Stenographisches Protokoll

92. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 22. Dezember 2004

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 


Stenographisches Protokoll

92. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode        Mittwoch, 22. Dezember 2004

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 22. Dezember 2004: 10.30 – 14.05 Uhr

*****

Tagesordnung

Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates

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Inhalt

Nationalrat

Ansprache des Präsidenten Dr. Andreas Khol ......................................................... 66

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 8

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 10

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ....................................................................................................... 8

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel betreffend Enthebung des Bundesministers für Landesverteidigung Günther Platter von der Betrauung mit der Leitung des Bundesministeriums für Inneres sowie Ernennung von Frau Liese Prokop zur Bundesministerin für Inneres durch den Bundespräsidenten    ................................................................................................................................. 8

Rechnungshof

Verlangen gemäß § 32e Abs. 2 der Geschäftsordnung betreffend Prüfung der Verkehrs- und Infrastrukturpolitik seit dem Jahr 2000 hinsichtlich der Bereiche Straße und Schiene, insbesondere die Finanzierung des „Generalverkehrs­pla­nes“ sowie Management-, PPP- und LKW-Maut-Problemstellungen der ASFINAG durch den Ständigen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses ....................              10


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92. Sitzung / Seite 2

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................... 9

Verhandlungen

Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates               ............................................................................................................................... 11

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..................................................................... 11

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäfts­ordnung                   8

Redner/Rednerinnen:

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 15

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 20

Dr. Alexander Van der Bellen ..................................................................................... 24

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 29

Bundesministerin Liese Prokop ................................................................................. 33

Mag. Norbert Darabos ................................................................................................. 36

Dr. Werner Fasslabend ................................................................................................ 38

Dr. Peter Pilz ................................................................................................................. 40

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................... 42

Vizekanzler Hubert Gorbach ....................................................................................... 44

Dr. Caspar Einem ......................................................................................................... 46

Günter Kößl .................................................................................................................. 48

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................... 49

Dr. Reinhard Eugen Bösch ......................................................................................... 50

Mag. Gisela Wurm ........................................................................................................ 51

Karlheinz Kopf .............................................................................................................. 53

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................... 54

Markus Fauland ............................................................................................................ 56

Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik ...................................................................... 57

Rudolf Parnigoni .......................................................................................................... 59

Matthias Ellmauer ........................................................................................................ 61

Theresia Haidlmayr ...................................................................................................... 62

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................... 63

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Volksabstimmung über einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union – Annahme (E 87) .......................................................................................................................  23, 65

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine österreichische Initiative für die Ein­führung einer europaweiten Volksabstimmung über europäische Fragen – Ableh­nung ...........................................................................  28, 65

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend EU-Beitritt der Türkei – Ablehnung ..................................................................................................  51, 65

Eingebracht wurden

Petitionen ........................................................................................................................ 9


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92. Sitzung / Seite 3

Petition „Gegen die drohende Schließung der Postämter in Pottenbrunn, St. Georgen und Spratzern“ (Ordnungsnummer 43) (überreicht vom Abgeord­neten Anton Heinzl)

Petition „Für die Erhaltung des Postamtes 3202 Hofstetten/Pielach“ (Ordnungs­nummer 44) (überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl)

Petition betreffend „Einhaltung der Luftgrenzwerte nach IG-L und Verbesserung des UVP-Gesetzes“ (Ordnungsnummer 45) (überreicht von der Abgeordneten Heidemarie Rest-Hinterseer)

Petition betreffend „Berufsgesetz für SozialarbeiterInnen“ (Ordnungsnummer 46) (überreicht von den Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, DDr. Erwin Nieder­wieser, Gerhard Reheis)

Petition betreffend „Ablehnung der beabsichtigten Schließung von Postämtern im Bezirk Braunau“ (Ordnungsnummer 47) (überreicht von der Abgeordneten Ma­rianne Hagenhofer)

Petition betreffend „Für die Erhaltung des Postamtes 3053 Brand Laaben“ (Ord­nungsnummer 48) (überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl)

Petition betreffend „Für die Erhaltung des Postamtes 3124 Wölbling“ (Ord­nungsnummer 49) (überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl)

Petition betreffend „Für die Erhaltung des Postamtes 3142 Perschling“ (Ord­nungsnummer 50) (überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl)

Bürgerinitiative .............................................................................................................. 9

Bürgerinitiative betreffend „Steinbruch Pfaffenberg“ (Ordnungsnummer 23)

Regierungsvorlage ...................................................................................................... 10

781: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Volksrepublik China über die gegenseitige Anerkennung von Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich

Berichte ......................................................................................................................... 10

III-112: Tätigkeitsbericht über das Verwaltungsjahr 2003; Rechnungshof

III-115: Bericht gemäß Art. I § 8 Bezügebegrenzungsgesetz für die Jahre 2002 und 2003; Rechnungshof

Anträge der Abgeordneten

Mag. Ulrike Lunacek, Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lage in Sudan/Darfur (496/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Konsumentenschutzgesetz geändert wird (497/A)

Dr. Johannes Jarolim, Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend die mögliche Benachteiligung von ohne PartnerInnen lebenden Frauen und lesbischen Partnerinnenschaften im Fortpflanzungsmedizingesetz (498/A) (E)


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92. Sitzung / Seite 4

Mag. Ulrike Lunacek, Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine österreichische Initiative für das Verbot von Streubomben und Streumunition (499/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Anlaufstelle für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder (Kinder­schutzgruppen und Frauenschutzgruppen) in Österreichs Spitälern (2431/J)


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92. Sitzung / Seite 5

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Anlaufstelle für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder (Kinderschutzgruppen und Frauenschutzgruppen) in Österreichs Spitälern (2432/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Anlaufstelle für von Gewalt betrof­fene Frauen und Kinder (Kinderschutzgruppen und Frauenschutzgruppen) in Öster­reichs Spitälern (2433/J)

Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Besteuerung von Genussscheinen (2434/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Erhöhung der Personalkosten der ÖBB (2435/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die nach wie vor bestehenden lebensgefähr­lichen Sicherheitsdefizite an österreichischen Eisenbahnkreuzungen (Artikel „An ihren Händen klebt Blut“) (2436/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Rechnungs­hofes betreffend die zu hohen Kosten für die Sicherung von österreichischen Eisenbahnkreuzungen (2437/J)

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Mega-Stau in Graz wegen Selbstbeweih­räucherung des Verkehrsministers (2438/J)

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Einrichtung einer Fahrradspur im Zuge der Errich­tung der Donaubrücke Traismauer (2439/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „tief fliegende Laptops in der Herrengasse“ (2440/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend neuerliche Verschiebung des Aus- bezie­hungs­weise Neubaues des Hauptbahnhofes Salzburg – unerträgliche Diskriminierung der Festspiel- und Landeshauptstadt Salzburg (2441/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Betriebsprämie für Berg­bauern“ (2442/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend „Ermordung von über 4 000 italienischen Soldaten auf Kefa­lonia durch die deutsche Wehrmacht (Edelweis-Division)“ (2443/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Ergebnisse und Konsequenzen der Klimakonferenz in Buenos Aires (2444/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Ermordung von über 4 000 italienischen Soldaten auf Kefalonia durch die deutsche Wehrmacht (Edelweis-Division)“ (2445/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Reisepässe im Jahr 2004“ (2446/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Ver­fas­sungsdienst und die vom VfGH aufgehobenen Gesetze und Gesetzes­bestim­mun­gen der schwarz-blauen Bundesregierung“ (2447/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Postgeheimnis und Trade Act 2002 (2448/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Postgeheimnis und Trade Act 2002 (2449/J)

Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend die Schließung des Gendarmeriepostens Ennsdorf (2450/J)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend fragwürdige Schulbuchaktion „Wie funktioniert Wirtschaft wirklich?“ (2451/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Abfragen durch das Bundesministerium für Finanzen (2452/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (2187/AB zu 2192/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2188/AB zu 2208/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2189/AB zu 2223/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2190/AB zu 2275/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2191/AB zu 2277/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2192/AB zu 2281/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2193/AB zu 2207/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen (2194/AB zu 2199/J)


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92. Sitzung / Seite 6

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2195/AB zu 2209/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen (2196/AB zu 2214/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Heidemarie Rest-Hinterseer, Kolleginnen und Kollegen (2197/AB zu 2222/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2198/AB zu 2206/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen (2199/AB zu 2212/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen (2200/AB zu 2241/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen (2201/AB zu 2236/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Gerhard Steier, Kolleginnen und Kollegen (2202/AB zu 2219/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen (2203/AB zu 2250/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen (2204/AB zu 2291/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen (2205/AB zu 2313/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen (2206/AB zu 2240/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen (2207/AB zu 2217/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (2208/AB zu 2229/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen (2209/AB zu 2233/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (2210/AB zu 2243/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (2211/AB zu 2268/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen (2212/AB zu 2220/J)


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92. Sitzung / Seite 7

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen (2213/AB zu 2226/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2214/AB zu 2224/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Erwin Kaipel, Kolleginnen und Kollegen (2215/AB zu 2227/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Anita Fleckl, Kolleginnen und Kollegen (2216/AB zu 2228/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abge­ordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (2217/AB zu 2253/J)



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Beginn der Sitzung: 10.30 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweite Präsidentin Mag. Barbara Prammer.

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Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Die 92. Sitzung des National­rates ist eröffnet.

Ich darf die Damen und Herren im Hohen Haus sehr herzlich begrüßen. Besonders begrüße ich den Herrn Landeshauptmann von Niederösterreich Erwin Pröll und den Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages Edmund Freibauer. Herzlich will­kom­men, meine Herren! (Allgemeiner Beifall.)

Die Amtlichen Protokolle der 89. Sitzung vom 9. und 10. Dezember sowie der 90. und 91. Sitzung vom 10. Dezember 2004 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Lentsch, Dr. Spindelegger, Heinisch-Hosek, Wimmer und Dr. Bleckmann.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser wird durch Staatssekretär Dr. Alfred Finz vertreten.

Einlauf

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ferner liegt mir ein Schreiben des Herrn Bundes­kanzlers mit folgendem Wortlaut vor:

„Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 22. Dezember 2004, GZ 3000.000/4-BEV/2004, den Bundesminister für Landesver­teidi­gung Günther Platter von der gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Arti­kel 77 Absatz 4 Bundes-Verfassungsgesetz ausgesprochenen Betrauung mit der Lei­tung des Bundesministeriums für Inneres enthoben hat.

Gleichzeitig hat der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz Frau Liese Prokop zur Bundesministerin für Inne­res ernannt.“

Ich begrüße Frau Bundesministerin Liese Prokop respektvoll im Hohen Haus! (Allge­meiner Beifall.)

*****

Der Herr Bundeskanzler hat seine Absicht bekannt gegeben, eine Erklärung gemäß § 19 Abs. 2 der Geschäftsordnung abzugeben.

Es liegt ein Verlangen von fünf Abgeordneten vor, über diese Erklärung gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung sogleich eine Debatte durchzuführen.


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Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 2431/J bis 2440/J.

2. Anfragebeantwortungen: 2187/AB bis 2217/AB.

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 43 „Gegen die drohende Schließung der Postämter in Pottenbrunn, St. Georgen und Spratzern“, überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl,

Petition Nr. 44 „Für die Erhaltung des Postamtes 3202 Hofstetten/Pielach“, überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl,

Petition Nr. 45 betreffend „Einhaltung der Luftgrenzwerte nach IG‑L und Verbesserung des UVP-Gesetzes“, überreicht von der Abgeordneten Heidemarie Rest-Hinterseer,

Petition Nr. 46 betreffend „Berufsgesetz für SozialarbeiterInnen“, überreicht von den Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, DDr. Erwin Niederwieser, Gerhard Reheis,

Petition Nr. 47 betreffend „Ablehnung der beabsichtigten Schließung von Postämtern im Bezirk Braunau“, überreicht von der Abgeordneten Marianne Hagenhofer,

Petition Nr. 48 betreffend „Für die Erhaltung des Postamtes 3053 Brand Laaben“, überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl,

Petition Nr. 49 betreffend „Für die Erhaltung des Postamtes 3124 Wölbling“, überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl,

Petition Nr. 50 betreffend „Für die Erhaltung des Postamtes 3142 Perschling“, überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl,

Bürgerinitiative Nr. 23 betreffend „Steinbruch Pfaffenberg“.

Zuweisungen auf Ersuchen des Ausschusses für Petitionen und Bürger­initiati­ven an andere Ausschüsse:

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Petition Nr. 23 betreffend „St. Georgen ein zweites Traiskirchen?“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann,

Petition Nr. 25 betreffend „Resolution für eine Konkretisierung der Verpflegung für Zivil­dienstleistende“, überreicht von der Abgeordneten Theresia Haidlmayr;

Unterrichtsausschuss:

Bürgerinitiative Nr. 19 betreffend „Sicherstellung der Schulqualität an Österreichs Pflichtschulen“;


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Verfassungsausschuss:

Petition Nr. 27 betreffend „Eine Resolution für die Wiedereinführung der einkommens­unabhängigen Gebührenbefreiung für gehörlose und gehörbeeinträchtigte Menschen“, überreicht von der Abgeordneten Theresia Haidlmayr,

Bürgerinitiative Nr. 21 betreffend „Eine Volksabstimmung über die Ratifizierung des EU-Verfassungsvertrages (Vertrag über eine Verfassung für Europa)“;

Verkehrsausschuss:

Petition Nr. 43 „Gegen die drohende Schließung der Postämter in Pottenbrunn, St. Georgen und Spratzern“, überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl,

Petition Nr. 44 „Für die Erhaltung des Postamtes 3202 Hofstetten/Pielach“, überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl,

Bürgerinitiative Nr. 13 betreffend „Rettung des Augebiets zwischen Krems, Grafen­wörth und Traismauer – Verhinderung der Donaubrücke bei Traismauer samt zugehö­riger Trassenführung“;

Wirtschaftsausschuss:

Petition Nr. 32 betreffend „Resolution Helft den Helfern“, überreicht von den Abgeord­neten Mag. Gisela Wurm, Dietmar Keck und Mag. Christine Muttonen,

Bürgerinitiative Nr. 15 betreffend „Aus für die dreckige Kohle“.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Rechnungshofausschuss:

Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes über das Verwaltungsjahr 2003 (III-112 d.B.),

Bericht des Rechnungshofes gemäß Art. I § 8 Bezügebegrenzungsgesetz für die Jahre 2002 und 2003 (III-115 d.B.);

Ausschuss für Wissenschaft und Forschung:

Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Volksrepublik China über die gegenseitige Anerkennung von Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich (781 d.B.).

C) Verlangen gemäß § 32e Abs. 2 GOG:

Verlangen der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen auf Prü­fung der Verkehrs- und Infrastrukturpolitik seit dem Jahr 2000 hinsichtlich der Bereiche Straße und Schiene, insbesondere die Finanzierung des „Generalverkehrsplanes“ sowie Management-, PPP- und LKW-Maut-Problemstellungen der ASFINAG (Einge­langt am 20. Dezember 2004).

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer und Gestaltung der Debatte erzielt.


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Folgende Redezeitordnung wurde für die Debatte von 10.30 Uhr bis 13 Uhr festgelegt: Erklärung des Bundeskanzlers 15 Minuten, anschließend je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 15 Minuten, sodann die Wortmeldung der Bundesministerin für Inneres 10 Minuten, in weiterer Folge je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 8 Minuten Rede­zeit, anschließend die Wortmeldung eines weiteren Regierungsmitgliedes mit 8 Minu­ten, ferner je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 5 Minuten Redezeit.

Für die Zeit von 13 Uhr bis 14 Uhr wird folgende Redezeit vereinbart: Je eine Wort­meldung pro Fraktion mit 7 Minuten, danach Wortmeldung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten mit 7 Minuten, und schließlich wieder je eine Wortmel­dung der Fraktionen mit 6 Minuten Redezeit.

Tatsächliche Berichtigungen werden erst nach 13 Uhr aufgerufen. Vor Beginn der jeweils letzten Runde, also vor 13 Uhr und vor 14 Uhr, wird die verbleibende Redezeit vom vorsitzführenden Präsidenten gleichermaßen auf die Fraktionen verteilt, sodass noch alle Fraktionen gleichmäßig zu Wort kommen.

Über diese Redeordnung entscheidet das Hohe Haus. Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein dies­bezügliches Zeichen. – Die Zustimmung wird einstimmig erteilt.

Wir gehen daher so vor.

Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Abs. 2 GOG

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zur Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Abs. 2 der Geschäftsordnung. Im Anschluss daran wird eine Debatte stattfinden.

Herr Bundeskanzler, Sie sind am Wort.

 


10.35

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich darf Sie sehr herzlich begrüßen und bitte um Vergebung, dass ich wohl daran schuld bin, dass der Nationalrat noch unmit­telbar – zwei Tage – vor Weihnachten zu einer Sondersitzung zusammengetreten ist. Andererseits habe ich aber auch die Signale bei der letzten Diskussion im Nationalrat sehr genau aufgenommen, dass es, so glaube ich, der gemeinsame Wunsch aller Fraktionen war, die interimistische Betrauung des Verteidigungsministers mit der Führung des Innenressorts nicht zu lange auszudehnen.

Daher habe ich mich bemüht, innerhalb einer Woche eine politische Entscheidung zu treffen, und dies ist mir gelungen. Heute in der Früh wurde die neue Innenministerin durch Herrn Bundespräsidenten Heinz Fischer angelobt. Ich gratuliere herzlich und danke ihr vor allem dafür, dass sie meine Einladung angenommen hat. Ich bin sicher, dass sie dieses wichtige Amt im Interesse der Republik und der Bürgerinnen und Bürger hervorragend ausfüllen wird! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich weiß natürlich auch, dass ich meinem Freund Erwin Pröll, Landeshauptmann von Niederösterreich, ein wenig Probleme gemacht habe, weil jetzt auch eine Nachbeset­zung in Niederösterreich erforderlich war. Andererseits ist es aber auch wichtig, dass diese Dinge in einer funktionierenden Demokratie reibungslos und gut gelöst sind. Ich glaube, das ist in einem hervorragenden Doppelspiel gelungen.

Es hat mich auch gefreut, dass bei der Verabschiedung gestern im Niederöster­reichischen Landtag die scheidende Landeshauptmann-Stellvertreterin Liese Prokop breite Zustimmung aller Fraktionen gefunden hat, weit über die Parteigrenzen und weit


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über die Landesgrenzen hinaus. Das ist, meine ich, ein „Vertrauensnachschuss“ in Niederösterreich und ein Vertrauensvorschuss für Österreich, den du auch durchaus verdienst, liebe Liese! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das Innenministerium ist eines der sensibelsten und schwierigsten Ressorts. Man hat dort nämlich nicht mit den Freuden der Gesell­schaften zu tun, nicht mit den fröhlichen Seiten, sondern ausschließlich mit den Schat­tenseiten, gleichgültig, ob es um Terror geht, um das Handling beim Schutz vor kriminellen Taten, gegen Verbrechen, Drogenhandel, Menschenschmuggel, um den Schutz der Außengrenzen, den Schutz der Verkehrsteilnehmer, den Umgang mit Flüchtlingen, die Unterbringung in schwierigen Situationen. All dies sind nicht die Schokoladenseiten, nein, das sind die Schattenseiten einer modernen Gesellschaft.

Wer Innenminister oder Innenministerin sein will, muss krisenfest sein, muss wissen, dass er unverschuldet in Situationen kommen kann, die energisches, entschlossenes Handeln in einer sehr schwierigen Situation erfordern, und muss professionell agieren können. Das ist nichts für Neulinge, das ist etwas für erfahrene Persönlichkeiten, die ausgereift und absolut krisenfest sind. Dass dazu aber das Mitfühlen, das Mithören der Sorgen der Menschen gehört, ist keine Frage, das ist notwendig. Gerade wer manch­mal hart entscheiden muss, muss, glaube ich, in einem solchen Amt auch genügend Mitgefühl, genügend Sensibilität einbringen, gesprächsfähig sein zu den Sozial­institutionen, gegenüber der öffentlichen Meinung. Und natürlich in einer Situation wie jetzt, in der ja große organisatorische Umbildungen im Ressort bevorstehen – die Zusammenlegung von Polizei, Gendarmerie und Zollwache zu einem schlagkräftigen Sicherheitskörper für Österreich, einem rot-weiß-roten Sicherheitsapparat –, ist das eine Grundvoraussetzung.

Ich erwarte, dass du das hast, und ich weiß, dass du das hast. Ich wünsche dir auch das notwendige Glück, das man in einem solchen Amt letztlich braucht, die Unter­stützung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Unterstützung hier im Hohen Haus für die hohen Anliegen der Sicherheit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Liese Prokop ist eine ehemalige Spitzensportlerin: Olympia-Silbermedaillengewinnerin, Dutzende Male österreichische Staatsmeisterin in den verschiedensten Disziplinen, Weltrekordinhaberin für etliche Jahre. Sie hat also Kon­dition, sie weiß, wie man mit verschiedenen Hindernissen und Schwierigkeiten, mit verschiedenen Herausforderungen umgeht. Ich denke, wer sich so wie du bereits jahrelang in der Politik bewährt hat, wird auch, mit diesen Grundtugenden und Grund­fähigkeiten ausgestattet, im Ressort durchaus eine gute Figur machen.

Andererseits ist es auch kein Nachteil, dass du aus einem der Länder kommst. Man sagt ja oft – und es ist wahr –, dass in den Ländern bei den Politikern offensichtlich eine größere Bürgernähe da ist – manche kritisieren das – als vielleicht auf der Europa- oder auf der Nationalebene. Das ist klar, aber diese Herkunft gibt natürlich auch für die Zukunft im Ressort wirkliche Hoffnung, weil du eben erlebt hast, dass es darauf ankommt, dem einzelnen Bürger Sicherheit zu vermitteln. Sicherheit ist ein Grundbedürfnis in vielen Lebenslagen, und der Sicherheitsminister der Republik – das bist jetzt du – kann natürlich in sehr wesentlichen Bereichen Sicherheit geben.

Du hast dazu durch deinen Amtsvorgänger – dem ich an dieser Stelle noch einmal ein großes Dankeschön sage – sehr gute Voraussetzungen: große Erneuerungen im Sicherheitsapparat, über tausend Zöllner hinein in das Innenressort, mehrere hundert Dienstposten mehr, sodass heute um tausend Polizisten mehr auf der Straße für die Sicherheit des Landes sorgen als noch im Jahr 1999. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Es sind daher die Verbindung zu den Bundesländern und das Aufbauen auf den Bemühungen von Ernst Strasser eine gute Voraussetzung.

Sehr wichtig wird es sein, dass auf europäischer Ebene die Zusammenarbeit weiter gepflegt wird. Dein Amtsvorgänger hat da sehr viel gemacht, etwa die erstklassige Zusammenarbeit mit den Nachbarländern in der so genannten Salzburg-Gruppe. Das ist eigentlich ein Musterbeispiel für eine gute regionale Zusammenarbeit, und das sollte unbedingt fortgesetzt werden. Denn letztlich ist jedes Land – auch ein großes, und erst recht ein mittleres Land wie Österreich – völlig damit überfordert, allein den Schutz der Grenzen zu sichern, allein den Schutz vor den internationalen Gangstern und vor dem grenzüberschreitenden Verbrechertum zu garantieren. Daher ist es wichtig, dass wir auf europäischer Ebene für eine Vertiefung der Zusammenarbeit eintreten.

Es wird auch das große Thema in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren sein, dass die frühere Dritte Säule, die Zusammenarbeit Justiz und Inneres, gemeinsam mit Karin Miklautsch, mit Günther Platter und mit dir als Innenministerin hervorragend funktioniert, dass wir da auch den Mut haben, gute europäische Lösungen zu wollen und zu ermöglichen. Da sind wir als Nationalstaat an die Grenzen gekommen, und es scheint mir ganz wichtig zu sein, diese europäische Zusammenarbeit zu pflegen. Vor allem wird das ja auch eines der großen Themen in der EU-Präsidentschaft Öster­reichs sein.

Diese europäische Arbeit ist für Liese Prokop nichts Neues. Sie war langjährige Vorsit­zende der Versammlung der Regionen Europas und kennt daher die europäischen Institutionen aus der praktischen Zusammenarbeit. Österreich ist eines der sichersten Länder der Welt; mit dir an der Spitze, liebe Liese Prokop, hoffe ich, dass das auch so bleiben möge! Wir werden alles dazu beitragen, dass die Voraussetzungen dafür stimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Last, but not least: Wenn Sie jetzt die Regierungsbank anschauen, sehen Sie, dass diese Regierung ein Drittel Frauen aufweist; das ist der höchste Anteil in der Ge­schichte der Zweiten Republik. Jetzt darf ich einen kleinen Einschub als ÖVP-Partei­obmann machen: Die acht Minister, die die Volkspartei in die Regierung schickt, sind zur Hälfte mit Männern, zur Hälfte mit Frauen besetzt. Wir haben keine Quote gebraucht, die Qualität hat entschieden! Aber ich freue mich über dieses historische Aufstoßen der Tore in eine neue Perspektive, die meine Partei mit ermöglicht hat! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das zweite Thema ist der Europäische Rat, der am Donnerstag und Freitag der Vorwoche stattgefunden hat. Wir haben dort vor allem die Weichenstellungen für die künftigen Beitrittsverhandlungen gelegt. Bulgarien und Rumänien haben eine Unterzeichnungszeremonie für April angekündigt bekom­men, Kroatien hat – übrigens auf massiven österreichischen Druck, mit großer Unter­stützung – einen Verhandlungstermin ohne weitere Bedingungen für den 17. März zugestanden bekommen. Ich glaube, das ist eine Perspektive für den ganzen Balkan, die bedeutsam ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Hauptthema war natürlich die Türkei, und dabei sind primär zwei Themen zu besprechen gewesen. Das eine betrifft Zypern. Wir haben die Zyprioten sehr darin unterstützt, dass sie ein Recht darauf haben, zu erwarten, dass die Türkei, will sie Verhandlungen beginnen, auch die 25 EU-Mitgliedsländer anerkennen muss. Das ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Wer einer Familie beitreten will, kann nicht sagen, dass ein Familienmitglied ganz einfach nicht existiert. Wie das diplomatisch ver­schränkt oder camoufliert wird, ist eine zweite Frage, aber das Prinzip, dass einer, der beitreten will, alle anerkennen muss, hat für uns alle außer Streit zu stehen, selbst wenn es ein kleines Land wie Zypern ist. Das Argument „600 000 Zyprioten sind uns


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wichtiger als 70 Millionen Türken“ ist eines, das ich im Verlauf der Diskussionen lieber nicht gehört hätte. Für uns ist jedes Mitgliedsland gleich viel wert, ob klein, ob groß! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Für uns Österreicher war neben der Unterstützung für die Zyprioten natürlich die Frage der Offenheit der Verhandlungen – auch auf Grund der Diskussionen im EU-Hauptausschuss und in der Regierung – ein ganz wichtiges Thema. Wir waren da sehr hartnäckig, wir haben darauf gedrängt, dass verschiedene Punkte, die ich ja auch hier dargelegt habe, in den Schlussfolgerungen wirklich enthal­ten sind.

Erstens: Es ist im Beschluss der Union fixiert, dass dies ein völlig anderer Beitritts­prozess als früher in der Geschichte der Europäischen Union ist. Es wird eigene Präzisierungen und einen eigenen Verhandlungsrahmen geben, jedes Kapitel wird vorher in den Zielen einstimmig fixiert. Genauso wird der Abschluss einstimmig fixiert werden. Es wird ein langer Prozess sein, der mindestens zehn, wenn nicht fünfzehn oder mehr Jahre dauern wird. Es kann vor dem Jahr 2014, also vor der übernächsten Finanzvorschau, keinen Abschluss der Verhandlungen geben. Es ist ausdrücklich das Ziel des offenen Prozesses innerhalb der Beitrittsperspektive fixiert, es kann keine Garantie für einen Beitritt der Türkei geben.

Erst wenn alle Bedingungen erfüllt und die Ratifizierungen nach den nationalen Spiel­regeln abgeschlossen sind, gibt es einen Beitritt. Es müssen alle Kopenhagener Krite­rien, darunter auch – darauf habe ich explizit gedrängt – die Aufnahmefähigkeit der Union, garantiert sein. Erst wenn das gesichert ist, ist ein Beitritt der Türkei möglich, und wenn nicht – darauf haben wir großen Wert gelegt –, wird eine andere Veran­kerung in den europäischen Strukturen notwendig sein. Dahinter verbirgt sich natürlich der Artikel 57 der neuen Verfassung, der einen Vertrag mit den Nachbarn der Union ermöglicht.

Für Österreich und für die Sorgen der Bürger ganz wichtig ist dies: Permanente Schutzklauseln sind erstmals fixiert, Ausnahmeregelungen sind erstmals fixiert. Damit haben wir es in der Hand, unseren Arbeitsmarkt oder verschiedene andere Bereiche so abzusichern, dass die Fragen der Bürger, die berechtigt sind, wirklich ausreichend und gut beantwortet werden können.

Die Kommission wird ein permanentes Überwachungssystem einsetzen, damit die Türkei auf diesem Weg begleitet werden kann. Denn eines ist schon klar: Wir haben jedes Interesse daran, dass die Türkei eine europäische Perspektive hat. Es ist auch im österreichischen und erst recht im europäischen Interesse, die Türkei näher an Europa heranzuführen und sie in Europa zu verankern. Es wäre falsch gewesen, ihr die Beitrittsperspektive überhaupt nicht zu geben, zumal dies ja seit 40 Jahren – auch 1999 unter dem sozialdemokratischen Kanzler Klima und mir als Außenminister – ausdrücklich und explizit zugestanden wurde und 2002, in meiner Regierung, gemeinsam mit der FPÖ noch einmal bestätigt wurde; übrigens wurde das auch von allen Parteien damals im EU-Hauptausschuss durchaus so bestätigt. Wir haben die Stopp­taste ermöglicht, keine Automatik bei den Verhandlungen, Mitsprache und opti­male Kontrolle durch die Mitgliedstaaten.

Nach den Verhandlungen dort, die sehr hart gewesen sind, habe ich den Vorschlag unterbreitet, dass wir nach Abschluss der Ratifizierung, wenn es zu einem Beitritt kommen sollte, eine Volksabstimmung darüber in Österreich abhalten und damit den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, am Ende der Verhandlungen dazu ja oder nein zu sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diesen Vorschlag halte ich für sinnvoll, denn die Türkei ist ein anderer Fall, ein Fall sui generis. Sie ist eben nicht zur Gänze in Europa, ganz im Gegenteil, sie ist mehrheitlich


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außerhalb Europas gelegen. Und sie ist ein Fall, der tatsächlich die Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union fordert und sich nicht von vornherein mit einem Ja beant­worten lässt.

Ich lade Sie dazu ein, heute gemeinsam einen Entschließungsantrag zu machen, um diesen Vorschlag glaubhaft zu unterstützen. Ich weiß natürlich, dass ein solcher Ent­schließungsantrag mit Ende der Legislaturperiode verfällt, daher lade ich dazu ein, dass wir einen Pakt der vier im Parlament vertretenen Parteien schließen, der sicher­stellt, dass über die Legislaturperioden hinaus die Sicherheit und Garantie für eine solche direkte Mitsprache der österreichischen Bevölkerung gegeben ist.

Wenn dies Ihrer Meinung entspricht, dann würde ich vielleicht, um das auch glaubhaft zu unterstreichen, den Nationalratspräsidenten einladen, zu einem ihm genehmen Termin uns einzuladen, Parteiführer und/oder Klubobmänner, um einen solchen Allparteienpakt für die kommenden Legislaturperioden zu unterzeichnen, damit die Bevölkerung die Sicherheit hat. Das ist keine taktische Ansage, sondern ein glaub­würdiges Versprechen, das wir heute und hier abgeben. (Zwischenrufe bei den Grü­nen.) – Ich danke Ihnen sehr. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.50

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Erklärung. Ich werde seiner Bitte auf Einladung der Parteiführer nachkommen.

Nunmehr erteile ich als erstem Redner Herrn Abgeordnetem Dr. Cap das Wort. Seine Redezeit beträgt 15 Minuten. – Bitte.

 


10.50

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Zuerst muss ich meine Verwunderung zum Ausdruck bringen: Wird das jetzt immer so sein, wenn ein Minis­ter ausgewechselt wird, dass der zuständige Landeshauptmann vorbeischaut, ob das auch wirklich so ist? (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Kontrollierend, beobach­tend, dass ja seine Liesl Prokop auf der Regierungsbank sitzt? Das muss ein tolles Vertrauensverhältnis sein, das hier mittlerweile herrscht. (Abg. Kainz: Föderalismus!) Also wir werden das in Zukunft irgendwie ablesen können, ob das wirklich so ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir wissen ja mittlerweile – ich habe mir das ausheben lassen –, wie viele Regie­rungsumbildungen, neue Minister, alte Minister, es bereits gegeben hat. Heute haben wir wieder einmal den fast luxuriösen Anblick, dass alle hier sind. Oder sollte man sagen, diejenigen, die noch hier sind? (Abg. Mag. Weinzinger: Es sind nicht alle!) Fehlt doch wieder jemand? (Abg. Mag. Weinzinger: Der Grasser!) Ja, stimmt, der Grasser fehlt. Ich habe das schon richtig verdrängt. Geistig war er für mich schon nicht mehr Finanzminister. Er hat nämlich die meisten Misstrauensanträge bekommen und ist der umstrittenste Minister auf der Regierungsbank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Aber Krüger, Böhmdorfer, Sickl, Haupt, Schmid – das ist der, welcher gesagt hat, die Batterien sind leer; für diejenigen, die es vergessen haben –, Forstinger, Reichhold (Abg. Großruck: Klima, Edlinger!), Riess-Passer, Gorbach, wieder Böhmdorfer, Miklautsch, Mainoni, Waneck, Plassnik, Ferrero-Waldner, Strasser, Prokop. – Das ist ein Durchhaus, aber keine Regierung. Von wegen Stabilität und Kontinuität: Davon kann ja keine Rede sein! Also das muss man schon einmal sagen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich glaube, auch künftig wird der Herr Bundeskanzler kaum noch ein stressfreies Frühstücken haben. Denn was weiß er, vielleicht bekommt er wieder einen Anruf, bei dem einer sagt: Du, Herr Bundeskanzler, ich will nicht mehr. Es freut mich nicht mehr.


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Ich habe zwar eines der wichtigsten Ministerien, nämlich das Innenministerium, aber ich tu es einfach nicht mehr, ich bin nicht mehr dabei. Der Kanzler sagt: Na ja, okay, suchen wir halt jemand anderen. Er ruft wieder einen seiner Landeshauptleute an, und der sagt: Da hätten wir jemanden. – Und so schaut dann die neue Regierung im End­effekt aus. Das ist für das Sicherheitsbedürfnis der Österreicherinnen und Österreicher natürlich „toll“: Worauf können sie sich noch verlassen, wenn jeder, dem es passt, einfach geht?

Frau Innenministerin Prokop, Sie haben jetzt eine ziemliche Baustelle geerbt, das muss man schon sagen. Vielleicht war das auch einer der Gründe dafür, warum Innen­minister Strasser gegangen ist. Aber es wirkt sich eben aus, wenn man gegenüber dem Jahr 1999 um 200 000 mehr an Straffällen, an Delikten hat, wenn die Aufklärungs­quote von 50 Prozent auf 37 Prozent abgesunken ist und wenn man in der Zwischen­zeit an die 3 000 Beamtinnen und Beamte eingespart hat, also auf Kosten der Sicher­heit gespart hat, damit man später das Design der Polizei verbessern kann: neue Uniformen, die Autos werden umgefärbelt, kriegen eine neue Farbe, also es wird ein­fach das Bild geändert. (Abg. Großruck – seine Krawatte herzeigend –: Neue Krawat­ten haben sie auch gekriegt! Das haben Sie vergessen!)

Das kostet viel Geld. Wir haben uns das angeschaut, wobei die wirklichen Schät­zungen ja noch gar nicht auf dem Tisch liegen, denn da hat man pro Beamten so viel gerechnet, wie ein einziges Kappel kostet. Ein einziges Polizeikappel kostet übrigens 48 €, für diejenigen, die es nicht wissen. Da ist gespart worden auf Teufel komm raus, da sind Kommissariate zusammengelegt worden ohne Rücksicht auf die Sicherheit.

Viele derjenigen, die heute zusehen, werden das vielleicht am eigenen Leib erlebt haben oder kennen einen Nachbarn, eine Nachbarin, wo in die Wohnung eingebrochen wurde, oder sie verlassen das Haus und sehen eine eingeschlagene Scheibe bei einem Auto, wo eben ein Autodiebstahl vorliegt, oder sie hören von einem Drogendeal, vor allem auch in den ländlichen Gegenden.

Frau Minister, da wartet ziemlich viel auf Sie, denn Innenminister Strasser ist in Wirk­lichkeit mit seiner Politik gescheitert! Das Einzige, was er sich gerade noch überlegt hat, war, nicht zu reformieren, sondern die Strukturen so zu ändern, dass man einfach Postenbesetzungen durchführen kann. Sie werden jetzt 5 300 Posten besetzen kön­nen – Landeshauptmann Pröll kriegt schon einen ganz wässrigen Mund; 5 300 Pos­ten! –, und wenn man das so wie in Niederösterreich macht, Herr Landeshauptmann, kommen 99 Prozent ÖVP am Schluss heraus. (Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen. – Beifall der Abg. Mandak. – Der auf der Galerie sitzende Landeshauptmann Dr. Pröll lächelt und nickt dazu.)

Ich hoffe, Frau Innenministerin, Sie fragen nicht den Landeshauptmann, wie die 5 300 Posten zu besetzen sind, ich hoffe, Sie fragen auch nicht den Bundeskanzler, ich hoffe, Sie orientieren sich einfach an der Qualifikation, an der Kompetenz und an der Sicherheit. Denn das ist entscheidend und nicht die gute Laune des Landeshaupt­mannes. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir werden ja Gelegenheit haben, uns dann noch öfter hier im Haus mit der Frage der Sicherheit auseinander zu setzen. Ich halte das für ganz, ganz wichtig. Ich finde nach wie vor die schauspielerische Leistung des Herrn Bundeskanzlers bewundernswert, der immer, wenn er ein neues Regierungsmitglied vorstellt, grinst und lächelt, als ob das immer schon ein Geheimplan von ihm gewesen wäre, dass er das Rotationsprinzip in der Regierung einführt. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) – Ich bin froh, dass Sie so guter Laune sind. Die Österreicherinnen und Österreicher werden das selbst beur­teilen, ob Ihre Variante mit dem Durchstarten noch auf Glaubwürdigkeit stößt. (Abg. Kainz: Besser als „startklar“! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das ist die


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weihnachtliche Unruhe. Sie sind schon ganz nervös, jetzt kommen die Ferien, der Christbaum steht schon, und da muss man zwei Tage vorher noch ins Parlament. Bleiben Sie ganz ruhig!

Ich komme aber jetzt noch zu einem zweiten Punkt, denn schauen Sie, irgendwie habe ich den Eindruck, es gibt zwei Schüssel. Es gibt den Österreich-Schüssel, und es gibt den EU-Schüssel. Manchmal habe ich den Eindruck, es gibt mehrere, aber die zwei stehen heute zur Diskussion. Es gibt deswegen zwei Schüssel, weil der Herr Bun­deskanzler in seiner Erklärung vorhin schon wieder so getan hat, als wenn er ein ganz ein toller EU-Hecht gewesen wäre, der da drinnen aufgemischt hätte, sich durchgesetzt hätte, und ich weiß nicht was alles für Österreich und für die EU dabei herausgeholt hätte.

Herr Bundeskanzler, Sie haben die Gabe, eine Liste an Selbstverständlichkeiten aufzu­zählen. Zum Beispiel sagen Sie: Die Verhandlungen, das habe ich erkämpft. Ich, der mutige Bundeskanzler, habe in Brüssel erkämpft, dass die Verhandlungen mit der Türkei ergebnisoffen sind. Wumm! Ergebnisoffen. Was ist das Gegenteil davon? – Die Automatik. Ich frage mich: Welche der Verhandlungen, die es bis jetzt gegeben hat, hatten eine innere Automatik? Da wären doch die österreichischen Helden der Brüsseler Nacht vor dem Beitritt zur Europäischen Union alle Schauspieler gewesen, denn es war ja ohnehin alles automatisch, es war eh alles ausgemacht. Natürlich gibt es keine Automatik, natürlich ist das Wesen von Verhandlungen, dass sie immer offen sind.

Aber wissen Sie, was noch toller ist? Wenn Sie bezüglich des Rechtsstandes der Euro­päischen Union, nämlich bezüglich der Kopenhagener Kriterien sagen: Wir haben erkämpft, dass bei den Verhandlungen die Kopenhagener Kriterien gelten. – No na! Um Gottes Willen, was ist sonst die Grundlage als die Kopenhagener Kriterien, sprich ob die EU erweiterungsfähig ist, ob der Acquis communautaire übernommen wird, ob die wirtschaftlichen Voraussetzungen gegeben sind? Und vor allem das Allerwich­tigste –und das ist ja das, was wir kritisieren –: Bei dem Beschluss über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei haben wir den Eindruck gewonnen, dass es eigentlich um Beitrittserleichterungsverhandlungen geht und die Voraussetzungen dafür nicht wirklich berücksichtigt wurden.

Denn – es tut mir Leid – um Verhandlungen mit der Türkei aufzunehmen, spielt eines eine sehr große Rolle: Wie ist die Menschenrechtssituation? Wie ist die Frage der Gleich­berechtigung der Frauen? Wie ist der Minderheitenschutz in der Türkei? Das sind wichtige Voraussetzungen, doch im Kommissionsbericht haben wir da anderes gelesen: dass es natürlich noch Folterungen in einem sehr großen Ausmaß gibt, dass es in Wirklichkeit mit der Gleichberechtigung der Frauen in der Türkei nicht sehr weit her ist. Da gibt es die berühmte Anmerkung, dass der Jungfräulichkeitstest jetzt nur mehr mit staatsanwaltschaftlicher Genehmigung möglich ist. Das alles lesen wir im Kommissionsbericht. Auch was den Minderheitenschutz für die Kurden betrifft, gibt es hier kritische Anmerkungen. Ich kann das alles aus dem Kommissionsbericht zitieren.

Und eine der ganz wesentlichen Fragen – darum haben Sie das ja auch in Ihrer Rede vorhin angesprochen – ist natürlich die Frage Zypern. Wenn ich einer Gemeinschaft beitrete, muss ich auch alle Mitglieder dieser Gemeinschaft anerkennen und akzep­tieren und mich nicht hinstellen ... (Abg. Murauer: Das hat der Erdogan gesagt!) – Ja, der hat es gesagt, aber was ist herausgekommen? Dass natürlich die Türkei Zypern nicht anerkennt.

Ein interessantes Zitat haben wir ebenfalls aus diesem Bericht der EU herausgelesen. Als sich Kommissar Verheugen, der Erweiterungskommissar, anlässlich der Präsen-


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tation der Berichte im Europäischen Parlament zu Wort gemeldet hat, hat er gesagt – ich zitiere –:

Der Rechtsrahmen in der Türkei entspricht den Anforderungen an einen demo­kra­ti­schen Rechtsstaat, die Praxis in der Türkei entspricht dem natürlich nicht. – Zitatende.

Super: Also „entspricht nicht“ sagt sogar der Erweiterungskommissar, aber man beginnt hier, die Kriterien für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen aufzuweichen.

Wissen Sie, was mich stört? Ich sage Ihnen das heute, und wir sollten darüber eine Diskussion führen. Welches Modell der Europäischen Union streben wir eigentlich an? Wir haben damals, 1994, die österreichische Bevölkerung dafür gewonnen, indem wir gesagt haben, es soll ein demokratisches Modell sein, es soll ein politisches sein, aber es soll vor allem eine Sozialunion sein. Wir sind nicht zur Europäischen Union gegan­gen, damit Österreich Gefahr läuft, dass der Level des Wohlfahrtsstaates gefährdet ist. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Rufen Sie einmal den Vranitzky an und fragen Sie ihn, was er verhandelt hat!) Das war eine ganz wichtige Voraussetzung damals.

Daher ist natürlich jeder Erweiterungsprozess auch danach zu bemessen. Die Frage ist nicht nur: Was kostet es – Österreich ist Nettozahler –, wird das jetzt mehr oder weniger sein? Ist die EU reformfähig? Stichwort: Bereich Agrarförderungen. Wird es hier Veränderungen und Verbesserungen geben? Denn die Hälfte des Budgets rinnt in den Agrarbereich hinein, Herr Landwirtschaftsminister, das werden Sie wissen. Darum hat auch der Agrarkommissar Fischler vor unüberlegten Schritten gewarnt. (Zwischen­bemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) Mit Bilanzschmähs ist es ein bisschen weniger, wenn man es aber zusammenaddiert, kommt doch wieder die Hälfte heraus. – Also das sollte man in diesem Zusammenhang berücksichtigen.

Die Frage ist: Welche Europäische Union wollen wir? Wollen wir eine Europäische Union, wo so schnell wie möglich erweitert wird? Ich finde es sowieso ungerecht, dass immer nur über die Türkei diskutiert wird. Es stehen auch Rumänien, Bulgarien, Kroatien, mehrere Länder zur Disposition. Solana spricht schon von der Ukraine.

Ich frage mich: Kann die EU dieses Tempo verkraften? Welche EU wird am Ende des Tages vorhanden sein? Ist das auch eine Sozialunion? Ist das eine vertiefte Union, die wirklich global und weltweit die negativen Auswirkungen der Globalisierung bremsen, mildern, ja vielleicht sogar verhindern kann? Ist es eine Europäische Union, die gegen­über den Vereinigten Staaten selbständig agiert, oder ist es so, dass sich Washington, London, Warschau, Ankara dann koordinieren und eine starke Gruppe in der Euro­päischen Union bilden? Was ist es dann?

Es sind so viele andere Fragen, die damit verbunden sind, auch sicherheitspolitischer Natur. Denn wenn die Türkei zum Beispiel beitritt, dann grenzt die Europäische Union an die Krisenzonen des Kaukasus, an den Nordirak, an Syrien. Das sind lauter Dinge, die auch überlegt werden müssen.

Ich sage das nur in dem Zusammenhang: Es wird mir zu wenig diskutiert und überlegt, was es im Endeffekt für die Europäische Union bedeutet und ob sich das auch noch mit den Versprechungen verträgt, die wir damals, 1994, den Österreicherinnen und Österreichern gegeben haben. Erinnern Sie sich! Natürlich gibt es viele aus den wirt­schaftlichen Bereichen, die sagen: Uns ist am liebsten, so schnell wie möglich erwei­tern, egal, wer auch immer dazukommt. Wir wollen so wenig Regeln wie möglich ha­ben. Wir wollen keine soziale Marktwirtschaft, sondern wir wollen Lohndumping haben, wir wollen Standortkonkurrenz haben, wir wollen Steuerwettbewerb haben. Das wollen wir haben – einen losen Zollverein, dann noch die Eurozone, und ansonsten soll jeder seinen Weg gehen, zu dem er gerade Lust hat.


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Das war eigentlich nicht das, was wir damals versprochen haben. Deswegen muss hier ein wirklicher Diskussionsprozess beginnen, der letztlich über diese Einzelfrage weit hinausgeht und der vieles mehr auch berücksichtigt.

Natürlich gibt es hier Standards in der Europäischen Union, die von größter Bedeutung sind: politische Standards, ethische, moralische Standards. Ich bin nur dagegen, dass wir dauernd immer und überall die Oberlehrer sind. Auch die Länder, die die Euro­päische Union maßgeblich tragen, haben durchaus auch kritikwürdige Momente in ihrer Geschichte gehabt. Man soll sich also da nicht zum Oberlehrer aufschwingen.

Aber jetzt haben wir einen Rechtsstatus, jetzt haben wir eine politische Kultur entwickelt, jetzt, glaube ich, kann die Europäische Union mit Recht darauf pochen, dass sie sehr vieles erreicht hat. Dazu gehören aber auch der Sozialstaat, der Wohl­fahrtsstaat und diese soziale Absicherung, die in dem Zusammenhang meiner Auffas­sung nach einen ganz, ganz gravierenden Punkt darstellt.

Wenn man glaubwürdig sein will, dann muss man das auch beim Beginn von Verhand­lungen zum Ausdruck bringen, und das ist das, worauf wir ganz besonders pochen.

Schauen Sie, es ist nicht unanständig, wenn man auch darüber nachdenkt, wie die finanzielle Perspektive der Europäischen Union ist. Wir haben, zweieinhalb Tage bevor diese Debatte war, einen Besuch in Brüssel gemacht. Es stimmt, vor 2014 soll es keinen Beitritt geben, aber es gibt innerhalb der Europäischen Union momentan heftigste Auseinandersetzungen. Da sind die Länder, die gerade Förderungen bekommen und nicht darauf verzichten wollen. Da gibt es den berühmten Britenrabatt, den Frau Thatcher ausverhandelt hat, 5 Milliarden € im Jahr, und worauf die Briten nicht verzichten wollen. Es gibt hier natürlich auch den gesamten Agrarbereich, der längst reformiert gehört. Das hat auch Fischler erkannt, als er noch Agrarkommissar war.

Das heißt, eine Summe von Veränderungen steht vor der Tür, aber auch eine Summe von neuen Übereinkommen, die geschlossen werden, damit die Europäische Union überhaupt eine Vorausschau bis 2013 oder 2014 durchführen kann. Und nach 2014 muss es dann wieder eine Vorausschau geben, und dann wird man beobachten, wie der Verhandlungsprozess abgelaufen ist.

Der langen Rede kurzer Sinn, ich möchte noch etwas sagen (Abg. Scheibner: Sehr kurzer Sinn!): Herr Bundeskanzler, Sie haben hier einen Parteienpakt vorgeschlagen. Wir bringen dazu einen Entschließungsantrag ein, und ich sage Ihnen gleich dazu: Es gilt hier direktdemokratische Elemente zu berücksichtigen, es gilt hier zu berück­sichtigen, dass wir nicht abschätzen können, ob es in zehn bis zwölf Jahren nicht vielleicht auch ein europaweites Referendum gibt, wie es der Herr Bundespräsident angesprochen hat. Es ist eine Volksabstimmung denkbar, es ist auch denkbar, dass es andere direktdemokratische Instrumentarien gibt. Faktum ist, die Bevölkerung muss einbezogen werden, Faktum ist, die Bevölkerung muss mitwirken können. (Abg. Scheibner: Volksabstimmung!) Darum geht es, und in diese Richtung sind die Gespräche zu führen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Nein, was Sie wollen, ist ganz einfach: Sie wollen die Bevölkerung vor vollendete Tat­sachen stellen. Sie wollen einen Beschluss im Nationalrat, Sie wollen einen Beschluss in der Regierung, Sie wollen, dass der jeweilige Bundeskanzler den Beitritt der Türkei unterzeichnet, und dann wollen Sie die Bevölkerung fragen. Und wir wollen das vorher machen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.06

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Molterer. Auch seine Redezeit beträgt 15 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Klubobmann.

 



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11.06

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Zur Rede des Josef Cap möchte ich nur feststellen: Staatspolitik sieht anders aus! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir begrüßen heute Liese Prokop als neue Innenministerin der Republik Österreich. Herzlich willkommen, Frau Bundesministerin für Inneres Liese Prokop! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir begrüßen mit Liese Prokop eine erfahrene Politikerin, eine Politikerin, die nach einer intensiven sportlichen Karriere den Mut zur Politik gehabt hat. Das war nicht selbstverständlich bei dieser sportlichen Karriere und in dem Alter damals. Wir können aber heute sagen, dass Liese Prokop mit ihren 35 Jahren in der Politik einen Erfahrungsschatz mitbringt, auf den nicht nur sie stolz sein kann, sondern auf den Österreich bauen kann, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir begrüßen mit Liese Prokop heute nicht nur eine erfahrene Politikerin, sondern wir begrüßen vor allem eine erfolgreiche Politikerin. Ich habe mir durchgelesen, was ges­tern bei der Sitzung des Niederösterreichischen Landtages über ihre Erfolgsbilanz gesagt wurde. Meine Damen und Herren, es ist eine Erfolgsbilanz, die sich sehen lassen kann, die von allen Parteien gewürdigt wurde. Diese Erfahrung und diese Erfolgsbilanz sind etwas, worauf nicht nur sie, sondern auch wir bauen können.

Wir begrüßen mit Liese Prokop jemanden, der in besonderer Weise soziales Gespür und das Gespür für das menschliche Maß hat, etwas, was in der Politik ganz ent­scheidend ist. Sie hat in ihrer Tätigkeit bewiesen, dass dies kein theoretischer Anspruch für sie ist, sondern dass für sie Menschlichkeit und das soziale Maß Maßstab ihrer Entscheidungen sind, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir begrüßen mit Liese Prokop als neuer Innenministerin eine Frau, die in ihrer politi­schen Tätigkeit und Arbeit bewiesen hat, dass sie durchschlagskräftig ist, dass sie konsequent ist und Mut zur Entscheidung hat, meine Damen und Herren. Und beides erfordert das Innenministerium in besonderer Weise: das menschliche Maß auf der einen Seite und den Mut zur Entscheidung auf der anderen Seite. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Sinne denke ich und bin sicher, dass Liese Prokop alle Voraussetzungen mitbringt für eine erfolgreiche Politik in diesem Schlüsselressort unserer Republik.

Liese Prokop ist übrigens, meine Damen und Herren, die erste Frau, die an der Spitze des Innenministeriums dieser Republik steht, und wir können heute – Wolfgang Schüs­sel hat darauf schon hingewiesen – sagen, dass in dieser Bundesregierung Schüssel II mit dem Einzug von Liese Prokop nun der höchste Frauenanteil erreicht ist, den je eine Regierung in der Zweiten Republik hatte. Wir sind stolz darauf, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Es hat mich – und ich sage Ihnen das auch sehr offen – in den letzten Tagen tat­sächlich geärgert, auch persönlich geärgert, wie Liese Prokop und ihre Entscheidung, Innenministerin der Republik Österreich zu werden, kommentiert wurden, und zwar nicht von den Medien – die Medien haben ihre Stärke und ihre Fähigkeit erkannt –, sondern von politischen Mitbewerbern.

Herr Kollege Darabos, ich erspare Ihnen nicht, Ihnen Ihr Zitat vorzuhalten, in welchem Sie gemeint haben, es sei eigenartig, wenn man „eine 63-jährige Frau ohne Erfahrung in diesem Bereich als Ressortverantwortliche“ bestellt. (Abg. Dr. Stummvoll: Unglaub­lich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Herr Kollege Darabos, das ist nicht nur in einem besonderen Maß unhöflich. Herr Kollege Darabos, lesen Sie bei Worm nach, was ich davon halte! Ich darf das Wort nicht verwenden, weil ich sonst einen Ordnungsruf dafür bekäme. (Abg. Dr. Partik-Pablé: ... ein Schnösel! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wissen Sie, Herr Kollege Darabos, die Frage des Alters als Maßstab für die Wertung der politischen Tätigkeit heranzuziehen, stellt eine Abwertung einer ganzen Generation dar! – Meine Damen und Herren, wir lassen das sicherlich nicht zu! (Lebhafter Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Mindeste, was ich von Ihnen erwarte, Herr Kollege Darabos, ist eine Entschul­digung bei unserer Innenministerin! Ich mache Sie nur darauf aufmerksam – das ist Ihnen offensichtlich entgangen –, in welchem Alter Bruno Kreisky Bundeskanzler wur­de, in welchem Alter Hertha Firnberg Ministerin wurde und wie alt – und auch das ist Ihnen offensichtlich entgangen – ein sehr erfolgreicher Innenminister in Deutschland ist, nämlich in der Person des Kollegen Schily.

Herr Kollege Darabos, vor allem muss ich Sie fragen: Sind Sie wirklich nicht Manns genug, diese Entschuldigung auszusprechen und die Frage der Erfahrung in den Mund zu nehmen, und zwar als jemand, der relativ kurze Zeit in der Politik tätig ist? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Der hat ja kein Format!)

Herr Kollege Darabos, ich bitte Sie, machen Sie Gebrauch von der Möglichkeit, sich zu entschuldigen! Es stünde Ihnen ganz gut an! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Das Innenministerium, meine Damen und Herren, ist für die Österreichische Volks­partei und selbstverständlich für die gesamte Republik Österreich ein Schlüsselressort. Für uns von der Österreichischen Volkspartei ist klar, dass wir drei große politische Ziele verfolgen: erstens Vollbeschäftigung durch eine erfolgreiche Wirtschaft, zweitens die Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit, drittens und vor allem aber, den Men­schen in Österreich Sicherheit zu geben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Daher ist die Führung des Innenministeriums eine der entscheidenden Positionen in unserer Republik, und diese ist bei Liese Prokop in besten Händen. Sie kann auf eine gute Basis weiter aufbauen – auf eine gute Basis, die Ernst Strasser in den letzten Jahren gelegt hat. Dafür beziehungsweise für seine Arbeit als Innenminister möchte ich mich namens des Klubs der Österreichischen Volkspartei bei Ernst Strasser dezidiert bedanken. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es ist Ernst Strasser beispielsweise zu verdanken, dass diese Woche im Bundesrat das neue Sicherheitspolizeigesetz endgültig beschlossen wurde und damit die Zusammenführung von Polizei und Gendarmerie Realität wird und noch effizienter für die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher gearbeitet werden kann: mit neuen Instrumenten, beispielsweise der Videoüberwachung, oder mit Schutzzonen, mit einem vernünftigen Budget, das Liese Prokop nun eine solide finan­zielle und personelle Ausstattung im Innenministerium für die nächsten beiden Jahre sicherstellt. Sie können also, Frau Innenministerin, auf einer soliden Basis aufbauen.

Aber es ist auch klar, dass auf Sie in besonderer Weise große Herausforderungen zukommen werden. Ich kann Ihnen heute und hier die volle und bedingungslose Unterstützung des Klubs der Österreichischen Volkspartei zusichern (Abg. Heinzl: No na!), weil Ihre Arbeit, Frau Bundesministerin, im europäischen Kontext essentiell für Österreich ist (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen) und weil auf Ihrer Agenda die Erarbeitung eines neuen Asylrechts steht, wo wir uns ganz klar für ein Asylland Österreich aussprechen, wo wir uns aber in ebensolcher Klarheit dafür aussprechen,


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gegen den Missbrauch des Asylrechts vorzugehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Geh!)

Es ist bei Ihnen in guten Händen die Reform des Zivildienstes, und zwar mit einer Verkürzung der Zivildienstzeit, und es ist bei Ihnen in guten Händen die Umsetzung der Sicherheitsreform ab dem 1. Juli des kommenden Jahres.

Sicherheit ist eines der wichtigsten Güter, die Politik zu geben hat. Liese Prokop wird alles dafür geben, dass Österreich weiterhin eines der sichersten Länder dieser Welt bleibt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es hat der Bundeskanzler – und ich bin ihm sehr dankbar dafür – auch auf den Euro­päischen Rat Bezug genommen und Bericht erstattet. Weil es in der öffentlichen Diskussion der letzten Tage etwas untergegangen ist, möchte ich es noch einmal wiederholen: Seit dem Europäischen Rat ist klar, dass Rumänien und Bulgarien der Euro­päischen Union beitreten können und dass ein mögliches Datum das Jahr 2007 ist. Besonders erfreulich ist für uns, dass im Europäischen Rat entschieden wurde, dass mit dem 17. März des Jahres 2005 Kroatien ein konkretes Datum für die Beitritts­verhandlungen angeboten wird. Das ist für uns eine Schlüsselfrage, meine Damen und Herren! Ich danke Bundeskanzler Schüssel und Ursula Plassnik sehr herzlich dafür. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Natürlich ist im Mittelpunkt der Verhandlungen im Europäischen Rat die Türkei-Frage gestanden. Die Linie der Österreichischen Volkspartei ist in dieser Frage unverändert und klar: Für uns und für Österreich und für die Europäische Union ist die Türkei ein wichtiges Land, und wir müssen daher an den bestmöglichen Beziehungen zur Türkei höchstes Interesse haben. Daher haben wir klar gesagt: Wir sind für Verhandlungen mit der Türkei, aber diese Verhandlungen müssen ergebnisoffen geführt werden. Warum? – Weil wir es aus unserer Verantwortung für die Zukunft einfach für falsch hielten, der Türkei den Sessel vor die Türe zu stellen, die Türe zuzuschlagen.

Nein, meine Damen und Herren, die Verhandlungstür muss offen sein – aber genauso offen muss das Ergebnis sein! Ich danke heute Wolfgang Schüssel für den Erfolg beim Europäischen Rat in Brüssel, den er gemeinsam mit Ursula Plassnik erzielen konnte, nämlich dass sich diese Linie in der Europäischen Union weitgehend hat durchsetzen lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Cap, wenn Sie hierher gehen und sagen, dass etwa die Frage der Ergeb­nisoffenheit, dass etwa die Frage der spezifischen Auflagen, dass etwa die Frage der Verankerung aller vier Kopenhagener Kriterien, dass etwa die Frage der Schutzklausel, dass etwa die Frage der dauerhaften Ausnahmen eine Selbstverständlichkeit wäre, dann muss ich Ihnen sagen – es tut mir Leid, aber ich sage es trotzdem –: Dann haben Sie von der Europäischen Union und von Europapolitik keine Ahnung, meine Damen und Herren von der SPÖ!

Ja haben Sie denn nicht die politischen Realitäten, vor allem auch bei Ihren Partei­freunden in Europa, registriert und realisiert? Haben Sie nicht realisiert, was Blair, was Schröder, was Zapatero oder was Gross gesagt haben? Davon leite ich nur zwei mögliche Schlussfolgerungen ab: Entweder Sie wissen nicht, was dort geschieht – das ist schlimm! –, oder Sie haben überhaupt keinen Einfluss in der Europäischen Sozial­demokratie, und das ist genauso schlimm, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Daher haben Sie sich mit Ihrer Linie eigentlich decouvriert, Herr Kollege Cap!

Apropos Linie: Natürlich stellen nicht nur wir uns die Frage, wo denn die Linie der SPÖ in der Türkeifrage ist. Da wird zum Beispiel einem Landeshauptmann – und lieber Herr Landeshauptmann Pröll (in Richtung des auf der Galerie sitzenden Landeshaupt­man-


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nes Dr. Pröll), vielleicht ist das die Ursache, nämlich dieser Landeshauptmann, dass sich Josef Cap mit dir so intensiv beschäftigt hat, er hat offensichtlich ein Landes­hauptmann-Trauma; wir nicht! (Beifall bei der ÖVP – Heiterkeit des Landeshaupt­mannes Dr. Pröll–, und dieser Landeshauptmann heißt Häupl, die Frage gestellt: In der Türkei-Frage sind Sie nicht auf SPÖ-Parteilinie? – Antwort von Häupl: Ich weiß nicht, was die Parteilinie ist! (Beifall und Heiterkeit bei der ÖVP.)

Wenn nicht einmal der Stellvertreter von Gusenbauer weiß, was die Parteilinie ist, wer soll es dann sonst wissen? Es gibt keine, meine Damen und Herren! (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie Gegenrufe bei der ÖVP.)

Ich bedanke mich beim Herrn Bundeskanzler sehr dezidiert auch dafür, dass er die Frage der direkten Mitwirkung der Bevölkerung im Zusammenhang mit dem Türkei-Beitritt zur EU auf das Tapet gebracht hat. Wir unterstützen vorbehaltlos eine Volks­abstimmung zur Frage des Beitritts der Türkei zur EU, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Warum? – Weil die Türkei eine Sondersituation darstellt, und in Sondersituationen muss es nicht nur besondere Verhandlungsspielregeln geben, sondern auch Entschei­dungsspielregeln. Daher diese Volksabstimmung, meine Damen und Herren – und nicht das verwaschene Cap-Modell, der nämlich sagt: Irgendwann einmal soll man das Volk fragen! Die Politik braucht gar nichts zu entscheiden, denn wir trauen uns nicht drüber! – Das ist eine Fortsetzung des Zickzackkurses der SPÖ.

Wir haben eine klare Linie, und ich bringe daher gemeinsam mit dem Kollegen Scheib­ner und der FPÖ folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Dr. Werner Fasslabend, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Volksabstimmung über einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union

Ein allfälliger Beitritt der Türkei zur Europäischen Union hätte in politischer, sicher­heitspolitischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht weitreichende Auswir­kungen auf die Europäische Union und auf Österreich.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Ein Beitritt der Türkei zur Europäischen Union soll nur aufgrund einer direktdemo­kratischen Mitwirkung der österreichischen Bevölkerung erfolgen.

Der Nationalrat geht dabei davon aus, dass die endgültige Entscheidung über eine Zustimmung Österreichs zu einem Beitritt der Türkei zur Europäischen Union in einer Volksabstimmung durch die österreichische Bevölkerung getroffen wird.

Der Nationalrat spricht sich in diesem Zusammenhang dafür aus, dass der Österreich-Konvent die rechtlichen Rahmenbedingungen für österreichische Volksabstimmungen über Beitrittsverträge von besonderer Dimension prüft.

Der Nationalrat spricht sich darüber hinaus dafür aus, dass der Österreich-Konvent die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Teilnahme Österreichs an gesamt­europäischen Volksabstimmungen ausarbeitet,


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und ersucht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang, weiterhin dafür einzu­treten, dass gesamteuropäische Volksabstimmungen über Vorhaben der Europäischen Union von grundlegender Bedeutung ermöglicht werden.“

*****

Das, meine Damen und Herren, ist unsere politische Linie: Entscheiden – aber selbst­verständlich mit den Menschen! (Lang anhaltender lebhafter Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.22

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von den Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Dr. Werner Fasslabend, Dr. Reinhard Eugen Bösch unterschrie­bene und von Wilhelm Molterer eingebrachte Entschließungsantrag ist hinreichend unter­stützt und steht mit in Verhandlung.

Herr Klubobmann Molterer, ich wollte Sie nicht unterbrechen, aber: Sie haben Ihre Redezeit um eine Minute überzogen. Ich ziehe diese eine Minute beim nächsten ÖVP-Redner ab.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Redezeit: 15 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


11.23

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere heutige Sondersitzung befasst sich mit zwei Themenbereichen: der neuen Innenministerin und mit verschiedenen Fragen im Zusammenhang mit den Verhandlungen in Bezug auf den Beitritt der Türkei zur EU.

Zunächst zur neuen Innenministerin. Herr Bundeskanzler, Sie haben Recht, wenn Sie sagen, dass unter anderem ich darauf gedrängt habe, dass die Entscheidung über einen neuen Innenminister/Innenministerin schnell erfolgt, dass die Interimslösung mit Minister Platter kurz bleibt. Damals – ich glaube, es war der 10. Dezember –, bei der Sitzung des Nationalrates, als Sie angekündigt haben, Verteidigungsminister Platter auch mit dem Innenressort zu betrauen, wurde keine Frist genannt, bis zu welcher dieses Provisorium dauern soll. Das hat nicht nur mich, sondern auch verschiedene Kommentatoren sehr gestört. Ich begrüße es daher ausdrücklich, dass unser Wunsch, diese Frage noch vor Weihnachten zu klären, in dieser Weise erfüllt wurde bezie­hungsweise dass nun Klarheit geschaffen wurde.

Frau Bundesministerin Prokop, Sie werden nach mir sprechen, deshalb kann ich auf Ihre Rede naturgemäß nicht eingehen. Ich kann Ihnen nur sagen, was wir, die Grünen, uns von Ihnen erwarten.

Es ist heute – aber nicht nur heute – viel von der Kontinuität der Politik dieser Bun­desregierung und damit der Politik der beiden Regierungsparteien ÖVP und FPÖ die Rede. Welche Kontinuität werden Sie wahren, Frau Bundesministerin Prokop: Ist es sozusagen die Kontinuität eines Ernst Strasser des Jahres 2000 – ich stehe nicht an zu sagen, dass Strasser damals mit viel Fingerspitzengefühl schwierige Situationen als Polizeiminister gemeistert hat –, oder ist es die Tradition von Ernst Strasser des Jahres 2004, einer Zeit, als er zugelassen hat, dass sein Ressort, das Innenminis­te­rium, zwei Anwälte bespitzelt hat, zwei Anwälte angeschwärzt hat, Anzeigen erstattet hat, Anzeigen, die, wie sich herausgestellt hat – denn die Justiz funktioniert noch –, vollkommen haltlos waren, und zwar gegen zwei Anwälte, die nichts anderes getan haben, als ihrem Beruf nachzugehen, unter anderem auch Asylwerber und Asylwer­berinnen zu vertreten? Ist es diese Tradition, die fortgesetzt werden soll?


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Ist es die Tradition, dass in der Asylgesetzgebung über eindeutig verfassungswidrige Gesetzesvorlagen Beschlüsse gefasst werden, die dann vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden, weil sie der Europäischen Menschenrechtskonvention oder der Genfer Flüchtlingskonvention oder anderen österreichischen Verfassungsbestim­mun­gen widersprechen? Wenn Sie diese Tradition fortsetzen wollen, Frau Bundesminis­terin Prokop, dann können Sie mit unserer Unterstützung natürlich nicht rechnen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn Sie aber im Bereich der drei großen Reformvorhaben, die anstehen, und zwar im Bereich der Asylgesetzgebung, im Bereich des Zivildienstes und im Bereich der Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie, erkennen lassen, dass es Ihnen einerseits um die Effizienz der Sicherheitskörper geht – Stichwort „Reform von Polizei und Gendarmerie“ – und andererseits um menschenrechtskonforme Reformen im Be­reich des Asylrechts, dann können Sie mit unserer Unterstützung rechnen!

Jenseits aller Oppositionspolitik kann ich Ihnen, glaube ich, zusichern, dass Sie, wenn Sie in diesen Fragen glaubhafte Maßnahmen setzen – dazu haben Sie einige Wochen Zeit, nicht ewig –, mit unserer Unterstützung rechnen können.

Herr Landeshauptmann Pröll, Sie scheinen eine Äußerung von mir irgendwie in die falsche Kehle bekommen zu haben. Ich habe in einer ersten Stellungnahme gesagt, dass Frau Ministerin Prokop ein bundespolitisch unbeschriebenes Blatt ist. (Der auf der Galerie sitzende Landeshauptmann Dr. Pröll nickt zustimmend.) Landespolitisch ist Liese Prokop selbstverständlich ein sehr, sehr beschriebenes Blatt. Es wäre ja lächerlich, das in Anbetracht ihrer jahrzehntelangen Erfahrung als Landesrätin abzu­streiten. (Abg. Dr. Jarolim: Das kann man sagen!) Aber in Bezug auf die Bundes­politik, in Bezug auf die Tätigkeit als Innenministerin, zuständig für Polizei, Gendar­merie, Asyl, Zivildienst und so weiter, wissen wir das noch nicht. Zumindest ist es mir noch nicht aufgefallen, dass sie sich zu diesen Fragen geäußert hätte. Warum hätte sie sich bisher denn auch zu diesen Fragen äußern sollen? Es fiel ja nicht in ihren Kompetenzbereich.

Aber jetzt wollen wir wissen, wie Sie, Frau Bundesministerin Prokop, zur Frage der Verkürzung des Zivildienstes auf sechs Monate stehen. Jetzt wollen wir wissen, wie Sie dazu stehen, dass Zivildiener nicht anders behandelt werden sollen als Präsenz­diener, beispielsweise hinsichtlich der Bezahlung. Jetzt wollen wir wissen, wie Sie zu einer Reform des Bundesasylamts und der zweiten Instanz des Unabhängigen Bundes­asylsenates stehen, hinsichtlich der Ausstattung mit mehr und qualifiziertem Personal, damit die Bescheidqualität in der ersten Instanz verbessert und die zweite Instanz entsprechend entlastet wird. (Beifall bei den Grünen.)

In absehbarer Zeit – nicht unbedingt heute, aber in absehbarer Zeit – werden Sie sich, Frau Bundesministerin, hier deklarieren müssen, welche Tradition Sie fortzusetzen ge­denken.

Herr Bundeskanzler, Sie haben unter anderem erwähnt, dass, sofern ich es richtig in Erinnerung habe, von den ÖVP-Regierungsmitgliedern im Augenblick die Hälfte Minis­terinnen sind. – Das ist gut, keine Frage. Es wäre erstaunlich, wenn die Grünen das nicht ausdrücklich begrüßen würden. Aber ich muss eines dazusagen: Die Arbeit der Frau Bundesministerin wird nach deren Inhalt bewertet werden. Wir hätten zum Beispiel eine Ernestine Strasser 2004 nicht anders behandelt als Ernst Strasser mit diesen Maßnahmen, insbesondere in Bezug auf seine rechtsstaatlich problematischen Maßnahmen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Ist es notwendig, so etwas zu betonen?) Na ja, ich fand es schon notwendig, das zu betonen.

Im Übrigen sind die Fragen Gehrer – PISA, Grasser – Homepage und so weiter und so fort, all die Fragen, die mein Kollege Cap schon angeführt hat, unerledigt, und wir


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warten in dieser Beziehung auf Maßnahmen im Jahre 2005, um das Dutzend der Rücktritte noch etwas aufzufetten.

Außerdem kann keine Rede davon sein, dass diese Bundesregierung in einem glän­zenden Zustand ist. (Abg. Großruck: In einem hervorragenden! Im besten!)

Ich komme jetzt zum zweiten Thema: Diese Bundesregierung hat es nicht einmal geschafft, vor der Reise von Bundeskanzler Schüssel nach Brüssel eine einheitliche Stellungnahme zu der Frage zu finden, wie denn nun mit der Verhandlungsfrage betreffend EU-Beitritt der Türkei umzugehen ist. (Abg. Mag. Molterer: Die Opposition auch nicht!)

Die Opposition ist nicht verpflichtet, diesbezüglich eine einheitliche Linie zu finden. Ich fühle mich in keiner Weise verpflichtet, mit der SPÖ in irgendeinem Punkt überein­zustimmen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Noch nicht!) Das müssten wir separat ent­scheiden. Aber Sie bilden die Regierung, und für Sie ist es eine Blamage, wenn Sie das nicht schaffen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Was ist passiert? – Bundeskanzler Schüssel reist nach Brüssel und unterschreibt dort das Papier, in dem die Aufnahme von Verhandlungen mit der Türkei gutgeheißen wird. Ich begrüße das ausdrücklich (Abg. Dr. Stummvoll: Jawohl!), sage aber auch dazu: Wenn heute hier eine Abstimmung oder eine Volksabstimmung über den Beitritt der Türkei hier und jetzt stattfände, dann würde ich mit Nein stimmen. Ich verstehe deshalb diese Bedenkenträgerei von Seiten der SPÖ nicht, denn es ist ja keine Frage, dass die Türkei heute nicht beitrittsfähig ist, genauso wenig wie die EU heute aufnahmefähig ist! Dazu dienen ja die Verhandlungen. Dieser Punkt ist okay.

Dann, Freitag Abend, warum auch immer, bekommt der Bundeskanzler kalte Füße. Er sagt: Oje, ich habe nicht alles erreicht, was ich mir vorgenommen habe. Ich will das durch eine Volksabstimmung abgesegnet haben. – Kein Mensch macht Ihnen wegen Ersterem einen Vorwurf, ich zumindest nicht. (Abg. Großruck: Wäre schon gekom­men!)

Jetzt plötzlich und postwendend sollen die drei anderen Parteien dem zustimmen? Die FPÖ stimmt dem natürlich zu, das ist eh klar. Sie waren ja immer der Meinung, dass es eine Volksabstimmung geben soll. (Abg. Dr. Jarolim: Ist das seriös? Es ist eine Frage, ob das seriös ist!) Aber, Herr Bundeskanzler, haben Sie nicht vor einiger Zeit – es ist nicht lange her – anlässlich einer Idee der FPÖ, eine Volksabstimmung bei der Erweiterung der EU von 15 auf 25 Mitglieder durchzuführen, wörtlich gesagt, Sie halten nichts von populistischen Drohgebärden, die innenpolitisch gut klingen, aber außen­politisch nur schaden?! – Klare Worte, ausgezeichnet! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und das soll die Kontinuität der ÖVP-Politik sein, die Herr Molterer vorhin beschworen hat? Das ist ja exakt das Gegenteil von dem, was Sie jetzt machen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Damals war es eine populistische Drohgebärde, die nur schadet und höchstens innenpolitisch gut klingt. Lesen Sie die Zeitungen! Das ist ja nach der PISA-Studie nicht verboten. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.) Die wirtschaftlichen Bezie­hungen zur Türkei sind ja tatsächlich bereits angespannt. Das erreichen Sie auf diese Art.

Ferrero-Waldner sagte noch am 25. Oktober dieses Jahres – das ist ja nicht irgend­wann –: Für eine Volksabstimmung zur Türkeifrage in Österreich bin ich nicht, allenfalls für ein europaweites Referendum.

Ferrero-Waldner – uninteressant! Schüssel vor zwei, drei Jahren – uninteressant! Zählt nicht. Jetzt sind Sie plötzlich dafür und wollen das. Nächste Stufe: Volksabstimmung.


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Wenn Schüssel allein das verspricht, besteht die Gefahr, dass man ihm das nicht glaubt. Schüssel selbst hat heute gesagt: Die Glaubwürdigkeit soll erhöht werden. – Es stimmt schon, wenn jemand sagt, als Dritter gehe ich in Opposition (Heiterkeit bei den Grünen), eine Wirtschaftsplattform soll die Abfangjäger kaufen, es soll eine Volks­abstimmung nach den Türkeiverhandlungen geben – nachher! –, dann glaubt man der Volkspartei oder Bundeskanzler Schüssel dies vielleicht nicht.

Deswegen müssen die Grünen und die Sozialdemokraten auf der Stelle mit ins Boot. Zeitdruck besteht da ... (Abg. Mag. Molterer: Müssen muss niemand! Sie sind einge­laden! – Abg. Dr. Jarolim: ... ehrlicher Mann!) – Ich bin nicht mitgegangen und werde auch bei solch einer Geschichte nicht mitgehen. Ich soll heute meinen politischen Enkeln und Enkelinnen, wenn der Ausdruck gestattet ist, des Jahres 2014, 2024, 2187, wenn eben die Verhandlungen einmal abgeschlossen sein werden, vorgreifen? Dafür soll ich heute eine Verpflichtungserklärung abgeben? Das ist unseriös, das ist grotesk! Das ist nicht nur verfassungspolitisch problematisch, das ist politisch unseriös! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Was ich aber glaube, ist, dass diese Verhandlungen auf beiden Seiten sehr, sehr kompliziert sein werden. Das ist ein gesamteuropäisches Projekt, von dem wir noch nicht wissen, wie es sich auf die Europäische Union auswirken wird. Das ist wahr. Ich denke, dass wir deswegen dann, wenn die Verhandlungen abgeschlossen sein wer­den, das zuständige Volk zu fragen haben, ob der Beitritt durchgeführt, exekutiert werden soll oder nicht. Das zuständige Volk!

Die Türkei wird nicht Österreich beitreten, falls es überhaupt jemals dazu kommt, die Türkei wird der Europäischen Union des Jahres x beitreten.

Deswegen stellen die Abgeordneten Van der Bellen und Lunacek folgenden Antrag, den ich hiemit einbringe:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Van der Bellen, Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine österreichische Initiative für die Einführung einer europaweiten Volksabstimmung über europäische Fragen, eingebracht im Zuge der Debatte über die Erklärung gemäß § 19 Abs. 2 GOG, Ergebnisse des EU-Gipfels in Brüssel am 16./17. Dezember 2005

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, auf europäischer Ebene eine politische Initiative zur Einführung einer europaweiten Volksabstimmung über europäische Fragen von zen­tralem gemeinsamen Interesse zu setzen.

*****

Das steht auch in der Erklärung der Volkspartei. Diesen Teil würden wir Grüne unter­stützen. Es müssen die Voraussetzungen für eine europaweite Volksabstimmung geschaffen werden, denn derzeit ist sie ja rein technisch, rein rechtlich nicht möglich.

Das finden wir vernünftig, und insofern greifen wir hier auch eine Initiative, wenn Sie so wollen, von Bundespräsident Heinz Fischer mit auf. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte mich nicht verschweigen, dass ich mit der Position der Sozialdemokraten heute überhaupt nicht einverstanden bin. Es ist okay, wenn Kollege Cap glaubt, der Beitritt der Türkei zu irgendeinem Zeitpunkt wäre falsch. Es ist okay, wenn du glaubst, auch nur die Aufnahme von Verhandlungen wäre falsch. Es gibt Argumente dafür;


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dagegen habe ich nichts zu sagen. Ich bewerte die Argumente unter dem Strich einfach anders.

Aber: Hinter welchem Volk will sich die SPÖ verstecken? – Die SPÖ stellt derzeit mehr als ein Drittel der Mandatare im Nationalrat. Die SPÖ wird es jederzeit in der Hand haben, wenn es denn eines Tages so weit kommt, mit ihrem Drittel einen Zweidrittel-Beschluss im Nationalrat, der für eine Ratifizierung des Beitrittsvertrages erforderlich sein wird, zu verhindern. Die SPÖ hat diesbezüglich ein Vetorecht. Wenn ihr zum Zeitpunkt x der Meinung seid, der Beitritt ist falsch, dann müsst ihr im Parlament dagegen stimmen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Dann haben sie die Mehrheit nicht mehr! In zehn Jahren ...!)

Was Kollege Cap in Wirklichkeit will – und das ist im heutigen „Standard“ und in der „Presse“ nachzulesen –, ist: Er will vor der Abstimmung oder sogar vor der Unter­zeichnung der Staatschefs eines allfälligen Beitrittsvertrages eine Volksabstimmung haben.

Lieber Kollege Cap, eine derartige Vorgangsweise hätte derart weit reichende Folgen, dass ich sage, diese Verfassungsreform, die dir da vorschwebt (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Der Cap ist schwer beweglich!), hätte tatsächlich eine Volksabstimmung in Österreich zur Voraussetzung, denn das wäre in der Tat eine Gesamtänderung der österreichischen Bundesverfassung. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist Feigheit vor dem Volk! (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.) Wir sind dafür gewählt, Verantwortung zu übernehmen, Entscheidungen zu treffen und diese Ent­scheidungen, wenn es der Rechtslage entspricht oder wenn es als eine politische Notwendigkeit erscheint, dem Volk zur Abstimmung vorzulegen. Wenn das Volk dann nein sagt, so haben die entsprechenden Politiker, die das vorher befürwortet haben, eben zurückzutreten und die Konsequenzen zu ziehen. Das ist – unter Anführungs­zeichen – „normale“ demokratische Politik, aber nicht, sich hinter einem allfälligen angeblichen Volkswillen zu verstecken. Das finde ich nicht in Ordnung, das, finde ich, ist der Versuch, sich der Verantwortung zu entziehen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.38

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Herrn Abgeordnetem Dr. Van der Bellen einge­brachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Van der Bellen, Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine österreichische Initiative für die Einführung einer europa­weiten Volksabstimmung über europäische Fragen ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Van der Bellen, Lunacek, Freundinnen und Freunde betreffend eine österreichische Initiative für die Einführung einer europaweiten Volksabstimmung über europäische Fragen, eingebracht im Zuge der Debatte über die Erklärung gemäß § 19 Abs. 2 GOG, Ergebnisse des EU-Gipfels in Brüssel am 16./17. Dezember 2005

Am Ende des letzten EU-Gipfels in Brüssel hat Bundeskanzler Schüssel überraschend eine österreichische Volksabstimmung über den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union vorgeschlagen – durchzuführen am Ende des Verhandlungsprozesses, nach­dem der Ministerrat zugestimmt und das Parlament ratifiziert haben werden.

Ein jetziger Volksabstimmungsbeschluss in Österreich, der erst in 10 oder 20 Jahren unter einer späteren Regierungsmehrheit vollzogen werden müsste, ist aus verfas-


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sungs­rechtlicher Sicht schwer vorstellbar. In diesem Lichte erscheint die Idee einer Volksabstimmung in Österreich über einen etwaigen EU-Beitritt der Türkei im nächsten Jahrzehnt als populistischer Versuch des Bundeskanzlers, Beruhigungspillen gegen in der Bevölkerung vorhandene Ängste zu verteilen, ohne die politische Verantwortung für die Umsetzung des Beschlusses tragen zu können und zu müssen.

Die Türkei will jedoch nicht Österreich, sondern der Europäischen Union beitreten. Deshalb wäre – wenn überhaupt Volksabstimmungen über künftige Erweiterungen in Erwägung gezogen werden – als direktdemokratisches Element und für Verfassungs­änderungen nur eine Europäische Volksabstimmung angemessen.

Im Europäischen Recht besteht bisher keine Möglichkeit auf Durchführung eines europaweiten Referendums. Auch der vorliegende Entwurf zu einem Europäischen Verfassungsvertrag sieht eine solche nicht vor. Zentrale Fragen gemeinsamer euro­päischer Politik wie der Beschluss über den jetzt vorliegenden Verfassungsvertrag oder künftige Verfassungsänderungen sollten jedoch dem europäischen Souverän vorgelegt werden können. Da eine Volksabstimmung bisher rechtlich nicht vorgesehen ist, setzt dies eine politische Initiative für eine derartige Übereinkunft voraus.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, auf europäischer Ebene eine politische Initiative zur Einführung einer europaweiten Volksabstimmung über europäische Fragen von zen­tralem gemeinsamen Interesse zu setzen.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. Auch Ihre Redezeit, Herr Klubobmann, beträgt 15 Minuten. – Bitte.

 


11.39

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Auch wir Freiheitlichen finden es gut und richtig, dass die Entscheidung zur Neubesetzung des Innenministeriums rascher erfolgt ist, als es vielleicht zu befürchten gewesen ist. Wir haben ja auch bei der letzten Debatte im Nationalrat die Sorge geäußert, dass durch dieses Interregnum, das möglicherweise auf uns zugekommen wäre, wichtige Reformen im Innenministerium verzögert werden. Diese Verzögerung wäre ganz einfach nicht positiv gewesen, denn wir sehen uns in diesem Bereich mit steigenden Kriminalitätszahlen konfrontiert. Wir sehen uns auch mit der offenen Frage einer notwendigen Regelung im Asylbereich konfrontiert. Bei diesen notwendigen Maßnahmen darf es keine Verzögerung geben. Deshalb sind wir sehr froh darüber, dass es jetzt rasch diese Besetzung, diese neue Nominierung gegeben hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Ministerin Prokop, Sie sind auf der Landesebene politisch erfahren, keine Frage, aber Sie werden wenig Zeit haben, sich fachlich in das Ressort einzuarbeiten, denn es wird an Ihnen liegen, gemeinsam mit uns Freiheitlichen in der Bundesregierung genau diese notwendigen Reformen umzusetzen. Sie werden in uns einen fairen, aber auch einen konsequenten Partner haben, wenn es darum geht, diese Grundsätze in die Realität umzusetzen.


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Ein Wort ganz offen, Frau Ministerin: Ich weiß schon, von einer absoluten Mehrheit auf der Landesebene in eine Koalition zu wechseln, da mag man einige Tage und einige Interviews brauchen, um sich daran zu gewöhnen. Aber wir werden unseren Koalitions­partner auf der Bundesebene nicht in Gute und in Schlechte unterteilen, und wir gehen davon aus, dass Sie das auch in Zukunft mit Ihrem Koalitionspartner nicht machen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber jedenfalls, Frau Ministerin Prokop, haben Sie unsere Unterstützung und Zusam­menarbeit, wenn Sie konsequent gegen die steigende Kriminalität ankämpfen, wenn Sie die Verunsicherung, die in der Exekutive durch gewisse Pläne Platz gegriffen hat, die jetzt auch durch die Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie fixiert sind, beenden, wenn Sie auch gemeinsam mit uns dynamisch gegen Einsparungen bei der Sicherheit zu Felde ziehen und wenn Sie gemeinsam mit uns bereit sind, manchmal auch unkonventionelle Maßnahmen zu setzen, die notwendig sind, wenn es etwa darum geht, partiell die Visumpflicht bei jenen Ländern einzuführen, aus denen wir Kriminaltourismus in verstärktem Ausmaß – wie derzeit aus Rumänien – zu verzeich­nen haben. Das sind die notwendigen Maßnahmen, die wir uns zur Eindämmung der steigenden Kriminalität erwarten, Frau Ministerin Prokop.

Frau Bundesministerin, Sie werden auch unsere Zusammenarbeit finden, wenn es darum geht, im Asylrecht ganz klar zu unterscheiden zwischen den wirklich Verfolgten und jenen, die das Asylrecht missbrauchen. Auf der einen Seite ist nach dem selbst­verständlich von uns unterstützten Grundsatz vorzugehen, dass all jenen, die wirklich politisch, religiös oder rassisch verfolgt werden, die notwendige Unterstützung und auch Asyl zu geben sind, aber auf der anderen Seite muss alles gegen den Miss­brauch dieses wichtigen Asylrechtes getan werden.

Da besteht Handlungsbedarf, Frau Bundesministerin. Wenn wir uns die Anerken­nungsquote von 20 Prozent ansehen – das heißt: 20 Prozent der Asylverfahren werden positiv entschieden –, dann erkennen wir, dass 80 Prozent der Asylwerber andere Gründe als wirkliche Asylgründe vorbringen. Und wenn Sie – und das unterstützen wir – eine menschliche Politik in diesem Bereich machen wollen, dann frage ich: Ist es nicht geradezu menschlich notwendig, diesen 20 Prozent all die Unterstützung zu geben und eben auszuschließen, dass 80 Prozent der Asylwerber auf Kosten der 20 Prozent wirklich politisch Verfolgter hier in Österreich versuchen, Aufenthalt und finanzielle sowie materielle Unterstützung zu finden? Das stellen wir uns unter einer menschlichen Asylpolitik vor, genau diese Unterscheidung in wirklich politisch Verfolgte und Kampf dem Missbrauch in diesem Bereich! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Mag. Molterer.)

Sie haben gesagt, Sie werden auch mit den NGOs zusammenarbeiten. Ja, keine Frage, die NGOs und die Flüchtlingsorganisationen sind diesbezüglich schon wichtig. Aber auch von diesen Organisationen ist zu verlangen, dass sie diese Unterscheidung in wirklich politisch Verfolgte und in jene, die das Asylrecht missbrauchen, treffen. Da darf es kein Augenzwinkern geben. Es darf auch nicht akzeptiert werden, dass 98 Prozent der bei einer Drogenrazzia in Wien aufgegriffenen Schwarzafrikaner in einem offenen Asylverfahren stehen, Frau Innenministerin! Da darf es kein Augen­zwinkern geben! Es muss ganz konsequent zum Ausdruck gebracht werden, dass jemand, wenn er in einem Asylverfahren steht, das Strafrecht missachtet, straffällig wird, kriminell wird, aus diesem Asylverfahren zu entlassen und aus Österreich abzu­schieben ist. Auch das ist konsequente, menschliche Asylpolitik, Frau Innenministerin. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es wird auch darum gehen, die Drittstaatenklausel zu 100 Prozent durchzusetzen. Es ist eine sinnvolle Regelung, dass ein Asylwerber sein Asylverfahren in jenem Land ab­zuwarten hat, in dem er zuerst aufhältig ist und wo ein ordnungsgemäßes Asylver-


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fahren möglich ist. Und das sind alle unsere Nachbarländer. Ich gehe davon aus, dass das Abkommen mit der Tschechischen Republik, dass die Asylwerber, die aus Tschechien kommen, wieder zurückgenommen werden, rasch umgesetzt wird.

Wir gehen weiters davon aus, dass im Asylgesetz jene Lücken geschlossen werden, die wir in der Vollziehung dieses Gesetzes gesehen haben. Das betrifft etwa die Trau­matisierung, das heißt, dass ein Asylwerber, wenn er angibt, er sei durch die Reise und durch andere Vorkommnisse traumatisiert, die er alle erlebt hat, dann auf jeden Fall in Österreich ein Asylverfahren bekommen kann. Und plötzlich waren fast alle Asylwerber traumatisiert. Da stellt sich die Frage: Von wem werden diese Leute informiert? Wer brieft denn diese Herrschaften? – Ich glaube, da besteht absolut Handlungsbedarf, auch in Zusammenarbeit mit den Flüchtlingsorganisationen, dass so ein Missbrauch in Zukunft abgestellt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In all diesen Bereichen, Frau Innenministerin, werden Sie unsere Unterstützung haben. Frau Justizministerin Miklautsch hat Sie ja zu einem ersten Gespräch eingeladen, das, glaube ich, schon heute stattfindet. Auch das ist positiv, nämlich ohne Zeitverzögerung diese Aufgaben rasch in Angriff zu nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zweiter Punkt: die Türkei. Der Herr Bundeskanzler hat uns über das Ergebnis des Brüsseler Gipfels berichtet. Ich sage zu Beginn: Ich habe es positiv registriert, dass Österreich, vielleicht sogar erstmals seit vielen Jahren, ganz konsequent – auch wenn wir leider allein geblieben sind – eine kritische Haltung eingebracht und sich in einigen Punkten durchaus merkbar und sichtlich durchgesetzt hat. Ich sage: leider allein, weil es für mich schon überraschend war, dass es viele europäische Länder, Mitglieds­länder der Europäischen Union, gegeben hat, die zwar in ihren Ländern sehr differen­ziert über die Frage der Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union diskutiert haben, zum Teil auch in den Parlamenten diskutiert haben, aber dann beim Gipfel in Brüssel wenig Courage und wenig Dynamik hatten, dies auch umzusetzen. Diese eigenständige Haltung Österreichs sei hier einmal positiv vermerkt.

Negativ erachte ich aber trotzdem den Grundsatz dieses Ergebnisses. Die Entschei­dung, mit der Türkei in Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union einzutreten, halte ich für einen Fehler, für einen absoluten Fehler! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da wird eine falsche Strategie der Europäischen Union der letzten Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte, fortgesetzt. Selbst wenn man mit den Diplomaten in Brüssel redet, dann geht niemand davon aus, dass die Türkei jetzt oder in absehbarer Zeit in der Lage sein wird, wirkliches Vollmitglied dieser Europäischen Union zu werden. Man will es ihr nur nicht sagen, weil man der Türkei schon seit Jahren und Jahrzehnten quasi die Karotte vor die Nase gehalten und gesagt hat: Ihr werdet schon irgendwann einmal beitreten! Schritt für Schritt, 1999 ist dieser Fehler passiert – auch mit Unterstützung von SPÖ-Bundeskanzler Klima –, dass man der Türkei den Kandidatenstatus gegeben hat. Und heute wieder: Heute entscheiden Politiker und Diplomaten über diese Frage, die erst in 15 oder 20 Jahren zur Entscheidung vorgelegt werden wird. Sie sagen sich: Da sind wir eh alle nicht mehr im Amt, und deshalb wollen wir uns jetzt dieser sicherlich schwierigen, aber ehrlichen Diskussion und Auseinandersetzung mit der Türkei nicht stellen.

Ich sage: Wenn einem die Beziehung zur Türkei wichtig ist – und das ist mir wichtig –, gerade dann ist diese Entscheidung falsch. Für uns ist die Türkei ein strategisch, ein politisch, ein wirtschaftlich wichtiges Land. Selbstverständlich! Deshalb sind wir für enge Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei. Gerade deshalb ist es auch falsch, jetzt zehn, 15 Jahre über einen Beitritt zu diskutieren, der möglicher­weise – ich sage: hoffentlich – nicht Realität werden kann und werden wird, anstatt


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dass man rasch, nicht in Jahren, sondern in Monaten, Alternativen zu dieser Vollmit­gliedschaft diskutiert, und zwar so, wie wir es vorgeschlagen haben: eine Partnerschaft für Europa, für all jene Länder, die nicht Vollmitglied der Europäischen Union werden können oder werden wollen, in der wir aber diese bilateralen Beziehungen zwischen der EU und Türkei klar definieren und auch rasch in die Praxis umsetzen können. Da haben sich leider Theorie und Praxis auch in der Europäischen Union wieder einmal sehr weit auseinander entwickelt.

Niemand hat hier klar gesagt, dass die Türkei die Kriterien erfüllt. Es stimmt: Es werden Reformen gemacht. Aber, meine Damen und Herren, in die Wertegemeinschaft der Europäischen Union aufgenommen zu werden, dafür ist mehr notwendig, als nur irgendwelche reversiblen Gesetze in einem Parlament zu beschließen. Bei diesen Werten im Bereich der Menschenrechte, im Bereich der Minderheitenrechte, im Bereich der Toleranz gegenüber Frauen, im Bereich der Toleranz gegenüber Anders­denkenden und im Bereich der Toleranz gegenüber anderen Religionen geht es darum, ob diese Maßnahmen, ob diese Werte auch von der Gesellschaft mitgetragen werden. Und Sie wissen ganz genau, dass das in der Türkei nicht der Fall ist.

Es ist auch immer die Frage: Sind Reformen irreversibel oder sind sie umkehrbar? – Und die Reformen, die in der Türkei gemacht werden, sind eben leider nicht unum­kehrbar. Wir alle schauen vor jeder Wahl mit Sorge in die Türkei, ob nicht irgendwelche radikalen Gruppen stärker ans Ruder kommen. Wir schauen mit Sorge in Richtung Türkei, wie die Machtstellung der Armee zu beurteilen ist.

Selbstverständlich ist uns das nicht egal, denn wir alle hoffen, dass die Demo­kra­tisierung weitergeht, aber wenn sie in eine andere Richtung geht, dann hat das für uns alle Auswirkungen. Umso massiver sind diese Auswirkungen, wenn es ein EU-Mitgliedsland betrifft, und das müssen wir im Interesse Europas, im Interesse der Europäischen Union verhindern, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheit­lichen.)

Ein letztes Argument: die Anerkennung Zyperns. Denken wir doch nur an diese Win­kelzüge – ich darf das so sagen –, die gemacht wurden, weil die Türkei nicht bereit war, offen zu sagen: Ja, wir anerkennen auch politisch die Republik Zypern als Mitgliedsland dieser Europäischen Union! Wenn das schon ein Problem ist, das offen und ehrlich zu sagen, dann frage ich mich wirklich: Was haben Beitrittsverhandlungen für einen Sinn?

Man darf auch nicht vergessen, dass nach wie vor türkisches Militär einen Teil des EU-Mitgliedslandes Zypern besetzt hält.

Das alles lässt doch wirklich die Frage zu: Wieweit nehmen sich die Verantwortlichen der Europäischen Union selbst noch ernst, wenn sie von Grundwerten dieser Union sprechen? Außerdem wissen sie ganz genau, dass sich die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung gegen diese Initiativen ausspricht.

Wir haben das klar zum Ausdruck gebracht, auch im Hauptausschuss – die Entschei­dungen sind anders gefallen. Jetzt geht es für uns darum, dass sichergestellt wird, dass in Österreich, wenn diese Verhandlungen – was wir nicht hoffen – am Ende in Richtung Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union ausgehen, die Bevöl­kerung, die letztlich auch die Rechnung dafür zu bezahlen haben würde, die Ent­scheidung trifft.

Herr Kollege Cap, es war schon interessant, was Sie 30 Sekunden vor Abschluss Ihrer Rede hier noch dahergeredet haben. Sie haben gesagt, nachher dürfe man nicht abstimmen, sondern da müsse man das Volk vorher irgendwie befragen. – Sie wollen


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sich hinter der Meinung der Bevölkerung verstecken, aber wie soll denn das funk­tionieren, über etwas abzustimmen, was noch gar nicht auf dem Tisch liegt?

Wir, meine Damen und Herren, bewegen uns auf Grundlage der österreichischen Bun­desverfassung. Wir wollen das jetzt schon gesetzlich verankern, und deshalb soll das auch der Konvent behandeln. Klar muss sein: Wenn es in zehn, 15 Jahren eine Regierung gibt, in der die Freiheitlichen mit dabei sind, dann wird sich diese Frage nicht stellen, denn wir werden auch dann gegen den Beitritt der Türkei stimmen!

Wenn es darum geht, hier im Parlament eine Zweidrittelmehrheit für einen Beitritt zu verhindern, und wir das können, dann werden wir das tun! Aber, meine Damen und Herren, wir wollen heute schon fixieren, dass für den Fall, dass in Zukunft eine Regierung beziehungsweise das Parlament in Österreich für den Beitritt der Türkei stimmt, die letzte Entscheidung, so wie es die österreichische Bundesverfassung vorsieht, die österreichische Bevölkerung zu treffen hat. – Das und nur das sagt dieser Entschließungsantrag aus!

Herr Kollege Cap, ich verstehe nicht, warum Sie dagegen sind, dass letztlich die öster­reichische Bevölkerung entscheidet (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Zickzackkurs!) – nicht nur befragt wird, sondern entscheidet. Das ist ein weiteres Beispiel nicht für einen Zickzack-, sondern für einen Zick-Cap-Kurs in der österreichischen Sozialdemokratie (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP), aber das werden Sie zu rechtfertigen haben.

Ich hoffe nur, meine Damen und Herren von der Opposition, dass Sie doch noch zur Vernunft kommen (Abg. Dr. Glawischnig: Wir sind sehr vernünftig!), vor allem Sie von der Sozialdemokratie: weg von solchen Plattitüden und Placebos, hin zur verfassungs­konformen, richtigen Maßnahme, eine Volksabstimmung vor dem Beitritt der Türkei zur Europäischen Union durchzuführen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Jarolim: Aber das war keine gute Rede!)

11.54

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr hat sich Frau Bundesministerin für Inneres Liese Prokop zu Wort gemeldet. Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


11.54

Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gerade zweieinhalb Stunden her, dass mich der Herr Bundespräsident angelobt hat. Traditionsgemäß ist der erste Weg eines neuen Ministers der Weg ins Parlament, und ich kann sagen, ich freue mich, dass ich hier die Möglichkeit habe, meine Positionen und meine Vorstellungen ein bisschen darzulegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sicherheit in unserem Land zu gewährleisten ist eine ganz, ganz wichtige Aufgabe. Ich glaube fest daran, dass es dabei einfach darum geht, dass sich alle Verantwortlichen in einem gemeinsamen Vorgehen um grundlegende Fragen in diesem Bereich bemühen – nur dann wird das auch wirklich gelingen! Das gilt für den Bund, das gilt für die Länder, das gilt für die Gemeinden, das gilt auch – ganz wichtig – für die im Parlament vertretenen Parteien.

Die Herausforderungen, die dieses Amt mit sich bringt, sind gewaltig. Ich wusste das. Deswegen habe ich sehr gründlich darüber nachgedacht, und ich darf heute sagen: Ich freue mich auf diese Aufgabe in der österreichischen Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich werde versuchen, mein Bestes einzubringen, so wie ich das 23 Jahre lang in der Landesregierung in Niederösterreich getan habe. Wir hatten nicht immer absolute


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Mehrheiten in der Regierung, und so war ich es gewohnt, in einem Team zu arbeiten, und ich werde das auch hier tun. Ich habe auch nie auf meinen Status als Frau gepocht, darauf, entsprechend behandelt zu werden, sondern ich habe immer ver­sucht, meine Arbeit so gut wie möglich zu erledigen, und ich will das auch in der Bundesregierung so halten.

Ich weiß, dass im Innenministerium eine Reihe von wichtigen Aufgaben auf mich wartet. Ich weiß aber auch, dass Minister Strasser ein wirklich hervorragend bestelltes Haus hinterlässt. Die Weichen sind gestellt. Ich möchte ihm, vor allem aber auch den über 31 000 Beamtinnen und Beamten des Ressorts heute Dank sagen. Sie sorgen Tag und Nacht für die Sicherheit, und ihrer erfolgreichen und konsequenten Arbeit ist es zu verdanken, dass Österreich zu den sichersten Ländern der Welt gehört. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, dass das so bleibt. Sicherheit für alle Menschen in unserem Lande ist einfach das oberste Ziel. Dafür gilt es, die Kriminalität mit allen geeigneten Mitteln zu bekämpfen. Es gilt, maßgeschnei­derte regionale Sicherheitskonzepte für und mit den Bundesländern zu erarbeiten. Der Sicherheitsapparat ist weiter zu modernisieren und die Rechtsgrundlagen an die geänderten Situationen anzupassen. Vor allem ist es ganz wichtig, die internationale Zusammenarbeit zu pflegen, denn Sicherheitsprobleme machen nicht vor Grenzen halt, sie müssen einfach auch grenzüberschreitend behandelt und betrieben werden.

Es ist erfreulich, dass die Kriminalstatistik erstmals wieder eine positive Entwicklung signalisiert. Ich weiß, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die beste Krimi­nalstatistik gar nichts ist, wenn das im Empfinden der Menschen nicht bestätigt wird. Man muss daher konsequent und mit Nachdruck daran arbeiten, die positive Ent­wicklung weiter zu steigern, sie vor allem aber auch für die Menschen spürbar zu machen.

Die zentrale Grundlage dafür ist die Schaffung einer einheitlichen modernen Polizei für ganz Österreich. Die eingeleitete Zusammenführung Polizei, Gendarmerie und Zoll­wache wird, wie geplant, umgesetzt werden. Gleichzeitig ist mir wohl bewusst, dass ein solches Jahrhundertwerk auch Probleme und Verunsicherungen mit sich bringt. Diese Konflikte zu lösen und vor allem auch den Mitarbeitern ihre Ängste zu nehmen, das wird eine der vordringlichsten Aufgaben sein. Ich werde in den kommenden Wochen und Monaten verstärkt den Dialog mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Exekutive suchen und auch versuchen, mir persönlich ein Bild zu machen, welche ergänzenden Maßnahmen bei der Umsetzung von „team04“ erforderlich sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Als zentrale Aufgabe sehe ich, dass neben der organisatorischen Zusammenführung, die bei Gott nicht nur eine Umkleidung oder eine Autofärbelung ist, vor allem auch die innere Zusammenführung von Polizei und Gendarmerie gelingt.

Der zweite große Arbeitsschwerpunkt ist, ein möglichst wirkungsvolles und gleichzeitig menschliches Asylsystem zu schaffen. Ziel dieses Asylsystems ist es, in der großen Tradition der österreichischen Hilfsbereitschaft weiterzuarbeiten, sich aber in der Reali­tät des Europas von heute zu bewähren und sich vor allem auch darin zu bewegen.

Für dieses Ziel gelten drei Prinzipien: Hilfe, wo es um Not geht, Stopp, wo es um Miss­brauch geht – und Strafe, wo es um Kriminalität geht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dass dabei die menschliche Seite natürlich berücksichtigt werden muss, hat aber diese Bundesregierung auch schon bewiesen: Mit dem Vertrag zwischen dem Bund und den Ländern ist sichergestellt, dass schutzbedürftige Fremde entsprechend betreut und die


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Lasten solidarisch aufgeteilt werden. Wer aber gegen unsere Gesetze verstößt, kann nicht damit rechnen, bei uns bleiben zu dürfen.

Es muss uns allen klar sein, dass Probleme wie die Bekämpfung von Kriminalität und Bewältigung der Asylfrage nur in enger internationaler Zusammenarbeit vorangetrieben werden können, wenn es Erfolg versprechen soll. Diese Zusammenarbeit muss in erster Linie mit unseren Partnern in Mitteleuropa geschehen. Mehr Sicherheit in unse­rem unmittelbarem Umfeld ist einfach auch mehr Sicherheit für Österreich. Daher geht es um die weitere Festigung der engen Zusammenarbeit mit Polen, der Slowakei, Slo­wenien, Tschechien und Ungarn – die so genannte Salzburger Gruppe –, das hat hohe Priorität, wir müssen aber auch mit den anderen Partnern in der EU eng kooperieren, vor allem wenn es um die Vorbereitung der österreichischen EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2006 geht.

Für diese EU-Präsidentschaft sehe ich vier große Aufgaben: zum einen die optimale Sicherheit für alle Beteiligten mit möglichst wenig Einschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, zum Zweiten die weitere Heranführung der Länder des westlichen Balkans an die Sicherheitsstandards, die bei uns selbstverständlich sind, weil das einfach auch uns in Österreich nützt, zum Dritten die entschlossene Bekämp­fung von Kriminalität und Korruption im geographischen Umfeld der Europäischen Union, weil auch diese sonst Unsicherheit auf Österreich ausstrahlt, und zum Vierten – und das halte ich für sehr wichtig – die Heranbildung einer möglichst engen Polizei-Kooperation innerhalb der Europäischen Union, damit Europa nicht nur ein gemein­samer Raum der Freiheit und Wirtschaft ist, sondern einfach auch ein Raum der gemeinsamen Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Als neue Innenministerin bin ich stolz darauf, dass hier Österreich in der Zusam­menarbeit schon bisher eine führende Rolle gespielt hat und spielt. Wir sind derzeit in der EU-Spitzengruppe in der Polizei-Kooperation. Es wird nunmehr gemeinsam mit Deutschland, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden an Schengen III gearbeitet – eine besonders enge Form der polizeilichen Zusammenarbeit –, und ich hoffe, dass dieser Vertrag bis Mitte 2005 auch unterschriftsreif ist. Diese Sicherheitskooperation kann ein Modell für eine gesamteuropäische Union darstellen.

Der dritte Arbeitsschwerpunkt ist der Bereich des Zivildienstes. Ich weiß aus meiner Erfahrung als Soziallandesrätin, welch beeindruckende, oft bewegende Begegnungen und Arbeit es da gibt. Ich weiß wirklich, worum es da geht. Ich weiß, was die Zivildiener leisten, ich weiß aber vor allem auch, was unsere Hilfs-, Pflege- und Rettungs­organi­sationen leisten, und ich weiß, dass das Funktionieren dieser Systeme einfach auch auf den Zivildienst angewiesen ist. Daher geht es mir hier um drei Punkte: Im Sinne der sozialen Sicherheit für Österreich muss der Zivildienst (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen) in einer guten Form erhalten bleiben, bestmögliche Rahmenbedin­gungen für die Zivildiener müssen geschaffen werden, und darüber hinaus werden wir über eine Verkürzung des Zivildienstes diskutieren.

Ich erwarte mir Ende Jänner einen Vorschlag der Zivildienst-Reformkommission und wünsche mir, dass wir auf breiter Basis und unter Einbindung aller Betroffenen auch eine gute Lösung finden. (Präsident Dr. Khol gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit komme ich zum Schluss – und ich möchte die wichtigsten Ziele zusammenfassen. (Allgemeine Heiterkeit, da Präsident Dr. Khol mit dem Glockenzeichen bereits auf das Ende der Redezeit aufmerksam gemacht hat.) – Ist es schon aus?

Wir wollen, dass Österreich weiterhin eines der sichersten Länder bleibt, wir wollen bis 1. Juni 2005 der Bevölkerung ein modernes einheitliches Polizeisystem präsentieren,


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wir arbeiten wirkungsvoll an einem menschlichen Asylsystem, wir wollen die inter­nationale Zusammenarbeit unterstützen, wir werden die EU-Präsidentschaft ent­sprechend vorbereiten, und der Zivildienst wird weiterhin eine wichtige Rolle spielen müssen. (Präsident Dr. Khol gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Diesen Weg will ich mit Ihnen, mit möglichst vielen, mit den Ländern, mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch mit den politischen Parteien gehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie um Zusammenarbeit bitten und Ihnen auch gesegnete Weihnachten wünschen. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.05

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Darabos. Seine Redezeit beträgt 8 Minuten. – Bitte, Herr Kollege. (Abg. Grillitsch – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Darabos –: Entschuldigung! – Abg. Dr. Partik-Pablé – gleichfalls in Richtung des Abg. Mag. Darabos –: Welches Aufgebot sind Sie?)

 


12.06

Abgeordneter Mag. Norbert Darabos (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren von der Regierung! (Abg. Grillitsch: Darabos! Entschuldigung!) Hohes Haus! Herr Kollege Grillitsch, ich sage ganz offen: Mir Diskriminierung des Alters vorzuwerfen, ist absurd! (Abg. Grillitsch: Wissen Sie nicht, was Sie sagen? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich habe den Wahlkampf des Heinz Fischer geleitet, der ein Mittsechziger ist, also diese Ihre Vorwürfe greifen zu kurz. Ich stehe aber nicht an, zu sagen, für den Fall, dass die Frau Ministerin sich persönlich betroffen fühlt: Das war nicht meine Absicht! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Hohes Haus! Wir stehen am Ende des Jahres 2004, und auch die Regierungsumbil­dung im Innenressort jetzt, am Ende des Jahres, bietet die Gelegenheit, ein biss­chen zurückzublicken. Die gestrige OGM-Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass 76 Prozent der Österreicher der Ansicht sind, dass 2004 für die FPÖ ein schlech­tes Jahr war. Auch die ÖVP wird im Jahr 2004 mehrheitlich negativ bewertet; 44 Pro­zent der Befragten meinen, dass die ÖVP ein schlechtes Jahr hatte, nur 27 Prozent sprechen von einem positiven Jahr. (Abg. Großruck: Tun Sie nicht Märchen erzählen!)

Warum ist das so? – Ganz logisch: Wir haben ein Jahr hinter uns, das gekennzeichnet war von Sozialabbau und – eine neue Facette der schwarz-blauen Politik – massivem Demokratieabbau in Österreich. Weiters haben wir ein Jahr hinter uns – und damit bin ich beim Thema –, das auch im sicherheitspolitischen Bereich den Menschen Prob­leme bereitete, ein Jahr, in dem die Menschen nicht mehr so großes Vertrauen in die Politik und auch in die Führung des Innenministeriums durch Ernst Strasser hatten.

Man könnte sozusagen vorweihnachtlich sagen: Ernst Strasser geht, hoffentlich kommt eine bessere Sicherheits- und Asylpolitik! – Das könnte man, wären da nicht die Be­gleitumstände, die zu diesem Rücktritt geführt haben. Auch wenn Ernst Strasser geht: Die Turbulenzen im Schüssel-Kabinett bleiben die gleichen – und werden immer heftiger.

Schwarz-Blau regiert nun seit nicht einmal fünf Jahren, und in diesem Zeitraum sind dem Bundeskanzler 13 Minister abhanden gekommen. 13 Minister! (Abg. Großruck: Darabos’ Märchenstunde ist das!) Das ist die Wahrheit, Herr Kollege!

Ich räume ein, dass ein Großteil dieser Regierungsumbildungen auf das Konto der FPÖ geht, aber der „Schmäh“ der ÖVP – der Herr Bundeskanzler hat von doppeltem Spiel gesprochen; das ist tatsächlich ein doppeltes Spiel –, der „Schmäh“ der ÖVP: gelassen in sich zu ruhen, während sich die FPÖ in ihre Bestandteile auflöst, zieht


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spätestens seit dem Rücktritt von Ernst Strasser nicht mehr. Dieser Rücktritt Strassers steht für ein sich beschleunigendes Phänomen des Erosionsprozesses dieser Regie­rung. Er ist Symbol für den Zustand der ÖVP, die offensichtlich mit erheblichen Verschleißerscheinungen zu kämpfen hatte. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses doppelte Spiel, das ich angesprochen habe, lässt sich wohl am besten am Strasser-Rücktritt aufhängen. Wenn Ernst Strasser – nachdem er gesagt hat, er gehe in die Privatwirtschaft – in Richtung Bundeskanzler Schüssel dann selbst sagt: „Es hat mit Schüssel mehrere Gespräche gegeben, bei denen ich gesagt habe, dass ich aufhöre, aber er hat nicht geglaubt, dass ich Ernst mache. Er glaubt immer, dass es nach seinem Schädel gehen muss.“ – So schaut der reibungslose, harmonische Über­gang im Ministerium Marke Schüssel/Strasser aus.

Die Ankündigungen von Strasser sind ja Ankündigungen geblieben. Strasser hat zu Beginn seiner Tätigkeit, wo er sich ein liberales Mäntelchen umgehängt hat, behauptet, er möchte das Innenministerium als „rot-weiß-rotes Ministerium“ führen – auch das vom Bundeskanzler soeben wiederholt.

Rot-Weiß-Rot heißt offensichtlich Einfärbung in Richtung Schwarz, drüberfahren. (Abg. Großruck: Hat Ihnen diese Rede die Frau Bures geschrieben?) Und man sollte nicht verhehlen und man sollte sich die Tatsachen genauer anschauen, Herr Kollege (Abg. Großruck: Hat Ihnen diese Rede die Frau Bures aufgesetzt?), Ernst Strasser ist an seiner eigentlichen Verantwortung im Sicherheitsbereich gescheitert. Die Kriminalität ist von unter 500 000 kriminellen Handlungen im Jahr 1999, also unter sozialdemo­kratischen Innenministern, auf über 700 000 Fälle in die Höhe geschnellt, und die Auf­klärungsrate betrug unter sozialdemokratischen Ministern weit über 50 Prozent, unter Strasser nur noch 37 Prozent. – Strasser hinterlässt also einen Scherbenhaufen, den jetzt seine Nachfolgerin aufräumen darf.

Im Innenressort – das wurde angesprochen – gibt es mehrere offene Baustellen. Das Asylgesetz wurde, wie so viele andere Strasser-Vorlagen auch, vom Verfassungs­gerichtshof gekippt. Statt Lösungen bietet die ÖVP derzeit zumindest nur dumpfen Populismus an. Die Zivildienstreform ist nicht über die Ziellinie gegangen. Deswegen ist auch die Erklärung von Strasser, er hätte alles erledigt, sozusagen Schimäre. Schüssel war gefordert, im Galopp die Pferde zu wechseln, wichtige Dinge sind im Argen und sind noch offen. Niemand kann die neue Innenministerin um diese Aus­gangslage beneiden. (Zwischenruf des Abg. Großruck.)

Niemand kann Ihnen, Herr Bundeskanzler Schüssel, aber die Verantwortung dafür abnehmen, dass eine sicherheitspolitisch – und da werden Sie mir doch hoffentlich zustimmen, zumindest in diesem Punkt – bisher völlig unerfahrene Politikerin in ein derartiges Minenfeld geschickt wird. (Abg. Dr. Fekter: Nein, die ist nicht völlig uner­fahren!)

Aus meiner Sicht kann ich Folgendes anbieten: Wenn Sie, Frau Minister, bereit sind, die Opposition in die Verhandlungen über ein besseres Asylgesetz einzubeziehen, einen Kurswechsel in der Sicherheitspolitik vorzunehmen, der zu einer Aufstockung des Personals und zu einer Stärkung dezentraler Sicherheitsstrukturen führt, wenn Sie, Frau Minister, sicherstellen, dass als Hauptkriterium für die Besetzungen im Sicher­heitsbereich nicht das ÖVP-Buch gilt, wenn Sie sicherstellen, dass die Ergebnisse der Zivildienst-Reformkommission auch demokratisch geprüft und umgesetzt werden, dann können Sie mit der Zusammenarbeit und Unterstützung der SPÖ rechnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Chance für einen Neubeginn hat Bundeskanzler Schüssel allerdings verpasst. Und seien wir ehrlich: Es gibt kaum einen politischen Kommentator – deswegen auch die


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Angriffe auf mich, sehr verkürzt dargestellt –, der nicht ebenfalls mit einigem Unbe­hagen diesen Wechsel im Innenministerium kommentiert hat.

So schrieb Martina Salomon in der „Presse“, wahrlich kein Vorfeldorgan der SPÖ: „ein innovatives Zeichen ist das nicht“. (Staatssekretär Mag. Schweitzer: Was?) „Alles andere als ein Zeichen der Erneuerung“, stellt Michael Völker im „Standard“ fest. „Nichts anderes als eine Zwischenlösung“, so Andreas Koller in den „Salzburger Nach­richten“.

Weiters: „Ein Zukunftssignal ist dem Kanzler allerdings wirklich nicht gelungen“, so Günther Schröder in der „Tiroler Tageszeitung“. – Und Sie gehen auf mich los?! Offensichtlich sehen das alle Chef-Kommentatoren in Österreich auch nicht als Zeichen der Erneuerung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Nicht fürchten, Herr Darabos!)

Zum Abschluss kommend: Der Kitt, der diese Regierung zusammenhält, ist die Angst vor dem Machtverlust, Herr Kollege Molterer, und vor der Veränderung. Uns kann es egal sein. Es ist uns aber nicht gleichgültig, wenn in der Sacharbeit nichts mehr weiter­geht. Es könnte uns sogar politisch recht sein, wenn das schwarz-blaue Kabinett sozusagen aus dem letzten Loch pfeift, aber im Interesse Österreichs wünschen wir uns eine handlungsfähige Bundesregierung, eine, die auch dialog- und reformfähig ist. Herr Kollege Molterer, das sind Sie offensichtlich nicht.

67 Prozent der Österreicher wünschen sich eine neue, eine soziale Regierung, und der Großteil der Österreicherinnen und Österreicher hätte sich auch eine größere Regie­rungsumbildung gewünscht (Abg. Großruck: Haben Sie bei der PISA-Studie mitge­macht?), beispielsweise im Gesundheitsbereich, wo Frau Rauch-Kallat nichts weiter­bringt (ironische Heiterkeit der Bundesministerin Rauch-Kallat), beispielsweise im Finanzministerium, wo die Reformen, die Grasser versprochen hat, mittlerweile im höchsten Budgetdefizit Österreichs münden, oder beispielsweise – auch da werden Sie mir nicht widersprechen können – im Unterrichts- und Bildungsministerium von Frau Minister Gehrer, die die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat. Herr Bundeskanzler, Sie wären aufgefordert gewesen, eine größere Regierungsumbildung durchzuführen.

Wir können sagen, wir werden in sachpolitischen Fragen der Ministerin die Hand reichen – eine Erneuerung Österreichs ist das aber unserer Überzeugung nach nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

12.14

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fasslabend. Redezeit: 7 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


12.14

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Liese Prokop ist heute zweifellos eine außergewöhnliche Persönlichkeit, eine außergewöhn­liche Frau als Innenministerin Österreichs angelobt worden. Es ist nicht nur ungewöhn­lich, dass eine Frau Innenministerin ist, sie ist in Österreich die erste Frau, aber wahrscheinlich auch in Europa, ja weltweit eine der ersten Frauen, die Innenministerin geworden sind, sondern sie hat in ihrem bisherigen Leben und in ihrer bisherigen Karriere auch sehr eindrucksvoll gezeigt, was sie kann.

Ich möchte jetzt gar nicht so sehr auf das eingehen, was bereits durch die Medien bekannt ist, sondern ich möchte auf die Persönlichkeit eingehen, die ich selbst Gele­genheit hatte, in den letzten Jahrzehnten kennen zu lernen. Ich habe Liese Prokop kennen gelernt, als sie vor 35 Jahren Landtagsabgeordnete in Niederösterreich wurde, zur Überraschung aller, und sie war innerhalb kürzester Zeit eine sehr erfolgreiche


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Landtagsabgeordnete. Ich hatte später dann die Gelegenheit – da war Liese Prokop bereits Landesregierungsmitglied –, auch auf das Engste mit ihr zusammenzuarbeiten. Und ich kann nur sagen: Es war immer ein Vergnügen; ein Vergnügen, weil man nicht nur die menschliche Wärme und Kompetenz gespürt hat, sondern auch diese sach­liche Kompetenz, die sie mit eingebracht hat, und dieses Ausmaß an Entscheidungs­fähigkeit und Durchsetzungsfähigkeit, das eben für Spitzenpositionen sowohl im Land als auch im Bund notwendig ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Auch Spitzenpersonen haben manchmal kleine Schwächen und Fehler, und Liese Prokop sagt man nach, dass sie nicht bei allen Terminen immer ganz pünktlich ist. Aber es ist ganz interessant, zu wissen, warum sie meistens nicht pünktlich kommt. Sie ist nämlich ein Mensch, der sich auf jedes Gespräch vorbereitet, und man kann fast mit Sicherheit annehmen, dass sie vorher noch einen Anruf getätigt, ein kurzes Gespräch geführt hat, um sich zusätzlich Informationen zu beschaffen. Dann geht sie in das Gespräch hinein, dann hört sie zu und dann ist sie oft, und zwar gerade in den schwierigsten Situationen (Abg. Heinzl: Erzählen Sie uns ein Weihnachtsmärchen?), diejenige, die als Erste die Initiative ergreift, die als Erste klar und deutlich sagt, was sie will und in welche Richtung es gehen soll (Abg. Heinzl: Wissen Sie was anderes auch noch?), und die das dann mit aller Konsequenz auch durchsetzt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich kann nur sagen: Genau so eine Persönlichkeit stelle ich mir auch als Leiterin des Innenministeriums vor – noch dazu als eine, die gerade mit Sicherheitsaufgaben seit ihrer Jugend vertraut ist. Ich habe geradezu lachen müssen, als ich Aussagen von Kollegem Darabos in der Zeitung gelesen habe. Das zeigt nur, dass er wirklich davon gar keine Ahnung hat, dass er einfach nicht informiert war.

Man muss nämlich wissen, Liese Prokop ist als Tochter eines Bezirkshauptmannes auch durch die Lande in Niederösterreich gezogen. Jeder, der sich ein wenig damit befasst hat, weiß, dass der Bezirkshauptmann die Sicherheitsbehörde erster Instanz ist. Liese Prokop hat bereits als Kind miterlebt, dass ihr Vater in der Nacht wegen eines Polizeieinsatzes aufgestanden ist. Sie hat bereits als Kind miterlebt, was es bedeutet, effizient gegen Kriminalität vorzugehen. Und sie hat in ihrer späteren Karriere als Landeshauptmann-Stellvertreterin natürlich auch den ganzen Umfang an Sicherheits­aufgaben, den ein Landeshauptmann zu bewältigen hat, miterlebt, nicht nur deshalb, weil sie oft den Landeshauptmann von Niederösterreich und damit des größten Landes Österreichs vertreten musste, sondern weil auch er sehr gerne alle seine wichtigen Entscheidungen mit ihr abgesprochen hat. Sicherheitsfragen sind für sie absolut nichts Neues, sondern – ganz im Gegenteil –: Liese Prokop hat sich seit Jahren, ja sogar seit Jahrzehnten damit beschäftigt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Für mich war es daher auch überhaupt keine Überraschung, dass sie heute gerade diesen Sicherheitsaspekt ganz in den Vordergrund ihrer Ausführungen gestellt hat: Sicherheit für die Bürger, den Menschen das Gefühl der Sicherheit zu geben und dabei durchaus auch vor klaren Worten nicht zurückzuweichen. Ja, sie hat die Hilfe ange­sprochen, aber auch die Strafe, und sie hat auch angesprochen, dass sie bereit sein wird, mit allen Mitteln gegen die Kriminalität anzukämpfen. Das erwarte ich mir von einem Innenminister, und daher weiß ich, dass dieses Ressort bei Liese Prokop in den besten Händen sein wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn man wirklich etwas anmerken möchte, dann kann man durchaus sagen – das möchte ich meinen männlichen Kollegen sagen –, in Zukunft werden wir aufpassen müssen. Es steht bereits 4 : 4, haben wir gehört. Die Quotenfrage für die Männer ist eine Frage, der wir uns möglicherweise einmal stellen werden müssen. Wir hoffen dann natürlich auch auf die Unterstützung der Frauen. Sie sind es ja gewohnt und


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wissen, wie man in einer derartigen Situation umgehen muss und wie man sich auch entsprechendes Gehör verschaffen kann.

Kurz noch ein letztes Wort zur Frage einer Aufnahme der Türkei in die EU. Ich glaube, dass es dem Herrn Bundeskanzler gelungen ist, auf europäischer Ebene für Österreich ungeheuer viel herauszuholen, und zwar nicht nur für Österreich, sondern für ganz Europa, weil diese Beitrittsautomatik zum ersten Mal nicht vorhanden ist, weil es gelungen ist, hineinzureklamieren, dass auch andere Lösungen möglich sein müssen, weil die „Stopptaste“, wie von allen internationalen Medien auch anerkannt, mit einge­baut worden ist, weil klar ist, dass das Volk mit entscheiden wird.

Ich erinnere mich an die Worte des ehemaligen französischen EU-Ministers, der die Verhandlungen mit Österreich geleitet hat. Er hat vor wenigen Wochen in Österreich gesagt: Europa ist nicht nur das Europa der Staaten, sondern auch das Europa der Bürger! – Ich halte es daher nicht nur für richtig, sondern für absolut wichtig, dass die Bürger deshalb auch die Möglichkeit haben sollen, mit zu entscheiden, wenn es darum geht, dass eine derart wichtige Entscheidung wie die Aufnahme der Türkei getroffen wird.

Es wird keinen EU-Beitritt der Türkei geben, wenn es das Volk nicht will! Und diese klare Aussage verdanken wir dem Bundeskanzler. Und dafür, Herr Bundeskanzler, auch ein herzliches Danke! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.21

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Seine Redezeit beträgt 8 Minuten.

 


12.22

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Bundesminister Prokop, ich stehe nicht an, zu sagen, dass Ihre Vorstellung heute in diesem Haus durchaus sympathisch war, und das ist ein Eindruck, den sicherlich auch viele von der Opposition mit mir persönlich teilen. Und das ist nicht das Schlechteste, was man bei der ersten Vorstellung einer Ministerin sagen kann.

Sie wissen aber, ich nehme an, nach dieser Woche persönlicher Vorbereitung auf Ihr neues Amt eines genauso gut wie alle Abgeordneten in diesem Haus: dass Sie ein Ressort übernehmen, dessen Zukunft alles andere als klar ist. Sympathie, eine sympathische Erscheinung und eine sympathische Art können Ihnen den Anfang leichter machen – aber mit Sympathie allein werden Sie die Probleme des Innenres­sorts nicht lösen können. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Mit Kompetenz!)

Sie; Frau Bundesministerin, müssen doch in dieser Woche festgestellt haben, dass in einigen Bereichen die Arbeit des Ministeriums ins Stocken geraten und in Schlüssel­be­reichen die Zukunft des Hauses völlig unklar ist. Ich sage Ihnen nur einige Beispiele:

Sie müssten in dieser Woche festgestellt haben, dass Sie bei Fortsetzung des frei­heitlichen Kurses in der Asylpolitik immer wieder vor dem unüberwindlichen Hindernis Verfassungsgerichtshof stehen werden. Und Sie müssten doch in dieser Woche eine Antwort auf die Frage gefunden haben, ob es sich lohnt, da den Kurs von Innen­minister Ernst Strasser auf Biegen und Brechen weiterzuverfolgen.

Macht es wirklich Sinn, um Ihrem freiheitlichen Koalitionspartner entgegenzukommen, weiterhin die österreichische Verfassung über die gesetzlichen Grenzen hinaus zu strapazieren und sie immer wieder zu brechen? Oder gibt es nicht die Möglichkeit, endlich einen Neubeginn einer verfassungskonformen Asyl-, Menschenrechts- und Inte­grationspolitik zu wagen? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Sie wissen, Ihre zweite Aufgabe, die Kriminalitätsbekämpfung insbesondere im Groß­raum Wien und damit auch in Niederösterreich, steckt in der Krise. Innenminister Strasser hat etwas getan, was absolut nicht zu verantworten ist: Er hat Beamte aus der Kriminalitätsbekämpfung, insbesondere aus dem Bereich der Einbruchsdiebstähle, abgezogen, um große, publikumswirksame Show-Ratien gegen Straßendealer insbe­son­dere in Wien durchzuführen, so nach dem Rezept: Am Abend einsperren, in der Früh wieder laufen lassen. (Abg. Dr. Fekter: Nicht wahr!)

Frau Bundesministerin Prokop, Sie wissen, dass Sie das Problem Drogenpolitik, und zwar nicht nur in Wien, nur dann lösen können, wenn Sie Unterstützung aus anderen Teilen der Regierung erhalten, wenn Sie nicht der Polizei ein Problem aufhalsen, das die Polizei als solche nicht lösen kann. Entweder gibt es eine ernst zu nehmende Drogenpolitik, die sich an dem notwendigen anderen Umgang mit Suchtkranken orientiert – oder Sie schicken Ihre Kriminalbeamten weiterhin in hoffnungslose Unter­fangen und werden jedes Jahr an Hand der Kriminalitätsstatistik feststellen müssen, dass Sie gescheitert sind.

Es gibt einen dritten wichtigen Punkt: Viele Beamtinnen und Beamte Ihres Ressorts sind demotiviert, weil ihnen der Innenminister immer stärker und immer drängender nur eine Frage gestellt hat: Welches Parteibuch hast du? Noch nie hat es eine derart radikale und weitgehende politische Umfärbung eines Ressorts gegeben. Noch nie hat es dermaßen viele Beamtinnen und Beamte gegeben, die nicht wissen, wie es mit ihrer beruflichen Zukunft aussieht, weil sie eben kein Parteibuch der Österreichischen Volks­partei haben! Und noch nie sind so viele Kriminalbeamte, insbesondere in Wien, in Frühpension gegangen, weil sie den politischen Druck im Haus nicht mehr ausgehalten haben. Und auch da sind Sie eine Antwort schuldig: Werden Sie die Parteibuch­wirtschaft in Ihrem Haus beenden – oder werden Sie die Linie der niederöster­reichischen ÖVP im Innenressort weiterführen?

Eine letzte große Frage ist die Frage nach dem Zivildienst. Wie werden Sie mit dem Zivildienst umgehen? Es hilft den Zivildienern nicht viel, wenn Sie sagen, der Zivildienst ist etwas Gutes, die Zivildiener sollen unterstützt werden und wir werden über die Verkürzung des Zivildienstes sprechen. Frau Bundesminister! Wir sprechen schon längst über die Verkürzung des Zivildienstes! Das ist eine alte Debatte! Aber für die Präsenzdiener ist die Verkürzung des Präsenzdienstes bereits beschlossene Sache. Warum haben Sie heute keine Antwort auf die Fragen nicht nur der Zivildiener, auf wie viele Monate, auf welche Zeit der Zivildienst reduziert werden wird? Warum bringen Sie die beiden einfachen Worte „sechs Monate“ nicht über Ihre Lippen? (Beifall bei den Grünen.)

Warum sind Sie nicht bereit, Zivildiener gleich zu behandeln, und warum sind Sie nicht bereit, einem Beschluss des Oberösterreichischen Landtages zu folgen, wo die ober­österreichische ÖVP gemeinsam mit uns Grünen der Bundesregierung und dem damaligen Innenminister gesagt hat, wie es gehen könnte?

Das ist das Problem, Frau Bundesminister! Sie hätten heute die Chance gehabt, auf vier große Fragen zumindest vier konkrete Antworten zu geben. Wir wissen nach Ihrer Vorstellung nicht, ob Sie den Kurs von Ernst Strasser fortsetzen – oder ob Sie den Mut und die Einsicht in die Notwendigkeit eines großen Kurswechsels haben.

Es geht nicht nur um die Frage der Menschlichkeit, die schon allein ein ausreichender Grund für einen Kurswechsel wäre, sondern es geht auch um die Frage der Vernunft. Gegen den Verfassungsgerichtshof, gegen demotivierte Beamte, gegen Andersden­kende, gegen die öffentliche Kritik und letzten Endes auch gegen das Parlament können auch Sie – mit aller Unterstützung der ÖVP in Niederösterreich und in Wien – das Innenressort nicht führen! Ernst Strasser ist nicht nur gescheitert, weil sein Kurs


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unmenschlich war, sondern Ernst Strasser ist auch gescheitert, weil sein Kurs unver­nünftig war, weil er die Widerstände unterschätzt hat, weil er geglaubt hat, er könne sich durch die Verfassung und durch die öffentliche Kritik einen Weg durchschlagen. Das hat nicht funktioniert! Die österreichische Bundesverfassung war stärker als Ernst Strasser, und es wäre wichtig für eine neu ins Amt tretende Innenministerin, das öffentlich zur Kenntnis zu nehmen und dem Nationalrat eine einzige wichtige Botschaft zu geben: Ja, ich habe verstanden, warum Ernst Strasser zurückgetreten ist, und ich versuche, mit den Beamtinnen und Beamten und dem gesamten hier diskutierenden Haus einen politischen Neubeginn in der öffentlichen Sicherheit! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Jetzt noch eine kurze letzte Bemerkung zur Frage eines EU-Beitritts der Türkei. Herr Bundeskanzler, zwei Fragen: Erstens: Glauben Sie wirklich, dass in einer Zeit, in der Sie als etwa 75-jähriger Alt-Kanzler längst die Pension genießen und sich hoffentlich bester Gesundheit erfreuen werden, eine Bundesregierung und ein Nationalrat mit völlig anderer Zusammensetzung dann dem „Schüssel/Scheibner-Pakt“ folgen wer­den?

Würden Sie heute, gäbe es so etwas, sich hier herstellen und sagen: Ja, vor 15 oder 20 Jahren hat es den „Steger/Sinowatz-Pakt“ gegeben, und ich bin jetzt gezwungen, ihn auf Punkt und Beistrich umzusetzen!?

Herr Bundeskanzler, das ist etwas unseriös, und ich ersuche Sie, auch den Beitritt der Türkei und den Beitrag Österreichs dazu mit der notwendigen Seriosität zu behandeln! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.31

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Redezeit: 8 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


12.31

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich bin zwar nicht die Pflichtverteidigerin des abgetretenen Innen­ministers Strasser, aber mein Gerechtigkeitssinn, den ich mir noch immer erhalten habe, trotz mehr als 20-jähriger Tätigkeit hier im Haus, sträubt sich wirklich dagegen, dass Sie von der Opposition so tun, als ob der Innenminister mit Absicht ein Gesetz in seinem Ministerium formuliert hätte, das verfassungswidrig ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Stoisits: Natürlich hat er das!)

Ich meine, das wissen Sie doch ganz genau, dass der Verfassungsdienst befragt worden ist, dass Verfassungsexperten aus dem Ministerium die Materie geprüft haben. Aber es ist ganz einfach heute viel, viel schwieriger als noch vor einigen Jahren, ganz definitiv zu sagen ... (Abg. Schieder: Dolus war es!) – „Dolus“ ist die Absicht, das bestreite ich ja. Es ist heute viel, viel schwieriger, mit Sicherheit zu sagen, dass etwas beim Verfassungsgerichtshof halten wird. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Ich habe es einmal hier schon zitiert und möchte es noch einmal tun, weil ich jetzt das Zitat vollständig habe. Der bekannte Verfassungsrechtler Dr. Matscher hat gesagt: „Bei Gott, bei den Gerichten und bei der Seefahrt ist nichts ausgeschlossen.“ – Und das stimmt wirklich. Wir erleben immer wieder Überraschungen bei den Höchstgerichten. Das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, was die Bestellung der neuen Innen­ministerin betrifft. Genau elf Tage hat es gedauert, bis dieser von Ihnen prognostizierte gefährliche Zustand: Machtkonzentration in der Hand eines Ministers beendet war. Der Herr Bundeskanzler hat innerhalb von elf Tagen eine neue Innenministerin eingesetzt –


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und Sie von der Opposition haben wieder einmal einsehen müssen, dass das, was Sie der Regierung vorhalten, nämlich Handlungsunfähigkeit, wieder einmal falsch war. Diese Regierung hat gezeigt, dass sie handlungsfähig ist, sowie in vielen anderen Bereichen. Zum Beispiel hat Herr Kollege Darabos gesagt, die Regierung befinde sich in einem Erosionsprozess. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ja glauben Sie wirklich, eine Regierung, die erodiert, könnte derartige Reformen durchsetzen, wie sie jetzt erfolgen: Pensionsreform, Gesundheitsreform? In jeder Hinsicht arbeitet die Regierung das auf, was Sie in den 30 Jahren Ihrer Regierungstätigkeit vernachlässigt haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Schauen Sie, was Ihre Politik an und für sich betrifft, da sieht man ja schon, wie beleidigend Sie die neue Ministerin behandelt haben. Herr Kollege Darabos hat heute so eine halbherzige Entschuldigung gebracht. Sie haben vom letzten Aufgebot ge­sprochen. Die Innenministerin wäre nicht die erste Wahl. Es sei das kein Renommee für Schüssel. – Das alles haben Sie gesagt, und das verteidigen Sie noch, Frau Abgeordnete Bures! Das finde ich ja wirklich arg!

Eben auf die Spitze getrieben hat es Abgeordneter Darabos, das ist ihm ja schon vorgehalten worden: Es sei völlig eigenartig, dass eine 63-Jährige das Ressort übernimmt. – Das möchte ich am allermeisten anprangern, auch wenn Sie vielleicht sagen werden, die sagt das, weil sie selber schon so alt ist. Aber ich sage: Jugend alleine ist wirklich noch kein Qualitätskriterium! – Herr Darabos, Sie sind dafür der lebende Beweis! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es wundert mich wirklich, dass die sozialistischen Frauen nichts dabei gefunden haben, denn das ist ja wieder ein Argument, das man gegen die Frauen vorbringt. Ein Mann mit 66 Jahren ist jetzt Bundespräsident geworden. Die Sozialistische Partei hat nichts dabei gefunden, dass ein 66-Jähriger kandidiert. – Aber wenn eine 63-jährige Frau Innenministerin wird, dann ist das sofort eigenartig. Frau Abgeordnete Bures, da hätten Sie dem Herrn Kollegen Darabos Ihre Meinung einmal sagen müssen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Was heißt „wehleidig“? Ich bin nicht wehleidig! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das ist Ihre Art, Politik zu machen: Runtermachen, mies machen und beleidigen! Das erleben wir ja immer wieder!

Aber ich befasse mich jetzt mit etwas Wichtigerem als mit Herrn Kollegem Darabos oder auch Frau Abgeordneter Bures, nämlich mit dem Bereich innere Sicherheit. Frau Minister, da gibt es natürlich echte Probleme, die allerdings nicht von Minister Strasser oder von dieser Regierungskoalition verursacht worden sind, sondern wir stehen vor Herausforderungen, die es vor fünf oder sechs Jahren noch nicht gegeben hat. Kein sozialistischer Innenminister musste sich mit den Auswirkungen von Schengen in einer derart massiven Weise befassen, wie wir das jetzt tun müssen. Wir haben ja immer davor gewarnt, dass mit dem Schengen-Vertrag auch enorme Sicherheitsfragen auf Österreich zukommen werden. Jetzt wissen wir, dass enorm viele Menschen in der Absicht nach Österreich kommen, kriminell tätig zu werden.

Kein sozialistischer Innenminister hat mit einer derart großen Asylantenflut zu kämpfen gehabt. In den neunziger Jahren waren es zwischen 10 000 und 20 000 Asylwerber, die nach Österreich gekommen sind; im Jahr 2003 waren es 36 000. Das sind natürlich sehr, sehr große Aufgaben, die auf Sie zukommen. Und wir haben es – das ist schon mehrfach angesprochen worden – mit einem groß angelegten Missbrauch unseres Asylrechtes zu tun.

Gestern haben Sie beispielsweise den Zeitungen entnehmen können, dass der Kopf einer großen Schlepperbande eine Frau war, eine Moldawierin, die mit ihrem Schlep­perring 7,5 Millionen € verdient hat – und noch dazu Notstandshilfe bezieht. Da muss


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man wirklich etwas tun. Ich bin sehr froh, Frau Minister, dass Sie da schon gesagt haben, Sie werden gegen den Missbrauch hart durchgreifen. Und wissen Sie, das wollen auch wir Freiheitliche. Es geht nicht darum, wie Herr Abgeordneter Pilz gemeint hat, eine verwerfliche freiheitliche Asylpolitik umzusetzen, sondern ganz im Gegenteil: Wir wollen Missbrauch verhindern und wollen, dass jenen, die wirklich Asyl brauchen, und zwar aus den Gründen, die in der Genfer Konvention festgehalten sind, Asyl auch gewährt wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Minister, Sie werden sehen, wenn es um wirkliche Reformen geht und um neue Normen, die den Missbrauch im Asylwesen verhindern sollen, dann werden Sie sich auf die Opposition nicht stützen können und auch nicht auf die NGOs, das werden Sie noch erleben, sondern da wird man Ihnen sofort „Unmenschlichkeit“ und „rechtswidriges Handeln“ vorwerfen. Das habe ich schon erlebt bei Schlögl und auch bei Innenminister Strasser. Vertrauen Sie auf Ihren Koalitionspartner, dann werden Sie gut beraten sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie, Frau Bundesministerin Prokop, haben gesagt, Sie wollen eine menschliche Asyl­politik machen. Das hat auch Frau Bures verlangt: eine menschliche Politik. Wir wollen auch eine menschliche Asylpolitik, allerdings muss diese Asylpolitik auch menschlich und seriös gegenüber den Österreichern sein, die diese Politik finanzieren müssen und die auch damit zurechtkommen müssen, dass viele Asylwerber kriminell werden, dass das Asylgesetz missbraucht wird. Da besteht, wie gesagt, akuter Handlungsbedarf.

Zum Schluss. Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, teilweise auch mit Recht, Sie haben in einem Ressort zu arbeiten, das eigentlich nur Schattenseiten zu bieten hat. Ich möchte ihn korrigieren: Sie haben es auch mit 30 000 Exekutivbeamten zu tun. Diese Arbeit ist zwar schwer, aber sie ist sicher nicht die „Schattenseite“. Ich meine, dass es eine lohnende und schöne Aufgabe ist, diese Exekutivbeamten wieder zu motivieren, und ich wünsche Ihnen viel Erfolg. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.39

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Vizekanzler Gorbach. 6 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Vizekanzler.

 


12.39

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren Regierungskollegen und Abgeordnete! Ich darf ebenso wie der Herr Bundeskanzler die neue Ministerin Liese Prokop recht herzlich willkommen heißen im Regierungsteam, in einem sehr guten Regierungsteam, das gerade eine Halbzeitbilanz gemacht hat und aufzeigen konnte, dass sehr viele der Vorhaben gut abgearbeitet wurden, auch im Bereich des Innenministeriums, auch in diesem wich­tigen, sensiblen Bereich Sicherheit. Das heißt, es sind viele dieser Angelegen­heiten erledigt, die Weichen richtig gestellt, aber es stehen auch noch sehr viele Dinge zur Erledigung an. Und einige Hürden werden sicherlich wieder da sein oder aufge­stellt. Es braucht den einen oder anderen Sprung oder Sprint, wie auch immer.

Wir Freiheitlichen – das darf ich dazu sagen – werden dir, verehrter Kollegin Prokop, den notwendigen Rückenwind geben, und ich erwarte mir nicht nur eine gute Zusam­menarbeit, sondern biete diese für mein Ministerium ausdrücklich an. Als Verkehrs­minister darf ich sagen, dass unser Haus in einigen Bereichen mit dir und deinen Leuten zusammenarbeiten wird dürfen, und ich hoffe, das funktioniert so gut wie mit deinem Vorgänger Ernst Strasser.

Du, Kollegin Liese Prokop, bringst das notwendige Rüstzeug für dieses Aufgabe mit, keine Frage! Und: Mir persönlich gefällt es, dass jemand, der nach jahrzehntelanger


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erfolgreicher Landespolitik im Landtag in die Bundespolitik geht und Mitglied der Bundesregierung wird. Das ist eine gute Voraussetzung – neben anderen guten Eigenschaften wie Erfahrung und das notwendige Alter –, um gewisse Dinge gerade in einem solch sensiblen Bereich mit Besonnenheit anzugehen.

Alles Gute! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich freue mich natürlich auch, dass das Vorbild der FPÖ, nämlich die erste Justizministerin in die österreichische Bundesregierung zu nomi­nieren, Schule macht und Herr Bundeskanzler Schüssel mit Liese Prokop die erste Innenministerin Österreichs nominiert hat. Wir haben ja schon gehört: Die Hälfte der Minister, die der Österreichischen Volkspartei angehören, ist weiblich. Das soll uns nicht nur Recht sein, sondern wir freuen uns darüber – und freuen uns auch über den guten und gelungenen Start meiner Kollegin Karin Miklautsch. – Ich wünsche dir, liebe Liese Prokop, denselben guten Start, viel Freude, Spaß und Erfolg an der Arbeit! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Lassen Sie mich – in gebotener Kürze – auch zur Diskussion über einen eventuellen EU-Beitritt der Türkei ein paar grundsätzliche Bemerkungen machen. An der grund­sätzlich ablehnenden Haltung der Freiheitlichen Partei bezüglich eines Vollbeitrittes der Türkei in die Europäische Union hat sich überhaupt nichts geändert! Im Gegenteil! Und wir sind aus diesem Grund auch sehr kritisch, was den Eintritt von Verhandlungen mit der Türkei betrifft, die ja jetzt beschlossen wurden.

Wir Freiheitlichen wollten keine Verhandlungen mit dem Ziel eines Vollbeitritts der Türkei, sondern mit dem Ziel einer privilegierten Partnerschaft, insbesondere auf wirt­schaftlicher Ebene, aber auch auf andere Ebenen. Deshalb: An unserer Haltung hat sich nichts geändert!

In Stakkato-Form einige Gründe dafür: Geographisch und geopolitisch ist klar, dass ein Großteil der Türkei nicht innerhalb der gewachsenen Grenzen der Europäischen Union liegt. Die EU würde dann an Krisenherde wie Syrien, Iran oder Irak grenzen. Allein das muss uns doch zu denken geben – und macht auch klar, warum die öster­reichische Bevölkerung so denkt, wie sie eben denkt und zu Recht Befürchtungen hat.

Was den wirtschaftlichen Aspekt eines eventuellen EU-Beitritts der Türkei anlangt: Wir müssen uns in Erinnerung rufen, dass der Lebensstandard in der Türkei pro Kopf ein Fünftel des Durchschnitts des der EU ausmacht; also meilenweite Unterschiede! Wir müssen wissen, dass in der Türkei 40 Prozent aller Arbeitskräfte in der Landwirtschaft arbeiten. Das ganze finanzielle Gefüge käme außer Rand und Band. Und wir müssen weiters wissen, dass 20 Prozent der 70 Millionen Türken arbeitslos sind! Eine Migration ginge dann also voll los!

Wir müssen auch wissen, dass, was die Türkei anlangt, verfassungsrechtliche Beden­ken bestehen, so etwa die Diskriminierung von Frauen, um nur ein Beispiel zu nennen. Wir müssen weiters wissen, dass dort „islamische Gesetze“ herrschen, dass es kulturell ganz anders ist als bei uns. Die Befürchtungen sind also berechtigt, daher: Es bleibt bei unserer ablehnenden und kritischen Haltung!

Uns Freiheitlichen gefällt aber, dass offensichtlich unsere diesbezügliche, und zwar langjährige, Idee und Vorstellung, die Bevölkerung in so sensible Fragen einzubinden, aufgenommen wurde und breiten Konsens findet. Daher: Volksabstimmung darüber ja, auch eine europäische Volksabstimmung, wiewohl ich meine, dass eine nationale Priorität haben muss.

Meine Damen und Herren von der Opposition, ich habe mir Ihre Anträge genau ange­sehen, und zwar sowohl den Antrag der SPÖ als auch den der Grünen, möchte aber schon sagen: Ich verstehe nicht, warum Sie bei unserem Entschließungsantrag heute


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nicht mitstimmen wollen. Machen Sie doch dann wenigstens bei einem Vier-Parteien-Pakt mit! Jemand von Ihnen hat gesagt: Heute geht es nicht!, daher: Vielleicht geht es morgen – oder, wenn’s sein soll, nach Weihnachten; die Adventzeit ist ja eine besinn­liche Zeit.

In diesem Sinne wünsche ich besinnliche Weihnachten! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.45

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Vereinbarungsgemäß werde ich die nächste Redner-Runde auf 4 Minuten pro Redner/pro Rednerin einteilen und werde mir erlau­ben, bereits einige Sekunden vorher abzuläuten und sehr rigoros auf die Einhaltung der Redezeit zu achten.

Herr Abgeordneter Einem, Sie sind als Nächster am Wort. – Bitte.

 


12.45

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Staatssekretär Mag. Schweitzer spricht mit Bundes­kanzler Dr. Schüssel.) In aller Kürze: Herr Bundeskanzler, die Entscheidung des Euro­päischen Rates vom 17. Dezember trägt den Interessen und Sorgen eines großen Teils der österreichischen Bevölkerung nicht Rechnung! (Abg. Parnigoni: Der Bun­deskanzler schwätzt!)

Herr Bundeskanzler, wir haben sehr eindringlich an Sie appelliert, Ihr ganzes Enga­gement darauf zu richten, endlich die Wünsche der Bevölkerung ins Zentrum euro­päischer Politik zu stellen. (Staatssekretär Mag. Schweitzer spricht weiterhin mit Bundeskanzler Dr. Schüssel.) – Herr Bundeskanzler, ich wäre glücklich, wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit auch mir schenken würden! (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.)

Wir glauben, dass es wichtig ist, dass derzeit alle Kraft der EU, dass alle Kraft der österreichischen Bundesregierung darauf gerichtet wird, dass die Interessen der Bevölkerung im Vordergrund stehen!

Erstens geht es darum, in Europa Arbeit zu schaffen, eine Wirtschaftspolitik zu machen, mit der auch wirklich dafür gesorgt wird, dass alle Menschen in Europa Arbeit bekommen.

Zweitens geht es darum, eine Politik zu betreiben, die für Frieden sorgt, und es geht daher auch darum, eine entsprechende europäische Außenpolitik zu machen – ohne sich ständig ausschließlich auf militärische Instrumente zu stützen.

Drittens geht es darum, für Sicherheit zu sorgen, indem eine enge und freund­schaft­liche Kooperation mit den Nachbarländern gepflogen wird, um grenzüberschreitende Kriminalität tatsächlich wirksam bekämpfen zu können.

Ich meine, diese Dinge, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen Vorrang haben – vor den Überlegungen einer zusätzlichen Erweiterung! Das ist der Punkt, auf den wir von der SPÖ hingewiesen haben. In diesem Sinne war der 17. Dezember 2004 kein guter Tag (Beifall bei der SPÖ), weil sowohl die Entscheidung, Verhandlungen mit der Türkei im Oktober nächsten Jahres aufzunehmen, als auch die Entscheidung, Herr Bundeskanzler, das einer Volksabstimmung zu unterwerfen, wie Sie das gemacht haben, in Wirklichkeit kein gutes Zeugnis für die Glaubwürdigkeit der Politik darstellt! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir von der SPÖ sind auch dafür, europaweite Volksabstimmungen darüber zu machen, wir sind auch dafür, ernsthaft darüber nachzudenken, wo Entscheidungen der Bevölkerung sinnvoll Platz greifen können, aber das, was Sie versprochen haben, Herr Bundeskanzler, ist in Wirklichkeit ein leeres Versprechen, eines, das vielleicht in


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15 Jahren eingelöst wird, falls sich dann eine entsprechende Mehrheit hiefür im Parla­ment findet.

In diesem Zusammenhang darf ich folgenden Antrag meiner Fraktion einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Mag. Norbert Darabos, Dr. Caspar Einem und KollegInnen betreffend EU-Beitritt der Türkei

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung

Die Zustimmung Österreichs zu einem etwaigen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union soll nur auf Grund einer direktdemokratischen Mitwirkung der österreichischen Bevölkerung erfolgen (EU-weites Referendum, Volksabstimmung, etc.).

Die Bundesregierung wird darüber hinaus ersucht, dafür einzutreten, dass europäische Volksabstimmungen über Vorhaben der Europäischen Union von grundlegender Bedeutung ermöglicht werden.

*****

Wir halten das für ganz dringend, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich zum Abschluss aber auch noch ein Wort in Richtung Bundes­ministerin Prokop sagen. Frau Bundesministerin, Sie sind bei Gott erfahren genug, um keine Ratschläge von – politisch überlebenden – ehemaligen Innenministern anneh­men zu müssen. Ich glaube auch, dass Sie keine inhaltlichen Ratschläge brauchen, möchte Sie allerdings in einem Punkt, der in Ihrer Rede vorgenommen ist, gerne bestärken.

Bestärken möchte ich Sie darin, Frau Bundesministerin Prokop, wirklich auf die Polizis­ten, auf die Gendarmen, auf die Kriminalbeamten, die vor Ort tätig sind, zu hören. (Abg. Rossmann: Als Innenminister haben Sie das nicht gemacht!) Besuchen Sie sie, hören Sie ihnen zu!, denn das wird Ihnen helfen und den Beamten nützen, denn gerade nach all diesen wilden Veränderungen im Innenministerium haben es sich die Beamtinnen und Beamten verdient, dass Sie wirklich auf sie hören! (Abg. Rossmann: Sie haben nicht auf sie gehört!)

Frau ehemalige Staatssekretärin: Ich habe in den 22 Monaten, in denen ich Innen­minister war, über 170 Dienststellen besucht! (Rufe: Das stimmt nicht!) Das ist sehr nützlich, und das kann ich Frau Ministerin Prokop nur mit auf den Weg geben! (Beifall bei der SPÖ. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Wir wünschen Ihnen, Frau Bundesministerin Prokop, für Ihre Aufgabe Glück! Wir wün­schen Ihnen aber auch als Opposition, und zwar im Interesse der Sicherheit unseres Landes, Erfolg! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.49

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Kößl. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



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12.49

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Frau Innenminister Prokop! Heute ist ein bedeutender Tag für die Geschichte der Republik Österreich: Mit dem heutigen Tag wird nicht nur ein Wechsel in der Bundesregierung vollzogen, sondern mit dem heutigen Tag übernimmt auch zum ersten Mal in der Geschichte unseres Landes eine Frau die Verantwortung über den staatlichen Kernbereich innere Sicherheit.

Es war und ist dies eine kluge politische Entscheidung; ich gratuliere zu dieser Ent­scheidung und wünsche der neuen Ministerin für ihre Arbeit alles Gute! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich ein paar persönliche Anmerkungen zur Person unserer Frau Innen­ministerin Liese Prokop machen. Seit über 20 Jahren bin ich in der Kommunalpolitik Niederösterreichs tätig, seit dieser Zeit kenne und schätze ich unsere neue Innen­ministerin Liese Prokop. Ich kenne ihre Arbeit für Niederösterreich, für die Menschen Niederösterreichs. Ich kenne Liese Prokops Handschlagqualität und ihre täglich gelebte Menschlichkeit. Sie war nicht nur Ansprechpartnerin in sozialen Bereichen, sondern: Liese Prokop ist ein Vollprofi mit Herz und Verstand!

Heute in der Früh hat unser ehemaliger Vizekanzler Dr. Alois Mock gesagt, Liese Prokop ist nicht nur ein politischer Vollprofi, sondern auch ein „politischer Volltreffer“. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Bundesministerin Prokop hat ja in ihren Ausführungen hier bereits betont, dass sie die gute Arbeit ihres Vorgängers Dr. Ernst Strasser fortsetzen, dass sie Begonnenes zu Ende führen wird, so etwa die gesetzlich beschlossene Zusammenführung der beiden Wachkörper Gendarmerie und Polizei. Jetzt geht es um die Umsetzung – und am Ende wird ein moderner und einheitlicher Bundeswachkörper mit einer schlanken Führungs­ebene und mehr Beamten im Außendienst für die Sicherheit in unserem Lande sorgen.

Man braucht kein Prophet sein, um zu wissen, dass man die Herausforderungen der Zukunft mit Strukturen der Vergangenheit nicht bewältigen kann. Die Reformschritte, die bisher gesetzt wurden, waren wichtig und richtig – und dieser Weg muss zügig fortgesetzt werden; unsere Frau Bundesministerin Liese Prokop ist ein Garant dafür.

Geschätzte Damen und Herren! Liese Prokop hat schon in der Vergangenheit bewiesen, dass sie schwierige Aufgaben mit Durchsetzungskraft, aber auch mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl bewältigt. Für die anstehenden Herausforderungen durch die Zusammenführung der beiden Wachkörper sowie einer Neuausrichtung im Zusammenhang mit dem Asylgesetzes braucht es an der Spitze eine Persönlichkeit mit Managementqualitäten.

Ich bin davon überzeugt, dass Liese Prokop auch für die rund 30 000 Beamtinnen und Beamten im Exekutivdienst und für die rund 5 000 Personen in der Verwaltung des Bundesministerium für Inneres eine ausgezeichnete Innenministerin sein wird.

Ich möchte von dieser Stelle aus – und da Weihnachten unmittelbar vor der Tür steht – meinen Kolleginnen und Kollegen draußen in den Dienststellen nicht nur frohe Weihnachten wünschen, sondern ihnen vor allem ein Dankeschön für die hervor­ragende geleistete Arbeit in dem nun zu Ende gehenden Jahr sagen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.53

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. 4 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 



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92. Sitzung / Seite 49

12.53

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Her­ren hinter mir, meine sehr geehrten Damen und Herren vor mir, meine sehr geehrten Damen und Herren zu Hause: dobar dan!

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Prokop! Herr Bundeskanzler Schüssel hat Sie heute hier im Parlament mit der Beschreibung eingeführt, Sie seien eine Frau, die soziales Gespür sowie Gespür für menschliches Maß hat, eine Frau, die Mut zu Entscheidungen hat, weil Sie das alles in der Vergangenheit bewiesen haben, so der Herr Bundeskanzler.

Frau Bundesministerin Prokop, ich hatte bis jetzt politisch mit Ihnen noch nie zu tun. In Zukunft werden wir viel miteinander zu tun haben, was ich hoffe – hoffentlich jedenfalls mehr, als das bei Ihrem Vorgänger Strasser der Fall war, denn Minister Strasser hat die Leute – das ist der Hauptvorwurf, den wir ihm nach seinem Abgang immer noch machen – sozusagen aus dem Boot gestoßen, anstatt sie ins Boot zu holen. Mit den Nicht-ins-Boot-Geholten meine ich beispielsweise jene Organisationen in Österreich, die im Bereich Menschenrechte tätig sind. Jetzt komme ich auf soziales Gespür und menschliches Maß zu sprechen – und Sie wissen ja sicherlich, dass ich für die Fraktion der Grünen zuständig bin für die Fragen Fremdenrecht und Asyl sowie auch deren Menschenrechtssprecherin bin. Aus dem Boot zu stoßen und nicht ins Boot zu holen, das war der Politikstil Ernst Strassers. Bundesminister Strasser hat die Zusam­men­arbeit mit Flüchtlingsorganisationen, hat die Zusammenarbeit mit NGOs im Men­schenrechtsbereich beispielsweise verweigert, ebenso mit den Kirchen, die, und zwar seit Jahrzehnten, wesentlich zum Ruf Österreichs beigetragen, dass unser Land eines ist, das Flüchtlinge aufnimmt!

Bundesminister Strasser hat also die Zusammenarbeit mit diesen Organisationen verweigert – und er hat die Vorschläge der Opposition, hat den Input, den die Opposition bringt, schlicht und einfach ignoriert!

Frau Bundesministerin Prokop, ich stehe nicht an, zu sagen, dass Sie von der Opposition heute so etwas wie einen „Vorschussvertrauen“ bekommen haben, und zwar auch deshalb, weil wir von Ihnen einen Kurswechsel im Politikstil und im Politik­inhalt erwarten, ja einfordern, denn ein solcher Wechsel ist geradezu notwendig. Das, Frau Bundesministerin, was offensichtlich in Ihrer politischen Vergangenheit der Fall war und was Sie sozusagen charakterisiert, soll von Ihnen auch als Mitglied einer Bundesregierung mit politischem Inhalt erfüllt werden.

Ernst Strasser hat rechtsstaatliche Scherben hinterlassen – und ich zähle nur stich­wortartig Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes auf: Aufhebung des Zivildienst­gesetzes, Aufhebung des Asylgesetzes. Die Ignoranz, die Ernst Strasser zutage gelegt hat mit seinen Kommentaren nach diesen, natürlich für einen Minister nicht gerade angenehmen, ja geradezu für die Regierung peinlichen Erkenntnissen des Verfas­sungs­gerichtshofes, haben uns in den letzten Wochen mehr als bewegt. (Beifall bei den Grünen.)

Ich sage Ihnen daher: Es tut mir nicht Leid um Ernst Strasser, denn mit ihm wäre genau das, was jetzt in dem Bereich, den ich besonders hervorheben möchte und wozu Sie, Frau Bundesministerin Prokop, heute leider jede konkrete Aussage ver­missen ließen, nicht geschehen, nämlich das anzupacken, dass Asylverfahren in Österreich Jahre, ja manchmal Jahrzehnte dauern, weil es kein Personal gibt, und zwar weder beim Bundesasylamt noch beim unabhängigen Bundesasylsenat.

Frau Bundesministerin Prokop, zu Vorschlägen der Opposition, der Kirchen und Flücht­lingsorganisationen, eine verfassungskonforme, den Grundsätzen der Genfer Flücht­lings­konvention uneingeschränkt und umfassend gerecht werdende Novelle des Asyl-


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92. Sitzung / Seite 50

gesetzes auf den Tisch zu legen, haben Sie sich völlig verschwiegen! Ich habe nach Ihrer Präsentation hier, Frau Bundesministerin, keine Ahnung, in welche Richtung der unsererseits von Ihnen erhoffte Kurswechsel gehen wird! (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Frau Bundesministerin Prokop, nicht nur, weil jetzt Weihnachten ist, sondern weil ich auch weibliche Solidarität übe, gebe ich Ihnen, auch namens der Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion, gerne eine Chance, sozusagen eine zweite in diesem Bereich; aber die ist dann letzte. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Stoisits dreht sich zur Regierungsbank um und reicht der neuen Bundesministerin für Inneres Prokop die Hand.)

12.57

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Dr. Bösch. – Bitte.

 


12.57

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der EU-Gipfel von vergangenem Wochenende ist hinsichtlich vie­ler Bereiche als wirklich bemerkenswert zu bezeichnen. Wir Freiheitlichen machen auch kein Hehl daraus, dass wir es lieber gehabt hätten, wenn die EU-Regierungs­chefs keine Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beschlossen hätten, denn das wäre ehrlicher gewesen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Für diese Verhandlungen sind aber auch Voraussetzungen beschlossen worden, die durchaus in vielen Bereichen begrüßenswert sind, Dinge, die wir Freiheitlichen in Verhandlungen zuvor eingemahnt haben und die wir auch in der Realisierung so haben wollen.

Herr Bundeskanzler, Sie haben in der Folge des EU-Regierungsgipfels über einen EU-Beitritt der Türkei eine Volksabstimmung in zehn oder 15 Jahren angekündigt. Es hat uns gefreut, dass Sie, Herr Bundeskanzler, damit eine Forderung von uns Frei­heitlichen aufgenommen haben. Wir von der FPÖ werden uns darum kümmern, dass dieses Anliegen auch in den kommenden Jahren nicht vergessen wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Grundsätzlich hätte dieser EU-Regierungsgipfel be­schließen müssen, dass die Türkei kein europäisches Land ist – und dass sich die Verhandlungen mit der Türkei über mehr als 40 Jahre hingezogen haben, ist doch schon der eigentliche Beweis dafür.

Diese Verlegenheitsbeschlüsse, welche die europäischen Regierungschefs zu diesem Thema im Jahre 1999 und davor gefasst haben, hätten bei diesem Gipfel korrigiert werden müssen, weil die Türkei auch in zehn oder 15 Jahren kein europäisches Land sein wird! Es geht da doch um eine prinzipielle Frage!

Dass auch von Seiten der Türkei das Problem in diese Richtung hin so gesehen wird, beweist die Tatsache, dass der türkische Regierungschef Erdogan während der Ver­handlungen am vergangenen Wochenende kurz davor war, von sich aus die Ver­handlungen platzen zu lassen, weil er sich der Probleme für die Türkei, die er zu vertreten hat, bewusst ist.

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen vertreten die Position, dass man keine zusätzlichen Erweiterungen über den jetzt arrondierten Raum der Europäischen Union hinaus betreiben sollte. Wir haben eine Klärung des Raumes, den die Europäische Union jetzt umfasst, durchzuführen. Wir haben uns um den Balkan und die Nach­folgestaaten Jugoslawiens zu kümmern und mit diesem Bereich, mit Kroatien, aber auch mit den anderen ehemaligen Ostblockländern Rumänien und Bulgarien, genü-


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gend Aufgaben vor uns, die schwierig zu bewältigen sein werden. Ganz abgesehen davon, dass wir jetzt diese zehn neuen Mitgliedsländer, die wir im vergangenen Jahr aufgenommen haben, erst in die Europäische Union hineinführen müssen. Deshalb sind wir der Ansicht, dass es zu keinen übereilten Erweiterungen der Union über diesen europäischen Raum hinaus kommen sollte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir vertreten diese Position auch deshalb, weil wir der Ansicht sind, das Projekt Europäische Union darf nicht scheitern. Eine Überdehnung des geographischen Raumes, der ja politische, wirtschaftliche Folgen hat, bringt diese Gefahr mit sich.

Meine Damen und Herren! Wir sollten uns deshalb bemühen, dass die Europäische Union in dem Bereich, den wir jetzt vor uns haben, die europäischen Gesetze, die europäischen Grundsätze vertiefend zum Durchbruch bringt, und auf weitere Erwei­terungen hinkünftig verzichten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.01

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Aus Zeitersparnis gebe ich jetzt erst bekannt, dass der Antrag des Herrn Abgeordneten Einem ordnungsgemäß eingebracht wurde und in Diskussion steht.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Mag. Norbert Darabos, Dr. Caspar Einem und KollegInnen betreffend EU-Beitritt der Türkei

Ein Beitritt der Türkei zur Europäischen Union hätte in politischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht weitestreichende Auswirkungen auf die Europäische Union und Öster­reich. Im Bereich der Finanzierung der EU wäre mit gravierenden Folgen zu rechnen.

Deshalb soll ein so weitreichender Schritt nicht ohne Zustimmung der österreichischen Bevölkerung erfolgen.

Die unterzeichneten Abgeordneten beantragen daher, der Nationalrat wolle be­schließen:

Entschließung

Die Zustimmung Österreichs zu einem etwaigen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union soll nur auf Grund einer direktdemokratischen Mitwirkung der österreichischen Bevölkerung erfolgen (EU-weites Referendum, Volksabstimmung, etc.).

Die Bundesregierung wird darüber hinaus ersucht, dafür einzutreten, dass europäische Volksabstimmungen über Vorhaben der Europäischen Union von grundlegender Bedeutung ermöglicht werden.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: In der nächsten Runde betragen die Redezeiten der Rednerinnen und Redner jeweils 7 Minuten.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte.

 


13.02

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete!


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Heute wird das Innenressort neu besetzt, mit Liese Prokop nachbesetzt. Wir haben nun eine Olympionikin im Fünfkampf auf der Regierungsbank. Frau Ministerin, Sie werden Ihre Fähigkeiten brauchen, wenn Sie dieses Ressort übernehmen, dessen bin ich mir sicher! (Abg. Großruck: Das hat sie in Niederösterreich schon bewiesen!)

Wenn Sie gesagt haben, Frau Ministerin, dass Ihnen Bundesminister Strasser ein hervorragend bestelltes Haus übergeben hat, dann sage ich Ihnen – das ist mein Eindruck, und ich spreche auch sehr viel mit Leuten von der Exekutive, mit Beamtinnen und Beamten –: Sie werden noch draufkommen, Sie haben eine Baustelle über­nommen, eine Baustelle, die aus mindestens fünf Baustellen besteht! Ich möchte Ihnen die Hauptbaustellen gerne aufzeigen, Frau Ministerin.

Kampfschauplatz 1: die steigende Kriminalität. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Kriminalität in Österreich seit vier Jahren steigt und steigt, und seit vier Jahren ist ein ÖVP-Innenminister für die Sicherheitspolitik zuständig. Und während die Kriminalität steigt, sinkt die Aufklärungsrate, und das ist ein großes Problem. Die Aufklärungsrate liegt jetzt nicht mehr über 50 Prozent wie zu Zeiten von SPÖ-Innenministern, sondern ist inzwischen schon auf unter 37,5 Prozent gesunken. Das ist ein Alarmzeichen, Herr Kollege Großruck! (Beifall bei der SPÖ.)

Baustelle 2, Frau Ministerin: die internationale Kriminalität. Die internationale Krimi­nalität – in der letzten Aktuellen Stunde von den Freiheitlichen ein bisschen vernied­lichend und beschönigend mit Kriminaltourismus bezeichnet – ist ein großes Problem, in Österreich und in Europa insgesamt. Es wird daher notwendig sein, dass ent­sprechende Maßnahmen ergriffen werden.

Ich möchte auf die Zunahme an geschleppten Personen, die nach Österreich ver­schleppt wurden, hinweisen; man kann das im Schlepperbericht 2003 nachlesen. Frau Ministerin, wenn wir von geschleppten Personen sprechen, dann möchte ich dazu­sagen, dass es vor allem Frauen und Kinder sind, die verschleppt werden. Menschen­handel ist oft Frauenhandel. Hier rede ich Sie auch als Frau an: Hier sind Sie gefordert, nach dem Muster, wie unter sozialdemokratischen Innenministern Interventionsstellen für Opfer von Gewalt in der Familie eingerichtet wurden, Stellen für jene einzurichten, die aus einem anderen Land nach Österreich geschleppt wurden. Das würde einerseits den Opfern helfen, aber andererseits auch der Polizei, weil dadurch die Opfer eher aussagen würden. Das, glaube ich, wäre etwas sehr Wichtiges, wenn man diesem Phänomen der Schlepperkriminalität ernsthaft begegnen will: Dass man jenen hilft, die wirklich unter schwersten Bedingungen nach Österreich kommen.

Als Baustelle 3 würde ich die ausstehende Umsetzung des „team 04“ bezeichnen. Sie wissen, es gibt in der Exekutive eine große Unsicherheit, es sollen 5 300 Posten neu ausgeschrieben werden, und das verunsichert die Beamtinnen und Beamten massiv, vor allen Dingen nach den Erfahrungen, die sie innerhalb der letzten vier Jahre unter Innenminister Strasser gemacht haben. Hier muss gewährleistet werden, Frau Ministerin, dass nicht das Parteibuch die Postenbesetzung regiert, sondern die Qualifi­kation. Das würde den Sicherheitsapparat wieder motivieren, wenn die Beamten das Gefühl haben, dass nach Leistung beurteilt wird und die Leistung, die im Sinne der österreichischen Sicherheit erbracht wird, auch entsprechend honoriert wird.

Sehr geehrte Frau Ministerin Prokop! Ein sehr wichtiger und wesentlicher Punkt, den Ihnen Ihr Vorgänger hinterlassen hat, ist der Bereich der Asylpolitik. Es wurde hier heute schon öfters darüber gesprochen, und diesbezüglich haben Sie wirklich Hand­lungsbedarf, nämlich dahin gehend, ein verfassungskonformes, völkerrechtlich im Ein­klang stehendes Bundesgesetz vorzulegen, das wirklich der Genfer Konvention, der österreichischen Verfassung und auch den humanitären Werten in unserem Staat entspricht.


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Was Sie auch noch zu tun haben, Frau Ministerin, das ist, dass das Klima in diesem Land entspannt wird, dass nicht „kriminell“ gleichgesetzt wird mit „Asylwerber“. Diese Klimaverschärfung, die unter Ihrem Vorgänger in unserem Land stattgefunden hat, ist ein Riesenproblem. Hier ist wirklich eine Entschärfung mehr als notwendig. (Beifall bei der SPÖ.)

Baustelle 5, um noch einmal kurz darauf hinzuweisen, ist die neu zu gestaltende Zivildienstgesetznovelle. Sie sollten es wirklich über die Lippen bringen und sagen: Der Zivildiener ist dem Wehrdiener gleichzusetzen! Dann, glaube ich, wäre auch in diesem Bereich Klarheit vorhanden.

Frau Bundesministerin Prokop, ich sage Ihnen: Sie haben in Zukunft die Hände voll zu tun, wenn Sie diese Baustellen aufräumen wollen. Sie haben sich ja eines vorge­nommen, nämlich dass Sie als Innenministerin in die Geschichte eingehen wollen, unter der sich die Sicherheitslage in Österreich verbessert hat. – Packen Sie es an! Unsere Unterstützung haben Sie, wenn es nicht auf Kosten jener geht, die die Ärmsten im Lande sind, seien es die Asylwerber, seien es die Opfer von Schlepperkriminalität oder jene, die vor Ort ihren Dienst versehen und vielleicht nicht das richtige Parteibuch haben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.09

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Kopf. 7 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.09

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, insbesondere aber geschätzte Frau Innenministerin Prokop! Ich möchte die Gelegenheit meiner heutigen Ausführungen hier doch auch dazu nutzen, dich, liebe Liese Prokop, sehr herzlich hier bei uns in der Bundespolitik, in diesem so wichtigen Ressort willkommen zu heißen und dir selbstverständlich auch unsere ungeteilte und volle Unterstützung zu versichern. Sei herzlich willkommen hier! (Beifall bei der ÖVP.)

Und weil schon von einigen Rednern vorher deine sportliche Vergangenheit ange­sprochen worden ist, möchte ich hinzufügen, es freut mich als Sportfunktionär und Sportpolitiker vor allem auch, dass du diese Verbindung zum Sport behalten hast und auch heute noch in einer sehr hohen Funktion, nämlich als Präsidentin der Sportunion, dem Sport nicht nur erhalten geblieben bist, sondern für den Sport auch weiterhin sehr viel tust. Ich freue mich also, dass wir, neben deiner wichtigen Funktion als Innen­ministerin, hier herinnen auch eine Mitstreiterin für die Anliegen des Sports gewonnen haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber nun zum Thema vergangener EU-Gipfel und Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.

Klubobmann Van der Bellen hat vorhin vollkommen zu Recht gesagt, dass eine Ab­stimmung über einen Beitritt der Türkei heute mit einer klaren negativen Ent­scheidung ausgehen würde, weil die Türkei heute die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt. Darüber sind wir uns sicherlich einig. Weder im wirtschaftlichen Bereich wäre die Türkei derzeit ein Gewinn, noch wären die Kosten, noch wäre die große Zahl an migrationswilligen Türken derzeit zu verkraften. Aber auch die gesellschaftlichen und gesellschafts­politischen Voraussetzungen sind derzeit in diesem Land schlicht und einfach nicht gegeben.

Aber: Man muss auch anerkennen, dass die Türkei große Anstrengungen in vielen Bereichen der Politik unternimmt: in der Gesellschaftspolitik mit Verbesserungen in vielerlei Bereichen, in der Justiz, im Bereich der Anerkennung zum Beispiel der


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Frauenrechte und Ähnlichem, im budgetpolitischen Bereich, wo massive Anstrengun­gen unternommen werden, die Verschuldung, die Inflation einzudämmen, und im wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Bereich.

Das soll alles nicht verkannt werden, und es wäre auch ein Fehler gewesen, die Türkei in diesen Bemühungen zu bremsen oder vor den Kopf zu stoßen. Die Türkei will in die EU, und ich glaube, dass die Beitrittsverhandlungen daher auch eine Chance sind, die Türkei noch ein Stück europäischer zu machen, als sie es in den letzten Jahren schon geworden ist.

Ich glaube daher, dass die bisherigen Entscheidungen, die getroffen worden sind, vor allem auch jene, die der Herr Bundeskanzler beim Gipfel getroffen beziehungsweise mitgetragen hat, richtig waren: Verhandlungen aufzunehmen, allerdings Vorbedingun­gen zu stellen, Verhandlungen nur mit offenem Ausgang aufzunehmen und am Ende die Bevölkerung, wenn auf dem Tisch liegt, worüber zu entscheiden ist, in die Ent­scheidung mit einzubeziehen.

Was ich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht akzeptieren und verstehen kann, ist die Position der Sozialdemokraten, nämlich die Bevölkerung über etwas ent­scheiden zu lassen, was noch gar nicht auf dem Tisch liegt und gar nicht entschieden werden kann. Das ist wirklich eine „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!“-Politik, eine Politik, die an Feigheit nicht mehr zu überbieten ist! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich denke, dass wir mit der Türkei einen schwierigen Weg vor uns haben, keine Frage, schwierige Verhandlungen, einen ungewissen Ausgang dieser Verhandlungen, aber es ist angesichts dessen, was ich vorher gesagt habe, meines Erachtens richtig gewesen, diese Verhandlungen aufzunehmen. Ihr Ausgang muss jedoch bis zum Schluss offen bleiben, bis man sagen kann: Ist das machbar? Ob die Türkei in zehn oder wie viel Jahren auch immer fähig und bereit für den Beitritt und auch die EU in der Lage ist, diesen Beitrittskandidaten dann tatsächlich aufzunehmen, das ist heute nicht mit Sicherheit zu beantworten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.14

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. 7 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.14

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Frau Innenministerin! Meine Damen und Herren!

Zuerst ein paar Worte zu Ihnen, Frau Innenministerin. Es wurde heute schon des Öfteren von der Regierungsbank aus und auch von Abgeordneten der ÖVP gesagt, wie großartig es sei, dass jetzt eine weitere Frau in der Bundesregierung sei, noch dazu als Innenministerin. Ich hoffe sehr, Frau Innenministerin, dass Sie den Mut und auch die Zähigkeit, die Ihnen zugesprochen wird, auch für diesen politischen und Strategie-Wandel, den schon meine Kollegin Terezija Stoisits angesprochen hat, ge­genüber der Vorgangsweise Ihres Vorgängers aufbringen werden, nämlich im Bereich des Umgangs mit der Rechtsstaatlichkeit, des Umgangs mit VfGH-Urteilen.

Und noch etwas: Wenn die Tatsache, dass Sie eine Frau sind, angesprochen wird, so hoffe ich doch sehr, dass Sie das auch inhaltlich umsetzen werden, nämlich wenn es zum Beispiel um den Bereich Gewaltschutzmaßnahmen im Bereich Gewalt in der Familie oder Maßnahmen gegen den Frauenhandel geht, denn dort ist sowohl inhalt­lich als auch finanziell noch großer Bedarf nötig, um Initiativen, die hier ganz massiv arbeiten, zu unterstützen. Ich hoffe, dass Sie das auch wahrnehmen werden und verstärkt wahrnehmen, stärker, als Ihr Vorgänger das getan hat.


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Aber nun zum Europäischen Rat, zu den Beschlüssen von Brüssel.

Zuerst möchte ich sagen, dass wir von grüner Seite auch die Entscheidung, mit Kroatien ab 17. März 2005 Verhandlungen zu beginnen, begrüßen. Klubobmann Molte­rer hat ja gesagt, das sei eine Schlüsselfrage. Für die Grünen ist die Integration des gesamten südosteuropäischen Raumes in die Europäische Union eine Schlüsselfrage. Kroatien ist hier ein wichtiger Schritt dazu.

Was ich vom Bundeskanzler in seinen öffentlichen Aussagen und wahrscheinlich auch beim Rat selbst – da war ich ja nicht dabei – vermisst habe, ist, dass er genau diese Notwendigkeit der Heranführungsstrategie und einer prioritären Behandlung der Westbalkanstaaten eingefordert und gesagt hat, dass das auch für Österreich, für die österreichische Bundesregierung wichtig sei. – Für uns Grüne ist das ganz wichtig.

Nun zur Türkei. – Wir begrüßen es, dass diese Entscheidung beim Rat gefallen ist, eine Entscheidung, die heißt: Aufnahme von Verhandlungen mit dem Ziel eines Voll­beitritts und nicht von irgendwelchen Verhandlungen mit irgendeinem Ziel. Wir haben das auch schon des Öfteren klar gesagt. Es ist aber so wie bei allen Verhandlungen, also auch mit der Türkei: Wie diese Verhandlungen ausgehen werden, das ist jetzt noch nicht klar. Das heißt: Insofern gilt auch für uns, dass der Ausgang offen ist. Die Kopenhagener Kriterien müssen erfüllt werden – alle, nicht nur einige! –, auch das ist klar.

Ich habe heute dem Bundeskanzler sehr genau zugehört, als er über die Schutz­klauseln und die Ausnahmeregelungen gesprochen hat. Sie, Herr Bundeskanzler, haben nämlich vor dem Rat immer betont, dass Sie darauf pochen werden, dass es permanente Schutzklauseln, auch für die Personenfreizügigkeit, geben wird, also dass jetzt schon festgeschrieben werden soll, dass es diese geben soll, dass sozusagen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag nach einem Beitritt die Personenfreizügigkeit einge­schränkt wird.

Wir haben damals schon gesagt, Herr Bundeskanzler, unserer Ansicht nach wider­spricht das den Grundfreiheiten im EU-Recht. Man kann nicht jetzt festlegen, dass es permanente Schutzklauseln gerade für die Personenfreizügigkeit geben wird. Das halten wir für einen Widerspruch zum EU-Recht.

Ich war dann – ich weiß, es waren ziemlich harte Verhandlungen – erfreut darüber, dass die Formulierung jetzt so aussieht, dass permanente Schutzklauseln möglich sind, dass man nicht sagt, die sollen permanent gelten, sondern dass sie immer wieder sozusagen aktiviert werden können. Und das ist ein großer Unterschied zu dem, was Sie ursprünglich wollten, Herr Bundeskanzler. (Zwischenbemerkung von Bundes­kanzler Dr. Schüssel.) Das ist ein großer Unterschied, auch wenn Sie jetzt sagen, dem ist nicht so. Ich kann es Ihnen aus der APA zitieren: In der Endfassung des Textes wird klargestellt, dass permanente Schutzklauseln nur dauerhaft verfügbar sind, aber nicht permanent gelten sollen. – Und das ist ein Unterschied!

Aber nun zu dem Punkt, der heute vor allem im Vordergrund steht, zu der Frage der Volksabstimmung und auch zu dem Pakt, den Sie und Vizekanzler Gorbach von den Oppositionsparteien verlangen.

Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Seien Sie doch ehrlich: Das ist ein reiner Befriedungspakt für ÖVP und FPÖ, damit für den Bereich, in dem bisher ein klarer Unterschied in den Positionen vorhanden war, klargestellt ist: Die beiden bleiben gemeinsam in der Regierung, niemand regt sich weiter auf, denn es gibt diesen Befriedungs-, diesen gemeinsamen Pakt.

Sie versprechen hier, dass es irgendwann einmal im Jahre Schnee – wann immer diese Verhandlungen abgeschlossen sein werden – eine österreichische Volksabstim-


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mung gibt. Herr Bundeskanzler – auch mein Klubobmann hat das schon gesagt –, das ist ein lächerlicher Vorschlag!

Sie können das nicht garantieren. Niemand kann das jetzt garantieren. Das ist ge­nauso wie sonstige Versprechungen, die von Ihnen gekommen sind.

Ich möchte Sie an Ihr eigenes Regierungsprogramm erinnern. Das ist nämlich nicht einmal so lange her, ein bisschen mehr als eineinhalb Jahre. Da steht dezidiert drin­nen, dass die Türkei als Beitrittskandidat auf Grundlage der Beschlüsse von Kopen­hagen anerkannt ist – die beziehen sich wieder auf die Helsinki-Beschlüsse; ich will das jetzt nicht zu lange machen –, und da steht nämlich: auf Grundlage derselben Kriterien, die auch für die übrigen beitrittswilligen Länder gelten.

Sie, Herr Bundeskanzler, haben heute genau das Gegenteil gesagt: Dass Sie froh sind, dass das ein ganz eigener Prozess, ein Prozess sui generis ist, so wie es ihn bisher noch nicht gegeben hat. – Herr Bundeskanzler, Sie haben damit Ihr eigenes Regierungsprogramm gebrochen! Dazu sagen Sie kein Wort, und das ist für uns der Grund, warum wir einer solchen Volksabstimmung – neben anderen Kriterien – jegliche Glaubwürdigkeit absprechen. Das ist die Halbwertszeit Ihrer Versprechungen, genau wie bei anderen Dingen.

Wenn Sie schon Volksabstimmungen machen wollen über Themen, wofür es in der österreichischen Bevölkerung keine Mehrheit gibt oder wo eine Mehrheit dagegen ist, warum machen Sie die dann nicht über die Eurofighter? Das wäre doch ein guter Punkt: eine Volksabstimmung über die Eurofighter! Ich kann Ihnen garantieren, da gibt es eine mehrheitliche Ablehnung! Aber das wollen Sie nicht. Sie wollen das nur dort, wo Sie jetzt Placebos aussprechen wollen und sagen: Liebe Bevölkerung, beruhige dich, wird alles halb so schlimm, du darfst dann eh entscheiden! (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Sie wissen ganz genau, Sie können das nicht garantieren. Ein Dialog mit der Bevölkerung in der Türkei über diese Themen ist notwendig – und nicht Placebos für Ängste, die es jetzt gibt. (Beifall bei den Grünen.)

13.21

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Fauland. 7 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.22

Abgeordneter Markus Fauland (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehr­te Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Also: Die Eurofighter mit der Türkei zu vergleichen, das halte ich schon für ein starkes Stück, weil bei dem einen geht es um das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung, die wir als verantwortliche und gewählte Politiker zu vertreten haben, und die Türkei-Frage ist etwas, das man schon aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten hat.

Der Beitritt der Türkei, um gleich auf dieses Thema einzugehen, ist unserer Meinung nach aus einer ganzen Reihe von Gesichtspunkten abzulehnen. Neben den wirt­schaftlichen und vor allem den menschenrechtlichen Aspekten ist auch die politische Entwicklung der Türkei, die sie gerade durchmacht, bemerkenswert und auch beob­achtenswert. Einerseits gibt es in der Türkei ein Erstarken von national-fundamentalen Kräften, die schon die stimmenstärkste Partei stellen, und es kann niemand vorher­sagen, weder in der Europäischen Union noch sonst wo, wohin sich die Türkei in den nächsten 15 Jahren entwickelt. Es kann zu einem weiteren Erstarken der fundamen­talen Kräfte kommen, und dann sind die Folgen und die Auswirkungen für Europa nicht vorhersehbar.


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Bedauerlich ist wieder einmal, dass zwar die SPÖ grundsätzlich dieselben Inhalte vertritt, sie aber, wenn es um einen Antrag der Regierungsparteien geht, wieder ins Neinsagertum verfällt, eine Tugend, die ja schon langsam zur Gewohnheit wird und mit der wir mittlerweile auch gelernt haben umzugehen.

Ein paar Worte noch zur Nachbesetzung des Innenressorts. – Mit dieser Nachbe­setzung wurde ein entstandenes Vakuum im Innenministerium durch den nicht vorher­sehbaren Abgang von Bundesminister Strasser geschlossen. Mit der neuen Bundes­ministerin greift die ÖVP auf eine Person zurück, die aufgrund ihrer langjährigen Erfah­rung sicher äußerst geeignet ist, die Herausforderungen, die dieses Ressort in sich trägt, auch zu bewältigen, und diese Erfahrung wird sie auch bitter nötig haben.

An der Spitze der zu erfüllenden Aufgaben steht die Umsetzung des Sicherheitspolizei­gesetzes mit der beschlossenen Zusammenlegung von Zollwache, Gendarmerie und Polizei. Hier wird es – und zur Abwechslung trage ich auch die Bedenken der SPÖ mit – auf die Transparenz bei der Besetzung der 5 300 neu zu besetzenden Arbeits­plätze besonders ankommen.

Auf der anderen Seite steht die eminent hohe Anzahl der Straftaten in Österreich, verbunden mit einer bedenklich niedrigen Aufklärungsquote. Und auch dies ist eine Herausforderung für die neue Ministerin. Es geht hier nicht um rückläufige Zahlen in Statistiken, denn die Bevölkerung kann mit Statistiken sehr wenig anfangen, sondern es geht darum, das Sicherheitsbedürfnis, das die Österreicher haben, und auch das Vertrauen, das die Österreicher in die Sicherheitssysteme haben, aufrechtzuerhalten und zu verstärken. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Bei der nun bevorstehenden Optimierung – lassen Sie es mich so ausdrücken – des Asylgesetzes bin ich absolut überzeugt, dass die Anliegen des Großteils der Öster­reicherinnen und Österreicher hier eingebunden werden, dass auch die neue Innenministerin sich an die Punktuation, die im Ministerrat verabschiedet wurde, halten wird und es auch aus unserer Sicht zu einer positiven Umsetzung des neuen Asylgesetzes kommen wird.

Es werden in naher Zukunft aber auch andere Themen auf die Innenministerin zukom­men. Beispielsweise ist die Problematik des ADONIS-Behördenfunksystems immer noch nicht ausgestanden, und es gibt eine Reihe weiterer Probleme.

Etwas, was mich irritiert – und es ist mir eine Bedürfnis, das noch anzumerken –, sind die Signale, die von Ihnen, Frau Bundesministerin, in letzter Zeit vor allem gegen die FPÖ ausgesandt wurden. Ich will sie nicht überbewerten, sondern sehe das eher als eine Art Restwirkung Ihrer Vorverwendung in der Niederösterreichíschen Landes­regierung. Ich glaube, dass wir auf Bundesebene im Sinne aller Österreicherinnen und Österreicher zu einer guten Zusammenarbeit finden werden, und ich wünsche Ihnen von dieser Stelle aus viel Glück für Ihr neues Amt! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Fauland begibt sich zur Regierungsbank und reicht Bundesministerin Prokop die Hand.)

13.26

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundes­ministerin Plassnik. 7 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.27

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Im Mittelpunkt der Beratungen des letzten Europäischen Rates ist das Thema Erweiterung gestanden, und wiederum im Mittelpunkt dieses Themas stand die Frage der Verhandlungsaufnahme mit der Türkei.


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Kurz zusammengefasst: Das Ergebnis ist, dass der Beitritt der Türkei zur Europäischen Union möglich ist. Es gibt allerdings keinen Automatismus. Die Türkei erfüllt heute längst noch nicht alle Kriterien, die für einen Beitritt zu erfüllen sind. Daher wurde gemeinsam ein bisher einzigartiges und sehr eigenständiges Verfahren entwickelt, das uns erlaubt, mit Umsicht und Genauigkeit die Probleme, die noch ungeklärt sind, zu lösen und die Fragen aufzugreifen, auf die es bisher noch keine Antworten gibt.

Ich werde insbesondere zum Menschenrechtsbereich und zu den dort festgestellten Defiziten noch speziell etwas sagen.

Gegeben wurde der Startschuss für einen Verhandlungsbeginn, für einen Verhand­lungsprozess, der jedenfalls langwierig sein wird. Auch das ist in den Beschlüssen des Europäischen Rates festgehalten worden: Vor der übernächsten Finanzperspektive – konkret: vor 2014 – kann es zu keinem Verhandlungsabschluss kommen. Das ist einmal die erste Garantie. Das heißt, es wird Zeit sein, die berechtigten Bedenken, die von verschiedenen Seiten vorgebracht worden sind, auch entsprechend zu beleuchten und Lösungsansätze zu entwickeln.

Das engmaschige und auch vielmaschige Sicherheitsnetz, das enge Korsett, das für die Verhandlungsführung selbst entwickelt wurde, ist einzigartig – wir haben das in der Europäischen Union noch in keinem Fall gehabt – und trägt damit der besonderen Bedeutung und auch den Besonderheiten der Türkei und der Europäischen Union in diesem Zusammenhang Rechnung.

Wir waren es – das ist ein, glaube ich, von allen Seiten anerkanntes österreichisches Verdienst –, die wieder das so genannte 4. Kopenhagener Kriterium in den Mittelpunkt gerückt haben. Selbstverständlich gilt dieses Kopenhagener Kriterium seit seiner Beschlussfassung, aber die Anstrengungen, die notwendig waren, um es auch politisch wieder in den Vordergrund, in den Gesamtzusammenhang des beginnenden Verhand­lungsprozesses zu rücken, sind ein Beweis dafür, dass es nicht immer in allen Über­legungen an erster Stelle gestanden ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ähnliches gilt auch für die Offenheit des Prozesses. Auch das ist an sich eine Selbst­verständlichkeit, aber auch zum ersten Mal wurde diese Offenheit des Verfahrens, die Tatsache, dass es über den Ausgang sozusagen keine Vorentscheidung gibt, explizit festgehalten. Es war keine Selbstverständlichkeit – die mühseligen Verhandlungen gerade in diesem Punkt haben es unterstrichen.

Zu den Hauptelementen im Verfahren möchte ich neben dem offenen Prozess noch darauf hinweisen, dass auch ausdrücklich verankert wurde: Sollte sich ein Beitritt, eine Beitrittsverwirklichung, im Laufe der Verhandlungen nicht ergeben, dann gibt es eine Alternativlösung, und zwar in zwei Fällen: einerseits durch den Hinweis auf dieses 4. Kopenhagener Kriterium für den Fall, dass die Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union nicht gegeben ist, und zweitens für den Fall, dass die Türkei nicht in der Lage sein sollte, die an sie gestellten Anforderungen, die Kriterien – die Kopenhagener Kriterien – entsprechend zu erfüllen.

Eingerichtet wurde ein sehr strenger Überwachungsprozess, der insbesondere bei den Menschenrechten und bei den politischen Kriterien in Gang gesetzt ist – ein laufender Prozess, die Kommission wird regelmäßig Bericht erstatten –, und es ist in diesem Verfahren auch vorgesehen, wenn es zu schwer wiegenden Unstimmigkeiten, Schwie­rigkeiten bei der Erfüllung kommt, dass ein Verfahren in Gang gesetzt werden kann, das bis zur Unterbrechung der Verhandlungen gehen kann. Wir haben es im Haupt­ausschuss berichtet: Ein Drittel der Mitgliedstaaten oder die Kommission kann genau diese Stopp-Taste, diese Notbremse auslösen und eine komplette Unterbrechung der Verhandlungen herbeiführen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Die Verhandlungen werden sich nach dem bekannten Muster – also Kapitel für Kapitel – abspielen, allerdings mit „Benchmarks“ – auch das eine Neuerung im Ver­fahren: Es wird zum ersten Mal kapitelweise festgelegt werden können – am Beginn, aber auch am Ende des jeweiligen Kapitels –, welche Kriterien speziell in diesem Bereich zu erfüllen sind und ob die Umsetzungsvorgänge entsprechend zufrieden stellend sind; für diese Vorgänge brauchen wir Einstimmigkeit.

Zum Bereich Menschenrechte: Das Bewusstsein, dass es hier erhebliche Defizite gibt, ist groß. Die Defizite betreffen die Folter, die freie Meinungsäußerung, die Religions­freiheit, Kinderarbeit und Kinderrechte, aber auch Gewerkschaftsrechte und den Minderheitenschutz.

Ich möchte noch kurz darauf hinweisen, was wir Österreicher tun, um uns insbe­sondere im Bereich Folter zu engagieren und die Türkei bei ihrem Prozess zu unter­stützen: Unter österreichischer Federführung wurde ein EU-Projekt über menschen­rechtskonforme Vernehmungsmethoden eingeleitet, und zwar am 8. September 2004. 200 Trainer werden ausgebildet, das Projekt wird vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Men­schenrechte und dem Innenministerium in Zusammenarbeit mit der General­direktion der türkischen Polizei abgewickelt. Es handelt sich um ein Twining-Projekt, das im Wege meines Ressorts zustande gekommen ist, und das Team umfasst 40 Ex­perten aus der gesamten EU –15 davon kommen aus Österreich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das als Information zum Thema Menschenrechte und was Österreich – konkret jetzt an einem Beispiel geschildert – in diesem Bereich unternimmt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.33

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Brosz und die Fraktion der Grünen: Wenn ich jetzt noch einmal eine 6-Minuten-Runde mache, werden wir nicht pünktlich um 14 Uhr fertig; ich sage das nur. Daher hätte ich vorgeschlagen, die Redezeit auf 5 Minuten pro Redner zu reduzieren. (Demonstrativer Beifall bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Allerdings kann das nur bei einhelliger Zustimmung erfolgen. Und deswegen frage ich die Fraktion der Grünen, ob Sie einverstanden sind. (Abg. Mag. Stoisits: Jawohl!) – Sehr gut; danke!

Dann gelangt als Nächster Herr Abgeordneter Parnigoni zu Wort. Redezeit: 5 Minu­ten. – Bitte.

 


13.34

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Nur einen Satz zur Frage der Türkei: Wir hätten es als fairer und anständiger empfunden, zu sagen, die EU ist einfach nicht reif, als jetzt ein kompli­ziertes Verfahren zu entwickeln, mit Überwachungsprozessen und so weiter, um dann vielleicht nach zehn Jahren in die Lage versetzt zu werden, die Stopp-Taste drücken zu müssen. – Das hielte ich für viel schlimmer, denn das hätte natürlich für die Beziehungen der EU mit der Türkei heute noch nicht absehbare Folgen.

Aber, meine Damen und Herren – vor allem Frau Innenministerin –, ich empfinde es als nicht unangenehm, dass nunmehr die Fragen der inneren Sicherheit im Wesent­lichen von Niederösterreichern behandelt werden – nämlich die Frau Ministerin auf Ebene der Regierung, und ich darf mich als Vorsitzender des Innenausschusses mit diesen Fragen auseinander setzen.

Frau Bundesministerin Prokop, Sie haben in einem Interview am 18. Dezember im „Kurier“ gemeint, Ihr Ziel sei es, als die Innenministerin, unter der sich die Sicher-


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heitslage deutlich verbessert hat, in die Geschichte einzugehen. – Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Das ist ein Ziel, bei dessen Verfolgung wir Sie im Interesse der Sicherheit der Bevölkerung sicher unterstützen werden.

Es ist auch gut, wenn Sie das sagen. Frau Bundesministerin Prokop, Sie haben in Ihren Ausführungen hier ja deutlich gemacht, dass Sie sich von Herrn Strasser unter­scheiden, der immer davon gesprochen hat, Österreich sei das sicherste Land. Sie ha­ben das schon abgeschwächt und haben gemeint: Österreich ist eines der sichersten Länder. Das zeigt schon, dass Sie vielleicht doch mit der notwendigen Vorsicht an die Dinge herangehen.

Frau Bundesministerin Prokop, Sie übernehmen, wie heute schon gesagt worden ist, eine Reihe von Baustellen, und das in einer Zeit, in der die Sicherheitslage ja sehr, sehr eindeutig ist: Faktum ist – auch wenn der Herr Bundeskanzler immer wieder davon spricht, dass 1 000 Sicherheits-Exekutivbeamte mehr auf der Straße zur Ver­fügung stehen; und auch wenn er das noch mehrmals wiederholt, wird diese Behaup­tung nicht wahr –, Faktum ist, dass wir eine dramatische, eine desaströse Entwicklung im Bereich der Sicherheit haben. Das wird durch das Ansteigen der Delikte von 1999 bis 2004 um mehr als 200 000 und das Absinken der Aufklärungsrate auf knapp 37 Prozent deutlich. Das sind ja Signale, die man erkennen muss; da ist eindeutig Handlungsbedarf gegeben.

Frau Bundesministerin, ich habe Ihnen sehr genau zugehört. Sie können ja nichts dafür, dass Ihnen der bei Nacht und Nebel verschwundene Innenminister hier einige Baugruben überlassen hat, aber Sie sollten gewappnet sein. Und ich kann Ihnen sagen: Es gibt tatsächlich Personalprobleme! Es ist ein Faktum, dass es etwa bei Pensionierungen keine Neuaufnahmen gibt, es ist ein Faktum, dass wir mehr als 500 Karenzierungen haben – vor allem von Beamtinnen, weil es eben Gott sei Dank immer mehr werden– und keine Nachbesetzung dieser offenen Planstellen erfolgt ist. Das ist ein Punkt, den Sie natürlich vorrangig behandeln müssen.

Frau Bundesministerin Prokop, ich kann Ihnen versichern: Die SPÖ hat sich nie gegen Maßnahmen gestellt, die mehr Sicherheit für die Bevölkerung gebracht haben. (Abg. Mag. Molterer: Warum haben Sie dann dagegen gestimmt?) Und beim Sicherheits­polizeigesetz, Herr Klubobmann Molterer, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass wir natürlich den neuen Ermittlungsmethoden zugestimmt haben. (Abg. Mag. Molterer: In dritter Lesung abgelehnt!) Moment! Wir haben zugestimmt, wir haben massiv mitgearbeitet und haben eigentlich gerade die Frage der Schutzzonen oder etwa die Video-Überwachung auf eine rechtsstaatliche Basis gestellt – da haben wir mitgewirkt –, aber leider hat die ÖVP – und die FPÖ vor allem – verhindert, dass wir in einem anderen Abstimmungsmodus auch in dritter Lesung zustimmen hätten können.

Es ist schon angesprochen worden, dass für Sie die Frage der Zusammenführung eine wichtige Frage ist. Hier mache ich Sie darauf aufmerksam, dass ich es für einen völligen Unsinn halte, diese 5 300 Planposten auszuschreiben, und ich biete Ihnen an, dass wir versuchen, diesbezüglich zu einer anderen Vorgangsweise zu kommen.

Im Asylwesen ist, glaube ich, die Frage des Rechtsstaates, die Genfer Konvention die Grundlage, und es muss sich hier eine Politik der Menschlichkeit durchsetzen. Auch da werden Sie unsere Zustimmung finden.

Den bisherigen Umgang mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Innenministerium müssen Sie, glaube ich, verändern, denn wenn ich jetzt höre, dass etwa diese jährliche Ausschüttung von Belohnungen, die es gegeben hat, nur für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministerbüros erfolgt ist (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glocken-


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zeichen), kann ich nur sagen, das ist der falsche Weg. Es ist den Tausenden (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen) – ich schließe schon ab! – Exekutivbeamtinnen und -beamten, die hervorragend gearbeitet haben, zu danken, und es ist erfreulich, dass sie sich trotzdem bemühen – auch wenn sie da ausge­schlossen worden sind.

Ich wünsche Ihnen alles Gute und biete Ihnen für konstruktive Zusammenarbeit die Hand. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Parnigoni begibt sich zur Regierungsbank und reicht Bundesministerin Prokop die Hand.)

13.39

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Ellmauer. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.40

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­deskanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Als Menschenrechtssprecher meiner Fraktion danke ich dem ausgeschiedenen Bundesminister Strasser vor allem für sein Engagement in der Asylpolitik, denn was er auf Schiene gebracht hat, hat noch kein Innenminister vor ihm geschafft.

Vor Beginn seiner Amtszeit gab es etwa 2 300 Asylwerber in Bundesbetreuung; nun sind es knapp mehr als 27 000 Asylwerber, für die der Staat Unterkunft, Verpflegung und ein faires Asylverfahren geschaffen hat. Hier waren Reformen dringend notwendig, und Ernst Strasser hat diese mit einem modernen, attraktiven Asylgesetz umgesetzt. Dieses ist sowohl im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher als auch im Interesse jener Asylwerber, die wirklich Asyl brauchen, denn ein Gesetz, das inter­nationalen Schlepperbanden Tür und Tor öffnet für Menschen, die in unserem Land wirtschaftliche Verbesserung für ihre persönliche Lebenssituation suchen, nützt uns allen nicht. Wir wollen jenen Herberge geben, die diesen Schutz wirklich brauchen. Gerade zwei Tage vor Weihnachten sollte das allen klar sein und ein gemeinsames Anliegen sein.

Als erstem Innenminister ist es Ernst Strasser auch gelungen, für die Grundversorgung eine Artikel-15a-Vereinbarung mit den Ländern zustande zu bringen. Das war Einsatz pur für die Menschen, die unsere Hilfe wirklich brauchen.

Österreich, das nie zu den klassischen Einwanderungsländern gezählt hat, wurde aus guter und vor allem menschlicher Tradition heraus jedoch zu einem Land, in dem viele zu Recht Zuflucht und Schutz gesucht haben und nach wie vor suchen. In einem ehemaligen klassischen Einwanderungsland wie den USA kommt ein Asylantrag auf 13 679 Einwohner, in Australien auf 8 070 Einwohner, in Deutschland auf 3 358 Ein­wohner, in England auf 3 036 und in Holland auf 2 262 Einwohner. Das sind Tat­sachen, die einen Handlungsbedarf deutlich aufzeigen und die auch von den Oppo­sitionsparteien, vor allem von den Grünen, endlich einmal zur Kenntnis genommen werden sollen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Hier nützt uns auch das Sanktionsgeschrei des Herrn Voggenhuber in Brüssel nichts, hier sind Taten gefordert. Mit dem neuen Asylgesetz haben wir die notwendigen Weichen in Richtung sichere Zukunft gestellt. Die Verfahren werden für Asyl Suchende beschleunigt und effizienter gestaltet, um jenen Schutz zu bieten, die diese in unserem Land auch tatsächlich brauchen.

Auch verfassungsrechtlich ist Ernst Strasser nicht viel vorzuwerfen: 95 Prozent des Asylgesetzes wurden vom Verfassungsgerichtshof als positiv anerkannt. Die Um-


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setzung der anderen Punkte ist im Laufen; sie werden so bald wie möglich korrigiert, und zwar mit Menschlichkeit, Augenmaß und rechtsstaatlicher Verantwortung.

Österreich blickt auf eine lange Tradition als Asylland zurück. Immer wieder haben wir unsere Grenzen für Flüchtlinge großzügig geöffnet. Das begann beim Ungarn-Aufstand und zeigte sich zuletzt im Bosnien-Krieg. Kein anderes europäisches Land hat so rasch und effizient geholfen, kein Land hat an die 90 000 Flüchtlinge aufgenommen und zwei Drittel davon innerhalb weniger Jahre voll integriert. Darauf können wir stolz sein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einen besonderen Dank möchte ich aber heute an die NGOs richten, besonders an die Caritas und an die Diakonie, denn auch ihnen gebührt unser Respekt für ihre Arbeit, für ihr Engagement, für die Dialog­bereitschaft, um den notwendigen Spagat zwischen menschlicher Fürsorge und not­wendiger Rechtsstaatlichkeit mit viel Verantwortungsbewusstsein zu finden. Ihr Wissen um die Bedürfnisse der Asyl Suchenden und ihr täglicher Einsatz vor Ort machen unser Asylsystem erst zu dem, was es ist: eine Herbergssuche für die, die kein Zuhause mehr haben, weil sie in ihrer Heimat verfolgt werden.

Auch aus persönlichen Gründen und langjähriger Erfahrung als Bürgermeister weiß ich, dass es nicht immer leicht ist, Asyl Suchenden die notwendige Integration zuteil werden zu lassen, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass der Dialog und die Information, die Einbindung der Vereine und der Bevölkerung das Um und Auf bei einer erfolgreichen Integrationsarbeit sind.

Mit viel Menschlichkeit, Sensibilität und dem notwendigen Verantwortungsbewusstsein wird unsere neue und erste Frau im Innenministerium, unsere Liese Prokop, dafür sorgen, dass unser Land auch weiterhin Sicherheit im Inneren und Schutz für Flücht­linge bietet. Ihr sportlicher Ehrgeiz, ihre menschliche Größe und ihr Sinn für Verant­wortung, die tagtägliche Herbergssuche für Menschen in Not mit Humanität und Augenmaß zu gestalten, werden uns auch weiterhin in eine sichere Zukunft führen.

Liebe Frau Bundesministerin Prokop, ich wünsche dir viel Erfolg! Der gesamte ÖVP-Klub vertraut dir und wird dich nach besten Kräften unterstützen! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall des Abg. Dolinschek.)

13.44

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeord­nete Haidlmayr zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

 


13.45

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Minis­terin Prokop, wir kennen einander ja schon aus verschiedensten Veranstaltungen, wo wir gemeinsam am Podium gesessen sind und über andere Themen diskutiert haben, etwa über das Thema Menschen mit Behinderungen. Wir waren da nicht immer einer Meinung, aber ich hoffe und erwarte mir, dass wir es, wenn es um das Thema Zivil­dienst geht, zumindest in Zukunft sein werden.

Wie Sie wissen, bin ich die Zivildienst-Sprecherin der Grünen und setze mich seit Jahren für die Interessen der Zivildienst Leistenden in Österreich ein. Frau Ministerin, seit dem Jahr 2000 ist das Zivildienstwesen drastisch nach unten gegangen: Während bis zum Jahr 2000 die Zivildiener mit ihrem Einkommen noch ein relatives Auskommen hatten, ist das seit Minister Strasser vorbei. Zivildiener erhalten in Österreich derzeit


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zwischen 4 und 11 € an Verpflegungsgeldern; in Niederösterreich – dort, wo Sie her­kommen – sind es im Durchschnitt 6 €. Frau Ministerin, 6 € pro Tag, die ein Zivildiener dafür verwenden kann, um sich zu ernähren, um seine Wohnung zu heizen, um sich Kleidung zu kaufen und, und, und!

Frau Ministerin, Sie kennen die Forderungen der Grünen: Im Rahmen der Zivildienst­reformkommission fordern wir – und haben das auch vorher schon gefordert –, dass es endlich eine Gleichstellung bei der Pauschalvergütung gibt, und zwar so, wie sie nach dem Heeresgebührengesetz geregelt ist, denn Sie wissen: Grundwehrdiener haben eine Pauschalvergütung von monatlich 250,20 €, Zivildiener hingegen nur 185,10 €. Frau Ministerin, das ist eine eklatante Ungleichstellung, die sofort beseitigt werden muss!

Ebenfalls sofort beseitigt werden muss die Ungleichstellung bei der Verpflegung: Während Grundwehrdiener, die nicht in der Einrichtung verpflegt werden können, 13,60 € pro Tag erhalten, erhalten Zivildiener im Durchschnitt nur 5 €. Frau Ministerin, auch Zivildiener müssen nach dem Heeresgebührengesetz entlohnt und verpflegt werden!

Und, Frau Ministerin, die dritte Forderung ist: Die Dauer von Zivildienst und Wehrdienst muss gleich lang sein, um jungen Männern die Chance zu geben, auch Zivildienst machen zu können. Derzeit haben sie diese Chance nicht. Sie haben sie deshalb nicht, weil es einfach eine finanzielle Überlegung ist (Abg. Dr. Partik-Pablé: Es werden aber immer mehr!), die jeder junge Mann anstellen muss (Abg. Dr. Partik-Pablé: Es werden aber immer mehr!): Kann ich mir das leisten – kann ich es mir nicht leisten? Können es sich meine Eltern leisten, oder muss ich Schulden machen?

Sie haben in Ihrer Rede gesagt, die Arbeit der Zivildiener ist beeindruckend, Sie sind überrascht, was Zivildiener alles leisten, und Sie erwarten sich, dass der Zivildienst auch in Zukunft aufrechterhalten bleibt.

Frau Ministerin, solange es den Wehrdienst gibt, wird es auch den Zivildienst geben. Aber glauben Sie nicht, dass Zivildiener dazu da sind, mehr oder weniger das Vakuum des nicht vorhandenen sozialen Netzes auszufüllen. Das ist nur eine Zwischenlösung und darf niemals mehr oder weniger zur gängigen Lösung werden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ja was sollen sie denn machen, die Zivildiener? Nur im Büro sitzen?)

Frau Ministerin, ich fordere Sie auf, sich hinter die Zivildiener zu stellen und wirklich die Situation der Zivildiener zu verbessern und auch im Rahmen der Zivildienst­reform­kommission dazu beizutragen, dass es tatsächlich eine Gleichstellung zwischen Wehr- und Wehrersatzdienst gibt (Beifall bei den Grünen) – hinsichtlich Verpflegung, Pauschalvergütung und Dauer des Zivildienstes. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

13.49

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzter Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. Auch seine Redezeit beträgt 5 Minuten.

 


13.49

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren von der Regierungsbank! Meine geschätzten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal ganz kurz die Türkei-Problematik beleuchten, weil sie eine Thematik ist, die uns jetzt in den letzten Tagen begleitet hat, die wahrscheinlich, so nehme ich einmal an, in den nächsten Jahren wieder etwas in den Hintergrund geraten


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wird und dann, wenn es so weit ist, wenn irgendwelche Verhandlungsergebnisse vorliegen, wieder aufflammen wird.

Es war für mich faszinierend zu hören, wie Herr Klubobmann Cap hier am Rednerpult so tut – und es war am Sonntag nicht viel anders, als er in der Sendung „Offen gesagt“ gesessen ist und dort einfach so getan hat –, als hätten weder seine Partei noch seine Kollegen in den anderen europäischen Länder jemals etwas mit dieser Entscheidung zu tun gehabt. Er ist in „Offen gesagt“ in einer sehr isolierten, selbstdarstellerischen Form dagesessen, und das hat eigentlich den Eindruck erweckt – und das, Herr Kollege Cap, war heute wieder so –, als wäre seine Meinung einerseits losgelöst vom Rest der SPÖ – Proponenten wie Häupl sagen ja etwas anderes – und nebenbei auch noch losgelöst vom Rest von Europa. Es war ja immerhin nicht nur Viktor Klima, der im Jahr 1999 diesen Beitritt in die Wege geleitet hat, sondern es war ja auch der Bun­deskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Herr Schröder, der federführender Propo­nent und federführender Verhandler und Hauptbefürworter bezüglich der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen war. Deshalb meine ich, hier sollte man die SPÖ in die Verantwortung nehmen und diesen „Zick-Cap-Kurs“, wie es unser Klubobmann aus­gedrückt hat, immer wieder aufzeigen. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Ellmauer.)

Ganz anders war es da bei den Freiheitlichen: Wir haben diese Skepsis von Anfang an gehabt. Auch wir haben in unseren Reihen – um diversen Zwischenrufen gleich zuvor­zukommen – Befürworter dieses Beitritts. Auch wir haben in unseren Reihen sehr wichtige politische Vertreter, die sagen, dieser Beitritt und diese Verhandlungen sind gut – das ist auch, glaube ich, demokratisch in Ordnung –, aber wir haben eine klare Parteilinie. Bei uns stellt sich weder ein Stellvertreter noch ein Hauptverantwortlicher die Frage: Warum gibt es diese Haltung nicht, und wie wird diese Haltung begründet?

Bei uns ist die Skepsis auch begründet, meine Damen und Herren. Beim Antrag, der letzte Woche im Hauptausschuss diskutiert wurde, hat es eine klare Feststellung der Freiheitlichen hinsichtlich der Skepsis gegeben, die auf sehr vielen Säulen steht. Es ist diese Skepsis keine populistische und keine an den Haaren herbeigezogene, sondern diese Skepsis ruht auf sehr vielen Säulen: Da gibt es wirtschaftliche Probleme, da gibt es menschenrechtliche Probleme, da gibt es rechtsstaatliche Probleme, da gibt es die Frage der Kosten.

Es war zum Beispiel faszinierend zu sehen, dass die ehemalige grüne Kommissarin, die hauptverantwortlich für die EU-Finanzen war, auf zweimalige Anfrage, wie hoch denn die Kosten sein würden, keine Antwort gewusst hat. Es geht eigentlich in ein sehr tiefes schwarzes Loch, und man weiß überhaupt nicht, woher letztlich das Geld fließen soll. Man hilft sich darüber hinweg, indem man sagt, das wird erst im nächsten Finanz­rahmen beschlossen, aber im Endeffekt sind diese Kosten ein sehr wichtiger Bestand­teil der Verhandlungen. Es sind die Kosten im landwirtschaftlichen Bereich, es sind die Kosten für den Aufbau der Infrastrukturen, und letztendlich wird sich die EU das nicht leisten können.

Auch der ehemalige führende ÖVP-Politiker Busek spricht davon, dass die EU nicht reif ist für diesen Beitritt. Ich glaube einfach, dass es sich hier um die Fortführung eines Fehlers handelt, der bereits vor 40 Jahren begonnen wurde. Vor 40 Jahren hat man der Türkei erstmals die Türen zur Europäischen Union geöffnet. Nur, meine geschätz­ten Damen und Herren: Damals war es keine politische Union, damals war es ein einheitlicher Wirtschaftsraum, der geschaffen werden sollte. Damals waren andere Voraussetzungen gegeben. Im Endeffekt hat man über Jahrzehnte hinweg immer wieder etwas versprochen, was niemand irgendwann einmal auf den Tisch zu legen


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bereit war. Und die Wahrheit wird uns in zehn oder 15 Jahren sehr schwer treffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn man dann hört, dass der türkische Regierungschef Erdogan nach den Verhand­lungen, bei denen es zum Beispiel sehr entscheidend um die Zypernfrage gegangen ist, vor die Presse ging und wortwörtlich sagte: Die Zusagen bedeuten keine Anerken­nung Zyperns!, dass er hinausging und sagte: Es handelt sich hier um eine technische Anpassung, wir werden Zypern nicht anerkennen!, dann muss man wirklich sagen – und ich glaube, das sollten sich alle, egal ob sie Befürworter oder Gegner sind, vor Augen halten –, dass es mehr als bedenklich ist, wenn jemand, der in diese gemein­same Familie, wie die Europäische Union so oft genannt wird, hinein möchte, nicht bereit ist, einen Staat anzuerkennen, der seit 1. Mai Vollmitglied ist. – So viel zum Thema Türkei. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein Wort sei mir noch erlaubt – eine Minute habe ich noch – zur Frau Innenminister.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Sie täuschen sich, Herr Kollege: Sie haben noch 15 Se­kunden. (Heiterkeit.)

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (fortsetzend): Herr Präsident! Ich hoffe, Sie sind bei mir gleich nachsichtig wie bei den Vertretern der ÖVP, bei Klubobmann Molterer und auch bei der Frau Innenminister, und geben mir zwei Minuten Nachzeit. Es ist ja, glaube ich, eine freiwillige Redezeitbeschränkung. (Abg. Eder: Nein, nein, nein! – Weitere Zwischenrufe.)

Ich komme zum Schlusssatz – der Herr Präsident muss wahrscheinlich noch eine Weihnachtsrede halten, daher mein Schlusssatz –: Auch von meiner Fraktion alles Gute für die kommenden Feiertage, einen guten Rutsch ins Jahr 2005 und viel Kraft und Energie fürs nächste Jahr! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.55

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nunmehr zu den Abstimmungen über die Entschließungsanträge.

Zuerst stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Mol­terer und Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Volksabstimmung über einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Der Antrag findet die Mehrheit des Hauses und ist daher angenommen. (E 87.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine österreichische Initiative für die Einführung einer europaweiten Volksabstimmung über europäische Fragen.

Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Antrag findet nicht die Mehrheit und ist daher abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend den EU-Beitritt der Türkei.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein entsprechen­des Zeichen. – Auch dieser Antrag findet nicht die Mehrheit und ist abgelehnt.

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.


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Einlauf

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Antrage 496/A bis 499/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 2441/J bis 2452/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die für Mittwoch, den 26. Jänner um 9 Uhr in Aussicht genommen ist, wird auf schriftlichem Wege einberufen werden.

Ansprache des Präsidenten

 


13.56

Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich vom Vorsitz aus einige Worte das – bald – vergangene Jahr betreffend an Sie richte. Sie haben ja gemerkt, bei der vorhergehenden Sitzung war es schon über Mitternacht, und Abgeordneter Cap hat gemeint, wir sollten wichtige Dinge „nicht herunterhudeln“. Ich habe mir diese Aufforderung – auch ahnend, dass ich vielleicht eine zweite, eine bessere Chance haben würde, zu reden (Heiterkeit) – zu Herzen genommen und die Weihnachtsansprache nicht gehalten; daher darf ich das jetzt tun.

Meine Damen und Herren! Ein arbeitsreiches Jahr geht zu Ende. In Zahlen ausge­drückt, haben wir 148 Gesetze beschlossen – das ist also eine deutliche Steigerung gegenüber dem Vorjahr. Wir haben 74, also genau die Hälfte, im Konsens beschlos­sen. Drei Verfassungsgesetze wurden einstimmig beschlossen. – Das heißt, die „Kon­sensdecke“ ist in diesem Hohen Haus nicht nur in der Präsidialkonferenz immer spür­bar gegeben und trägt dieses Haus, sondern auch im Nationalrat halten sich Konflikt und Konsens die Waage.

Wir hatten 128 Ausschusssitzungen und 38 Unterausschusssitzungen, und ich glaube, dass man das auch in die Öffentlichkeit tragen muss, wie viele Tage und auch zum Teil Nächte die Damen und Herren des Hohen Hauses hier verbringen, um in den Ausschussarbeiten die Materien vorzuberaten, um Kontrollaufgaben wahrzunehmen – da sind vor allem die Nächte dann auch immer wieder gefragt –, um also das, was in einer parlamentarischen Demokratie einem Parlament zukommt, auch wirklich effizient und nicht nur dem Scheine nach durchzuführen.

Die Abgeordneten haben über 1 000 Anfragen gestellt, konkret gesprochen: 1 251 An­fragen, die auch alle beantwortet wurden. Die Regierung wird von uns also regelmäßig schriftlich und auch mündlich kontrolliert. Es hat 17 Dringliche Anfragen gegeben – eine deutliche Steigerung gegenüber früher.

Und all das ist in einem ordentlichen Klima – das möchte ich als Präsident sagen – abgelaufen. Ich bin sehr froh darüber, dass die Anzahl der Ordnungsrufe, trotz man­cher rigorosen Handhabung, auf 15 zurückgegangen ist – das ist um zehn weniger als im Durchschnitt der vergangenen Legislaturperiode. Das bezeugt also, dass die Klubobleute ihre mildernde Wirkung auch im Klub ausgeübt haben.

Wir hatten heuer daneben noch den Österreich-Konvent, der bis in den Monat Jänner verlängert wurde, der aber Hunderte von Ausschusssitzungen, an die 20 Plenartagun­gen und 40 Präsidialsitzungen hier im Haus abhielt.


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Es sind hier zwar nicht alle Abgeordneten dabei – die Sache wird schon noch zu Ihnen kommen, meine Damen und Herren! –, aber es sind viele Abgeordnete dabei. Unser Personal vor allem hat neben dem „täglichen Brot“ der Parlamentsarbeit auch diese Konventsarbeit ohne Klagen und vorbildhaft geleistet. Also: Das Parlament funktioniert!

Wenn man diese Arbeitsbilanz sieht und weiß, dass wir daneben noch 80 Veranstal­tungen größeren Ausmaßes – Buchpräsentationen, Diskussionen, Kindergruppen, Besuchergruppen, Frauengruppen, Diskussionen im Haus – durchgeführt haben, halte ich es für töricht, wenn man dann die Abgeordneten an den Minuten misst, die sie im Plenum sprechen können. Sie wissen genau, dass das sehr ungerecht ist, weil natur­gemäß die Opposition mehr Redezeit als die Regierung hat (Abg. Krainer: Stimmt nicht!) und naturgemäß die kleinen Fraktionen mehr Redezeit als die großen haben, sodass die großen nicht so oft zu Wort kommen. – Abgeordneter Kogler nickt zustimmend; ich glaube, er ist der absolute „Rede-Champion“; aber das kann man nur in einer kleinen Fraktion sein. Bei vielen gibt es da Schmerzen und Kummer, weil sie viel öfter reden wollten als sie dürfen. Also wir arbeiten, und dieses Parlament arbeitet!

Was den Umbau der Rampe betrifft, haben wir jetzt faktisch den Rohbau beendet. Wir sind bei der Renovierung des Palais Epstein auf dem halben Weg, die Räume sind auf die Fraktionen verteilt. Wir haben die Schenkenstraße gekündigt, der Klub der Grünen bekommt einen neuen Sitz in der Löwelstraße. Die Adresse, das weiß ich, ist ein Kummer; weil dort auch der Bauernbund sitzt, glaube ich. (Heiterkeit.) Jedenfalls ist das alles im Konsens über die Bühne gegangen.

Ich möchte der Zweiten Präsidentin, Frau Mag. Barbara Prammer, herzlich danken, dass sie diese Arbeiten übernommen hat und sich auch in Zukunft Baufragen beson­ders widmen wird. Ich danke Ihnen! (Allgemeiner Beifall.)

Ich möchte allen Mitgliedern der Präsidialkonferenz danken, weil es ein ausgesprochen positives und komplikationsfreies Zusammenarbeiten in einer wirklichen Arbeitsatmos­phäre ist. Ich würde mir wünschen, dass diejenigen, die Demokratie kritisieren, sehen könnten, wie professionell hier in diesem Haus gearbeitet wird. Ich möchte mich dafür bei den Klubobleuten, beim Zweiten und Dritten Präsidenten bedanken!

Ich möchte mich auch bei Ihnen, meine Damen und Herren, bedanken, dass Sie diese ganze Arbeit leisten, manchmal unter widrigen Umständen. Manchmal laden wir sehr spät ein, ich weiß das, manchmal werden Terminkalender umgestoßen, wird Ihre Wahl­kreisarbeit behindert. Ich darf Ihnen mitteilen, dass wir in der Präsidialkonferenz beschlossen haben, dass wir mit dem Finanzminister wegen der parlamentarischen Mitarbeiter in Verhandlungen treten – Sie wissen, was gemeint ist –, Mitarbeiter, die seit vielen Jahren in ihrer Gehaltsentwicklung faktisch stagnieren. Ich werde mein Bes­tes tun, dass dieses Anliegen der Klubs ohne Schmälerung der Klubs durchgesetzt wird. (Allgemeiner Beifall.)

Ich möchte mich abschließend bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken, vor allem bei Herrn Parlamentsdirektor Dr. Georg Posch sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Parlamentsdirektion. Besonders hervorheben möchte ich Herrn Parlamentsvizedirektor Sigurd Bauer, der mit seinen Mitarbeitern sozusagen die gesamte Baulast zu tragen hat. Ich möchte mich auch bei Herrn Parlaments­vizedirek­tor Klausgraber, der den Nationalratsdienst betreut, sehr herzlich bedanken für alles, was Sie in diesem Haus leisten, ohne auf die Uhr zu schauen. Da manchmal unsere Events nach halb neun zu Ende gehen, verstehe ich, dass manche unserer Mitarbeiter keine große Freude damit haben. Aber alles das gehört einfach zu diesem Haus, das


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
92. Sitzung / Seite 68

ein öffentliches Haus, das ein Haus der Bürgerinnen und Bürger ist. Herzlichen Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre Arbeit! (Allgemeiner Beifall.)

Ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren Abgeordnete, meine Damen und Herren Minister, ein gesegnetes Weihnachtsfest wünschen! Ich appelliere an alle Klubobleute, die nächsten 14 Tage keine Sondersitzung einzuberufen – und keine Regierungs­umbildung zu machen, Herr Bundeskanzler (Heiterkeit) –, damit die Abgeordneten und Sie von der Regierung mit Ihren Familien schöne Weihnachten haben und sich auch erholen können.

Ihnen allen ein gutes und erfolgreiches Jahr 2005! – Ich danke Ihnen. (Allgemeiner Beifall.)

14.05

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Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 14.05 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien