steigende Preise setzen, bei einem Rohölpreis pro Barrel von 50 € 5 bis 15 € ausmacht. 5 bis 15 € ist der spekulative Anteil, wodurch der Preis auf jetzt immerhin schon 53 € erhöht wird. Wahrscheinlich sind es jetzt schon bis zu 20 € spekulativer Anteil. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.) Zurückdenken, Herr Abgeordneter Scheibner! (Abg. Scheibner: Da gebe ich Ihnen eh Recht!)

Wir diskutieren dann an anderer Stelle, dass es gut ist, die Altersversorgung den Aktienmärkten zu überlassen. Also auf der einen Seite: Spekulation anheizen bedeutet wesentlich höhere Energiepreise, das finden wir alle nicht gut, auf der anderen Seite sagen Sie (Abg. Scheibner: Zeigen Sie nicht auf uns!) – vielleicht nicht Sie persönlich, Herr Abgeordneter Scheibner, aber Sie haben mitgestimmt –, sagt eine Mehrheit hier im Haus: Altersversorgung auf Aktienkursen basierend ist positiv.

Was bedeutet das in der Konsequenz? Damit die Pensionsfonds zu ihren Renditen kommen, heizen sie die Spekulation an? – Lassen wir das, beenden wir an dieser Stelle den Gedanken! Es wäre wirklich spannend, Herr Abgeordneter Scheibner, ein­mal diese Debatte zu führen: Was läuft da in der Weltwirtschaft? Wer profitiert und wer sind die Geschädigten? – Erster Gedanke.

Zweiter Gedanke, ganz kurz, weil meine Kollegen das auch noch erwähnen und sicher herausarbeiten werden: Natürlich wissen wir, dass man jetzt, in diesem Winter, den Betroffenen, die Einzelheizungen haben, abhängig sind vom Öl, nicht sagen kann: Macht eine Ökologisierung eurer Heizung, dann bekommt ihr Geld! Aber natürlich wäre es sinnvoll, als Perspektive darüber nachzudenken, denn die Strompolitik oder die Energiepolitik in diesem Land ist in den letzten Jahren völlig in die gegenläufige Rich­tung gelaufen.

In der Energiepolitik sind in den letzten Jahren alle Ansätze zur Ökologisierung des Tarifsystems weggeblasen worden. Das wissen Sie! Es hat Tarife gegeben, bei denen versucht wurde, das zu berücksichtigen, es hat in anderen Ländern gute Ansätze von Seiten der Energiegesellschaften gegeben, den Leuten sozusagen das Stromsparen näher zu bringen. – In Österreich war das kein Thema, uninteressant für Sie, keine Impulse von Seiten der Politik! – Das war der zweite Gedanke.

Der dritte Gedanke – und jetzt komme ich zum Heizkostenzuschuss und genau dazu, was Herr Abgeordneter Dolinschek nicht sehr genau auf den Punkt gebracht hat –: Wissen Sie, was die Volksanwaltschaft im Jahr 2001 in Betrachtung der Heizkosten­zuschuss-Aktion 2000/2001 festgestellt hat? – Kein Bundesland hat die Mittel, die es zur Verfügung gestellt hat, ausschöpfen können!

Jetzt kann man natürlich hergehen und – so wie Sie es tun – sagen: Das ist ein rotes Bundesland, das ist ein blaues Bundesland, das ist ein schwarzes Bundesland. Man


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kann sich gegenseitig die Schuld zuschieben! – So ist die Volksanwaltschaft aber nicht vorgegangen, sondern die Volksanwaltschaft hat gesagt: Das hängt mit dem Prinzip der Auszahlung zusammen. Wenn erstens das Antragsprinzip dominierend ist und man den Zuschuss nur auf Antrag erhält und wenn zweitens in jedem Bundesland unter­schiedliche Richtlinien für die Vergabe von Heizkostenzuschüssen gelten, dann wird das daneben gehen.

Eigentlich, meine sehr geehrten Damen und Herren, stehen wir jetzt, wenn wir den Heiz­kostenzuschuss für dieses Jahr diskutieren, tatsächlich nur hier, um vom Finanzminister oder von der Bundesregierung das Geld einzufordern, das damals nicht ausgegeben wurde. Es wurden damals nämlich von diesen 600 Millionen Schilling, also über 40 Millionen €, nicht einmal 200 Millionen Schilling ausgegeben, und der Herr Finanzminister beziehungsweise die Bundesregierung haben dann das Geld, das übrig geblieben ist, womit man spekuliert hat, weil das Antragsprinzip und die unter­schiedlichen Richtlinien ja nur Verwirrung bringen konnten, gleich drei oder vier Mal für andere Aktionen ausgegeben, für irgendeinen anderen Härtefonds. (Zwischenruf des Abg. Dolinschek.)

Wir stehen heute hier und möchten Sie daran erinnern: Da ist sehr viel Geld übrig geblieben, sehr viel Geld! – Gut, können Sie nun sagen, das ist jetzt schon vier Jahre her, wir reden doch jetzt nicht über das Budget von 2000/2001! – Wir wollen eine saubere Aktion, die nicht nur die SozialhilfebezieherInnen, die Arbeitslosengeld­bezie­herInnen und die NotstandshilfegeldbezieherInnen betrifft, die mit sehr wenig aus­kommen müssen, sondern natürlich auch die Pensionisten und Pensionistinnen, die eine niedrige Pension erhalten. All jene Personen sollen diesen Zuschuss automatisch erhalten, denn nur so kommen die Menschen in den Genuss der Sache.

Sie alle wissen doch ganz genau, was es heißt, sich auf dem Land oder auch in der Stadt zu einer Behörde durchfragen und dann dorthin laufen zu müssen, um dort einen entsprechenden Zuschuss geltend zu machen! Sie wissen, was das etwa für eine 70- oder 80-jährige Frau bedeutet. Sie nicken, danke, Herr Abgeordneter! Als Bürger­meister wissen Sie, wie hilflos die betroffenen Leute manchmal im Umgang mit solchen Anträgen und sozusagen mit dem dazugehörigen Schrifttum sind! Darum hilft ihnen nur eine unbürokratische Aktion (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen), und die Schaffung einer solchen wäre die Aufgabe des Bundes, anstatt sich hier herzustellen und zu sagen: Wisst ihr was? Geht heim!

Das ist das Problem, meine sehr geehrten Damen und Herren ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol (das Glockenzeichen gebend): Beachten Sie Ihre Rede­zeit, Herr Kollege!

 


Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Ich fürchte einen Bruch, wenn Sie diese Ignoranz auch weiterhin zum Thema machen! (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

16.13

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. Wunschredezeit: 7 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


16.13

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Kollege Tancsits! Herr Kollege Dolinschek! Ehrlich gestanden, habe ich wenigstens gehofft, dass Sie versuchen werden, einigermaßen fachlich zu argumen­tieren, und dieses ernsthafte Thema nicht mit Polemik abtun werden!

Es ist dies ja ein Thema, das viele Gruppen schon aufgegriffen haben, zum Beispiel auch Herr Präsident Küberl von der Caritas, aber auch Landesparteipolitiker und


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andere, die einfach wissen, wie es den Menschen geht, die wenig Einkommen haben. Ich habe gehofft, dass Sie weniger mit Polemik arbeiten, sondern versuchen, wirklich ernsthaft zu argumentieren! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Natürlich ist es schlimm, wenn Gas und Strom teurer werden. Es haben aber beide Sozialsprecher Ihrer Fraktionen in ihren Ausführungen das Heizöl einfach unter den Tisch fallen lassen, gerade jenen Posten, von dem das Finanzministerium am meisten profitiert. Das hat Sie überhaupt nicht tangiert! Das ist in Ihren Reden nicht vorgekommen! Das ist sogar dem Kollegen Scheuch von der FPÖ aufgefallen. Er hat am 2. Oktober schon gefordert, dass es einen Heizkostenzuschuss geben soll und dass der Finanzminister die Mittel, die ihm zusätzlich zur Verfügung stehen, den Bedürftigen beziehungsweise den Menschen, die schwache Einkom­mens­bezieherInnen sind, quasi zurückgeben soll. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim. – Gegenruf des Abg. Dolinschek.) Aber Sie alle negieren das! Herr Kollege Dolinschek! Da wäre vielleicht eine gerade Linie innerhalb der FPÖ angesagt! Vielleicht sollten Sie diesbezüglich einmal mit dem Kollegen Scheuch reden! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Mag. Tancsits.)

Herr Kollege Tancsits! Wenn Sie von den Kompetenzen reden – jetzt komme ich wieder zu dem Thema –: Wir fordern seit dem Jahr 2000 in verschiedenen Formen Heiz­kostenzuschüsse für Menschen, die ein geringes Einkommen haben. Unseren letzten diesbezüglichen Antrag haben Sie heuer im Februar wieder mit Ihrer FPÖ/ÖVP-Mehrheit vertagt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Tancsits.) Wenn Sie der Meinung sind, dass das keine Bundeskompetenz ist, dann lehnen Sie den Antrag im Ausschuss ab und bekennen Sie sich dazu! (Abg. Dr. Jarolim: Das ist eine Frage des Charakters!) Aber schwimmen Sie nicht einmal in die eine und einmal in die andere Richtung, nur um überhaupt keine Entscheidung treffen zu müssen und das Ballerl hin und her zu schieben! Auf der Strecke bleiben nämlich die Menschen, die es notwendig hätten, eine Unterstützung zu bekommen. Das ist unfair, unsozial und ungerecht! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Klubobmann Scheibner! Sie haben sich auch schon zu diesem Thema geäußert. Sie haben gesagt: Warten wir einmal, was die Länder machen, und wenn Bedarf besteht, dann wird sich die Bundesregierung etwas überlegen. – Nun ja, wenn wir warten, bis sich die Bundesregierung etwas überlegt, ist wahrscheinlich die Heiz­periode aus! (Zwischenruf des Abg. Dr. Gusenbauer.)

Dass die Länder allerdings sehr unterschiedlich damit umgehen, das haben Sie, glaube ich, heute schon gehört. Wien zahlt automatisch, und zwar einen der höchsten Beiträge für Sozialhilfeempfänger. (Abg. Scheibner: Das ist nicht wahr! Was zahlt Wien zusätzlich?) Kärnten orientiert sich zum Beispiel am Ausgleichszulagenrichtsatz und liegt noch etwas höher. Die Oberösterreicher haben das überhaupt ganz anders geregelt. Die Niederösterreicher sagen: 50 € müssen reichen! – Jedes Bundesland macht es anders!

Uns geht es darum, dass auch Menschen mit geringen Pensionen etwas bekommen. Herr Staatssekretär! 640 € ist der durchschnittliche Arbeitslosengeldbezug, der Not­standshilfebezug liegt bei etwas über 500 €. Diese Leute interessieren Ihre Ausfüh­rungen hinsichtlich Steuererleichterungen und Autofahrer überhaupt nicht, die fahren nämlich nicht mit dem Auto, weil sie sich das meist nicht leisten können, und sind davon ohnehin nicht betroffen. Sie sind aber betroffen davon, dass der Winter kalt ist und die Heizkosten steigen.

Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! Im Budget 2003 haben Sie sogar beschlossen, für Kohle eine Abgabe zu nehmen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Für Leute, die mit Kohle oder Koks heizen, weil sie sich eine andere Heizung nicht


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leisten können, ist das nicht lustig. Es handelt sich hiebei teilweise um ältere Menschen, die die Kohlen hinaufschleppen und die Asche wieder hinunterschleppen müssen. Aber sogar diese müssen zahlen! Das ist Ihnen eingefallen! Sie haben die Kohleabgabe neu eingeführt. (Abg. Scheibner: Das war doch eine Umweltmaß­nah­me!) Das ist eine Schande! Nun sollten Sie das wenigstens bei jenen, die wenig Einkommen haben, ein bisschen gutmachen, indem Sie den Leuten ihren gerechten Anteil zurückgeben, anstatt zwischen Kompetenzen hin- und herzuschieben! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Hören Sie doch auf, einen solchen Unsinn zu reden!)

Herr Kollege Scheibner! Es ist Ihnen vielleicht noch nicht aufgefallen, dass sich die Leute unter Umständen keine neue Heizung leisten können! (Abg. Scheibner: Machen Sie doch Strom und Gas billiger, dann brauchen die Menschen keine Kohle mehr!) Sie haben offensichtlich keine Ahnung, wie viele arme Menschen es gibt, die dank Ihrer Politik noch ärmer geworden sind in diesem Land! Das ist ein Skandal! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Sie nehmen den Ärmsten das Geld aus der Tasche!)

Sie sollten einmal zuhören, Herr Kollege Scheibner! Das wäre einmal sinnvoll, denn dann könnten Sie sich vielleicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die nicht aus Ihrer Position und aus Ihrer Einkommenssicht sprechen! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Scheibner.  Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) – Ich verstehe wenigstens die Menschen, ich bin bei ihnen, ich höre ihnen zu, ich höre mir ihre Sorgen an, was Sie nicht tun, denn Sie sind in Ihrer Politik schon längst abgehoben von diesen Menschen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.)

Herr Kollege Tancsits! Herr Kollege Pühringer, Ihr Landeshauptmann in Ober­öster­reich, hat es ja deutlich ausgeführt: Wenn manche Pensionen zu niedrig sind, ist es nur recht und billig, dass der Bund 50 Prozent des Heizkostenzuschusses über­nimmt, denn für die Pensionen und das soziale Grundnetz sei der Bund zuständig. – Ich glaube, das ist wohl unbestritten! Das gilt für Notstandshilfe, das gilt für Arbeits­losen­geldbezug, das gilt für Kinderbetreuungsgeld.

Genau darauf zielen wir mit unserem Antrag ab, und ich denke mir, es würde Ihnen allen gut anstehen, wenn Sie über Ihren Schatten springen würden. Diejenigen, die auch noch „christlich-sozial“ irgendwo in ihrem Titel führen, sollten vielleicht auch einmal das soziale Element überdenken und unserem Antrag die Zustimmung geben! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.19

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Turkovic-Wendl. 5 Minuten Redezeit. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort.

 


16.20

Abgeordnete Ingrid Turkovic-Wendl (ÖVP): Verehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher hier im Hohen Haus! Wir haben jetzt ein Hin und Her gehört, aber die Tatsachen bleiben die Tatsachen: Die österreichische Bundesverfassung sieht nun einmal vor, dass in Österreich die Länder die Kompetenz für die Sozialhilfe innehaben. (Abg. Dr. Jarolim: Sie sehen eine Un­menschlichkeit vor! – Zwischenruf der Abg. Bures.) In Wahrnehmung dieser bundes­staatlichen Kompetenzverteilung haben die Länder erfreulicherweise immer wieder für sozial schwache Personen Heizkostenzuschüsse gewährt.

Ich spreche jetzt jene Menschen an, die ich hier im Hohen Haus vertrete, nämlich die Pensionisten, unter welchen sich eben Ausgleichszulagenempfänger befinden.

Die seit dem Jahr 2000 regierende schwarz-blaue Koalition hat nicht auf diese Bezie­her von Ausgleichszulagen vergessen. Seit dem Jahr 2000 erhöhte sich der Richtsatz


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für Alleinstehende um 10,8 Prozent und für Ehepaare um 20,6 Prozent. Das sind 228 380 Menschen in unserem Land, davon 38 307 Ehepaare.

Am Rande ist dazu zu bemerken, dass die Pensionisten, die eine Ausgleichszulage beziehen, weniger geworden sind. Im Jahr 2000 waren es noch 235 346, verglichen mit der Zahl, die ich genannt habe.

Diese Daten zeigen, dass es in unserem Land sehr wohl soziale Wärme gibt, denn sonst wäre das nicht möglich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: Wo gibt es diese Wärme?)

Der Österreichische Seniorenbund mit seinem Obmann Stefan Knafl vertritt die klare Rechtsmeinung, dass die Gewährung eines Heizkostenzuschusses in die Kompetenz der Bundesländer fällt, und er bittet, dass die Sozialreferenten der Länder zusam­mentreten, um in dieser Frage ein Einvernehmen zu erzielen.

Es ist ja in einigen Bundesländern schon etwas geschehen, und ich nenne da an der Spitze Vorarlberg mit 150 €, aber auch Kärnten mit 100 €. (Abg. Scheibner: Bravo!) Auch Niederösterreich, die Steiermark und Tirol sind dabei; Tirol schon seit vielen Jahren mit der Heizmittelhilfe.

Mir fehlen in dieser Liste die Bundesländer Burgenland (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Rot!), Salzburg (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Rot!) und Wien (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Rot!), wo es zwar Überlegungen, aber noch keine Tatsachen gibt.

In Wien – wir haben das gehört – gibt es einen Beitrag für die Sozialhilfeempfänger. Die Pensionisten, bei denen eben der Ausgleichszulagenrichtsatz wirkt, lassen sie jedoch aus. Daher bitte ich, in Wien diesen Pensionisten – immerhin über 28 000 an der Zahl – auch Aufmerksamkeit zu schenken! (Abg. Dr. Jarolim: Ich glaube, Sie ver­wechseln da einiges! – Abg. Silhavy: Das glaube ich auch!)

Diese Menschen werden es Ihnen danken! Es sind ganz genau 29 846 Menschen, die darauf gut reagieren werden, wenn in Wien ein Zuschuss kommt. Die Zeit ist nicht mehr sehr lange dafür.

Angesichts der Entwicklung der Energiepreise und der unterschiedlichen Vorgangs­weise in den Ländern stellen wir folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Nationalrat begrüßt, dass die meisten österreichischen Bundesländer in Wahr­nehmung ihrer Kompetenzen Heizkostenzuschüsse für sozial Schwache und Aus­gleichs­zulagenempfänger gewähren.

Weiters wird der Bundesminister für Finanzen ersucht, ermitteln zu lassen, welchen Anteil der Heizkostenzuschuss am gesamten Sozialbudget in den einzelnen Bundes­ländern ausmacht, und dahingehend einzuwirken, dass in Zukunft in allen Bun­desländern eine möglichst gleichwertige Unterstützung gewährt werden kann.“

*****

(Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

16.24

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Frau Abgeordneter Ingrid Turkovic-Wendl eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Tancsits, Dolinschek, Turkovic-Wendl und Partik-Pablé ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Ich habe aber ein Problem: Der mir schriftlich vorgelegte Antrag enthält die Wörter „und Ausgleichszulagenempfänger“ nicht, welche Sie vorgelesen haben, Frau Kollegin! (Abg. Dr. Jarolim: Das ist wieder typisch!) Das heißt also, man müsste eine ent­sprechende Ergänzung vornehmen und bei mir hinterlegen.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Redezeit: 6 Minuten. – Bitte.

 


16.25

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Her­ren! Ich kann nicht so vornehm sein wie Frau Abgeordnete Wendl, denn die Herausforderungen, die von der Opposition gekommen sind, waren ganz einfach so, dass man auch entsprechend antworten muss!

Herr Abgeordneter Gusenbauer hat von der Regierung ein Quäntchen Menschlichkeit gefordert. – Herr Abgeordneter Gusenbauer, ich appelliere an Sie, ein Quäntchen an politischer Ehrlichkeit hier an den Tag zu legen und nicht Halbwahrheiten zu erzählen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Gusenbauer! Sie haben gesagt, dass es in Wien schon einen Heiz­kostenzuschlag gibt. Tatsächlich ist es so, dass in Wien nur die Sozialhilfeempfänger eine Heizbeihilfe erhalten, dass aber die Mindestrentner und die Ausgleichs­zulagen­bezieher und alle anderen Personen, die vom AMS eine Mindestleistung bekommen, keinen Heizkostenzuschlag bekommen. Sie wollten uns hier glauben machen, dass jeder Wiener Bedürftige einen Heizkostenzuschuss bekommt. Das stimmt ganz einfach nicht! Der Großteil der Bedürftigen erhält von Wien keinen Heizkostenzuschlag! (Abg. Silhavy: Sie kennen sich nicht aus, Frau Dr. Partik-Pablé!)

Herr Abgeordneter Gusenbauer! Sie haben weiters behauptet, dass die Menschen in den letzten Jahren ärmer geworden wären. Ganz das Gegenteil ist der Fall! Das Netto­einkommen ist gestiegen, und zwar im Jahr 2000 um plus 1,6 Prozent, im Jahr 2002 um 0,8 Prozent, im Jahr 2004 um 0,6 Prozent. Das schlägt sich auch im privaten Konsum nieder, der in diesen Jahren um 1,6 Prozent gestiegen ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. Sie wollen all das offensichtlich nicht wahrhaben, Ihnen sind nur negative Nachrichten angenehm, und alles, was positiv ist, wollen Sie ganz einfach nicht zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP. – Abg. Bures: Zuhören!)

Frau Abgeordnete Bures! Sie haben sich überhaupt dazu verstiegen, zu sagen – ich glaube, Sie haben das gesagt –: Wir haben die höchsten Energiekosten in Europa. Das stimmt ja überhaupt nicht! Aus unseren Nachbarländern strömen die Leute nach Österreich, um hier zu tanken, um Heizöl zu kaufen. Wir haben die niedrigsten Ener­giepreise und nicht die höchsten! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Herr Abgeordneter Öllinger! Sie haben behauptet, dass das Antragsprinzip daran schuld gewesen wäre, dass im Jahr 2000 nicht alle Mittel, welche die Bundesregierung zur Verfügung gestellt hat, ausgeschöpft wurden. – Ich möchte Ihnen Folgendes mit­teilen: Die Stadt Wien hat nicht einmal gewusst, wie viele Mindestrentner im Bereich von Wien wohnen und konnte deshalb diese Mindestrentner nicht einmal auffordern, einen Antrag zu stellen! Ist es nicht beschämend, wenn man nicht einmal weiß, welche Einkommensbezieher im eigenen Land wohnen? (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Schreien Sie nicht so, Frau Abgeordnete Silhavy, reden Sie lieber mit Herrn Bürgermeister Haupt, dass er sich einmal um seine Mindesteinkommensbezieher


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kümmert! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Wissen Sie, die soziale Kälte wohnt in der Bundeshauptstadt Wien, die wohnt beim Herrn Sozialminister Häupl, der hat sie zu verantworten! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Diese Bundesregierung hat immer wieder bewiesen, dass sie Verständnis für die Anliegen sozial schwächerer Menschen hat!

Jetzt wird das Bundespflegegeld erhöht. Frau Abgeordnete Bures! Seit 1996 ist das Bundespflegegeld nicht erhöht worden! Ab 1. Jänner 2005 werden Einkommen bis 15 700 € pro Jahr steuerfrei sein. Nehmen Sie das doch einmal zur Kenntnis, Frau Abgeordnete Bures, und sagen Sie nicht immer nur dasselbe! (Zwischenruf des Abg. Kopf.) Ich verstehe Sie außerdem überhaupt nicht!

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass sich diese Bundesregierung immer für sozial Schwache eingesetzt hat! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist blanker Unsinn!)

Es ist schon darauf verwiesen worden, dass nur zwei Länder den Heizkostenzuschuss nicht gewähren, und es ist nun einmal Ländersache, einen Heizkostenzuschuss zu geben. (Abg. Dr. Gusenbauer: Das stimmt nicht!) In Kärnten wurde schon Rücksicht darauf genommen. Herr Abgeordneter, was heißt: „Das stimmt nicht!“? Das ist in Länderkompetenz, Artikel 12 B-VG, Herr Abgeordneter! (Abg. Dr. Gusenbauer: Lesen Sie mir Artikel 12 B-VG vor!)

Wien teilt mit: Derzeit ist ein genereller Heizkostenzuschuss für BezieherInnen von Mindesteinkommen nicht vorgesehen. – Das ist soziale Kälte, Frau Abgeordnete! Aber nicht das, was in Kärnten beispielsweise gemacht wird, wo schon bezahlt wird!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Salzburg sagt der Salzburger Landesrat ganz einfach: Ein Heizkostenzuschuss wird nicht gewährt. Es wäre angeblich entwürdi­gend, wenn jemand einen Antrag stellen müsste. – Hier, auf Bundesebene jedoch for­dert Herr Abgeordneter Gusenbauer einen Heizkostenzuschuss. Also dort, wo finan­ziert werden soll, in Salzburg, wird es abgelehnt, in Wien hingegen, wo es der Bund bezahlen muss, steigt die SPÖ für den Heizkostenzuschuss auf die Barrikaden!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Reden Sie doch einmal mit Frau Landes­hauptfrau Burgstaller und sagen Sie ihr, sie soll einen Heizkostenzuschuss aus­zahlen – Herr Bürgermeister Häupl ebenso!

Ihre Politik ist wirklich sehr durchsichtig, sie ist aber nicht glaubwürdig und sie ist auch wenig sozial. Sie sollten sich an der Bundesregierung orientieren (Abg. Dr. Gusen­bauer: Nein! Eine Katastrophe!) und nicht an Ihrer Politik, die nur darauf ausgerichtet ist, politisches Kleingeld zu schlagen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.31

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Hoscher. – Herr Abgeordneter, Sie kennen die Geschäftsordnung: die zu berichtigende Stelle zuerst und dann die richtige.

 


16.31

Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Partik-Pablé hat hier die Behauptung aufgestellt, der Name des Herrn Sozialministers wäre Häupl und der Name des Wiener Bürgermeisters Haupt.


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Ich berichtige tatsächlich: Es ist Gott sei Dank genau umgekehrt! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Gott sei Dank! – Abg. Neudeck: Es ist gut für die Republik, dass das umgekehrt ist!)

16.31

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Bures zu Wort gemeldet. Redezeit: 2 Minuten. – Sie kennen die Geschäftsordnung.

 


16.31

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Selbstverständlich, Herr Präsident! – Herr Präsi­dent, es wurde gerade von Frau Partik-Pablé behauptet, dass der Heizkostenzuschuss nach Bundes-Verfassungsgesetz in die Zuständigkeit der Länder fällt.

Ich berichtige tatsächlich: Das ist falsch! Die Länder sind nur für die Sozialhilfebezieher zuständig.

Wir fordern einen bundeseinheitlichen Heizkostenzuschuss für Arbeitslose, für Not­standshilfe- und Kindergeldbezieher, also für alle, die ihn brauchen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.32

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere tatsächliche Berichtigung kommt von Abgeordnetem Öllinger. Redezeit: 2 Minuten.

 


16.32

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Nachdem Frau Abgeordnete Partik-Pablé auch behauptet hat, dass es die Kompetenz der Länder sei, die Mindest­pensionsbezieherInnen zu erfassen, zu erheben (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sozialleistun­gen!), um ihnen einen entsprechenden Heizkostenzuschuss zuzuleiten, stelle ich hier richtig: Es gibt im Zusammenhang mit der Heizkostenaktion 2000 und 2001 einen ent­sprechenden Bericht der Volksanwaltschaft, der auch dem Parlament zugeleitet wur­de – das ist der Jahresbericht und nicht der besondere Heizkostenzuschussbericht.

In diesem heißt es: „Da Pensions- und Ausgleichszulagenbezieher vielfach leider nicht in den Genuss von Heizkostenzuschüssen gekommen waren, wurde in der 58. Novelle zum ASVG ... vorgesehen, dass sich die Pensionsversicherungsträger dazu verpflich­ten können, Heizkostenzuschüsse gegen Abgeltung der Verwaltungskosten zusammen mit Pensionen anzuweisen. Dazu kam es aber dann nicht, da trotz vergleichbarer Ausgangssituation eine neuerliche Förderaktion aus dem Bundesbudget leider nicht in Aussicht genommen wurde.“ – Zitatende.

Der Bund ist dafür zuständig, das Geld herzugeben – und sonst niemand. Da haben Sie es schwarz auf weiß im Bericht der Volksanwaltschaft! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.34

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawisch­nig. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

 


16.34

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Es ist erschreckend, wenn man bei der Diskussion über ein soziales Problem ausschließlich in der Sackgasse eines vielleicht falsch verstandenen Föde­ralismus landet, sodass man einen Bundesheizkostenzuschuss für die eine Gruppe und einen Landesheizkostenzuschuss für die andere Gruppe diskutieren muss.


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Politisch: Das Naheliegendste wäre, einmal zu erkennen, dass es hier ein soziales Problem gibt – diesbezüglich sollten wir zumindest einen Konsens haben –, das man lösen, das man angehen muss. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Da die Verantwortung abzuschieben ist inakzeptabel.

Das Zweite: Es ist das nicht nur ein soziales Problem, sondern – mittelfristig gedacht – auch ein gewaltiges ökonomisches Problem, das hier mit einer kleinen Tatze sozu­sagen hervorkriecht, nämlich die Ölabhängigkeit Österreichs, der österreichischen Wirtschaft, der österreichischen Haushalte, der österreichischen Industrie. Wir müssen einmal darüber nachdenken, was es bedeutet, wenn wir im letzten Jahr eine Ölpreis­steigerung von über 100 Prozent hatten. Vergangenes Jahr kostete das Barrel Rohöl 22 Dollar, jetzt sind es über 53 Dollar. Analysten sagen, dass sich das nicht bessern wird. Das Ende des billigen Erdöls ist angebrochen.

Es geht jetzt nicht nur um die Frage, ob Erdöl irgendwann einmal ausgehen wird, sondern auch um den Preis. Und da braucht eine ordentlich geführte Republik einen Plan B, da der Plan A, weiterhin auf einen Rohstoff aufzubauen, dessen Preis sich mittelfristig vielleicht nicht nur verdoppeln, sondern sogar verdreifachen wird und der immer knapper werden wird, nicht reicht. Die Antwort kann nicht sein, nur zu sagen: Okay, wir machen dort ein Loch zu und stopfen dort etwas und dort etwas. Man muss sich einen Plan B überlegen, nämlich wie man in den Bereichen Heizen und Strom­erzeugung diese Abhängigkeit mittelfristig reduzieren kann. Und das vermisse ich zu 100 Prozent jetzt bei diesem Hickhack, vor allem von der ÖVP.

Es tut mir Leid, dass Sie, Frau Ingrid Wendl, sagen, dieses und jenes Bundesland habe das nicht. – Darum geht es überhaupt nicht! Es geht um das gewaltige Problem, dass man mittelfristig kein billiges Erdöl mehr in Österreich importieren wird. Abflüsse von jährlich 80 Milliarden, 90 Milliarden Schilling, noch in alter Währung gedacht. Man wird sich mittelfristig wirklich eine Lösung überlegen müssen.

Wir werden den Antrag der SPÖ natürlich unterstützen – ich halte es für wichtig, dass man diese Gruppe nicht im Stich lässt –, allerdings brauchen wir tatsächlich eine mittelfristige Strategie, wie wir genau in diesen Haushalten helfen – sie haben meist einen geringeren Komfort, man muss schleppen, die Lebensqualität ist geringer, denn es sind meist sehr alte, unsanierte Wohnungen –, wie wir das in den Griff bekommen. Wir müssen aber auch schauen, wie man die Energiesysteme so substituieren kann, dass diese Personen nicht Preissteigerungen von 200 € von einer Saison auf die nächste Saison ausgeliefert sind. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Grillitsch: Jetzt verstehe ich es, warum ihr das ...!) – Jetzt verstehen Sie das? – Das macht natürlich Sinn.

Ich denke, man kann sich durchaus die jetzige Preissituation sehr ehrlich anschauen. Von den Betriebskosten her ist eine Pelletsheizung, eine Holzheizung genauso billig wie eine Ölheizung, sie wird billiger werden und in Zukunft billiger sein. Wir brauchen eine Investitionsförderung, um dieses Umrüstungsprogramm durchzuführen. Wir brau­chen auch eine ordentliche Althaussanierung, die genau jene Wohnungen trifft, in denen ältere Menschen immer noch mit Einzelofenheizungen sitzen und wenig Kom­fort, wenig Lebensqualität haben. Es ist das ein klassisches Problem, wo ökolo­gische und soziale Aspekte zusammentreffen.

Noch einmal: Das eine ist mir zu kurz gegriffen, nämlich dass man sich im Hinblick auf die Bundesländer gegenseitig vorrechnet, ob das jetzt Rot oder Schwarz ist, wo man das nicht macht, aber das andere, nur einen Notnagel zu schmieden, ist mir auch zu wenig. Man braucht tatsächlich einen Plan B. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.37

 



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78. Sitzung / Seite 127

Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Csörgits. Redezeit: 7 Minuten. – Bitte.

 


16.37

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie wenig wichtig den Mitgliedern der Bundes­regierung eine Debatte über einen Heizkostenzuschuss ist, sieht man daran, dass die Regierungsbank leer ist (Abg. Kopf: Unsinn!), der zuständige Minister nicht hier ist, sondern nur – es tut mir Leid, dass das jetzt Sie, Herr Staatssekretär Morak, betrifft – der Staatssekretär für Kultur (Abg. Grillitsch: Was heißt „nur“?), der noch dazu in seiner Rede nicht geglänzt hat. Meine Damen und Herren! Ich habe selten eine solch inkompetente Rede gehört wie die heutige. (Beifall bei der SPÖ.)

Damit die Situation hier im Hohen Haus ein bisschen klarer wird, muss ich festhalten, dass wir in Österreich dank Ihrer Politik, meine sehr geschätzten Damen und Herren von den Regierungsparteien, damit konfrontiert werden, dass die Armen in diesem Land immer ärmer werden (Zwischenruf des Abg. Kopf) und dass Leute, die sich vor kurzem gar nicht vorstellen konnten, nicht einmal in ihren kühnsten Alpträumen, dass sie einmal der Armut preisgegeben sein werden, ebenfalls schon der Armut preis­gegeben werden. Das ist wirklich erschreckend!

Mehr als 310 000 Menschen sind von Armut betroffen oder davon bedroht, und mehr als 100 000 Menschen kleben in der Armutsfalle und kommen nicht mehr heraus. Es sind natürlich auch sehr viele Kinder betroffen, weil oft Eltern keine Arbeit haben oder aber auch AlleinerzieherInnen nur in Teilzeit beschäftigt werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch gleich kritisch festhalten: Eine Strategie, eine Politik gegen Arbeitslosigkeit findet unter dieser Bundesregierung nicht statt! Meine Damen und Herren! Die Arbeitslosigkeit steigt und steigt und steigt! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kopf: 3 244 000 Beschäftigte! Höchststand an Beschäftigten!)

Der Herr Finanzminister hat heute erklärt, dass die Beschäftigtenzahlen steigen. Er hat aber leider vergessen, dazuzusagen, dass das darauf zurückzuführen ist, dass vor­wiegend Teilzeitbeschäftigung vorhanden ist, dass hier vorwiegend atypische und geringfügig Beschäftigte ausgewiesen werden. So schaut es nämlich aus, meine Damen und Herren! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Da brauchen Sie gar nicht mit dem Kopf zu wackeln, das ist Tatsache, das hören Sie nur nicht gerne, was ich verstehen kann. Wenn ich in Ihrer Situation wäre, würde ich das auch nicht gerne hören. (Beifall bei der SPÖ.)

Verglichen mit den Belastungen, die Sie seit Jahren dem österreichischen Volk umhängen, wäre dieser Heizkostenzuschuss wie ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein. Und dann müssen wir uns Reden anhören, die menschenverachtend, die zynisch, die wirklich herzlos und kalt sind. Interessanterweise ist Geld ja dann vor­handen, wenn es darum geht, Abfangjäger zu kaufen. Da haben wir auf einmal das Cash und die Marie (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Den Cash, nicht „das“ Cash!), so schaut es aus, meine sehr geehrten Damen und Herren, aber dass die Leute in diesem Lande in einigen Wochen der Kälte preisgegeben werden, interessiert Sie von der Regierung anscheinend überhaupt nicht.

Oder aber, wenn es darum geht, dass Geburtstage gefeiert werden. Wenn ich der „Kronen Zeitung“ Glauben schenken kann, hat Herr Hofrat Seipel seinen Ehrengast zu einer Ausstellung und dann zu einem Abendessen gebeten, und zwar um lockige, flockige 5 736 €. Dafür haben wir interessanterweise Geld, aber für die wirklich Armen haben wir kein Geld. So schaut es aus!


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Und wenn Sie sagen, das sei Angelegenheit der Länder, darf ich Sie schon daran erinnern, dass es vor einigen Jahren – es ist leider schon länger her – gelungen ist – interessanterweise unter einem sozialdemokratischen Sozialminister, nämlich Herrn Sozialminister Geppert, im Jahre 1990 –, einen bundesweiten einheitlichen Zuschuss zu den Energiekosten festzusetzen. Also wenn Sie schon nicht imstande sind, selbst ein gescheites Gesetz zu machen, gebe ich Ihnen gerne diese Kopie, Sie brauchen sie nur auf den neuesten Stand zu bringen und die Währung zu ändern. – Bitte schön (die Rednerin überreicht dem auf der Regierungsbank sitzenden Staatssekretär Morak ein Schriftstück), vielleicht wäre das eine gute Anregung für eine sinnvolle Politik im Zusammenhang mit der Beseitigung von Armut – jener Armut, die Sie derzeit in diesem Lande jedoch vorantreiben. (Ruf bei der ÖVP: Das sind ja keine Manieren!) – Sie brauchen mir nicht zu erklären, was Manieren sind. Ich glaube, die fehlen Ihnen oft, mir fehlen Sie sicher nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Wissen Sie, meine Manieren und mein Temperament gehen dann mit mir durch, vor allem mein Temperament, wenn ich daran denke, wie viele Leute arm sind und über­legen müssen, wie sie über den Winter kommen. Da geht mir mein Temperament durch, weil ich ein Herz für diese Leute habe und weiß, was die mitmachen. Aber da fehlt Ihnen wahrscheinlich wirklich der Zugang zur Basis. (Beifall bei der SPÖ.)

Etwas erstaunt bin ich auch über die Reaktion der FPÖ. Da muss sich irgendein Fehler eingeschlichen haben, wie so oft bei dieser Partei, denn erst am 2. Oktober hat Herr Uwe Scheuch einen einheitlichen bundesweiten Heizkostenzuschuss gefordert. Er hat gemeint, dass die Energiepreise bis Weihnachten noch weiter steigen werden, die FPÖ das soziale Gewissen in Österreich ist und daher einen zusätzlichen unbürokratischen bundesweiten einheitlichen Heizkostenzuschuss für einkommensschwache Personen fordert. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Fertig lesen!) – Wer schnell hilft, hilft doppelt.

Ich bin schon sehr gespannt, Herr Kollege Scheuch, ob Sie wieder im Liegen umfallen oder ob Sie und Ihre Partei einmal Charakter beweisen und auch wirklich zu dem stehen, was Sie vor kurzem – in einer Zeitung nachzulesen – gesagt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Es ist wirklich sehr wichtig, hier rasch unbüro­kratische und einheitliche Maßnahmen für die Armen und Ärmsten unseres Landes zu setzen. Geben Sie sich einen Ruck, steigen Sie einmal von Ihrem hohen Ross herunter, zeigen Sie einmal in Ihrer Politik Herz und beschließen Sie mit uns unseren Antrag betreffend einen Heizkostenzuschuss. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.44

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Machne. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


16.44

Abgeordnete Helga Machne (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Staatssekretär! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist für mich schon erstaunlich, dass von Ihrer Seite, der SPÖ, immer wieder ein Vorschlag zum Geldausgeben kommt. (Abg. Reheis: Sind Ihnen die Ärmsten nichts wert! Das darf ja nicht wahr sein!) Ich wünsche mir einmal einen Vorschlag, durch den der Bund Geld einnimmt, aber nicht durch eine Steuererhöhung, lieber Herr Kollege Matznetter, der nicht im Saal ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich hätte mir gewünscht, dass Sie diesen Antrag an Herrn Bürgermeister Häupl gestellt hätten (Abg. Reheis: Sie wissen gar nicht, was Armut ist!), weil es ja nur in Wien keinen Zuschuss für Heizmittel gibt. Das muss man auch einmal ganz klar feststellen.


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Grundsätzlich – meine Damen und Herren, hören Sie mir ein bisschen zu! – sind wir natürlich auch für Maßnahmen der Armutsbekämpfung. (Abg. Reheis: Plattitüden!) Festzustellen ist aber auch, dass gerade bei den Energiekosten im Heizölbereich schon seit vielen Jahren immer wieder Schwankungen vorkommen. Eine verantwor­tungsvolle Politik wie zum Beispiel im Land Tirol macht es natürlich möglich, dass seit vielen Jahrzehnten Heizkostenzuschüsse über die Gemeinden ausbezahlt werden – in Tirol sind es 75 €, das wäre ein gutes Beispiel für Wien, für alle Ausgleichs­zulagen­bezieher. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) – Das gibt es ja nicht in Wien – oder?

Darüber hinaus haben wir uns beispielsweise – da spreche ich Frau Kollegin Glawisch­nig an (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Die ist nicht hier!) – Gedanken gemacht – das geschieht auch in vielen anderen österreichischen Gemeinden, zum Beispiel auch in der Steiermark –, wie man eine relative Unabhängigkeit von den Heizölpreisen durch regionale Projekte erreichen kann. So betreiben wir für unsere Bürger ein Fernheiz­werk mit Biomasse, welches vor allem auch für unsere sozial schwächeren Mitbürger stabile Energiepreise bietet.

In den letzten Jahren wurden viele Wohnungen umgerüstet und an unser Biomasse­heizwerk angeschlossen. Gleichzeitig wurden die Häuser auch mit einem entsprechen­den Wärmeschutz versehen. Das ist ein Beispiel, welches zeigt, dass natürlich die Gemeinden und auch die Länder in diesem Bereich Verantwortung haben.

Gott sei Dank sind wir in der Lage, unseren Bürgern preisgünstige Energie zu liefern, deren Preis immer gleich bleibt. Und wir haben auch noch den Effekt, dass die Wertschöpfung bei den heimischen Bauern und Sägewerken bleibt. Ich denke, das ist zugleich Sozial- und Umweltpolitik für unsere Bürger.

Meine Damen und Herren von der SPÖ, lassen Sie die Verantwortung für die Bürger bei den Ländern und Gemeinden! Sie sind bei uns sehr gut aufgehoben. (Abg. Silhavy: Kein Wunder bei der Bundesregierung!)

Herr Kollege Öllinger, es ist nicht so, dass die Bürger als Bittsteller in die Gemeinde­ämter kommen müssen, sondern sie werden von unseren vielen Bürgermeistern ganz normal behandelt. Ich denke, das ist eine gute Sozial- und Umweltpolitik. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.47

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. Wunschredezeit: 6 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


16.47

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Geschätzte Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Die Argumente der Vorredner waren wie immer sehr kontroversiell. Ich glaube aber, dass die Redner von FPÖ und ÖVP etwas klargemacht haben: Dieser Heizkostenzuschuss ist und bleibt Ländersache! Ich möchte nicht noch einmal alles auftischen, nicht wiederholen, welche Bundesländer eine gute und welche eine schlechte Politik machen. Aber eines ist klar: Es sind nun einmal die SPÖ-regierten Bundesländer, die schlechte Politik machen. Deshalb wundert es mich auch nicht wirklich, dass die SPÖ fordert, dass wir einen bundes­einheitlichen Heizkostenzuschuss machen sollen, denn damit würden wir sozusagen die von den roten Landespolitikern politisch schlecht erfüllten Kompetenzen in unsere Kompetenz übernehmen, dann würden wir dafür sorgen, dass unsere kompetente Bundesregierung diese Probleme, die die roten Landeshauptleute und Landespolitiker haben, löst. Das ist natürlich ganz klar. (Zwischenruf des Abg. Reheis.)


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78. Sitzung / Seite 130

Herr Kollege Hoscher hat hier eine tatsächliche Berichtigung gemacht. Er hat gesagt – wie war das? –, der Sozialminister heißt nicht Häupl, sondern Haupt. – Gott sei Dank. Ich meine, das war eine der besten tatsächlichen Berichtigungen, die wir je hatten, denn es ist wirklich ein Glück, dass der Sozialminister Herbert Haupt heißt und nicht Häupl. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Klubobmann Gusenbauer hat im Rahmen seiner Rede gesagt – ich habe zumin­dest versucht, ihn gut zu verstehen –, dass – wortwörtlich – die SPÖ fordert, man solle unter Anrechnung der Landesförderungen monatlich 40 € Heizkostenzuschuss bekom­men. Herr Klubobmann Gusenbauer, das wäre nicht besonders klug, denn dann gäbe es in den meisten Ländern, zumindest in jenen Ländern, die von der ÖVP und von der FPÖ regiert werden, eine Reduktion des Heizkostenzuschusses. Denn wenn wir in Kärnten einen Heizkostenzuschuss von 100 € haben, in Tirol einen von 75 €, in an­deren Ländern 60 bis 100 € Heizkostenzuschuss, nur in Salzburg und in Wien keinen, dann würde das bedeuten, die Bedürftigen in den Bundesländern außer Wien und Salzburg würden weniger Heizkostenzuschuss bekommen. Da müsste sozusagen die Bundesregierung das überschüssige Geld zurückbekommen, weil Sie ja nur 40 € haben möchten.

Ich halte es für sehr bedenklich, dass man die armen Leute, die sehr wenig Geld haben, mit 40 € Heizkostenzuschuss im Monat abspeist. Es sollte doch möglich sein, allen mehr zu geben, vor allen Dingen dort, wo die Kompetenz in der richtigen Hand ist.

Herr Kollege Matznetter, es ist doch eigentlich eine wahnwitzige Forderung: Die Kärnt­ner zahlen 100 €, und Kollege Gusenbauer stellt sich hier heraus und sagt, er möchte 40 € haben. Das ist doch nicht nachvollziehbar! Da kann er mir weiterhin den Rücken zukehren, es wird trotzdem nicht richtiger, was er hier gefordert hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Matznetter: Pro Monat! Pro Monat!) Wir zahlen es ja auch pro Monat! Kärnten zahlt pro Monat 100 €, und Herr Dr. Gusenbauer fordert pro Monat 40 €. Also das wären minus 60 € für jeden Kärntner und für jede Kärntnerin.

Frau Kollegin Trunk, das würden Sie selbst in Ihrem sozialdemokratischen Freundes­kreis in Kärnten sehr schlecht erklären können. Das wäre eine so genannte Heiz­kostenreduktion. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Wissen Sie, was das Beste ist? Ich habe mir die Arbeit gemacht und angeschaut, was unter „Heizkostenzuschuss“ auf der Homepage des Landes Wien zu finden ist. Ich habe leider den Zettel auf meinem Platz liegen gelassen, aber das spielt keine Rolle. Vielleicht wäre der Herr Klubobmann so nett und würde ihn mir bringen, denn das sollte man wirklich vorlesen. (Abg. Scheibner – ein Schriftstück zum Rednerpult bringend –: Bitte schön!) Danke, Herr Klubobmann!

Wenn man auf die Homepage der Landesregierung von Wien geht und „Heizkosten­zuschuss“ in die Suchmaschine als Suchbegriff eingibt, bekommt man folgende Details: „Sozialinfo Wien – Heizkostenzuschuss“. „Derzeit ist ein genereller Heizkosten­zuschuss für BezieherInnen von Mindesteinkommen nicht vorgesehen.“ (Widerspruch bei der SPÖ.) – Das ist die Information der offiziellen Seite des Landes Wien. Es ist wirklich faszinierend, Sie führen ja die Leute hier hinters Licht. „Derzeit ist ein genereller Heizkostenzuschuss ... nicht vorgesehen“, steht hier. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Frau Kollegin Silhavy, ich glaube nicht, dass wir im Verdacht stehen, dass wir die Homepage des roten Wien irgendwie beeinflussen könnten. Also so gesehen, glaube ich, sind wir auch hier wieder klar auf Linie. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei


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Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Neudeck – in Richtung SPÖ –: Sie sollten einen Blick nach Kärnten machen!)

Frau Kollegin Csörgits und Frau Kollegin Silhavy haben mich zitiert. Prinzipiell weiß ich nicht, ob das ein Lob oder kein Lob ist, wenn mich ein Roter zitiert, aber ich halte es einmal für nicht so schlecht. Sie zitierten meine Forderung vom 2. Oktober. Erstens einmal zeigt das ganz klar, dass wir Freiheitlichen die Ersten waren, denn ihr seid drei Tage später auf diese Idee gekommen. Bitte nachlesen in der APA vom 2. Oktober – Freiheitliche wie immer federführend, soziales Gewissen der Regierung. – Gute Sache.

Zweite Sache, Frau Kollegin Silhavy: Wenn Sie meine Meldung fertig lesen, dann sehen Sie, dass ich auch einen Lösungsvorschlag bringe, wie das gemacht werden soll, nämlich im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen dafür zu sorgen, dass die Mittelverteilung so geschieht, dass das Geld dafür zur Verfügung steht, weil diese Angelegenheit in der Kompetenz der Länder liegt. Man muss sich leider an die rechtlichen Rahmenbedingungen halten. Das sollten Sie irgendwann gelernt haben.

Schlussfolgerung, relativ einfach: Keine Frage, es handelt sich hier um ein wichtiges Anliegen. Wir Freiheitlichen werden uns hüten, Ihrem Antrag zuzustimmen, weil er nichts anderes als populistische Oppositionspolitik ist, sonst gar nichts. Wir werden natürlich schauen, welche Möglichkeiten wir haben, den Finanzminister über den Finanzausgleich dazu zu bringen, dass er diese Mittel zur Verfügung stellt. (Abg. Silhavy: Das ist eine Verhöhnung! – Abg. Dr. Gusenbauer: Larifari! Larifari!)

Aber eines, meine geschätzten Damen und Herren, würde ich mir wünschen, auch für Sie, Herr Dr. Gusenbauer: Wenn wir irgendwann wieder einmal auf die Homepage des sozialen Wien schauen, dann sollte unter „Heizkostenzuschuss“ irgendetwas zu finden sein, denn das ist wirklich eine Verhöhnung für zigtausende kleine Einkommens­bezieher der Bundeshauptstadt. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.54

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mandak. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


16.54

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Staatssekretär Morak! Ich bin froh, dass jetzt einige Zeit vergangen ist seit Ihrer Wortmeldung, weil ich, als Sie gesprochen haben, wirklich dieses berühmte Herz­klopfen bekommen und mir gedacht habe, das darf eigentlich nicht wahr sein.

Sie, Herr Staatssekretär Morak, sind Kulturstaatssekretär im negativsten Sinn, weil Sie heute die Reinkultur einer Überheblichkeit an den Tag gelegt haben, die wirklich jen­seits von allem ist, was man politisch tun darf. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wiederholen Sie nicht das, was die anderen da schon gekaut haben!) Ich weiß nicht, Frau Kollegin Partik-Pablé, was andere hier herinnen schon getan haben (Abg. Dr. Partik-Pablé: Waren Sie nicht da?) – für mich jedenfalls war es mehr als genug, was der Staats­sekretär heute hier von sich gegeben hat! Er soll bitte die Finger von der Sozialpolitik lassen (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ), denn diese Über­heblichkeit geht auf Kosten derer, die dringend Unterstützung und Hilfe brauchen. Das brauchen die Menschen am allerwenigsten: sich von einem Staatssekretär Morak auf diese Art und Weise sagen lassen zu müssen, was sie brauchen oder was sie nicht brauchen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Mich wundert das auch überhaupt nicht, da geht es nämlich nur um pures Eigenlob, um Selbstbeweihräucherung und überhaupt nicht darum, zu schauen, welche Bedürf­nisse und welch dringenden Bedarf die Menschen haben.


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Wir sind doch nicht da herinnen, um ständig vorzupredigen, was die Regierung Tolles gemacht hat, oder um zu fragen: Ist das Kompetenz des Bundes oder des Landes?, oder um aufzuzeigen, welches Land hier noch eher etwas tut und welches gar nichts. Wir sind doch da herinnen, um zu schauen, was die Menschen in Österreich brauchen und wie wir unsere derzeitigen Gesetze anpassen können, damit es denen, die wenig haben, besser geht. Wenn Ihnen das völlig egal ist, dann machen Sie weiter so Politik – uns ist es nicht egal! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Kopf: Die Aufgabenverteilung ist schon sinnvoll!)

Natürlich ist eine Aufgabenverteilung durchaus sinnvoll, aber man kann zumindest sagen, wir schauen uns das an. Es ist heute klargestellt worden, auch vom Kollegen Öllinger, der die Volksanwaltschaft zitiert hat, dass es hier auch eine Bundesverant­wortung gibt.

Sie putzen sich ab, als hätten Sie überhaupt keine Verantwortung, und sagen, die Länder sollen das tun, wir waschen unsere Hände in Unschuld. Ihre Hände sind dafür sehr schmutzig, kann ich Ihnen nur sagen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das macht mich wirklich sehr verrückt, wirklich!

Vorarlberg hat einen Heizkostenzuschuss beschlossen. Was war das Ergebnis? – Von den mindestens 12 000 Anspruchsberechtigten haben ihn ganze 4 000 Menschen in Anspruch genommen. Warum? – Weil die Menschen nach den derzeitigen Bestim­mungen auf die Gemeinde gehen und dort sagen müssen, ich habe kein Geld, ich bin arm, ich brauche einen Heizkostenzuschuss. Zwei Drittel derer, die diesen Zuschuss bekommen würden, gehen nicht hin, weil sie diesen Schritt nicht tun wollen. Das ist Ihnen aber offenbar völlig gleichgültig. Was das bedeutet, ist Ihnen völlig egal. (Abg. Kopf: Das wäre das Rezept „Gießkanne“!) Nein, das wäre nicht das Rezept „Gieß­kanne“! (Abg. Neudeck: Sie tun ja so, als ob Armut eine Schande wäre!)

Es ist im Antrag der SPÖ die Rede von 4 Prozent der Bevölkerung, die von Armut betroffen sind. Ich war am Montag bei einer Diskussionsveranstaltung in Vorarlberg, wo es um die Frage von Schulden, im Speziellen um die Situation von Frauen in der Schuldenfalle, gegangen ist. Dort sind die Zahlen von überschuldeten Haushalten im Land Vorarlberg vorgebracht worden: 5 000 Haushalte sind unmittelbar davon betrof­fen und 10 000 akut gefährdet. Das bedeutet, dass 10 Prozent der Bevölkerung in über­schuldeten Haushalten leben beziehungsweise unmittelbar von dieser Überschul­dung betroffen sind – Menschen, denen es nicht egal ist, ob der Erdölpreis ein bisschen höher oder ein bisschen niedriger ist, sondern die dringend Unterstützung brauchen.

Und wenn Sie, Kollege Scheuch, zuerst groß in die Presse gehen, wie Sie das schon ein paar Mal gemacht haben, und dann, wenn Handlungsbedarf tatsächlich gegeben ist, wieder umfallen und sagen, das machen wir dann irgendwann über den Finanz­ausgleich, dann nützt das den Menschen nichts! Es nützt den Menschen nichts, wenn Sie sagen, irgendwann einmal im Rahmen des Finanzausgleichs werden wir das klären! Die brauchen jetzt Hilfe! Jetzt kommt der Winter, und jetzt brauchen sie einen Anspruch auf einen Zuschuss und nicht irgendwann am Sankt-Nimmerleins-Tag, auf den Sie das wieder verschoben haben! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.59

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Matznetter gemeldet. 2 Minuten Redezeit.

 



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78. Sitzung / Seite 133

16.59

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Minister! Hohes Haus! Kollege Scheuch hat hier behauptet, dass auf der Home­page der Wiener Landesregierung zu lesen sei, dass kein Heizkostenzuschuss vorgesehen werde. – Das ist unrichtig!

Richtig ist, und das kann jeder im Internet selbst herausfinden, unter den Details zur Sozialhilfe, dass die Heizbeihilfe Oktober bis April monatlich 67,24 € beträgt.

In diesem Sinne, Herr Kollege, es gibt Kurse, das Parlament hilft Ihnen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Das ist ja ganz etwas anderes! Das ist keine tatsächliche Berichtigung gewesen!)

17.00

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Parnigoni zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


17.00

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch hat hier behauptet, dass das, wenn die Regelung, die Abgeordneter Gusenbauer vorgeschlagen hat – dass man sieben Monate 40 € Heiz­kostenzuschuss bekommen sollte, also umgerechnet 280 € in einer Heizsaison –, schlechter sei als das, was in Kärnten geschieht, denn da bekämen die Bürgerinnen und Bürger in Kärnten weniger.

Das ist natürlich völlig falsch, was Herr Abgeordneter Scheuch gesagt hat, denn in Kärnten gibt es einmal 100 € pro Heizsaison!

Diese Rechnung sollte sogar der Herr Scheuch zusammenbringen, um zu erkennen, dass das deutlich weniger ist! Also wirklich! (Beifall bei der SPÖ.)

17.01

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der letzte Satz, Herr Abgeordneter Parnigoni, war ein Redebeitrag und keine tatsächliche Berichtigung. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Lopatka. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.01

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der Polemik der letzten Minuten möchte ich zur Sache zurückkommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das war alles sehr polemisch!

Ich gebe allen Vorrednern Recht, dass die Politik gefordert ist, wenn die Energiepreise auf dem Weltmarkt derartig steigen. Selbstverständlich haben die Verantwortlichen der Volkspartei rasch gehandelt und waren sich dieser Verantwortung bewusst. Es waren unsere Landeshauptleute, die – im Gegensatz zu Ihren Landeshauptleuten – rasch gehandelt haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Klubobmann Gusenbauer, Sie selbst bringen den Beweis in Ihrem heutigen Ent­schließungsantrag, denn dort schreiben Sie richtig:

„Auch die Abhängigkeit von der Sozialhilfe schließt viele Bedürftige – wie Arbeitslosen­geld-, Notstandshilfe- oder KindergeldbezieherInnen – von einem Heizkostenzuschuss aus.“ – Richtig!

Wissen Sie, welche drei Bundesländer bis heute diese Personengruppen aus­schließen? – Wien, Salzburg und das Burgenland! (Oh-Rufe bei der ÖVP.)


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Das ist es, warum richtigerweise Kollegin Silhavy in einer Aussendung am 5. Oktober feststellte: „Vorbild Steiermark.“ – Was ist in der Steiermark beschlossen worden? – Dass unabhängig von der Sozialhilfe ... (Abg. Gradwohl: Wer hat den Antrag gestellt, Herr Kollege Lopatka?) Wer ist der Landeshauptmann in der Steiermark? – Es ist Waltraud Klasnic – und wird Waltraud Klasnic bleiben! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

Es geht hier um eine Gesamtverantwortung, Kollege Matznetter, und diese Gesamt­verantwortung (Abg. Silhavy: Die die Bundesregierung nicht wahrnehmen will!) wird von uns und in den von uns regierten Bundesländern wahrgenommen. Die Knaus­rigsten sind da die SPÖ-Landeshauptleute, sie sind die Knausrigsten, und Sie haben zu Recht auf der Homepage der Stadt Wien das Wort „Heizkostenzuschuss“ nicht gefunden, weil es nämlich gar keinen eigenen gibt. – Das ist der Unterschied zwischen einem von der SPÖ regierten Bundesland und den von uns regierten Bundesländern! (Abg. Kopf: Das riecht ja nach sozialer Kälte, Herr Kollege!)

Das Einzige, wofür ich Ihnen dankbar bin, ist, dass Sie das heute selbst mit diesem Dringlichen Antrag offenkundig gemacht haben – ich glaube, es war nicht einmal Ihnen selbst bewusst. Es war nicht einmal Ihnen selbst bewusst, dass ein derartiger Unterschied besteht, wie man mit den Schwächsten in unserer Gesellschaft umgeht, zwischen den von der ÖVP regierten Bundesländern – auch Kärnten ist da ein vorbild­liches Bundesland – und etwa Salzburg. Ein billiger Streit wird da auf Kosten der Ärmsten ausgetragen! In Salzburg geht es darum, ob das so bleibt, dass der Zuschuss abhängig ist vom Bezug der Sozialhilfe. Warum? – Denn dann müssten die Gemein­den nämlich zwei Drittel zahlen und nicht das Land. So billig machen wir es uns nicht, wie Frau Landeshauptmann Burgstaller es sich in Salzburg macht!

Hätten Wien, Salzburg und das Burgenland das gemacht, was die anderen Bundes­länder bereits beschlossen haben, hätten wir uns diese heutige Debatte ersparen können. Aber da fehlt Ihnen die Durchsetzungskraft, Herr Parteivorsitzender Alfred Gusenbauer! Da fehlt Ihnen die Durchsetzungskraft! Richten Sie die Energie dorthin, wo die Zuständigen zu Entscheidungen gefordert sind! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie, Herr Abgeordneter Gusenbauer, können sich gerne umdrehen und mir den Rücken zuwenden, es ändert nichts an den Fakten, denn auch in der Aussendung Ihrer Bundesgeschäftsführerin Bures ist genau das wieder nachzulesen, was Sie heute in Ihrem Antrag haben. Das Entscheidende ist, dass wir diese Gruppen wie Notstands­hilfebezieher, Leute, die eine ganz niedrige Pension haben, hier nicht ausschließen! In Wien sind diese ausgeschlossen, ich sage es Ihnen noch einmal. Das ist der große Unterschied zum Vorbild Steiermark.

Da der zuvor von Kollegin Turkovic-Wendl eingebrachte Entschließungsantrag zurück­gezogen worden ist, darf ich nun folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Tancsits, Dolinschek, Ingrid Turkovic-Wendl, Dr. Helene Partik-Pablé und Kollegen betreffend Heizkostenzuschuss

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Nationalrat begrüßt, dass die meisten österreichischen Bundesländer in Wahrneh­mung ihrer Kompetenzen Heizkostenzuschüsse für sozial Schwache gewähren.

Weiters wird der Bundesminister für Finanzen ersucht, ermitteln zu lassen, welchen Anteil der Heizkostenzuschuss am gesamten Sozialbudget in den einzelnen Bundes-


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ländern hat, und dahin gehend einzuwirken, dass in Zukunft in allen Bundesländern eine möglichst gleichwertige Unterstützung gewährt werden kann.

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf Kosten der Ärmsten politisches Kleingeld wechseln zu wollen, das lehne ich grundsätzlich ab. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Kollegin Silhavy, Sie haben heute das Wort „Schande“ in den Mund genommen: Das ist die wirkliche Schande, sage ich Ihnen!

Warum wir da so konsequent sind, hat sehr viel mit christlich-sozialer Politik zu tun (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), denn in dieser gilt das Subsidiaritätsprinzip, und das Subsidiaritätsprinzip ist ein gutes Prinzip, das jetzt Gott sei Dank auch auf euro­päischer Ebene immer mehr zur Anwendung kommt. Diesem Prinzip folgend ist es hundertprozentig richtig, die Kompetenz dort zu belassen, wo sie ist, nämlich bei den Ländern, die mit Unterstützung der Gemeinden zu den besten Lösungen kommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.07

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Herrn Abgeordnetem Lopatka eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Tancsits, Dolinschek, Ingrid Turkovic-Wendl, Dr. Helene Partik-Pablé und Kollegen betreffend Heizkostenzuschuss ist hin­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag.Tancsits, Dolinschek, Ingrid Turkovic-Wendl, Dr. Helene Partik-Pable und Kollegen betreffend Heizkostenzuschuss

Die österreichische Bundesverfassung sieht vor, dass in Österreich die Länder die Kompetenz für die Sozialhilfe besitzen. In Wahrnehmung dieser bundesstaatlichen Kompetenzverteilung haben erfreulicherweise die Länder immer wieder für sozial schwache Personen Heizkostenzuschüsse gewährt.

Aufgrund der gestiegenen Rohölpreise sind nunmehr auch die Heizölpreise und mit ihnen auch die Preise anderer Energieträger deutlich gestiegen. Zur Abfederung der Folgen für diejenigen, die von dieser Preissteigerung am stärksten betroffen sind, haben bereits einige Länder auch für den kommenden Winter Heizkostenzuschüsse beschlossen.

Allerdings sind die entsprechenden Regelungen unübersichtlich und intransparent sowie der Höhe nach unterschiedlich.

Die österreichische Bundesregierung hat bereits in den letzten Jahren in ihrem Kom­petenzbereich Maßnahmen gesetzt, die einkommensschwache Personen entlasten und begünstigen.

So sah die Steuerreform 2004 vor, dass alle Steuerpflichtigen, die ein Brutto­jahres­einkommen unter 14.500,- € aufweisen, von der Steuer vollständig entlastet werden. Damit wurden durch die Steuerreform 2004 200.000 Personen zusätzlich steuerfrei gestellt.


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Mit der Steuerreform, die am 1.1.2005 in Kraft tritt, werden weitere 150.000 Personen steuerfrei gestellt, sodass von 5,9 Millionen Erwerbstätigen ab 1.1.2005 2,55 Millionen Personen keine Lohn- bzw. Einkommensteuer mehr zahlen.

Aber auch die seit dem Jahre 2000 amtierende Bundesregierung hat nicht auf die Bezieher von Ausgleichszulagen vergessen. Seit dem Jahre 2000 erhöhte sich der Richtsatz für Alleinstehende um 10,8 % und für Ehepaare um 20,6 %. Trotz dieser beeindruckenden Erhöhung der Richtsätze ging die Zahl der Pensionisten, die eine Ausgleichszulage beziehen, von 235.346 Personen im Jahre 2000 auf 228.380 im Jahre 2003 zurück. Diese Daten zeigen, welch erfolgreiche Sozialpolitik von der schwarz-blauen Koalition betrieben wurde.

Angesichts der Entwicklung der Energiepreise und der unterschiedlichen Vorgangs­weise in den Länder stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Nationalrat begrüßt, dass die meisten österreichischen Bundesländer in Wahr­nehmung ihrer Kompetenzen Heizkostenzuschüsse für sozial Schwache gewähren.

Weiters wird der Bundesminister für Finanzen ersucht, ermitteln zu lassen, welchen Anteil der Heizkostenzuschuss am gesamten Sozialbudget in den einzelnen Bundes­ländern hat und dahingehend einzuwirken, dass in Zukunft in allen Bundesländern eine möglichst gleichwertige Unterstützung gewährt werden kann.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Silhavy zu Wort gemeldet. 2 Minuten. – Bitte.

 


17.07

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Abgeordneter Lopatka hat soeben be­hauptet, die Steiermark mit Landeshauptfrau Klasnic sei vorbildlich im Zusammen­hang mit dem Heizkostenzuschuss. (Abg. Grillitsch: Richtig, richtig! – Demonstrativer Beifall des Abg. Amon.) – Diese Behauptung ist falsch!

Ich berichtige tatsächlich: Der sozialdemokratische Soziallandesreferent in der Steier­mark hat einen Antrag eingebracht, die ÖVP hat diesen Antrag zurückgestellt – und erst auf Druck der Öffentlichkeit wurde mit einer Woche Verspätung der Antrag unseres sozialdemokratischen Landesrates beschlossen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.08

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste und vorläufig letzte Wortmeldung hiezu: Herr Abgeordneter Riepl. 6 Minuten gesetzliche Redezeit. – Bitte.

 


17.08

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich möchte auf ein paar Diskussionsbeiträge meiner Vorredner eingehen.

Eine Frage habe ich an Herrn Abgeordneten Scheuch; er hat gemeint, das soziale Gewissen der Regierung seien die Freiheitlichen: Heißt das, Sie als Freiheitliche haben ein soziales Gewissen und die ÖVP hat keines? Ist das der Schluss, den man daraus ziehen kann?


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Ich glaube, richtig ist vielmehr die Feststellung: Weder Sie noch die ÖVP haben ein soziales Gewissen! Das haben wir ja an vielen Beispielen in der Vergangenheit gesehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Regierung, sehr verehrte Damen und Herren, hat kein soziales Gewissen! (Abg. Ellmauer: Falsch! Völlig falsch!)

Frau Abgeordnete Partik-Pablé hat gemeint, das Netto-Einkommen sei gestiegen. – Frau Abgeordnete, bei den Menschen, über die wir die jetzt seit zwei Stunden dis­kutieren, ist das Netto-Einkommen sicher nicht gestiegen, wie Sie gemeint haben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Lesen Sie doch einmal nach!) Bei denen ist es nicht gestiegen, aber sicherlich beispielsweise bei den Managern, die neu geholt worden sind. Da hat jeder mindestens 10 Prozent mehr an Vergütung, an Gage bekommen (Abg. Lentsch: Bei der OMV!), manche haben sogar einen Mietzuschuss bekommen, womöglich einen Heizkostenzuschuss auch noch – alles ist ja möglich bei dieser Regierung! –, und diese Zuschüsse bewegen sich in astronomischer Höhe.

Frau Abgeordnete Partik-Pablé, Sie sollten nachdenken, über wen Sie reden, wenn Sie hier heraußen stehen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé.) – Schauen S´ mich nicht so böse an! Ich halte das schon aus, aber vielleicht verschrecken Sie damit Ihre letzten Wähler, Frau Abgeordnete! Ich glaube, es ist nicht gut, wenn Sie so dreinschauen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sind Sie ihr Wähler?)

Jetzt sitzen hier 18 Abgeordnete von den Freiheitlichen hier, aber ich kann mich noch daran erinnern, es waren einmal um 34 mehr da. Wo sind denn die jetzt?! Sie sollten also über Ihre Politik einmal nachdenken! Sie sagen zwar immer, dass Sie für die „kleinen Leute“ und für die Armen eintreten, dass Sie diejenigen in der Regierung sind, die ein soziales Gewissen haben, aber wie schaut es denn wirklich aus? (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sehr verehrte Damen und Herren! In dieser Diskussion wurde eines auch klar: Die Entwicklung der Energiepreise führte zu vermehrten Steuereinnahmen – das ist schon mehrmals gesagt worden –, aber es gibt keine Bereitschaft, den Armen in unserer Gesellschaft, den Ärmeren in unserer Gesellschaft zu helfen. Formale Gründe wurden von den Rednern der Regierungsparteien vorgeschoben.

Wir Sozialdemokraten, sehr verehrte Damen und Herren, wollen jenen helfen, die Unterstützung brauchen, und deshalb brachten wir heute diesen Antrag ein. – Sie von der Regierung fördern jedoch jene, denen es ohnehin gut geht, und die FPÖ macht da natürlich fest mit.

Ein bundeseinheitlicher Heizkostenzuschuss, wie wir ihn vorschlagen, wäre ein Akt der sozialen Gerechtigkeit, aber die soziale Gerechtigkeit ist in den letzten Jahren sehr, sehr stark strapaziert worden und in vielen Bereichen auch verloren gegangen.

Ich frage Sie auch deshalb, weil die Diskussion in weiten Bereichen von der Frage: Welches Bundesland macht es besser, und welches Bundesland macht es schlechter? geprägt war: Warum sollen die Länder eigentlich dort zahlen, wo der Bund die Ein­nahmen hat? Diese Frage ist unbeantwortet geblieben.

Wenn man schon das Stichwort „Finanzausgleich“ aufgreift, möchte ich die Bürger­meister aus Ihrer Fraktion bitten, sich einmal zu Wort zu melden und zu sagen, wie sie zum Finanzausgleich stehen und welche Erfahrungen sie in den letzten Wochen und Monaten in den Verhandlungen über den Finanzausgleich gemacht haben. Da war es sehr ruhig, und Sie wissen sicher, wovon ich spreche. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Gegenrufe bei der SPÖ.)


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Sehr verehrte Damen und Herren! Jedes Mal, wenn sich Herr Sozialminister Haupt über die steigende Energiepreise beklagte, sind am nächsten oder übernächsten Tag die Energiepreise neuerlich gestiegen – eine Politik, die sich in Wirklichkeit im Reden darstellt, bei welcher aber die Handlungen fehlen.

Die Politik ist geprägt von Worten, es heißt, es gäbe kein Geld in Wien. – Natürlich gibt es einen Zuschuss in Wien. Gefragt ist Geld – und dafür weniger Worte. Vielleicht steht ein Wort zu wenig auf der Homepage, das mag schon sein, aber die, die es betrifft, wissen, dass sie eine Unterstützung in Wien bekommen. Besser wäre daher: weniger reden und endlich handeln! Die Gewährung eines bundeseinheitlichen Heizkosten­zuschusses wäre die richtige Handlung. Stimmen Sie dem Vorschlag der Sozialdemo­kraten in diesem Hause zu! (Beifall bei der SPÖ.)

17.13

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 455/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Gewäh­rung eines bundeseinheitlichen Heizkostenzuschusses.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag einstehen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt. (Abg. Dr. Gu­senbauer – in Richtung ÖVP und Freiheitliche –: Soziales Gewissen gleich null! – Die Abgeordneten Mag. Molterer und Kopf: Bürgermeister Häupl!)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Mag. Tancsits, Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Heizkosten­zuschuss.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. (Abg. Dr. Gusenbauer in Richtung ÖVP und Frei­heitliche –: Soziale Arroganz!) – Das ist die Mehrheit, und daher ist dieser Antrag angenommen. (E 70.)

5. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (614 d.B.): Bundesgesetz über das Verbot des Inverkehrbringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch überprüft worden sind (631 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. Freiwillige Redezeit­beschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.15

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Nachdem sich jetzt die Gemüter wieder beruhigt haben, will ich Sie nicht länger auf die Folter spannen: Es geht um das hochspannende Thema „Das Verbot des Inverkehrbringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch über­prüft worden sind“.

Was ist der Hintergrund des diesbezüglichen Gesetzes? – Erstens eine EU-Richtlinie des Europäischen Rates, wonach wir in Österreich keinen Alleingang des Totalver­botes gehen können. Die EU verlangt von uns, dass wir unterscheiden zwischen


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Ersatzmethoden, die OECD-mäßig validiert sind, und solchen Methoden, bei welchen dies nicht der Fall ist, und sie gewährt Übergangsfristen von höchstens sechs Jahren, bei Toxidität solche von zehn Jahren.

Das Zweite ist etwas Prinzipielles: Tierversuche für Kosmetika sind meines Erachtens problematisch. Natürlich wollen wir den Menschen schützen, und es gibt sehr viele Kosmetika, die Hautallergien et cetera verursachen können, allerdings weiß man heute, dass der Tierversuch kein optimales Mittel ist, das festzustellen. Im Gegenteil: Man weiß heute, dass viele Tests, die zum Beispiel an Kaninchen und anderen Tieren zwangsmäßig durchgeführt wurden, eigentlich eine Qual für diese Tiere waren. Man hat den Tieren die Salben in den Bindehautsack, also ins Auge eingeträuft und hat geschaut, ob die Augen rot wurden. Eigentlich hat es für den Menschen null Relevanz, ob man dann eine Allergie bekommt oder nicht. Die fehlende Umsetzbarkeit des Tierversuches auf die Anwendung beim Mensch war also ein wesentlicher Grund, davon Abstand zu nehmen – und teuer war es obendrein. Das ist also eine unnötige Grausamkeit und eine unnötige „Extratour“.

Ich glaube, man sollte in einer humanen Gesellschaft auch das Tier human behandeln, und den Schutz vor vermeintlichen Schäden soll man nicht mit dem Leid von anderen erkaufen – insbesondere dann, wenn es Alternativmethoden gibt, die validiert sind. Deshalb werden wir von der ÖVP dieser Gesetzesvorlage natürlich zustimmen – noch dazu, wo wir uns damit ein EU-Verfahren ersparen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.17

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.17

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten begrüßen es, dass nun die Grundlage dafür geschaffen wird, dass die Entwicklung von kosmetischen Mitteln ohne Tierleid möglich wird, und wir begrüßen, dass nach Übergangsfristen die Herstellung von Kosmetika ohne Tierversuche zu erfolgen hat. Das ist zweifellos ein guter Fortschritt, den wir gerne unterstützen.

Diese Regierungsvorlage hat jedoch unseren Vorstellungen nicht entsprochen, daher haben wir sie im Ausschuss auch abgelehnt, aber ich bin sehr froh darüber, dass wir nunmehr einen gemeinsamen Abänderungsantrag behandeln, der unklare Punkte repariert und klar festlegt, dass ab 2009 beziehungsweise 2013 bestimmte Stoffe im Tierversuch nicht mehr getestet werden dürfen.

Die Strafbestimmungen finden so nicht unsere Zustimmung, weil wir glauben, dass mit diesen Strafbestimmungen Missbrauch nicht verhindert werden kann, doch ein gemein­sames Ziel braucht auch Kompromisse, und daher sind wir eben für weniger Tierleid diesen Kompromiss auch eingegangen.

Wissenschaftliche Fortschritte ermöglichen, dass neue Labormethoden Tierversuche ersetzen, und wer das will, der muss auch für Forschung und Entwicklung einstehen und Forschung und Entwicklung stärken. Ich glaube, dass die Regierung in dieser Frage ein zu wenig ehrgeiziges Ziel angeht. Aber Sie können uns ja vom Gegenteil überzeugen, indem Sie in Brüssel dafür eintreten, dass die Chemikalien-Richtlinie nicht zu einem Förderprogramm für Tierversuche wird, denn der vorliegende Entwurf setzt weiterhin zu stark auf Tierversuche. Ich lade die Regierung ein, schon vor der nationalen Umsetzung aktiv zu werden und schon im Vorfeld die europäischen Normen entsprechend mitzugestalten.


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Ich befürchte, dass auch in anderen Bereichen hinsichtlich dieser Frage Wunsch und Wirklichkeit auseinander gehen, denn die Zahlen bestätigen, dass sich die Regierung nicht in erster Linie für weniger Tierleid einsetzt, sondern dass sie in erster Linie die Interessen der Pharma- und Chemiekonzerne vertritt, denn nicht anders wäre es sonst möglich, dass die Zahl der Versuchstiere seit 1999 um 32 Prozent gestiegen ist. 172 000 Versuchstiere gibt es, und das bedeutet, dass in Drei-Minuten-Schritten jeweils ein Tier an einem Versuch stirbt. Ich meine, dass das eine sehr dramatische Entwicklung ist, und daher fordern wir Sie auf, diese Situation zu überdenken, und wir laden Sie auch ein, gemeinsam an deren Verbesserung zu arbeiten. (Beifall bei der SPÖ.)

17.21

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Rosenkranz ans Rednerpult. Ihre Wunschredezeit beträgt 2 Minuten. – Bitte, Frau Kollegin.

 


17.21

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Österreich war bis jetzt das einzige Land Europas, das in Entsprechung einer Richtlinie aus dem Jahre 1976 ein totales Tierversuchsverbot umgesetzt hatte, diesem ist allerdings die Wirksamkeit weitgehend versagt geblieben, weil es nur innerhalb Österreichs angewendet werden konnte und auf die sich durchwegs nicht in Österreich, sondern im Ausland befindliche Kosmetikindustrie nicht anwendbar war.

Diese Richtlinie wurde im Jahre 2003 durch eine neue ersetzt, und diese bildet jetzt die Grundlage für ein koordiniertes Vorgehen der europäischen Staaten in dieser Frage. Ohne jeden Zweifel ist der Tierversuch zur Überprüfung von Kosmetika in keiner Weise eine vertretbare Methode; dies ist kein verantwortungsvoller Umgang mit dem Mit­geschöpf Tier.

Das vorliegende Gesetz trägt nun dieser neuen Richtlinie Rechnung und stellt sicher, dass dem Tierleid wirksam entgegengewirkt werden kann. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

17.22

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Weinzinger ans Rednerpult. 6 Minuten Wunschredezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


17.22

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Damen und Herren im Hohen Haus! Bis jetzt hat die Debatte noch nicht der Ankündigung des Kollegen Rasinger, es sei ein spannendes Thema, entsprochen, muss ich ehrlich gestehen. Dieses Thema wurde bisher eher sehr kurz und knapp abgehandelt, und die Spannung lässt auch noch auf sich warten. Ich hoffe, dass das nicht symptomatisch ist für das Thema „Tierversuche in Österreich“, ganz generell gesehen.

Faktum ist allerdings, dass wir uns heute nur deswegen mit dem Thema „Tierversuche“ im Hohen Haus beschäftigen können, weil eine EU-Richtlinie umgesetzt und im österreichischen Recht eine dementsprechende Anpassung vorgenommen werden muss. Faktum ist auch, dass die Regierungsvorlage, die dem Ausschuss vorgelegt wurde, das sehr unzureichend getan hätte, und ich freue mich daher umso mehr, dass es gelungen ist, im Ausschuss noch Abänderungen einzubringen, und dass das dazu geführt hat, dass wir heute einen Vier-Parteien-Abänderungsantrag vorliegen haben, der tatsächlich die EU-Richtlinie in all ihrer Klarheit umsetzt. Wir hätten durchaus noch strengere Maßnahmen treffen können, als die EU es vorsieht, aber zumindest das, was


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die EU vorsieht, wird jetzt übernommen, und wir haben nicht mit einem Verfahren der EU auch noch zu rechnen.

Klar ist allerdings auch, dass wir hier nur einen ganz kleinen Bereich der Tierversuche behandeln, nämlich jenen Bereich, in welchem es um kosmetische Produkte und den Handel mit kosmetischen Produkten geht. Es ist das Durchführen von Tierversuchen zum Testen von kosmetischen Produkten in Österreich seit 1999 verboten. Es wird mit unterschiedlichen Phasen bis zum Jahr 2013 auch der Handel mit kosmetischen Produkten, die im Tierversuch getestet wurden, obwohl es zu diesem Zeitpunkt schon Alternativmethoden gab, untersagt.

Ich freue mich, dass Herr Kollege Rasinger von der ÖVP Verständnis dafür zeigt, dass nicht nur unnützes Tierleid zu vermeiden ist, sondern dass auch die Methode „Tier­versuch“ als Test für Wirkungen von Produkten beim Menschen eine fragwürdige ist. Es gibt genügend Beispiele, wo Tests im Tierversuch nicht die Sicherheit des Pro­duktes garantiert haben, wo es trotz dieser zu Allergien gekommen ist.

Das ist auch ganz klar, wenn man bedenkt, dass man einem Kaninchen, noch dazu einem Albinokaninchen, das im Regelfall in der Forschung verwendet wird, eine Stelle auf dem Rücken ausrasiert, einem Tier, das unter Extremstress gehalten wird – unter Extremstress brechen im Regelfall zuerst die Immunabwehrreaktionen zusammen, und Allergien sind ein erstes Resultat –, und dann die Ergebnisse, die man an einem Kaninchen, einem Albinokaninchen, das eine genetische Ausnahme darstellt, in einer Haltungsausnahmesituation unter Extremstress erzielt hat, auf den Menschen überträgt.

Ich meine, es müsste eigentlich jedem einleuchten, dass das nicht funktionieren kann. Wir wissen, dass es häufig genug nicht funktioniert hat, und ich würde mich freuen, Herr Kollege Rasinger, wenn wir die gemeinsame Erkenntnis, dass das eigentlich unsinnig ist und daher Tierleid zu vermeiden ist, dazu nützen würden, nicht nur im Bereich der Kosmetika, sondern auch in anderen Bereichen, wo Tierversuche nach wie vor gang und gäbe sind, nicht zuletzt auch in der medizinischen Forschung, Tier­versuche zu hinterfragen.

In der medizinischen Forschung ist natürlich die Nutzen- und Riskenabwägung eine andere, da muss die Entscheidung anders getroffen werden, da stimme auch ich Ihnen zu. Allerdings wissen wir, dass auch da die Alternativverfahren in vielen Bereichen schon sehr, sehr weit entwickelt sind und dass auch wissenschaftlich haltbarere Ergebnisse erzielt werden, wenn wir nicht an einem genetisch sehr fern stehenden Tier, sondern an menschlichen Zellkulturen Tests durchführen, die vielleicht vom Ergebnis her sehr viel mehr bringen werden.

Ich hoffe daher, dass wir das Thema „Tierversuch“ tatsächlich als eine spannende Frage auch jenseits der heutigen EU-Richtlinienumsetzung behandeln können. Die Gelegenheit dazu hätten wir ja. Es gibt da einen Antrag, der dem Petitionsausschuss vorliegt, dass man an den großen Menschenaffen generell Tierversuche verbieten soll, weil man heute aus Ergebnissen der Forschung eindeutig weiß, dass diese Tiere nicht nur genetisch dem Menschen sehr nahe stehen, sondern auch in ihren Wahr­nehmungsformen, in ihren kognitiven Fähigkeiten nahezu gleich leidensfähig sind wie Menschen, die ein paar Jahre alt sind, also wie Kinder. Daher gibt es eine europaweite Kampagne, Tierversuche an Menschenaffen grundsätzlich zu untersagen. Ich hoffe, dass sich Österreich dieser Kampagne anschließen kann. Dadurch könnten wir auch den Ruf, den wir uns in Sachen Tierschutz gerade erst erworben haben, ein wenig ausbauen.

Ich hoffe auch, dass sich der Wissenschaftsausschuss, der ebenfalls das Thema „Tierversuche“ in Verhandlung hat, durchringt, für die stärkere Förderung von


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Alternativmethoden zum Tierversuch einzutreten. Die Alternativmethoden zum Tier­versuch, die im Interesse der menschlichen Sicherheit und im Interesse des Ver­meidens von Tierleid stehen, sind nämlich heute in der Forschungsförderung völlig unterdotiert. Da gibt es ein riesiges Potential, nicht zuletzt auch standortspezifisch nicht uninteressant. Es sollten verstärkt Fördermittel in diesen Bereich gelenkt werden. Das ist etwas, was wir in Österreich auch im Alleingang machen könnten und wofür wir uns auch innerhalb der EU einsetzen sollten, sodass die Alternativmethoden zum Tierver­such sukzessive den Tierversuch selbst verdrängen. Damit können wir sowohl im Men­schenschutz, also in der Sicherheit, die die Testverfahren für die menschlichen Anwenderinnen und Anwender bringen, als auch im Tierschutz und in der Vermeidung von Tierleid, von Leid, das leidensfähigen Geschöpfen in manchmal unvorstellbarem Maße zugefügt wird, Fortschritte erzielen.

Ich hoffe, dass das heute nur ein Anfang der Tierversuchsdebatte war, und Herr Abgeordnete Rasinger hat Recht damit, dass es ein spannendes Thema ist. (Beifall bei den Grünen.)

17.28

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Rauch-Kallat. – Bitte.

 


17.28

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Hohes Haus! Das derzeitige Bundesgesetz über das Verbot des Inverkehrbringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch getestet worden sind, ist nicht mehr EU-konform und ist daher aufzuheben.

In Österreich gilt auf Grund des Tierversuchsgesetzes bereits seit längerer Zeit ein Verbot für Tierversuche im Rahmen der Herstellung von Kosmetika. Da hatte Öster­reich eine Vorreiterrolle inne. Das war eine ganz, ganz wichtig Maßnahme, die wir bereits vor einigen Jahren beschlossen hatten. Das war auf Grund der Tatsache, dass Österreich keine nennenswerte große Kosmetikindustrie hat, auch leichter durch­zusetzen, als es wahrscheinlich in anderen Ländern möglich gewesen wäre.

Mit der vorliegenden Regierungsvorlage kann nun im europäischen Gleichklang sicher­gestellt werden, dass Kosmetika, bei deren Herstellung Tierversuche durchgeführt werden, obwohl entsprechende Alternativen bereits erarbeitet und validiert wurden, nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen. Die Europäische Kommission wird dabei Fristen zum Verbot des Inverkehrbringens von kosmetischen Mitteln, die in Tierversuchen getestet wurden, und Fristen zum Verbot jedes derzeit durchgeführten Tests mit Tierversuchen bis zu höchstens sechs Jahren nach In-Kraft-Treten dieser Richtlinie festlegen.

Da für Tests, die die Toxidität bei wiederholter Verabreichung, die Reproduktions­toxidität und die Toxikokinetik betreffen, bisher noch keine Alternativmethoden geprüft wurden, wird die Frist für das Wirksamwerden des Verbotes maximal zehn Jahre ab In-Kraft-Treten dieser Richtlinie betragen. Mit dem vorliegenden Abänderungsantrag wird den neuesten Entwicklungen auf europäischer Ebene Rechnung tragen, und ich möchte mich sehr herzlich dafür bedanken, dass es nach den Beratungen im Aus­schuss dann doch möglich war, einen Vier-Parteien-Antrag zustande zu bringen, und ich danke für die Zustimmung auch zu dieser Materie. Ich kann Ihnen versprechen, dass ich als für den Tierschutz verantwortliche Ministerin meine ganze Kraft dafür ein­setzen werde, dass auch in Zukunft jegliches Tierleid, das vermeidbar ist, vermieden wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.31

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Grander. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.31

Abgeordnete Maria Grander (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe zu Beginn den Abän­derungsantrag der Abgeordneten Maria Grander, Barbara Rosenkranz, Kai Jan Krainer und Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Gesund­heitsausschusses über die Regierungsvorlage (614 der Beilagen) ein: Bundes­gesetz über das Verbot des Inverkehrbringens von kosmetischen Mitteln, die in Tier­versuchen überprüft worden sind (631 der Beilagen), und ich ersuche den Herrn Präsidenten wegen des Umfanges dieses Antrages gemäß § 53 Abs. 4 des Gesund­heitsorganisationsgesetzes um die Verteilung dieses Antrages an die Abgeordneten.

Ich erläutere den Kernpunkt des Antrages:

Zur Verbesserung der Rechtssicherheit und zur vollständigen Umsetzung der Richt­linien ist es erforderlich, das Datum der entsprechenden Inkrafttretensbestimmungen im Gesetz umzusetzen. – Soweit in Kurzform unser Antrag.

Im Jänner 2003 einigten sich der Ministerrat der Europäischen Union und das Euro­päische Parlament auf einen Kompromisstext zur siebenten Änderung der EU-Kosmetikrichtlinien zur Abschaffung von Tierversuchen im Bereich Kosmetik. Die neue Richtlinie beinhaltet sowohl ein Vermarktungs- als auch ein Tierversuchsverbot. Somit werden zukünftig sowohl der Verkauf von kosmetischen Produkten, die auch in Dritt­ländern an Tieren getestet wurden, als auch die Tierversuche, die innerhalb der EU zur Prüfung neuer Kosmetika durchgeführt werden, geregelt.

Der nun vorgelegte Gesetzentwurf dient der Umsetzung dieser EU-Richtlinie, wodurch die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel angeglichen werden sollen. Die Richtlinie enthält auch neue Regelungen über Angaben und Werbe­aussagen, die sich auf die Nichtdurchführung von Tierversuchen beziehen. Der Hin­weis auf der Verpackung, dass keine Tierversuche durchgeführt wurden, ist nur gestattet, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu müssen noch Leitlinien ausgearbeitet und im Ausschussverfahren angenommen werden.

Darüber hinaus enthält die Richtlinie neue Regelungen, die dem vorbeugenden Schutz der Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher dienen oder dazu beitragen, die Information über die auf dem Markt angebotenen kosmetischen Mittel zu verbes­sern. Durch das Festlegen der Termine für das Inkrafttreten der Verbote wird ein starker Impuls für die Entwicklung und Anerkennung von tierversuchsfreien Methoden gesetzt.

Auf Initiative des Europäischen Zentrums zur Validierung von Alternativmethoden unter Leitung der Europäischen Kommission hat sich im März 2003 eine Arbeitsgruppe gebildet, die es sich zur Aufgabe gesetzt hat, den Ersatz der Tierversuche termin­gerecht zu realisieren und weiteres Tierleid zu vermeiden. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.34

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von der Abgeordneten Maria Grander in seinen Grundzügen gemäß § 53 Abs. 4 Geschäftsordnungsgesetz – Frau Kollegin, Sie sind von der Gesundheit besessen, denn Sie haben „Gesundheitsorganisationsgesetz“ gesagt; Sie denken an die Gesundheit, wir an die Geschäftsordnung – ist hinreichend unterstützt, steht mit zur Verhandlung und wird antragsgemäß verteilt.


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Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Maria Grander, Barbara Rosenkranz, Kai Jan Krainer, Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (614 d.B.): Bundesgesetzes über das Verbot des Inverkehr­bringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch überprüft worden sind (631 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Die oben bezeichnete Vorlage wird wie folgt geändert:

1. § 1 lautet:

„§ 1. (1) Es ist verboten, kosmetische Mittel (§ 5 des Lebensmittelgesetzes 1975) in Verkehr zu bringen (§ 1 Abs. 2 des Lebensmittelgesetzes 1975), wenn das kos­metische Mittel oder einer seiner Bestandteile oder eine Kombination seiner Bestand­teile durch dessen Hersteller oder über dessen Veranlassung oder – im Fall der Einfuhr – durch dessen für das Inverkehrbringen in den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) Verantwortlichen oder über dessen Veranlassung zur Einhaltung der Bestim­mungen des Lebensmittelgesetzes 1975 und der aufgrund dieses Gesetzes erlas­senen Verordnungen, soweit sie kosmetische Mittel betreffen, im Tierversuch getestet worden ist, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits eine validierte Alternativmethode gemäß § 3 Abs. 4 und 5 der Chemikalienverordnung 1999, BGBl. II Nr. 81/2000, zuletzt geändert durch die Verordnung BGBl. II Nr. 186/2002, oder gemäß der Verord­nung nach § 2 anzuwenden gewesen wäre sowie unter gebührender Berücksichtigung der Entwicklung der Validierung innerhalb der OECD.

(2) Es ist verboten, kosmetische Mittel in Verkehr zu bringen, wenn das kosmetische Mittel oder einer seiner Bestandteile oder eine Kombination seiner Bestandteile durch dessen Hersteller oder über dessen Veranlassung oder – im Fall der Einfuhr – durch dessen für das Inverkehrbringen in den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) Verantwortlichen oder über dessen Veranlassung zur Einhaltung der Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes 1975 und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verord­nungen, soweit sie kosmetische Mittel betreffen, nach dem 11. März 2009 im Tier­versuch getestet worden ist.

(3) Abweichend von Abs. 2 gilt das Verbot des Inverkehrbringens für kosmetische Mittel, deren Bestandteile oder Kombinationen von Bestandteilen, die im Zusam­menhang mit der Toxizität bei wiederholter Verabreichung, der Reproduktionstoxizität und der Toxikokinetik in Tierversuchen, für die keine alternativen Methoden geprüft worden sind, getestet worden sind, ab dem 12. März 2013.“

2. § 2 lautet:

„§ 2. Der Bundesminister für Gesundheit und Frauen hat mit Verordnung ein Verzeichnis der validierten Alternativmethoden, die für die Erfüllung der Anforderungen des Lebensmittelgesetzes 1975 und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verord­nungen an kosmetische Mittel, zur Verfügung stehen und nicht gemäß § 3 Abs. 4 und 5 der Chemikalienverordnung 1999 kundgemacht sind, nach Maßgabe entsprechender Veröffentlichungen durch die Europäische Kommission, zu erlassen.“

3. In § 3 wird die Wortfolge „entgegen dem Verbot“ durch die Wortfolge „entgegen den Verboten“ ersetzt.


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Begründung:

Ad 1: Die Bestimmung ist hinsichtlich der Alternativmethoden entsprechend zu konkretisieren, wobei auf die nationalen Umsetzungen zu verweisen ist. Weiters sind die Endtermine gemäß der Richtlinie 2003/15/EG „zur Änderung der Richt­linie 76/768/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitglied­staaten über kosmetische Mittel“ für das In-Verkehr-Bringen von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch getestet worden sind, aufzunehmen. Eine Rücksprache mit der Europäischen Kommission ergab, dass der Zeitplan der Kommission keinen verbindlichen Charakter hat.

Schließlich wurde der Verweis auf die Kosmetikverordnung durch den Verweis auf das LMG 1975 samt den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen, soweit sie kosmetische Mittel betreffen, ersetzt, da in der Kosmetikverordnung nur ein Teil der Kosmetikrichtlinie umgesetzt ist.

Da in manchen Fällen eine Alternativmethode von der OECD validiert wird, muss auch die OECD-Validierung berücksichtigt werden. Dies entspricht auch dem Wortlaut Art. 1 Abs 2 Ziffer 1a und 1 b sowie Ziffer 2 der Richtlinie 2003/15/EG zur Änderung der Richtlinie 76/768/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitglied­staaten über kosmetische Mittel.

Ad 2: Zum Zweck der Veröffentlichung der künftig in Anhang IX der Richt­linie 76/768/EWG vorgesehenen validierten Alternativmethoden zum Tierversuch, die für die Erfüllung der Anforderungen der Kosmetikrichtlinie zur Verfügung stehen, bedarf es einer entsprechenden Verordnungsermächtigung.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ans Rednerpult gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Schasching. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


17.35

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Der von meiner Vorrednerin eingebrachte Abänderungsantrag findet die Zustimmung der SPÖ-Fraktion, wie bereits mehrmals ausgeführt wurde, und ich bin sehr froh darüber, dass es trotz der kontroversiellen Diskussion im Ausschuss, trotz der sehr heftigen Ausschussdebatte dazu gekommen ist, dass unsere Ideen zur Aus­weitung dieses Gesetzes und unsere Vorschläge sowie die Vorschläge der grünen Fraktion in die Abänderung einfließen konnten, und wir stimmen daher wirklich sehr, sehr gerne diesem Gesetz zu, das immerhin hilft, Tierleid für die Inverkehrbringung von Kosmetika zu vermeiden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

In diesem Zusammenhang möchte ich auch kurz darauf eingehen, wie dieser Aus­schuss abgelaufen ist. Dort waren die Debatten, wie bereits erwähnt, sehr heftig, und dort wurde es auch wieder einmal, wie wir es ja schon gewöhnt sind von dieser Regierung, abgelehnt, einen Gesundheitsbericht ins Plenum zu bringen. Wir haben das sehr, sehr bedauert, weil wir der Meinung sind, dass diese sehr guten Hilfsmittel für unser aller Arbeit, diese gute Grundlage, um eine Materie umfassend zu beleuchten, sich sehr wohl eine breitere Debatte verdient hätte. Ich denke etwa nur daran, wie stark Vertreter der Medien diesen Ausschuss besucht haben. Daher meine ich, dass das durchaus auch ein gemeinsames Anliegen sein könnte, wieder einmal Gesund­heitsberichte im Plenum debattieren zu können. (Beifall bei der SPÖ.)

Zu den weiteren Punkten, die wir in diesem Ausschuss debattiert haben. – Ich denke, wir gehen durchaus in vielen Punkten konform. Einer dieser Punkte ist, dass wir unter


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anderem auch auf die Prävention in der Gesundheit ein besonderes Augenmerk legen sollen. Präventionsmaßnahmen gibt es vielerlei, so etwa die Bereiche der gesunden Ernährung, aber es gibt – und darauf werden Sie sicherlich schon warten – auch den Bereich Bewegung. Ich würde mir wünschen, Frau Bundesministerin, dass in die „Gesundheitsziele Österreichs“, die Sie uns auch im Ausschuss präsentiert und zu denen Sie einen Zwischenbericht vorgelegt haben, vor allem auch der Wert der Bewegung als Mittel der Gesundheitsvorsorge einfließt. Wir wissen alle, dass das gerade im Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen und im Bereich der Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates bereits im Kleinkindalter begonnen werden muss, Vorsorge zu treffen, zu motivieren, dass man sich mit Freude und vor allem lebenslang bewegt, und diese gesunde Bewegung ist dann auch eine wichtige Maßnahme, um insgesamt Kosten im Gesundheitssystem zu sparen.

Ich spreche das deshalb an, weil ich um den Wert der Bewegung, den auch Sie schätzen, sehr wohl weiß. Und ich weiß auch, dass Sie es schätzen würden, das weiter fortzuführen, obwohl es Ihnen nicht gelungen ist – trotz der Kampagnen, die Sie versucht zu starten haben –, die ungesunden Streichungen von Turnstunden und unverbindlichen Übungen, von Stunden also, die der Streichungswut der Frau Minis­terin Gehrer zum Opfer gefallen sind, zu verhindern.

Daher ersuche ich, das auch weiterhin im Auge zu behalten und in die Gesund­heitsziele aufzunehmen. Dann werden wir dem hier ganz sicherlich auch unsere Zustimmung geben können. (Beifall bei der SPÖ.)

17.38

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wittauer. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Niederwieser: ... mit Kosmetika?)

 


17.39

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Ministerin! Natürlich habe ich mit Kosmetik weniger zu tun, aber Tierschutz ist ein wesentlicher Bereich, mit dem ich mich immer beschäftigt habe, und ich bin auch glücklich darüber, dass gerade in diesem Bereich alle vier Parteien an einem Strang ziehen. Deshalb ist es für mich auch nicht verwunderlich, dass ein Vier-Parteien-Antrag zustande gekom­men ist, der zum Ziel hat, gerade im Zusammenhang mit Kosmetik Tierversuche dauerhaft zu vermeiden.

Gerade aber bei Tierversuchen, die die medizinischen Bereiche betreffen, haben wir ein großes Problem. Da ist es natürlich notwendig, Anstrengungen zu unternehmen – und da gebe ich Frau Abgeordneter Weinzinger Recht, dass wir mehr Gelder brauchen, um das zu unterstützen. Alternative Methoden müssen in der Form unter­stützt werden, dass Tierleid nicht nur vermieden, sondern dauerhaft verboten wird.

Wenn man die Zahlen anschaut, weiß man, dass es dort Doppelbereiche gibt. Es dürfen keine doppelten Tierversuche stattfinden, und zur Vermeidung von solchen doppelten Versuchen soll eine europäische Datenbank unterstützt werden, soll man auch dort Gelder einfließen lassen.

Ich glaube, da sind wir uns einig, und ich meine, dass wir wirklich für den Tierschutz gesorgt haben, angefangen eben mit dem Tierschutzgesetz selbst. Was die Anträge der Abgeordneten Weinzinger anlangt, so stellen diese sicherlich eine Diskus­sions­basis dar. Bestimmt werden wir einen Gesamtkonsens finden und Anträge dann gemeinsam beschließen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.40

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hütl. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.40

Abgeordneter Dipl.-Ing. Günther Hütl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Österreich war Vor­reiter auf dem Gebiet des Tierschutzverbotes für Kosmetikprodukte – das hat ja Frau Bundesministerin Rauch-Kallat bereits ausgeführt – und hat diese Bestimmungen in Form eines totalen Tierschutzverbotes umgesetzt.

Das bestehende Bundesgesetz ist aber nicht mehr EU-konform, das heißt, eine neue EU-Richtlinie muss umgesetzt werden – ein Umstand, dem wir mit dieser Regierungs­vorlage Rechnung tragen.

Innerhalb der EU können Konsumentinnen und Konsumenten sicher sein, dass Kos­metikprodukte den gleichen Qualitätsanforderungen unterliegen, dass sie nach den gleichen Regeln hergestellt, dokumentiert und kontrolliert werden. Mir ist besonders wichtig, dass man wegkommt von Tierversuchen für die Kosmetik – hin zu alternativen Testmethoden. Mittlerweile wurden ja verschiedene Alternativmethoden entwickelt, die Tierversuche in der Kosmetikbranche überflüssig machen: So zum Beispiel verbes­serte Prüfstrategien oder computerunterstützte Methoden, die Stoffe auf ihre Struk­turen hin miteinander vergleichen und dadurch Rückschlüsse auf ihre Wirkung zulassen. Ebenso anführen möchte ich in diesem Zusammenhang den Test an Zell­kulturen.

Bereits in den fünfziger Jahren wurde das so genannte 3-R-Konzept erstellt, das auf drei Säulen basiert. Diese drei „R“ beziehen sich auf refinement, reduction, replace­ment, was man ungefähr mit Verbesserung, Verminderung und Ersatz übersetzen kann.

Hinweisen möchte ich auch darauf, dass in der EU etwa 8 400 Kosmetikinhaltstoffe auf ihre Ungefährlichkeit für den Menschen getestet wurden. Rund 90 Prozent der Kos­metika, die neu auf den Markt kommen, bestehen aus diesen bekannten Inhaltsstoffen, jedoch in anderer Zusammensetzung.

Abschließend: Frau Bundesministerin Rauch-Kallat möchte ich dafür danken, dass mit diesem Gesetz sowohl in Österreich als auch in der EU ein guter Weg beschritten wird. Und ich meine, am Ende dieses Weges sollen wir uns gänzlich von Tierversuchen für Kosmetika und somit auch von Tierleid verabschiedet haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.42

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.43

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Erlauben Sie mir hiezu einige abschließende Betrachtungen seitens der SPÖ-Fraktion. Es ist positiv, dass es eine Einigung gibt – auf Druck der EU entstanden, das muss man schon dazu sagen. Und es ist selbstverständlich positiv, dass das hier öffentlich im Parlament debattiert wird; das geschieht also alles zu Recht.

Am 5. Oktober jedoch, meine Damen und Herren, haben wir uns in einer Ausschuss­sitzung nicht „nur“ – unter Anführungszeichen – über Tiere, sondern auch über Menschen unterhalten, und zwar im Zusammenhang mit dem Gesundheits­bericht 2003. Und ich möchte jetzt dort fortsetzen, wo Kollegin Schasching aufgehört hat. Es kann ja nicht sein, dass man zwar über Tiere spricht, über den Menschen jedoch


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nicht – und es ist daher nicht einzusehen, Frau Ministerin, dass ÖVP und FPÖ es abgelehnt haben, hier über den Gesundheitsbericht zu debattieren, beispielsweise über Themen wie Gesundheitsagenturen oder Chipkarte.

Wenn wir heute spät am Abend über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses debattieren, werden Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, doch schon längst die Flucht ergriffen haben. Das sind aber wichtige Themen, die die Menschen sehr beschäftigen, geht es dabei doch nicht nur um wichtige Projekte im Gesundheitsbereich, sondern auch um Misswirtschaft!

Meine Damen und Herren! Frau Ministerin! Sie sind uns eine Stellungnahme schuldig! (Abg. Dr. Brinek steht an der Regierungsbank und spricht mit Bundesministerin Rauch-Kallat.) Frau Brinek, Sie brauchen jetzt nicht gezielt die Frau Ministerin abzu­lenken; ich habe etwas zu sagen! (Abg. Dr. Brinek: Ich habe nur ...!) – Herr Präsident, ich verlange, dass das eingestellt wird, dass sich während meiner Rede Frau Abgeordnete Brinek mit der Frau Ministerin unterhält! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Bundesministerin, Sie sind dem Hohen Haus eine Erklärung schuldig, warum der Gesundheitsbericht 2003 hier nicht öffentlich diskutiert wird! Warum lehnt die ÖVP das ab, Frau Ministerin?! – Sagen Sie uns aber bitte nicht: weil die Mehrheit das nicht wollte! Der Respekt vor der Intelligenz von Abgeordneten sollte so etwas verhindern! (Beifall bei der SPÖ.)

17.44

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzter Redner hiezu: Herr Abgeordneter Lichtenegger. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.45

Abgeordneter Elmar Lichtenegger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Das Schöne an unseren gemeinsamen Anträgen ist, dass hier wirklich einmal ein angenehmes Diskussionsklima herrscht – das Blöde ist jedoch, dass jetzt nicht viele Mandatare da sind.

Um ganz kurz auf diese bereits angesprochene Sitzung des Gesundheitsausschusses zurückzukommen: So weit ich mich erinnern kann, war der Gesundheitsbericht 2003 dort auch Thema der Diskussion, und so weit ich mich weiters erinnern kann, hat Kollege Öllinger gesagt, es sei mühsam, über Dinge zu diskutieren, die schon drei Jahre zurückliegen, denn der Gesundheitsbericht 2003 handelt eben hauptsächlich über Dinge aus dem Jahre 2001, eben mit einer Vorausschau auf 2003. Insofern ver­stehe ich es daher nicht, wenn Sie, Herr Kollege Kräuter, jetzt hier sagen: Warum diskutieren wir nicht über Gesundheitsreform und Chipkarte? Diese Themen waren teilweise doch gar nicht Bestandteil dieses Berichtes 2003! – Das ist einmal das Eine.

Ein anderes „Highlight“ dieser teilweise doch sehr eigenartigen Sitzung des Gesund­heitsausschusses war, dass Kollege Lackner von der SPÖ ein Privatissimum von Frau Bundesministerin Rauch-Kallat angeboten bekommen hat. Und erinnern kann ich mich weiters daran, dass dort seitens der SPÖ eine „ganzheitliche Lösung“ im Gesund­heitsbereich gefordert wurde.

Da habe ich mir gedacht: Gut, eigentlich haben sie Recht, schauen und informieren wir uns, was dazu von SPÖ-Seite gekommen ist. Ich habe mir da ohnehin nicht sehr viel erwartet, habe ich nämlich vergangenen Sonntag in der „Kleinen Zeitung“ ein Interview mit Herrn Matznetter gelesen. Ihm ist die Frage gestellt worden, was los sei mit der SPÖ – und darauf hat Herr Abgeordneter Matznetter gesagt, in inhaltliche Details wolle er nicht einsteigen. – Also habe ich gemerkt: Von einem Vorschlag zum Thema


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Gesundheitspolitik kann ich inhaltlich von Abgeordentem Matznetter nicht allzu viel erwarten.

Darauf habe ich mir einige Dinge von der SPÖ-Homepage heruntergeladen, und zwar aus „Startklar für Österreich“. „Gusenbauer beginnt ‚Startklar-Tour““ heißt es dort. Was eine Gesundheitsreform betrifft, so stehen gleich am Anfang schöne Überschriften, wobei ich, so nebenbei, auch noch auf einen Rechtschreibfehler dort hinweisen möchte, falls das jemand liest.

Auf ganzen vier Seiten gibt es Vorschläge von der SPÖ, wobei die ersten drei Seiten eigentlich nur Berichte der OECD betreffen, in denen zum Beispiel steht, dass die OECD feststellt, dass die Gesundheitsausgaben in Österreich zwischen 1970 und 2000 lediglich unterdurchschnittlich gestiegen seien.

Da habe ich mir gedacht, jetzt schaue ich doch einmal nach, wer in dieser Zeit die hiefür Verantwortlichen waren. – Ich glaube, ich brauche das hier gar nicht zu sagen, denn Sie wissen ohnehin, warum es damals zu unterdurchschnittlichen Budgetierun­gen gekommen ist. Das lag jedenfalls nicht in unserer Verantwortung. – Jedenfalls haben Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, geradezu „Mut“, so etwas in Ihr Gesundheitsprogramm hineinzuschreiben.

Weiters haben Sie von der SPÖ auf dieser Homepage drei Vorschläge, wobei dort zu lesen steht, dass die OECD diese drei Schritte vorschlägt. Und was Ihre Ziele betrifft – schaut, schaut!, kann ich da nur sagen –, heißt es da, Ihre Aufgabe sei es, dass im öffentlichen Gesundheitssystem jeder die Chance bekommen solle, gesund zu bleiben.

Da habe ich mir schon gedacht: Das ist ein Vorschlag, auf den überhaupt noch niemand gekommen ist; einmal etwas „wirklich Neues“! Und weiters steht auf Ihrer Homepage: Verbesserung des Gesundheitswesens. – Einmal eine wirklich geradezu durchschlagende Idee; da braucht man wirklich „rauchende Köpfe“, um das als Ziel zu definieren.

Ein offensichtlich neuer Vorschlag in Ihrer Gesundheitspolitik, ein neuer Vorschlag in der generellen SP-Politik, fordern Sie doch „Transparenz“ und „demokratische Legiti­mation“. – Offensichtlich ist das eine Überarbeitung Ihres alten Gesundheitsreform­planes, wo keine Transparenz gegeben war, wo es auch nicht demokratisch herge­gangen ist! – Und dann steht dort noch zu lesen, dass 28 SP-Gesundheitsinitiativen auf parlamentarischer Ebene durchgesetzt werden konnten.

„Verbesserung für Menschen?“; das schreiben Sie von der SPÖ auf Ihrer Homepage mit Fragezeichen. Sie stellen sich also selber die Frage, ob das wirklich eine Ver­besserung war.

Alles in allem: Ich war da schon etwas enttäuscht. Es ist leicht, im Gesundheits­ausschuss zu sagen, wir von der SPÖ fordern eine „ganzheitliche Lösung“, aber: Eine solche ganzheitliche Lösung hätte man schon vor 20 Jahren gebraucht – und auch machen können, zu einer Zeit also, in der Sie von der SPÖ verantwortlich für die Gesundheitspolitik waren, weiß man doch, dass Maßnahmen in der Gesundheitspolitik mindestens 20 Jahre brauchen, bis sie tatsächlich greifen. Wäre dem nicht so, dann hätten wir heute nicht die Probleme, die wir eben haben. Aber Sie von der SPÖ haben damals leider nicht vorausgedacht. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.49

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Die Frau Berichterstatterin wünscht kein Schlusswort.


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78. Sitzung / Seite 150

Wir gelangen daher zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang.

Hiezu haben die Abgeordneten Grander, Rosenkranz, Krainer, Weinzinger, Kollegin­nen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Bestim­mungen und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Grander, Rosenkranz, Krainer, Weinzinger, Kolleginnen und Kolle­gen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Paragraphen 1, 2 und 3 des Gesetzentwurfes eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein diesbezüg­liches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungs­vorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Auch der Rest der Vorlage ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

6. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (504 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die als Bundesgesetz geltende Verordnung über den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer bei Arbeiten in Druckluft sowie bei Taucherarbeiten und das Mutterschutzgesetz 1979 geändert werden (632 d.B.)

7. Punkt

Bericht und Antrag des Gesundheitsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Väter-Karenzgesetz geändert wird (633 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 6 und 7 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir treten sogleich in die Debatte ein.

Als erste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger zu Wort gemeldet. Wunschredezeit: 6 Minuten. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort.

 


17.52

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Ministerin! Hohes Haus! Hinter diesem Titel „Druckluft und Taucherarbeiten“ verbargen sich eigentlich ganz andere Debatten im Ausschuss und für die Realität in Österreich.

Ich darf vorerst nur ganz kurz zum Gesetz selbst Stellung nehmen, bei dem es sich um eine Anpassung handelt, die durch eine EU-Richtlinie notwendig wurde. Der Anpas-


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sung selbst stimmen wir natürlich zu, der Ausformulierung des Gesetzes allerdings nicht.

Es ist einigermaßen skurril, dass in einem Gesetz jetzt teilweise Änderungen enthalten sind, die geschlechtsneutral sind, obwohl es eine Stellungnahme immerhin der Frauenministerin gab, die gesagt hat, sie hätte bitte gerne das gesamte Gesetz geschlechtsneutral formuliert, und in ihrer Stellungnahme auch sehr deutlich angeregt hat, wie das zu geschehen hat – nämlich dass man zum Beispiel nicht nur von „der Arbeitnehmer“ oder von „der Schleusenwärter“ redet, insbesondere dann, wenn man im selben Text das Wort „Gasmann“ schon geschlechtsneutral formuliert hat. Da ist also ein Kauderwelsch entstanden, der nicht nachvollziehbar ist.

Das ist jetzt einmal ein Punkt, wo ich mich der Ansicht der Frauenministerin an­schließen möchte und auch einfordere – ich das auch im Ausschuss getan –, dass das gesamte Gesetz geschlechtsneutral formuliert wird. Wenn schon, denn schon!

Die Erläuterung, die ich dann nach dem Ausschuss bekommen habe, kann ich zwar nachvollziehen – da hieß es, man hätte ja im Prinzip nichts dagegen, das querdurch geschlechtsneutral zu formulieren, aber dann hätte man auch Absätze sprachlich novelliert, die inhaltlich völlig veraltet sind. Jetzt stimmt zwar, dass man nicht unbedingt etwas, was inhaltlich völlig veraltet ist, dann nur sprachlich novelliert. Das ist aber nicht unbedingt ein Grund für die Grünen, jetzt einer Sache zuzustimmen, sie nicht ge­schlechtsneutral zu machen und veraltet zu belassen. – Also nehmen Sie unsere Ablehnung des Gesetzes nicht als eine inhaltliche, sondern als eine symbolische, die darauf hinweist, dass man nicht immer nur gerade das Notwendigste machen soll – das, was die EU einfordert –, sondern dass man bei einer Novellierung auch tatsächlich Nägel mit Köpfen machen und ein Gesetz sowohl inhaltlich als auch sprachlich auf den letzten Stand bringen sollte. (Beifall bei den Grünen.)

Sehr viel spannender war natürlich, dass wir unter dem Titel „Druckluft- und Taucher­arbeiten“ dann eigentlich die Väterkarenz debattiert und eine Änderung des Väter-Karenzgesetzes behandelt haben. Auch da wieder: eine Änderung, die uns die EU abverlangt – gleichzeitig aber auch eine Chance, die Väterkarenz besser zu stellen, leichter lebbar zu machen für Eltern in Österreich, und einen klaren Impuls zu geben, dass es auch politisch erwünscht ist, dass die Betreuungsarbeit von Kindern von beiden Elternteilen übernommen wird und übernommen werden kann. Das aber wird, so wie das Väter-Karenzgesetz jetzt vorliegt, nicht ermöglicht, sondern es wird – im Gegenteil – weiterhin behindert durch realitätsfremde Regelungen, die in diesem Ge­setz festgeschrieben sind. Ich möchte im Folgenden allen voran zwei herausgreifen.

Das eine ist: Dieses Gesetz untersagt, dass beide Elternteile gleichzeitig in Karenz gehen können. (Abg. Steibl: Das ist ja ein Blödsinn! Das stimmt ja nicht! Sie können ja beide in Karenz gehen!) Das heißt, Sie mischen sich hier ein, was die Frage betrifft, wie sich die Eltern die Betreuungsarbeit aufteilen wollen und ob sie das gleichzeitig machen können. Das Einzige, was Sie ihnen zugestehen, ist, dass sie einen Monat überlappend in Karenz gehen können, wenn sozusagen „die Übergabe stattfindet“: wenn der eine Elternteil vorher in Karenz war, der nächste das dann sozusagen übernimmt, dann gibt es überlappend einen Monat.

Frau Abgeordnete Steibl, Sie werden hoffentlich das Gesetz auch kennen, und Sie werden mir bestätigen, dass es nicht möglich ist, dass sich zwei Elternteile ein halbes Jahr Karenz teilen, beide gleichzeitig in Karenz gehen. Es ist noch nicht einmal möglich – und diesen Vorschlag haben wir Ihnen im Ausschuss gemacht –, wenn Sie schon sagen, Sie wollen nicht so weit gehen, wie die Grünen es jedenfalls vorschlagen würden – dass man das flexibilisiert, den Eltern die Wahlmöglichkeit gibt, wie sie sich die Betreuungsarbeit aufteilen –, dass man ihnen zumindest einen Schritt entgegen-


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kommt und sagt: In den ersten drei Monaten nach der Geburt eines Kindes, wo die Belastungen häufig am größten sind, wo nachgewiesenermaßen die Rollenverteilung zwischen den Paaren neu stattfindet und man ihnen das so möglich machen soll, wie sie sich das aussuchen, da könnte man ihnen die Möglichkeit geben, gleichzeitig in Karenz zu gehen. – Nein, noch nicht einmal diesen kleinen Schritt setzen Sie! Sie schreiben in Wirklichkeit den Eltern vor, dass immer nur einer von ihnen für das Kind zuständig sein darf.

Außerdem schreiben Sie den Eltern vor, sie dürfen nur dann in Karenz gehen und sich damit für das Kind verantwortlich fühlen, wenn ein gemeinsamer Haushalt mit diesem Kind besteht. Das heißt: Wenn Eltern getrennt leben, dann kann de facto nur der Elternteil, bei dem das Kind lebt, in Karenz gehen, der andere nicht. Wenn, wie in den meisten Fällen, die Mutter zum Beispiel sagt, sie geht eineinhalb, zwei, zweieinhalb Jahre in Karenz und steigt dann wieder in den Erwerb ein – sie hat dann im Regelfall ohnedies Probleme, die Kinderbetreuung sicherzustellen –, aber der Vater wäre bereit, dann auch ein halbes Jahr oder ein Jahr in Karenz zu gehen, so ist ihm dies nicht möglich, weil er nicht im selben Haushalt mit dem Kinde lebt. Und Sie werden ja nicht annehmen, dass eine „fliegende Übergabe“ stattfindet, wo man das Kind wie ein Postpackerl an den anderen Elternteil weiterschickt, und es lebt halt dann das nächste halbe Jahr oder Jahr dort.

Sie mischen sich ein, Sie sagen, das darf nicht sein, dass ein Elternteil dann wieder berufstätig wird und der zweite, der nicht mit Mutter und Kind oder Vater und Kind gemeinsam lebt, dann die Betreuungsaufgaben übernimmt. – Das nenne ich eine glatte Einmischungspolitik betreffend die Frage, wie Elternschaft gelebt und wie Eltern­schaft geteilt wird! (Beifall bei den Grünen.)

Wir werden daher diesem Vorschlag keine Zustimmung geben. Ich glaube, es ist eine wichtige Chance vertan worden, Väterkarenz unter günstigere Vorzeichen zu stellen und es den Eltern freizustellen, flexibel und selbstbestimmt Elternschaft zu leben und Karenzmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. – Vielleicht klappt es ja im nächsten Anlauf! (Beifall bei den Grünen.)

17.58

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Steibl. 5 Minuten Wunschredezeit. – Sie sind am Wort, Frau Kollegin.

 


17.58

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kollegin­nen und Kollegen! Zu meiner Vorrednerin sei nur Folgendes gesagt: Ich glaube, dass die Praxis ganz anders ausschaut und dass es eigentlich schade ist, dass die SPÖ und die Grünen gemeinsam immer wieder nur herumnörgeln an den sehr, sehr guten Regelungen – sei es jetzt das Kinderbetreuungsgeld, sei es die Karenzzeit oder sei es auch die Möglichkeit, Vaterkarenz anzunehmen. Es wird kein Vater daran gehindert, innerhalb der 30 Monate, in denen es das Kinderbetreuungsgeld gibt, plus der sechs Monate, dieser Pflicht, dieser schönen Pflicht, nachzukommen.

Ich möchte jetzt aber noch ein paar Fakten zu dieser Gesetzesvorlage liefern: Ja, es stimmt, es wurde im Zusammenhang mit der Novelle zur Druckluft- und Taucher­arbeiten-Verordnung, die eine sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern vorsieht, gemäß § 27 der Geschäftsordnung ein Antrag betreffend Änderung zum Mutterschutz- und Vaterschutzgesetz sozusagen eingebracht. Es gibt ein diesbezüg­liches Verlangen der Europäischen Union, und wir sollten darauf eingehen. Dass es gerade in diesem Ausschuss erfolgte, darüber kann man diskutieren. Tatsache ist, dass wir dies eben umsetzen müssen und dass es in diesem Ausschuss geschehen ist. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt wieder den Vorsitz.)


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Es erfolgt in diesem Zusammenhang nun eine Gleichstellung. Die EU hat gesagt, der Vorrang sei der Mutter gegeben gewesen. Dieser Vorrang entfällt. Den Eltern bleibt es aber – Sie sprechen ja zum Beispiel auch immer von „Gender“ – weiterhin überlassen, sich zu entscheiden, wer von ihnen wann und wie lange Karenz in Anspruch nimmt.

Erlauben Sie mir, dass ich hier direkt zu Ihrem Vorwurf überleite, Frau Abgeordnete Weinzinger, welcher lautet, die Regierungsparteien hätten das irgendwo hineinge­schmuggelt. – Ich glaube, dass es da nicht um ein Hineinschmuggeln, sondern, wie schon erwähnt, um ein Handeln gegangen ist – und wir haben als Regierungspartei eben die Aufgabe, auch zu handeln.

Sie haben in einer Aussendung, auf die ich nicht näher eingehen möchte – Sie wissen ja, welche Aussendung Sie beim letzten Ausschuss getätigt haben –, etwas dargestellt, was schlichtweg falsch war, und es war dann sehr einfach, nur zu sagen: Ja, das war die arme Mitarbeiterin. – Ich denke, dass letztendlich immer der oder die Abgeordnete für das, was hinausgeht, verantwortlich ist.

Ich möchte nur sagen: Vater und Mütter können bei Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes mit dem Kind Karenz in Anspruch nehmen. Dass die Eltern einen Haushalt teilen, ist hingegen nicht gefordert und war es auch nicht. Das heißt, der Vater kann einen Haushalt haben, die Mutter kann einen Haushalt haben, nur: dass das Kind bitte beim Vater oder bei der Mutter sein soll, das ist, glaube ich, schon halbwegs normal – denn ich brauche nicht in Karenz zu gehen, wenn ich nicht das Kind in Obhut habe. Ich denke also, da sollte man schon die Kirche ein wenig im Dorf lassen, liebe Frau Kollegin Weinzinger! Ich habe selbst ein Kind großgezogen, und ich hätte meinem Mann nicht Karenz gegönnt, wenn er sich nicht um das Kind kümmert. (Abg. Mag. Weinzinger: Das hat mit ... Haushalt nichts zu tun!)

Ich möchte weiters auch noch sagen, dass es natürlich eine Chance gewesen wäre, hier auch noch mehr in Richtung Väterkarenz zu tun. Aber ich denke, wir gehen Schritt für Schritt vor, und möchte erwähnen, dass wir die Elternteilzeit eingeführt haben, dass wir viele andere Leistungen eingeführt haben, auf die meine Kolleginnen und Kollegen noch eingehen werden, und dass gerade die Familienförderung – und das hat ja heute am Vormittag der Herr Finanzminister auch sehr klar ausgeführt – auf 5,3 Milliarden € steigt. Das heißt, die Familien sind uns in diesem Zusammenhang sehr, sehr wichtig.

Lassen Sie mich noch einen kurzen Blick, um das mit auf den Weg zu geben, auf Europa werfen: In Portugal besteht für Väter ein Anspruch auf fünf Tage nach der Geburt des Kindes, in Italien nur wenn die Mutter schwer erkrankt, in Frankreich haben Väter Anspruch auf drei Tage nach der Geburt und elf Tage innerhalb der ersten vier Monate. Was auch bei uns möglich ist: Väter können sehr wohl auch innerhalb dieser Zeit in Karenz gehen – das habe ich Ihnen schon gesagt.

Nichtsdestotrotz rufe ich natürlich dazu auf, dass immer mehr Väter den Mut finden, in Karenz zu gehen. Es sind eindeutig zu wenige Väter, auch wenn die Geburten steigen – aber vielleicht bringt es gerade die Steigerung der Geburtenrate mit sich, dass es auch mehr Väter gibt. Bei uns, in unserem Klub, haben wir jetzt einen ganz jungen Vater und auch einen zweiten, der in den nächsten Tagen mit seiner Frau ein Baby bekommt. Vielleicht sind sie auch ein gutes Vorbild.

In diesem Sinne: Es wäre schön, würden Sie zustimmen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Scheibner.)

18.03

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeord­nete Csörgits zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 



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18.04

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zwei Bemerkungen zu meiner Vorrednerin: Ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass mehr Männer die Möglichkeit in Anspruch nehmen sollten, in Karenz zu gehen. Das Problem ist nur, dass sich auch genau während Ihrer Regierung der Kündigungsschutz für Väter vehement verschlechtert hat. Das heißt, es ist nicht nur notwendig, Mut zu haben, um in Karenz zu gehen, sondern es braucht ganz besonderen Mut, weil natürlich der Kündigungsschutz verkürzt worden ist. (Abg. Steibl: Das stimmt doch gar nicht ...!)

Natürlich stimmt es, Frau Kollegin: Der Kündigungsschutz ist verkürzt worden. Früher war der Kündigungsschutz so, dass der Vater, wenn er frühestens am Tag der Geburt des Kindes gemeldet hat, dass er einen Teil des Karenzurlaubes in Anspruch nehmen will, während dieser Zeit bis zum Ablauf seines Karenzteiles kündigungsgeschützt gewesen ist. Jetzt ist er es erst einen Monat, bevor er in Karenz geht. – Ich weiß, wovon ich rede, denn ich berate die Kolleginnen und Kollegen auch im Zusam­menhang mit der Karenz und mit der Väterkarenz. – Ich nehme aber hier das Positive heraus: Versuchen wir gemeinsam, dieses Gesetz zu ändern, damit auch mehr Männer in Karenz gehen! Da können wir vielleicht das eine oder andere gemeinsam tun.

Nun zum eigentlichen Punkt, zu dem ich zu sprechen habe. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal kurz die Sitzung des Gesundheitsausschusses Revue pas­sieren lassen und darf dazu zwei kritische Bemerkungen anbringen: erstens die kritische Bemerkung, dass der Gesundheitsbericht leider nicht ins Plenum gekommen ist, obwohl wir alle wissen, dass gerade die Gesundheit den Österreicherinnen und Österreichern sehr am Herzen liegt. Es hätte dieser Gesundheitsbericht sicherlich auch eine größere Öffentlichkeit verdient.

Meine zweite Kritik bezieht sich darauf, dass – so wie auch in vielen anderen Aus­schüssen, aber insbesondere im Gesundheitsausschuss – die Regierungsparteien alles das, was von der Opposition an Anträgen kommt, und sei es noch so gut, immer wieder vertagen. Das ist kein guter Stil, denn ich bin der Auffassung, man kann auch diesen Anträgen sehr viel Positives entnehmen und zu diesen Punkten gute Gesetze machen.

Betreffend die Regierungsvorlage, die Gegenstand dieses Tagesordnungspunktes ist, darf ich berichten, dass wir der Veränderung zustimmen werden. Es bedarf ja der Anpassung auf Grund eines Verfahrens im Rahmen der Europäischen Union. Ich möchte aber doch kritisch anmerken, dass wir nicht glücklich damit sind, dass zwar einige Teile im Gesetz geschlechtsneutral formuliert worden sind, aber das Gesetz nach wie vor nicht durchgehend geschlechtsneutral formuliert worden ist, obwohl dies­bezüglich eine Stellungnahme der Frau Bundesministerin für Frauen und Gesundheit vorlag, auf die auch ich hier besonders hinweisen möchte.

Das Zweite, was ich ebenfalls kritisieren möchte, ist der Umstand, dass kein Katalog von Kriterien, unter welchen Voraussetzungen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nach einer Druckluftkrankheit wieder zurück an den Arbeitsplatz kommen könnten, aus­gearbeitet wird. Ich bin nämlich der Auffassung, dass davon die Männer genauso profitieren könnten wie die Frauen. Daher tut es mir Leid, dass wir hier nicht gemeinsam zu einer Einigung gelangen konnten.

Und zur Elternkarenz nur einen Hinweis: Hier wäre es wichtig, dass in den sicherlich sehr seltenen Streitfällen, in denen sich die beiden nicht einigen können, doch eine Streitfallregelung in die Richtung getroffen wird, dass hier den Frauen der Vorrang zu geben ist. Es tut mir Leid, dass dies nicht gelungen ist.


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Wir werden dieser Gesetzesvorlage aber trotzdem zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.07

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rosenkranz zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.07

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Eine kurze Stellungnahme zu dem, was hier tatsächlich vorliegt: Es handelt sich um eine Regierungsvorlage, die eine Novellierung in Bezug auf die Arbeiten in Druckluft sowie bei Taucherarbeiten enthält und das Mutterschutz­gesetz 1979 ändert. Das ist auf Grund einer Rüge der Europäischen Kommission notwendig geworden. Es wird das Beschäftigungsverbot für Arbeitnehmerinnen ent­fernt und die damit notwendig gewordenen Änderungen im Bereich der sanitären Einrichtungen verankert, und es werden auch, wie erwähnt, einige Begriffe abgeändert.

Es ist dies eine notwendige Novellierung, und wir werden dazu die Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.08

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte, Herr Bundesminister, Sie sind am Wort.

 


18.08

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Frau Präsidentin! Hohes Haus! In aller Kürze: Ich bedanke mich für das offensichtlich breite Verständnis des Hohen Hauses für die notwendigen Änderungen, die substantiell von enden wollender Bedeutung sind. Insbesondere die Änderung des Väter-Karenzgesetzes wird in der Realität wenig an Veränderung bringen. Eine Vorrangstellung für die Mutter im Fall des Falles ist von der Europäischen Union als nicht EU-konform kritisiert worden.

Ein von Frau Abgeordneter Csörgits geforderter Streitbeilegungsmechanismus – sie haben dazu gesagt: wird nur selten in Anspruch genommen werden – ist etwas, was durchaus denkbar ist, aber wir wollen das nicht ohne Befassung der Sozialpartner und ohne ausführliche Diskussion machen, weil es ja im Falle des Falles doch einen Eingriff in sehr innerfamiliäre Angelegenheiten mit sich bringt. Aber wenn es für diese wenigen Fälle einen vernünftigen Mechanismus gibt, dann sind wir durchaus offen für einen Vorschlag der Sozialpartner.

Was jetzt die Kritik der Frau Abgeordneten Weinzinger betrifft, so meine ich, dass Ihnen der Schriftverkehr mit unserer Sektionschefin Szymanski gezeigt hat, dass wir, sehr geehrte Frau Abgeordnete, uns durchaus bemüht haben und hätten, schon jetzt im Schnellverfahren geschlechtsneutrale Formulierungen zu erarbeiten beziehungs­weise zu bekommen. Aber wenn allein diese eine Verordnung mit 150 bis 170 Novel­lierungsanordnungen zu bearbeiten gewesen wäre – allein das zeigt Ihnen, dass hier ein Schnellschuss nicht angemessen gewesen wäre.

Eine Generalklausel, wie wir sie jetzt vorgesehen haben, ist nach den legistischen Richtlinien des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt zulässig. Aber die abseh­bare völlige Umarbeitung und Novellierung der Druckluft- und Taucherarbeiten-Verord­nung wird selbstverständlich, so wie das von meinem Haus immer gehalten wird, geschlechtsneutrale Formulierungen umfassen, sodass ich Sie an dieser Stelle noch einmal bitten möchte, zu überlegen, ob Sie der anstehenden Novellierung nicht doch die Zustimmung erteilen können.


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Frau Präsidentin, ich danke für die Worterteilung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.11

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Dr. Rasin­ger zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.11

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Wie allgemein bekannt ist, reden wir über eine Korrektur, um ein EU-Verfahren abzuwenden. Ich würde mir wünschen, dass Frau Abgeordnete Weinzinger über ihren Schatten springen und anerkennen würde (Abg. Mandak: Aber Sie wissen, wie schwierig das ist! Rein technisch!), dass Österreich gerade in Karenzangelegenheiten führend in Europa ist. Man kann immer mehr machen, man kann immer etwas verbessern, das ist klar, und man soll auch eine Verbesserung anstreben. Aber wenn man der Realität ins Auge blickt, dann muss man sagen, dass wir hier in Österreich schon sehr weit sind.

Als Mann sage ich, es ist das Gesetz sehr positiv, weil es uns ein bisschen mehr an Rechten bringt, eigentlich Rechte, die wir wahrscheinlich ohnehin schon gehabt hätten, aber leider wahrscheinlich viel zu oft nicht nützen. Wenn man rein formalistisch ist, hat die EU uns jetzt einen kleinen Vorteil beschert, indem die Mutter nicht mehr aus­drücklich auf ihren Anspruch verzichten muss; wir können die Karenz auch so in Anspruch nehmen. Ich hoffe, es werden mehr Männer in Karenz gehen, weil ich glaube, das ist auch für die Erziehung der Kinder nicht schlecht und im Sinne der Gleichberechtigung sicherlich durchaus wünschenswert.

In diesem Sinne werden wir von der ÖVP diesem Gesetz natürlich unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.13

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Erwin Spindelberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: ebenfalls 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.13

Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Meine Damen und Herren! Ich bin froh, dass wir heute die Tagesordnungspunkte des Gesundheitsausschusses von der Vor­woche behandeln. Dies möchte ich damit verknüpfen, hier einmal die Gesundheits­politik der Regierungsparteien ein bisschen näher zu erläutern.

Gleich vorweg, wir von der SPÖ werden das Bundesgesetz über den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Arbeiten in Druckluft sowie bei Taucherarbeiten selbstverständlich unterstützen und dem zustim­men. Das ist auch auf Grund des von der Europäischen Kommission ange­strebten Vertragsverletzungsverfahrens notwendig.

Es wundert mich jedoch immer wieder, wenn die Frau Bundesministerin – die heute wieder einmal gerade bei ihrem Kapitel durch Abwesenheit glänzt – sagt, wir sollten „gemeinsam“ eine zukunftsorientierte Gesundheitspolitik machen. Daher muss man auch das, was in der Praxis tatsächlich passiert, ins rechte Licht rücken. Wir von der SPÖ sind bereit, konstruktiv mitzuarbeiten, aber anscheinend wollen das die Abgeord­neten von ÖVP und FPÖ überhaupt nicht, denn ihre Politik hat mit einem Miteinander überhaupt nichts mehr zu tun.


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Lassen Sie mich einmal drei Jahre zurückblicken. Was ist damals passiert? – Nur weil Sie damals einen Gewerkschafter, nämlich Hans Sallmutter, im Hauptverband nicht brauchen konnten, hat man ihm gesagt: Weil du nicht in der Lage bist, die Defizite in den Griff zu bekommen, gehst du weg! Nun haben wir drei Jahre lang Vertrauens­personen von ÖVP und FPÖ an der Spitze des Hauptverbandes gehabt, und was ist jetzt der Fall? (Abg. Dr. Mitterlehner: Die Defizite sind kleiner geworden! – Abg. Kopf: Wien hat ein Defizit wie noch nie!) – Die Krankenkassen pfeifen aus dem letzten Loch! (Abg. Dr. Mitterlehner: Die Wiener!)

Im Jahre 2006 wird bereits ein Defizit von 1 Milliarde € zu erwarten sein – und das, obwohl Sie bei den Pensionisten und bei den Angestellten die Beitragsschraube höher gedreht und den Wählerinnen und Wählern viele Belastungen aufs Auge gedrückt haben. (Abg. Dr. Mitterlehner: Es sind die Ausgaben auch ...!) Warum reden Sie in den Ausschüssen nicht mit uns über unsere konkreten Anträge? – Wir haben bereits 28 eingebracht. Da behaupte ich: Sie reden deswegen nicht inhaltlich mit uns, weil Sie wirklich keine Ahnung von einem guten, sozial ausgerichteten Gesundheitswesen haben, weil Ihnen überhaupt das notwendige Wissen dazu fehlt. (Abg. Kopf: Danke, Herr Oberlehrer! Danke, Herr Professor! – Zwischenruf des Abg. Dr. Mitterlehner.)

Was Sie machen, ist nur, drüberzufahren und sonst gar nichts! Sie haben den Pen­sionisten von der kläglichen Pensionserhöhung von 10,02 € gleich einmal 6 € durch Beitragserhöhungen wieder weggenommen und denken über Selbstbehalte nach. In Ihrem unnachahmlichen Machtrausch gehen Sie jetzt daran, die Gremien im Haupt­verband-Neu wieder durch lauter Schwarze zu ersetzen, nur um auch dort Ihre unsoziale Politik fortsetzen zu können. Die Frau Ministerin stellt sich noch hin und sagt, alle Ambulatorien, alle Krankenhäuser, die den Sozialversicherungen gehören, sollen jetzt in Betreibergesellschaften ausgegliedert werden. Da sage ich nur: Gute Nacht, Sozialwesen Österreich, mit Ihrer Politik!

Nachdem der Finanzminister am Vormittag gesagt hat: „2005 wird ein gutes Jahr“ – und er hat auch dazugesagt: „wenn Inhalt und Überschrift stimmen“ –, hoffe ich, dass das nur Überschriften sind, denn die Politik, die Sie machen, geht auf keine Kuhhaut mehr! (Beifall bei der SPÖ.)

18.17

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Riener zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.17

Abgeordnete Barbara Riener (ÖVP): Werte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren im Hohen Haus! Zum Kollegen Spindelberger möchte ich sagen: Ich versuche jetzt, wieder zum tatsächlichen Tages­ordnungspunkt zurückzukommen. Sicherlich haben wir das ganze Gesetz im Gesund­heits­ausschuss debattiert, aber Sie wissen auch, dass Frau Bundesministerin Rauch-Kallat dort gesagt hat: Eigentlich wäre es im Sozialausschuss zu debattieren gewesen. Wir reden darüber – und darauf möchte ich zurückkommen –, dass die als Bundes­gesetz geltende Verordnung über den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer bei Arbeiten in Druckluft sowie bei Taucherarbeiten und das Mutter­schutz­gesetz 1979 novelliert werden sollen. Dazu möchte ich Folgendes bemerken:

Es ist gut, dass dafür gesorgt wird, dass Frauen und Männern – wie einige Vorredner ohnehin schon bemerkt haben – die gleichen beruflichen Möglichkeiten geboten werden. So können künftig Frauen, wenn sie gesundheitlich dazu geeignet sind, wie die Männer Arbeiten in Druckluft durchführen. Nach wie vor gilt, dass das 21. Lebens­jahr vollendet sein muss, und es gilt auch die Altersgrenze von 45 Jahren zum Ausüben dieser Tätigkeiten. Frauen können künftig auch als Schleusenwärterinnen


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oder als Signalpersonen arbeiten. Sie haben aber auch die Möglichkeit, die Zuständig­keit für die Versorgung mit Atemgas zu übernehmen.

Wenn ich nun die Stadt Graz hernehme, so freut es mich, dass unter Bürgermeister Mag. Siegfried Nagl – er ist seit eineinhalb Jahren Bürgermeister in Graz – die letzte Männerbastion fallen soll. Bürgermeister Nagl lässt zurzeit eine Novelle ausarbeiten, nach der es künftig auch Frauen – natürlich bei Eignung – möglich sein soll, in der Berufsfeuerwehr Graz tätig zu sein, zumal die Frauen bei den Freiwilligen Feuer­wehren bereits unter Beweis gestellt haben, dass sie ihre Frau stehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Doch zurück zu den vorliegenden Novellen: Natürlich wird auch in diesem Bereich, bei Taucherarbeiten oder in Druckkammern, auf den Schutz der werdenden oder stillenden Mutter besonders geachtet. Dieser Schutz gilt aber auch dem ungeborenen Kind. Mir ist es dabei ein Anliegen, dass die Frauen in allen Bereichen um diesen besonderen Schutz wissen, sodass es zum Beispiel nicht vorkommt, dass eine werdende Mutter nicht weiß – und vom Dienstgeber nicht darüber aufgeklärt wird –, dass sie keine Nachtbereitschaft beziehungsweise keinen Nachtdienst zu machen hat. Hier sind auch die Gewerkschafter aufgerufen, denn es geht letztendlich um den Schutz für die werdende Mutter und das ungeborene Kind.

Eltern und werdende Eltern müssen unterstützt werden. Deshalb ist es für mich auch unverständlich, dass in der Steiermark im SPÖ-dominierten Sozialressort von enga­gierten Bediensteten ein Elternberatungskonzept seit mehr als acht Jahren zwar erarbeitet, aber nicht beschlossen und umgesetzt wird. Dadurch sollten die jetzigen Elternberatungsstellen steiermarkweit flächendeckend ausgebaut werden, sodass auch Eltern von größeren Kindern bis zur Pubertät professionelle Beratung erhalten.

Auf Bundesebene sind der ÖVP-FPÖ-Regierung die Familien ein Anliegen, wie dies das Kinderbetreuungsgeld, das Recht auf Teilzeit oder die steuerliche Entlastung von Familien, aber auch die Familienhospizkarenz beweisen. Man kann es also nicht oft genug sagen: Die ÖVP ist die Partei, die für die Österreicherinnen und Österreicher und ihre Anliegen da ist. Die SPÖ konzipiert – die ÖVP setzt um! (Beifall bei der ÖVP.)

18.21

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Scharer zu Wort gemeldet. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.21

Abgeordnete Erika Scharer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Die SPÖ-Fraktion stimmt dem vorliegenden Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Väter-Karenzgesetz geändert wird, zu.

Freilich fragen auch wir uns, ob das nicht besser im Ausschuss Arbeit und Wirtschaft angesiedelt gewesen wäre, Herr Minister, beziehungsweise auch im Familienaus­schuss – aber wie auch immer! In diesem Zusammenhang denken wir – es ist ein laufender Prozess und sehr wichtig, darauf hinzuweisen –, dass die fehlenden Rah­men­bedin­gungen es verhindern, dass mehr Väter Karenzzeiten in Anspruch nehmen. 2,5 Prozent sind keine wirklich positive Entwicklung, immerhin würden knapp 40 Pro­zent der Väter gerne die Karenz in Anspruch nehmen.

Ich behaupte einmal, diese Regierung rühmt sich immer als besonders familien­freundlich, aber de facto fehlen in sehr vielen Bereichen die entsprechenden Begleit­maßnahmen.

Meine Damen und Herren! Es gibt keine effektiven Anreize für eine Veränderung beziehungsweise Verbesserung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung. Budget-


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mittel für die Schaffung von Kinderbetreuungseinrichtungen – vor allem solche mit Öffnungszeiten, die auf den Arbeitsmarkt abgestimmt sind – stehen nicht zur Verfü­gung und scheinen für diese Regierung eigentlich auch ein Fremdwort zu sein. Die von der SPÖ bereits unter Barbara Prammer bereitgestellte Kindergartenmilliarde hatte das Defizit an Plätzen verringert, und nun kann man beobachten, dass es seit dem Regie­rungswechsel Anfang 2000 diesbezüglich schlichtweg nichts mehr gibt. Es fehlt vor allem an Betreuungsangeboten für Kinder unter drei Jahren, und es fehlt auch die Nachmittagsbetreuung.

Sie von den Koalitionsparteien rühmen sich eines Arbeitsplatzzuwachses und wissen, dass es sich zu 80 Prozent um keine existenzsichernden Beschäftigungen handelt. Vor allem ist es das Dramatische dieser Entwicklung, die jetzt vor sich geht (Abg. Kopf: Beim Recht auf Teilzeit war Ihnen das alles zu wenig!), dass durch die Zuverdienst­grenze die Frauen wieder mehr oder weniger als Puffer auf dem Arbeitsmarkt dienen. (Abg. Kopf: Was jetzt: ja oder ja?) Das ist eine sehr ungute Entwicklung. (Abg. Kopf: Pensionen!) Vor allem ist eines klar: Durch das schlechtere Durchschnittseinkommen für Frauen verliert die Familie bei Väterkarenz deutlich mehr an Familieneinkommen, und es gibt diesbezüglich keine Anzeichen, dass Sie dem entgegenwirken.

Es ist beschämend, wie zum Beispiel heute Minister Grasser auch über die ange­spannte Arbeitsmarktlage gesprochen hat beziehungsweise wie sehr die Arbeitslosig­keit von dieser Regierung bagatellisiert wird. Wir behaupten, dass genau diese ange­spannte Arbeitsmarktlage die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verhindert und die traditionelle Geschlechterrolle verstärkt. Wenn Ihnen Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Kindererziehung wirklich wichtig ist, dann setzen Sie begleitende Maßnahmen (Abg. Kopf: Die niedrigste Arbeitslosigkeit aller EU-Länder!), um den Zugang zur Väterkarenz zu erleichtern. (Beifall bei der SPÖ.)

18.24

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeord­nete Höllerer zu Wort.

Auch Sie haben sich für eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 3 Minuten ent­schieden. – Bitte.

 


18.24

Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich begrüße es grundsätzlich, dass Sie von Seiten der SPÖ diesen beiden Gesetzesänderungen Ihre Zustimmung geben wollen. Ich denke, dass von Seiten der Grünen bezüglich des Bundesgesetzes über den Schutz der Arbeit­nehmer und Arbeitnehmerinnen bei Arbeiten in Druckluft sowie bei Taucher­arbeiten und des Mutterschutzgesetzes vielleicht noch eine Sinnesänderung stattfinden kann. Sie haben vom Herrn Bundesminister die Erklärung dafür gehört, warum es in dieser kurzen Zeit nicht möglich war, das gesamte Gesetz geschlechtsneutral zu formulieren und auch inhaltlich und sprachlich dementsprechend anzupassen.

Ich betone hier, dass ich auch einigermaßen davon überrascht war, dass die Änderun­gen dieser beiden Gesetze im Gesundheitsausschuss besprochen wurden und heute auch in einer Einheit mit verhandelt werden. Aber Sie wissen auch, dass es diese Notwendigkeit gibt und dass die Änderungen auf Grund der Vertragsverletzungs­verfahren notwendig sind, weil die EU Österreich zu diesen Änderungen zwingt.

Frau Weinzinger hat hier auch bezüglich der Väterkarenz Stellung genommen und gesagt, sie finde es sehr spannend, dass das Väter-Karenzgesetz besprochen wird. Natürlich sind auch von unserer Seite politische Impulse erwünscht, und selbst­verständlich sind wir auch bereit, Schritt um Schritt weiterzugehen, um ganz besonders


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in diesem Bereich eine zunehmende Bereitschaft der Väter zu erreichen, in Karenz zu gehen und sich den Betreuungsarbeiten in der Familie zu widmen.

Ich bin aber einigermaßen davon überrascht, dass Sie gerade jenen Teil, in dem es darum geht, dass das Kind bei dem Elternteil, der letztendlich die Betreuungsarbeit übernimmt, wohnhaft sein soll, als Einmischung in das Privatleben der Eltern empfinden, denn ich muss Ihnen sehr wohl sagen, dass das Kind nur dann wirklich umfassend betreut werden kann, wenn es in einem Haushalt mit dem betreuenden Elternteil lebt. Diese Möglichkeit besteht auf Grund des Kinderbetreuungs­geld­geset­zes, und selbstverständlich ist auch die Flexibilität gegeben, damit es heute beiden Elternteilen möglich ist, Betreuungsarbeit zu übernehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.27

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lapp zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.27

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Die österreichische Bundesregierung hat bezüglich der Elternurlaubsrichtlinie ein Vertragsverletzungsverfahren von Seiten der Europäischen Union sozusagen am Hals, und dieses Vertragsverletzungsverfahren werden wir heute hier bereinigen, damit wir unseren Verpflichtungen aus den europäischen Verträgen nachkommen. Es wird nunmehr ausdrücklich festgehalten, dass beide Elternteile nicht gleichzeitig in Karenz gehen können.

Eine sehr wesentliche Forderung von Seiten der Kinderfreunde ist der Vaterschutz­monat. Es ist wichtig, dass sich beide Elternteile um die Kinder kümmern und dass vor allem auch Väter den Kontakt mit ihren Kindern aufnehmen, nicht nur spielenderweise am Wochenende für ein, zwei Stunden, sondern auch in den täglichen Pflichten und Erfahrungen. – Ich merke am Lachen einiger Kollegen auf Seiten der Regierungsfrak­tionen, dass das für Sie noch eine sehr große Utopie ist, aber ich weiß, dass wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten an Utopien arbeiten und diese verwirk­lichen werden. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Auch wenn Sie jetzt sagen, dass das eine gefährliche Drohung sei, muss ich Ihnen sagen, wir haben heute den ganzen Tag gehört: Die Regierung handelt! – No na, was soll eine Regierung anderes tun, die muss regieren! (Heiterkeit des Bundesministers Dr. Bartenstein.) Aber bei diesem Handeln denke ich mir oft, es ist sehr wichtig (demonstrativer Beifall bei der ÖVP), dass man vorher denkt, bevor man handelt.

Sonst würden Sie nämlich nicht voller Stolz auf einige sehr große Blasen in unserer Gesellschaft hinweisen wie die Familienhospizkarenz, die bis jetzt erst 150 Menschen in Österreich in Anspruch genommen haben. (Abg. Mag. Molterer: Was ist das? Eine Blase?) Hier ist wieder eine sehr große Blase von Ihrer Seite, denn die Familien­angehörigen, die sterbende Angehörige begleiten wollen, werden in keiner Weise darin unterstützt, dass sie bei ihren Familienangehörigen bleiben können, weil sie nämlich auf ihr Einkommen nicht verzichten können und hier keinerlei Ausgleich von Seiten des Staates gegeben ist.

Was die Kinderbetreuung betrifft, gibt es sehr ominöse Diskussionen darüber, wie viele Kinderbetreuungsplätze jetzt tatsächlich fehlen. Da gibt es Rechenbeispiele von Seiten der Frau Ministerin und der Frau Staatssekretärin, die fern jeglicher Realität sind.


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Es gibt hier also eine sehr lange Liste, die zeigt, dass sich die Regierung manchmal nur im Kreis dreht und weit weg davon ist, für die Menschen in unserem Land zu handeln. (Beifall bei der SPÖ.)

18.30

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Wöginger zu Wort.

Herr Abgeordneter, auch Sie haben sich 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung auferlegt. – Bitte.

 


18.30

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Als werdender Vater ist es mir ein besonderes Anliegen, zu diesem Thema Stellung zu nehmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bravorufe bei der ÖVP.)

Immer wieder wird die Familienpolitik und der Umgang mit der Kinderbetreuung kriti­siert. Im Zuge dieser Debatte möchte ich kurz auf unsere familienpolitischen Leistun­gen hinweisen. Wir brauchen auch den internationalen Vergleich nicht zu scheuen: Europaweit liegen wir im vordersten Feld, wenn nicht sogar direkt an der Spitze, was die staatlichen Familienleistungen betrifft.

Hier nur kurz einige Maßnahmen: Mit 1. Jänner 2002 wurde das Kinderbetreuungsgeld eingeführt, es kommt allen Eltern zugute, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Hausfrau, eine Arbeitnehmerin, eine Bäuerin oder eine Studentin handelt. (Abg. Mag. Lapp: Und wo bleiben die Väter?) Für das Kinderbetreuungsgeld sind bei­spielsweise im Budget 2005 rund 1,4 Milliarden € veranschlagt, ein Plus von 275 000 € im Vergleich zum Vorjahr.

Mit 1. Jänner 2003 wurde die Familienbeihilfe für Kinder ab dem vierten Lebensjahr um 7,30 € angehoben. Oder: Seit 1. Juli 2004 gibt es auf unsere Initiative den Rechts­anspruch auf Elternteilzeit, das kürzlich beschlossene Familienpaket im Rahmen der Steuerreform, die Anhebung der Zuverdienstgrenze beim Alleinverdienerabsetzbetrag und zusätzliche Kinderzuschläge.

Weiters das Budget. Ich habe es mir aus dem neuen Bericht zu 2005 herausgesucht: Für den FLAF sind insgesamt Ausgaben in der Höhe von 5,2 Milliarden € vorgesehen, das ist ein Plus von rund 1 Milliarde € im Vergleich zum Jahr 2000. Damit liegen wir weit über dem europäischen Durchschnitt, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich möchte damit nur aufzeigen, dass wir sehr gute Bedingungen geschaffen haben und jungen Paaren die Möglichkeit und die Voraussetzungen bieten, sich für Kinder zu entscheiden.

Ich möchte abschließend noch festhalten: Wir haben sehr gute und ausgewogene Maßnahmen, die den Eltern die Wahlfreiheit bei der Kindererziehung ermöglichen. Die heutigen Gesetzesänderungen im Mutterschutz- und Väterkarenz-Gesetz gehen eben­falls in diese Richtung.

Die Anzahl der Väter, die in Karenz gehen, ist steigend, vielleicht nicht in dem Ausmaß, wie wir das gerne hätten, aber ich bin schon der Meinung, dass die Regelung für die Elternteilzeit wesentlich besser für junge Familien ist als der diskutierte Vater­schutzmonat. Warum? – Weil es nicht nur ein paar Wochen andauern sollte, wenn das Kind auf der Welt ist, sondern der Vater das Kind auch länger begleiten können sollte.


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Wir sollten weiterhin Schritt für Schritt in der Kindererziehungspolitik vorgehen. Wir sind hier auf einem guten, sehr familienfreundlichen Weg, und das wird auch dank dieser Bundesregierung so bleiben. (Beifall bei der ÖVP.)

18.33

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als vorläufig letzte Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Mandak hiezu zu Wort gemeldet.

Frau Abgeordnete, auch Sie haben sich 3 Minuten Redezeit eintragen lassen. – Bitte.

 


18.33

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich muss noch einmal auf den Aspekt des Anspruches des Vaters zurückkommen, in Karenz gehen zu können, wenn beide Elternteile nicht in einem gemeinsamen Haushalt leben.

Das ist offenbar ein Missverständnis, denn man bleibt ja Vater und Mutter, auch wenn sich das Paar trennt. Es geht nicht darum, dass nur diejenigen Eltern sind, die zusammenleben und möglicherweise auch noch verheiratet sind. Genau das ist ja eines der großen Probleme, dass sich dann sehr oft – meistens sind es die Väter, weil die Kinder bei den Müttern bleiben – Väter aus ihrer Verantwortung als Väter verabschieden, dass Väter nicht präsent sind, nicht da sind.

Hier geht es also um eine Gruppe von Vätern, die mit der Mutter ihres Kindes nicht zusammenleben, was einfach öfters der Fall ist, die aber trotzdem die Verantwortung für ihr Kind übernehmen und dieses Kind betreuen wollen. Verschiedene von Ihnen haben gesagt, Sie wollen das, auch Sie, Kollegin Höllerer. (Abg. Höllerer: Wenn sie in einem gemeinsamen Haushalt leben!) – Wenn die Eltern eben nicht in einem gemeinsamen Haushalt leben können, weil sie sich nicht vertragen, dann ist trotzdem sehr gut möglich, dass zum Beispiel das Kind bei der Mutter lebt, die Mutter erwerbstätig ist und der Vater währenddessen das Kind betreut. Warum soll der nicht in Karenz gehen können, bitte? Jetzt erklären Sie mir das! (Abg. Steibl: Kann er ja!)

Das hat sehr stark mit Ihrem Bild zu tun, wie Familien zu sein haben, und diejenigen, die hinausfallen, haben eben Pech gehabt und können diese Möglichkeit nicht wahr­nehmen. (Abg. Dr. Jarolim: Die Erklärung würden wir sehr gerne hören!) Wir setzen uns dafür ein, dass es wirklich für alle Väter möglich ist, diese Karenzzeit in Anspruch zu nehmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Der zweite Aspekt betrifft die geschlechtsneutrale Formulierung des Gesetzes. Herr Minister Bartenstein! Sie haben gemeint, es sei sehr aufwendig und sehr mühsam, die Gesetze rein sprachlich zu verändern. Glauben Sie mir, es ist auch sehr mühsam, ein ganzes Leben lang immer von Gesetzen zu hören, die immer nur männlich formuliert sind. Das führt zu höchst paradoxen Dingen, wie beispielsweise in einem Vorarlberger Landesgesetz, in dem davon die Rede ist, dass ein Dienstnehmer schwanger ist und der mit ihm verheiratete Dienstnehmer arbeitet. Das war so irre! Damit ist die gleich­geschlechtliche Ehe – was mich ja gefreut hat – indirekt eigentlich schon in einem Vorarlberger Gesetz festgeschrieben. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist also wirklich höchst an der Zeit, dass man geschlechtssensibel vorgeht. Man kann ja nicht sagen, wir tun es nie, weil es aufwendig ist. Da wird es doch wohl Mög­lichkeiten und Lösungen geben, wie wir künftig damit umgehen, wenn Gesetze novel­liert werden, gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie auch geschlechtsneutral formuliert werden. Das betrifft eine ganze Unzahl von Gesetzen. Wenn der Wille dazu da ist, dann wird man auch einen Weg finden. Unsere Unterstützung haben Sie dabei voll und ganz. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.37

 



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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen somit zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die als Bundesgesetz geltende Verordnung über den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer bei Arbeiten in Druckluft sowie bei Taucherarbeiten und das Mutterschutzgesetz 1979 geändert werden, samt Titel und Eingang in 632 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Väter-Karenzgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 633 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf die Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit ange­nommen.

Wir kommen auch hier sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehr­heit und damit angenommen.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

8. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (616 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Maklergesetz, das Ver­sicherungsvertragsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Bank­wesen­gesetz geändert werden (629 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich eröffne somit die Debatte.

Als Erster hat sich Herr Abgeordneter Mag. Moser zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.39

Abgeordneter Mag. Johann Moser (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Umsetzung der EU-Versicherungs­vermittlerrichtlinie sollte bis zum 15. Jänner kommenden Jahres geschehen. Dazu ist notwendig, die Gewerbeordnung 1994, das Maklergesetz, das Versicherungsaufsichts-


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gesetz und das Bankwesengesetz zu ändern. Wir haben darüber eine sehr aufwendige Diskussion im Wirtschaftsausschuss geführt, und es hat sich gezeigt, dass die Materien relativ komplex sind.

Was sind denn die Ziele dieser Richtlinie? – Das Ziel dieser EU-Richtlinie ist in erster Linie einmal die Harmonisierung des Versicherungsvermittlerrechts auf europäischer Ebene. Ein zweites Ziel ist auch die Umsetzung des Dienstleistungsfreiheits­gedan­kens, es geht also um die Liberalisierung dieser Dienstleistung, sowie letztlich auch darum, und das ist für uns besonders wichtig, den Konsumentenschutz zu verstärken und besonders hervorzuheben.

Was sind die Kritikpunkte? – Es gibt zahlreiche Kritikpunkte und schwierige Eckpunkte, die zu beseitigen wären. Ich möchte mich auf zwei von diesen konzentrieren. Der erste Punkt, der kritisch zu beleuchten ist, ist die Zusammenlegung der Gewerbe Makler und Agent – also ein ganz wichtiger Punkt –, die an sich völlig unterschiedliche Interes­sengruppen vertreten: der Makler die Kunden, der Agent sozusagen die Versicherer. Daher gibt es bei der Zusammenlegung, wie sie hier vorgesehen ist, sofort einmal größere Interessenkonflikte.

Der zweite wichtige Punkt ist der Wegfall des Doppelbetätigungsverbotes. Das ist auch problematisch, weil von Versicherungsseite sehr viel angeboten werden kann und der Kunde in große Schwierigkeiten gerät. Das wird zwar entschärft durch die Deklarie­rungspflicht, aber das ist trotzdem eine einseitige Benachteiligung des Kunden.

Besonders wichtig ist die Aufhebung der Mehrfachagentenstruktur, und zwar ohne Produktkonkurrenz. Bei den neuen Märkten, die hier entstehen – es handelt sich um den gesamten Vorsorgemarkt –, bedeutet das natürlich schon, dass große Verunsiche­rung auftritt.

Was sind die Konsequenzen? – Die erste Konsequenz ist, dass es zu einer wirklich nachhaltigen Verunsicherung der Versicherungskunden kommt. Das sind einmal die Konsumenten, aber das ist auch die Wirtschaft. Es ist völlig unklar, in welcher Funktion einem jemand gegenübersteht. Handelt es sich um einen Agenten, einen Makler oder einen Mehrfachagenten? Er muss sich zwar deklarieren, es ist aber unklar für den Kunden. Es entsteht so etwas wie ein Vermittler-Chamäleon, wie es jemand so schön bezeichnet hat: Er wechselt die Farbe, und ich weiß nicht mehr, mit wem ich es eigentlich zu tun habe.

Ein weiterer Kritikpunkt in diesem Zusammenhang ist, dass es zu einer Umkehrung der Rechtssicherheit kommt. Der Konsument, der Versicherungskunde verliert seinen ex ante-Schutz, denn er müsste nach der neuen Regelung seine Rechte im Nachhinein einklagen, und damit wechselt das Risiko die Seite. Das bedeutet, der Kunde hat sehr hohe Informationskosten bei steigender Rechtsunsicherheit und bei möglicherweise steigenden Rechtskosten.

Wir haben in diesem Zusammenhang auch darüber diskutiert, dass sehr viele Rechts­unsicherheiten allgemeiner Natur sind. Es gibt Rechtsgutachten von Professoren, die Verfassungswidrigkeit und auch EU-Nichtkonformität festgestellt haben. Daher sind wir Sozialdemokraten gegen dieses Gesetz in der vorliegenden Form und bringen einen Abänderungsantrag ein, der für die zweite Lesung zu berücksichtigen wäre, und zwar im Wesentlichen mit zwei Punkten: die klare Trennung zwischen Makler und Agent, das ist die Sicherstellung, dass es zu keiner Zusammenführung der Gewerbe Makler und Agent kommt. Wir brauchen Transparenz und Sicherheit für die Versicherungs­kunden.

Wir sind klar für Wettbewerb, das möchte ich hier feststellen, weil wir sicher sind, dass Wettbewerb zu Innovation, zu Produktverbesserung und zu Qualitätsverbesserung


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führt. Wettbewerb, meine sehr geehrten Damen und Herren, braucht jedoch klare Regeln, und solche klaren Regeln sind in diesem Zusammenhang nicht erkennbar. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.43

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich gebe bekannt, dass der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Moser, Kolleginnen und Kollegen eingebracht und schriftlich überreicht wurde sowie genügend unterstützt ist. Er steht somit mit in Verhandlung.

Im Hinblick auf den Umfang des Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung vervielfältigen und verteilen.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Johann Moser, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (616 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Maklergesetz, das Versicherungsvertragsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Bankwesengesetz geändert werden (629 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

1. Art. I Z 7.2 lautet:

Z 76 lautet:

„76. Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsagent“

2. Art. I Z 7.3 lautet:

Z 77 lautet:

„77. Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten“

3. Im Art. I Z 8 lautet § 137 Abs. 2 wie folgt:

 „Nach diesem Bundesgesetz kann die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung – en­tsprechend der tatsächlichen Beziehung zu Versicherungsunternehmen – nur entweder in der Form „Versicherungsagent“ oder in der Form „Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten“ erfolgen und zwar im Umfang einer Gewerbe­berechtigung nach § 94 Z 75, Z 76, Z 77 oder als Nebengewerbe. Bei einem Neben­gewerbe handelt es sich um ein sonstiges Recht im Rahmen einer Berechtigung nach diesem Bundesgesetz im Sinne des § 32 Abs. 6. Gewerbetreibende gem. § 94 Z 76 (Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsagent) sind vertraglich gebun­dene Versicherungsvermittler, die entweder an ein Versicherungsunternehmen oder – wenn die Versicherungsprodukte zueinander nicht in Konkurrenz stehen – mehrere Versicherungsunternehmen Versicherungsverträge vermitteln.“

4. Im Art I Z 8 wird im § 137b Abs. 1 zweiter Satz das Wort „Versicherungsvermittlung“ durch folgenden Wortlaut ersetzt:

„Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsagent und Versicherungsvermitt­lung in der Form Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten.“


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Weiters wird die Wortfolge „oder durch adäquate Verwendungszeiten erfüllt werden“ gestrichen.

5. Im Art. I Z 8 entfällt § 137b Abs. 4. Die Absätze 5 bis 7 erhalten die Absatz­bezeichnungen 4 bis 6.

6. Im Art. I Z 8 ist im § 137b Abs. 6 die Wortfolge „Anforderungen nach Abs. 1 bis 5“ durch die Wortfolge „Anforderungen nach Abs. 1 bis 4“ zu ersetzen.

7. Im Art. I Z 8 wird im § 137c Abs. 2 Satz 1 nach der Wortfolge „wenn die Versiche­rungsvermittlung nur für ein“ das Wort „(Einfachagent)“ eingefügt. Nach der Wortfolge „zueinander in Konkurrenz stehen“ wird das Wort „(Mehrfachagent)“ eingefügt.

8. Im Art. I Z 8 wird im § 137c Abs. 3 die Wortfolge „und des Gewerbes der Versicherungsvermittlung (§ 94 Z 76)“ durch die Wortfolge „und der Gewerbe gem. § 94 Z 76, 77“ ersetzt.

9. Im Art. I Z 8 wird im § 137f Abs. 2 das Wort „ausschließlich“ gestrichen und die Wortfolge „mit dem Unterschiede“ durch die Wortfolge „mit der Ergänzung“ ersetzt.

10. Im Art. I Z 8 wird im § 137f Abs. 3 das Wort „ausschließlich“ gestrichen und die Wortfolge „mit dem Unterschied“ durch die Wortfolge „mit der Ergänzung“ ersetzt.

11. Im Art. I Z 8 wird § 137f Abs. 5, letzter Satz durch folgenden Satz ersetzt:

„Jedenfalls hat der Hinweis sinngemäß Abs. 2 oder Abs. 3 zu berücksichtigen“.

12. Im Art. I Z 8 wird § 137f Abs. 8 Punkt 2 wie folgt ersetzt:

„ob er vertraglich gebunden und verpflichtet ist, Versicherungsvermittlungsgeschäfte bezüglich des vertragsgegenständlichen Versicherungsproduktes ausschließlich mit einem oder – wenn die Versicherungsprodukte nicht in Konkurrenz zueinander stehen – mehreren Versicherungsunternehmen zu tätigen“

13. Im Art. I Z 8 wird § 137f Abs. 9 letzter Satz gestrichen.

14. Im Art. I Z 8 werden dem § 138 folgende Absätze angefügt:

Absatz 8: „Der Versicherungsvermittler in der Form Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten gemäß § 94 Z 77 wird als Bundesgenosse des Versicherungsnehmers im Sinne der § 26ff Maklergesetz tätig. Zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherungsmakler entsteht stets ein Maklervertrag. Die Haftung des Versicherungsmaklers ergibt sich aus diesem Maklervertrag. Er ist daher berechtigt, sich vom Versicherungsnehmer für alle erforderlichen Rechts­hand­lun­gen bevollmächtigen zu lassen. Über § 137 Abs. 1 hinaus gestaltet er Versiche­rungsprodukte oder einzelne Versicherungsverträge im Sinne des Versicherungs­kunden“.

Absatz 9: „Der Versicherungsvermittler in der Form Versicherungsagent gemäß 94 Z 76 wird als Beauftragter und Bevollmächtigter des Versicherungsunternehmens im Sinne der § 43ff VersVG tätig. Zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versiche­rungsagenten besteht kein Vertragsverhältnis. Er kann daher nicht vom Versicherungsnehmer für Rechtshandlungen dem Versicherungsunternehmen gegen­über bevollmächtigt werden.“

15. Im Art. I Z 10 wird in § 365a Abs. 1 Z 13 die Wortfolge „wird das Gewerbe in beiden Formen ausgeführt, entfällt ein solcher Hinweis“ und der letzte Halbsatz gestrichen.

16. Im Art. I Z 11 wird in § 365b Abs. 1 Z 10 die Wortfolge „wird das Gewerbe in beiden Formen ausgeführt, entfällt ein solcher Hinweis“ und der letzte Halbsatz gestrichen.

17. Im Art. I Z 14 wird § 365u Abs. 1, erster Satz, durch folgende Bestimmung ersetzt:

 


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„Die Wirtschaftskammern Österreichs haben Beschwerden von Kunden und anderen Betroffenen, insbesondere Verbraucherschutzeinrichtungen, über Versicherungs­ver­mittler unentgeltlich entgegenzunehmen“.

18. Im Art. I Z 14 wird im § 365u Abs. 2 die Wortfolge „Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit“ durch die Wortfolge „Die Wirtschaftskammer Österreich“ ersetzt.

19. Im Art. I Z 17 wird im § 376 Z 18 folgender Abs. 9 angefügt:

„Gewerbetreibende, welche Maklerverträge an Versicherungsmakler vermitteln, werden zum freien Gewerbe „Vermittlung von Maklerverträgen an Versicherungs­makler“. Diesem Gewerbe ist es erlaubt, Maklerverträge an Versicherungsmakler zu vermitteln. Darunter fällt auch die bloße Namhaftmachung von Personen und Unter­nehmen im Sinne von Abs. 8. Diese Gewerbetreibenden handeln unter Aufsicht und schadenersatzrechtlicher Verantwortung des Versicherungsmaklers, der sich ihrer bedient. Versicherungsmakler, welche sich solcher Gewerbetreibender bedienen, sind hinsichtlich dieser Personen für die Einhaltung sämtlicher Vorschriften insbesondere dieses Bundesgesetzes, des Maklergesetzes und des Versicherungsvertragsgesetzes verantwortlich.“

20. Im Art. II Z 3 wird im § 28 Z 1 der Punkt durch einen Strichpunkt ersetzt und folgende zwei Sätze angefügt:

„Diese Pflichten gelten als erfüllt, wenn die vom Versicherungskunden bekannt gegebenen Risken und bestehenden Deckungen berücksichtigt wurden. Die Ein­haltung der Pflichten nach § 3 Abs. 3 Maklergesetz sind von der jeweiligen Partei zu beweisen“.

Ferner werden in § 28 folgende Änderungen durchgeführt:

Im § 28 Z 2 Maklergesetz wird der Strichpunkt durch einen Punkt ersetzt und folgender Satz angefügt:

„Diese Verpflichtung besteht nur hinsichtlich solcher Versicherungsunternehmen, welche nicht unter einer angemessenen Versicherungsaufsicht im Sinne der Gemein­schaftsstandards stehen;“

Im § 28 Z 3 wird das Wort „bestmöglichen“ durch das Wort „angemessenen“ ersetzt.

Im § 28 Z 7 wird folgender Satz angefügt:

„Die Zeitintervalle dieser Überprüfung sind Gegenstand des Maklervertrages zwischen Versicherungsmakler und Versicherungskunden. Mangels einer derartigen Vereinba­rung gilt diese Pflicht als erfüllt, wenn die Versicherungsverträge im Abstand von 2 Jahren überprüft werden.“

Dem § 28 wird folgender Satz angefügt:

„Die Pflichten des Versicherungsmaklers gelten nur hinsichtlich jener Versicherungs­verträge, welche dem Makler bekannt oder von ihm vermittelt worden sind.“

Begründung:

Zu 1. und 2.

Mit der in der Regierungsvorlage vorgesehenen Vereinheitlichung der beiden bis­herigen Gewerbe „Versicherungsagent“ und „Versicherungsmakler, Berater in Ver­sicherungsangelegenheiten (verbundenes Gewerbe)“ wird dem Versicherungs­kun­den – dabei handelt es sich um Konsumenten und Unternehmer – eine weitgehende Gleichartigkeit hinsichtlich Funktion und Ausübung suggeriert. In Wirklichkeit handelt es sich um zwei völlig verschiedene Funktionen und Tätigkeiten, vor allem hinsichtlich


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der Rechtsstellung der beiden Berufsgruppen einerseits zum Versicherer und andererseits zum Versicherungskunden. Eine völlige Vereinheitlichung dieser Gewerbe wird von der RL nicht gefordert.

Zu 3.

Wenn die beiden Gewerbe im Sinne der Pkt. 1-3 getrennt bleiben, so muss sich das auch auf diese Norm beziehen.

Eine weitere Nebentätigkeit im Sinne der Regierungsvorlage erscheint nicht sach­gerecht, da einerseits bestimmte Tätigkeiten vom Anwendungsbereich der RL und des Gesetzes ausgenommen sind (§ 137 Abs. 5) und andererseits mit einem sonstigen Recht gem. § 137 Abs. 2 iVm § 32 Abs. 6 das Auslangen gefunden werden kann. Weitere Möglichkeiten der Tätigkeit werden von der RL nicht gefordert.

Mit dem letzten Satz des Pkt. 4 wird Art. 2.7 der RL umgesetzt. Jede andere Umsetzung wäre richtlinienwidrig, verfassungswidrig und für den Kunden verwirrend – siehe dazu ausführliche Rechtsgutachten von Mayer, Calliess, Schalich u.a.

Zu 4.

Siehe Begründung zu 4., erster Satz. Die Möglichkeit der Erfüllung der beruflichen Anforderungen durch den Befähigungsnachweis bzw. gemäß § 19 GewO ist völlig ausreichend, beim Begriff „adäquate Verwendungszeiten“ handelt es sich zudem um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die RL sieht derartiges ebenso nicht vor, sondern spricht vielmehr von ausreichenden „Kenntnissen und Fertigkeiten“, über welche Versicherungsvermittler verfügen müssen.

Zu 5.

Eine derartige Verordnungsermächtigung erscheint nicht sachgerecht, könnte den Versicherungskunden benachteiligen und ist von der RL nicht vorgesehen.

Zu 7.

Es erscheint sinnvoll, die beiden Ausübungsformen des Gewerbes nach § 94 Z 76 an dieser Stelle zu definieren, damit dem Versicherungskunden auch die Begrifflichkeit der beiden Ausübungsformen klar ist.

Zu 8.

Siehe Begründung zu 4., erster Satz.

Zu 9., 10. und 11.

Siehe Begründung zu 4., erster Satz.

Zu 12.

Die in der Regierungsvorlage von der RL übernommene, aber dort nicht verpflichtend vorgesehene besondere Deklarationspflicht verkompliziert die Informationspflichten auf eine Weise, die es selbst dem überdurchschnittlich verständigen Versicherungskunden nicht mehr möglich erscheinen läßt, zu durchschauen, wer ihm in welcher Eigenschaft gegenübersteht.

Zu 14.

Die Unterschiedlichkeit der Rechtsstellungen von Versicherungsagenten und Ver­sicherungsmaklern erfordert vor allem durch die Zulässigkeit von Mehrfachagenten eine eindeutige Klarstellung auch im Gesetz. In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass sich Versicherungsagenten von Versicherungskunden bevollmächtigen lassen, Rechtsgeschäfte beim eigenen Geschäftsherrn (dem Versicherer) für die Ver­sicherungs­kunden zu tätigen. Dies stellt einen schweren Verstoß gegen die Prinzipien


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des Auftrags- und Vollmachtsrechts des ABGB dar. Man spricht in diesem Zusam­menhang von Selbstkontrahierung.

Zu 17.

In allen Schritten der Begutachtung waren die Wirtschaftskammern Österreichs für die Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung vorgesehen. Die Wirtschaftskammern Öster­reichs als gesetzliche Interessenvertretung aller österr. Gewerbetreibenden ist mit ihrem Know-how und den Prinzipien des Interessenausgleichs am besten geeignet, derartige Verfahren durchzuführen.

Zu 19.

Versicherungsmakler vermitteln zwar ebenso wie Versicherungsagenten Versiche­rungs­verträge, deren selbständige Gehilfen sind aber gänzlich anders zu beurteilen als die der Versicherungsagenten – kommt doch zwischen Versicherungskunden und Ver­sicherungsmakler ein Maklervertrag mit einer daraus resultierenden scharfen Haftung (§ 26ff MaklerG) und Beweislastumkehr (§ 1298 ABGB) zustande, während dies bei Versicherungsagenten nicht der Fall ist und diese lediglich für die vertraglichen Neben­pflichten des Versicherers einzustehen haben. Aus diesen Gründen ergibt sich für Versicherungsmakler ein anderer Regelungsbedarf hinsichtlich § 376 Z 18 Abs. 8. Diesem wird mit dieser Bestimmung entsprochen und folgt diese Bestimmung den Intentionen der Liberalisierung genauso wie denen des Kundenschutzes durch ein­deutige Verantwortungen und Haftungen.

Zu 20.

Niemand sollte für Sachverhalte oder Vorgänge haftbar gemacht werden können, die er gar nicht kennt. Aus diesem Grunde erfolgt diese Klarstellungen. Die Funktion der kontinentaleuropäischen Versicherungsaufsicht liegt gerade darin, die Solvenz der Versicherungsunternehmen sicherzustellen. Es kann nicht Aufgabe von Klein- und Kleinstbetrieben sein, diese Funktion zu übernehmen. Darüber hinaus wird der unbe­stimmte Rechtsbegriff im § 28 Z 7 („laufende“) im Sinne des Kundenschutzes kon­kretisiert.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Dr. Mitter­lehner zu Wort gemeldet. Seine freiwillige Redezeitbeschränkung beträgt 5 Minuten. – Bitte.

 


18.44

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, der Einzige, der hier wirklich verunsichert worden ist, das war mein Vorredner, der sich ganz offensichtlich von einer Branche beeindrucken hat lassen, durch das, was man ihm da gesagt hat. (Abg. Sburny: Nein!) Es stimmt nämlich mit den Fakten ganz einfach nicht überein, was Sie hier behauptet haben.

Warum? – Wenn Sie es hier so dargestellt haben, dass im Wesentlichen, wenn es um die Änderungen geht, die Versicherungsvermittlungsrichtlinie umgesetzt werden soll, dann stimmt das. Sie müssen allerdings vorausschicken, dass es die Branchen, die hier reguliert und geregelt werden, schon vorher gegeben hat. Wir haben in Österreich Versicherungsagenten, die eben für eine Versicherung tätig werden und an eine Versicherung gebunden sind und die auch als Mehrfachagenten tätig werden – das ist gesetzlich erlaubt gewesen –, und auf der anderen Seite haben wir die Ver­siche­rungs-


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makler, die für den Kunden tätig werden, und auch das war entsprechend gesetzlich geregelt.

Dass es zwischen diesen beiden Branchen immer Auseinandersetzungen gegeben hat, insbesondere was die Tätigkeit des Mehrfachagenten anlangt, ist richtig. Allerdings hat die EU in der Versicherungsvermittlungsrichtlinie absolut kein Verständnis dafür gehabt, was wir in Österreich für Branchenprobleme haben, sondern die Richtlinie ist ausschließlich an der Perspektive des Konsumenten ausgerichtet.

Daher ist es auch nicht richtig, Herr Kollege Moser, dass jetzt mit der Umsetzung vor­gesehen ist, beide Branchen zusammenzulegen. Ganz im Gegenteil! Aus Konsumen­tensicht werden wesentliche Verbesserungen durchgeführt. Es muss sich nämlich jeder Versicherungsagent in einem Register registrieren lassen. Er muss sich darüber hinaus – was bis jetzt nicht vorgesehen war, und was neu ist – beim Beratungs­gespräch deklarieren. – Sie haben das zwar erwähnt, aber im Endeffekt behauptet, dass die Deklaration dann doch wieder nicht so bedeutsam sei. – Er muss sich also deklarieren.

Das Zweite ist – oder das Dritte in diesem Zusammenhang –: Er hat auch eine ent­sprechende Haftung. Erweckt sich der Agent, der mehrere Produkte vertritt, den Anschein, er wäre Makler, haftet er auch wie ein Makler – auch für Unterlassungen.

Was noch dazukommt: Wir haben mit einem Änderungsantrag im Ausschuss noch sichergestellt, dass beim Beratungsgespräch der Agent nicht gleichzeitig die eine und die andere Funktion wahrnehmen darf – er darf also nicht als Makler auftreten, und umgekehrt gilt das genauso. Es wäre aber eine Inländer-Diskriminierung, würden wir jemandem verbieten, über beide Gewerbeberechtigungen zu verfügen. Das ist in einer Anfragebeantwortung der EU-Kommission ganz eindeutig zum Ausdruck gekommen.

Es gibt noch eine weitere Verbesserung: Wenn Informationspflichten verletzt werden, besteht 14 Tage lang eine Rücktrittsmöglichkeit seitens des Konsumenten. Das ist ebenfalls neu, und betrifft speziell die Tätigkeit des Agenten.

Jetzt muss ich Ihnen noch etwas sagen, weil einige Herren aus der Branche oben auf der Galerie sitzen: Sie haben sich um teures Geld Studien und Gutachten von Herrn Prof. Mayer und von anderen beschafft. Aus diesen Studien leiten Sie ab, dass der Richtlinie zufolge die Tätigkeit des Mehrfachagenten verboten wäre. Genau das ist aber nicht der Fall! Sie wäre nur verboten, würde der Gesetzgeber Erleichterungen bei der Ausbildung und bei der Registrierung vorsehen.

Genau das tut der Gesetzgeber aber nicht. Er setzt Informationspflichten fest, die sehr detailliert sind, und sieht dafür auf der anderen Seite in der EU-Richtlinie eine aus­drückliche Bestätigung. Warum? – Weil hier die Mehrfachagenten-Tätigkeit sogar exakt geregelt ist, und zwar heißt es hier wörtlich, dass der Kunde vom Versicherungs­vermittler zu informieren sei, ob er Agentur-Verträge habe, und trotzdem in einzelnen Sparten aus mehreren Versicherern auswählen könne, weil er durch die Verträge nicht zur Ausschließlichkeit verpflichtet sei. – Das heißt, der Mehrfachagent mit konkurrie­renden Produkten ist in der Richtlinie ausdrücklich vorgesehen! Und deswegen gilt: Würden wir das ausschließen, der Ausländer aber nicht ausgeschlossen werden dürfen, würden wir Inländer diskriminieren.

Ich muss auch zum Abänderungsantrag etwas sagen: Fallen Sie nicht auf Falsch­informationen oder nicht richtigen Informationen – ich möchte niemanden beschul­digen – herein, denn wenn Sie von der SPÖ einen Abänderungsantrag kommentarlos übernehmen – zumindest wenn das immer noch jener ist, den ich vorher gelesen habe –, in dem es in Absatz 8 heißt, dass der „Versicherungsmakler“ der „Bundes­genosse des Versicherungsnehmers“ sei, dann haben Sie sich irgendwo in der Diktion


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geirrt. Das kann nicht bürgernahe sein. Das ist vielleicht SPÖ-nahe, der Bundes­genosse, aber nicht unbedingt kundennah. (Abg. Dipl.-Ing. Hofmann: Ist noch drinnen, ja!) – Es ist also drinnen, der Bundesgenosse ist drinnen. Also so unkommentiert übernehmen Sie das eine oder andere. Das hätten Sie sich vielleicht genauer anschauen sollen, und Sie hätten es vielleicht anders schreiben sollen.

In diesem Zusammenhang darf ich festhalten: Der Gesetzgeber hat es sich nicht einfach gemacht. Er hat wirklich eine saubere Lösung aus Sicht des Kunden zustande gebracht. Ich danke all den betroffenen Branchen, die sich hier ausdrücklich und intensiv bemüht haben, danke aber vor allem allen Bearbeitern im Wirtschafts­ministerium, die auch unterstützend für den Ausschuss tätig waren. Ich meine, es ist eine durchaus richtige Umsetzung, die hier vorliegt. (Beifall bei der ÖVP.)

18.50

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Sburny zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.50

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): 6 Minuten waren es, glaube ich.

Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst noch einmal zu dieser Richtlinie über die Versicherungsvermittlung. Herr Kollege Mitterlehner! Wenn Sie sagen, dass das so eindeutig ist, wessen Interessen da vertreten werden, kann ich nur sagen: Ja, klar, Sie vertreten das eine, und andere Leute vertreten ein anderes Interesse. Damit leben wir in diesem Haus, das ist, glaube ich, ganz normal, und ich würde nicht sagen, dass das so eindeutig ist, wie Sie das behaupten.

Professor Mayer schreibt in seinem Gutachten:

„Aus dieser Definition folgt klar, dass ein vertraglich gebundener Versicherungs­vertreter nur dann im Namen und für Rechnung mehrerer Versicherungsunternehmen tätig werden kann, wenn die Versicherungsprodukte nicht in Konkurrenz zueinander stehen.“ – Zitatende. (Abg. Dr. Mitterlehner: Da müssen Sie das andere auch noch lesen!)

Es ist ja wohl ganz klar, dass diese das schon tun. Also ich muss ehrlich sagen, wir waren in der Fraktion nicht ganz sicher, wie wir das beurteilen sollen. Einerseits ist es klar, dass die Europäische Union beziehungsweise das EP eine Richtlinie vorgibt, die offensichtlich eine Wettbewerbsverzerrung verhindern soll. Andererseits sehen wir schon, dass es Probleme für die Konsumentinnen und Konsumenten gibt, jeweils zu unterscheiden, mit wem sie gerade reden.

Wenn Sie jetzt sagen, es sei eine Verbesserung, dass Sie in Ihrem Abänderungsantrag festhalten, dass jemand nicht zum selben Zeitpunkt zugleich als Makler und Vermittler auftreten kann, dann kann ich nur sagen: Es ist nicht wirklich eine Hilfe für den Konsumenten oder die Konsumentin, wenn am nächsten Tag derselbe Makler auf einmal ein Vermittler ist. Mit welchem Hut ich gerade dort stehe, ist für die Kon­sumenten und Konsumentinnen dann oft wirklich schwierig zu unterscheiden, und ob eine Informationspflicht verletzt wurde, stellt man in der Regel auch nur fest, wenn man schon eine gewisse Skepsis hat, und das ist nicht bei allen KonsumentInnen der Fall.

In diesem Sinne würde ich durchaus auch zu der Meinung des Kollegen Moser ten­dieren, dass es eine klarere Trennung zwischen Vermittler und Makler braucht. Wir werden uns den Abänderungsantrag anschauen – wir haben ihn erst jetzt bekommen (Abg. Dipl.-Ing. Hofmann: Nein, den haben Sie schon lange! Das ist eh der, den Sie schon haben!) – und dann entscheiden, ob wir dem zustimmen können, aber im Prinzip habe ich größte Skepsis.


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Ein anderer Punkt, der von dieser Gesetzesänderung betroffen ist, ist das Betriebs­anlagenrecht. Da gibt es etwas, das uns massiv stört, obwohl es eigentlich ein positiver Punkt bei dieser Änderung wäre, und zwar, dass vorgeschrieben wird, dass Energie bei der Errichtung einer Betriebsanlage effizient verwendet wird.

Das Ganze hat nur einen kleinen Schönheitsfehler, nämlich dass wir dieses Energie­effizienzgebot nicht beschließen können. Das hat der Verfassungsgerichtshof bereits einmal aufgehoben, weil der Bundesgesetzgeber diese Kompetenz nicht hat. Wenn Sie das nicht in den Verfassungsrang heben, was wir schon vor zwei oder drei Jahren vorgeschlagen haben, dann wird dieses Energieeffizienzgebot Ende des Jahres aufgehoben, weil es dieses Urteil des Verfassungsgerichtshofes gibt.

Faktum ist also, dass dieses Energieeffizienzgebot mit Ende des Jahres gestorben ist, wenn es nicht noch ein Verfassungsgesetz gibt. Darüber bin ich doch einigermaßen überrascht, auch deswegen, weil nicht zuletzt Kollege Kopf bereits 1999 gefordert hat, dass eben dieses Gebot der Energieeffizienz in den Verfassungsrang gehoben werden soll. Allerdings ist offensichtlich nichts passiert. Letztendlich drücken Sie sich drum herum, die Betriebsanlagenbetreiber tatsächlich zu diesem Energieeffizienzgebot zu verpflichten. Es sind zwar schöne Worte, die jetzt in der Gewerbeordnung stehen, aber sie werden keine Wirkung haben.

Zu den sonstigen Änderungen möchte ich noch zwei Punkte erwähnen, die uns wichtig sind. Ein positiver Punkt ist, dass in der letzten Version die Möglichkeit geschaffen wurde, Lärmschutzauflagen bei Gastgärten zu erteilen. Wir halten es für richtig, dass es die Möglichkeit gibt, diese Auflagen zu erteilen, weil es in diesem Bereich immer wieder Probleme gibt und man das von Einzelfall zu Einzelfall beurteilen muss. Dass das bis jetzt verboten war, haben wir tatsächlich für eine Lücke gehalten. Wir haben das schon lange gefordert und sind froh, dass dieser Punkt auf diese Art geändert wurde.

Was aus unserer Sicht nicht günstig ist, ist die Aufhebung des Versandhandels­verbotes für Verzehrprodukte. Wir halten das aus konsumentenpolitischer Sicht für ein ziemliches Problem, weil im Versandhandel jede Menge unangemeldeter und sehr zweifelhafter Nahrungsergänzungsmittel angeboten wird und durch die Aufhebung dieses Verbotes das Mindestmaß an Schutz, das bisher für Konsumentinnen und Kon­sumenten gewährleistet war, wegfällt.

Als letzten Punkt vielleicht noch einmal zur Versicherungsvermittlung. Ich habe zuerst vergessen, eine Stellungnahme der FMA zu erwähnen, die uns auch zu denken gegeben hat. Es wird bei der Änderung dieser Versicherungsvermittlungsrichtlinie festgelegt, dass auch Kreditinstitute diese Versicherungen in Zukunft anbieten können, was wir im Prinzip für richtig halten. Die Finanzmarktaufsicht hat allerdings festgestellt, dass sie zusätzliches Personal brauchen wird, wenn sie das effektiv kontrollieren soll.

Es ist in letzter Zeit schon ein paar Mal passiert, dass Gesetze festgelegt wurden, bei denen es dann an der Umsetzung hapert, weil die notwendigen Kontrollmechanismen nicht funktionieren. Wir würden also auch anregen, dass diese zusätzlichen Per­sonalerfordernisse für die Finanzmarktaufsicht tatsächlich sichergestellt werden.

Alles in allem gibt es also mehrere Probleme mit dieser Gesetzesänderung, und wir werden daher nicht zustimmen können. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.56

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 



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18.56

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zumindest über die Grundlage für die heutige Änderung der Gewerbeordnung sind wir uns, glaube ich, in diesem Hause einig. Das ist eine EU Richtlinie.

Grundsätzlich gelten Bestimmungen über Versicherungsvermittler für alle Rechts­träger, die die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung ausüben. Es gibt bei der Ver­sicherungsvermittlung, wie schon gesagt wurde, zwei verschiedene Formen der Tätig­keit, und zwar die Tätigkeit der Vermittlung von Versicherungsverträgen im Sinne des Versicherungsvertragsgesetzes – der Versicherungsagent –, oder die Tätigkeit des Maklers, des Versicherungsmaklers im Sinne des Maklergesetzes.

Mir scheint es schon wichtig, darauf hinzuweisen, dass sehr wesentlich Augenmerk darauf gelegt wurde, dass hiebei Transparenz zustande kommt, damit gerade das, was soeben von Frau Kollegin Sburny angesprochen wurde, nicht eintritt. – Frau Kollegin Sburny! Sie sagen, heute tritt jemand als Agent auf und morgen dann als Makler. – Genau das soll es eben nicht geben. (Abg. Sburny: Aber genau das wird jetzt ermöglicht! Mit Ihrem Abänderungsantrag!) – Nein, genau das ist nicht möglich, weil es nicht möglich ist, bei einem Geschäftsfall gleichsam vom Agenten zum Makler zu wechseln. (Abg. Dr. Matznetter: Aber am nächsten Tag!)

Es besteht die Hinweispflicht. Grundsätzlich trete ich als Makler oder als Agent auf. (Abg. Dr. Matznetter: Pro Geschäftsfall!) – Pro Geschäftsfall. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) – Nein. Was die Inländerdiskriminierung anbelangt, ist es so, wie von Kollegen Mitterlehner angesprochen, dass es eine Inländerdiskriminierung wäre, wenn es nicht möglich wäre, gleichzeitig Makler und Agent zu sein.

Es sei auch noch darauf hingewiesen, dass es ein Register gibt, in dem die Ver­sicherungsvermittler registriert und abrufbar sind. Das heißt, jeder Kunde kann sich darüber informieren, und zwar auf der Homepage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit.

Was mich wundert, ist die Tatsache, dass Sie nicht angesprochen haben, dass ein Sonderhaftungstatbestand der Vermittlung aus der Regierungsvorlage herausgenom­men wurde, wobei er nicht herausgenommen wurde, damit es keinen Haftungstat­bestand mehr gibt, sondern weil sich schutzgesetzliche Bestimmungen aus Register­bestimmungen ohnedies ergeben. Der Grund, warum das herausgenommen wurde, ist also, dass der Schutz ohnehin gegeben ist.

Geschätzte Damen und Herren! Ich denke, dass hier sehr wohl etwas zur Erhöhung der Transparenz beigetragen wurde. Es ist natürlich die Ausweispflicht auf sämtlichen Papierunterlagen des Agenten gegeben. Der muss das auf allen Schriftstücken vermerken. Dass Missbrauch stattfinden kann, wie bei anderen Dingen auch, ist klar, aber dem kann natürlich auch entsprechend nachgegangen werden.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass es für diesen Abänderungsantrag, der durch Kollegen Mitterlehner und mich im Ausschuss eingebracht wurde, vorher eine Akkor­dierung mit den berufsständischen Vertretungen gegeben hat – das heißt, mit den Maklern, mit den Agenten und auch mit den Versicherungen. (Abg. Sburny: Aber nicht mit den KonsumentInnen!)

Insofern ist es nicht ganz nachvollziehbar, dass dann wieder von einzelnen Seiten, insbesondere von den Maklern, das Ansinnen herangetragen wird, hier werde diesem und jenem nicht Rechnung getragen. Ich denke, dass das auch innerhalb einer berufsständischen Vertretung angesprochen werden muss und die Vertretung eben


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auch entsprechend funktionieren sollte. (Abg. Sburny: Wir reden von den Kon­sumentInnen!)

Ich weise noch darauf hin, dass nun für Lebens- und Sozialberater auch eine sport­wissenschaftliche Beratung möglich ist, und zwar, wenn es sich dabei um Sport­wissenschaftler und diplomierte Sporttrainer handelt. Warum ist das gesche­hen? – Damit der Weg in die Selbstständigkeit leichter wird. Abschließend weise ich auch noch darauf hin, dass ein weiteres Modul beim Befähigungsnachweis, also bei der Meisterprüfung, zu absolvieren ist, nämlich ein Modul für die Lehrlingsausbildung mit einer Lehrlingsausbildungsprüfung.

Wir sehen einen besonderen Sinn darin, das Gesamtbefähigungszeugnis dann auszu­stellen, wenn eine Lehrlingsausbildungsprüfung erfolgt ist und der Nachweis hierfür erbracht ist. Wir denken, dass das sicherlich eine positive Auswirkung auf die Lehrlingsausbildung hat, wie sie eben forciert wird. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.02

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Matznetter zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie kennen die Bestimmungen: zunächst den zu berichtigenden und dann den berichtigten Sachverhalt, und das alles in 2 Minuten.

 


19.03

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Der Abgeordnete Mitterlehner hat in seiner Rede ausgeführt, dass mit der Neuregelung von der Ermächtigung der Richtlinie auf Ersatz eines Ausbildungsnach­weises durch eine Bestätigung des Versicherungsunternehmens nicht Gebrauch ge­macht wird. Er übersieht dabei in der Regierungsvorlage § 137b Abs. 3, in dem der letzte Halbsatz lautet – ich gebe es verkürzt ohne die Einschübe wieder: „ ... so kann die fachliche Eignung ... durch eine Bestätigung des Versicherungsunternehmens ... erfolgen.“ – Genau dann wird davon Gebrauch gemacht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.03

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. Ich erteile es ihm.

 


19.03

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Lassen Sie mich eingangs festhalten, dass die Umsetzung der Ver­sicherungsvermittlungsrichtlinie wie auch die anderer EU-Richtlinien – wie zum Beispiel vermutlich in zwei bis drei Jahren die der Dienstleistungsrichtlinie – unter anderem die Schaffung eines Binnenmarktes in Europa in Sachen Dienstleistungen zum Ziel hat. Diesem Ziel unterliegt natürlich der Wunsch unsererseits und anderer, Leistungen für Konsumenten qualitativ besser und preislich günstiger zu gestalten.

Das primäre Ziel dieser Versicherungsvermittlungsrichtlinie und auch anderer ist es, den Konsumenten besser zu bedienen – in Österreich und anderswo in Europa.

Es ist fraglos eines dieser Themen, bei denen es um Abgrenzungen zwischen Berufs­gruppen geht: Versicherungsagenten, Versicherungsmakler. Ein Teil dieser Berufs­grup­pen ist heute hier im Hohen Hause prominent vertreten. Es geht aber letztlich auch um das Zusammenführen der Interessen nicht nur dieser beiden Gruppen, sondern auch der Banken und Versicherungen.


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Mein Haus, meine Mitarbeiter, Generalsekretär Mitterlehner, aber auch Abgeordneter Hofmann haben sich nach Kräften gemeinsam mit mir bemüht, Akkordierungen vorzunehmen. Wenngleich ich eingestehe, es gab zu keinem Zeitpunkt den formalen, schriftlichen Konsens aller beteiligten Gruppen: Sehr nahe gekommen sind wir uns aber schon. Wenn man den Konsens zwar nicht zu 100 Prozent, aber – sage ich einmal – zu 90 bis 95 Prozent erreicht hat, ist es nun einmal so, dass man dann politisch gefordert ist, das auch so umzusetzen. Das, was Ihnen vorliegt, ist im Wesentlichen diese sehr weitgehende Annäherung der unterschiedlichen Gruppen.

Technisch haben Abgeordneter Mitterlehner und auch Abgeordneter Hofmann das bereits glänzend dargestellt. Ich sage Ihnen: Selbst wenn der Verfassungsgerichtshof in Österreich nicht schon entschieden hätte, dass eine Inländerdiskriminierung ver­fassungsrechtlich ausgeschlossen ist, würde ich eine solche politisch vor Ihnen, dem Hohen Haus, nicht vertreten wollen.

Aber es ist, wie gesagt, doppelt gemoppelt. Der Verfassungsgerichtshof hat das durch seine Vorgabe ausgeschlossen, ich und wir wollen es politisch nicht. Inländerdis­kriminie­rung soll es durch die Umsetzung von EU-rechtlichen Vorgaben nicht geben, und genau darum geht es ja bei der Frage der Aufhebung des Doppelausübungs­verbotes. – Wir sind dafür, weil wir keine Inländerdiskriminierung haben wollen und auch nicht haben dürfen.

In Sachen Mehrfachagenten führen wir aber natürlich eine Angleichung an den Makler herbei – eine Angleichung, keine Gleichstellung –, mit der Verpflichtung einer Berufshaftpflichtversicherung und auch mit der Verpflichtung zur besten Auswahl, sehr geehrte Frau Abgeordnete Sburny, im Interesse des Konsumenten.

Lassen Sie mich daher abschließend sagen: Wir haben uns, so weit es geht, bemüht, die Interessen anzugleichen, auf einen Nenner zu bringen, der mehr ist als nur der kleinste gemeinsame Nenner. Wir haben den Interessen des Konsumentenschutzes mehr als nur Rechnung getragen. Wir haben aus dem Gewerbe der Versicherungs­agenten und dem Gewerbe der Versicherungsmakler zwar das Gewerbe der Versiche­rungsvermittler gemacht und damit die Zahl der Gewerbe in der Gewerbeordnung von 82 auf 81 reduziert, aber trotzdem entsprechende Sicherungen eingebaut, über die schon diskutiert wurde, um zum Beispiel dem Konsumenten klar zu machen, mit wem er spricht – mit dem Agenten oder mit dem Makler.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! So gesehen haben wir uns in der Kunst des Möglichen geübt. Ich denke, es ist ein gutes Werk geworden. Lange Zeit haben – Hand aufs Herz! – ich und andere gesagt: Warten wir auf die Umsetzung der Versiche­rungsvermittlungsrichtlinie; das wird uns dann helfen, die Abgrenzungsprobleme zwi­schen Maklern und Agenten zu lösen. – Es hat geholfen, das zu lösen – nicht zur hundertprozentigen Zufriedenheit und Zufriedenstellung der Involvierten, aber, ich denke, zumindest zur weitgehenden Zufriedenheit.

An diesem Punkt sind wir angelangt. Ich danke nochmals für die äußerst umfassenden Vorbereitungstätigkeiten in meinem Haus. Sie waren deutlich umfassender, als das hier vom Schriftlichen her den Anschein hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen.)

19.08

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zum Wort gelangt Herr Abgeord­neter Marizzi. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeord­neter.

 



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19.08

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielleicht ist dieses Gesetz und das gesamte Thema in der Branche nicht ausreichend diskutiert. Da halte ich es mit der Kollegin Sburny, die meint, die Wahrheit liegt vielleicht in der Mitte.

Die Haftungen sind noch nicht geklärt. Ich erwähne in diesem Zusammenhang nur das Beispiel Deutschland: Dort verschiebt man das bis auf den Sommer 2005, denn dort sind sicherlich noch einige Probleme offen. Das zweite Argument ist, dass Tschechien und Ungarn diese Mehrfachagenten einfach verbieten.

Das Kernthema wurde ausführlich diskutiert. Ich glaube, dass unter dem Mantel der Liberalisierung jeder – sagen wir es einmal sehr verkürzt – ungeprüft Versicherungen verkaufen kann. Ich bin auch der Meinung der Kollegin, dass der „Hut“, den jemand momentan trägt, nicht klar definiert ist: Ist er jetzt Makler, ist er Agent, und zu welchem Zeitpunkt passiert das?

Es wird natürlich immer wieder so sein, dass Sie von Regierungsseite sagen, das ist ausreichend diskutiert. Ich habe jedoch die Makler auf der Besuchergalerie beobachtet, als Sie gesprochen haben. Die waren nicht der Meinung, dass das ausreichend diskutiert wurde.

Wer will diese Qualitätsänderungen eigentlich, meine sehr geehrten Damen und Herren? – Natürlich einige Banken und einige Strukturbetriebe. Das ist in Zukunft ein großer Markt. Der Versorgungsmarkt ist einer der am stärksten wachsenden Märkte im Vorsorgegeschäft, und die Banken – Herr Minister, das wissen Sie ganz genau! – halten schon etwa 50 Prozent dieses Produktes als Nebengeschäft. Daher ist vielleicht ein Teil dieser Leute daran interessiert, dass es hier zu Marktverschiebungen kommt und dass die Konkurrenz ausgeschaltet wird.

Ich will jetzt gar nicht zitieren, denn das wurde schon ausführlich getan, aber die Gutachten von Professor Heinz Mayer, von Gottfried Maier, von Professor Christian Calliess und von Professor Funk sind evident, und ich kann mir vorstellen, dass dieses Gesetz vielleicht – wir wissen es nicht – verfassungswidrig ist, irgendwann einmal aufgehoben wird und in der Zwischenzeit eine Verunsicherung der Konsumenten da ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.11

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Regler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

 


19.11

Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (ÖVP): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Wie schon gesagt worden ist, ist in der Vorlage auch eine ganze Reihe von Bestimmungen enthalten, die insbesondere das Betriebsanlagenrecht betreffen, und ich möchte hier die wichtigsten hervorheben. Ich glaube, sie sind so wichtig, dass doch das ganze Hohe Haus dann der Vorlage zustimmen sollte.

Erstens: Es wird die Definition des Standes der Technik präzisiert. Das ist deshalb so wichtig, weil nunmehr eine Angleichung an die Definitionen im Wasserrechtsgesetz und im Abfallwirtschaftsgesetz erfolgt, sodass wir nun eine einheitliche Definition dieses wichtigen Begriffes haben.

Zweitens: Bei den Emissionsgrenzwerten für Schadstoffe müssen in Hinkunft die technische Beschaffenheit der Betriebsanlage, der geographische Standort und die jeweiligen örtlichen Umweltbedingungen berücksichtigt werden. Damit wird ebenfalls einem Vertragsverletzungsverfahren entsprechend Rechnung getragen.


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Drittens hat die EU-Kommission Österreich vorgeworfen, die Richtlinie Seveso 2 nicht entsprechend umgesetzt zu haben. Es wird nunmehr durch Einfügung zweier neuer Absätze und eine Reihe von Änderungen eine wortgetreue Umsetzung dieser Seveso-2-Richtlinie erfolgen. So wird zum Beispiel auch die Gewerbebehörde bei den von Seveso 2 verlangten Konsultationen zwischen den betroffenen Behörden mitwirken.

Viertens: Es wird in Anlehnung an das Gebührengesetz nunmehr möglich sein, die festen Gebühren auf verschiedenste Art zu bezahlen, also nicht mehr nur durch Barzahlung oder Erlagschein, sondern auch mit Bankomat- beziehungsweise Kredit­karte oder anderen elektronischen Zahlungsweisen.

Fünftens – ein rechtlich sehr interessanter Punkt –: Der Landeshauptmann kann nun­mehr generell gegen Bescheide der UVS im Verfahren nach der Gewerbeordnung Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit beim Verwaltungsgerichtshof erheben. Bis dahin war das nur möglich, wenn es sich dabei um eine Aufhebung eines Straferkenntnisses der Bezirksverwaltungsbehörde gehandelt hat.

Sechstens: Wir haben im vergangenen Jahr das Seilbahngesetz beschlossen. Bisher waren die Schlepplifte in der Gewerbeordnung geregelt, da sind sie herausgefallen, aber es muss noch eine ganze Reihe von Nachjustierungen und Anpassungen an das Seilbahngesetz erfolgen.

Ein siebenter Punkt, der mir besonders wichtig ist: In Hinkunft ist die Ausbilderprüfung nicht mehr der einzige Weg, die einzige Möglichkeit, um Lehrlinge ausbilden zu dürfen. Wir wollen ja, dass möglichst viele Betriebe ausbilden, und darum gilt als Alternative nun auch die Absolvierung eines Ausbilderkurses oder einer gleichzuhaltenden Aus­bildung.

Ein letzter Punkt, den ich erwähnen möchte – hier bin ich bei der Frau Abgeordneten Sburny –: Wir müssen das Verbot des Versandhandels mit Nahrungsergänzungs­mitteln unter Bedachtnahme auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes aufheben. Ich persönlich bin ja auch etwas skeptisch, aber es bleibt uns hier leider nichts anderes übrig.

In diesem Sinne bitte ich das Hohe Haus um Zustimmung zu dieser wirklich umfas­senden Novellierung. (Beifall bei der ÖVP.)

19.14

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


19.14

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unbekannterweise: Meine Herren der Ver­siche­rungswirtschaft! (Abg. Mag. Kogler: Makler!) Meine Herren Makler! (Abg. Mag. Kogler: Das ist wichtig!) Das ist wichtig. – Es ist schon interessant: Wenn man dem Herrn Abgeordneten Mitterlehner zugehört hat – er ist leider nicht mehr unter uns; jetzt hier im Hause, meine ich, hier im Haus unter uns (Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen); bitte, damit ist nicht zu scherzen –, wenn man ihm aufmerksam zugehört hat, so war es wirklich interessant zu hören, wie süffisant er gemeint hat, im Abänderungs­antrag der Sozialdemokraten stehe der Begriff „Bundesgenosse“ drinnen, und Sie alle haben satt dazu gelächelt. Warum, meine sehr geehrten Damen und Herren? Der Begriff „Bundesgenosse“ ist ein Begriff, der im Maklergesetz vorkommt. Herr Wirt­schaftsminister, wir müssten sofort das Maklergesetz ändern, denn „Genosse“ darf dort nicht drinnen stehen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist auch interessant gewesen, dass Herr Mitterlehner da hinauf gedeutet hat (der Redner blickt Richtung Galerie) und die Herren Makler hier so mehr oder weniger vorgeführt hat, dass sie sich durch sündteure Gutachten des Herrn Professor Mayer hier irgendwelche Vorteile verschafft hätten. Ja ist es denn bitte nicht mehr erlaubt, meine sehr geehrten Damen und Herren der Regie­rungsparteien, sich Gutachten anfertigen zu lassen? Und wissen Sie, wie sündteuer die sind? (Abg. Sburny: Die Regierung hat damit ein Problem!) Wahr­scheinlich werden Sie es wissen, denn die Höhe des Betrages für das sündteure Gutachten, das sich unser Finanzminister für seine Steuerbefreiung machen hat las­sen, werden Sie ja kennen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist auf jeden Fall Faktum, dass hier eine Gesetzesänderung zur Anpassung an die Richtlinie vorliegt, zu der die Betroffenen kaum oder gar nicht gehört worden sind, obwohl man sich sehr wohl darum bemühen hätte können. Es wurde hier einfach nichts gemacht. Es handelt sich dabei immerhin um einen Markt von 15 Milliarden € pro Jahr – Tendenz steigend; denken wir an die ganzen Pensions- und Vorsorgeversicherungen –, also Geld von Bürgerinnen und Bürgern, das Sie jetzt ganz einfach auch solchen Leuten freigeben, die keinerlei Qualifikation dazu haben. Wer spricht denn bitte davon, welche Qualifikation diese Leute, diese Versicherungsvermittler eigentlich haben sollten? Also auch dieser Punkt wurde überhaupt nicht berücksichtigt.

Vom Konsumentenschutz war in dieser Debatte schon des Öfteren die Rede. Ich stelle mir das so plastisch vor: Ich gehe zu einer Bank, lasse mich dort seriös beraten, wie Banken ausgestattet sind, und dann wird mir empfohlen, ich sollte mir doch auch diese Pensionsversicherung überlegen. Ja, welchen Hut hat mein Berater jetzt auf? Ist er jetzt Agent oder ist er ein Makler? Er wird den Hut dann wechseln, oder glauben Sie wirklich, dass er sagen wird: Na ja, das ist unser Produkt, aber das von der Konkurrenz würde ich Ihnen eher empfehlen!?

Für den Konsumenten hat sich hier also überhaupt nichts verbessert, meine sehr geehrten Damen und Herren, und daher sind wir der Meinung, dass dieser Geset­zesvorschlag abzulehnen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

19.18

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rossmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


19.18

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Hohes Haus! Ich verstehe schon, dass Sie natürlich wieder einmal mehr auch diese Richtlinie, die wir umgesetzt haben, aus Sicht des Konsumenten schlecht machen. Aber ich kann Ihnen sagen, wir sind an die Sache sehr gewissenhaft herangegangen, und es waren uns drei Dinge wichtig.

Erstens einmal, dass sich die Standesvertretung halbwegs einigt. Ich sage: halbwegs. Es kann, wie der Herr Bundesminister schon gesagt hat, keine hundertprozentige Einigung geben, aber halbwegs eine Einigung hat es – das ist uns auch so kommuniziert worden – gegeben.

Uns war aber auch wichtig, dass der Konsumentenschutz über die Richtlinie hinaus­gehend bedacht wird. Deshalb bin ich sehr froh, dass auch Bundesminister Haupt und Staatssekretärin Ursula Haubner sich massiv eingebracht haben und über die Richtlinie hinaus noch vier Punkte zusätzlich eingeflossen sind, und zwar:


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Das Honorar für Beratung darf nur verlangt werden, wenn dies im Einzelnen vereinbart war.

Die Versicherung haftet für Schäden durch einen nicht befugten Vermittler.

Die Haftung bleibt – das ist ganz wichtig –, so lange nicht über den tatsächlichen Status des Vermittlers informiert wurde, beim Makler.

Zusätzlich gibt es noch die vierzehntägige Rücktrittsmöglichkeit, und die Informations­pflichten – was ist ein Makler, was ist ein Agent – sind detailliert festgelegt.

Ich glaube, dass da durchaus Transparenz gegeben ist, und ich füge hinzu: Wir müssen einmal davon abgehen, hier immer so zu tun, als ob die Konsumenten nicht wüssten, was sie tun. Wir haben – Gott sei Dank! – mündige Konsumenten in Österreich; das zieht sich vom Gesundheitsbereich über die Ernährung bis hin auch zu dieser Tätigkeit, wo der Konsument sehr wohl die Auswahl richtig trifft und auch alles hinterfragen kann.

Wichtig ist auch, dass die Gewerbeausübung nur dann möglich ist, wenn eine Haftpflichtversicherung erfolgt ist. Ich glaube, das ist hiermit gewährleistet, und deshalb sind wir mit der Richtlinie, wie sie auf dem Tisch ist, zufrieden.

Einen Punkt möchte ich noch in aller Kürze ansprechen. Die Ausbilderprüfung wurde jetzt in die Meisterprüfung integriert. Das ist ein toller Schritt, ich hätte dazu aber, Herr Bundesminister, eine Anregung, und vielleicht lässt sich das prüfen: Ich meine, dass man generell bei allen berufsbildenden höheren Schulen, wo man mit der Matura ja auch Gewerbeberechtigungen erwirbt, durchaus auch in die Matura oder in den Lehrplan eine Lehrlingsausbilderprüfung integrieren könnte. Das wäre auch im Sinne dessen, dass man jungen Menschen keine zusätzlichen Wege verursacht und zusätz­liche Lebenszeit verbaut, sondern mit der Matura könnten sie automatisch die Ausbilderprüfung nachweisen; natürlich mit einer entsprechenden Anzahl von Unter­richtsstunden. Das könnte man, glaube ich, ins Berufsschulwesen integrieren, denn die Gewerbeberechtigung erwirbt man in vielen Bereichen.

Das wäre eine Anregung. Vielleicht ist es auch für junge Menschen dann noch ein Ansporn mehr, in die Selbständigkeit – und auch rascher in die Selbständigkeit zu kommen.

In diesem Sinne ist, glaube ich, das gesamte Paket zur Änderung der Gewer­beordnung, das hier vorliegt, sehr, sehr sinnvoll, und wir sind froh, dass diese langen Debatten zwischen Maklern und Agenten jetzt einmal wahrscheinlich ihr vorläufiges Ende finden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.22

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Krist. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


19.22

Abgeordneter Hermann Krist (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wenn die Bürgerinnen und Bürger nicht zu überzeugen sind, soll man sie verwirren und überrumpeln. Das ist die schon hinlänglich bekannte Strategie dieser Bundesregierung. Wieder einmal wird ein Gesetz beschlossen, das, wie viele – sie sind heute schon zitiert worden – anerkannte Expertinnen und Experten meinen, beste Chancen hat, verfassungsrechtlich gekippt zu werden. – Eine beinahe schon alltägliche Folgeerscheinung bei Gesetzen dieser Bundesregierung.


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78. Sitzung / Seite 180

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Weder der Konsumentenschutz noch der Versicherungsverband, weder Vermögensberater noch Makler oder Spezialisten der Arbeiterkammer, mit denen ich auch heute noch telefoniert habe, sind mit diesem Entwurf zufrieden. Er wurde mit der Branche nie wirklich akkordiert. Warum das so ist? – Es kommt der Verdacht auf, dass die Hauptnutznießer wieder zur Kernklientel der schwarz-blauen Bundesregierung gehören, wenn man die Verzweigungen und die Vernetzungen der Befürworter mit der Regierungsmannschaft betrachtet, und wie immer werden die Interessen der Konsumenten, aber auch der Unternehmer weniger berücksichtigt.

Auch der Abänderungsantrag, der den Versicherungsvermittler verpflichten soll, diese Unterscheidung bei einer Beratung klar zu deklarieren, schützt die Konsumenten nicht so umfassend, wie wir es uns wünschen würden und wie es ihnen vor allem auch zusteht. Es muss hier eine klare, rechtlich nachvollziehbare Differenzierung, ein klares unterschiedliches Betätigungsfeld geben, damit die Unabhängigkeit für die Kon­sumentinnen und Konsumenten zu 100 Prozent gewährleistet und erkennbar ist.

Eine Gallup-Umfrage besagt, dass 82 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher eine klare Deklaration zwischen Makler und Agent wollen und 91 Prozent der Öster­reicherinnen und Österreicher eine unabhängige Beratung haben wollen. Mit diesem Entwurf wird diesen Wünschen nicht Rechnung getragen.

Es ist schon schlimm genug, dass die Bürgerinnen und Bürger durch die Verunsiche­rungspolitik der Bundesregierung in die private Pensions- und Gesundheitsvorsorge gedrängt werden. Zusätzliche Verwirrung haben wir zu verhindern. Wissenschaftliche Meinungen von anerkanntesten Expertinnen und Experten belegen außerdem diese berechtigten Bedenken. Dieser Entwurf ist in der vorgelegten Form mit größter Wahrscheinlichkeit verfassungs- und EU-widrig.

Die Folge des Gesetzes in wieder einmal klar vorprogrammiert: Bis es verfassungs­rechtlich gekippt wird, vergeht wertvolle Zeit, und während dieser Zeit werden die Konsumentinnen und Konsumenten unter Umständen vielleicht falsch oder unzu­reichend beraten, was sich sehr nachteilig, insbesondere im schlimmsten Fall erst bei Haftungsansprüchen, auswirken kann.

Die SPÖ ist für die fortgesetzte KonsumentInnentäuschung nicht zu haben und lehnt daher im Gleichklang mit vielen ExpertInnen, also in guter Gesellschaft, diese Vorlage in ihrer momentanen Form ab. Der von uns eingebrachte Abänderungsantrag wäre jedoch eine gute Gelegenheit, alle unsere Bedenken zu beseitigen, und ich fordere Sie daher auf, im Sinne der Konsumenten und der Unternehmer diesem Antrag zuzustimmen. – Danke (Beifall bei der SPÖ.)

19.25

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Felzmann. Ebenfalls 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


19.25

Abgeordnete Carina Felzmann (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dass Herr Kollege Abgeordneter Krist „verwirrt“ ist, sei ihm unbenommen. Ich denke, er hat hier einige Dinge miteinander vermischt. Faktum ist, dass dieses sehr umfangreiche Bundesgesetz, mit dem auch die Gewer­beordnung, das Maklergesetz, das Versicherungsvertragsgesetz, das Versicherungs­auf­sichtsgesetz und auch das Bankwesengesetz geändert werden, auf EU-Richtlinien zurückgeht, wobei Sie genau wissen, dass wir als Land uns diesen anpassen und uns daran orientieren müssen. (Abg. Sburny: Orientieren, aber nicht 1 : 1 übernehmen!)


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78. Sitzung / Seite 181

Ich bin überzeugt davon, dass die Änderung, gerade was die Richtlinie der Ver­sicherungsvermittlung betrifft, einen Verbraucherschutz, einen Konsumentenschutz darstellt. Warum? – Auf der einen Seite müssen sich die Makler jetzt auch ausweisen. Die Makler müssen vor dem Geschäftsfall eine Haftpflichtversicherung abschließen. Es gibt mehr Transparenz bei den Versicherungsgeschäften, und durch die umfangreiche Ausbildung wird auch die Qualität bei den Versicherungsvermittlungstätigkeiten sicher gesteigert.

Diese Richtlinie umfasst aber weit mehr als das Makler- und Versicherungsgesetz. Es geht – Sie wissen das – um die Gewerbeordnung, die auch als Teil des Konsumenten­schutzes zu sehen ist. Da wundere ich mich persönlich, dass die Grünen auch nicht mitgegangen sind, weil hier unter anderem auch das Abfallwirtschaftsgesetz ange­sprochen wird, wobei doch sehr einschneidende Maßnahmen zum Schutz der Umwelt vorgesehen werden. Für uns war eigentlich nicht wirklich nachvollziehbar, dass Sie bei der gesamten Fülle, wo Sie vielleicht zu ein, zwei Dingen einen anderen Zugang haben, nicht mitziehen konnten.

Unterm Strich geht es darum, dass, was die Gewerbeordnung betrifft, einzelne Bestimmungen konkretisiert und verdeutlicht werden müssen. Das ist auch im Sinne unserer Konsumenten und auch im Sinne der Betriebe, dass hier eine absolute Klarheit geschaffen wird.

Vor uns liegt ein umfangreiches Gesetz. Es ist vielleicht nicht im Sinne aller geschaf­fen. Ich bin aber trotzdem überzeugt davon, dass es insgesamt eine wesentliche Verbesserung darstellt. (Beifall bei der ÖVP.)

19.28

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Steindl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


19.28

Abgeordneter Konrad Steindl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Herr Kollege Krist hat vorhin ein Szenario entworfen, das mit der Realität nichts zu tun hat. Heute ist es ja schon so, dass Versicherungsagenten und Makler parallel den Markt bestreiten, und das funktioniert schon viele Jahre ausge­zeichnet.

Wie der Herr Bundesminister bereits ausgeführt hat, war unter den Vorgaben der EU-Richtlinie eigentlich nur eine Kompromissvariante möglich. Diese liegt heute vor, und ich glaube, es ist insgesamt ein guter Kompromiss geworden. Es wurde zu diesem Thema heute eigentlich schon alles ausgeführt. Ich möchte daher nur mehr die Eckpunkte kurz umreißen.

In Hinkunft wird die Tätigkeit der Versicherungsvermittler durch Makler, Agenten, Ver­mögensberater, Kreditinstitute und Unternehmer mit dem zugehörigen Nebengewerbe ausgeführt.

Zur Haftungsabsicherung für den Konsumenten wird nun eine Meldeverpflichtung des haftenden Unternehmers eingeführt und dafür ein Versicherungsvermittlerregister geschaffen, also ein besonderer Konsumentenschutz in diesem Fall.

Würde man einen gebundenen Agenten verbieten – jetzt komme ich eben auf diese EU-Richtlinie zurück –, also würde ein Agent konkurrierende Versicherungsprodukte anbieten, würde eine Diskriminierung von Österreichern gegenüber EU-Bürgern vorliegen, da die EU-Richtlinie eine derartige Unterscheidung nicht vorsieht.


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78. Sitzung / Seite 182

Um den Konsumentenschutz weiter zu verbessern, muss der Versicherungsvermittler den Konsumenten bei einem Beratungsgespräch darüber informieren, ob er im konkreten Fall als Versicherungsagent oder als Versicherungsmakler tätig ist.

Die Umsetzung der EU-Richtlinie sollte nicht für brancheninterne Kämpfe missbraucht werden. Vielmehr sollten sich die Makler und Agenten weiter auf ihre bisher festgelegten fachlichen Schwerpunkte konzentrieren, denn letztlich wird nur der kompetente und fachlich orientierte Unternehmer wirtschaftlich erfolgreich sein. (Beifall bei der ÖVP.)

19.30

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Ledolter zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeord­neter.

 


19.30

Abgeordneter Johann Ledolter (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich finde, dass diese heutige Debatte über die Änderung der Gewerbeordnung 1994 wieder einmal ein gutes Beispiel ist, um aufzuzeigen, wie seitens der Opposition notwendige und gute Ände­rungsansätze und Regelungen schlecht geredet werden, wie man versucht, mit dem quasi eingeforderten Schutz mündiger Konsumenten die Wirtschaft zu knebeln und in ihrem Spielraum einzuengen (Abg. Sburny: Immer wieder ist es ...! Das ist wirklich eine Sauerei!), und wie mit Unterstellungen, wie sie beispielsweise Kollege Krist gebracht hat, betreffend Überrumpeln und Vorteil verschaffen die Wahrheit verschleiert wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube nicht, dass sich die Öster­reicherinnen und Österreicher gerne in jener Rolle wiederfinden, die man ihnen seitens der SPÖ zudenkt, denn wenn jemand in einem „Spar“-Markt einkaufen geht, dann weiß er sehr wohl, dass er dort die Eigenmarken der „Spar“-Organisation präsentiert bekommt (Ruf bei der SPÖ: Das wissen sie nicht!), und wenn er in den „Billa“-Markt geht, dann ist es ähnlich. Die Analogien zu den Eigenprodukten von Banken und Versicherungen sind ja nicht so weit hergeholt. Und ich glaube nicht, dass man die Menschen in diesem Land ständig entmündigen muss, nur um bei gesetzlichen Regelungen einfach dagegen sein zu können.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Wenn das die Grundtendenz Ihrer Politik ist, dann sagen Sie es. (Abg. Sburny: Eine einfache Welt, in der ...!) Und Sie tun es ja auch, aber dann sollen die Menschen wissen, woran sie sind und wie sie bei Ihnen aufgehoben sind.

In Wirklichkeit ist die Regelung über die Versicherungsvermittlung mit sehr viel konsumentenfreundlichen Maßnahmen unterlegt: mit dem Versicherungsregister, mit der Haftpflicht, mit dem Befähigungsnachweis, der von jenen verlangt wird, die im Rah­men von Banken und Versicherungen Beratertätigkeit und Vermittlertätigkeit ausüben.

In diesem Zusammenhang auch noch ein Wort zur Frau Kollegin Sburny. Die Finanzmarktaufsicht hat den Befähigungsnachweis jener, die bei diesen Institutionen Versicherungsvermittlungstätigkeit ausüben, zu prüfen. Da diese Institutionen aber ohnehin von der FMA geprüft werden, kann ich mir nicht vorstellen, dass der zusätz­liche Personalbedarf ach so groß sein wird.

Darüber hinaus, meine Damen und Herren, im Beratungsgespräch ... (Abg. Sburny: Hätten Sie halt die Stellungnahmen gelesen, dann wüssten Sie, was die FMA sagt!) – Ja mein Gott, es gibt sehr viel, was auf Papier dargestellt wird. Sie und ich wissen, dass Papier geduldig ist. (Abg. Sburny: Da haben Sie Recht! Die ganze Budgetrede


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heute Vormittag – da ist Papier geduldig, das stimmt!) Faktum ist, wir brauchen Lösungen, und das ist nicht nur in dem Bereich so, wo unter anderem das Beratungs­gespräch vorgesehen ist, sondern auch dort, wo es um die Vertreibungsform, das Versandhandelsverbot der Verzehrprodukte geht. Auch da, meine Damen und Herren, erfolgt eine Anpassung an eine EU-Richtlinie, die dringend notwendig geworden ist und infolge derer etliche Bestimmungen zum Schutz der Konsumentinnen und Konsumen­ten eingebaut sind, eine Tatsache, die sich aus der Notwendigkeit ableitet, dass uns die EU hier sehr klare Auflagen und Vorgaben gibt; ähnlich auch beim Betriebs­anlagenrecht. (Abg. Mag. Gaßner: Die EU ist schuld! Immer diese EU!)

In Summe, meine Damen und Herren, ist das eine wirklich großartige Arbeit des Ministeriums unter der Leitung des Wirtschaftsministers Martin Bartenstein. – Danke dafür und weiter so! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Rufe bei der SPÖ: Danke! Danke! Danke!)

19.35

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Missethon zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.)

 


19.35

Abgeordneter Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte mich da jetzt gar nicht in die Debatte um Agenten und Makler einmischen (Rufe bei der SPÖ: Ist eh gescheiter!), sondern ver­suchen, quasi aus Sicht des Konsumenten zu sprechen, weil ich glaube, dass es für den Konsumenten zunehmend schwieriger wird, aus den vielfältigen Versicherungs­produkten – und es kommen ja fast täglich neue dazu – wirklich das Richtige für sich auszuwählen.

An die geschätzten Vertreter der Makler: Der Beratungsaspekt wird zukünftig ein wesentlicher und wichtigerer werden. Das ist meine persönliche Überzeugung. Ich glaube auch, dass die Unterscheidung zwischen Makler und Agenten für den Konsu­menten wichtig ist, damit er weiß: Wer ist mein Gegenüber an diesem Tisch? Ist es einer, der meine Interessen vertritt, sprich: Makler? Oder ist es einer, der quasi die Interessen auch der Versicherungsunternehmungen vertritt? Dann ist es der Agent. Es ist wichtig, diese Unterscheidung in irgendeiner Form klarzumachen. Das war auch meine kritische Anmerkung im Ausschuss, und ich danke dafür, dass zumindest bezüglich der Frage: Wer sitzt mir beim Beratungsgespräch gegenüber?, nun eine Klarstellung erfolgt ist.

Als Konsumentensprecher der Volkspartei begrüße ich die doch deutlichen Verbes­serungen für den Konsumenten. Das beginnt bei den Informationspflichten und geht bis hin zu Rücktrittsmöglichkeiten. Also für den Konsumenten, betreffend Konsu­menten­rechte ist es sicher eine Verbesserung gegenüber dem vorherigen Zustand.

Geschätzte Damen und Herren! Es wurde heute schon mehrmals angesprochen, dass die Versicherungsbranche eine unheimlich stark wachsende Branche ist. Wir sollten in den nächsten Jahren auch beobachten, wie sich dieser Markt entwickelt, wie sich vor allem die Teilnehmer auf diesem Markt entwickeln. Ich glaube, dass es – und das ist eine Anregung – auch notwendig werden wird, in gewissen Zeitabständen zu über­prüfen, wie weit diese Gesetze auch wirklich umgesetzt werden.

Abschließend noch eine letzte Botschaft an die Vertreter der Makler. Geschätzte Damen und Herren! Meine Überzeugung ist: Wenn Sie mit der gleichen Intensität, mit der Sie in den letzten Wochen die Politiker bearbeitet haben, Ihre Kunden bearbeiten,


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dann mache ich mir um den Stand der Makler keine Sorgen. – Ein herzliches Glückauf! (Beifall bei der ÖVP.)

19.38

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als vorläufig letzte Rednerin hiezu ist Frau Abgeordnete Mikesch zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minu­ten. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Rufe bei der SPÖ: Danke! Danke!)

 


19.38

Abgeordnete Herta Mikesch (ÖVP): Geschätzte Präsidentin! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute schon sehr viel über die Ver­sicherungsvermittlerrichtlinie gehört, aber ein weiterer sehr wichtiger Punkt ist auch in der Änderung der Gewerbeordnung zu finden, ein Meilenstein für den Sport, ein kleiner Absatz im Gesetz, aber ein großer Schritt für die Absolventen und Studenten von Sportstudien sowie für unsere Diplomtrainer.

Wir sind auf europäischer Ebene im Qualifikationsniveau führend. Das hat eine ver­gleichende Analyse der Universität Lyon für die Europäische Kommission erst jüngst festgestellt. Dieser Wertschätzung in der Welt des Sports stand bisher eine recht bescheidene Berufsberechtigung gegenüber. Aus historischen Gründen fiel Training und Wettkampfvorbereitung gewerberechtlich unter den Begriff „Privatunterricht“.

Langjährig bestens geschulte Akademiker oder Diplomtrainer mussten sich auf Vorzeigen, Vorführen, Erläutern und Erklären beschränken. Der Weg in die Selbst­ständigkeit war damit verwehrt. Individuelle Beratung und Betreuung, Leistungsdiagno­sen, Körperfunktionsanalysen, Erstellen von maßgeschneiderten Aufbauplänen, sport­wissenschaftliche und psychologische Tests waren ihnen bisher nicht erlaubt. Obwohl der Begriff „Coaching“ aus dem Sport kommt, waren in Österreich dazu bisher nur Sportärzte, Psychologen, Psychotherapeuten, Lebens- und Sozialberater sowie Unter­nehmensberater berechtigt.

Die Ausweitung des reglementierten Gewerbes der Lebens- und Sozialberatung, wie sie heute beschlossen wird, setzt bei der gesundheitsfördernden Wirkung sportlicher Aktivitäten in allen Altersgruppen an. Unsere Initiative im Wirtschaftsausschuss, eine Unternehmensgründung in der sportwissenschaftlichen Beratung zu ermöglichen, ist ein Festakt für den Sport, eine phantastische Botschaft im Europäischen Jahr der Erziehung durch Sport. Schade, dass Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, nicht zustimmen können!

Jubeln dürfen aber auch die Hotel- und Fitnessbetriebe, die bisher in einer Grauzone agierten, wenn sie Sportwissenschaftler etwa gezielt zum Wiederaufbautraining, zum Abbau von Übergewicht oder zur Senkung des Blutdrucks durch Jogging einsetzten.

Die Wirtschaftskammer Österreich rechnet in den kommenden Jahren mit einer Grün­derwelle. Auch die Medien unterstützen diese Initiative. So hat jüngst der bekannte Publizist Alfred Payrleitner in einem „Kurier“-Kommentar dazu aufgerufen. Als ehe­malige Leistungssportlerin ist es mir daher ein persönliches Anliegen, jenen zu danken, die der langjährigen Forderung der Sportunion und unseres Sportsprechers Peter Haubner nach Schaffung einer Gewerbeberechtigung nunmehr zum Durchbruch ver­holfen haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Mein Dank gilt vor allem den Mitarbeitern im Wirtschafts- und Bildungsministerium und der Wirtschaftskammer Österreich. Unser heutiger Beschluss bildet auf der Basis akademischer Qualifikation die notwendigen Voraussetzungen. Für über 10 000 Absolventen der Universitäten und Sportakademien ist dies eine große Chance. EU-weit hat die Beschäftigung im Sport seit 1990 um 10 Prozent pro Jahr zugenommen.


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Der Gesundheitssektor gilt als Wachstumsmarkt schlechthin, ein Markt, in dem beson­ders Frauen neue, spannende Berufsperspektiven finden.

In diesem Sinne freue ich mich als Unternehmerin auf zahlreichen Zuspruch und einen zusätzlichen Gründerinnenboom. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.42

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Die Frau Berichterstatterin wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen somit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 629 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Johann Moser, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht, der an die Abgeordneten verteilt wurde.

Ich werde zunächst über die von dem erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abän­derungs­antrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abge­stimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Mag. Johann Moser, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel 1 sowie auf Artikel 2 bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür die Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist nicht die Mehrheit und damit abgelehnt.

Nun kommen wir zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fas­sung des Ausschussberichtes.

Bei Zustimmung ersuche ich die Damen und Herren Abgeordneten um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist der richtige Schritt in die falsche Richtung!)

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu die Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

9. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (622 d.B.): Verein­barung gemäß Art. 15a B-VG über die Abgeltung stationärer medizinischer Ver­sorgungsleistungen von öffentlichen Krankenanstalten für Insassen von Justiz­anstalten (634 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.


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Ich eröffne somit die Debatte.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Miedl. Freiwillige Redezeitbeschrän­kung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


19.45

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Justizministerin! Herr Wirtschaftsminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist dies eine Materie, über die, so meine ich, hoffentlich Konsens zu erzielen sein wird. Österreich hat rund 25 000 Häftlinge, die sich als Gerichts-, Verwaltungs- oder Schubhäftlinge jährlich in den diversen Strafanstalten und Polizeigefangenenhäusern aufhalten.

Meine Damen und Herren! Das sind Häftlinge mit allen Problemen eines Menschen, der unter dem Entzug der Familie zu leiden hat, unter dem Entzug des gesell­schaftlichen Umfeldes und dem Entzug des Arbeitsplatzes. Die Sinnfrage wird nirgends so deutlich spürbar wie bei den Menschen in den Haftanstalten. Viele von ihnen finden auch während dieser Zeit zum Glauben.

Jede Gesellschaft, die etwas auf sich hält, hat einen humanen Strafvollzug, einen humanen Strafvollzug, der Reintegration ermöglicht und weitestgehend garantiert. Das wirkliche Ziel jener vom Gericht angeordneten Maßnahmen soll neben der Sühne und der Läuterung des Menschen natürlich dessen Besserung bewirken und schließlich seine Reintegration ermöglichen.

Ein meiner Überzeugung nach wichtiges Thema im Strafvollzug ist die Gesundheit der Menschen, die sich darin aufhalten. Und da, denke ich, ist es gut, wenn wir unter­scheiden, welche Gesundheit wir meinen. Ich denke, dass in den Haftanstalten sehr professionell und sehr klug auch Gesundheitsprophylaxe betrieben wird. Das wird über die Ernährung – es gibt eine ausgewogene, gesunde Ernährung in diesen Anstalten –, über die entsprechenden Hygienebestimmungen gewährleistet, aber es finden auch Sport und Bewegung statt. Es wird Wissen vermittelt, und es gibt auch entsprechende Freizeitmöglichkeiten. All das verstehe ich als Gesundheitsprophylaxe.

Der zweite Bereich aus meiner Sicht ist jener der Gesundheitswiederherstellung, also der Kranken in diesen Haftanstalten. Hier gibt es, abgesehen von den normalen Krank­heiten, bei denen es durchaus professionelle Betreuung gibt, in letzter Zeit wieder häufiger das Problem der ansteckenden Krankheiten in den Haftanstalten, vor allem Hepatitis C, HIV und zuletzt verstärkt Tuberkulose. Es ist alles zu unternehmen, eine Ansteckung zu verhindern – auch des Personals und der Beamten, die dort arbeiten, aber auf der anderen Seite selbstverständlich auch der Mithäftlinge.

Letztlich ist auch das Problem der psychischen Krankheiten in den Haftanstalten nicht zu unterschätzen, also die Frage Depressionen und der damit verbundenen Suizid­gefahr sowie die Suchtkrankheiten. Vor allem in letzter Zeit ist hier eine sehr starke Zuname spürbar. Die Behandlung Suchtabhängiger in den Haftanstalten gestaltet sich zunehmend schwieriger. Hiebei sind vor allem die Alkohol- und die Drogensucht sowie die vielen Substitutionspatienten in den Haftanstalten gemeint.

Meine Damen und Herren! Worum es jetzt eigentlich geht, das ist, dass die Kosten exorbitant steigen und die Häftlinge nicht versichert sind. Hier hat man eine Verein­barung mit den Ländern getroffen – das ist der gegenständliche Akt –, wonach in etwa 8,5 Millionen € für die Jahre 2003 und 2004 vorgesehen sind. Die Bundesländer wer­den diese Kosten im Verhältnis der Einwohner aufteilen. Das Problem ist die unter­schiedliche Kostenhöhe in den unterschiedlichen Krankenanstalten und der Umstand, dass jene die Tagessätze zum Volltarif wie für nicht versicherte Privatpatienten ver­rechnen.


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Ziel der künftigen Politik muss daher die Verhandlung eines einheitlichen Tagsatzes und die Einführung einer Sozialversicherung inklusive Krankenversicherung für die Häftlinge sein.

Ich bin überzeugt davon, dass unsere neue Frau Justizministerin das ohne weiteres schaffen wird. Sie hat schon viel geschafft. – Ich gratuliere Ihnen, Sie haben einen guten Einstieg gemacht, und ich bin sehr zuversichtlich, dass der Vorlage heute einstimmig die Zustimmung erteilt wird.

Ich danke Ihnen recht herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.49

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Pendl zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeord­neter.

 


19.49

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Kollege Miedl, natürlich ist das Konsens­materie, und wir stimmen dieser Artikel-15a-Vereinbarung sehr gerne zu. Aber lassen Sie mich hier auch einige wichtige Anmerkungen zu der Situation im österreichischen Strafvollzug machen.

Mit großer Aufmerksamkeit habe ich die Meldungen in den Medien verfolgt, aber auch die Aussage der Frau Bundesminister im Justizausschuss, als sie gemeint hat, es müsse ein Masterplan für den österreichischen Strafvollzug erstellt werden. – Das unter­streichen wir, Frau Minister!

Ich meine, dass es in den österreichischen Justizanstalten nun die seit Jahrzehnten schwierigste Situation gibt.

Meine Damen und Herren! Wir haben rund 8 750 Insassen, davon zirka 5 500 U-Häftlinge, zirka 2 500 Strafgefangene, der Rest sind Untergebrachte.

Ich meine – und wir haben in mehreren Sitzungen auch schon im Ausschuss immer wieder darauf hingewiesen, auch Ihr Amtsvorgänger –, dass wir hier einigen Hand­lungsbedarf haben. Wenn wir uns nun, im Jahre 2004, ansehen, wann das Strafvoll­zugsgesetz und der Maßnahmenvollzug per Gesetz beschlossen worden sind, dann ist klar, dass sich viele Rahmenbedingungen geändert haben und neu definiert werden müssen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle heute auch den Kolleginnen und Kollegen bei der österreichischen Justizwache und dem gesamten im Strafvollzug tätigen Personal unseren Dank, dem ich mich besonders anschließe, zum Ausdruck bringen. Ich glaube – und Insider wissen es –, dass sie derzeit bei ihrer schwierigen Aufgabe Über­menschliches leisten, um das System im Interesse der Republik und der Öster­reicherinnen und Österreicher aufrechterhalten zu können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Strafvollzug ist ein wichtiger Bereich auch der inneren Sicherheit, und es muss uns allen bewusst sein, dass das auch etwas kostet, und es muss uns auch etwas wert sein, sowohl was den Sachaufwand als auch was den Personalsektor betrifft. Wir sollten, wie ich meine, den Mut haben, im Justizausschuss eine Neuregelung des Maßnahmenvollzuges zu versuchen und das Strafvollzugsgesetz den heutigen Gegebenheiten anzupassen.

Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einer der Bereiche, wo mein Vorredner bereits angesetzt hat, ist die Frage der Gesundheitsvorsorge im


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Bereich des Strafvollzuges. Die Kosten explodieren von Jahr zu Jahr. Ohne zynisch oder polemisch sein zu wollen, meine ich, man kann bereits sagen, wann der Tag kommen wird, an dem das gesamte Budget für den Gesundheitsbereich aufgewendet werden wird. Wir müssen uns daher dieser so wichtigen, ja zentralen Frage annehmen. Es ist eine heikle Diskussion, das wissen wir. Wir haben über Jahrzehnte diese Problematik mit uns selbst auskämpfen müssen. Es gibt zahlreiche öffentliche Kran­kenhäuser, die keine Freude mit unseren Insassen haben. Es ist immer eine heikle Frage, weil in Wirklichkeit niemand eine Bewachung in einem Krankenhaus haben will. All dies kostet auf der einen Seite sehr viel, ist aber zudem auf der anderen Seite unbefriedigend.

Frau Minister, machen Sie Ihre Ankündigung eines Masterplanes in diesem Bereich wahr! Wir sind, wenn es um die Sache geht, sicher mit dabei. Ich glaube, die Menschen, vor allem das Personal, warten schon darauf, denn das ist überfällig. Wir müssen dazu kommen, dass der Strafvollzug auch Sinn hat. Es kann nicht sein, dass die Justizanstalten bersten, ja übervoll sind. Es ist eigentlich nur mehr möglich zuzu­sperren, ohne dass es, wie wir es uns vorstellen würden, zu einem Betreuungsvollzug, wie dies auch mein Vorredner zum Ausdruck gebracht hat, kommt. Es muss auch eine sinnvolle Beschäftigung in den Anstalten möglich sein. Die Menschen gehören beschäftigt, geschult und ausgebildet. All das ist derzeit aber nicht möglich.

Ich bitte Sie und lade Sie alle dazu ein, im Interesse der österreichischen Justiz, im Speziellen des Strafvollzugs, an diese so wichtige Arbeit zu gehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.54

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Dr. Böhmdorfer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


19.54

Abgeordneter Dr. Dieter Böhmdorfer (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hau­ses! Da ich Sie, Frau Justizministerin, zum ersten Mal hier auf der Regierungsbank begrüßen darf, möchte ich Ihnen doch für Ihre sehr verantwortungsvolle Aufgabe alles Gute wünschen. Ich weiß, Sie haben ein gutes Team im Kabinett und im Haus, und ich hoffe, dass Sie all Ihre Aufgaben gut bewältigen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Erfreulich ist auch, dass wir mit einer Konsensmaterie Ihren Einstand hier feiern dürfen. Allerdings möchte ich doch auch etwas Kritisches sagen, aber nicht zur Materie selber – es ist sehr erfreulich, dass diese Artikel-15a-Vereinbarung geschlossen wird –, sondern zum föderalistischen Hintergrund dieser Materie.

Worum geht es eigentlich? – Wenn in Österreich jemand – und es stehen einander Bundes- und Landesbürger gegenüber – in Haft kommt, dann wird er vom Landes­bürger zum Bundesbürger. Als Landesbürger war er wohl versichert und wohl betreut, und die Länder mussten für ihn aufkommen, wenn ihm etwas passiert. Als Bundes­bürger ist er plötzlich in Strafhaft, und wenn er in Strafhaft ist, ist er nicht versichert. Das geht in etwa auf die Zeit Christian Brodas zurück. Häftlinge sind in österreichi­schen Strafanstalten nicht versichert.

Es müssen aber auch Häftlinge betreut werden, und wenn sie krank werden, müssen sie allenfalls in stationäre Behandlung kommen. Wohin kommen sie in Behandlung? – In die Landeskrankenanstalten. Da sie nicht versichert sind, müssen sie bezahlen wie russische und amerikanische Milliardäre, und das bezahlt der Bund. – Dieser sinnlose


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Kreislauf wird heute in einem gewissen Sinne eingebremst. Er wird nicht wirklich beendet. Es gehört hier in Zukunft – abgesehen von der heutigen verbesserten Regelung – eine wirklich gute Regelung her. Es muss eben so sein, dass das unbürokratisch und ohne diese Kreisläufe zwischen Föderalismus und Zentralismus abgewickelt wird, einfach, konkret und gleichbehandelt, denn krank ist krank. Diese Menschen müssen behandelt werden, daran führt kein Weg vorbei.

Das Zweite ist: Es befinden sich Hunderte Patienten in den österreichischen Justiz­anstalten, Kranke, Geisteskranke, die für ihre Taten nicht verantwortlich sind. Bitte verhandeln Sie weiter, Frau Justizministerin, mit der Frau Gesundheitsministerin, die leider nicht hier ist; sie muss auch nicht hier sein, sie soll auch nicht hier sein. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Sie hat nicht die Aufgabe, hier zu sein; so war es gemeint. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist ein Beitrag zur Sachlichkeit!) Aber es sollte doch so sein, dass in Zukunft die Patienten wirklich vom Gesundheitsministerium betreut werden und nicht in Strafvollzugsanstalten. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.57

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.57

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Auch ich heiße Sie sehr herzlich willkommen und möchte mich den guten Wünschen von Dr. Böhmdorfer sehr gerne anschließen. Er hat tatsächlich ein wahres Wort gesprochen! Die Damen und Herren, die für Sie im Justizministerium arbeiten, sind wirklich von höchster Qualität (Heiterkeit), das heißt, ihre Arbeit ist von höchster Qualität. (Abg. Mag. Molterer: Terezija, was weißt du?) Dessen konnte ich mich auch schon viele Male vergewissern. Das weiß ich definitiv, dass ihre Arbeit sehr gut ist, lieber Herr Klubobmann. Diese Regierung ist unter anderem auch Nutznießerin der hohen Qualität der hohen Beamtenschaft des Justiz­ressorts. (Abg. Scheibner: Auch der Minister und Ministerinnen!) Müssten wir uns allein auf die Regierungsmitglieder verlassen, würde es ein bisschen traurig aus­schauen. (Abg. Neudeck: Im Gegensatz zu früher lässt man die Beamten jetzt auch arbeiten!)

Dies soll nicht ablenken von dem eigentlichen Thema, nämlich vom Strafvollzug in Österreich und vor allem von den Mängeln im österreichischen Strafvollzug. Diese 15a-Vereinbarung ist ja in gewisser Hinsicht so etwas wie eine kleine Mängelbehebung. Ich sage bewusst „kleine Mängelbehebung“, wiewohl ich mich freue, dass sie zustande gekommen ist, denn es ist in Wahrheit ein mehr als unwürdiges Schauspiel, das sich immer wieder abspielt, wenn es darum geht, wer die Behandlungskosten für krank gewordene Häftlinge in Österreichs Justizanstalten trägt. Und sie werden unter anderem auch deshalb krank, weil dieses System des Strafvollzugs sie auch krank macht.

Man darf sich das nicht so vorstellen, dass diese Personen jetzt das österreichische Krankensystem, weil es vom Bund und von den Ländern gemeinsam bezahlt wird, in Anspruch nehmen, weil sie es draußen sozusagen nicht könnten, sondern ganz im Gegenteil. Viele dieser Krankheiten, mit denen dann das Ressort und die Justiz­anstalten konfrontiert sind, sind Folge der Situation, in der sich die Menschen befinden, unter anderem sicher auch sehr viele der psychischen Erkrankungen, für die es aber am allerwenigsten Mittel und Beistand gibt.

Ich möchte bei aller Freude darüber, dass diese befristete Artikel-15a-Vereinbarung zustande gekommen ist, auf eines hinweisen: Der Artikel-15a-Vertrag ist deshalb


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befristet, weil so vieles in der österreichischen Strafvollzugspolitik sozusagen sehr kurzfristig ist.

Die letzte große Novelle, die es hiezu gegeben hat – ich habe Frau Ministerin Miklautsch die Historie im Ausschuss schon erläutert –, war die des Jahres 1993, eine Novelle, die sehr maßgeblich auch von der Opposition mitgestaltet wurde, weil sie sozusagen auf einem historisch einmaligen Ereignis gefußt hat: dass sich nämlich auf Grund eines oppositionellen Initiativantrages ein Unterausschuss ein Jahr lang mit dieser Materie beschäftigt hat. Aus der Arbeit dieses Unterausschusses ist ein Ministerialentwurf beziehungsweise eine Regierungsvorlage entstanden und letzt­endlich ein Strafvollzugsgesetz, das sich damals – vor mehr als zehn Jahren kam es zu dieser Beschlussfassung – wirklich sehen lassen konnte.

Inzwischen ist jedoch eine Dekade vergangen, und die Herausforderungen an den Strafvollzug haben sich geändert und sind in gewisser Hinsicht auch größer geworden, und vor allem ist der Strafvollzug durch den gesetzlichen Rahmen, den das Straf­vollzugsgesetz 1993 bietet, sicherlich nicht mehr in allen Facetten zeitgemäß. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Deshalb ist es also mehr als an der Zeit, sich mit der Frage eines modernen Straf­vollzugsgesetzes auseinander zu setzen. Frau Ministerin, Folgendes kann ich Ihnen heute keinesfalls ersparen, und das habe ich mir gedacht, als Herr Minister Böhm­dorfer hier als nunmehriger Abgeordneter gesprochen und gesagt hat, das sei eben aus der Broda-Zeit, dass es diese Versicherung nicht mehr gibt: Was vorher war, war ganz bestimmt ein viel rückständigerer Strafvollzug als der in der Broda-Zeit. Das hat ja bei Abgeordnetem Böhmdorfer so geklungen, als hätte es in der Zeit von Justizminister Broda eine Verschlechterung gegeben. – Das Gegenteil war der Fall!

Tatsache ist – das ist der Punkt –, dass, wenn jetzt Strafvollzug in Österreich in den Medien oder in der gesellschaftlichen Diskussion vorkommt, das immer nur geschieht auf Grund von Missständen, auf Grund von Vorfällen, auf Grund von Todesfällen, auf Grund des Verdachtes sozusagen, dass die Strafvollzugsbediensteten mit ihrer Arbeit nicht zu Rande kommen, wobei ich hier jetzt nicht einzelnes persönliches Fehl­verhalten geißeln möchte, sondern – Otto Pendl hat ja bereits darauf hingewiesen – die Situation als solche.

Jetzt ist es nicht mehr so, wie es eben in den siebziger und achtziger, ja sogar noch Anfang der neunziger Jahre der Fall war, dass wir deshalb eine positive Nachrede haben, weil wir in Österreich moderne Gesetze beschlossen haben, weil wir einen modernen und aufgeschlossenen Zugang zu den Dingen haben.

Die Dinge haben sich völlig verkehrt: Nur mehr Negatives, nur mehr Alarmmeldungen, und zwar von allen Seiten – sowohl was Vorkommnisse als auch Alarmmeldungen von Seiten der Personalvertretung und der Gewerkschaft über Personalmangel anlangt –, ist das, was die Diskussion jetzt bestimmt.

Frau Ministerin Miklautsch, da sind Sie wirklich gefordert! Und weil ich Frauen prinzipiell mehr vertraue als Männern, was Umsetzungsfähigkeit betrifft, vertraue ich in diesem Fall auch mehr auf Sie, Frau Ministerin Miklautsch, als auf Minister Dr. Böhm­dorfer, Ihren Vorgänger. (Beifall bei den Grünen.)

20.03

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. – Bitte.

 


20.03

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin, ich schließe mich auch den Vorrednern hinsichtlich des Dankes und der Glückwünsche für


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Ihre Tätigkeit gemeinsam hier mit dem Hohen Haus an. Konzentrieren möchte ich mich jetzt aber auf ein paar Bemerkungen zum angesprochenen Tagesordnungspunkt, und ich ersuche Sie, sich zu vergegenwärtigen, um welche Höhe, um welchen Betrag es sich hiebei handelt: In Summe 50 Prozent Bundesleistung/50 Prozent Landesleistung; das macht 17 Millionen € für den Status der voll zahlenden Privatpersonen.

Ich schließe mich daher den Anregungen und den Mahnungen von Ex-Minister Böhm­dorfer an, der sagt, es müsse da eine Änderung herbeigeführt werden. Mir sind alle Maßnahmen und alle Wege recht, wenn es zu einem Versichertenstatus kommt.

Was mich an dieser Materie besonders betroffen gemacht hat, ist, in welchem Bereich die schon zitierte Steigerung zu verzeichnen war. Im hier angeführten Vergleichs­zeitraum 1989 bis 2000, in elf Jahren also, sind die Kosten insgesamt um 250 Prozent gestiegen. Massive Kostensteigerungen gab es bei der externen Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher in öffentlichen psychiatrischen Krankenanstalten, und zwar von 28 Millionen auf 154 Millionen Schilling. Eine Steigerung um 445 Prozent! Eine Steigerung der Kosten um 445 Prozent heißt auch: Steigerung der Fälle um 445 Pro­zent.

Als Mensch, als Politikerin gibt es mir schon zu denken, warum die Zahl zurechnungs­unfähiger und geistig abnormer Rechtsbrecher in dieser Zeit derart gestiegen ist. Ich habe mir Gedanken über die Gründe gemacht und möchte dazu sagen: Zum einen, wie das Gesundheitssystem betroffen ist und gleichermaßen von besseren Diagnose­möglichkeiten, von besseren Behandlungsmöglichkeiten profitiert, müssen wir uns aber von diesem offensichtlichen Irrtum verabschieden, dass bessere Diagnose, dass bessere Behandlung zu einem günstigeren Gesundheits- beziehungsweise Behand­lungs­system führt. Das ist im Gesundheitssystem so und auch was die Behandlung geistig abnormer, geistig unzurechnungsfähiger Rechtsbrecher anlangt.

Ich war Mitglied der Wiener Strafvollzugskommission und habe diese Patientinnen und Patienten besucht und muss sagen: Das ist die teuerste Form der Tag- und Nacht­betreuung. Was das anlangt, muss uns eine Möglichkeit einfallen, schon im präven­tiven Bereich einzugreifen. Interessant wäre, Frau Bundesministerin Miklautsch, zu erforschen – auch unter Hinzuziehung etwa von Dissertationen und verfügbarem Forschungsmaterial –, wie diesbezüglich die Lage in Europa ausschaut, welche Form der Prävention da geleistet werden kann. Auch sollte die Frage gestellt werden: Was heißt in unserer multi-optionalen Gesellschaft Gefährdung, in einer Gesellschaft, in der es mehr und mehr um gesellschaftliche Tabubrüche geht? Was heißt es, an der Schwelle zwischen Risikogesellschaft tabubruchhaft belastet zu sein und eigentlich ein grenzwertiger Fall in Richtung Krankheit zu sein, mit der Gefahr, schnell ins Kriminelle zu kippen?

Eine solche Untersuchung, auch dass wir das gemeinsam in Europa aufarbeiten, wäre mir wichtig. So gesehen sind die Kostenfrage und der Versichertenstatus dann eigentlich eine nachgeordnete Frage.

Viel Arbeit liegt vor uns, und wir freuen uns darauf. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.07

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, dem Abschluss der gegenständlichen Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfas­sungsgesetz in 622 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Dies ist einstimmig angenommen.

10. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (518 d.B.): Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung (635 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (618 d.B.): Bundes­gesetz über den Ersatz von Schäden aufgrund einer strafgerichtlichen Anhaltung oder Verurteilung (Strafrechtliches Entschädigungsgesetz 2005 – StEG 2005) (636 d.B.)

12. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 65/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Novellierung des Strafrechtlichen Entschädigungsgesetzes (StEG) (637 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 10 bis 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Debattenrednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter mit einer freiwilligen Redezeit­beschränkung von 3 Minuten. – Bitte.

 


20.08

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Wir verhandeln jetzt den Tagesordnungspunkt 10, das ist ein Vertrag mit Polen über Rechtshilfe. Hiemit wird die Rechtshilfe zwischen den Gerichten und Staatsanwaltschaften beider Staaten, also Österreich und Polen, verbessert sowie die Zustellung vereinfacht. Bei Tagesordnungspunkt 11 geht es um die Regierungsvorlage über das Strafrechtliche Entschädigungsgesetz, und bei Tages­ordnungspunkt 12 geht es um einen Initiativantrag, um einen Entschließungsantrag der SPÖ, auch zum Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz. Und zu beiden Letzteren werde ich jetzt Stellung nehmen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Österreich gerügt bezüglich des geltenden Gesetzes, das aus dem Jahre 1969 stammt, und zwar bezüglich der Grundsätze Fair Trial, nämlich faires Verfahren, und Verletzung der Unschulds­vermutung. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat betont, dass bei einem Freispruch der Geschädigte, also der, der dann eine Entschädigung verlangt, nicht nochmals den Tatverdacht entkräften muss, dass also die Verdachtsgründe nicht erneut geprüft werden müssen, wenn schon ein Freispruch erfolgt ist.

Er hat weiters ausgeführt, dass es zu einem fairen Verfahren gehört, dass es ein öffentliches Gerichtsverfahren gibt, auch mit einer öffentlichen Entscheidungs­verkün­dung. Daher ist in dieser Regierungsvorlage jetzt ein ganz neues System vorgesehen: Die geschädigte Person kann in Zukunft unmittelbar Zivilgerichte anrufen, ohne dass sie zuvor eine positive Entscheidung der Strafgerichte hiezu herbeiführen muss.


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Die Rechtsposition des Geschädigten ist also verbessert: Anders als nach altem Recht soll der Geschädigte nach einem rechtskräftigen Freispruch nicht mehr verhalten sein, im Nachhinein den gegen ihn bestandenen Tatverdacht zu entkräften.

Ich glaube, damit sind wir menschenrechtskonform und im Sinne der Geschädigten vorgegangen.

Zum Antrag Maier ist zu sagen: Diesen wird meine Fraktion ablehnen, weil wir die Punkte, die wir in diesem Entschließungsantrag sehen, als umgesetzt betrachten. Es ist so, dass das neue Gesetz jetzt vorliegt und die Verfahrenshilfe zusteht, Herr Kollege Maier. Einem Entschädigungsanwalt kann ich nichts abgewinnen, aber eine Opferhilfe besteht derzeit bereits bei den Opferhilfeeinrichtungen.

Die EU-Ebene und die Harmonisierung sind, so glaube ich, im Entschädigungsgesetz nicht entscheidend untergebracht. Reden kann man auf alle Fälle darüber. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.11

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

 


20.11

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe heute ein Schreiben bekommen, das ich Ihnen vorlesen möchte:

Am 4.12.2002 wurde ich unschuldig zu 15 Jahren Haft verurteilt, und ich habe diese Verurteilung immer noch nicht verwunden. Ich kann es immer noch nicht ganz glauben, was mir da widerfahren ist. Durch diese Verurteilung hat man mir das Leben gestohlen. Ich habe einfach keine Kraft mehr zu leben. Mir wäre es am liebsten, wenn mein Leben schon vorbei wäre. Ich habe nichts gegen das Sterben, im Gegenteil, der Tod ist mein bester Freund. Ich hoffe darauf, dass mich jemand um die Ecke bringt. Mich stört es nicht, wenn man mich umbringt. Ich weiß schon nicht mehr, was ich tun soll. Ich hoffe, dass ich bald mal mein Leben beenden werde.

Ich werde auf gar keinen Fall diese zu Unrecht erhaltenen 15 Jahre Gefängnis machen, das kann niemand von mir erwarten. Nun bin ich schon so weit, dass ich den Tod so suche, dass ich mit anderen so streite, in der Hoffnung, dass die mir das Leben nehmen. Ich kann nicht mehr und ich will auch nicht mehr. – Zitatende.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte hier nicht zur Aussage verleitet werden, dass dieser Strafhäftling, der mir diesen Brief geschrieben hat, tatsächlich zu Unrecht verurteilt worden ist. Das obliegt mir nicht, die Prüfung obliegt dem zuständigen Gericht in einem Wiederaufnahmeverfahren.

Wir alle kennen aber die problematische Situation – am Beispiel Peter Heidegger klar nachzuweisen –, wie schwierig es nämlich ist, in einem Wiederaufnahmeverfahren durchzukommen. Und wir sollten uns eines vor Augen halten: Peter Heidegger ist und war kein Einzelfall. Möglicherweise ist der Betroffene, dessen Brief ich vorgelesen habe, ein weiterer Fall.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich halte das, was in Öster­reich die letzten Jahre passiert ist beziehungsweise nicht passiert ist, für rechts­staatlich und demokratiepolitisch unerträglich.

Ich halte es für unerträglich, dass es einen Fall Gert Lagler gibt, der seit 1982 um seine Rehabilitation und um eine Entschädigung kämpft. Ich halte es für unerträglich, dass Peter Löffler, der rechtskräftig und zweifelsfrei freigesprochen wurde, immer noch um seine Entschädigung kämpft.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden mit der Änderung des Straf­rechtlichen Entschädigungsgesetzes die Probleme, die ich aufgezeigt habe, nicht lösen können. Wir können eines erreichen: dass zumindest jene, die nach ordnungs­gemäß angeordneter Untersuchungshaft freigesprochen werden, oder jene, gegen die das Verfahren eingestellt wird, oder jene, die in einem Wiederaufnahmeverfahren frei­gesprochen werden, eine Entschädigung erhalten und dass nicht mehr zwischen einem zweifelsfreien und einem nicht zweifelsfreien Freispruch unterschieden wird.

Das, was wir rechtsstaatlich noch lösen müssen, Hohes Haus, ist die Frage, wie Menschen, die zu Unrecht in U-Haft genommen werden, die zu Unrecht verurteilt werden, innerhalb angemessener Frist zu ihrem Recht kommen.

Eines sollten wir nämlich nicht übersehen: Hier geht es um menschliche Existenzen. Gert Lagler hat mehr oder weniger seine Existenz verloren. Er war als Wirt­schafts­treuhänder tätig und hatte über zehn Jahre Berufsverbot.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir halten die Regelungen, die nun im Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz vorgesehen werden, für unterstützungs­würdig. Wir werden allerdings zu § 3 und § 4 einen Abänderungsantrag einbringen, jedoch in dritter Lesung der Regierungsvorlage zustimmen. Kollege Jarolim wird aus­führlich begründen, warum wir eben zu § 3 und zu § 4 einen Abänderungsantrag einbringen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Strafrechtlichen Entschädigungs­gesetz können wir eine menschenrechtskonforme Regelung in Österreich erreichen, allerdings – und das sage ich hier ganz offen – geht der Kampf weiter. Da sollte dieses Haus auf Seite der so genannten Justizopfer stehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.16

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Böhmdorfer. – Bitte.

 


20.16

Abgeordneter Dr. Dieter Böhmdorfer (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hau­ses! Herr Abgeordneter Maier, ich bin ein bisschen erstaunt darüber, dass man mit Fehlern, die überall passieren können, in einer Situation, in der man ein wirklich rechts­staatliches Gesetz beschließt, auf diese Art Stimmung macht. Das ist unfair gegenüber der gesamten Justiz, das ist unfair gegenüber allen Richtern und Richterinnen, die sich täglich bemühen, richtige Entscheidungen zu treffen. (Abg. Dr. Puswald: Justizirrtümer gibt es!) Das ist unfair gegenüber allen Sachverständigen. Das ist unfair gegenüber allen Staatsanwälten und überhaupt gegenüber der Gesellschaft, weil hier nicht der Eindruck erzeugt werden sollte, die österreichische Justiz mache Fehler um Fehler. (Abg. Dr. Puswald: Das sagt ja niemand!) So ist es in Wirklichkeit überhaupt nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben hier eine unglaublich schwierige Situation zu bewältigen. Der österreichi­sche Gesetzgeber bemüht sich seit dem Jahre 1918, das zu tun. Im Jahre 1918 ist zum ersten Mal ein solches Strafrechtliches Entschädigungsgesetz beschlossen worden, später im Jahre 1932 und im Jahre 1969 auch. Und heute versuchen wir es wieder.

Tun wir nicht so, Herr Abgeordneter Maier, als ob diejenigen, die – was leider auch vorkommt – zu Unrecht verhaftet werden, in Österreich keinen Rechtsschutz hätten. Bei Grundrechtsverletzungen greift Artikel 5 der EMRK.


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Österreich ist extrem modern und offensiv in dieser Frage. Seit 1960 ist die EMRK in Österreich im Verfassungsrang. Es gibt nicht viele Länder, die diese Anerkennung für sich beanspruchen können. Es bekommt jeder Schadenersatz, inklusive Schmerzen­geld, wenn im Falle seiner Verhaftung Grundrechte verletzt wurden.

Es gibt darüber hinaus jetzt schon das Amtshaftungsgesetz. Auch da bekommt jeder, der wegen eines Fehlers eines Organs oder eines Richters eine Untersuchungshaft oder eine andere Haft erleiden musste, auch Schmerzengeld ersetzt.

Heute verbessern wir nach einer langen Diskussion die Rechtslage im Bereiche der strafrechtlichen Entschädigung: ohne Deckelung, unbürokratisch, durch die Zivil­gerichte und mit Schmerzengeld.

Ich glaube, wir können auf diese Lösung stolz sein. Ich bedanke mich bei Herrn Professor Dr. Kathrein, der dieses Gesetz federführend gestaltet hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abgeordneten Dr. Puswald und Mag. Maier.)

20.19

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

 


20.19

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Betreffend Strafrechtliches Entschädigungsgesetz, mit dem ich mich jetzt in kurzen Worten beschäftigen möchte, hat es im Justizausschuss dafür, dass jetzt aller Voraus­sicht nach eine einstimmige Beschlussfassung dieses Gesetzes erfolgen wird, eine sehr ausgiebige Diskussion gegeben, was meiner Ansicht nach darauf hindeutet, dass die Qualität der Arbeit im Justizausschuss durchaus hoch ist, weil sich sowohl Regie­rung als auch Opposition mit den Dingen, die vorliegen, beschäftigen.

Sich damit beschäftigen“ – da liegt die Betonung mehr auf der Opposition als auf der Regierung, weil die Opposition mehr Fragen stellt. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das war jetzt vollkommen unverständlich!)

Prinzipiell gibt es – das haben die Vorredner schon gesagt – bei diesem Gesetzes­vorhaben keine Einwände, weil es ja vor allem eine Initiative der Opposition ist, die da jahrelang dahinter war – namentlich war es Kollege Maier, der ganz besonders aktiv war und der das Bundesministerium für Justiz mit zahlreichen parlamentarischen Anfra­gen eingedeckt hat; aber ich kann mich noch daran erinnern, auch mein Kollege Anschober, der schon lange nicht mehr im Nationalrat ist, hat sich schon mit den von dir (in Richtung des Abg. Mag. Johann Maier) genannten Fällen beschäftigt; und jetzt in seiner Nachfolge Frau Kollegin Moser.

Darum ist es grundsätzlich so, dass Österreich eine grundrechtskonforme Neugestal­tung angestrebt hat und jetzt auch in gewisser Hinsicht verwirklicht. – Das ist das Erste, was ich für positiv halte.

Das Zweite – das verhehle ich nicht, das habe ich auch schon im Ausschuss gesagt –ist, dass nunmehr ausschließlich Zivilgerichte zuständig sind. Das ist ebenfalls ein gutes Zeichen. Das muss jetzt nicht unbedingt als Misstrauensvotum gegen Straf­gerichte gewertet werden, aber einen gewissen Beigeschmack in diese Richtung hat das zweifelsfrei.

Gerade weil die grüne Fraktion jetzt diesem Gesetz die Zustimmung gibt, möchte ich auf jene Punkte eingehen, denen ich zwar nicht „nicht zustimme“ – das wäre ein bisschen übertrieben, denn sonst könnte ich ja dann nicht zustimmen –, aber bei denen es mir wesentlich ist festzustellen, dass ich meine Zweifel habe, ob der in


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diesem Gesetz gewählte Weg tatsächlich der einzig richtige Weg ist, um das Problem zu lösen, nämlich bei der Frage des Ausschlusses und der Einschränkung von Ersatzansprüchen.

Wenn es tatsächlich so ist, dass jemand gesetzwidrig festgenommen oder angehalten wurde – also gesetzwidrig, ungerechtfertigt in Haft ist –, dann ist es ziemlich logisch, wenn wir von einem Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz reden, dass jemand, der gesetzwidrig in Haft war, einen Anspruch auf Entschädigung hat. Dieser Anspruch – weil die Haft eben gesetzwidrig, gesetzlich nicht gedeckt war – ist dann völlig unabhängig davon, ob er in diesem Verfahren eventuell verurteilt wird – sei es zu einer Haftstrafe oder zu einer Geldstrafe. Die Prüfung geht ja dahin, ob die Anhaltung und die Haft gesetzwidrig waren. Das klingt vielleicht im ersten Augenblick paradox, aber das ist der Punkt.

Wenn dann – jetzt sage ich es ziemlich sanft – relativ leichtfertig die Anrechnung der Haft auf die Strafe erfolgt, dann werden in gewisser Hinsicht – und ich sage es jetzt vielleicht auch ein bisschen juristisch unpräzise, aber so, damit Sie es verstehen – menschenrechtlich Äpfel und Birnen vermischt, weil nämlich die Tatsache eines Entschädigungsanspruches auf Grund einer gesetzwidrigen Haft besteht. Dann sagt man aber gleichzeitig: Jetzt warst du schon – unter Anführungszeichen – „zwar nicht gerechtfertigt“ in Haft, und du wirst dann auf Grund einer Straftat, auf Grund der Straftat, die man dir ja sozusagen verdachtsweise damals zur Last gelegt hat, verurteilt – und weil du verurteilt wirst, hebt sozusagen die Strafe den Entschädigungs­anspruch, den du für die gesetzwidrige Haft hast, auf.

Eine ganz klare Trennung dieser beiden Dinge ist das Gebot der Stunde, denn wir beschäftigen uns hier ja mit dem Anspruch auf Entschädigung bei gesetzwidriger Haft. § 3 dieses Gesetzes scheint mir ... Ich habe nicht das Expertenwissen, das die Damen und Herren des Justizministeriums haben – ob das Herr Professor Dr. Kathrein oder ob das Herr Mag. Pilnacek ist, um jetzt sowohl Straf- als auch Zivil-Legislative zu benennen –, aber trotz langer Diskussion im Ausschuss konnten meine Zweifel nicht zur Gänze beseitigt werden.

Das hier festzustellen, ist mir wichtig, damit nicht irgendwann einmal – falls es doch zu einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kommt und Österreich bei einem etwaigen Verfahren verurteilt wird oder dieses Verfahren verliert – jemand sagen kann: Aha, selbst die Opposition hat nicht darauf hingewiesen. Des­wegen ist es mir wichtig, heute darauf hingewiesen zu haben, weil ich sozusagen einen – was ist das Gegenteil von Hoffnung? – Rest-Verdacht habe, dass es dazu kommen könnte.

Nichtsdestotrotz: Es ist wichtig, dass es das gibt. Wir werden ein Auge darauf haben, wie es vollzogen wird. – Danke, Frau Bundesministerin. (Beifall bei den Grünen.)

20.25

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Mag. Miklautsch. – Bitte.

 


20.25

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Miklautsch: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Zuerst möchte ich mich recht herzlich für die Glückwünsche bedanken, die ich von so vielen Seiten erhalten habe. – Das ist der erste Punkt.

Ich habe mich sehr darüber gefreut und werde natürlich als Justizministerin mein Bestes geben, um Ihre Anforderungen auch zu erfüllen.

Als Nächstes möchte ich zum Thema Strafrechtliches Entschädigungsgesetz ein kurzes Statement abgeben. Es ist so, dass dieses Strafrechtliche Entschädigungs-


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gesetz unserer Meinung nach natürlich schon ein ganz wesentlicher Schritt in die richtige Richtung ist, nämlich aus mehreren Gründen:

Einerseits haben wir diese Bestimmung menschenrechtskonform umgesetzt, anderer­seits wird jetzt auch die Geltendmachung von Ansprüchen wegen einer unschuldig erlittenen Haft wesentlich erleichtert. Es wird nun so sein, dass abgängig von der derzeit gängigen Praxis nunmehr die Anrufung der Finanzprokuratur möglich sein wird und in weiterer Folge eine Anrufung des Zivilgerichtes, und nicht, wie bisher vorge­sehen, dass sich dann der unschuldig Verurteilte auch noch an das Strafgericht wenden muss. Ich sehe da schon wesentliche Erleichterungen auch für die unschuldig Verurteilten. – Ich sehe Herrn Abgeordneten Maier nicken, was ich gerne zur Kenntnis nehme.

Zu den Fällen, die Sie angesprochen haben, Herr Abgeordneter: Es ist ja so – ich glaube, das ist Ihnen genauso gut bekannt wie mir –, dass der Fall Heidegger kein Fall ist, der unter das Strafrechtliche Entschädigungsgesetz gefallen ist, sondern das ist ein Fall, der unter das Amtshaftungsrecht gefallen ist, was eine ein wenig andere Rechts­lage ist.

Zu den von Ihnen angesprochenen Fällen Lagler und Löffler: Auch diese beiden Fälle sind mir selbstverständlich bekannt. In beiden Fällen wurden auch Zahlungen getätigt. Bei einem hat es eine Zahlung gegeben, beim anderen gibt es sogar noch eine monatliche Rente. Also diese Fälle wurden sehr wohl einer Lösung zugeführt.

Ich meine, mir ist es bei Ihren Ausführungen so vorgekommen, als hätte es vorher kein Strafrechtliches Entschädigungsgesetz gegeben. Es hat eines gegeben! Und dieses Strafrechtliche Entschädigungsgesetz haben wir jetzt verbessert. Es freut mich ungemein, dass wir – so, wie ich das den bisherigen Redebeiträgen entnommen habe – auch hier breite Zustimmung erhalten werden. – So weit, so gut.

Ich werde der weiteren Debatte mit Spannung lauschen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.27

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Regler. – Bitte.

 


20.27

Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist wohl eine der schwierigsten Situationen, in die man im Leben geraten kann, wenn man ungerechtfertigt in Haft ist. Sicher verzweifelt man dann an allem. Darum bin ich sehr froh darüber, dass wir heute bei der Entschädigung zu wesentlichen Ver­besserungen kommen. Es ist schon gesagt worden: Die Anrufung der Zivilgerichte und die Abgeltung des ideellen Schadens, also eine Art Schmerzengeld, sind positiv, obwohl es sicherlich nie möglich sein wird, eine ungerechtfertigte Haft wirklich abzugelten.

Ich möchte kurz auf drei Punkte eingehen, die von der Opposition im Ausschuss kritisiert wurden. Das ist zuerst der Ausschluss und die Einschränkung des Ersatz­anspruchs. Da möchte ich aber darauf hinweisen, dass dies nur insoweit möglich ist, als die Zeit der Anhaltung auf die verhängte Strafe angerechnet wurde – sonst nicht. Dies gilt allerdings auch für eine bedingte Strafe – wenn also nur mehr eine bedingte Strafe ausgesprochen wird – oder eine Geldstrafe, wo das Äquivalent dann in der Haft angerechnet wird.

Der zweite Punkt, der kritisiert wurde, ist, dass das Gericht die Haftung des Bundes mildern oder ganz ausschließen kann. Dies ist jedoch nur in bestimmten Fällen


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möglich, wenn nämlich der volle Ersatz aus einigen Gründen unangemessen wäre, zum Beispiel wenn eine verletzte Frau ihre Aussage gegen ihren Partner zurückzieht, um den Familienfrieden zu retten, oder wenn die Haft notwendig ist, um bei gefähr­lichen Drohungen die Ausführung dieser Drohungen zu verhindern, sodass der Betref­fende deshalb in Haft gehalten wird. Ansonsten wäre ja der Staat auch entsprechend ersatzpflichtig und hätte die Amtshaftung zu gewährleisten. Denkbar wären auch Falschaussagen, um einen anderen Mittäter zu decken, der in der Zwischenzeit fliehen kann.

Ich denke, dass das nicht allzu oft vorkommen wird, aber es muss möglich sein, dass diese Minderung des Rechtes auf Entschädigung oder der Ausschluss gegeben ist.

Der dritte Punkt war die Frage des Ersatzes. Dieser richtet sich nach dem ABGB. Es ist einfach so, dass der Ersatz hinsichtlich insbesondere immaterieller Schäden nicht höher sein kann, als das allgemeine Schadenersatzrecht das zulässt.

Aber neu, und das habe ich schon am Anfang gesagt, ist der Ersatz für das Haftübel. Es soll – und das ist, glaube ich, das Entscheidende –, soweit irgendwie möglich, doch abgegolten werden, was jemandem, der ungerechtfertigt in Haft gewesen ist, angetan wurde.

In diesem Sinne freue ich mich ganz besonders, dass dieser Vorlage heute alle Parteien zustimmen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

20.31

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Maier zu Wort gemeldet. – Sie beginnen sicher mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Jarolim: 2 Minuten, glaube ich, sind das!)

 


20.31

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bundesministerin, ich habe Ihren Ausführungen mit großem Interesse gelauscht. Sie haben festgehalten, dass die Zahlung an Peter Heidegger nach dem Amtshaftungsgesetz und nicht nach dem StEG erfolgt ist.

Ich berichtige: Nach der Regierungsvorlage 644 der Beilagen zu den Steno­graphi­schen Protokollen des Nationalrates der XXII. GP betreffend das Budgetüberschrei­tungsgesetz 2004, das wir heute alle bekommen haben, wurden „für die vergleichs­weise Bereinigung von Forderungen eines einzelnen Ersatzwerbers nach dem Straf­rechtlichen Entschädigungsgesetz“ 0,950 Millionen € bereitgestellt.

Richtig ist daher nach Regierungsauskunft, dass die Zahlung nach dem Strafrecht­lichen Entschädigungsgesetz erfolgt ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Die längsten zwei Minuten der Welt!)

20.32

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeord­neter Dr. Jarolim. – Bitte.

 


20.33

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Ich meine, man kann zu den Erklärungen des Kollegen Maier nicht mehr viel hinzufügen. Sie zeigen in der Tat, dass man sich doch etwas genauer mit den Dingen auseinander setzen sollte, wenn man hier das Wort ergreift. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Sie wissen, wen ich meine.


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Ich möchte die Gelegenheit jetzt gerne dazu benützen, dem Kollegen Maier einerseits zu danken und auch zu gratulieren, weil – und das ist hier heute irgendwie unter­gegangen – letztlich auch seine Anfragen und sein intensives Betreiben dieses Pro­jektes, dieser Materie dazu geführt haben, dass wir dieses Gesetz heute gemeinsam und auch in einem gewissen harmonischen Gleichklang, wenn ich das so sagen darf, beschließen werden. Man muss das schon auch berücksichtigen, denn die Möglichkeit, hier wirklich forciert vorzugehen, besteht seit vier Jahren.

Wenn der Minister außer Dienst Böhmdorfer heute hier erklärt, er verstehe die Emotion nicht ganz, die hier hereinspielt, er verstehe insbesondere nicht, warum man die Gerichte angreift, so ist das, glaube ich, nicht der richtige Zugang. Die Gerichte wurden nicht angegriffen. Man muss halt zur Kenntnis nehmen, dass Dinge passieren können; und dass das im Bereich der Exekutive sehr oft passiert, wissen wir auch. Insbeson­dere dort wird man daher in Zukunft besonders aufpassen müssen.

Dass viele Ansprüche Amtshaftungsansprüche sind, ist auch richtig und wahr. Daher ist es auch notwendig, dass wir uns zukünftig bei immateriellen Schäden – die wir beim Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz ja erfasst haben; es kann auch bei immateriel­len Schäden ein Schadenersatz zugesprochen werden – im Amtshaftungs­bereich etwas einfallen lassen.

Bedauerlicherweise – und da kommen wir mit einem Abänderungsantrag – war es nicht möglich, das, was das Gesetz eigentlich wollte und was auch die Verfasser vor­gegeben haben, durchsetzen zu wollen, auch wirklich konsequent umzusetzen. Inso­fern haben wir noch immer diese verunglückte Regelung in der Vorlage. In § 3 Abs. 2 steht, dass es im Ermessen des Gerichtes liegt, auch dann, wenn die Haft jedenfalls zu Unrecht verhängt worden ist, doch Ausnahmen zu schaffen und keine Entschädigung zuzusprechen.

Wir wollen das nicht und sind daher dafür, dass diese Regelung zur Gänze gestrichen wird.

Gleiches gilt auch für § 4 Abs. 1.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Maier, Mag. Wurm, Dr. Puswald, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (618 d.B.): Bundesgesetz über den Ersatz von Schäden aufgrund einer strafrechtlichen Anhaltung oder Verurteilung (Strafrechtliches Entschädigungsgesetz 2005 – StEG 2005) (636 d.B.)

Die unterfertigten Abgeordneten stellen folgenden

Abänderungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Im 2. Abschnitt entfällt im § 3 der bisherige Abs. 2.

Der bisherige Abs. 3 erhält die Absatzbezeichnung 2.

2. Im 2. Abschnitt soll § 4 Abs. 1 lauten wie folgt:

„(1) Wenn die geschädigte Person an ihrer Festnahme oder Anhaltung ein Verschulden trifft, insbesondere weil sie


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1. den Verdacht oder einen Haftgrund dadurch herbeiführte, dass sie sich in wesent­lichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu einer späteren Verantwortung belastete,

2. eine ordnungsgemäße Ladung nicht befolgte oder

3. gelinderen Mitteln zuwider handelte,

so ist die Haftung des Bundes nach den Grundsätzen des § 1304 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB); JGS Nr. 396/1811, festzustellen.“

*****

Ich darf Sie ersuchen, diesem Abänderungsantrag beizupflichten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.36

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben von Abgeordnetem Dr. Jarolim verlesene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


20.36

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Es ist ja durchaus erfrischend, wenn Sie sagen: „So weit, so gut.“ – Gut ist es zum Teil, weit ist es ja schon gekommen. Jetzt zum Teil des Guten und dann zum Teil des Kritikwürdigen.

Frau Ministerin! Es ist positiv, dass wir bei diesem Strafrechtlichen Entschädigungs­gesetz durchaus eine Regelung haben, die praktisch menschenrechtlich endlich einen Fortschritt bildet. Darin sind wir uns durchaus einig. Da gibt es keine Diskussion. Das tragen wir mit.

Sie wissen selbst, dass auf Grund meiner Anfrage – übrigens einer der ersten Anfragen, die Sie ad personam beantwortet haben – ein eklatanter Missstand, nämlich betreffend den Fall Peter Löffler, wieder Gegenstand der Diskussion wurde. Das war ja kein Kinkerlitz, denn besagter Herr ist bereits 1996 freigesprochen worden und hat bis vor kurzem keinerlei Entschädigung erhalten.

Natürlich gab es die Diskussion darüber, inwieweit er als Selbständiger Einkommens­einbußen erlitten haben könnte oder nicht und inwieweit die Republik sozusagen Präzedenzfälle schaffen würde, wenn sie Entschädigungen für fiktive Einkommen und so weiter leisten würde. Das ist durchaus nachvollziehbar.

Auf der anderen Seite war es wirklich ein Skandal, dass jemand auf freiem Fuß ist, für die Zeit, die er unschuldig hinter Gittern verbracht hat, aber null, nichts an Entschädi­gung erhalten hat. Im Gegenteil, Spott und Hohn haben vorgeherrscht, weil ihm sogar die Ersparnis von Lebenshaltungskosten angerechnet worden ist.

Sie haben gesagt, das wird besser, dieser Fall sei auf der Seite der positiv zu erledigenden Dinge zu finden. – Deswegen unsere positive Zustimmung und unsere positive Grundhaltung zu diesem Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz.

Meine Kollegin hat schon kurz ein Bedenken unsererseits geäußert. Bei den bedingten Strafen sind wir nicht ganz zufrieden mit der Lösung, die Sie treffen.

Ein anderer, noch nicht angesprochener Aspekt ist das Kostenrisiko, weil ja praktisch alles auf Zivilprozessebene abgehandelt wird. Unseres Erachtens hat hier die Rechts­anwaltskammer eine bedenkenswerte Kritik geübt. Man sollte schon für den Fall der


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Beibehaltung der Prüfung der Verdachtslage für die Betroffenen eine Art Kostenfinan­zierung einräumen. Das ist nicht von der Hand zu weisen, damit auf jeden Fall auch bei einem Zivilprozess Menschen, die nicht über die entsprechenden finanziellen Möglich­keiten verfügen, doch zu ihrem Recht kommen.

Ich denke, dass wir diesbezüglich vielleicht durch eine entsprechende Novellierung oder sonstige Verbesserung doch zu einem Ergebnis kommen können, das sozusagen unser aller Wohlwollen verdient.

Ich hoffe auch, dass Sie diese oppositionelle Zustimmung zum Strafrechtlichen Ent­schädigungsgesetz durchaus auch als Signal seitens der Opposition verstehen, dass wir gerade im Justizbereich kooperativ sind – das wird sich auch noch bei einer anderen Materie zeigen –, und dass Sie wissen, dass Sie das vor allem auch den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in Ihrem Haus zu verdanken haben. Frau Ministerin, alles Gute für den weiteren Weg – vor allem für die MitarbeiterInnen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

20.39

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer. – Bitte.

 


20.40

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf zu Beginn folgenden Antrag zur Berichtigung eines redaktionellen Versehens der Regierungsvorlage einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Böhmdorfer, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Justizausschusses (636 d.B.) betreffend die Regierungsvorlage (618 d.B.) eines Bundesgesetzes über den Ersatz von Schäden aufgrund einer strafgerichtlichen An­haltung oder Verurteilung (Strafrechtliches Entschädigungsgesetz 2005 – StEG 2005)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der Bericht des Justizausschusses (636 d.B.) betreffend die Regierungsvorlage (618 d.B.) eines Bundesgesetzes über den Ersatz von Schäden aufgrund einer straf­gerichtlichen Anhaltung oder Verurteilung (Strafrechtliches Entschädigungs­ge­setz 2005 – StEG 2005) wird wie folgt geändert:

In § 4 erhält der bisherige Abs. 3 die Absatzbezeichnung „(2)“.

Begründung:

Die Änderung dient der Berichtigung eines redaktionellen Versehens der Regierungs­vorlage.

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Die Bedeutung dieser Ände­rung des Strafrechtlichen Entschädigungsgesetzes wurde heute, wie ich meine, schon sehr ausreichend gewürdigt und dargestellt.

Die sicherlich sehr dramatische und beinahe burgtheaterreife Vorstellung und der Appell des Kollegen Maier können natürlich an der Problematik, dass es bei allen menschlichen Entscheidungen Fehler gibt, dass menschliche Entscheidungen mit


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Fehlern behaftet sind, dass Menschen irren können, nichts ändern. Das wird im Justiz­bereich immer ein Problem sein, bei aller Dramatik: dass es Fehler geben kann.

Ich möchte aber nicht den Eindruck erwecken, Herr Kollege Maier, und ich hoffe, dass das auch nicht so gemeint war, dass die gute und auch international anerkannte Qualität der österreichischen Justiz dadurch in irgendeiner Weise angezweifelt oder in Misskredit gebracht werden sollte. Das österreichische Strafjustizsystem bietet, glaube ich, soweit nur irgend möglich, sowohl durch seine materiellen Bestimmungen als auch durch die prozessualen Vorkehrungen die Möglichkeit, solche Fehler zu vermeiden.

Ich möchte ganz kurz auf die Ausführungen der Kollegin Moser eingehen, weil sie zum Schluss die Frage aufgeworfen hat: Wie ist das, wenn jemand – und das wird natürlich relativ häufig, vielleicht gerade in diesem Bereich, vorkommen – nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um seinen Anspruch auch durchzusetzen? Ich darf darauf hinweisen, dass natürlich auch die Verfahrenshilfe vorgesehen ist und jeder, der nicht über das entsprechende Vermögen oder die entsprechenden Einkünfte verfügt, durch einen Verfahrenshilfe-Antrag die entsprechende Vertretung zur Seite gestellt bekommt, um seinen Anspruch, so er besteht, auch wirklich durchzusetzen.

Zum Schluss möchte ich noch auf das eingehen, was Kollege Jarolim in dem Abän­derungsantrag der SPÖ angesprochen hat. Ich meine, und das haben wir auch im Ausschuss sehr intensiv diskutiert, dass ein gewisser Spielraum des Gerichtes einfach notwendig ist. Ich vertraue hier auf die Zivilgerichte, dass sie diesen Spielraum auch maßvoll und angemessen ausfüllen werden, dass sie diesen Spielraum entsprechend nützen werden, weil es hier natürlich tatsächlich sehr viele Zweifelsfälle geben kann und weil es viele Fälle geben kann, wie wir im Ausschuss im Konkreten besprochen haben, in denen wirklich eine Entschädigung nicht angemessen und nicht richtig wäre.

Ich glaube, dass das ein wichtiger Schritt in die Zukunft ist, und ich bin überzeugt, dass dieses Gesetz einen ganz positiven Schritt bedeutet. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.43

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm.

Ich trage nach, dass der Abänderungsantrag, der soeben von Abgeordnetem Donner­bauer verlesen wurde, ausreichend unterstützt ist und mit in Verhandlung steht.

 


20.43

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Donnerbauer, wenn Sie unserem Abänderungsantrag noch zustimmen könnten, dann wäre das ein nahezu perfektes Gesetz. Vielleicht können Sie es sich doch noch überlegen. Ich denke, es ist ein durchdachter Antrag. Das wäre wirklich etwas, womit wir uns vielleicht noch be­schäftigen könnten. Dann, wie gesagt, wäre es aus unserer Sicht wirklich ein perfektes Gesetz. Es bestünde nicht einmal mehr die Möglichkeit, es in Straßburg beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzufechten. – Wir werden sehen.

Ich möchte an dieser Stelle ebenfalls noch einmal Kollegem Maier meinen Dank aussprechen. Er war derjenige, der in den letzten nahezu acht Jahren nicht aufge­geben hat und immer wieder – sei es in Form von Anträgen, sei es in Form von Anfragen – auf die notwendige Novellierung des Strafrechtlichen Entschädigungs­gesetzes, das ja aus dem Jahr 1969 stammt, also nicht gerade das neueste Gesetz ist, hingewiesen hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Unser Entschließungsantrag ist weiter gefasst, es gibt auch diesen Abänderungsantrag dazu, grundsätzlich sind wir aber mit dieser Gesetzesvorlage einverstanden und werten das als positives Signal – als positives Signal vor allen Dingen auch deshalb,


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weil der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ja mehrfach festgestellt hat, dass die erlittene Untersuchungshaft immer dann zu entschädigen ist, wenn der Verhaftete freigesprochen worden ist. Das war bisher nicht der Fall, und das wird jetzt, so hoffe ich, geändert.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wichtig ist mir: Freispruch ist Freispruch, egal ob glatte Freisprüche oder In-dubio-Freisprüche.

Zweite wichtige Sache: die grundrechtskonforme Neugestaltung der Entschädigung für strafrechtliche Anhaltung und Verurteilung sowie die Ausdehnung auf die sicherheits­behördliche Verwahrung. Dass das erweitert wurde, begrüße ich sehr, weil damit die Haftung des Bundes auf eine vorläufige Verwahrung durch eine Verwaltungsbehörde oder durch eines ihrer Organe ausgedehnt wurde, sofern sie im Dienst der Strafjustiz erfolgte, und das ist wichtig.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Die Gleichstellung von sicherheitsbehördlicher Verwah­rung mit durch ein Strafgericht angeordneter Haft ist vom Ergebnis und den Auswir­kungen des Freiheitsentzuges längst fällig und stellt Rechtssicherheit und Rechtsklar­heit für die Betroffenen dar.

Außerdem begrüße ich ebenso wie meine Vorredner, dass in Zukunft auch Schmer­zensgeld bezahlt wird, es somit einen Ersatz für den ideellen Schaden gibt.

Es ist nur recht und billig, dass Opfer von Rechtsirrtümern – und die gibt es nun einmal in einer Republik, in einem Staat – ordentlich entschädigt werden. Der massivste Ein­griff in die Rechtsinteressen des Einzelnen/der Einzelnen ist der Entzug der persön­lichen Freiheit, und hinter diesen Rechtsirrtümern stehen Menschen, Einzelschicksale, deren familiäre und wirtschaftliche Existenz oftmals ruiniert wurde.

Eines noch zu einem Thema, das heute noch nicht angesprochen wurde, und zwar zur Einrichtung einer Clearing-Stelle, wie das im Gesetz vorgeschlagen war. Das, so denke ich, führt zu einer direkten Interessenkollision. Uns wäre – in unserem Antrag ist es auch zu lesen gewesen – es lieber gewesen, dass man einen Opferanwalt installiert, weil dieser weisungsfrei und ungebunden agieren kann und nicht darauf achten muss, dass der Bund nicht zu viel Geld ausgibt. Es war ja in den Materialien zu dieser Gesetzesvorlage zu lesen, dass man die Ausgaben möglichst gering halten soll. Das aber kann die Intention nicht sein. Wenn es in diesen Fragen einen Irrtum gibt, dann muss der Staat schon so weit sein, dass er die Opfer ordentlich entschädigt.

Dass hier einiges zu tun ist, die Praxis oft noch nicht so ist, wie wir sie uns wünschen würden, sehen wir an den Zahlen, die wir erhalten haben. Es hat bei den 270 Ver­fahrenseinstellungen, die es im Jahr 2003 gab – Verfahrenseinstellungen und Unter­suchungshaft –, nur 116 Anträge nach dem Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz gegeben, und im Endeffekt sind dann nur 86 positiv behandelt worden. Das heißt, dass nicht einmal ein Drittel der Betroffenen – trotz Verfahrenseinstellung, trotz Frei­sprüchen – vom Bund entschädigt wurde, und das sollte uns zu denken geben. Hier muss es eine andere Praxis geben. Die Republik Österreich muss so weit sein, diejenigen, über die zu Unrecht die Haft verhängt wurde, entsprechend zu entschä­digen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.49

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte.

 


20.49

Abgeordneter Anton Doppler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen des Nationalrates! Liebe Kollegen! Ich melde mich zum Tagesordnungspunkt 10, dem Vertrag der Republik Österreich mit der Republik


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Polen über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen, zu Wort.

Das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 sieht vor, dass Vertragsparteien Vereinbarungen zur Erleichterung der Anwendung schließen können. Das wesentliche Ziel einer solchen Vereinbarung ist die Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs.

Es ist daher zweckmäßig, auf Grund des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen von der Möglichkeit eines bilateralen Zusatzvertrages Ge­brauch zu machen. Solche Verträge bestehen bereits mit Deutschland, der Schweiz, Liechtenstein, Frankreich, Italien, Ungarn, der Tschechischen Republik und der Slowakischen Republik. Der Vertrag ist gesetzändernd und gesetzesergänzend und bedarf daher der Zustimmung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 1 Bundes-Verfas­sungsgesetz.

Der vorliegende Zusatzvertrag, der sich an den bereits vorher erwähnten Verträgen orientiert, entspricht den Bedürfnissen der noch engeren Zusammenarbeit der Republik Österreich und der Republik Polen auf strafrechtlichem Gebiet. Nach dem vorliegenden Vertrag werden Zusammenarbeit und Rechtshilfe auch wegen strafbarer Handlungen zu leisten sein.

Eine wesentliche Vereinfachung tritt in den Bereichen der Postzustellung und der Übersetzung ein. Geregelt werden in dem Übereinkommen aber auch die Wieder­aufnahme von Verfahren, Gnadengesuche und Entschädigungsansprüche.

Hohes Haus! Liebe Abgeordnete! Geschätzte Kollegen! Ebenfalls geregelt ist die Ausfolgung von Gegenständen und anderen Vermögenswerten zum Zweck der Aushändigung an die geschädigte Person oder zu anderen gerichtlichen Verfügungen im ersuchenden Staat. Im Übereinkommen ist auch ein halbjährlicher Austausch von Strafnachrichten sowie das Übermitteln von Auskünften geregelt. Der Rechtshilfe­verkehr wird im beschriebenen Ausmaß ausgedehnt.

Geschätzte Abgeordnete! Der unmittelbare Verkehr zwischen den österreichischen Gerichten und Staatsanwaltschaften einerseits und den polnischen Gerichten und Staatsanwaltschaften andererseits wird eingeführt, erleichtert und verbessert. – Ich ersuche daher die Abgeordneten des Hohen Hauses, dieser Vorlage die Zustimmung zu erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.52

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Puswald. – Bitte. (Abg. Wittauer: Jetzt kommen ein paar staatstragende Worte!)

 


20.52

Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Herr Dozent Donnerbauer, danke für die Lehrstunde in forensischer Ahnungslosigkeit und Menschenverachtung! (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.) Es ist forensische Ahnungslosigkeit, wenn Sie hier unterstellen, dass die Justiz frei von Irrtümern ist! Das sind wir alle nicht und auch die Justiz nicht! (Zwischenruf des Abg. Großruck.)

Besonders menschenverachtend – aber das ist ganz typisch für diese schwarz-blaue Regierung! – ist, wenn Sie hergehen und den Vortrag eines authentischen Briefes eines Menschen, dessen Leben durch eine Haft zerstört wurde und der nicht mehr leben möchte, als burgtheaterreife Vorstellung disqualifizieren. Herr Kollege! Damit disqualifizieren Sie nur sich und Ihre Regierungsfraktion! Mehr ist dazu wirklich nicht zu sagen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Wittauer.)


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78. Sitzung / Seite 205

Frau Bundesministerin! Wir hatten im Justizausschuss die Gelegenheit, diese Regie­rungsvorlage zu erörtern, und ich möchte Ihnen noch einmal vor Augen halten, was wir schon besprochen haben, nämlich wie bedenklich der § 4 in seiner derzeitigen Fas­sung ist und dass es ohne den Abänderungsantrag meiner Fraktion nicht gehen wird, wenn man eine unser aller Intentionen entsprechende Regelung finden möchte.

Sie haben nach dem jetzigen Gesetzesvorschlag eine Entschädigung unter anderem dann ausgeschlossen, wenn jemand wesentliche entlastende Umstände verschwieg oder sonst gegen die Festnahme oder Anhaltung sprechende Gründe nicht vorbrachte oder einer ordnungsgemäßen Ladung nicht folgte. Sie sehen also den Ausschluss oder immerhin die Möglichkeit des Ausschlusses einer Entschädigung dann vor, wenn jemand von seinem Recht Gebrauch macht, zu schweigen, also einem Recht, das sogar in jedem Gendarmerieprotokoll im Eingang vermerkt ist. Jetzt kann man lang und breit darüber diskutieren, wie es auch im Justizausschuss bereits der Fall war, dass man auf Grund der Regierungsvorlage aus den Erläuternden Bemerkungen ohnedies irgendetwas anderes interpretieren könnte. Oder wie Kollege Donnerbauer sagt: Die Justiz wird schon nicht. – Diese Diskussion wäre müßig, wenn man – und das steht uns zu – eine intelligente Lösung findet, das so zu formulieren, wie wir es alle wollen. Diese intelligente Lösung findet sich in unserem Abänderungsantrag, und es steht Ihnen frei, dazuzulernen und auch diesem Abänderungsantrag zuzustimmen.

Ihnen, Frau Ministerin, möchte ich aber doch vorhalten – und Sie darum ersuchen, das zu berücksichtigen, wenn es um die Abstimmung und um die Endfassung dieses Textes geht –, dass einerseits von Ihnen und von der Regierung argumentiert wird, dass unsere Gerichte nicht irren können und dass man sich auf die Gerichte verlässt, dass Sie aber andererseits im Rahmen der Verfahrenshilfe ein Rekursrecht des Revisors mit der Argumentation einführen: Die Gerichte sind ja doch nicht so genau, wenn man die Verfahrenshilfe prüft. – Wenn man bei der Verfahrenshilfe, bei der es nur ums Geld geht – und ich sage dazu: Geld ist auch wichtig –, so penibel ist und den Gerichten nicht ganz traut, dann sollte man umso skeptischer sein, wenn es um Justizirrtümer und um das höchste Gut geht, nämlich um die Freiheit.

Daher ersuche ich Sie, dass Sie unserem Abänderungsantrag zustimmen! (Beifall bei der SPÖ.)

20.55

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte.

 


20.55

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist auch schon über den Vertrag betreffend die Rechtshilfe mit Polen gesprochen worden. Im Wesentlichen geht es darum, dass die Übernahme der Strafverfolgung einfach zwischen den Staatsanwaltschaften geregelt werden kann und daher eine wesentliche Vereinfachung im Bereich der Rechtshilfe erfolgt.

Zum Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz möchte ich festhalten, dass diese Novelle schon seit langem von den Sozialdemokraten eingefordert wurde. Im Grundsatz ist es ein Entwurf, der nicht zu hundert Prozent unsere Zustimmung findet. Kollege Jarolim hat daher einen Abänderungsantrag eingebracht, der vor allem § 3 und § 4 betrifft, und ich möchte Sie wirklich einladen, doch noch zur Einsicht zu kommen und Ihre Zustimmung zu diesem Abänderungsantrag zu geben, denn dann würden wir, so glaube ich, wirklich ein sehr gutes Gesetz geschaffen haben.

Es geht doch schlussendlich darum – und das ist doch positiv zu bemerken –, dass wir nunmehr eine konventionskonforme Regelung des Ersatzanspruches haben, dass der


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ideelle Schaden auch Berücksichtigung findet und dass der Geschädigte bei Zivilge­rich­ten schon unmittelbar tätig werden kann, bevor er auf eine positive Erledigung seines Anspruches durch ein Strafgericht warten muss.

Ganz generell müssen wir doch sagen – und daher werbe ich auch um Ihre Zustim­mung zu unserem Abänderungsantrag –, dass es letztlich darum geht, dass wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass einem wohl nichts Schlimmeres passieren kann, als schuldlos in Haft zu geraten, was man ganz einfach nie hundertprozentig ausschließen kann. Auch Richter und Kriminalbeamte sind schließlich Menschen, und wo Menschen am Werk sind, passieren eben Fehler. Aber das Mindeste ist, dass es eine adäquate Entschädigung für den Geschädigten gibt.

Ich glaube, diese Debatte kann vielleicht auch dazu beitragen oder hat dazu beige­tragen, dass jene, die Entscheidungen treffen müssen, sich bei der Entscheidungs­findung in einem größeren Maß der Verantwortung bewusst werden.

Meine Damen und Herren! Es ist ganz klar, dass auf der einen Seite eine effiziente Kriminalitätsbekämpfung wichtig ist, dass aber auf der anderen Seite die Freiheit des Menschen als eines der wichtigsten Güter, die wir zur Verfügung haben, deutlich sichergestellt werden muss. Diesen Spagat müssen wir schaffen. In diesem Zwiespalt befinden wir uns, und dessen Lösung muss uns als Gesetzgeber alle Mühen wert sein.

In diesem Sinn werbe ich noch einmal um die Zustimmung zu unserem Abän­derungsantrag. Ansonsten werden wir auch in dritter Lesung diesem Gesetz unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.58

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeord­neter.

 


20.58

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Justizministerin! Hohes Haus! Kollege Puswald hat mich in zwei Punkten sehr massiv angegriffen. (Abg. Dr. Jarolim: Er hat Sie zu Recht angegriffen!) Ich muss ihn in beiden Punkten tatsächlich berichtigen.

Der erste Punkt war, dass ich behauptet hätte, dass die Justiz völlig fehlerfrei ist. – Genau das Gegenteil ist der Fall: Ich habe darauf hingewiesen, dass überall, wo Menschen handeln und Entscheidungen treffen, auch Fehler vorkommen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.)

Zweitens haben Sie behauptet, ich hätte den Brief eines in einer Notsituation befind­lichen Häftlings als burgtheaterreif abgetan. – Auch diese Behauptung ist unrichtig!

Ich habe lediglich die Art und Weise, wie Kollege Maier einen Brief, den ein Mensch, der in einer schwierigen Notsituation war, an ihn gerichtet hat, hier vorgetragen und ver­wendet hat, um ein ganz anderes Ziel zu erreichen, als burgtheaterreif abgetan. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Soll das eine tatsächliche Berichtigung sein?) Ich habe die Rede, wie Kollege Maier sie hier gehalten hat, als burgtheaterreif abgetan und nicht den Brief dieses Häftlings. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Silhavy: Das war eine per­sönliche Erwiderung! – Abg. Dr. Jarolim: Das war ein Exzess an Unsachlichkeit!)

21.00

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


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78. Sitzung / Seite 207

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages, Vertrag mit der Republik Polen über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung in 518 der Beilagen, die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Strafrechtliches Entschädigungsgesetz in 636 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Böhmdorfer, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Jarolim, Kolleginnen und Kollegen Abänderungs­anträge eingebracht.

Ich lasse zunächst über die vom Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang unter Berück­sichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Böhmdorfer, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Die Abgeordneten Dr. Jarolim, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag betreffend den Entfall von § 3 Abs. 2 samt entsprechender Umnummerierung des nachfolgenden Absatzes eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fas­sung des Ausschussberichtes.

Wer hiefür ist, den ersuche ich um eine bejahendes Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Jarolim, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag betreffend § 4 Abs. 1 eingebracht.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer hiefür eintritt, den ersuche ich um ein Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Böhmdorfer, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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78. Sitzung / Seite 208

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Ge­setzentwurf ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Gesetz­entwurf wird somit auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 637 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

13. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (613 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung, das Außer­streitgesetz, die Exekutionsordnung, das Gerichtsorganisationsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, das Bundesgesetz zur Durchführung des Europäischen Übereinkommens vom 27. Jänner 1977 über die Übermittlung von Anträgen auf Verfahrenshilfe, das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Firmenbuchgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Rechts­anwaltstarifgesetz, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2004) (638 d.B.)

14. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (403 d.B.): Verein­barung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG, mit der die Vereinbarung über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken geändert wird (639 d.B.)

15. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 379/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Novellierung des Liegenschaftsteilungsgesetzes und des Grunderwerbssteuergesetzes“ (640 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zu den Punkten 13 bis 15 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Debattenrednerin ist wiederum Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte.

 


21.03

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Tagesordnungspunkt 13 ist die Zivilverfahrens-Novelle 2004. Sie befasst sich mit der Umsetzung des Datenschutzgesetzes 2002. Dabei geht es darum, dass die Akte der Gesetzgebung auch dem Datenschutzgesetz unterliegen, die ja bisher von der Datenschutzkommission ausgenommen waren.

Weiters geht es darum, dass die Prozesskostenhilfe in grenzüberschreitenden Streit­sachen geregelt wird. Verfahrenshilfe soll sich nun nicht nur auf Prozesse im eigenen Land beschränken. Denken Sie etwa an Unterhaltsverfahren, die gelegentlich auch über das Ausland geführt werden! Auch da soll es jetzt Verfahrenshilfe geben.


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Ein wichtiger Punkt betrifft die Verbandsklageregelungen. Es geht hier um jene im Konsumentenschutzgesetz im § 29 angeführten Verbände, die klagsberechtigt sind. Im Hinblick auf die Musterprozesse werden die abtretbaren Ansprüche so wahrge­nommen, dass es mehr Effizienz gibt und dass die Verbände ihre Möglichkeiten besser wahrnehmen können.

Dazu sind ein paar Tage vor dem Ausschuss die Rechtsschutzversicherungen auf uns zugekommen und wollten auch noch eine Änderung im Hinblick auf Massenverfahren haben. Sie haben uns einen Abänderungsvorschlag gemacht, dass bei den Massen­verfahren, die gleichartig sind, ein Musterprozess geführt wird und alle anderen Ver­fahren gehemmt sind. Wir haben diesen Zuruf ein paar Tage vor dem Ausschuss nicht umgesetzt, aber wir nehmen das Problem ernst und haben dafür einen Vier-Parteien-Entschließungsantrag zustande gebracht, weil man sich schon anschauen muss, ob diese Hemmung auch im Interesse aller Parteien ist oder nur zum kostengünstigen Rechtsschutzverfahren führt.

Ich bin froh darüber, dass wir hier wieder einen Vier-Parteien-Konsens erreichen konn­ten und damit mehr Effizienz im Justizbereich umsetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.06

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

 


21.06

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Frau Minister! Herr Präsident! Das Ganze ist relativ unspektakulär. Es gibt eine Reihe von Regelungen, die hier relativ einstimmig und außer Streit stehend umgesetzt werden.

Ich möchte nur zur Frage der Verbandsklagen und auch zu den Vorschlägen der Versicherungswirtschaft eine Bemerkung machen. Es ist auch der VKI mit einem Vorschlag herangetreten. Ich würde davor warnen, so aus der Hüfte geschossen, wie es hier den Eindruck macht, eine Gesetzgebung auf den jeweiligen Fall – es geht um die WEB-Fälle – durchzusetzen.

Es ist notwendig, dass man sich genau anschaut, welche Notwendigkeiten sich ergeben, weil in Wirklichkeit Massenverfahren natürlich schon etwas sind, wo man Sorge dafür tragen muss, dass nicht in der ganzen epischen Breite eingebracht wird, dass nicht jeder, der betroffen ist, eine Klage einbringen soll und muss, dass aber gleichermaßen für alle Anspruchsberechtigten Verjährungshemmungen eintreten.

Ich stelle mir die Frage, ob es nicht sinnvoll ist, dass man bei einigen wichtigen Rechts­fragen, weil letztlich diese Verbandsklagen auch immer alle Instanzenwege durch­gehen, ein Instrument schafft, mit dessen Hilfe es betreffend die Klärung von für eine große Zahl von Personen wichtigen Rechtsfragen direkt die Möglichkeit einer Anfrage an den OGH gibt. Vielleicht könnten wir im Rahmen der Weiterentwicklung der der­zeitigen Instrumente auch einen Weg finden, durch eine relativ rasche Klärung der Rechtsfragen große Verfahren verkürzt und vor allem schneller abzuwickeln.

Ansonsten werden wir dem zustimmen, und es gibt dazu nichts mehr zu sagen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.08

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Böhmdorfer. – Bitte.

 



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78. Sitzung / Seite 210

21.08

Abgeordneter Dr. Dieter Böhmdorfer (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Kollege Jarolim hat Recht. Es ist auf den ersten Blick nicht sehr spektakulär, was hier gemacht wird.

In Wirklichkeit handelt es sich um eine ganz feine, präzise, sehr schwierige Arbeit, unter Berücksichtigung des Datenschutzgesetzes die Justizgesetze anzupassen. Ich möchte schon jetzt Frau Dr. Kloiber danken, dass sie das mit jenem Feingefühl und auf Basis jener juristischen Kenntnisse gemacht hat, die typisch für das Justizministerium sind, denn dazu muss man wirklich auch Verfassungsverständnis haben. Das Justiz­ministerium hat schön öfters bewiesen, dass es gerade in diesem Bereiche die richtigen Sensoren zum richtigen Zeitpunkt einsetzt.

Es ist auch erfreulich, dass die Verfahrenshilfe jetzt international ausgebaut wird. Das ist insofern nicht unbedingt selbstverständlich, als die Verfahrenshilfe, so wie sie in Österreich praktiziert wird, ein Unikum ist. Wenn sich diese Praxis in Europa ausweitet, dann ist das eine gute Visitenkarte für uns und von uns.

Zur Jurisdiktionsnorm wurde schon gesprochen. Das war im Prinzip richtig. Betreffend WEB sind wir noch nicht ganz durch, da müssen wir noch andere Regelungen nach­justieren.

Was nicht untergehen soll, ist die Tatsache, dass nunmehr auch im Zivilprozess Video­einvernahmen durchgeführt werden können. Diesbezüglich hat es Bedenken gegeben, wir haben das genau diskutiert. Tatsache ist, dass das eine unglaubliche Verfahrens­beschleunigung und Effizienzsteigerung bedeutet. Es gibt nunmehr keine Rechts­hilfeersuchen und keine Aktenversendungen mehr. Der Richter gewinnt einen persön­lichen Eindruck, ein zweiter Richter ist nicht erforderlich. Die Parteien haben ein persönliches Fragerecht, auch ein ergänzendes Fragerecht, was es bisher nicht gegeben hat. Es gibt keine Anreisen und keine Spesen für Anreisen mehr. Es gibt also weniger Kosten, es geht schneller und das Verfahren ist sicherer geworden.

Vielen Dank für dieses legistische Meisterstück! Ich danke auch für den allseitigen Konsens. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.10

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


21.10

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Meine Vorredner haben ja bereits betont, dass es einen Konsens gibt, allerdings bezieht sich dieser wirklich nur auf unstrittige Punkte, nämlich auf die Verbesserung des Datenschutzes, die Einführung einer Videovernehmung, die Änderung der Verfahrenshilfe und die Verbesserung der Verbandsklage. Dieser Konsens, Frau Ministerin Miklautsch, ist sozusagen eine Vor­leistung unsererseits im Vertrauen auf die Tätigkeit Ihres Hauses und im Vertrauen auf Ihre Tätigkeit höchstpersönlich, dass Sie nämlich Ihre Zusage einhalten, dass wir bis Dezember für laufende Massenverfahren – WEB wurde ja schon genannt – einen Entwurf des Ministeriums für die Änderung des Zivilrechts vorliegen haben werden, einen Entwurf, mit dem eine Vereinfachung bei den Massenverfahren im Hinblick auf Unterbrechung der Frist möglich werden wird. Wir vertrauen da auf Sie, und ich hoffe, Frau Ministerin, Sie halten Wort; ich hoffe weiters, dass das binnen Jahresfrist verbessert werden wird, eben im Sinne derjenigen, die uns diesen Vorschlag über­mittelt haben.


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Unsere Zustimmung, unser Konsens beruht zweitens darauf, dass es insgesamt eine Verbesserung geben wird bei der österreichischen Art der Gruppenklage, da ja auch da noch ein Entwurf Ihres Ministeriums für nächstes Jahr von Ihrer Seite, Frau Bun­desministerin, zugesagt worden ist. Vor diesem Hintergrund gibt es also trotz kleinerer Bedenken unsererseits die Zustimmung. – Über die Bedenken im Zusammenhang mit der Verfahrenshilfe wird meine Kollegin Stoisits dann noch referieren. Im Falle des Revisors steht da möglicherweise eine gewisse Verfahrensverlängerung bei einzelnen Prozessen im Raum; das sollte man auch noch kurz besprechen.

So weit also unsere Zustimmung – und ich hoffe, dass Ihre Zusagen, Frau Ministerin, binnen Jahresfrist beziehungsweise im nächsten Jahr verwirklicht werden. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

21.12

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Ikrath. – Bitte.

 


21.12

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Hause! Ich schließe mich der Feststellung meiner Vorredner an, dass mit der Zivil­verfahrens-Novelle 2004 eine sehr wichtige Gesetzesmaterie geregelt wird. Es freut mich, dass wir darüber Konsens erzielen konnten und dass das gemeinsam beschlos­sen wird.

Ausdrücklich möchte ich anerkennen, dass diese Novelle, die ziemlich komplex ist und zum Teil sehr diffizile und wichtige Inhalte hat, sehr professionell durch das Bun­desministerium für Justiz, durch die Beamten dieses Hauses vorbereitet wurde.

Die drei wichtigen Schwerpunkte, die ich darin sehe, sind folgende: die Anpassungen an das Datenschutzgesetz, die Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Erleichterung des Zugangs zum Recht bei grenzüberschreitenden Streitsachen sowie die Ausdehnung von Musterprozessen über Geldforderungen hinaus.

Kurz ein Schlaglicht darauf: Wir wissen, dass Verbandsmusterprozesse mittlerweile ein sehr wesentliches Instrument sind, und zwar als eine Art „Testverfahren“ zur Abklärung der materiellen Rechtslage im Interesse breiter Bevölkerungskreise, was sich ja auch durchaus bewährt hat. Ich bin mir dessen sicher, wir stimmen auch überein darin, dass sich Verbandsklagen in der Praxis bestens bewährt haben.

Es ist daher sehr sinnvoll und auch geboten gewesen, dass als Gegenstand eines solchen „Testverfahrens“ – wenn ich es noch einmal so nennen darf – künftig nicht nur Geldforderungen, sondern auch Ansprüche anderer Art gelten können, insbesondere etwa Herausgabeansprüche, wobei wir ja wissen, dass da bisher ein Defizit bestanden hat, dass diese nicht Gegenstand solcher Verfahren werden konnten.

Zum Abschluss möchte ich auch meine Zustimmung beziehungsweise Unterstützung dazu geben, dass wir in Bezug auf Schadensfälle, die eine Vielzahl von Einzel­per­sonen betreffen und die in den letzten Jahren mehr geworden sind, dass wir in Bezug auf so genannte Massenklagen, die sich dann daraus entwickeln, prüfen, welche Regelungen es geben kann, um diese künftig ökonomischer durchführen zu können, und zwar mit geringerem Prozessrisiko für den Einzelnen.

Auf der anderen Seite müssen wir jedoch auch darauf achten, dass niemandem – eben bei Fällen der Hemmung von Einzelverfahren – das Klagsrecht genommen wird. Es darf also keine Zwangsbeglückung für den Einzelnen daraus werden.


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Ein entsprechender Entschließungsantrag ist daher an Frau Bundesministerin Miklautsch gestellt worden. Sie hat unser Vertrauen, dass sie auch diese Frage im Sinne ökonomischer und sachgerechter Bewältigung prüfen wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.16

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Becher. – Bitte.

 


21.16

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Ich möchte auch ganz kurz zum Thema Verbandsklagen Stellung nehmen und dazu Folgendes sagen: Die Ausweitung, die da vorgenommen wird, ist sicherlich begrüßenswert und wird eine Verbesserung für die Betroffenen und auch für die Justiz mit sich bringen. Die Praxis hat ja gezeigt, dass sich diese Klagen bestens bewährt haben.

Es gibt allerdings auch eine Reihe von Fällen, bei denen diese Verbandsmusterklagen nicht ausreichend sind, so zum Beispiel bei der Rückforderung von überhöhten Kreditzinsen wegen gesetzeswidriger Zinsanpassungsklauseln. Sie alle wissen ja sicherlich von Krediten, die vor allem in den neunziger Jahren von den Banken gewährt wurden, bei denen nicht-gesetzeskonforme Zinsanpassungsklauseln vereinbart wurden, was dann ja auch zu Problemen geführt hat. Bei Massenklagen sind Muster­prozesse in dieser Form zu wenig, denn wenn die Bank nicht auf den Einwand der Verjährung verzichtet, muss der Betroffene, muss der Kreditnehmer seine Ansprüche auf jeden Fall fristgerecht einbringen.

Daher ist es – wie wir das ja auch in diesem Entschließungsantrag im Ausschuss beschlossen haben und das in der Begründung auch beinhaltet ist – sicherlich sehr positiv, wenn in Zukunft so ein Verfahren unterbrochen werden kann, um eben ein Musterverfahren abzuwarten. Die Kritik der Arbeiterkammer ist jedoch, dass das allein zu wenig ist, weil das Verfahren deshalb nicht unbedingt kürzer sein wird, da man eben auch bei einem Musterprozess durch die Instanzen gehen können muss.

Obwohl es in Bezug auf Massenklagen bereits eine Judikatur des OGH gibt, so zum Beispiel eben, was diese Zinsanpassungsklauseln betrifft, sind noch immer offene Rechtsfragen gegeben. Diese könnten jedoch durch ein Antragsverfahren – wie das ja mein Kollege Jarolim hier dargelegt hat – vorher geklärt werden.

Diese Forderungen sind also da, sind jedoch in diese Novelle nicht eingeflossen, aber ich hoffe, dass im Dezember, eben bei einer weiteren Novelle, die dann dem Justizausschuss vorliegen wird, auch diesen Ansprüchen Genüge getan wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

21.18

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte.

 


21.19

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Ich möchte Frau Bundesministerin Miklautsch und den Beamten im Justizministerium zum einen ganz besonders dafür danken, dass es gelungen ist – im Gegensatz zu sehr vielen Fällen sonst –, eine so genannte Inländer­diskriminierung zu vermeiden. Manchmal ist es ja so, dass, wenn wir EU-Richtlinien umsetzen, die Bürgern aus anderen europäischen Ländern Rechte gewähren, darauf vergessen wird, die gleichen Rechte auch für die österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger vorzusehen. Deshalb freut es mich besonders, dass es einen


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Reisekostenersatz für Verfahrenshilfe genießende Parteien auch für Österreicherinnen und Österreicher geben wird und so eine Inländerdiskriminierung verhindert wurde. Danke vielmals dafür!

Ich möchte auch darauf hinweisen – Kollegin Stoisits wollte noch etwas vorbringen, ist aber jetzt nicht da –, dass ich der festen Überzeugung bin, dass bei Kosten, die sich für Pauschalvergütungen in Höhe von derzeit 16 Millionen € – das wird mehr werden – und für Sachverständige und Zeugen in Höhe von 10 Millionen € bewegen, eine Überprüfung, mittels zweiseitigen Rekurses bekämpfbar, durch einen Revisor durchaus gerechtfertigt erscheint. Ich gehe davon aus, dass davon einerseits ohnehin selten Gebrauch gemacht wird, andererseits auch befürchtete Verfahrensverzögerungen aus­bleiben werden. Ich finde es absolut gerechtfertigt, dass man bei diesen finanziellen Dimensionen eine solche Überprüfung für Mittel, die der Bund ausgibt, ermöglicht. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

21.21

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Stadlbauer. – Bitte.

 


21.21

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich möchte zur Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes Stellung nehmen. Zwei Punkte dazu.

Erster Punkt: das Register und sonstige Geschäftsbehelfe beziehungsweise der Daten­schutz in der Angelegenheit der Gerichtsbarkeit. Ich beurteile diese Maßnahme grundsätzlich positiv, so wie die gesamte Novelle natürlich. Durch den technischen Fortschritt im EDV-Zeitalter ist es nur logisch, dass diese Art der Arbeit auch in die Arbeit der Justiz einfließt und vor allem der Gebrauch geregelt wird. Die Verwendung der EDV bedeutet für die Beschäftigten innerhalb der Justiz eine erhebliche Arbeits­erleichterung und verbesserte Arbeitsbedingungen, wobei es natürlich auch wieder zu Nachteilen kommt: Es werden viele, vor allem Kanzleikräfte, nicht mehr benötigt, und das wiederum betrifft vorwiegend Frauen.

Kritisieren muss ich allerdings auch die Tatsache, dass das Register schon eine ganze Zeit ohne klare Richtlinie verwendet wird. Nicht geregelt ist zum Beispiel, welche Register geführt werden, welche Angelegenheiten einzutragen sind, wie lange was wo aufbewahrt werden muss, und so weiter. Ohne Regelungen sind Manipulationen leicht möglich.

Und damit wir wissen, wovon wir reden: Über eine Namensabfrage kann nachgesehen werden, welche Verfahren anhängig sind, und zwar österreichweit. Österreichweit kann auf alle Verfahrensschritte zugegriffen werden. Damit muss meiner Meinung nach sehr sensibel umgegangen werden. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den EKIS-Skandal. Wie leicht können derartige Systeme missbräuchlich verwendet werden!? So etwas möchte ich in der Justiz nicht erleben müssen. Das müssen wir verhindern zum Schutz der Betroffenen, aber auch zum Schutz der Beschäftigten, die möglicherweise zu Unrecht verdächtigt werden.

Meinen Informationen zufolge werden die Zugriffe auf das Register zwar protokolliert, aber es gibt wenig bis keine Information darüber, ob und wie dies auch kontrolliert wird. Alle innerhalb der Justiz haben Zugriff, und das ist ein sehr unüberschaubarer Kreis.

Ich hoffe sehr, Frau Ministerin, dass Sie sich darüber im Klaren sind, was das alles bedeutet.

Der Datenschutz in Angelegenheiten der Gerichtsbarkeit ist ja in der Regierungs­vorlage sehr gut geregelt worden. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Zum Schutz


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der Betroffenen, aber auch der MitarbeiterInnen ist es jedoch unbedingt notwendig, dass Sie, wie im § 80 Abs. 3 vorgesehen ist, sofort eine Verordnung darüber erlassen.

Zweiter Punkt: die Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildüber­tragung bei der Beweisaufnahme. Auch diese Maßnahme wird grundsätzlich positiv begrüßt. Der Verwaltungsaufwand wird reduziert, und der finanzielle Aufwand ist möglicherweise ein geringerer.

Ich erinnere aber in diesem Zusammenhang an die Strafprozessordnung bezie­hungs­weise an die Diskussion im Unterausschuss darüber. Unsere Forderung war damals, dass alle Gewaltopfer die Möglichkeit haben sollen, über Video auszusagen. Begrün­det haben wir das damit, dass die Gefahr der Traumatisierung von Opfern gegeben ist, wenn sie noch einmal dem Täter begegnen. Argumente aus dem Justizministerium waren damals, dass das nicht geht, denn der Richter müsse sich grundsätzlich selber ein persönliches Bild von der Betroffenheit des Opfers machen können, sonst gebe es keine angemessene Reaktion, und das Video sei ein schlechtes Beweismittel und, und, und. Oder ein anderes Argument war noch: Das Abspielen des Videobandes in der Hauptverhandlung ist eine Verfremdung des Beweismittels.

Kurzum: Es war damals nicht möglich, das Ganze umzusetzen. Also deute ich den jetzigen § 91a bei der Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes als Umdenken im Ministerium und freue mich sehr darüber, und ich hoffe auf weitere Schritte in diese Richtung – obwohl noch eine „Notbremse“ in dieser Formulierung eingebaut ist: „nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten“ steht hier. In den meisten Fällen müssen aber die technischen Möglichkeiten wahrscheinlich erst eingerichtet werden. Das Finanzministerium schreibt ja in seiner Stellungnahme schon, dass die anfallenden Mehrausgaben aus den vorgegebenen Budgetmitteln zu bedecken sind. Also eine positive Maßnahme, die aber wahrscheinlich am finanziellen Hintergrund scheitern wird.

Was ich mir für die Zukunft wünschen würde, ist, dass sich die Verwendung von Videoübertragungen nicht nach der vorhandenen Technik oder nach den vorhandenen finanziellen Mitteln richtet, sondern nach den Bedürfnissen der handelnden Per­sonen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

21.25

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Glaser. – Bitte.

 


21.26

Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Im Rahmen der vorliegenden Novelle gibt es heute ver­schiedene Anpassungen in diversen Materien des Gerichtswesens. Es wurde schon darüber gesprochen: im Bereich des Datenschutzes, im Bereich von Musterklagen, im Bereich der Verfahrenshilfe oder auch im Bereich der technischen Hilfe, zum Beispiel, dass Zeugeneinvernahmen durch Videoaufzeichnung möglich sind.

Es wurde schon viel zu den diversen Punkten dieser Konsensmaterie gesagt, weshalb ich nur zu zwei Aspekten kurz noch meine Meinung einbringen möchte.

Im Bereich des Datenschutzes, glaube ich, geht es wirklich darum, dass man eine ausgewogene Linie findet, inwieweit man zur Aufklärung von Verbrechen und Ver­gehen tatsächlich Daten freigibt und man doch noch darauf Bedacht nimmt, dass die persönlichen Grundrechte des Einzelnen gewahrt bleiben. Das wird auch mit der Regelung im Gesetz allein nicht möglich sein, sondern es wird hier sicherlich einer sehr gewissenhaften Beschäftigung der damit befassten Personen bedürfen, und es wird


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diese Entscheidung vielleicht auch nicht immer leicht sein, sondern manchmal auch schwierig zu treffen sein.

Das heißt letztlich, trotz aller gesetzlichen Regelungen kommt es auf die Personen an, wie diese Entscheidung – hoffentlich richtig – getroffen wird.

Wesentlich erscheint mir auch jene Regelung, die auch schon angeführt wurde, dass man im Bereich der Verfahrenshilfe jetzt bei grenzüberschreitenden Streitsachen zusätzlich Hilfen gewähren kann. Wir setzen hiemit eine EU-Richtlinie um und schaffen zusätzlich die Möglichkeit, dass Übersetzungskosten, Reisekosten von Zeugen et cetera übernommen werden.

Ich glaube, dass das mehr Sicherheit für die betroffenen Personen bringt, bin anderer­seits aber auch froh darüber, dass es die Möglichkeit des Revisors gibt, hier von einem Rekursrecht Gebrauch zu machen, damit nicht jedem Verfahrenshilfeantrag statt­gegeben wird, denn sehr oft sind da doch sehr wohlhabende Personen involviert, wo das nicht notwendig ist.

Abschließend: Ich glaube, dass es mit diesen beiden Bestimmungen sowie mit allen anderen, die wir mit diesen Materien regeln, gelingen wird, eine der Zeit und ihrer Entwicklung entsprechend angepasste Rechtsprechung durchzuführen. Wir werden daher gerne dieser Regelung zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.28

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Grossmann. – Bitte.

 


21.29

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Meine Damen und Herren! Recht haben und Recht bekommen ist nicht immer dasselbe. Das wissen unzählige Österreicherinnen und Österreicher aus eige­ner leidvoller Erfahrung. Nicht immer kann oder soll die Politik hier etwas unternehmen. Vieles ist auf die Unvorhersehbarkeit von Verfahrensausgängen generell zurückzu­führen, auf Beweisschwierigkeiten und so weiter. Aber dort, wo es Handlungsmög­lichkeiten der Politik gibt, sollte die Politik diese Möglichkeiten auch nützen. Vor allem dann, wenn es darum geht, Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen, sollten wirklich alle strukturellen Hürden, so gut es geht, aus dem Weg geräumt werden. Und die größte Hürde, rechtliche Ansprüche auch wirklich geltend zu machen, ist und bleibt das Kostenrisiko.

Da haben sich gerade im Bereich Verbraucherschutz, wie heute schon mehrfach erwähnt, Sammel-, Muster- und Verbandsklagen bestens bewährt, denn neben einem reduzierten Prozesskostenrisiko spricht auch die Prozessökonomie dafür. Wenn Sie sich nur den tragischen Fall vom heurigen Sommer vor Augen führen: 480 Türkei­urlauberinnen und Türkeiurlauber sind damals schwer erkrankt in ihre Heimat zurückgekehrt. Es hätte jeder Einzelne der 480 gesondert beweisen müssen, dass verunreinigtes Wasser oder verunreinigte Nahrung die Ursache für die Erkrankung war. Das würde 480 Prozesse bedeuten, wo Richter und Sachverständige in der gleichen Sache parallel arbeiten und unter Umständen sogar zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen würden.

Ohne Sammelklagen würden viele ihre Ansprüche wahrscheinlich gar nicht weiter­verfolgen. Das wäre zwar sicherlich den Schädigern recht, wäre jedoch nicht im Sinne einer verantwortungsvollen Justizpolitik, einer Justizpolitik, die ihren Staatsbürgern den bestmöglichen Rechtsschutz geben muss. Außerdem muss man dazusagen, dass Sam­melklagen zweifellos generalpräventiv wirken, weil Unternehmer zu größtmög­licher Sorgfalt gezwungen werden. Das heißt, Sammelklagen müssen – nach


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logischem Ermessen – vom Gesetzgeber mit allen Mitteln gefördert werden. Ich freue mich auch, dass es hier im Hause diesbezüglich eine einvernehmliche Einschätzung geben dürfte.

Die heute zu beschließende Nachjustierung der Bestimmungen hinsichtlich Verbands­klage ist zwar zu begrüßen, ist aber bei weitem nicht genug; meine Kolleginnen und Kollegen haben ja schon auf einiges hingewiesen. Ich möchte hier noch einmal die Stellungnahme des VKI hervorheben, der dringend fordert, die Sammelklage durch den Gesetzgeber ausdrücklich zu regeln, denn derzeit ist da die Rechtslage äußerst ungewiss. Da ist die Politik massiv gefordert, jenen, die Recht haben, auch dazu zu verhelfen, Recht zu bekommen.

Frau Ministerin, ich würde mir wünschen, dass Sie die Ihnen verbleibende Amtszeit in diesem Sinne nützen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.32

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Franz. – Bitte.

 


21.32

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte Bezug nehmen auf das Liegenschafts­teilungsgesetz, und zwar geht es mir dabei um das vereinfachte Verbücherungs­verfahren.

Welcher Bürgermeister/welche Bürgermeisterin kennt nicht die Probleme, die es gibt, wenn man Grundeinlösungen macht, Grundabtretungen für einen Bau, für die Ver­breiterung, für die Umlegung oder für die Übernahme von Straßen oder Wegen! Es braucht geschickte Verhandler/Verhandlerinnen, und es braucht vor allem viel Geduld, um die Zustimmung von oft sehr vielen Grundbesitzern zu bekommen. Wenn dieser Schritt erledigt worden ist, dann kommt es oft noch zu erheblichen Kosten und zu erheblichem Verwaltungsaufwand, denn bei der Verbücherung gibt es oft Probleme mit den Grundbuchspflegern, die laut Liegenschaftsteilungsgesetz die Wertgrenzen über­schritten sehen.

Es gibt eine Resolution von Tennengauer Bürgermeistern, die auf diese Probleme aufmerksam gemacht haben. Diese Resolution spricht wohl vielen Gemeinde­verant­wortlichen aus dem Herzen.

Bei einer Änderung des Liegenschaftsteilungsgesetzes, die ohne Wertgrenzen oder mit stark angehobenen Wertgrenzen eine vereinfachte Verbücherung ermöglichte, hat die Volksanwaltschaft große Bedenken angemeldet: Sie befürchtet dadurch die Be­schneidung der Rechte von Buchberechtigten, und sie hat deshalb verfassungs­rechtliche Bedenken.

Es gibt nun einen Vier-Parteien-Antrag, in dem das Justizministerium aufgefordert wird, diese Dinge sehr ernst zu nehmen und mit den Vertretern der Gebietskörperschaften eine gute Lösung auszuarbeiten, ohne dass die Eigentümer unter die Räder kommen. Das heißt, dass dem Schutz der bücherlich Berechtigten ausreichend Rechnung getragen werden soll.

Ich würde mich über eine Verwaltungsvereinfachung in diesem Bereich besonders freuen, weil es dadurch natürlich auch zu einer großen Kosteneinsparung käme. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.34

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte.

 



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78. Sitzung / Seite 217

21.34

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Da zum Tagesordnungs­punkt 13 bereits vieles gesagt wurde, möchte ich jetzt ganz kurz auf TOP 14 eingehen.

Mit einer Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1992 wurde der Verkehr mit bebauten oder zur Bebauung bestimmten Grundstücken in Landeskompetenz übergeben. Diese Bestimmung ist also zwölf Jahre alt; im Jahre 2000 wurde die Exekutionsordnung geändert. Es ist daher nur allzu zweckdienlich, wenn man eine Bestimmung, die vor zwölf Jahren gemacht wurde, neuen Gesetzeserfordernissen anpasst. Das hätte eigentlich schon vor vier Jahren geschehen können.

Ich finde es jedenfalls in Ordnung, dass man diese vereinfachten Verständigungs­verfahren der Exekutionsordnung auch dieser Artikel-15a-Vereinbarung zugrunde legt. Es ist vernünftig, dass der Sachverständige die Behörden von der Befundaufnahme und von der Schätzung des Grundstückes direkt verständigen kann. Und es ist auch nicht mehr notwendig, das Versteigerungsedikt an eine Reihe von öffentlichen Behör­den direkt zuzustellen.

Zu dem Entschließungsantrag, der unter TOP 15 behandelt wird, möchte ich fest­halten, dass sich unser Abgeordneter Maier bereits seit geraumer Zeit um ein verein­fachtes Liegenschaftsteilungsgesetz bemüht, denn es ist für Bürgermeister oder andere Behörden, die die Errichtung eines Weges, einer Straße et cetera abzuhandeln haben, nicht einsichtig, dass die Verfahren der Verbücherung, die im Liegenschafts­teilungsgesetz vorgesehen sind, auch bei kleinen Grundabtretungen, mit denen die Eigentümer einverstanden sind, derart kompliziert gemacht werden. Ich finde es vernünftig, dass hiezu eine Arbeitsgruppe eingesetzt wird, die sich mit einer Verein­fachung dieser Bestimmungen beschäftigt. (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

In diesem Sinne wird das unsere Zustimmung finden. (Beifall bei der SPÖ.)

21.36

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Praßl. – Bitte.

 


21.36

Abgeordneter Michael Praßl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich möchte mich in meinem Debattenbeitrag der Änderung der Artikel-15a-Vereinbarung über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken widmen.

Geschätzte Damen und Herren! Mit dieser Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle, Bun­desgesetzblatt Nr. 276/1992, wurde der Verkehr mit bebauten oder zur Bebauung bestimmten Grundstücken in die Landeskompetenz übertragen. Der Vorteil, der sich daraus ergibt, liegt in der verringerten Administration und im Wegfall der Zustellung bestimmter Gerichtsbeschlüsse. Dadurch werden die damit verbundenen Zustellungs­kosten eingespart.

Gleichzeitig, sehr geehrte Damen und Herren, wurde auch in Artikel II dieser Novelle festgelegt, dass die Landesgesetze betreffend verwaltungsbehördliche Beschränkun­gen für den Verkehr mit diesen Grundstücken erst nach In-Kraft-Treten einer Verein­barung zwischen dem Bund und den Ländern über die Festlegung von bundesweit einheitlichen zivilrechtlichen Bestimmungen für die landesgesetzlich zu regelnden Angelegenheiten des Grundstücksverkehrs in Kraft gesetzt werden.

Diese Vereinbarung soll nach Artikel II Abs. 2 dieser Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle auch für den Ausländergrundverkehr und den Verkehr mit land- und forst-


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wirtschaftlichen Grundstücken relevant sein, indem die Landesgesetze binnen zwei Jahren an diese Vereinbarung anzupassen waren.

Anhand dieser Änderung der Artikel-15a-Vereinbarung über diese zivilrechtliche Bestimmung betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken sieht man, wie effizient diese Bundesregierung arbeitet und darauf bedacht ist, Einsparungen und adminis­trative Erleichterungen zu erzielen. Außerdem werden Kosten eingespart, Kosten, die letztendlich sowohl dem Steuerzahler als auch unserem Lande zugute kommen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.39

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ledolter. – Bitte.

 


21.39

Abgeordneter Johann Ledolter (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist recht angenehm, dass sich im gegenständlichen Debattenverlauf ein Vier-Parteien-Konsens abzeichnet. 

Das kommt meiner Meinung nach nicht von ungefähr, denn obwohl noch in den Ausschüssen verschiedene Vorbehalte geäußert wurden, ist diese Materie doch getragen einerseits von einer klaren Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Menschen, wie zum Beispiel beim Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz oder beispielsweise bei der Videovernehmung und den damit verbundenen Möglichkeiten im Hinblick auf den Opferschutz, und andererseits von Prinzipien der Verfahrensökonomie und der Verfahrensvereinfachung im Hinblick auf eine Verwaltungsvereinfachung und vor allem im Hinblick auf nachhaltige Einsparungen, wie im Bereich der Verbandsklagen im Hinblick auf den Konsumentenschutz oder wie bei den Massenverfahren, wie hier bereits deutlich gemacht wurde, und zwar in einer Art und Weise, dass man sehr nachhaltig auf die Einsparung von Kapazitäten bedacht ist.

Als Bürgermeister freue ich mich natürlich auch, dass es eine Zustimmung zum Liegenschaftsteilungsgesetz und zu der Möglichkeit, wie sie schon bisher bestanden hat, bei der Abschreibung der geringwertigen Trennstücke nach den §§ 13 und 14 dieses Gesetzes gibt.

Das ist eine Materie, die bei den Bürgermeistern sicherlich gut aufgehoben ist. All jenen, meine Damen und Herren – und auch in Richtung Volksanwaltschaft sei dies gesagt –, die Bedenken geäußert haben hinsichtlich der möglichen Verkürzung von Rechten der betroffenen Liegenschaftseigentümer, der Servitute, Dienstbarkeiten et cetera, die untergehen könnten, möchte ich doch eines in aller Deutlichkeit sagen: Gute Bürgermeister, die mit Kompetenz und Sachverstand arbeiten, sind immer im Einklang mit ihren Bürgern, sind immer im Einklang mit den Menschen, und daher wird auch ein solches Gesetz nichts daran ändern, dass die Bürgermeisterpartei in Österreich auch in Zukunft die Österreichische Volkspartei sein wird! (Beifall bei der ÖVP.)

21.42

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.


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Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend die Zivilverfahrens-Novelle 2004 samt Titel und Eingang in 638 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist ebenfalls Einstimmigkeit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 638 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Diese Entschließung ist einstimmig angenommen. (E 71.)

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, dem Abschluss der gegenständlichen Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz, mit der die Vereinbarung über zivil­rechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken geändert wird, in 403 der Beilagen, die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Antrag ist einstimmig angenommen.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 640 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Antrag ist einstimmig angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 640 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Die Entschließung ist einstimmig angenommen. (E 72.)

16. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauträgervertragsgesetz geändert wird (454/A)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nun kommen wir zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


21.44

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war noch dabei, als das Bauträgervertragsgesetz im Justizausschuss und hier in diesem Hohen Haus beschlossen wurde. Die Erklärungen, die alle Fraktionen abgegeben haben, haben in etwa gelautet: Wir haben ein Gesetz geschaffen und haben Konsumenten ent­sprechend abgesichert, es wird zu keinem Betrug mehr an den Wohnungswerbern kommen!


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Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die letzten Jahre haben uns eines Besseren belehrt: Die Gauner in diesem Bereich haben Defizite und Schutz­lücken erkannt. Das Bauträgervertragsgesetz weist – und das wurde durch eine große Untersuchung nachgewiesen – zahlreiche Schutzlücken und Defizite auf. Geschädigte bei einem Bauträgerkonkurs, der immer wieder stattfindet, gleichgültig, ob in Tirol, in Salzburg oder in Wien, sind einerseits gutgläubige WohnungskäuferInnen und ande­rerseits – und ich betone das – die unbesicherten Professionisten, die das Restrisiko trifft.

Wenn jetzt jemand von Ihnen meint, es handle sich dabei um Einzelfälle, dann muss ich dies berichtigen: Diese Fälle sind durch das System des Bauträger­vertrags­gesetzes vorprogrammiert. Das Problem, das wir derzeit haben, ist, dass Konkurse von Bauträgern zu Lasten von WohnungskäuferInnen und ProfessionistInnen enorm zugenommen haben.

Einige Beispiele: In Tirol haben die Lücken im Bauträgervertragsgesetz mit dem Konkurs der zwei größten Bauträger Tirols besondere Brisanz erlangt. Das waren Domizilbaufirmen. Zahlreiche Professionisten und Wohnungskäufer wurden geschä­digt. Ähnlich ist die Situation in Salzburg nach dem Konkurs des Bauträgers Gassner, der sich in Florida mit seinen Immobilien verspekuliert hat. Übrig geblieben sind wiederum die Professionisten und die Käufer.

Die Arbeiterkammer Tirol hat – und ich betone das; es war Präsident Dinkhauser! – Universitätsprofessor Dr. Helmut Böhm beauftragt, in einem Gutachten die Schutz­lücken im Bauträgervertragsgesetz herauszuarbeiten. Anhand von einzelnen Prob­lemfällen hat Professor Böhm über 20 Schutzlücken herausgefunden. Eine dieser Schutz­lücken hat er auch in den Rücktrittsfristen des Bauträgervertragsgesetzes herausgefunden, und dieser Initiativantrag von mir lautet eben, diese Rücktrittsfristen von sieben Tagen auf vierzehn Tage zu erweitern.

Ich sehe diesen Antrag allerdings – und das sage ich sehr offen –, wenn Sie so wollen, als „Trägerrakete“, weil ich glaube, dass wir in diesem Hohen Haus auf Basis des vorliegenden Gutachtens die Defizite und Problemstellungen im Bauträgervertrags­gesetz diskutieren sollten.

Es gibt dazu auch einen sehr ausführlichen Entschließungsantrag von meiner Seite, wo die grundsätzlichen Forderungen bereits herausgearbeitet wurden und in der Entschließung enthalten sind.

Was sind nun diese Probleme? – Es geht um die sofortige Abschaffung der alleinigen Sicherung durch grundbücherliche Maßnahmen. Man benötigt einfach begleitende Sicherungsmaßnahmen, beispielsweise in Form einer Fertigstellungsgarantie bezie­hungsweise einer Bankgarantie oder Versicherung.

Es ist auch eine Neuregelung notwendig, weil sich Banken – und das hat sich in Tirol herausgestellt –, nämlich die Banken der Bauträger, regelmäßig im Konkursfall weigern, Liegenschaften pfandlastenfrei zu stellen, wenn der Erwerber nicht den gesamten Kaufpreis bezahlt hat, aber das Objekt nur zum Teil – ich betone: nur zum Teil! – errichtet ist.

Ein weiteres großes Problem, insbesondere, was Gewährleistungsprobleme betrifft, ist, dass die letzte Rate, wie es im Plan nach dem Bauträgervertragsgesetz enthalten ist, erst bei gänzlicher Fertigstellung der Einheit samt Außenanlagen nach Ablauf der Gewährleistungsfrist zu bezahlen ist.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich könnte natürlich die Liste der Bespiele noch erweitern. Ich glaube, dass wir im Justizausschuss auf Basis des vorliegenden Gutachtens diese Probleme diskutieren sollten und versuchen sollten,


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gemeinsam zu einer Regelung zu kommen, wie damals beim Bauträgervertragsgesetz. Es geht einerseits um geschädigte Konsumenten, und es geht andererseits um ge­schädigte unbesicherte Professionisten. Ich hoffe, dass wir gemeinsam zu einer Lösung kommen werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.49

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Franz. – Bitte.

 


21.49

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Der Antrag, das Bauträgervertragsgesetz zu ändern, zielt im Wesent­lichen, wie wir es schon gehört haben, darauf ab, dass gutgläubige Wohnungskäuferin­nen und -käufer bei einem allenfalls eintretenden Bauträgerkonkurs nicht geschädigt werden.

So stellte der OGH unlängst in einem Urteil fest, dass Absicherungen im derzeitigen Bauträgervertragsgesetz nur begrenzte Sicherheit bieten. Beispiele von Konkursen von Bauträgern – Kollege Maier hat schon einige genannt –, durch welche zahlreiche KonsumentInnen geschädigt wurden, haben die Lücken im bestehenden Gesetz deutlich aufgezeigt. Deshalb steht die ÖVP diesem Antrag offen und positiv gegenüber. (Beifall bei der ÖVP.)

Um die Lücken beim Erwerb einer Wohnung darzustellen, wurde die erwähnte Studie von der Arbeiterkammer Tirol in Auftrag gegeben. Universitätsprofessor Dr. Böhm hat die Lücken aufgezeigt. Eine der gravierendsten Schwächen dieses Gesetzes liegt, so denke ich, im grundbücherlichen Sicherungsmodell.

Auf Grund der Formulierung im Gesetz entstehen eben solche Probleme. Ich möchte das an einem Beispiel zum besseren Verständnis verdeutlichen: Der Bauträger geht in Konkurs, der Erwerber hat noch nicht den gesamten Kaufpreis gezahlt, das Objekt ist noch nicht fertig gestellt. In diesem Fall müsste der Erwerber zunächst die Bank des Bauträgers zufrieden stellen und den Bau auf eigene Kosten fertig stellen lassen.

Das sind natürlich problematische Verhältnisse. Wie bereits anhand einiger Beispiele aufgezeigt wurde, sind die Konkurse von Bauträgern keine Einzelfälle. Daher muss etwas getan werden, es besteht Handlungsbedarf.

Dieses Gesetz ist ein junges Gesetz, das einer Evaluierung bedarf. Deshalb soll es nicht nur punktuell überarbeitet, sondern auch einer Gesamtschau zugeführt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Es sollen all die Erfahrungen eingebracht werden, und im Bundesministerium soll dann auch die Studie von Dr. Böhm mit berücksichtigt werden, und dann soll das Ergebnis vorgelegt werden. Wir sind sicher alle froh, dass dies nun endlich geschieht, und ich bin überzeugt davon, dass dem Justizausschuss eine gute Lösung vorgelegt wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.52

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Neudeck. – Bitte.

 


21.52

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Grund­sätzlich ist von meinen Vorrednern schon das meiste zum Thema Bauträgervertrags­gesetz gesagt worden. Ich glaube auch, dass es sich dabei im Grunde genommen um ein gutes Gesetz handelt. Dass jetzt nach sieben Jahren Lücken, die es durchaus da oder dort gibt, zu schließen sind, ist klar. Es ist oft so, dass für die ordentlichen und gut


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arbeitenden Bauträger gar keine Notwendigkeit dafür besteht, aber vielleicht für diejenigen, die schon immer wussten, wo die Lücken waren. Das wird man nie ganz ausschließen können. Verbrechen und Betrügereien wird es immer geben, aber man muss die Schlupflöcher kleiner machen.

Zu der Studie möchte ich sagen: Ich glaube, dass die daraus gezogenen Schlüsse zum Teil nicht auf Fehler im Gesetz zurückzuführen sind, sondern darauf, dass da oder dort Banken oder Treuhänder die eine oder andere Lücke oder Auslegung genutzt haben und daher nicht in der Art und Weise vorgegangen wurde, wie es dem Gesetz entsprochen hätte.

Ich bin aber auch der Meinung, dass man diese Lücken schließen soll und die Leute nicht auf den Rechtsweg verwiesen werden sollen, denn dazu ist ja der Konsumen­tenschutzgedanke da. Im Bundesministerium für Justiz beschäftigt sich ein Arbeitskreis damit. Ich danke für die Anregung und glaube, dass man das im Justizausschuss und im Ministerium in den nächsten Wochen und Monaten gut behandeln wird. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.54

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


21.54

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie alle konnten hören, dass der Vorstoß des Kollegen Maier mit seinem Initiativantrag, eine Änderung des Bauträgervertragsgesetzes herbeizuführen, damit sowohl KonsumentInnen, WohnungswerberInnen, WohnungsinteressentInnen als auch Klein- und Mittelgewerbe, Professionisten, nicht mehr unter den Missständen leiden, die leider eingerissen sind, ein positives Echo gefunden hat.

Keine Frage, dass auch wir diesen Vorstoß begrüßen, keine Frage, dass wir froh sind, dass im Justizausschuss darüber diskutiert wird, aber es gilt, nicht nur die Defizite im Bauträgervertragsgesetz aufzuarbeiten, sondern darüber hinaus auch noch in die Bankenwelt zu schauen und dort den Hebel anzusetzen.

Ich glaube, auch das ist es wert, näher verfolgt zu werden. Ich hoffe, dass sich auch in diesem Bereich und bei dieser Materie ein Konsens erzielen lassen wird.

Ich bin neugierig, wann man – und das ist der offene Punkt – die Initiative des Kollegen Maier aufgreifen wird. Es soll nicht nur eine erste Lesung geben, sondern wir bräuch­ten auch eine Fristsetzung. Wir sollten uns auch dazu bekennen, dass wir noch in diesem Jahr im Justizausschuss diese wesentliche Materie in Angriff nehmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

21.55

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer. – Bitte.

 


21.55

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Die Ausführungen meiner Vorredner erleichtern meine Aufgabe beträchtlich. Ich freue mich, dass es im österreichischen Parlament wieder einmal möglich ist, ein Problem, das man willens ist zu erkennen, gemeinsam zu lösen, auch wenn der Antrag nicht von den Koalitionsparteien kommt. Ich hoffe, dass wir solche Sternstunden, meine Herren Klubobleute, noch öfter erleben können, denn dies ist mehr als notwendig.


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Meine Damen und Herren! Gerade für die ländliche Bevölkerung sind die Bauträger von eminenter Bedeutung. Sie leisten einen großen Beitrag zum sozialen Wohnbau. Wir brauchen diesen Beitrag, um für Otto Normalverbraucher zu Immobilien zu kom­men. Die Entscheidung, eine Wohnung anzukaufen – und diese Entscheidung ist schwer –, treffen die meisten Familien nur einmal. Sie brauchen unseren Schutz, und ich darf Sie bitten, diesen Schutz vorerst mit der 14-tägigen Rücktrittsfrist raschest umzusetzen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen und der ÖVP.)

21.57

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 454/A dem Justizausschuss zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Bures, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Prüfung der Gebarung des Bundesminis­teriums für Gesundheit und Frauen sowie des Bundesministeriums für soziale Sicher­heit und Generationen sowie des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger hinsichtlich der Planung, der Vorbereitungshandlungen, der Vertragsverhandlungen, der Vergaben sowie insgesamt der Durchführung des Projektes Chipkarte (e-card) ab der Einleitung eines entsprechenden Vergabeverfahrens durch Einladung von fünf Bewerbern zur Anbotslegung im Februar 2000.

Da dieser Antrag inzwischen an alle Abgeordneten verteilt wurde, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Doris Bures, Dr. Kräuter und KollegInnen gemäss § 33 GOG betref­fend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen den Antrag, einen Untersuchungsausschuss im Verhältnis V:5, S:4, F:1 und G:1 einzusetzen.

Gegenstand der Untersuchung:

Prüfung der Gebarung des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen sowie des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen sowie des Hauptverban­des der Sozialversicherungsträger hinsichtlich der Planung, der Vorbereitungshandlun­gen, der Vertragsverhandlungen, der Vergaben sowie insgesamt der Durchführung des Projektes Chipkarte (e-card) ab der Einleitung eines entsprechenden Vergabeverfah­rens durch Einladung von fünf Bewerbern zur Anbotslegung im Februar 2000.

Untersuchungsauftrag:

Der Untersuchungsausschuss soll durch Erhebung von mündlichen und schriftlichen Auskünften zum Untersuchungsgegenstand und durch Einsichtnahme in die Akten des


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Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen sowie des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen und des Hauptverbandes der Sozialversiche­rungs­träger im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand sämtliche Sach­verhalte auf rechtliche und politische Verantwortlichkeiten überprüfen.

Begründung:

Ursache für das bisherige Scheitern des Projektes Chipkarte war die Nichtausübung der Aufsichtspflicht durch die Aufsichtsbehörden. Der Höhepunkt der politischen „Verantwortungslosigkeit“ manifestierte sich in einer Auseinandersetzung hinsichtlich der Zuständigkeit für die Missstände in dieser Causa. So richteten sich Minister Haupt und Ministerin Rauch-Kallat wechselseitig über Nachrichtenagenturen aus, wer für die skandalösen Zustände bei der Durchführung des Projektes zuständig sei. Im Laufe dieser Auseinandersetzung wurde der staunenden Bevölkerung mitgeteilt, dass Minister Haupt sämtliche Problemstellungen bestens bekannt sind und darüber ein Bericht der internen Revision des BMSG und BMGF existiere.

Die Ausschreibung des Chipkarten-Projektes erfolgte im Jahr 2000 und wurde von externen Experten unter Mitarbeit von Bediensteten des Hauptverbandes durchgeführt. Erst Anfang 2001 gründete der Hauptverband die Sozialversicherungs-Chipkarten Betriebs- und Errichtungsgesellschaft mbH (SV-ChipBE). Der Aufsichtsrat der SV-ChipBE setzte sich aus Funktionären der Sozialversicherungsträger und der Privatwirtschaft zusammen. Der Hauptverband war im Aufsichtsrat nicht vertreten. In dieser Gesellschaft waren 2002 im Jahresdurchschnitt 17 Personen beschäftigt, 5 davon waren vom Hauptverband dienstzugeteilt. In einem Konzept des Haupt­verbandes aus dem Jahre 2000 wurden allerdings nur 7 Fachexperten für die zu errichtende Betriebsgesellschaft für notwendig erachtet. Nach Ansicht des Rech­nungshofes war der Personalstand viel zu hoch.

Im Jahre 2002 hatte der Hauptverband eine sogenannte Informationsaktion mit dem Hauptzweck gestartet, die persönlichen Daten der Sozialversicherten zu aktualisieren. Die Kosten beliefen sich auf insgesamt 3,6 Millionen Euro, diese sind aufgrund der Projektverzögerung als verlorener Aufwand anzusehen.

Der Hauptverband ließ im Frühjahr 2000 von einem externen Berater ein eigenes Handbuch für das Gesamtmanagement Chipkarte und einen Leitfaden für dieses Projekt erstellen. Grundlage war das für die Sozialversicherungsträger verbindliche EDV-Handbuch, das derselbe Berater erstellt hatte. Die Kosten für beide Unterlagen betrugen 62.000 Euro. Der Rechnungshof kritisierte weiters die Erstellung eines Gutachtens in nur 2 Tagen über die wirtschaftlichen Kosten eines Aufschubs der Auftragsvergabe des Chipkarten-Projektes um rund 4.400 Euro.

Ein Gutachten im Dezember 2000 über die Kostentragungspflicht bei dem Auftrag zur Entwicklung und Implementierung des Chipkarten-Systems durch die Sozialversiche­rungsträger wurde um rund 7.900 Euro durch den Hauptverband beauftragt. Die Feststellung der Kostentragungspflicht war absolut entbehrlich, weil der Hauptverband als Auftraggeber jedenfalls die Kosten zu tragen hat.

Die Bewertungskommission zur Prüfung der Anbote im Rahmen der Ausschreibung des Chipkarten-Projektes berechnete für die gesonderte Bezahlung von Wegzeiten den gleichen Satz wie für eine Arbeitsstunde, dies im Gesamtausmaß von 30.000 Euro.

Obwohl für die Gesamtbewertung des Bestbieters die Zeitdauer mit 20 % Gewichtung berücksichtigt wurde, ersuchte das beauftragte Bieterkonsortium EDS/ORGA bereits


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im April 2001 – vier Monate nach Auftragserteilung – um Verschiebung projektrelevan­ter Termine.

Angesichts der immer offensichtlicher werdenden Terminverzögerungen forderte die SV-ChipBE im März 2002 von der Bietergemeinschaft die Zahlung einer Konventional­strafe und beauftragte einen externen Gutachter zur Feststellung des Projektes Ist-Stand.

Bis zum Projektende (durch Auflösung des Vertrages) im Frühjahr 2003 wurden min­destens 6 Millionen Euro durch die SV-ChipBE erfolglos aufgewendet.

Nach Rücktritt des Hauptverbandes vom Vertrag mit EDS/ORGA erfolgte im August 2003 die Neuausschreibung des Chipkarten-Systems mit dem ersten von mehreren Teilprojekten.

Zu Beginn des neuen Projektes e-card gab es weder einen Beschluss der Geschäfts­führung des Hauptverbandes, noch eine Zustimmung des Aufsichtsrates der SV-ChipBE über das voraussichtliche Investitionsvolumen von weit über 100 Millionen Euro. Es ist nunmehr davon auszugehen, dass die voraussichtlichen Projektkosten (Errichtungskosten und Projektnebenkosten) mehr als 125 Millionen Euro betragen werden. Einen extrem hohen Kostenbestandteil stellen die Projektnebenkosten dar, die aus der Projektvergabe, Projektbegleitung und Projektkontrolle resultieren.

In der SV-ChipBE stieg die Zahl der Angestellten und Mitarbeiter auf Werkvertrags­basis im Jahr 2003 auf 25, bzw. im Jahr 2004 auf 45 Mitarbeiter. Ebenso ist für das Jahr 2004 ein Sachaufwand von rund 2,3 Millionen Euro für externe IT-Experten budgetiert. Die Gehälter der Beschäftigten dieses Errichtungsunternehmens liegen weit über jenen der Bediensteten des Hauptverbandes. So betrug der Gesamtbezug eines Prokuristen für „Leitung und Technik“ im Jahr 2003 rund 177.000 Euro.

Beauftragung eines Programmdirektors:

Ab Mai 2003 wurde aufgrund eines mündlichen Vertrages ein sogenannter „Programm­direktor“ beauftragt. Unklar war seine Stellung gegenüber den Geschäftsführern der SV-ChipBE und seine Weisungsbefugnisse.

Im Dezember 2003 wurde ohne Beachtung der Vorschriften nach dem Bundes­vergabegesetz ein schriftlicher Honorarvertrag des Programmdirektors mit der SV-ChipBE geschlossen und ein Gesamthonorarrahmen für seine Tätigkeit bis Ende 2005 mit 654.000 Euro veranschlagt. Ein Ausschreibungsverfahren nach dem Bundes­vergabegesetz wurde nicht durchgeführt.

Beauftragung einer Forschungsgruppe:

Durch den Hauptverband und später durch die SV-ChipBE wurde eine Forschungs­gruppe der TU Wien mit der Bezeichnung RISE, die sich später als Verein konstituierte anfangs ohne schriftliche vertragliche Vereinbarung beauftragt. Die Beauftragung über 2,3 Millionen Euro erfolgte als Direktvergabe und daher nicht nach den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes.

Die sechs Mitglieder der Kapitalvertreter des Aufsichtsrates traten daraufhin im Jänner 2004 von ihrer Funktion zurück. Für den Rücktritt nannten sie folgende Gründe:

1. die rechtswidrige Beauftragung der RISE;

2. die Verletzung der Informationspflicht der kaufmännischen Geschäftsführung gegen­über dem Aufsichtsrat;

3. mangelndes Kommunikationsvertrauen zwischen dem Gesellschafter Hauptverband und dem Aufsichtsrat, weil die Geschäftsführer des Hauptverbandes fallweise in die


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Geschäftsführung der SV-ChipBE eingegriffen haben, ohne den Aufsichtsrat vorher zu informieren.

Zusammenfassend besteht Kontrollbedarf im Bereich der Abwicklung des e-card-Projektes in nachfolgenden Punkten:

1. Aufgabenstellung und Beauftragung des Vereines Research Industriell Software Engeeniering (RISE)

2. Beauftragung der Dr. Helmut Bierbaumer OEG als Programmdirektor

3. Beauftragung und exakte Aufgabe eines „externen Projekt-Controllings“ und

4. Beendigung des Dienstvertrages mit dem Geschäftsführer der SV-ChipBE Mag. Theiler

Faktum ist, dass im Zuge des Projektes Chipkarte (später e-card) mehr als 25 Millionen Euro an externe Berater als sogenannte Projektnebenkosten geflossen sind bzw. budgetiert wurden. Für die flächendeckende Einführung der e-card fehlt nach wie vor ein vertraglicher Konsens zwischen dem Hauptverband und den Interessens­vertretungen (wie beispielsweise der Österreichischen Ärztekammer).

Dem österreichischen und europäischen Vergaberecht wurde in vielen Fällen zuwidergehandelt.

Die Kosten für das zweite e-card-Projekt gestalten sich wesentlich höher (bis zum angekündigten Probebetrieb im September 2006) als das im Frühjahr 2003 gescheiter­te Vorgängerprojekt.

Nur ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss kann die politische Verantwortung für das Scheitern der Bemühungen rund um die Einführung der e-card ebenso klären, wie Zahlungsflüsse unter den beteiligten Externen sowie die extreme Erhöhung der Projektnebenkosten.

Unter einem verlangen die unterzeichneten Abgeordneten gem. § 33 Abs. 2 GOG die Abhaltung einer kurzen Debatte über diesen Antrag.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gehen in die Debatte ein.

Im Sinne des § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit in dieser Debatte 5 Minuten, wobei die Erstredner zur Begründung über eine Redezeit von 10 Minuten verfügen. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zum Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält zunächst die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Bures. Ich erteile es ihr hiemit.

 


21.58

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion bringt heute einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Vorfälle rund um die Einführung einer Sozialversicherungskarte, einer Chipcard, einer E-card ein. Diese Karte hat ja schon mehrere Namen bekommen.

Wir fordern vor allem deshalb die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, weil seit dem Jahr 2000 – seither sind immerhin vier Jahre vergangen – rund um die Einführung dieser Sozialversicherungskarte ausschließlich Chaos herrscht und weil


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rund um die Einführung dieser Chipkarte massive Geldverschwendung auf Kosten der Steuerzahler und der Versicherten stattfindet.

Seit vier Jahren wird nun schon über diese Chipkarte gesprochen. Der Nationalrat hat das 1999 beschlossen, und eigentlich gibt es bis heute diesbezüglich gar nichts, weder einen Probebetrieb noch ein konkretes Konzept. (Abg. Donabauer: Das haben Sie auch erfolgreich verhindert!)

Das Einzige, was offensichtlich fix ist, ist der Umstand, dass Sie die Versicherten wieder zur Kasse bitten wollen. Das Einzige, was fix ist, ist die Tatsache, dass Sie im Jahre 2000 noch gesagt haben: Alle sollen 50 S dafür zahlen! Aber gleich darauf, nämlich im Jahre 2001, haben Sie gesagt: 10 € ist das Mindeste! (Abg. Donabauer: Das ist nicht das Thema!) Ihre Ministerin Rauch-Kallat hat jetzt ausrichten lassen, dass das zu wenig ist. (Abg. Donabauer: Sie haben es ja verhindert!)

Klar ist, dass etwas bezahlt werden muss, aber ein Produkt liegt nicht auf dem Tisch, dazu ist diese Regierung offensichtlich auch nicht in der Lage. (Beifall bei der SPÖ. – Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Seit dem Jahr 2000 gibt es seitens dieser Regierung und der zuständigen Ministerin nichts als Murks und nichts als Scheitern in dieser Frage, und ich glaube, dass es höchst notwendig ist, dass sich das Parlament damit befasst, was denn eigentlich die Ursachen des Scheiterns rund um das Projekt der Einführung der Chipkarte sind. – Es ist wichtig, dass man sich, wenn da Steuergelder verschleudert werden, die Frage stellt: Wer trägt denn die Verantwortung für diese Missstände, für diese Geldver­schwendung, für dieses Chaos, das es da gibt?

Ich finde es auch interessant, dass es offensichtlich in der Regierungsfraktion bei der Frage: Wer trägt die Verantwortung?, nichts anderes als gegenseitige Schuldzuweisun­gen gibt. Minister Haupt sagt, Ministerin Rauch-Kallat sei zuständig, und Ministerin Rauch-Kallat sagt, Minister Haupt sei es. Wenn die beiden von der Regierung nicht in der Lage sind, die Verantwortung dafür zu übernehmen, was offensichtlich der Fall ist, dann denke ich mir, dass es höchst an der Zeit ist, dass es einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss gibt, der genau das prüft, was sich die beiden Regierungs­mitglieder da gegenseitig an den Kopf werfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt nicht nur eine Kritik von Seiten der Opposition, die natürlich berechtigt ist, sondern es gibt auch eine Kritik seitens des Rechnungshofes, die da lautet: Die Ausschreibungen des Projekts stimmen nicht, es gibt Werbeaktionen aus dem Jahr 2002. – Es gibt keine Chipkarte, aber es gibt eine Werbeaktion, erstaunlich! Die kostet eh „nur“ 3,6 Millionen €! Aber für den Heizkosten­zuschuss haben Sie natürlich kein Geld. Wer ist denn verantwortlich dafür, dass da Millionen in den Sand gesetzt werden? – Der Rechnungshof kritisiert, dass es horren­de, nicht nachvollziehbare Beratungskosten gibt, und das Ganze setzt sich im Jahr 2003 fort.

Im Zusammenhang mit der Einführung einer an sich guten Idee – nämlich einer Chipkarte im Bereich der Sozialversicherung – gibt es seitens dieser Regierung nur Unregelmäßigkeiten, Chaos und Geldverschwendung, Nichteinhaltung von Vorschrif­ten von Bundesvergabegesetzen, massive Kosten, Kosten in Millionenhöhe.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, dass damit eindeutig klar ist, dass es da einen Kontrollbedarf gibt, dass es einen Untersuchungsbedarf rund um die Einführung der Chipkarte gibt, und es ist höchst an der Zeit, dass diejenigen, die für diese Geldverschwendung und für dieses Chaos verantwortlich sind, auch die politische Verantwortung dafür übernehmen. Ein parlamentarischer Untersuchungs-


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ausschuss – und wenn Sie nichts zu verbergen haben, dann stimmen Sie dem zu – könnte da Licht in das Dunkel bringen. (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Öllinger.)

22.03

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Kollege.

 


22.03

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Eigentlich könnte ich jetzt sofort meine Rede beenden (demonstrativer Beifall bei der SPÖ – Rufe: Zustimmung!) und sagen: Wir lehnen das ab!, denn eine so schwache Begründung habe ich selten erlebt in diesem Haus.

Mitbegründer ist ja Herr Abgeordneter Kräuter – ein Fußball-Kollege von mir. Lieber Günther! Du hast in einer Presseaussendung geschrieben: Schuss ins eigene Knie. – Ich würde sagen: Ein veritables Eigentor ist das, was ihr euch da selbst schießt!

Ihr fordert einen Untersuchungsausschuss zur Untersuchung der Vorkommnisse ab Februar 2000. Wisst ihr, wer damals Hauptverbandspräsident war, und das noch weitere 18 Monate? – Hans Sallmutter! (Oh-Rufe bei der ÖVP.) Hans Sallmutter! Und Hans Sallmutter hat mit der ÖVP wirklich nichts zu tun – ich muss ihn hier offenbar gegen euch selbst verteidigen!

Die EDS/ORGA hat damals das Verfahren gewonnen. 27 Verfahren wurden gegen dieses Bieterverfahren angestrebt – all hat der Hauptverband gewonnen; ich verteidige ihn ja da direkt. Die EDS konnte den Vertrag nicht erfüllen, es wurde ein Pönale fällig. Es ist also ein in der Wirtschaft unangenehmer, aber üblicher Vorgang, den Sie skandalisieren. Sie skandalisieren das!

Jetzt hatte Herr Kandlhofer, den Sie als rücktrittsreif bezeichnen,18 Monate Zeit. Ich sage. Er hat in den 18 Monaten – wenn Sie nur einen Funken an Fairness haben, geben Sie das zu – sehr viel gemacht. Elf Jahre dauerte das Projekt, liebe Frau Bures! Elf Jahre, nicht vier Jahre! Und von den elf Jahren ist außer Chaos jetzt wirklich nichts geblieben.

Wie schaut es heute aus? – Sie haben kein einziges Faktum hier auf den Tisch gelegt. Statt 125 Millionen € kostet es 116 Millionen €. Jetzt sage ich, und auch Sie sagen das: Das ist alles zu viel! – Wissen Sie, wie viel die deutsche Chipkarte kostet, die auch in Verzug ist, weil man das ein bisschen unterschätzt? – Die kostet 1,8 Milliarden D-Mark! Dividieren Sie das einmal durch zehn, dann kommen Sie auf 180 Millionen €, also ist die österreichische Chipkarte um etwa 60 Millionen € – ich betone: um 60 Millionen €! – billiger, oder um ein Drittel; das wüssten Sie, wenn Sie im Mathematikunterricht anwesend gewesen wären. (Abg. Broukal: Bei der D-Mark wird nicht durch zehn dividiert!)

Sie sagen, es geht nichts weiter. – Am 13. Dezember geht die Chipkarte in Muster­betrieb, und Ende nächsten Jahres ist der Rollout in Österreich. 18 Monate haben wir saniert – oder Herr Kandlhofer und der Hauptverband, ich möchte das ja nicht mir als Federl an den Hut stecken –, und das Projekt ist verbessert! Das Projekt ist verbessert, liebe Frau Bures! Erstens: Es ist online. Zweitens: Es ist auch die Bürgercard. Drittens: Es ist auch das e-Rezept, es gibt einen Vertrag mit der Ärztekammer.

Also alles, was Sie da hineingeschrieben haben, ist wirklich ein Fall für die Märchenstunde! Wir können einem solchen Antrag ja gar nicht guten Gewissens zustimmen, denn wir wollen ja arbeiten und es soll etwas weitergehen.


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Zur Absicherung – und das ist wirklich scherzhaft – Ihres Antrages nennen Sie als Grund einen Prokuristen, der 177 000 € für Leitung und Technik bekommt. – Den haben Sie eingesetzt!

Sie bezeichnen weiters einen Honorarvertrag von 653 000 als veranschlagt. – Veranschlagt heißt nicht abgerechnet! Wissen Sie, wie viel von den 653 000 € abgerechnet wurde? – 93 000 €! – Herr Kräuter, in einem Rechnungshofausschuss sollte man schon ein bisschen mehr recherchieren, damit die Vorwürfe doch ein wenig Substanz haben!

Drittens: Die TU-Forschungsgruppe hat um 2,3 Millionen € Know-how geliefert. Ohne dieses wäre das Projekt, sagen die Experten, gar nicht durchführbar gewesen. – Jawohl, bei Gefahr in Verzug kann man solche Aufträge vergeben.

Das Projekt steht nach 18 Monaten, und was noch besser ist, es steht besser, als Sie es elf Jahre vorher zusammengebracht haben. Ich bleibe dabei – ich bleibe dabei! –: Herr Kandlhofer, Herr Schörghofer und das Team im Hauptverband – im Haupt­verband! – haben saniert, haben in 18 Monaten mehr zusammengebracht als in elf Jahren vorher.

Ich verstehe, dass man in einer Dunstwolke von Verdächtigungen die Wahrheit nicht gerne sehen will – sie ist auch peinlich, wenn ich mir diesen Untersuchungs­ausschuss­antrag anschaue. Sie wollen Wirbel – wir wollen, dass etwas weitergeht!

Wir werden mit gutem Gewissen diesem Antrag nicht zustimmen: Nicht wir haben uns ins eigene Knie geschossen, Herr Kräuter, sondern Sie haben sich ein veritables Eigentor geschossen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.08

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. 5 Minuten. – Bitte.

 


22.08

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Also, lieber Fußball-Kollege Erwin Rasin­ger! So einfach kann man es sich auf gar keinen Fall machen. Ich empfehle dringend eine Recherche und eine Lektüre des Rechnungshofberichtes und des Berichtes der Innenrevision. Wenn man das durchliest, lieber Kollege Rasinger, dann kann man solch eine Rede nicht halten – das ist völlig unmöglich! (Beifall bei der SPÖ.)

Lieber Erwin Rasinger, zum vielgelobten Herrn Kandlhofer, dem Sanierer, der deiner Meinung nach alles in Ordnung gebracht hat, kann ich dir sagen: Dieser Mann hat einen glatten Rechtsbruch begangen, der hat gegen das Bundesvergabegesetz ver­stoßen, und zwar mehrfach! Weißt du, was er dazu sagt? – Er sagt, der Rechnungshof stelle auf formelle Dinge ab und man könne nicht immer nach der Maria-There­sianischen Kanzleiordnung vorgehen. (Bravorufe bei der ÖVP.) – Ja, meine Damen und Herren, der Mann ist ja mit dem Rechtsstaat auf Kriegsfuß! Diese Aussage allein rechtfertigt ja einen Untersuchungsausschuss! Jemand, der solche öffentliche Stellung­nahmen abgibt, ist untragbar! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Das darf nicht wahr sein!)

Kollege Rasinger! Aber was macht er? – Kandlhofer wehrt sich gegen die Vorwürfe: Kein Cent und kein Euro ist unnötig verbraten worden. – Ja, Erwin Rasinger, was war denn im ersten Halbjahr 2002 mit der Fragebogenaktion, mit der Werbekampagne? Was schreibt in der „Presse“ Herr Ettinger – das ist übrigens kein finsterer Genosse – dazu? – Ettinger schreibt:

„Inzwischen ist daraus aber ein Paradebeispiel geworden, wie mit Geld aus Beiträgen der Versicherten sorglos herumgeschleudert wird: Denn im Vorjahr sind sogar in teuren


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TV-Spots bereits die Vorteile der Karte gepriesen worden. Versicherte und Patienten dürfen sich gefoppt fühlen.“ – Zitatende.

Das, meine Damen und Herren, soll keinen Untersuchungsausschuss rechtfertigen?!

Oder: Im Jahre 2004 schreibt die „Presse“: „Richtig teure Fehlleistungen betreffend die Informationsaktion. Mit dem Ziel, die persönlichen Daten der Sozialversicherten zu aktualisieren, hatte der Hauptverband rund 3,6 Millionen € im Jahr 2002 ausgegeben, obwohl schon das Jahr zuvor Verzögerungen für die Fertigstellung der e-Card abzusehen waren.“ – Zitatende.

Wider besseres Wissen ist Geld ausgegeben worden. – Und das soll keinen Unter­suchungsausschuss rechtfertigen?!

Meine Damen und Herren! Es gibt einen besonders „tollen“ Aufdecker in dieser Sache, nämlich Dr. Jörg Haider, der groß aufgetreten ist, mit massiven Vorwürfen gegen die ÖVP. Ich habe mir dann erlaubt, Herrn Dr. Haider einzuladen, damit er als Auskunfts­person vor dem Rechnungshofausschuss aussagt.

Jetzt kurz zu einer Chronologie eines Eiertanzes bezüglich Chipkarte. – „Jörg Haider will vor RH-Ausschuss nicht aussagen.“ – 10.51 Uhr, 10. September.

14.37 Uhr: „Landeshauptmann Jörg Haider erklärt, er nehme die Einladung von Rechnungshofsprecher Günther Kräuter gerne an und sei selbstverständlich bereit, vor dem Rechnungshof-Ausschuss zur Causa ,Chipkarte‘ auszusagen.“

Haider wiederholt: „Werde FPÖ-Mandatare auffordern, für meine Ladung zu stimmen.“ Und dann heißt es: „Scheuch“ – also der Generalsekretär – „verwies darauf, dass Haider seine Bereitschaft, vor dem Rechnungshofausschuss zur Causa Chipkarte auszusagen, heute wieder erneuert habe. ,Kräuter muss nur eine Einladung aus­sprechen.‘“ – Kollege Scheuch, das habe ich am Mittwoch, dem 22. September, getan! – Ergebnis: Die FPÖ hat die Ladung von Dr. Jörg Haider abgelehnt!

Ich habe dann gemeint: „Haider hat nur eine große Klappe, aber es ist nichts dahinter.“ Es sei „letztklassig und erbärmlich“, habe ich weiter gesagt, wenn er sich so aufführt. Wissen Sie, was die Frau Bleckmann dann gemeint hat? – Selbstverständlich wird der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider, sollte er von der FPÖ in diesem Zusam­menhang in den Rechnungshofausschuss eingeladen werden, einer Einladung Folge leisten. – Soweit Frau Bleckmann.

Wissen Sie, meine Damen und Herren, was das Ende dieser Schmierenkomödie war, und zwar am 6. Oktober? – Die SPÖ und die Grünen haben für die Ladung von Dr. Jörg Haider gestimmt und die ÖVP und die FPÖ dagegen, obwohl Haider zuvor wörtlich gesagt hat, „ich werde die FP-Mandatare auffordern, für meine Ladung zu stimmen“.

„Die Schaumschlägerei des SPÖ-Rechnungshofsprechers Günther Kräuter ..., Haider traue sich nicht vor dem Rechnungshofausschuss auszusagen, sei für Haider damit unangebracht“, heißt es weiter.

Was ist der Hintergrund, meine Damen und Herren? – Jörg Haider steckt über beide Ohren mit drinnen. Elisabeth Sickl, Herbert Haupt, Reinhart Gaugg, Beate Hartinger – ein Skandal der FPÖ, ein Skandal der ÖVP. Ein Untersuchungsausschuss ist mehr als berechtigt! (Beifall bei der SPÖ.)

22.13

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rosenkranz. Auch sie hat 5 Minuten gesetzliche Redezeit. – Bitte, Frau Kollegin.

 



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22.13

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Sie verfügen wirklich über eine exzellente Phantasie, Herr Abgeordneter Kräuter! Was Sie hier geboten haben, Frau Abgeordnete Bures, war nicht nur dünn, sondern politisch irgendwie eigenartig, denn dass Sie Ihren Herrn Sallmutter so in Bedrängnis bringen wollen, nimmt doch einigermaßen wunder.

Aber es war vor allem auch vieles falsch, denn über die Chipkarte wird nicht seit vier Jahren erfolglos geredet, sondern der erste Feldversuch stammt aus dem Jahre 1993. Der Sozialminister, der damals dafür verantwortlich war, war Hesoun.

Den ersten Beschluss im Parlament gab es 1996. Die Chipkarte sollte dann 1998 kommen. Bereits 1997 kam es zur ersten Verschiebung, man hat es auf das Jahr 2000 gelegt. (Abg. Riepl: Warum fangen Sie nicht bei den fünfziger Jahren an zu erzählen?) So gesehen ist es mittlerweile eigentlich ziemlich weit gediehen.

Sie haben sieben Jahre Zeit gehabt und haben es nicht zusammengebracht. Jetzt werden Sie vielleicht kritisieren, dass sie nach vier Jahren noch nicht da ist – wenngleich auch das lange ist. (Abg. Dr. Kräuter: Was ist mit Haider?)

Aber zurück zum eigentlichen Antrag und zur Sache. – Ich darf Sie darauf hinweisen, dass der Bundesminister für Soziales im Jänner 2003 eine Initiative gesetzt hat, um Missstände, von denen er Kenntnis erlangt hat, aufzuklären. Er hat eine interne Prüfung veranlasst, und die Ergebnisse dieser Prüfung haben ihn dazu gebracht, den Rechnungshof anzuregen, hier weiter zu prüfen.

Dieser Prüfbericht liegt nunmehr zur Stellungnahme beim Hauptverband vor. Wie Sie wissen, ist das Verfahren noch im Gang, es gibt noch kein Endergebnis. Weitere Maß­nahmen sind also derzeit absolut nicht angebracht und eigentlich sinnwidrig. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.15

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzter Redner: Herr Abgeordneter Öllinger. Auch ihm stehen 5 Minuten zur Ausschöpfung bereit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


22.15

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Danke, Herr Präsident – Das ist ja interessant: Seit wann gibt es das Problem mit der Chipkarte? Da haben wir alleine hier herinnen schon mehrere Versionen gehört: 1993, 1996, 1999. Jetzt glaube ich zwar, dass es nicht die Aufgabe eines Untersuchungsausschusses wäre, zu prüfen, seit wann es das Projekt Chipkarte gibt, aber das alleine belegt ja schon, dass da sehr viel Unwissenheit im Spiel ist.

Ich verstehe aber auch auf der anderen Seite, dass die Regierungsparteien große Schwierigkeiten haben, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, ganz egal zu welchem Thema, denn die Regierungsparteien, ÖVP und FPÖ, haben es geschafft, in der letzten Legislaturperiode einen Untersuchungsausschuss einzusetzen und gleich­zeitig zu versenken, einen Untersuchungsausschuss, der über zwei Jahre gearbeitet hat – und teilweise nicht schlecht gearbeitet hat. Trotzdem haben es die Regierungs­parteien, deren erklärtes Ziel es war, das Sozialministerium und damit die Vergan­genheit, sprich: die SPÖ, anzuschwärzen, nicht geschafft, irgendein Ergebnis zu erzielen. Also dass Sie sich schwer tun mit einem Untersuchungsausschuss, verstehe ich schon, nur: Der Untersuchungsausschuss hätte schon seine Berechtigung!

Mich wundert es, dass bestimmte Namen – einige sind ja schon gefallen – noch nicht genannt wurden. Da sind etwa, nachdem der Herr Sallmutter als Präsident des Hauptverbandes von dieser Bundesregierung, wie sich jetzt herausstellt, in einem unrechtmäßigen und verfassungswidrigen Verfahren per Gesetz abgelöst wurde, drei


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Geschäftsführer eingesetzt worden. Und der Vorsitzende dieses Gremiums war und ist der Herr Kandlhofer; er wurde schon genannt. Aber wer noch nicht genannt wurde von den zunächst drei eingesetzten Geschäftsführern, das ist der Herr Nischelbitzer.

Der Herr Nischelbitzer kommt aus Kärnten und ist sozusagen, obwohl er irgendwie der SPÖ zugeschrieben wird, auf dem „Haider-Ticket“ in den Hauptverband gekommen. Die Qualifikation des Herrn Nischelbitzer? – Unbekannt. Aber seine primäre Aufgabe im Hauptverband war das Projekt Chipcard. (Abg. Neugebauer: Wäre gewesen!) Ja, da lächelt ein Wissender!

Der Herr Nischelbitzer ist 2002 bestellt worden. Aber Ende 2002 sagte der Herr Nischelbitzer: Tschüss, das war zuviel für mich! Er ließ sich wunderbar abfertigen und schlich sich aus dem Hauptverband als Geschäftsführer davon!

Doch die Regierungsparteien, die ihn bestellt haben, Herr Kollege Rasinger, sagen: Wir brauchen halt einen neuen! – Das ist ein unglaublicher Vorgang!

Sie haben schon Recht, Herr Kollege Rasinger, auch mit Ihrer Verteidigung des Kollegen Sallmutter, aber den Herrn Nischelbitzer nicht einmal zu erwähnen, obwohl er in einer ganz kritischen Phase – EDS/ORGA – dafür verantwortlich war und eigentlich auch innerhalb des Hauptverbandes für die Publikumsinformation verantwortlich war und dafür, dass bei EDS, glaube ich, einer seiner Verwandten in einer verantwortlichen Stellung tätig war, das erzeugt keine gute Optik. Genau deshalb wurde über den Herrn Nischelbitzer, als er weg war, nicht mehr gesprochen.

Herr Nischelbitzer hat in dieser Tätigkeit viel Zeit und viel Geld gekostet. Er ist nicht allein das Problem, das wissen wir, aber es wäre wert, diese Causa Chipcard zu untersuchen, weil auch wir sehr viel daraus lernen könnten und sollten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.19

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Bures, Kolle­ginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, dies durch ein Zeichen zu bekunden. – Der Antrag findet nicht die ausreichende Mehrheit. Er ist daher abgelehnt.

Einlauf

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 455/A bis 458/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 2192/J bis 2203/J eingelangt.

*****

Ich möchte darauf hinweisen, dass, bevor ich die Sitzung schließe, noch eine wichtige Mitteilung folgt.

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Donnerstag, den 14. Oktober, 9 Uhr, ein. Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen. Die Sitzung wird mit einer Aktuellen Stunde eingeleitet werden und ohne Unterbrechung, also ohne Mittagspause, durchgeführt werden. (Allgemeiner Beifall und Bravorufe.)


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Die beiden durchgeführten Versuche haben gezeigt, dass unsere Infrastruktur nicht in der Lage ist, eine 30-Minuten-Mittagspause zu meistern. (Abg. Broukal: Das sagen wir immer: Es fehlt an der Infrastruktur!) Ich habe daher die Klubobleute, die Zweite Präsidentin und den Dritten Präsidenten befragt: Wir waren alle einhellig der Meinung, dass wir in einem Irrtum nicht verharren sollen, damit wir keinen Fehler machen. Daher ist das Experiment beendet. – Der allgemeine Beifall zeigt, dass ein Präsident Ihnen allen leicht eine Freude machen kann. (Heiterkeit.)

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 22.21 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien