Stenographisches Protokoll

131. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 7. Dezember 2005

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Stenographisches Protokoll

131. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode          Mittwoch, 7. Dezember 2005

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 7. Dezember 2005: 9.01 – 11.37 Uhr

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EU – Thema gemäß § 74b GOG

Legislativprogramm der Kommission

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Inhalt

Nationalrat

Trauerkundgebung anlässlich des Ablebens des langjährigen Mitarbeiters des sozialdemokratischen Parlamentsklubs Dipl.-Ing. Dr. Robert Schnattinger ........................................................ 3

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 3

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ....................................................................................................... 3

Ausschüsse

Zuweisung ........................................................................................................................ 3

Verhandlungen

Legislativprogramm der Kommission ......................................................................... 4

Redner/Rednerinnen:

Dr. Alfred Gusenbauer .................................................................................................. 4

Vizekanzler Hubert Gorbach ......................................................................................... 6

Dr. Josef Cap .................................................................................................................. 9

Dr. Michael Spindelegger ............................................................................................ 11

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 14

Dr. Alexander Van der Bellen ..................................................................................... 17

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................... 20

Peter Schieder .............................................................................................................. 23


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Dr. Werner Fasslabend .......................................................................................... ..... 25

Dr. Reinhard Eugen Bösch ......................................................................................... 27

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................... 28

Staatssekretär Dr. Hans Winkler ................................................................................ 30

Heidrun Silhavy ............................................................................................................ 33

Fritz Grillitsch ............................................................................................................... 35

Mag. Herbert Haupt ...................................................................................................... 36

Michaela Sburny ........................................................................................................... 38

Rudolf Parnigoni .......................................................................................................... 40

Mag. Karin Hakl ............................................................................................................ 41

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................... 43

Dr. Gabriela Moser ....................................................................................................... 44

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

August Wöginger, Barbara Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einfuhr von Arzneiwaren (Arznei­wareneinfuhrgesetz 2002) und das Apothekengesetz geändert werden (751/A)

Dr. Gertrude Brinek, Mag. Dr. Magda Bleckmann, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird (752/A)


09.00.35


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Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweite Präsidentin Mag. Barbara Prammer.

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Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Die 131. Sitzung des Natio­nalrates, die der ausschließlichen Erörterung von EU-Themen gewidmet ist, ist eröff­net.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Murauer, Broukal, Dr. Einem, Csör­gits, Heinisch-Hosek, Prähauser und Mag. Wurm.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundeskanzler­amt über Entschließungen des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mit­gliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel wird durch den Vizekanzler und Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Hubert Gorbach vertreten.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll wird durch Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat vertreten.

Zuweisung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Regierungsvorlage:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, das ASFINAG-Gesetz und das ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997 geändert werden (1262 der Beilagen),

weise ich dem Verkehrsausschuss zu.

09.02.07Trauerkundgebung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Bevor ich in die Sitzung ein­gehe, bitte ich Sie, sich von den Sitzen zu erheben. (Alle Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Meine Damen und Herren! Vor kurzem hat uns die Nachricht erreicht, dass der sehr verdiente und langjährige Mitarbeiter des sozialdemokratischen Parlamentsklubs, Herr Dipl.-Ing. Dr. Robert Schnattinger, plötzlich, im Alter von 49 Jahren, verstorben ist.

Herr Dipl.-Ing. Schnattinger hat 20 Jahre lang dem Parlament gedient, dem Parla­mentsklub der Sozialdemokratischen Partei. Dipl.-Ing. Schnattinger war ein Experte für Land- und Forstwirtschaft, für Energiepolitik, für die Umweltverträglichkeitsprüfung. Er war in allen Fraktionen als Experte, als dialogbereiter Mitarbeiter geschätzt. Seine Fa­milie trauert um ihn. Er hat einen Sohn und eine Tochter, die noch zur Schule gehen. Unsere Sympathie und unser Mitgefühl ist bei ihnen. Ich bitte, kurz seiner zu geden­ken. (Die Anwesenden verharren einige Zeit in stummer Trauer.) – Ich danke Ihnen. (Die Anwesenden nehmen ihre Plätze wieder ein.)

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09.03.19Legislativprogramm der Kommission

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zum Themenbereich „Legislativpro­gramm der Kommission“.

Wie in der Präsidialkonferenz vereinbart, wird die Debatte wie folgt durchgeführt: Zu­nächst ein Redner des SPÖ-Klubs mit 10 Minuten, anschließend ein Regierungsmit­glied mit 10 Minuten, ferner Wortmeldungen der Fraktionen mit insgesamt je 25 Minu­ten, wobei jeweils zunächst ein Redner des SPÖ-Klubs spricht und danach jeweils ein Redner des ÖVP-Klubs, der Freiheitlichen und des Grünen Klubs.

Nach der ersten und zweiten Rednerrunde werden sich noch zwei weitere Regierungs­mitglieder mit je 10 Minuten Redezeit zu Wort melden.

Erster Redner, der die Debatte einleitet, ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Seine Redezeit ist 10 Minuten. – Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer, ich bitte Sie, das Wort zu ergreifen.

 


9.04.14

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bun­desregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir uns heute im Parla­ment über die Frage des Legislativprogramms der Europäischen Union für das nächste halbe Jahr aussprechen, dann ist zu bemerken, dass dieses Legislativprogramm mehr oder weniger die Zusammenfassung all jener Vorhaben der Europäischen Union ist, die Gesetzeskraft erlangen sollen, das heißt Vorhaben, die dazu führen, das Leben in Europa zu verändern und Rahmenbedingungen neu zu definieren.

Vor dem Hintergrund dieses Legislativprogramms ist natürlich die Frage zu stellen: Was wäre notwendig, was sind die Herausforderungen, vor denen Europa heute steht, und wie soll die Europäische Union auf diese Herausforderungen reagieren?

Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind der Meinung, dass das nied­rige Wirtschaftswachstum und die hohe Arbeitslosigkeit in Europa das Hauptproblem der Europäischen Union sind, das im Übrigen die Ursache für eine Fülle von sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen darstellt. Daher wird die Europäische Union unserer Auffassung nach nur dann mehr Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern gewin­nen, wenn es gelingt, das Wirtschaftswachstum zu steigern und die Arbeitslosigkeit in Europa zu reduzieren. Das ist die Hauptaufgabe. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten der Grünen.)

Dabei muss man sagen, dass es höchst unterschiedliche Vorstellungen darüber gibt, wie das funktionieren soll. Es gibt manche, die mehrheitlich in den vergangenen Jahren das Sagen hatten, die meinen, mit einer verstärkten Liberalisierung, mit einem Abbau von Schutzmechanismen der Sozial- und Wohlfahrtsstaaten käme es zu mehr Wirt­schaftswachstum und käme es zu geringerer Arbeitslosigkeit.

Es gibt das kontinentaleuropäische Modell, das von einem hohen Schutzniveau aus­geht, das aber auch in den letzten Jahren sehr bescheidene Wirtschaftswachstumsra­ten produziert hat. Und das derzeit erfolgreichste Modell, nämlich das skandinavische Modell, ist nach allen Hinweisen, die wir haben, jenes Modell, das im Stande ist, hohe Wettbewerbsfähigkeit mit starker sozialer Integration in der Gesellschaft zu verbinden.

Ich glaube, was dringend notwendig ist, ist, dass man sich diese Erfolgsmodelle Euro­pas anschaut, denn die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit zum Selbstzweck wird die Bürgerinnen und Bürger Europas nicht zu mehr Akzeptanz verführen. Nein, was man braucht, ist gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit, um zu mehr Wohlstand zu kommen. Und dafür scheint der Schlüssel in erster Linie in der Bildung, in der Wissenschaft, in der Forschung und in der sozialen Absicherung zu liegen. Oder, um es zusammenzufas-


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sen: Man soll die Leute nicht vor den sozialen Abgrund stellen, um sie zu mehr En­gagement und Wettbewerbsfähigkeit zu motivieren, denn das Gegenteil ist wahr: Dort, wo die Menschen am sichersten leben, wo die soziale Sicherheit am stabilsten ist, dort sind auch die Wettbewerbsfähigkeit und das Engagement am größten. Und das sollten wir nicht nur in Skandinavien, sondern in ganz Europa versuchen zu realisieren, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen und den Freiheitlichen.)

Es gibt neben diesen unterschiedlichen Haltungen, die in Europa bestehen, auch die grundsätzliche Frage: Wie gehen wir mit der Finanzierung der Sozial- und Wohlfahrts­staaten um? Was in den letzten Jahren stattgefunden hat, war ein einseitiger Steuer­wettlauf, wo Unternehmensgewinnsteuern dramatisch reduziert wurden, aber gleich­zeitig Mehrwertsteuern und Lohn- und Einkommensteuern in ganz Europa sehr hoch geblieben sind. Dieser dramatische Wettlauf auf der Ebene der Unternehmensgewinn­steuern hat dazu geführt, dass in vielen Staaten die Finanzierung des Sozial- und Wohlfahrtsstaates in Frage gestellt ist. Und wenn man verhindern will, dass dieser Steuerwettlauf auch dazu führt, dass es ein Wettlauf wird im Abbau des Sozial- und Wohlfahrtsstaates, dann muss man diesem Steuerwettlauf Einhalt gebieten.

Es wäre dringend erforderlich, dass im nächsten halben Jahr unter österreichischem Vorsitz dieser Steuerwettlauf beendet wird und es zu gemeinsamen Vorgangsweisen im Hinblick auf Unternehmensgewinnsteuern in Europa kommt, denn nur so können wir den Sozial- und Wohlfahrtsstaat erhalten, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn heute die Außenministerin mit ihren Kolleginnen und Kollegen über das künftige Budget der Europäischen Union oder die Finanzvorschau für die nächsten Jahre dis­kutiert, geht es dabei um grundsätzliche Weichenstellungen und nicht nur darum: Wie finanziert man die Erweiterung, die ja bereits vollzogen wurde? Welche Schwerpunkte werden in Zukunft gesetzt?, sondern vor allem auch darum: Wer sind Gewinner und Verlierer dieser finanziellen Veränderung?

Wenn man die ersten Meldungen über Vorgespräche hört, die offensichtlich stattfinden, glaube ich nicht, dass es unserem Interesse entspricht, wenn auf Basis der Grundlage, von der man jetzt hört, ein Abschluss erzielt wird. Denn was Europa dringend braucht, ist doch eine Veränderung der Finanzen in Richtung Zukunft. Das heißt mehr Mittel für Forschung und Entwicklung.

Was Europa braucht, ist nicht eine noch größere Förderung von agrarischen Groß­industrien, sondern zum Beispiel von Klein- und Bergbauern. Und ich finde es nicht richtig, dass unter diesem Titel der Finanzvorschau nun das Schicksal und das Ein­kommen von kleinen Bauern und von Bergbauern auf dem Altar eines französisch-bri­tischen Kompromisses geopfert werden. (Abg. Grillitsch: Das unterstützen Sie!) Uns geht es um die Erhaltung von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft und nicht um die agrarische Großindustrie, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Daher stellt sich natürlich die Frage: Welche Position wird Österreich in diesem Zusam­menhang vertreten? Was wird die österreichische Außenministerin heute bei den Ver­handlungen sagen, und wird es dazu kommen, dass endlich diese Geldverschwen­dung ...? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Grillitsch.) – Ja, Herr Grillitsch, Sie haben immer zugestimmt, wenn es darum gegangen ist, dass die agrarischen Großindustrien in Europa gefördert werden und gleichzeitig die Bauern immer weniger werden. Sie sind dafür verantwortlich, dass es das Bauernsterben in Europa gibt! Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Grillitsch: Sie wollen die Kleinen vernichten! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Es muss doch endlich Schluss sein mit einer Politik der Geldverschwendung, wo in Überschussproduktion investiert wird und die Bauern es gleichzeitig immer schwerer haben. Ich verstehe nicht, wieso Sie sich überhaupt als Interessenvertreter der Bauern bezeichnen können, wenn Sie zu diesem Bauernsterben ja sagen, Herr Grillitsch. Ändern Sie Ihre Politik – es wäre dringend an der Zeit! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Neben der finanziellen Veränderung sind aber auch noch andere Veränderungen dringend notwendig, nämlich hinsichtlich der Frage der Demokratie Europas. (Abg. Großruck: Wenn ihr in der Regierung wärt, gäbe es überhaupt keine Bauern!) Die Menschen akzeptieren immer weniger, dass es Regierungen gibt, die sich hinter der Europäischen Union verstecken und sagen, wir müssen etwas Spezielles tun, nur weil es uns die Europäische Union anschafft, ohne dass die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit hatten, das davor zu diskutieren. Das führt dazu, dass die Menschen immer mehr von der Europäischen Union entfremdet werden, und das führt dazu, dass Demokratie abgebaut wird.

Wenn man Europa den Bürgerinnen und Bürgern näher bringen will, dann ist es drin­gend notwendig, dass es zu einer Demokratisierung Europas kommt und endlich die­ses Verstecken hinter der Europäischen Union aufhört, denn das führt nur zu Europa­feindlichkeit, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Zusammenhang ist natürlich eine ganz brennende Frage: Was geschieht weiter mit dem Verfassungsvertrag?, denn dort wären erste Grundlagen geboten wor­den, Europa zu demokratisieren. Leider ist dieser Verfassungsvertrag in einzelnen europäischen Staaten gescheitert. Und ich stelle mir schon die Frage, ob es der Weis­heit letzter Schluss sein kann, jetzt einfach nichts zu tun, einfach Zeit ins Land ziehen zu lassen und zu warten, bis sich irgendwo vielleicht irgendetwas verändert.

Ich glaube nicht, dass sich die demokratiepolitischen Defizite Europas von selbst lösen werden. Ganz im Gegenteil: Es erfordert neuen Mut, neues Engagement und eine Wiederbelebung des Gedankens der europäischen Demokratie, wenn man will, dass gleichzeitig die Probleme Europas angegangen werden und die Zustimmung der Men­schen zu Europa steigt.

Daher hat die österreichische Präsidentschaft hier eine ganz, ganz große Verantwor­tung, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es ist eine entscheidende Phase der Europäischen Union, wo große ungelöste Brocken auf dem Tisch liegen und wo die Frage, wohin sich die EU in Zukunft entwickelt, einer entscheidenden Weichenstellung unterzogen werden kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einen guten Dienst erweist man Europa und Österreich dann, wenn man Europa auf den Kurs des Wohlstandes und der Arbeits­plätze und der Demokratie bringt. – Und genau das erwarten wir auch von einer öster­reichischen Präsidentschaft! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

9.15


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Abgabe einer einleitenden Stellungnahme hat sich Herr Vizekanzler Gorbach zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Vizekanzler.

 


9.15.33

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Herr Präsident! Meine Dame, meine Herren Regierungskollegen! Damen und Herren Abgeordnete! Heute in 25 Tagen werden wir mit 1. Jänner 2006 nach ge­nau sieben Jahren wieder den Vorsitz in der Europäischen Union übernehmen. Das ist natürlich, wie schon im ersten Redebeitrag festgestellt wurde, eine große Herausfor­derung, auch vor dem Hintergrund, dass sich viel getan hat in diesen sieben Jahren – „viel getan hat“ heißt auch: viel verändert hat.


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Denken wir nur an zwei Dinge: Wir sind nicht mehr 15 in der EU, wir sind 25. Auch die Kommission besteht aus 25 Mitgliedern. Zwei Länder stehen unmittelbar zur Aufnahme an, über andere wird schon wieder oder immer noch diskutiert. Oder denken wir an den Vertrag von Nizza, der dem Europäischen Parlament ungleich mehr Rechte einräumt. All das bringt natürlich mit sich, dass die ohnehin schwierigen Aufgaben, die sich uns stellen, noch schwieriger sind und die Herausforderung vor diesem Hintergrund eine noch größere ist.

Meine Damen und Herren! Die österreichische Bundesregierung war und ist gewillt, den europäischen Prozess auch in Zukunft aktiv und konstruktiv mitzugestalten, ein aktiver und positiver Teil dieser Europäischen Union zu sein, und wir werden das auch während unserer Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2006 mit diversen Weichen­stellungen für Europa ganz eindeutig klarstellen und beweisen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Man wird wohl kaum heute zur EU, zu Europa etwas sagen können, ohne die aktuelle Diskussion bezüglich Finanzplan, Finanzplanvorschau auf­zunehmen. Wie überall, wo etwas funktionieren soll, ist es sehr wichtig, über den Fi­nanzrahmen Bescheid zu wissen, um entsprechend agieren zu können. Sie wissen, heute treten die Außenminister der EU-Mitgliedstaaten zu einem so genannten Kon­klave zusammen, um über diesen Finanzplan zu reden und um vorzubereiten, was nächste Woche im Europäischen Rat weiter behandelt werden soll und was hoffentlich Grundlage für die Gestaltung Europas in finanzieller Hinsicht für die Jahre 2007 bis 2013 werden wird.

Ich meine, auch wenn das schon angeschnitten wurde, wir liegen hier nicht weit aus­einander, und das stimmt mich eigentlich positiv für die Präsidentschaft, denn auch ich glaube, ohne hier Außenministerin und Bundeskanzler präjudizieren zu wollen, der vor­liegende Entwurf ist aus österreichischer Sicht ein Entwurf, dem man kritisch gegen­überstehen muss, und das zeigt eigentlich, wo das Bedürfnis dieser Europäischen Uni­on liegt.

Der Entwurf zeigt zu wenig Beweglichkeit beim Britenrabatt. Der Entwurf zeigt zu wenig Beweglichkeit, was die Landwirtschaft, Stichwort Frankreich, betrifft. Und das ist der Punkt. Meine Damen und Herren! Ich glaube, wenn wir diese Europäische Union er­folgreich in die nächsten Jahrzehnte führen wollen, dann müssen wir alle uns auf etwas besinnen: Es braucht dann und wann etwas mehr Konsensbereitschaft, etwas mehr Bereitschaft, das Ganze zu sehen, etwas mehr Bereitschaft, auch die Anliegen anderer Mitglieder nicht nur zu erkennen, sondern ernst zu nehmen und aus dieser Situation heraus selbst flexibler zu werden, auch wenn es nicht immer leicht ist, im eigenen Land, im eigenen Staat das erklären zu müssen; da verstehe ich Tony Blair. Aber diese Aufgabe können wir der britischen Ratspräsidentschaft in den letzten Tagen nicht abnehmen. Diese Aufgabe haben die Briten, und ich erwarte mir, dass hier mehr Be­wegung, besonders was den Britenrabatt betrifft, hineinkommt. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

Ich sehe noch eine Gemeinsamkeit, Herr Kollege Gusenbauer: Sie haben von Innova­tion, Technologie, Forschung und Entwicklung gesprochen. Das bedeutet, wenn wir diese Punkte forcieren und budgetär entsprechend ausstatten, ein Mehr an Wettbe­werbsfähigkeit und damit Standortsicherung, Arbeitsplatzsicherung und Arbeitsplatz­schaffung in Europa. Zweifelsohne wird das in den nächsten Monaten und sogar in den nächsten Jahren nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa die Herausforderung sein.

Die Angelegenheit Verfassungsvertrag sei auch erwähnt. Nach den Negativvoten in Frankreich und den Niederlanden haben die Staats- und Regierungschefs im Juni 2005


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erklärt, im ersten Halbjahr 2006 eine Bewertung aller einzelstaatlichen Diskussionen über die Zukunft Europas vorzunehmen und den weiteren Fortgang des Ratifizierungs­prozesses zu vereinbaren. Das ist keine leichte Aufgabe. Ich meine, wir werden nicht zur Tagesordnung übergehen können, indem wir nach einer Denkpause, nach einer Abkühlpause dort weitermachen, wo wir aufgehört haben. Mit „wir“ meine ich ganz Europa. Ich sage ganz bewusst wir, obwohl in Österreich keine Abstimmung stattge­funden hat. Aber die Stimmung ist unübersehbar und unüberhörbar. Die Bevölkerung erwartet sich ein Europa, eine Union, in der die Kompetenzen klar und, wie ich meine, neu verteilt werden.

Diese Kompetenzen müssen so verteilt werden, dass die Regionen, die Länder und die Nationen das Gefühl haben, ein fester Bestandteil und genauso wichtig zu sein wie größere Bestandteile dieser Europäischen Union, damit sie auch dem Bürger unmittel­bar vermitteln können, dass die Nähe zu Brüssel innerhalb der Europäischen Union sehr wohl gegeben ist. Was ich damit sagen will, ist: Wir können einen Anstoß geben, dass sich die Führung der Europäischen Union bewusst wird, dass auf europäischer Ebene nur das geregelt werden soll, was die EU regeln muss, und alles andere dort geregelt werden soll, wo es besser erledigt werden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Menschen müssen wieder mehr Vertrauen in diese Europäische Union bekommen, und Österreich hat während der Ratspräsidentschaft die nicht leichte Aufgabe, diesbe­züglich einen wesentlichen Beitrag zu leisten. Ich glaube, Vertrauen gewinnen kann man, wenn man nicht nur vom Europa der Regionen und vom Subsidiaritätsprinzip spricht, sondern wenn man es auch lebt, und zwar in alle Richtungen lebt.

Ich habe vorgestern in den Diskussionen in Brüssel immer wieder etwas sehr Wichti­ges erwähnt, nämlich dass wir bei allem, was wir in Brüssel mitbeschließen, auch die Auswirkungen bezüglich der Kosten berücksichtigen müssen. Auch das ist etwas, was der Bürger sehr kritisch sieht: die Bürokratie, die Verwaltung und die daraus entstehen­den Kosten. Da kann Österreich während der Ratspräsidentschaft vorbildlich sein, und wir werden uns bemühen.

Zum Thema Forschung und Entwicklung: Es geht um die Verhandlungen über das Sie­bente Rahmenprogramm; das wird eine sehr wichtige Phase für diesen Bereich wer­den. Ich kann nur sagen, dass wir, wenn Forschung und Entwicklung budgetär behan­delt wird, dafür eintreten müssen, dass diese Position besser dotiert wird als bisher. Das ist eine Investition in die Zukunft, das ist eine Investition in Wettbewerbsfähigkeit, und das ist eine Investition in Arbeitsplätze. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In welche Anwendungsbereiche Forschung überall Eingang findet, müssen wir dem Bürger auch näher bringen, sodass er einen Mehrwert, einen persönlichen Nutzen daraus erkennen und ableiten kann. Wir versuchen das, so glaube ich, mit einem rich­tigen Ansatz, indem wir das Thema Sicherheitsforschung zu einem ganz wichtigen Themenbereich machen. (Abg. Öllinger: Tempo 160!) Wir werden gemeinsam mit der Europäischen Kommission am 20. und 21. Februar in Wien (Abg. Öllinger: Verkehrs­sicherheit!) die Auftaktveranstaltung European Conference on Security Research, Vienna 2006 abhalten, bei der die Kommission prominent vertreten sein wird. (Abg. Öllinger: Tempo 160 – ein Beitrag zur Verkehrssicherheit!)

Auf Ihre Zurufe zurückkommend: Natürlich wird auch das Thema Verkehr ein wichtiger Bestandteil der Diskussionen während der Ratspräsidentschaft sein. Es wird Sie nicht überraschen, und es ist kein Zufall, dass der Schwerpunkt im Bereich Verkehr der Ver­kehrssicherheit gewidmet ist. (Zwischenruf der Abg. Dr. Gabriela Moser.) Der Informel­le Rat am 2. und 3. März in Bregenz wird sich der Verkehrssicherheit widmen, insbe-


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sondere der E-Safety, also was man technisch, elektronisch alles beitragen kann, um die Sicherheit im Verkehr zu erhöhen. Es wird auch um Bewusstseinsbildung gehen, und es werden Kampagnen über die Grenzen der einzelnen Länder hinaus europaweit stattfinden. Die Road-Safety wird dahin gehend betrieben, dass wir während unserer Präsidentschaft eine eigene Sicherheitskultur auf den europäischen Straßen einleiten wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der Erfolg gibt mir Recht. Es würde den Rahmen sprengen, würde ich jetzt über die Er­folge betreffend Verkehrssicherheit in Österreich diskutieren, aber lassen Sie mich noch sagen, dass innerhalb des Verkehrsbereiches die Schiene einen wichtigen Schwerpunkt darstellen wird. Das Dritte Eisenbahnpaket (Abg. Dr. Gabriela Moser: Österreich ist Spitze, was die Verkehrsunfälle betrifft!) und damit die Stärkung der Schiene europaweit wird ein wesentlicher Bestandteil und Schwerpunkt der österreichi­schen Ratspräsidentschaft innerhalb der EU sein.

Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich Sie einladen, im ersten Halb­jahr 2006 gemeinsam über die Parteigrenzen hinweg mitzuarbeiten, dass Österreich einen guten Beitrag leistet, die schwierige Situation zu verbessern und die Herausfor­derungen zu meistern. Es gibt einen Spruch, der heißt: Gemeinsam sind wir stark. Das ist ein altes Sprichwort, aber es hat trotz der vielen Jahre überhaupt nichts an Attrakti­vität verloren. Und das wollen wir leben: Wir wollen gemeinsam diese Europäische Union wieder stärker machen und sie der Bevölkerung wieder besser ins Bewusstsein, positiv ins Bewusstsein bringen.

Ich lade Sie ein, mit uns, mit der Regierung, die Chance zu nützen, im Juli 2006 nach einer hoffentlich erfolgreichen Ratspräsidentschaft Österreichs stolz auf diese zurück­zublicken. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

9.26


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Seine Redezeit beträgt 7 Minuten. – Bitte. (Abg. Öllinger: Da hat aber nichts begeistert bei der Rede! – Abg. Dr. Jarolim: Wir wollen nicht gemeinsam schnell fahren, Herr Vize­kanzler! – Abg. Großruck: Dann fahren Sie alleine!)

 


9.27.14

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Wir behandeln die Arbeit beziehungsweise das Programm der Europäischen Kommission, also das, was sie in den nächsten Jahren vorhat – und natürlich auch das, was die Bundesregierung dazu einzubringen hat.

Wenn man sich das Programm durchliest und genau studiert, wird man zu dem Schluss kommen, dass zwar die entscheidenden Fragen angesprochen werden, aber die große Frage nach den Lösungsansätzen unbeantwortet bleibt. Wir stehen vor der Tatsache, dass es rund 20 Millionen Arbeitslose im gesamten Raum der Europäischen Union gibt, und es ein Faktum, dass zwar der Druck der Globalisierung erkannt wird (Zwischenruf des Abg. Großruck), dass aber noch immer keine Antworten darauf auf dem Tisch liegen. Die Ängste derer, die im Raum der Europäischen Union leben, haben sich dadurch ausgedrückt, in dem die beiden Verfassungsreferenden, die in Frankreich und Holland stattgefunden haben, negativ ausgegangen sind. Das war ein Ausdruck dafür, dass die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger mit der Politik, die die nationalen Regierungen in der Europäischen Union zu verantworten haben und die die Europäische Union selbst zu verantworten hat, nicht einverstanden ist. (Abg. Felz­mann: Das stimmt ja nicht!)

Ich habe mir das Interview im „trend“ mit Bundeskanzler Schüssel sehr genau durchge­lesen. Es ist immer wieder der Stehsatz gekommen: Man muss den Menschen Europa


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erklären! – Wenn man sich damit begnügt, den Menschen Europa zu erklären, so wie es ist, dann wird man nie Zustimmung finden, dann wird es nie Akzeptanz geben, dann wird es nie Unterstützung geben! Europa ist, so wie es ist, nicht das Europa, das wir zu bilden versprochen haben, als wir in Österreich dafür eingetreten sind, dass Österreich Mitglied der Europäischen Union wird. Wir haben damals gesagt, Europa ist nicht nur ein Friedensprojekt, ein politisches Projekt und ein Wirtschaftsprojekt, sondern Europa ist auch ein soziales Projekt. Das aber, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von den beiden Regierungsparteien, hört man von Ihnen nicht!

Da gibt es die Erfolgsmeldungen über eine Erweiterung und über eine weitere Erweite­rung, aber es wird nicht dazu gesagt, dass es starke neo-liberale Binnenmarktphiloso­phen in der Europäischen Union gibt (Abg. Mag. Molterer: Tony Blair!), für die der Erweiterungsprozess in Wahrheit das Instrumentarium (Abg. Dr. Stummvoll: Tony Blair!) für Lohndruck, Sozialabbau, Steuerwettbewerb und Standortwettbewerb ist – egal, von welcher politischen Richtung. (Abg. Mag. Molterer: Freund Tony Blair!)

Die österreichische Bundesregierung hat sich im Wesentlichen diesen neo-liberalen Strömungen der anderen nationalen Regierungen angeschlossen – und das wissen Sie auch ganz genau. (Abg. Dr. Stummvoll: Lauter Sozialdemokraten!)

Man braucht sich ja nur die Werbereden der Regierungsvertreter zur EU-Dienstleis­tungsrichtlinie anzuhören. Sie sagen in Österreich: Jawohl, es ist gut, wenn Unterneh­men ihre Dienstleistungen zu den Preisen ihres Herkunftslandes, die weit unter den Kosten der kleinen und mittleren Unternehmen liegen, in Österreich anbieten können! Das ist gut, das soll so sein!, das hören wir hier. Sie sind die Vertreter des Neoliberalis­mus, der in der Europäischen Union und auch in Österreich vorherrscht! Sie tragen das mit und setzen es auch noch weiter in der Europäischen Union um! Da machen wir von der SPÖ nicht mit, das sage ich Ihnen! Ein solches Europa werden wir nicht erklären! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Erinnern Sie sich noch, als die Wachstumsinitiative der Europäischen Union diskutiert wurde? – Damals hat Finanzminister Grasser dagegen gewettert. Grasser ist sogar noch weiter gegangen und hat gesagt: Wer bei den Maastricht-Kriterien, die besagen, wie viel Schulden ein Staat machen kann, wenn es der Wirtschaft, dem Wachstum und der Beschäftigung dient, auch nur ein kleines Schräubchen lockert, der soll überhaupt kein Stimmrecht mehr haben! Da hat Grasser wieder seine vordemokratischen Anfälle bekommen! Das war die Position, die Sie damals vertreten haben. Grasser, Minister Bartenstein und Bundeskanzler Schüssel waren das Trio, das in Wahrheit auf euro­päischer Ebene das durchzusetzen versucht hat.

Man kann mit noch so vielen Autobussen und Containern durch Österreich fahren, ich frage Sie: Was wollen Sie den Menschen erklären? 20 Millionen Arbeitslose, eine inak­tive österreichische Bundesregierung, kein Wachstum, keine Beschäftigung, der Erwei­terungsprozess als Teil eines neoliberalen Programmes – wollen Sie das den Men­schen erklären? (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist reiner Populismus!)

Sie schütteln gerade den Kopf, Herr Abgeordneter Stummvoll: Schütteln Sie ihn gleich weiter, hören Sie nicht auf damit, denn während der österreichischen Ratspräsident­schaft wird noch über etwas anderes diskutiert werden, und da schlittern Sie jetzt hin­ein, weil Sie sich weigern, Schritte zu setzen, um diesen Visa-Skandal tatsächlich auf­zuklären.

Österreich ist das offene Tor mit gekauften Visa in den Schengen-Raum. Das haben Sie zu verantworten. Sie alle stecken den Kopf in den Sand und weigern sich, den Kopf wieder heraus zu nehmen. Sie sehen da unten nichts, Sie werden dann auch im Sand nicht mehr mit dem Kopf schütteln können, weil Sie dann unbeweglich sind. Ich sage Ihnen: Die Wahrheit ist, dass Sie das zu verantworten haben! Es wird bereits darüber


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gesprochen, dass es um Zehntausende gekaufte Visa in Millionen-Höhe geht. Es soll ein Netzwerk, ein kriminelles Netzwerk geben – und das Außenamt soll involviert sein! Bis zum 27. September haben Sie Beweisstücke, positiv erledigte Antragsformulare, Visa vernichten lassen.

Irgendwann einmal werden Sie dann sagen, jetzt können sie eh einen parlamentari­schen Untersuchungsausschuss einsetzen, denn jetzt haben wir schon alles vernichtet, jetzt gibt es nichts mehr zu untersuchen! – Das ist die Philosophie, die dahinter steckt. Und dieses Europa wollen Sie den Menschen erklären?!

Wo liegt der Entwurf der österreichischen Bundesregierung für die Ratspräsident­schaft? Was ist das Projekt? Was beschreiben Sie in den nächsten sechs Monaten? Wo sind die mittel- und langfristigen Ziele? Wie soll die Sozialunion Europa ausschau­en? Welches politische Projekt gibt es? Wie wollen wir durchsetzen, dass der Verfas­sungsvertrag endlich in Kraft gesetzt wird, damit für die bisherigen Erweiterungen auch die Instrumentarien vorhanden sind? (Abg. Großruck: Erzählen Sie, was Sie wollen!) Wo ist all das?

Meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, Sie sollten auf die Bürgerinnen und Bürger hören! Sie sollten, wenn Ihnen die Europäische Union ein Anliegen ist, dafür eintreten, dass diese Akzeptanz in der Bevölkerung findet, dass diese eine Ba­lance zwischen Wirtschaft und Soziales bildet, dass sie ein politisches Projekt ist, das auch im wirtschaftlichen Bereich wettbewerbsfähig ist mit China, um jetzt einmal Na­men zu nennen, und im politischen Bereich mit den USA!

Wir sollten zum Beispiel eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik haben, damit wir Partner und Faktor sind! Das jedoch können Sie nicht garantieren! Sie schlittern in eine Ratspräsidentschaft auf Kosten Österreichs und der Europäischen Union! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Kößl: Ungeheuerlich! Das ist eine Schande!)

9.34


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt als Präsi­dent Folgendes sagen: Wir haben die Europatage eingeführt, um über spezifische europäische Themen zu diskutieren. Heute haben wir das Legislativprogramm der Europäischen Kommission auf der Tagesordnung, das heißt, das Arbeitsprogramm ist Debattengegenstand. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich würde mich sehr freuen dar­über, wenn nicht eine allgemeine politische Debatte über alle Probleme Europas statt­finden würde, sondern über das Legislativprogramm der Kommission. Ich habe zu den einzelnen Vorschlägen noch keine Kommentare gehört. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Jarolim: Das ist ungeheuerlich! – Abg. Schieder: ... Vizekanzler, das wäre mutig gewesen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. – Bitte.

 


9.35.42

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Was würde wohl ein großer SPÖ-Außenpolitiker wie Bruno Kreisky sagen, wenn er eine Rede von Herrn Gusenbauer oder von Herrn Cap zu diesen europa-politischen Herausforderungen hö­ren würde? (Abg. Neudeck: Er würde hinausgehen!) Meine Damen und Herren! Ich bin überzeugt, er würde sich mit Grauen abwenden! – So weit sind wir heute gekommen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte vor allem den Fernsehzusehern sagen, dass dieses Thema nicht die ÖVP ausgewählt hat. Die SPÖ hat sich gewünscht, dass wir heute über das Legislativpro­gramm der Kommission für das nächste Jahr diskutieren. (Abg. Kößl – in Richtung SPÖ –: Themenverfehlung!) Sie sehen, was diese beiden Spitzen der SPÖ dazu zu


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sagen haben (Rufe bei der ÖVP: Nichts!): Nichts, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Haben Sie eine Initiative, haben Sie einen Vorschlag gehört, den die SPÖ für unsere Präsidentschaft für das nächste Jahr vorgesehen hätte? (Abg. Kößl – in Richtung SPÖ –: Nur Polemik!) Haben Sie irgend eine Stellungnahme zum Inhalt gehört? – Nein, meine Damen und Herren! (Abg. Eder: Jetzt schwimmen Ihnen die Felle davon!) Aber das Traurige dabei ist, dass das heute kein Zufall ist: Das ist mittlerweile System in der SPÖ. (Abg. Reheis: System ist, alles schlecht zu machen! Das ist Ihr System!)

Es ist traurig für eine ehemals staatstragende Partei, wie die Sozialdemokraten es über Jahrzehnte waren, meine Damen und Herren, wenn man so abgleitet! Ich halte das wirklich für ein Symptom einer Art und Weise, hier im Hause eine Diskussion zu führen (Abg. Dr. Gusenbauer: Ist das das Legislativprogramm, Herr Präsident?), die eigent­lich nur eine Abwendung von dieser Sozialdemokratischen Partei zur Folge haben kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Reheis: Das ist schäbig, was Sie aufführen!)

Meine Damen und Herren, dabei ist es doch für uns für das nächste halbe Jahr in Österreich so wichtig, dass wir, wenn wir Europa zu führen haben, Impulse setzen – Impulse, die uns auf einen anderen Weg bringen als bisher. (Abg. Reheis: Sie setzen in Österreich keine Impulse, und Sie werden in Europa keine Impulse setzen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Geschätzte Kollegen, hören Sie einmal zu, viel­leicht können Sie aus meinen Ausführungen ein bisschen etwas über das Legislativ­programm der Kommission erfahren. (Abg. Reheis: Sie werden Ihre schwache Politik in Europa fortsetzen!)

Ich möchte Ihnen gerne ein paar Initiativen vorstellen, die wir planen, weil wir glauben, dass wir als Österreicher auch diesem Europa ein anderes Gesicht geben müssen. Gerade wir von der Österreichischen Volkspartei sind immer eine sehr pro Europa ein­gestellte Partei gewesen, und wir sind das nach wie vor. Wir wollen daher gerne die Chance nützen, dass Österreich sechs Monate lang den EU-Vorsitz führen darf und dass wir auch in den entscheidenden Fragen Fortschritte erzielen.

Ich möchte Ihnen dazu ein paar Beispiele nennen: Natürlich geht es uns in erster Linie um Wirtschaft, um Wachstum und vor allem um Arbeitsplätze in diesem Europa. Aber dazu müssen konkrete Initiativen gesetzt werden. Die Bejammerung, die uns Herr Kol­lege Cap da mitgegeben hat, dass unter einer britischen Präsidentschaft und unter dem „Parade-Sozialisten“ Tony Blair in Europa nichts weiter gegangen ist (Abg. Re­heis: Es geht Ihnen nicht um die Menschen! Das ist der Punkt!), kennen wir auch, aber daran ist nicht Österreich Schuld, da müssen Sie sich schon an Ihre eigenen Parteikol­legen in Europa wenden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

Das, was wir zu tun haben, meine Damen und Herren, ist, dass wir dort fortsetzen, wo diese Lissabon-Strategie aufgehört hat: Wir müssen von jedem Mitgliedsland einen en­gagierten nationalen Reformplan verlangen, damit es zu Wachstum und Beschäftigung kommt. (Abg. Silhavy: Das ist wohl eine Frotzelei!)

Nehmen wir nur Österreich her: Was haben wir getan etwa im Rahmen der Jugendbe­schäftigung? (Abg. Dr. Wittmann: Nichts!) Wir haben das auch in diesem Haus dis­kutiert, offenbar haben Sie das aber überhört, Herr Kollege. Wir haben für die Lehrlinge den so genannten Blum-Bonus eingeführt. 8 500 Stellen in Österreich werden jetzt zusätzlich angeboten, weil die Unternehmer das auch annehmen, weil damit junge Leute eine Chance bekommen! (Abg. Öllinger: Wie schaut es mit der Arbeitslosigkeit von Jugendlichen aus?) Das kann Vorbild sein für Europa, und das wollen wir gerne


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während unserer Präsidentschaft fortsetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Freiheitlichen.)

Wir wollen, dass in Europa für die Forschung Geld ausgegeben wird, und zwar euro­päische Mittel. Jawohl, das brauchen wir! Wir müssen wettbewerbsfähig sein mit dem „Rest“ der Welt, und dazu braucht es eine ausgezeichnete Ausbildung, aber dazu sind auch entsprechende Mittel notwendig, damit Forschung auch einen Wettbewerbsvorteil verschaffen kann. Wir werden dafür eintreten, wir werden während der Präsidentschaft im Rahmen unserer Initiativen diesbezüglich auch etwas zusammen bringen. Wir wer­den natürlich auch für Verbesserungen bei denjenigen eintreten, die unmittelbar Ar­beitsplätze schaffen, nämlich die kleineren und mittleren Unternehmer. Unser Zielpunkt ist der Mittelstand – nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa, weil wir davon ausgehen können, dass dort tatsächlich Arbeitsplätze geschaffen werden. Wir werden dazu initiativ werden. (Beifall bei der ÖVP sowie den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren, diese österreichische Präsidentschaft hat aber, glaube ich, auch die Aufgabe, sich mit der Sicherheit in Europa und außerhalb Europas zu be­schäftigen, nämlich vor allem mit der Sicherheit in unseren Nachbarregionen. (Abg. Heinzl: Visa-Skandal!) Wir glauben, dass der derzeitige Zustand in Südosteuropa, wo auch Österreicher als Soldaten eingesetzt sind, nicht der Endpunkt sein kann. Wir sind zwar froh, dass es dadurch dort heute sichere und stabile Verhältnisse gibt, aber das kann ja kein Dauerzustand sein. Wir wollen doch nicht, dass in Zukunft in Bosnien- Herzegowina oder im Kosovo nur deshalb Sicherheit herrscht, weil dort Tausende Sol­daten stehen, die im Notfall sofort eingreifen können.

Wir müssen Initiativen setzen, dass dort durch demokratische Prozesse, durch eine Zukunftsdiskussion des Status dauerhaft Friede, Stabilität und Wohlstand entstehen kann. Das ist eine Aufgabe, der wir uns widmen, weil wir uns für diesen Raum gerade auf Grund der Nähe besonders verantwortlich fühlen.

Ein zweiter großer Punkt, wo wir in Österreich durch eine Kosovo-Konferenz, durch eine Status-Konferenz für Südosteuropa einen Schwerpunkt setzen wollen, einen, wie ich glaube, richtigen Schwerpunkt.

Zum Dritten, meine Damen und Herren, möchte ich natürlich auch auf dieses Thema, das für uns auch heute so wichtig ist, eingehen, weil Bürger sich von diesem „fernen Europa“ abwenden. Durch so viele Regeln, wie wir sie derzeit in Europa haben, wird man Bürgernähe nicht erreichen! Ganz im Gegenteil!

Wir sollten daher wirklich mit allem Nachdruck eine Initiative in Richtung Subsidiarität setzen. Das vertreten wir in Österreich – wir haben ein föderales Prinzip –, aber das sollten wir auf Europa ausdehnen. Wir sollten eine Subsidiaritätskonferenz unter der österreichischen Präsidentschaft planen, wo wir hinterfragen, was wir zukünftig nicht besser auf der nationalen Ebene oder in den Regionen regeln – und nicht versuchen, alles in Brüssel durch neue Regeln fernab von Bürgern zu bestimmen.

Ich glaube, das ist eine sehr notwendige Richtung, die wir durch einen Impuls in der österreichischen Präsidentschaft mitbestimmen können. Und dazu wollen wir eine Ini­tiative setzen. Wir sehen uns als Österreicher – das sehen Sie an dem Logo mit allen Fahnen der Mitgliedstaaten – natürlich als Dienstleister für dieses Europa, aber man kann sehr wohl auch Impulse setzen. Das sind unsere Initiativen, die ich heute auch vermitteln möchte und die, wie ich meine, schon einen großen Unterschied darstellen zu dem, was die Opposition, was die SPÖ da geboten hat.

Es ist wirklich traurig, meine Damen und Herren von der SPÖ, dass Sie in europapoli­tischen Fragen so weit heruntergekommen sind! (Abg. Heinzl: Visa-Skandal!) Ich glau-


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be, das ist keine gute Initiative für Österreich. (Abg. Heinzl: Wo findet der Visa-Skandal statt?) – Ihr Beitrag steht noch aus!

Wenn Ihr europapolitischer Sprecher Caspar Einem den „Salzburger Nachrichten“ ge­genüber sagt, wir haben keine europapolitische Aufgabe zu erfüllen, dann ist das ein Offenbarungseid für Sie, der eigentlich nicht mehr unterboten werden kann. Ich finde das traurig und schade! (Abg. Heinzl: Schwache Rede!)

Ich hoffe, dass einige unter Ihnen von der SPÖ – wie etwa Kollege Schieder – vielleicht doch das Ruder noch herumreißen, denn es kann nicht sein, dass sich die SPÖ, wenn Österreich in Europa die Führung übernimmt, europapolitisch in dieser Art abmeldet! (Lebhafter Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.43


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. Er hat eine Redezeit von 10 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort. (Abg. Dr. Gusenbauer: Noch nie so eine primitive Rede gehört vom Spindelegger! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


9.44.12

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Das Legislativprogramm der EU-Kommission liest sich durchaus interessant – und ist als engagiert zu bezeichnen. Die Bereiche Wohlstand, Arbeits­plätze, Solidarität, Sicherheit und Europa als Partner in der Welt sind sicherlich wich­tige Bereiche, wenn es darum geht, auch die Europäische Union als wirkliche politische Union und Gemeinschaft weiterzubringen. Die Frage ist nur immer: Was versteckt sich hinter den Überschriften und Initiativen, die da angeführt werden?

Die Kommission selbst gibt ja zu, auf einige der wirklich essentiellen Fragen, wie etwa, aus der momentanen problematischen Situation – viele sagen auch durchaus zu Recht: aus dieser krisenhaften Situation – der Europäischen Union herauszukommen, finde man keine Antworten. Eine dieser Fragen ist beispielsweise, wie es denn mit der Europäischen Verfassung weitergehen soll. Da bedauert die Kommission nur das Scheitern der Volksabstimmungen im heurigen Jahr, und man hofft, dass jetzt auf nati­onaler Ebene ein Diskussionsprozess weitergeführt wird und Initiativen gesetzt werden, um auf diese offenen Fragen die entsprechenden Antworten zu finden. Aber wie das geschehen soll, das hören wir von der EU-Kommission leider nicht.

Man hat sich da eine Nachdenkpause verordnet. Für gewöhnlich nimmt man an, dass man eine Nachdenkpause dazu nützt, nachzudenken. Hier aber hat man das Gefühl, dass man das Nachdenken eingestellt hat, obwohl es ja wirklich eine ganz essentielle Frage ist, wie man denn diese Europäische Union auf die schon erfolgte Erweiterung um zehn neue Mitgliedsländer ausrichtet.

Wir alle sind davon ausgegangen, dass eine europäische Verfassung mit der Neuord­nung der Strukturen eine Grundvoraussetzung für diese Erweiterung ist. – Jetzt haben wir die Erweiterung, mit vielen nach wie vor offenen Fragen, aber die Grundvorausset­zungen sind nicht einmal in Ansätzen diskutiert.

Wir haben ja hier im Hohen Haus im Rahmen einer Enquete auch mit Experten bespro­chen, dass es eine Fülle von Problemanalysen gibt, aber noch lange keine Lösung, wie wir diese neue Verfassung in Kraft setzen können. Es wird nicht gehen, so wie das manche überlegen, dass man ganz einfach ein bisschen etwas verändert und dann in Frankreich und in Holland noch einmal eine Volksabstimmung abführt, denn: Was wäre denn dann in den anderen Ländern, die, so wie Österreich oder andere, die das sogar mit Volksabstimmung umgesetzt haben, das schon ratifiziert haben? Da kann man nichts verändern.


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Eine andere Initiative ist es, zu „filetieren“ und einige Punkte, wie etwa den Menschen­rechtskatalog, in Kraft zu setzen, einige andere Strukturfragen in Kraft zu setzen, aber auch das ist eine halbe Sache. In Wahrheit hat man ein Dreivierteljahr verloren, um Lö­sungen zu diskutieren. Die österreichische Präsidentschaft wird sich mit dieser Frage zu beschäftigen haben.

Zweiter Punkt: die Finanzierung. Auch diese findet keinen breiten Raum in diesem Legislativprogramm. Es wurden ja schon die neuen Vorschläge der britischen Präsi­dentschaft angesprochen. – Dazu auch noch einmal unsere Position: Ich glaube, es ist wichtig, dass wir als Nettozahler festhalten, dass es das Verhandlungsziel für die öster­reichische Bundesregierung sein muss, keine zusätzlichen Belastungen mehr für Ös­terreich hinzunehmen – und dass der Beitrag Österreichs auf dem bisherigen Niveau bleiben muss, zumindest als Verhandlungsziel. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren, es ist in diesem Legislativprogramm endlich auch – und das ist positiv zu sehen – eine Initiative in Richtung mehr Forschung, Entwicklung und För­derung der Hochtechnologie enthalten, und zwar in der Form, dass das 7. Rahmen­programm für Forschung und Entwicklung unterstützt wird, dass man aber auch von der Europäischen Ebene mehr in diese Programme investieren möchte. Bisher war ja Forschung und Entwicklung in erster Linie eine nationale Angelegenheit.

Ich glaube auch, eine der Problematiken im Zusammenhang mit dem Ruf nach mehr Bürgernähe in Europa ist, dass immer nur mit Fachausdrücken diskutiert wird. Da gibt es den Lissabon-Prozess, da gibt es Maastricht, da gibt es Nizza, da gibt es die Kon­vergenzkriterien. – Wie soll denn ein Bürger in Europa eine wirkliche Beziehung zu diesem Gedanken auch einer politischen Union bekommen, wenn sich Bürokraten, Technokraten und Politiker sehr, sehr gut vorkommen, wenn sie nur in diesen Fach­ausdrücken diskutieren, anstatt wirklich die Probleme anzusprechen und zu versuchen, Lösungen zu entwickeln. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir müssen, wenn wir uns mit der Bürgernähe auseinander setzen, auch dazu kom­men, dass es zum Beispiel das Institut europaweiter Volksabstimmungen in wich­tigen Fragen der Europäischen Union gibt. (Abg. Dr. Pirklhuber: Verfassung!) Na selbstverständlich!

Das war ja auch ein Grund für dieses Scheitern in der Frage der Verfassung, weil man geglaubt hat, dass man auch diese Verfassung von oben herab dekretieren kann, und dass die Bürger schon dem folgen werden, was verordnet worden ist. – Obwohl diese Verfassung gut ist, aber es gibt eben ein in vielen Bereichen begründetes Misstrauen der Bevölkerung in bestimmte Initiativen der Europäischen Union.

Allein die Notwendigkeit, dass wichtige Initiativen den Bürgerinnen und Bürgern zur Ab­stimmung vorgelegt werden, würde, glaube ich, dazu führen, dass man auch die Mei­nung der Bevölkerung Europas stärker verankern und berücksichtigen würde.

Im Legislativprogramm sind natürlich auch die nächsten Erweiterungsschritte umfasst. Mit Bulgarien, Rumänien werden wir uns auch hier zu beschäftigen haben. Es ist dies ein für Österreich wichtiger Bereich, weil Österreich der größte Investor in diesen bei­den Ländern ist, aber auch da wird zu berücksichtigen sein: Sind die Kriterien von bei­den Ländern erfüllt – da gibt es noch einige offene Fragen –, und: Ist die Europäische Union jetzt auf einem Weg, der diese zusätzlichen Erweiterungen möglich macht? Genauso ist es bei Kroatien, aber wir sind sehr froh darüber, dass diese Beitrittsge­spräche aufgenommen wurden.

Etwas anders ist es bei der Türkei, wo man wieder diesen einfachen Weg gegangen ist, nämlich 15, 20 Jahre lang Beitrittsverhandlungen zu führen – statt dass man eine wirklich sinnvolle Partnerschaft mit der Türkei eingegangen wäre und ganz offen und


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ehrlich gesagt hätte: Weder die Türkei noch die Europäische Union werden in abseh­barer Zeit in der Lage sein, diesen Erweiterungsschritt zu machen – wir gehen dafür in eine enge bilaterale Kooperation, in eine maßgeschneiderte Partnerschaft, die für beide Seiten richtig und wichtig wäre.

Ich erwarte mir von der Europäischen Union, gerade wenn es um die Menschenrechte geht, ein klareres Wort, auch von der Kommission, meine Damen und Herren. Es kann nicht sein, dass man mit einem Land Beitrittsverhandlungen führt, in dem man dafür, dass man darüber diskutiert, so wie das auch in Österreich der Fall gewesen ist, die Nationalhymne zu ändern, mit fünf oder zehn Jahren Gefängnis bedroht wird, weil gegen das „Türkentum verstoßen wird“; in dem Journalisten ins Gefängnis geworfen werden, weil sie „falsch berichtet“ haben; in dem es nach wie vor Morde an Frauen nur deshalb gibt, weil sie nicht jenen Mann heiraten, den der Familienrat „verordnet“ hat.

Das sind nicht die Menschenrechtsstandards, die wir uns für ein gemeinsames Europa vorstellen, und das muss auch die Europäische Union klar zum Ausdruck bringen! (Bei­fall bei den Freiheitlichen.)

Da muss es aber selbstverständlich auch in den eigenen Reihen besondere Wachsam­keit geben. Und wenn hier über die CIA-Flüge diskutiert wird, dann brauchen wir nicht darüber zu diskutieren, was das Bundesheer falsch gemacht hat. Das Bundesheer hat es richtig gemacht, denn nur deshalb, weil so offensiv und aufmerksam im Rahmen der Luftraumüberwachung kontrolliert wird, sind diese Vorgänge über österreichischem Luftraum überhaupt erst bekannt geworden.

Aber darum geht es nicht, sondern mir geht es darum, dass auch in dieser Angelegen­heit die Europäische Union nicht schweigen darf, wenn es Verdachtsmomente gibt – es gibt ja noch keine Bestätigung, sondern Verdachtsmomente –, dass mit diesen Gefan­genentransporten Menschenrechte verletzt wurden. Wenn es wirklich stimmt, dass in Mitgliedsländern der Europäischen Union gegen die Menschenrechte verstoßen und gefoltert wurde, mit unlauteren Mitteln verhört wurde, dann muss die Europäische Uni­on handeln, auch wenn es Mitgliedsländer dieser Union betrifft. (Allgemeiner Beifall.)

Ich glaube, dass in diesem Sinne auch die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ein wichtiges Programm der Kommission sein muss. Es klingt alles sehr gut, was da vorgeschlagen wurde, aber es gibt nach wie vor zu wenig Initiativen, zu wenig Initiati­ven, die in die Richtung gehen, dass man ein Pendant – kein Gegner, aber ein Pen­dant –, eine Ergänzung zu den Vereinigten Staaten sein möchte, dass man sich enga­giert in den wichtigen Krisenherden, etwa im Nahen Osten, oder stärker auch in ver­schiedenen Krisenherden in Asien oder Afrika.

Das heißt ja nicht, dass wir überall militärisch intervenieren, aber dass wir auch mit einer offensiven Entwicklungszusammenarbeit, dass wir mit politischen Mitteln und, wenn es notwendig ist, natürlich auch mit militärischen Mitteln, klar machen, dass die Grundsätze, die wir uns gegeben haben – Menschenrechte, Freiheit, Selbstbestim­mungsrecht der Völker –, Werte sind, die auf der ganzen Welt gelten, und dass nicht eine Supermacht auf der Welt alleine darüber entscheiden kann, wo wann wie und warum interveniert wird.

Auch das wäre eine wichtige, eine globale Aufgabe der Europäischen Union, und Ös­terreich könnte da durchaus auch Initiativen setzen. Da muss man aber auch ein bisschen über den eigenen Tellerrand und über nationale Diskussionen hinwegsehen. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Ich komme schon zum Schluss, meine Damen und Herren. Das Kommissionspro­gramm klingt ambitioniert, aber was wirklich dahinter steht, werden wir erst sehen. Österreich hat es in der Hand, während seiner Präsidentschaft die entsprechenden Ini-


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tiativen zu unterstützen und auch Meilensteine zu setzen. Ich gehe davon aus und bin sicher, dass die österreichische Bundesregierung das in die Hand nehmen und zeigen wird, dass auch ein kleines Land in Europa ein wichtiger Faktor sein kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Jetzt hätte ich fast applaudiert – wenn der letzte Satz nicht gewesen wäre!)

9.53

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. 7 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


9.54.59

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass die Europäische Union in einer Krise steckt, in einer tiefen Malaise (Abg. Neudeck: Wer? Die Grünen?), ist seit Monaten nicht übersehbar und ist unbe­streitbar. Aber lassen Sie mich ausdrücklich eines festhalten: So wie heute werden wir noch oft Gelegenheit haben, über das, was leider nicht geschieht in der Europäischen Union, zu diskutieren, was passieren sollte, was zwar passiert, aber nicht in unserem Sinne passiert – Stichwort Hochschulzugang an österreichischen Universitäten. All das ist richtig und wichtig, aber wenn es die Europäische Union nicht gäbe, dann müsste man sie neu erfinden. Das ist meine tiefe Überzeugung! (Allgemeiner Beifall.)

Die transnationalen Probleme, die transnationalen politischen Probleme, die innerhalb nationaler Grenzen nicht gelöst werden können – egal, ob das jetzt ein kleiner Staat wie Österreich ist oder ein großer wie Deutschland –, haben derart überhand genom­men: egal, ob das die Wirtschaftspolitik ist, ob es vor allem die Umweltpolitik ist, die Energiepolitik. In allen diesen Fragen brauchen wir europäische Zusammenarbeit. Und die Europäische Union ist eben die Institution, in deren Rahmen wir uns engagieren können und engagieren müssen. Also all diese Kritik, die jetzt auch von mir kommen wird, bezieht sich nicht darauf, dass Österreich, wie eine rechtspopulistische Partei in Österreich meint, aus der EU austreten sollte, dass es die EU am besten gar nicht geben sollte, sondern ganz im Gegenteil: Wenn es sie nicht gäbe, müssten wir sie er­finden.

Allerdings hat diese wichtige europäische Institution seit Monaten eine Art Führungs­vakuum, einen Mangel an „political leadership“, insbesondere – aber nicht nur – bei den großen Nationen.

Frankreich ist ausschließlich mit sich selbst beschäftigt, und das wird bis zu den Präsi­dentenwahlen auch so bleiben.

Deutschland – dahinter ein Fragezeichen. Solange sich die wirtschaftliche Situation nicht bessert, wird sich Bundeskanzlerin Merkel schwer tun, aber ich hoffe, das geht gut.

Italien mit der Regierung Berlusconi: indiskutabel! Der „Economist“ hat vor Jahren – lei­der erfolglos – eine wichtige Titelgeschichte gemacht, die hieß: „Berlusconi unfit to go­vern“, also fürs Regieren ungeeignet – aus Gründen, die ich jetzt hier nicht wiederholen möchte.

Und Großbritannien? – Tony Blair hat im Europäischen Parlament Ende Juni eine sehr gute Rede gehalten. Wir haben im grünen Klub darüber gespottet und gesagt, die Rede war gut; sie hat nur ein Problem: Tony Blair hat sie gehalten! Seit wann sind die Briten – gute Freunde sonst, ja – Freunde europäischer Integration? Und Tony Blair, die britische Präsidentschaft, hat in den letzten fast fünfeinhalb Monaten der Präsident­schaft leider – leider! – bewiesen, dass diese Vorurteile, diese Bedenken, diese Be­fürchtungen richtig waren. In wichtigen Punkten hat die britische Präsidentschaft die


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Dinge – ich würde nicht sagen: verschlafen oder verschlampt, sondern mit Absicht hin­tertrieben. Mit Absicht!

Tony Blair ist nicht irgendjemand: Blair ist einer der intelligentesten Politiker, die es gibt. Und wenn er sich so passiv verhält, wie er sich verhalten hat, so ist das mit Ab­sicht passiert: Nichtstun mit Absicht in den zwei wichtigsten Fragen, die natürlich das gesamte so genannte Legislativprogramm der Kommission überlagern, nämlich einmal die interne Entscheidungsfähigkeit, Funktionsfähigkeit der Union – Stichwort Verfas­sungsvertrag – und zweitens die Finanzen.

Was nützt das beste Legislativprogramm der Kommission oder dessen Unterstützung durch die österreichische Präsidentschaft, wenn die finanzielle Basis fehlt? Und das, was Tony Blair vorgelegt hat, ist in mehreren Punkten beschämend für die europäische Idee: erstens betreffend Ausmaß des europäischen Budgets und zweitens seine Struk­tur betreffend.

Da muss ich schon auch sagen: Österreichische Politik hat sich nicht hervorgetan, zumindest im ersten Punkt, was das Ausmaß der Finanzen betrifft. Erklären wir doch unseren Bürgern und Bürgerinnen, worum es hier geht. Wir reden um Beträge in der Größenordnung von 1 Prozent der Wirtschaftskraft eines Landes, des Bruttoinlands­produktes, in der Größenordnung von 1 Prozent! In ganz Europa streitet man sich um Hundertstel von Prozentpunkten in diesem Bereich.

In Österreich beträgt die Staatsquote, ob Sie es jetzt von der Einnahmen- oder von der Ausgabenseite her ansehen, rund 45 Prozent. Für ganz Europa reden wir über ein 45stel dieses Betrages! Und da ist es nicht möglich, eine Einigung zu erzielen?! – Das ist ja absurd, völlig absurd, beschämend! (Beifall bei den Grünen.)

Kommissionspräsident Barroso hat vollkommen Recht, wenn er sagt: Was Blair da vorgeschlagen hat, taugt für ein Mini-Europa, aber sonst nichts! – Das ist aber genau das, was die britische Präsidentschaft offenbar will.

Bevor wir aber weiter darüber philosophieren, dass Tony Blair und die britische Präsi­dentschaft einer großen Blamage entgegensteuern, was die Europapolitik betrifft, müs­sen wir schon sehen, dass sich Österreich in einem wichtigen Punkt auch gerade einer solchen Blamage nähert, und ich meine jetzt unseren Minister und Vizekanzler für Geisterfahrer.

Da geht es nicht nur um die Unfallrisiken – auch, natürlich. Und den ersten schweren Unfall, womöglich mit Todesfolge – Gott behüte! –, wird sich der Vizekanzler zurech­nen lassen müssen. (Abg. Hornek: Was ist mit den Grünen in Deutschland? Die fah­ren auch mit 180!) Das ist schlimm genug. Aber, meine Damen und Herren: Tempo 160 km/h, das ist auch eine europäische Frage. In ganz Europa, mit Ausnahme von Deutschland (Abg. Scheibner: Dort gibt es halb so viele Unfälle wie bei uns!), gibt es auf Landstraßen und Autobahnen Geschwindigkeitsbeschränkungen, die höchstens das Ausmaß von Österreich erreichen. (Abg. Hornek: Das ist eine Scheinheiligkeit!) In Deutschland gibt es auf bestimmten Autobahnabschnitten Ausnahmen, ja.

Erwiesen ist, dass die Emissionen, insbesondere von CO2, aber auch von Stickoxyden und anderen deutlich ansteigen, wenn das Tempo über 130 km/h steigt. (Zwischenruf des Abg. Eder.) – No na, das weiß doch jeder Autofahrer, dass der Benzinverbrauch oder der Dieselverbrauch ansteigt, wenn man statt durchschnittlich 120 km/h dann durchschnittlich 150 km/h fährt! Und damit steigen natürlich auch die Emissionen. Das ist eine europäische Frage, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Reheis.)

Auch Österreich hat sich verpflichtet, das Kyoto-Protokoll einzuhalten. Auch Österreich sollte ein Interesse daran haben, dass die Gletscher nicht so schnell schmelzen, wie


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sie ohnedies schmelzen. Auch Österreich sollte ein Interesse daran haben, dass die Klimaveränderung wenigstens nicht so schnell eintritt, wie sie derzeit eintritt. Und das hat etwas mit den Emissionen im Verkehr zu tun.

Natürlich nicht mit diesem Miniabschnitt in Kärnten, mit diesen 10 km oder was das ist ... (Vizekanzler Gorbach: 12 km!) – 12 km, von mir aus –, auf denen Tempo 160 km/h getestet wird und sich die Autofahrer auf dieser Strecke ungefähr 51 Sekun­den ersparen. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: 13 Sekunden!) –13 Sekunden? Also irgendetwas zwischen zwei Sekunden und 40 Sekunden. (Abg. Eder: Gar nichts! Das ist lächerlich!)

Die Umweltproblematik und insbesondere die Vorsorge im Bereich der Klimapolitik wird auf diese Art ad absurdum getrieben! Das ist Geisterfahrerei in politischem Sinn, näm­lich genau in die verkehrte Richtung (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ), mit sehr stark erhöhtem Risiko für die anderen, die in die richtige Richtung fah­ren!

Herr Minister Bartenstein, auch Sie sind betroffen, sie sind indirekt betroffen. (Abg. Eder: Genau!) Ich darf Sie daran erinnern, dass im Unterinntal beispielsweise jetzt schon die Situation existiert, dass Betriebsansiedlungen, Gewerbe, Industrie erschwert sind oder verboten werden, weil die Emissionen aus dem Verkehr so hoch sind. (Abg. Mag. Hakl: Deswegen machen wir ja eine neue ...!)

Es müsste in Ihrem Interesse als Industrieminister sein, den Vizekanzler im buchstäb­lichen Sinn einzubremsen, weil die CO2-Emissionen, die Treibhausgas-Emissionen, die der Vizekanzler mit seiner aberwitzigen Politik fördert, betreibt und zulässt, Ihnen, Herr Bartenstein, und damit uns allen im Bereich der Industriepolitik auf den Kopf fallen werden!

Ich sehe nicht ein, dass die Industrie, die schon bisher große Anstrengungen auf die­sem Bereich unternommen hat, jetzt weiter gezwickt werden soll, nur weil wir einen Vizekanzler haben, der sich auf Tempo 160 km/h auf Autobahnen versteift. Das ist auch wirtschaftspolitischer Unsinn – ganz abgesehen von der umweltpolitischen Dra­matik! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Gusenbauer.)

Abschließend zur Außenpolitik im Rahmen des Legislativprogramms der Kommission. (Zwischenruf des Abg. Dr. Cap.) – Ich habe die Uhr nicht auf zehn Minuten eingestellt gehabt, lieber Kollege Cap.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Redezeitbeschränkung ist freiwillig 7 Minuten; ge­setzlich 10 Minuten. Herr Abgeordneter Van der Bellen hat 9 Minuten 24 Sekunden, und ich werde ihm die 20 Sekunden, die ich jetzt geredet habe, dazugeben. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (fortsetzend): Sehr freundlich, Herr Prä­sident! – Auf die österreichische Präsidentschaft kommt ein sehr schwieriges Problem zu, das ist die Frage des Verhältnisses zu den Vereinigten Staaten von Amerika.

Es ist absolut unerträglich und inakzeptabel, dass ein Geheimdienst – welchen Landes auch immer, aber auch jener der USA – auf fremden Territorien, auf europäischem Boden europäische Staatsbürger kidnappt und entführt – wohin auch immer: in auslän­dische Gefängnisse, die unter Folterverdacht stehen. – Volkstümlich ausgedrückt: Wo sind wir denn? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Auch von den Vereinigten Staaten, mit denen Europa eine lange freundschaftliche Tra­dition der Verbundenheit hat (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen), kann man sich das unter gar keinen Umständen bieten und gefallen lassen! – Danke schön. (Bei­fall bei den Grünen und der SPÖ.)

10.05



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Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Bar­tenstein. Auch seine Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

 


10.05.54

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Geschätzte Kollegen auf der Regierungsbank! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Hier trifft es sich zweifellos gut, dass unser Bundeskanzler Schüssel morgen Vormittag in Washington bei Präsident Bush sein wird und schon angekündigt hat, dass er wichtige Themen mit Präsident Bush erörtern wird. (Abg. Dr. Cap: Welche?)

Zum anderen: Sehr geehrter Herr Professor Van der Bellen, über Tempo 160 km/h kann man geteilter Meinung sein, gar keine Frage (Abg. Öllinger: Nein, da kann man nicht geteilter Meinung sein! Da kann man nur eine Meinung haben!), aber eine europäische Frage ist das aus meiner Sicht nicht. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Kyoto!)

Sie haben indirekt schon die Antwort gegeben, als Sie darauf hingewiesen haben, dass im großen Deutschland die Dinge seit Jahren anders geregelt sind – und mir im Übri­gen auch nicht bekannt ist, dass die rot-grüne Regierung Deutschlands in ihren sieben Jahren Regierungsverantwortung eine entscheidende Initiative gegen Freifahrt auf Deutschlands Autobahnen unternommen hätte. Also, da schauen Sie einmal bei Ihren deutschen Parteifreunden nach! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Michael Spindelegger – er trägt übrigens dasselbe Präsidentschafts-Pin wie auch der Vizekanzler, ich, natürlich auch der Staats­sekretär, wir sind stolz darauf – hat darauf hingewiesen, Österreichs Präsidentschaft ... (Abg. Schieder: Die anderen haben es nicht bekommen!) – Ich lasse sofort aus mei­nem Büro einige Pins holen. Herr Kollege Schieder, Sie bekommen persönlich von mir eines angesteckt, wenn ich es Ihnen überreichen darf! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schieder.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn das ein Versäumnis ist, dann holen wir es heute Vormittag nach. Wir werden den Fundus des Außenamtes mit deiner werten Genehmigung, Herr Staatssekretär Winkler, „plündern“, um die Damen und Herren hier im Hause damit auszustatten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind ein Dienstleister an Europa im nächsten halben Jahr, das hat Michael Spindelegger gesagt. Tatsächlich, 2 000 EU-Sitzungen zu führen, das klingt nach Arbeit, das ist auch viel Arbeit. Wir machen das zum zweiten Mal. Wir werden einen professionellen Job abliefern.

Wir werden aber auch etwas versuchen, was vor allem Ursula Plassnik immer wieder in den Vordergrund stellt: Wir wollen in diesen sechs Monaten einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass das Vertrauen von Europas Bürgern in dieses Europa wieder wächst.

Wir wollen den europäischen Bürgern ein wenig mehr zuhören, als das vielleicht in den letzten Jahren in den Mitgliedstaaten, aber auch in Brüssel der Fall gewesen ist.

Wir wollen Beiträge gegen diese grassierende Skepsis, die gegenüber Europa vorhan­den ist, bringen.

Diesbezüglich war Ihre Wortmeldung, Herr Professor Van der Bellen, im Gegensatz zu manch anderer Wortmeldung ausgesprochen wohltuend. (Beifall bei der ÖVP.) Man soll und kann und muss Europa gegenüber skeptisch sein, dort, wo es etwas zu kriti­sieren gibt. Aber wir alle wissen: Gäbe es dieses Europa nicht, so müsste man es neu erfinden. – Für diese Formulierung danke ich Ihnen, Herr Professor Van der Bellen.


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Dass Populismus sehr schnell in Richtung anti-europäische Position abweicht, wissen wir. (Abg. Mag. Molterer: Haben wir gehört, heute!) Dass gelegentlich behauptet wird, das sei meistens – oder immer wieder – von der rechten Seite der Fall, auch das hört man, nicht nur in Österreich.

Herr Cap, das, was ich heute von Ihnen gehört habe, war einmal Populismus von der linken Seite kontra Europa. Was ich da sehr bemerkenswert finde, ist, dass Sie da eine offizielle Zwei-Firmen-Theorie haben: Herr Gusenbauer pro Europa, Herr Cap kontra Europa. (Ruf bei der ÖVP: Zickzack!) Sie wenden sich gegen die Skepsis gegenüber Europa – und Herr Cap schürt die Skepsis. Das kann man so halten, auch wenn man früher eine pro-europäische Partei war. Sie sind das aber nicht mehr. (Abg. Mag. Mol­terer: Lang, lang ist es her!) Die Sozialdemokratie Österreichs ist mittlerweile eine europa-skeptische Partei geworden, und Herr Cap hat hier heute das beste Beispiel dafür geliefert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Europas Priorität – und da stimme ich mit Dr. Gusenbauer überein – muss in den nächsten Monaten und Jahren sein: Wachstum und Beschäftigung. Das steht auch im Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission, im Übrigen für das gesamte Jahr 2006, Herr Dr. Gusenbauer.

An der Spitze stehen Wachstum und Jobs, darum geht es; das ist klar bei über 19 Milli­onen Arbeitslosen. – Ich habe an der Zahl des Herrn Verzetnitsch am Sonntag im ORF nicht verstanden, wie er zu 32 Millionen kommt, 19 Millionen sind schlimm genug. – Die Relevanz von Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum, Jobs ist mittlerweile auch unter europäischen Arbeitnehmern und Arbeitsgebern unumstritten. Daran muss gearbeitet werden.

Dass man gegen einen Steuerwettlauf sein kann, diese Position sei anerkannt. Ich bin jedoch anderer Meinung: Ich halte etwas von Steuerwettbewerb. Ich möchte Ihnen ein Beispiel zitieren, warum es für Österreich ganz gut ist, dass wir in diesen Steuerwettbe­werb konstruktiv und verantwortungsvoll eingegangen sind.

Herr Abgeordneter Eder, das Ihnen nicht ganz unbekannte Unternehmen OMV ist en­gagiert bei Borealis, und zwar jetzt zu wesentlichen Teilen. Borealis, Europas sechst­größter Kunststoffkonzern, hat sich nach Aussagen des Managements dazu entschlos­sen, sein Headquarter in Europa nicht in Skandinavien, nicht in London, sondern (Abg. Eder: In Wien!) in Wien zu etablieren (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen), und zwar auf Grund der Standort- und auf Grund, Herr Dr. Gusenbauer und Herr Dr. Cap, der Steuervorteile, die Österreich bietet. – Also, manchmal ist der Steuerwettbewerb für Jobs und Standort doch ganz gut, auch für die Arbeitsplätze, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich bin in manchem sehr für skandinavische Politik und komme gleich darauf zu spre­chen. Bundeskanzler Schüssel hat ja auch gesagt – André Sapir, vier europäische Sozialmodelle –: Wir fühlen uns dem skandinavischen Modell näher als dem zentral­europäischen.

Nur wenn Sie, Herr Gusenbauer, sagen, in Sachen Arbeitsmarktpolitik und in Sachen Jobs sollten wir uns an den Skandinaviern orientieren, kann ich das, was Sie sagen, nicht ganz nachvollziehen: Die Finnen haben eine Arbeitslosenrate von 8,1 Prozent, die Schweden von 6,3 Prozent – wir von 5,2 Prozent. In Sachen Jugendarbeitslosig­keit: Die Finnen liegen bei 19,3 Prozent, die Schweden bei 16,6 Prozent – wir bei 10,4 Prozent. – Wieso wir uns da an Skandinavien orientieren sollten – an Finnland und Schweden –, müssen Sie Österreichs Arbeitnehmern und Bürgern erst einmal er­klären, Herr Dr. Gusenbauer! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Hingegen in Sachen sozialer Sicherheit, in Sachen Investitionen, Forschung und Ent­wicklung, meine ich, können und sollten wir nach Dänemark, Schweden und Finnland schauen, auch was Flexibilität des Arbeitsmarktes anlangt. Ich meine ja, dass, wer von Europas und Österreichs Arbeitnehmern Weltklasse in Sachen Flexibilität verlangt, ihnen auch Weltklasse in Sachen sozialer Sicherheit bieten muss. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) – Im Großen und Ganzen tun wir das, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Frau Abgeordnete Silhavy, Sie wissen das genauso wie ich das weiß, und deswegen wollen wir beispielsweise in unserer Präsidentschaft gemeinsam mit der Kommission das Konzept der Flexicurity – durch Sicherheit mehr Flexibilität im Arbeitsleben – breit diskutieren. Das scheint mir ein ganz wesentlicher Punkt zu sein, um endlich einmal davon wegzukommen, dass man soziale Sicherheit, soziale Errungenschaften immer abtauscht gegen Wirtschaftskraft und Wirtschaftswachstum.

Ich bin der Auffassung, dass das Maß und diese Struktur und soziale Sicherheit, die wir in Österreich erarbeitet haben, geradezu die Basis für die Wettbewerbsfähigkeit unsere Arbeitswelt, unserer Unternehmungen sind, die sich gerade im Export so glän­zend schlagen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Es ist ganz richtig gesagt worden: Der Lissabon-Prozess ist etwas Unverständliches, eines von vielen Schlagwörtern. – Scheibner hat das gesagt. – Es ist nicht mehr und nicht weniger als der Fahrplan für mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa, was wichtig ist, was die Kommission in ihrem Legislativprogramm normiert und sagt, dass das Jahr 2006 ein entscheidendes Jahr für die Realisierung dieses Plans sein wird.

Warum? – Die ersten fünf Jahre sind nicht gerade gut gelaufen. Jetzt haben die Kom­mission und Europas Staats- und Regierungschefs entschieden, dass auch die Mit­gliedstaaten ihre nationalen Reformpläne einzureichen und zu erarbeiten haben. – Wir haben das getan, wir haben das ja auch im Parlament – zumindest kurz – diskutiert.

Der Frühjahrsgipfel unter Österreichs Präsidentschaft wird letztlich zu entscheiden haben, ob dieser Relaunch, ob dieser neue Lissabon-Prozess von Erfolg gekrönt ist und wir damit eine Chance haben, zu mehr Wachstum und Beschäftigung zu kommen. Notwendig wäre es, weil – ich habe es schon gesagt – es 19 Millionen Arbeitslose gibt.

Herr Professor Sinn, der führende deutsche Ökonom, sagt: Europa ist das Wachstums­schlusslicht der Welt. – So kann und soll es nicht bleiben, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Ein Satz zum Thema Finanzvorschau und Budget: Wir wissen, Budgets sind in Zah­len gegossene Politik, und ohne Budgets geht gar nichts. – Wir können nicht zufrieden sein mit dem, was Blair in Sachen ländlicher Raum vorgeschlagen hat, wir können auch nicht zufrieden sein mit dem, was die Briten in Sachen der Erweiterungsländer vorgeschlagen haben. – Wir sind solidarisch mit unseren Freunden, und zwar nicht nur im Osten, sondern auch im Südosten Europas.

Wir können auch nicht zufrieden sein mit der Veränderung, die unsere Nettozahler-Position erfahren würde, wenngleich ich sage: Was für die Grenzregionen in diesem Vorschlag steht, lasse ich mir durchaus gefallen.

Es ist, wie gesagt, in Zahlen gegossene Politik, und wenn Hubert Gorbach, Liesl Geh­rer und wir alle ganz deutlich sagen: Wir brauchen das 7. Rahmenprogramm für For­schung und Entwicklung als Basis, um die Zukunft für Europas Bürger zu sichern, um mehr Jobs und Wachstum zu schaffen, so braucht dieses 7. Rahmenprogramm auch Geld, es braucht den Finanzrahmen, es braucht das Budget.


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Lissabon ist insgesamt mit Leben zu erfüllen! – Ein ganz wesentlicher Bestandteil ist das 7. Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung; ganz wesentlich sind auch die Realisierung und Umsetzung des Binnenmarktes für Dienstleistungen und Fort­schritte zur Arbeitszeitflexibilisierung. Wir diskutieren das morgen unter britischer Präsi­dentschaft. – Wir werden schauen, ob wir zu einem Ergebnis kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Soziale Sicherheit als Basis für die Wettbe­werbsfähigkeit dieses Europas, mehr Sicherheit, um auch mehr Flexibilität im Arbeitsle­ben zu erreichen, das europäische Lebensmodell: Wie verstehen wir das? Was wollen wir nicht? – Das wussten wir ja schon immer. Was wollen wir eigentlich? – Schön lang­sam kristallisiert sich das heraus.

Ein Schwerpunkt unserer Europapolitik – ich nehme an, Herr Staatssekretär Winkler wird darauf noch eingehen – geht in Richtung Südosteuropa. Das ist ein ganz wichtiger Fokus und hat nicht nur, aber auch etwas mit der Erweiterung zu tun. Österreichs Prä­sidentschaft wird sich mit diesem Teil Europas (Präsident Dr. Khol gibt das Glocken­zeichen), mit diesem wichtigen Teil Europas, Herr Präsident, beschäftigen. – Damit danke ich Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.16


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich habe veranlasst, dass wir diese Europaabzeichen, die dieses Symbol wiedergeben, gleich bekommen. Und ich hoffe, noch während der Europasitzung dieses Emblem verteilen zu können.

Herr Abgeordneter Schieder, Sie sind am Wort. 7 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.16.52

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Ich möchte mich dafür nicht extra bedanken, denn es ist ja eigentlich nur eine Wiedergutmachung. Es wurde näm­lich eine Fraktion bevorzugt und die anderen benachteiligt. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Vizekanzler hat in seinem Bei­trag ... (Bundesminister Dr. Bartenstein überreicht dem Redner das besagte Abzei­chen) – herzlichen Dank! – vorwiegend über die österreichische Präsidentschaft ge­sprochen. Dies mündete dann in den Appell, diese Präsidentschaft gemeinsam, über die Parteigrenzen hinweg zu verstehen. Andere Abgeordnete – von der ÖVP – haben gemeint, die SPÖ sei hiezu nicht bereit.

Vor wenigen Tagen hat die SPÖ-Delegation im Europäischen Parlament ihr Programm „Eine soziale Tagesordnung für Europa“ vorgelegt – und im Übrigen auch dem Herrn Bundeskanzler übergeben –, und darin heißt es ganz eindeutig:

„Soll die Europäische Union wieder einen Weg aus der Krise finden, müssen spätes­tens jetzt die Weichen dafür gestellt werden. Die wirtschaftliche und soziale Situation der europäischen Bürgerinnen und Bürger muss spürbar verbessert werden. Gleiches gilt für die Funktionsweise der Union. Beiden Bereichen – wirtschaftliche und soziale Reform sowie Verfassungsprozess – muss das Hauptaugenmerk des österreichischen Vorsitzes gelten.“

Dann kommen sehr viele konkrete Vorschläge. Und der Schluss – ich zitiere –:

„Sollte österreichische Präsidentschaft hier tatsächlich initiativ werden, wird sie dabei auch die Unterstützung von uns SPÖ-Abgeordneten im Europäischen Parlament haben“, heißt es in diesem Dokument. (Abg. Mag. Molterer: Aber nicht im österreichi­schen Nationalrat!) – Da irren Sie sich, Herr Kollege!

Ich glaube, die Frage zwischen den Fraktionen, was den Vorsitz betrifft, wird nicht sein: Wer ist mit Worten mehr für Europa?, denn das sind ja nur linguistische Spielereien. (Abg. Dr. Spingelegger: Na! Na! Skepsis im Herzen!) Die Frage wird nicht einmal so


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sehr sein, obwohl das auch eine Rolle spielen wird: Wird dieser Vorsitz innenpolitisch in Wahlkampfzeiten genützt oder nicht? Ich denke, die entscheidende Frage wird nicht einmal sein, dass eine Opposition natürlich daran interessiert ist, die Erfolgslatte höher anzusetzen, damit man dann schauen kann, was wirklich alles erreicht wurde und eine Regierung natürlich daran interessiert ist, sie sehr niedrig und unverbindlich anzuset­zen, damit alles, was erreicht wurde, als Erfolg verkauft wird. – Nein, ich denke, die entscheidende Frage wird die sein, die hier angesprochen wird: die soziale Frage.

Die EU-Präsidentschaft Österreichs wird dann einen Erfolg haben, wenn sie in diesen Fragen initiativ wird, und sie wird dazu im Wesentlichen im Gegensatz zu sich selbst als österreichische Regierung stehen, denn als solche macht sie nicht jene Politik, die sie als Präsidentschaft für ganz Europa vertreten müsste. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Das wird die große Bruchlinie im nächsten halben Jahr in Österreich sein! (Abg. Scheibner: Wieso wissen Sie das jetzt schon?) – Weil es sich jetzt schon anzeigt, weil es sich jetzt schon in Details anzeigt. Ein Detail, wie da Kleinigkeiten verwendet wer­den. (Abg. Scheibner: Da sind wir sehr gespannt!) Gut, dass Sie mich erinnern, damit ich allen Zuhörerinnen und Zuhörern und auch Ihnen hiezu ein Beispiel gebe.

Herr Minister Bartenstein sagt – das passt im Übrigen auch nicht zum Legislativpro­gramm –, dass Herr Kollege Verzetnitsch im Fernsehen von 32 Millionen Arbeitslosen gesprochen habe, obwohl es nur 19 Millionen seien, und er fragt ihn, woher er das habe.

Sie wissen ganz genau: Diese Äußerung ist am 24. Oktober vom Kommissionsmitglied Špidla in London gemacht worden. Špidla hat damals von den 19 Millionen Arbeitslo­sen gesprochen und den 13 Millionen Arbeitssuchenden, die dazukommen, die aber formell nicht als Arbeitslose registriert sind. 19 plus 13 ist 32. Und wer war bei genau demselben Gespräch, das Herr Präsident Verzetnitsch gehört hat, noch anwesend? – Herr Minister Bartenstein persönlich! Aber hier fragt er, woher dies Herr Verzetnitsch habe.

Das ist ein kleines Beispiel dafür, wie hier im Ganzen manchmal Politik gemacht wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Aber nun zum Legislativprogramm und zu den Punkten, die mich besonders bewegen und die ich zu behandeln habe. Außenpolitik: Meine Kritik ist, dass sich auch in diesen Punkten die Schwäche der Kommission selbst auch in ihrem Programm zeigt, dass in den außenpolitischen Fragen klare Vorhaben fehlen und Dokumente oft nicht Bezug auf brennende Fragen nehmen.

Ein paar Beispiele. Europäische Nachbarschaftspolitik: Sie wird allgemein erwähnt, da wird nichts finanziell festgelegt, da werden die Kriterien nicht festgelegt, da werden die Länder nicht überprüft, denn sie sind sehr uneinheitlich ausgewählt. Da müsste etwas geschehen. Unter österreichischem Vorsitz wird dies wahrscheinlich nicht gemacht, weil man natürlich während des halben Jahres seiner Vorsitzzeit nicht gegen die Kom­missarin, die aus Österreich stammt, auftreten möchte.

Balkan-Politik: Da gibt es gute Vorschläge für einzelne Bereiche. Ein Konzept für den Balkan selbst, nämlich die Umdrehung der in die falsche Richtung wirkenden EU-In­strumente, um nicht mehr Unterschiede, sondern mehr Ausgleich zu schaffen, ist je­doch nicht enthalten.

China: Es wird kryptisch eine neue EU-China-Politik – da geht es da nicht um die WTO-Frage, die ist daneben – für die nächsten fünf Jahre angekündigt, ohne dass irgendein Detail drinnen stünde.


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Amerika ist hier schon zu Recht von vielen Rednern erwähnt worden. In der Amerika-Frage geht man nicht auf das ein, was in anderen Bereichen durchaus wichtig ist. Es ist nämlich bei allen Beziehungen wichtig, das europäische Modell der Menschen­rechte zu exportieren und darauf zu achten, dass diese in aller Welt eingehalten werden. – Das wird in der Frage der Beziehungen zu den USA jedoch ausgespart. Und meine Befürchtung ist, dass Österreich zwar in diesen Fragen aktiv sein will, aber dass auch eine Mentalreservation bestehen wird, das zu deutlich zu sagen, weil man sich den Besuch von Bush während des österreichischen Vorsitzes nicht vermasseln will.

Das sind, wie ich meine, einige Beispiele dafür, wie schwach das Legislativprogramm ist, wie notwendig auch parlamentarische Debatten sind – und wie notwendig sie jetzt sind (Abg. Mag. Molterer: Wie schwach der Gusenbauer ist!), denn während Ihres Vorsitzes werden Sie sie wahrscheinlich nicht führen wollen, weil Sie Angst haben, dass parlamentarische Debatten über diese einzelnen Bereiche den Gegensatz aufzei­gen könnten, der zwischen österreichischer Haltung, die notwendig wäre, und österrei­chischer Aufgabe während des Vorsitzes besteht. (Beifall bei der SPÖ und den Grü­nen.)

10.24


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fasslabend. Seine Wunschredezeit beträgt 6 Minuten; die gesetzliche Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


10.25.00

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Öster­reich übernimmt den Vorsitz in der Europäischen Union in einer Phase, die wahrlich nicht einfach ist. Nicht nur der Verfassungsvertrag ist in zwei Ländern gescheitert – in Frankreich und in den Niederlanden –, sondern es sind auch die Budgetverhandlungen in Luxemburg gescheitert, und wir stehen jetzt am Ende der britischen Präsidentschaft, die die hochgesteckten Erwartungen vieler enttäuscht hat.

Wir sind daher zweifellos in einer Phase, wo wir auf der einen Seite alles daransetzen müssen, uns mit dem Projekt Europa insgesamt zu beschäftigen, und auf der anderen Seite auch ganz konkrete Maßnahmen setzen müssen, um Europa eben einige Schrit­te weiterzubringen.

Ich halte daher das Motto, das sich unsere Außenministerin gestellt hat, nämlich dass es darum geht, Europa wieder in Schwung zu bringen, wieder Vertrauen aufzubauen, wie es auch Minister Bartenstein gesagt hat, für absolut richtig. Das ist die Grundlage dafür, dass es überhaupt wieder weitergehen kann, dass wir jetzt in einer derart schwierigen Phase, wo eigentlich viele schon den Glauben an die Zukunft des Konti­nents verloren haben, da ansetzen und gezielt neue Maßnahmen treffen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn ich mir anschaue, was sich die österreichische Bundesregierung für diese Phase der Präsidentschaft vorgenommen hat, dann meine ich, dass wir in weiten Bereichen absolut richtig liegen.

Unbestritten ist: Für Österreich haben Wachstum und Beschäftigung absoluten Vor­rang. Wir wollen, dass die Menschen bei uns Arbeit haben, das ist das Allerwichtigste. Daher hat der Herr Bundeskanzler auch diesen Themenkreis, die so genannte Lissa­bon-Strategie, die Strategie für mehr Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand in Europa in den Mittelpunkt seiner Überlegungen gestellt.


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Ich halte das deshalb für wichtig, weil natürlich der Glaube der Menschen, der Bürger erst dann entstehen wird, wenn eben auch tatsächlich Möglichkeiten zur Arbeit, zur Selbstverwirklichung vorhanden sind, wenn man das Gefühl hat, es geht aufwärts.

Ganz im Gegensatz zu den Sozialdemokraten vertrete ich nicht den Standpunkt, dass man von vornherein auf den Wettbewerb in Europa, etwa auch im Steuerbereich, ver­zichten soll, sondern ganz im Gegenteil: Im Zentrum müssen natürlich Forschung, Ent­wicklung und Ausbildung stehen. Das ist unsere Hauptschiene. Aber allein damit wer­den wir nicht erfolgreich sein. Wir stehen auf der einen Seite im Wettbewerb zu den billig produzierenden Ländern in Ostasien und auf der anderen Seite zu einer hoch ent­wickelten Wirtschaft wie der in Amerika.

Wir müssen nach beiden Seiten hin agieren, wenn wir erfolgreich sein wollen. Und wir werden daher alles daransetzen müssen, um auch entsprechende Wirtschaftssysteme zu finden, die für unseren hoch entwickelten Standard passen. Mit Billigmethoden al­leine werden wir nicht erfolgreich sein.

Wir müssen uns auf der anderen Seite auch fragen, wo unser Nachteil etwa gegenüber Amerika liegt, was wir da tun müssen. Ich glaube durchaus auch, dass es richtig ist, etwa in den Bereich Marketing zu investieren, dass es wichtig ist, in die Ansiedlung von internationalen Unternehmen in Europa zu investieren. Absolut richtig ist, dass wir nicht von vornherein sagen, es darf keinen Steuerwettbewerb geben. Seien wir doch froh, wenn Unternehmen, bevor sie sich irgendwo im Nahen Osten oder in Ostasien ansie­deln, vielleicht in die Slowakei oder nach Ungarn gehen und damit auch Möglichkeiten schaffen, dort die Arbeitslosenzahlen zu verringern – und damit auch uns die Möglich­keit geben, zu exportieren und dort wieder etwas mehr zu verkaufen!

Denken wir daran, meine Damen und Herren, dass etwa auch die viel geschmähte Dienstleistungsrichtlinie vom Ansatz her zweifellos ein absolut fehlgeschlagener Ver­such der EU-Kommission war (Abg. Silhavy: Das hat aber Herr Minister Bartenstein immer anders gesehen!), dass es aber insgesamt sicherlich richtig und notwendig ist, auch den Dienstleistungsbereich in Europa zu stärken, dort einen europäischen Markt herbeizuführen, um in diesem Bereich den Binnenmarkt zu stärken.

Europa ist aber mehr als die Wirtschaft. Und ich möchte ganz kurz auch noch den Bereich Sicherheit erwähnen, weil mir das so bedeutend erscheint.

Denken wir nur daran: Es geht nicht nur um die Terrorbekämpfung – da muss man an der Wurzel ansetzen, im Nahen Osten und in anderen Weltgegenden –, es geht nicht nur um die Kriminalitätsbekämpfung – das können wir nur gemeinsam tun, alle euro­päischen Staaten miteinander –, sondern es geht zweifellos auch darum, einfach Si­cherheit für den Menschen überhaupt, Stabilität der Gesellschaft zu schaffen!

Ich werde daher – das möchte ich jetzt bereits ankündigen – im Rahmen der COSAC, auch bei der parlamentarischen Veranstaltung dieses Hauses, wo wir den Vorsitz haben, das Thema des europäischen Sozial- und Gesellschaftsmodells in den Vorder­grund stellen. Wir sind dafür, dass wir darüber diskutieren, wie Europa aussehen soll, wie sich unsere Sozialsysteme weiterentwickeln sollen – und wir werden das entspre­chend offensiv machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren, ich möchte ganz zum Schluss einen Appell an die sozial­demokratischen Kollegen richten. Das, was Einem in den „Salzburger Nachrichten“ geschrieben hat, und das, was ich heute von Gusenbauer und Cap gehört habe, hat mich eigentlich bestürzt gemacht. (Abg. Dr. Cap: Bitte?)

Wenn wir schon am Anfang der Präsidentschaft so agieren und wenn das Ganze auf eine Schlechtmacherpartie hinausläuft, dann danke! – Wir werden nur dann stärker sein, wenn wir es gemeinsam anpacken!


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Zu dieser Gemeinsamkeit fordere ich Sie von der SPÖ auf. Versuchen Sie, zumindest für dieses eine halbe Jahr eine staatstragende Partei zu sein! Die Bürgerinnen und Bürger Österreichs werden es Ihnen danken! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

10.31


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. Wunschredezeit: 5 Minuten, gesetzliche Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


10.31.12

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben hier im österreichischen Nationalrat diese Europatage im Hinblick auf das In-Kraft-Treten der neuen EU-Verfassung eingeführt, weil wir bei der neuen EU-Verfassung mitreden hätten können mit dem Legislativprogramm der Kommission. Das ist allerdings nicht der Fall! Deshalb sind wir Abgeordnete bei solchen Sitzungen gezwungen, grundsätzliche Themen der Europäischen Union anzu­sprechen und sie an die wichtigen Adressaten von uns, nämlich die Mitglieder der Bun­desregierung, zu richten, weil diese die Republik in den entscheidenden Gremien der EU vertreten, nämlich in den Räten.

Meine Damen und Herren, deshalb müssen wir Abgeordnete auch in dieser kurzen Redezeit, die uns zur Verfügung steht, grundsätzliche Themen der europäischen Politik ansprechen können. Für uns Freiheitliche kann ich Ihnen sagen, dass wir der Ansicht sind, dass sich die europäische Politik grundsätzlich ändern muss. (Abg. Mag. Molte­rer: „Kurswechsel“ hat der Gusenbauer gesagt!) Wir brauchen eine Kehrtwende in der europäischen Politik. Und einige Mitglieder der Bundesregierung haben in ihrem Rede­beitrag erklärt, sie werden sich bemühen, die Europäische Union den Menschen näher zu bringen.

Meine Damen und Herren, solange wir die Politik der Europäischen Union den Men­schen „näher bringen“ müssen, sind wir auf dem falschen Weg! Die Europäische Union muss eine gute Politik machen, die von den Menschen der Europäischen Union aner­kannt und respektiert wird. Das ist das Geheimnis für eine europäische Politik! Und weil unsere Republik im nächsten Halbjahr die Präsidentschaft in der Union innehaben wird, ist es auch richtig, dass wir Abgeordnete hier im Nationalrat wichtige Themen, die uns bedeutend erscheinen, ansprechen.

Meine Damen und Herren, die EU-Verfassung ist gescheitert! Wir brauchen uns da kei­nen Illusionen hinzugeben: Eine Verfassung, bei der ein großes Mitgliedsland, wie es die Republik Frankreich ist, nicht mitmacht, wird nicht in Kraft treten! Das heißt in der Verfassungsfrage zurück an den Start und neue Verhandlungen und neue Grundsätze festlegen.

Deshalb ist es wichtig, dass wir auch in der Verfassungsfrage im nächsten Halbjahr als Präsidentschaft aktiv werden und den Menschen der Europäischen Union erklären, dass wir Österreicher gegen eine zentralistische EU-Verfassung auftreten, dass wir nach wie vor dafür sind, dass die Mitgliedsländer die entscheidenden Ebenen in der künftigen Union sein werden. Meine Damen und Herren, das wird ganz entscheidend sein!

Grundsätzlich werden wir auch in der Präsidentschaft die Finanzierungsfrage anspre­chen müssen. Und wir werden dort auch deutliche Worte zu finden haben, denn es kann nicht sein, dass eine Präsidentschaft wie die jetzige, die britische, nur ihre eige­nen Interessen vertritt – einige Vorredner haben es richtig erkannt –, ja eigentlich die europäische Politik hintertreibt und nicht die Absicht hat, wirklich eine gemeinsame


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Ebene zu suchen, um mit den anderen Mitgliedstaaten eine für alle tragbare Lösung zu finden.

Meine Damen und Herren, wir müssen während unserer Präsidentschaft auch in der Erweiterung die Themen auf den Punkt bringen. Und wir müssen auch dort die Bürger­nähe im Auge haben und uns im Klaren darüber sein, dass die Bürger Europas nicht verstehen, wenn von einer schrankenlosen Erweiterung der Europäischen Union ge­sprochen wird. Und niemand versteht, dass die Union Beitrittsverhandlungen mit der Republik Türkei beginnt.

Niemand in der Europäischen Union – außer ein paar Polit-Philosophen, die das argu­mentieren – versteht, dass die Union in dieser verantwortungslosen Weise erweitert werden soll. Was eine Erweiterung anlangt, kann es doch nur heißen: Wir müssen das bisherige arrondierte Gebiet der Europäischen Union festigen und dort versuchen, jenen Rechtsbeständen, die in der Europäischen Union gelten, zum Sieg zu verhelfen.

Ein weiterer Punkt ist der Kampf gegen die Globalisierung. Meine Damen und Herren, das ist ein wesentlicher Punkt in Bezug auf die Glaubwürdigkeit der europäischen Poli­tik! Die Globalisierung bringt viele Nachteile in wichtigen Bereichen, und deshalb ist es wichtig, auf europäischer Ebene wichtige Bereiche, die viele Menschen betreffen, an­zusprechen – und nicht nur kleine exotische Themen, die nur wenige ansprechen.

Ein wichtiges, alle betreffendes Thema ist das Thema Wirtschaft und Arbeitsplatz. Die Europäische Union hat auch in diesen Bereichen Mechanismen anzusetzen, damit der Bürger in Europa erkennt, dass die Union seine Interessen vertritt: eben im Rah­men dieser ganzen schwierigen Verhältnisse, die durch die Globalisierung eintreten.

Meine Damen und Herren, grundsätzlich wird es auch darum gehen, dass wir Europa gegen die Gefahren des modernen Terrorismus abschotten. Wir haben hier jene Me­chanismen einzusetzen, damit die europäischen Völker auch die Möglichkeit haben, ihren Wohlstand zu genießen, damit sie in Sicherheit leben, arbeiten und die Zukunft gestalten können.

Ich kann Ihnen deshalb aus freiheitlicher Sicht und abschließend sagen: Wir sind der Ansicht, dass sich die europäische Politik grundsätzlich ändern muss. Und die österrei­chische Präsidentschaft ist eine Möglichkeit, diese Änderung einzuleiten. Wir treten dafür ein, dass wir weggehen von einer idealisierten, undifferenzierten Europapolitik – hin zu einer Politik mit mehr Hausverstand. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.36


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. Ihre Wunschredezeit beträgt 7 Minuten; die gesetzliche: 10 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


10.36.49

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren auch auf der Galerie und vor den Fernsehschirmen! Das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für das nächste halbe Jahr hat einen sehr ehrgeizigen Titel, der an und für sich durchaus motivierend sein kann. Es heißt: Europas ganzes Potenzial freisetzen.

Das klingt an und für sich nicht schlecht, vor allem wenn man die Punkte hernimmt, die anstehen: die Sicherung von Wohlstand, die Frage von Solidarität sowohl innerhalb der Europäischen Union als auch mit anderen Teilen der Welt, Sicherheit und die Rolle Europas in der Welt, also auch die Frage einer europäischen Friedenspolitik. – Das klingt wunderbar. Das Problem aber ist, dass in den letzten Jahren und vor allem im letzten halben, dreiviertel Jahr auch mit der Verfassungsdebatte diese Begeisterung für


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dieses europäische Projekt, die es auch in Österreich zumindest damals beim Beitritt noch gegeben hat, im vergangenen Jahr den Menschen einfach abhanden gekommen ist. Und das hat Gründe.

Warum ist das geschehen? – Ein Teil der Gründe liegt sehr wohl bei dem, was zum Beispiel die Europäische Kommission vorgibt. Da werden zum Teil falsche Wege gegangen. So ist etwa die Kommission viel zu freundlich, was die Zulassung von gen­technisch veränderten Organismen betrifft, wogegen sehr viele europäische Staaten – in diesem Fall auch Österreich – sind. Oder auch der massive Ausbau der Atomener­gie. Das sind Dinge, die die Europäische Kommission sehr wohl vorschlägt und wo ich verstehen kann, dass viele Menschen sagen, gerade auch in Österreich, nein: Also die in Brüssel, die wollen wir nicht!

Das große Aber ist: Die machen das nicht ganz alleine und die sitzen nicht da irgend­wo in Brüssel oder fernab auf einem anderen Planeten, sondern da sitzen im Europäi­schen Rat die nationalen Regierungen mit drinnen und entscheiden genau diese Din­ge und sind natürlich mit daran schuld und dafür verantwortlich, wenn der EURATOM-Vertrag weiter ausgebaut wird und mehr Geld bekommt und mehr in den Ausbau der Kernenergie gesetzt und nicht in erneuerbare Energien investiert wird.

Darin liegt aber das Problem, dass dann Sie von unserer Bundesregierung von diesen Entscheidungen in Brüssel zurückkommen und sagen: Ach, die in Brüssel sind schuld, wir haben ohnehin gekämpft wie die Löwen – wie oft haben wir das schon gehört –, gekämpft wie die Löwen, aber, leider, wir haben es nicht geschafft!

Das ist einer der Hauptgründe für diese EU-Skepsis, die es in der Europäischen Union, auch in Österreich, gibt und wo es notwendig ist, dass auch die österreichische Präsi­dentschaft sich etwas dazu überlegt und sagt: Wie wollen wir das anders machen? Wie haben wir vor, als nationale Regierung dieser Tendenz, zu sagen, alles, was aus Brüs­sel kommt, ist schlecht, etwas entgegenzusetzen?

Da ist es sehr wohl notwendig – so etwa im Bereich der Begriffe „Solidarität“ und „euro­päisches Sozialmodell“ –, Vorschläge zu machen und diese Bereiche zu thematisieren, den Menschen Antworten auf ihre zunehmenden Existenzsorgen zu geben, gerade in Zeiten der Globalisierung, und sich dafür einzusetzen, dass es eine europäische Sozi­alunion gibt, dass das Steuerdumping – dieses neo-liberale Modell: je weniger Steuern, desto besser – endlich ein Ende hat.

Und was tun Sie? – Sie finden nur, das ist alles in Ordnung!

Herr Minister Bartenstein, konkurrieren, Wettbewerb treiben, das sollen die Unterneh­men, aber nicht die Staaten! Die Staaten sind dazu da, Steuern einzuheben, um für die Menschen soziale Maßnahmen, Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Gesundheit et cetera zu setzen. Wettbewerb ist etwas für die Unternehmen, aber nicht für die Staa­ten! Also kein Steuerdumping (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Barten­stein), sondern eine Initiative der österreichischen Präsidentschaft für Steuerharmoni­sierung auf EU-Ebene! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Minister Bartenstein hat ein sehr bezeichnendes Wort verwendet, das in der letz­ten Zeit von den Regierungsmitgliedern – und auch von Seiten der ÖVP – des Öfteren zu hören ist: Es ginge um das „europäische Lebensmodell“ (Bundesminister Dr. Bar­tenstein: Ja!), oder auch „europäisches Gesellschaftsmodell“ wird manchmal gesagt. – Ich finde es schon sehr interessant, dass nicht mehr die Rede vom europäischen Sozialmodell ist. (Abg. Mag. Molterer: Das gehört zum Lebensmodell dazu!) „Lebens­modell“ – das klingt sehr unverbindlich. (Abg. Mag. Molterer: Das ist mehr!) Das klingt nicht so, als ob man hergehen und sagen möchte (Abg. Scheibner: Da sind auch die Menschenrechte dabei, Frau Kollegin! Da werden Sie ja nicht dagegen sein?): Ja, es


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ist uns wichtig, dass die Kluft zwischen Arm und Reich so niedrig wie möglich bleibt! (Abg. Scheibner: Da sind auch die Frauenrechte dabei!) Ja, es ist uns wichtig, dass Menschen ein existenzsicherndes Einkommen haben und dass es ein soziales Netz gibt, das sie auffängt! (Abg. Scheibner: Da ist auch die Umwelt dabei!)

Lebensmodell“, das klingt mir zu unverbindlich (Abg. Scheibner: Ihnen kann man es überhaupt nicht recht machen!), und ich sehe da eine Gefahr, dass diese neo-liberale Tendenz, die Sie haben, da hineinkommt. (Beifall bei den Grünen.)

Lassen Sie mich noch zum Kapitel Außenpolitik kommen. – Südosteuropa: Initiativen der Bundesregierung sehe ich auch im Weißbuch keine. Da geht es mir so wie dem Kollegen Schieder. Wo ist denn eine Initiative dahin gehend, dass es für die Staaten Südosteuropas einheitliche Fördermittel geben soll – und nicht für die Beitrittskandida­ten Kroatien und wahrscheinlich bald Mazedonien die Pre-Accession Funds, also die Fördermittel vor dem Beitritt – die sehr hoch sind –, und die Länder dazwischen, die bekommen nichts oder fast nichts? – Da geht diese Kluft auf, und diese wäre für ein Friedensprojekt in Südosteuropa fatal!

Ich sehe hier von Ihnen keine Initiative. Diese wäre notwendig, damit nämlich gerade die jungen Leute auch an diese europäische Idee zu glauben beginnen und nicht natio­nalistischen Ideen anheim fallen.

Wissen Sie, was dafür noch notwendig wäre? – Eine österreichische Initiative „Visa-Kontingente“, gerade für junge Leute aus den Ländern Südosteuropas – das würde die politische Verantwortung für den Visa-Skandal nicht aus der Welt schaffen, aber es würde den Menschen dort Möglichkeiten geben; auch eine Initiative der österreichi­schen Präsidentschaft für Visa-Freiheit für die Staaten Ex-Jugoslawiens (Beifall bei den Grünen), denn bis 1990/91 konnten diese Europa bereisen, jetzt nicht mehr.

Zu den Menschenrechten haben schon einige meiner Vorredner – Van der Bellen, Schieder und andere – etwas gesagt. Klar und deutlich erwarte ich mir von der öster­reichischen Präsidentschaft und vom Herrn Bundeskanzler heute in Washington – letzte Woche hätte ich mir das in Moskau erwartet –, den Mut zu haben, Menschen­rechtsverletzungen anzuprangern (Abg. Neugebauer: Das hat er doch gemacht!), zu sagen, was Russland betrifft (Abg. Neugebauer: Das war ein Thema!): Kein Maulkorb für die Zivilgesellschaft! Kein Weg in Richtung Diktatur! Der Tschetschenien-Konflikt gehört nicht angeheizt, sondern gelöst! (Abg. Mag. Molterer: Waren Sie dabei?)

Ich erwarte mir da nicht nur im Vier-Augen-Gespräch, sondern auch in der Öffentlich­keit klare Worte. (Abg. Mag. Molterer: Das darf nicht wahr sein!) Nur so macht Öster­reich glaubhaft, dass uns diese Menschenrechte wichtig sind und dass auch Außen- und Außenwirtschaftspolitik Menschenrechte zu einem zentralen Anliegen haben muss. (Abg. Mag. Molterer: ... wird zittern vor Ihnen, Frau Lunacek! – Das darf nicht wahr sein!) Erst dann wird die EU wieder glaubwürdig, und erst dann gibt es eine glaubwürdige österreichische EU-Präsidentschaft. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Bundesminister Dr. Bartenstein: ... die deutschen Panzer verkaufen!)

10.44


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Staatssekretär Dr. Winkler. Auch seine Redezeit beträgt 10 Minuten. – Herr Staatssekretär, Sie sind am Wort.

 


10.44.32

Staatssekretär im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten Dr. Hans Winkler: Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Diese EU-Kommission hat sich, so wie jede andere Kommission vor ihr auch, bei ihrem Amtsantritt strategische Ziele gesetzt, und diese


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Ziele – Wohlstand, Solidarität, Sicherheit, Europa als verlässlicher Partner in der Welt – sind, wie das auch im konkreten Programm für das Jahr 2006 zum Ausdruck kommt, nach wie vor die gültigen Ziele, die die Kommission genauso wie der Rat und auch das Europäische Parlament zu bewältigen haben werden.

Es besteht kein Zweifel daran – das ist in der Debatte hier auch mehrfach gesagt wor­den –, dass das Jahr 2005, das bald zu Ende ist, für die Europäische Union in vieler Hinsicht kein gutes Jahr war. Allerdings wollen wir auch nicht das Kind mit dem Bade ausgießen und vergessen, dass es doch auch einige wichtige Fortschritte, gute Ent­scheidungen gegeben hat. Ich erwähne hier nur zum Beispiel den Beschluss, die Hilfe für die Bekämpfung der Armut in der Welt zu verdoppeln. Die Europäische Union hat sich gerade in diesem Jahr auch doch dieser Verantwortung, die, glaube ich, sehr wichtig ist, gestellt.

Aber in der Tat, es hat mit den zwei negativen Referenden in Frankreich und in den Niederlanden und auch mit dem Rückgang des Vertrauens, das die europäische Bevöl­kerung insgesamt in die Europäische Union hat, zweifellos Rückschläge gegeben. Und es ist in der Tat auch notwendig, dass wir, um dieses verlorene Vertrauen wiederzuge­winnen, echte, realistische, konkrete Strategien entwickeln müssen.

Ich kann hier mit Herrn Abgeordnetem Cap nur übereinstimmen – und es ist auch nicht richtig, wie der Herr Bundeskanzler hier fälschlicherweise zitiert wurde, wonach es an­geblich nur mit einem Erklären getan sei –, ich bin da völlig dieser Meinung und auch der Herr Bundeskanzler ist dieser Meinung, dass es nicht nur darum geht, zu kommu­nizieren, den Bürgern zu erklären, und dann werden sie es schon verstehen, sondern es geht darum, dass die Europäische Union Taten setzt, eine Politik macht, die den Menschen etwas bringt und die den Menschen auch klarmacht, dass es da einen europäischen Mehrwert gibt.

Genau das ist auch die Absicht der österreichischen Präsidentschaft, wie jeder Präsi­dentschaft, hier ganz konkret etwas in einer europäischen Politik für die Menschen zu machen. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen sowie des Abg. Schieder.)

Auch der Präsident der Kommission hat, glaube ich, aus dieser Malaise, die es in Europa gegenüber der Europäischen Union heute gibt, den richtigen Schluss gezogen und gesagt, die Union muss auch wieder verstärkt auf die Menschen zugehen.

Ein Thema, das auch die britische Präsidentschaft nach anfänglichem Zögern wieder zu diskutieren begonnen hat, ist schon auch die Frage, wie wir diskutieren, wie wir mit den Menschen diskutieren, wie wir den Menschen zuhören. Die Frage der unter dem Stichwort „Communicating Europe“ bekannt gewordenen Strategie ist da schon auch etwas, was, glaube ich, für ein Wiedergewinnen dieses verlorenen Vertrauens wichtig ist.

Da ist besonders wichtig – wie in allen Bereichen; ich glaube, das muss man immer wieder auch betonen –, dass es auch darum geht, dass die Bemühungen der Kommis­sion und die Bemühungen des Rates, also der Regierungen, und die Bemühungen des Europäischen Parlaments Hand in Hand gehen. Man muss sich schon immer wieder vor Augen führen, dass es da ganz genaue Kompetenzaufteilungen gibt und dass nur in der Verschränkung dieser Aufgaben, die die einzelnen Organe haben, etwas für Europa getan werden kann.

Da hier gesagt wurde, dass das eine oder andere im Programm der Kommission nicht oder nur spärlich enthalten ist: Man muss natürlich auch daran denken, dass in sehr vielen Bereichen eine Zuständigkeit der Regierungen gegeben ist und dass nur in einem Zusammenwirken mit der Kommission und mit dem Europäischen Parlament weitere Fortschritte erzielt werden können.


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Die Impulse, die für Europa ausgehen müssen, können sicherlich nicht nur von einer einzigen Institution kommen und auch nicht von einem einzigen Staat alleine, sondern nur das Zusammenwirken aller kann konkrete Fortschritte bringen. Kommissar Fischler hat einmal vollkommen zu Recht gesagt, die Union braucht vor allem einen „Plan K“, und dieser „Plan K“ ist der Plan, konkrete Taten zu setzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu den verschiedenen Themen, zu den Überschriften, die die Kommission sich vorgenommen hat: 2006 ist zweifellos für die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit Europas ein entscheidendes Jahr. Es ist hier schon mehrfach die Lissabon-Strategie angesprochen worden, die Umstellung der Lis­sabon-Strategie und die Verantwortung der nationalen Regierungen. Es wird Öster­reich zukommen, beim Gipfel im März die erste Evaluierung dieser nationalen Pläne vorzunehmen und Impulse auch für die Zukunft zu setzen.

Ein Thema, das hier angesprochen wurde und das mir ganz besonders wichtig er­scheint, ist die Frage der Sicherheit. Ich glaube, es besteht in weiten Teilen der Bevöl­kerung, nicht nur der österreichischen, Übereinstimmung darüber, dass das einer jener Bereiche ist, wo wir mehr und nicht weniger Europa, denn mehr Europa heißt mehr Zusammenarbeit und bringt dem einzelnen Bürger durchaus sichtbar etwas, was sein eigenes Sicherheitsbedürfnis betrifft. Die österreichische Präsidentschaft wird da, auch in der Umsetzung des Haager Programms, sicherlich Schwerpunkte setzen.

Es ist hier auch von der Außenpolitik die Rede gewesen, und dabei ist natürlich auch zu bedenken, Herr Abgeordneter Schieder, dass die Hauptverantwortung für die ge­meinsame Außenpolitik bei den Regierungen liegt. Da ist ein Zusammenwirken mit der Kommission wesentlich, und ich kann ganz dezidiert versichern, dass der Umstand, dass die Außenkommissarin eine Österreicherin ist, nicht eine negative, sondern eine sehr positive Auswirkung hat (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen), denn wir arbeiten schon jetzt mit Kommissarin Ferrero und ihrem Büro sehr eng zusammen, und es ist einfach so, dass man mit dem Kommissar, der aus dem eigenen Land kommt, leichter zusammenarbeitet als vielleicht mit anderen.

Da wird es gerade auch in der europäischen Nachbarschaftspolitik, die schon erwähnt wurde, ganz entscheidende Impulse geben. Österreich ist berufen, die Evaluierungen der nationalen Pläne für die Ukraine und für Moldowa vorzunehmen, und gerade diese beiden Länder sind in vieler Hinsicht für Europa besonders wichtig.

Die Europäische Union ist auch und vor allem eine Wertegemeinschaft. Das ist keine hohle Phrase, sondern es steht, wie ich meine, außer Zweifel, dass die Länder der Europäischen Union die Avantgarde des Eintretens für die Menschenrechte und des Schutzes der Menschenrechte in aller Welt sind. Österreich hat eine lange Tradition dieses Sich-Einsetzens für die Menschenrechte und wird diese Vermittlung der Werte, diese Weitergabe der Werte, den Export dieser Werte, den Schutz der Menschenrech­te und der Grundfreiheiten (Abg. Dr. Wittmann: Eine Stellungnahme zur Visa-Affäre wäre auch angebracht!) auch weiterhin fortsetzen und wird dafür eintreten, dass diese Werte gegenüber allen – ich glaube, da kann es keinen Unterschied geben, egal, ob das die Länder Asiens sind, ob das die Länder Lateinamerikas sein werden – immer wieder zum Ausdruck gebracht werden.

Gerade Österreich wird unter seiner Präsidentschaft den großen Amerika-Gipfel in Wien organisieren, und dort werden die Menschenrechte eine ganz wesentliche und zentrale Rolle spielen, aber selbstverständlich auch gegenüber unseren Partnern auf der anderen Seite des Atlantiks, gegenüber den Vereinigten Staaten. Da kann es über­haupt keine Zweifel geben, dass die Europäische Union fest auf dem Boden der Men­schenrechte verankert ist. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der Grünen sowie des Abg. Reheis.)


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Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist bereits die Frage der Subsidiarität er­wähnt worden; der Herr Vizekanzler hat das angesprochen. Das ist in der Tat ein sehr wichtiges Thema. Die Kommission hat – das gehört auch dazu – weitere Fortschritte in diesem Programm zu einer besseren Gesetzgebung angekündigt. Ich glaube, das kön­nen wir nur begrüßen und unterstützen. Da ist auch eine Chance gegeben, die Euro­päische Union den Menschen näher zu bringen.

Die österreichische Präsidentschaft ist zweifellos eine große Herausforderung für alle. (Abg. Dr. Wittmann: Und die Visa-Affäre ...!) Ich glaube, es ist ein großes Anliegen Österreichs insgesamt, dass diese Präsidentschaft in Europa etwas weiterbringt und das Vertrauen der Bürger in die Europäische Union, in das europäische Projekt wieder stärkt. Dazu wollen wir mit Ihnen allen zusammenarbeiten. Dazu wollen wir mit dem nationalen Parlament genauso zusammenarbeiten wie mit dem Europäischen Parla­ment.

Ich glaube überhaupt, dass die Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament nicht nur in den konkreten Legislativprogrammen, die hier in diesem Programm enthal­ten sind – dort ist ja in den meisten Fällen ein Mitentscheidungsverfahren vorgese­hen – wichtig ist, und es wird zu den schwierigen, zeitaufwendigen, komplexen, aber, so glaube ich, lohnenden Aufgaben für die österreichische Präsidentschaft gehören, mit dem Europäischen Parlament eng zusammenzuarbeiten.

Ich darf Sie alle einladen, an dieser österreichischen Präsidentschaft mitzuarbeiten, mitzuwirken. Wir tun das im Interesse für unser Land, und ich glaube, wenn wir am Ende der österreichischen Präsidentschaft etwas weitergebracht haben, dann ist das gut für uns alle. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.54


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. 5 Minu­ten Wunschredezeit; 10 Minuten Restredezeit der Fraktion. – Bitte.

 


10.54.45

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Mitglie­der der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen heute über das Legislativprogramm 2006 – ohne Kenntnisse darüber, wie sich die Finanzvorschau jetzt gestalten wird, ohne Lösung der offenen institutionellen Fragen, sprich Verfas­sung; diese Probleme sind ja schon angesprochen worden. Und tatsächlich, die strate­gischen Ziele, die hier gesetzt werden, klingen sehr gut, aber in Wirklichkeit geht es um die Umsetzung. Es geht darum, dass sie eine Verbindlichkeit haben sollen.

Wohlstand, Umsetzung der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung: Meine Damen und Herren! Sie wissen ganz genau, die Halbzeitbilanz war negativ, des­halb kam es ja auch zu einer Umstellung der ganzen Lissabon-Strategie. Und warum war sie negativ? – Weil einfach die einzelstaatlichen Maßnahmen nicht gegriffen haben beziehungsweise zu wenig waren.

Leider hat auch Österreich, hat diese Bundesregierung mit ihrer Politik dazu beigetra­gen, denn in Österreich haben wir eben unter Ihrer Politik, Herr Minister Bartenstein, unter Bundeskanzler Schüssel eine Rekordarbeitslosigkeit bekommen. Und das ist ge­nau das Entgegengesetzte von dem, was die Lissabon-Strategie will!

Herr Bundesminister Bartenstein, Sie haben heute in Ihrem Redebeitrag auch die Fle­xibilität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angesprochen. Gestern ist in diesem Haus genau das Gegenteil beschlossen worden: Bindungsklauseln für Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer durch Konkurrenzklauseln und durch Ausbildungsrückzahlun­gen. Sie machen nationalstaatlich eine Politik, die genau gegen das, was Sie auf EU-Ebene wollen und hier sagen, spricht.


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Herr Bundesminister, auch bei der Budgetpolitik werden überhaupt keine Wachstums­impulse gesetzt. Wo ist die Inlandsnachfrage durch Ihre Politik angekurbelt worden? (Abg. Mag. Molterer: Das ist jetzt das Legislativprogramm!)

Natürlich ist es das Legislativprogramm, aber die Bundesregierungen haben in den na­tionalen Aktionsplänen vorzulegen, wie sie die Lissabon-Strategie verfolgen und um­setzen wollen. Daher kann man das auch nicht trennen, sehr geehrter Herr Kollege Molterer. Das sollte Ihnen eigentlich bewusst sein, wenn Sie hier sitzen – hoffe ich jedenfalls. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Jawohl, Frau Oberlehrerin! – Abg. Grillitsch: Frau Oberschullehrer!)

Genau um diese nationalen Aktionspläne geht es auch. Auch diese nationalen Akti­onspläne müssten irgendwie messbar sein – denn was haben sie sonst für einen Sinn, wenn wir sie nicht nachvollziehen können und nicht quantifizieren und qualifizieren können, wie sie denn wirklich in Richtung Lissabon-Ziele gehen?

Solidarität ist ebenfalls ein Schwerpunkt des Legislativprogramms 2006. – Herr Bun­desminister! Sie haben gesagt, Sie sind für Steuerwettbewerb, für den Länderwettbe­werb, für die Staatenkonkurrenz. (Bundesminister Dr. Bartenstein: ..., ja!) Ich bin der Meinung, dass das der falsche Weg ist. Lissabon hat ja auch qualitativ bessere Ar­beitsplätze zum Ziel! Steuerdumping aber führt letzten Endes zum Lohndumping und zum Druck gegen diese Arbeitsplatzqualität.

Daher ist Steuerdumping in Wahrheit nicht der richtige Weg! (Bundesminister Dr. Bar­tenstein: „Steuerdumping“?!) – Natürlich ist es das, Herr Bundesminister! Es geht bei der Steuerpolitik – „steuern“ hat mit „lenken“ zu tun – ja auch um die Frage: Will ich als Politik noch gestalten, oder will ich mich zurücklehnen und alles nur mehr dem freien Wettbewerb überlassen? – Das ist jedenfalls nicht unsere Strategie, Herr Minister! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Soziale Gerechtigkeit, Zusammenhalt, Sicherung der Lebensqualität stehen als Schwerpunkte unter dem Titel Solidarität. Pensionskürzungsprogramme werden das Vertrauen der Menschen in die EU und in die Sozialsysteme nicht stärken. Ein dramati­scher Anstieg der Arbeitslosigkeit ist zu verzeichnen, auch bei uns, und auch da haben wir wieder nationale Aktionspläne, nämlich den gegen Armut und soziale Ausgrenzung.

Da haben wir wieder dasselbe Problem: Wir haben wunderschöne Aktionspläne, nicht qualifizierbar, nicht quantifizierbar – und in Wahrheit steigt unter dieser Regierung die Armut in Österreich dramatisch an. (Abg. Scheibner: Das ist eine EU-Debatte! – Sind Sie nicht in der Lage, eine EU-Debatte zu führen? Ist das so schwer?) – Auch wieder genau das Gegenteil von dem, was Sie sagen, und von dem, was Lissabon verfolgt und was in diesem Legislativprogramm steht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck: ... Armut im Geiste ...!)

Wo, meine Damen und Herren, sind denn Ihre konkreten Ansätze? – Drei Regierungs­mitglieder reden hier, und man hört keinen einzigen konkreten Ansatz zur Umsetzung der Ziele dieses Legislativprogramms. Das ist eigentlich ein Wahnsinn!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Arbeitszeitrichtlinie, Dienstleistungsrichtli­nie – alles steht in Diskussion. Herr Bundesminister Bartenstein hat da verteidigt und hat gesagt: Das ist das Richtige! – Herr Bundeskanzler Schüssel sagt: Wenn wir das Herkunftslandprinzip auch in anderen Bereichen hätten, zum Beispiel bei den Hochschulen, dann hätten wir keine Sorgen. – Aber man kann nicht einmal so sagen und einmal anders sagen – genau das ist es aber! (Bundesminister Dr. Bartenstein: Doch, kann man!)

Sie können es, Herr Bundesminister! Genau das ist das Problem, und deswegen ha­ben die Menschen kein Vertrauen in Europa: weil Menschen wie Sie dort die Politik


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mitgestalten und mitbestimmen. Sie haben genauso wenig Vertrauen in diese Politik wie in jene, die Sie hier nationalstaatlich machen.

Es wäre höchste Zeit für eine Wende in dieser Politik, denn diese Politik ist falsch für Österreich und falsch für Europa! (Beifall bei der SPÖ.)

10.59


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Grillitsch. Seine Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

 


11.00.04

Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regie­rungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir heute hier diese Debatte über Europa und über das Legislativprogramm der Kommission füh­ren können, weil uns das die Gelegenheit gibt, Folgendes aufzuzeigen: Was hat uns dieses Europa gebracht? Was hat uns dieser EU-Beitritt gebracht? Wo stehen wir? Welche Herausforderungen gibt es? Wie sind die Positionen der einzelnen Parteien zu diesem Europa und zu diesen Vorschlägen? (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Ich sage Ihnen, Herr Dr. Cap und Herr Dr. Gusenbauer, Sie haben heute wieder Ihr wahres Gesicht gezeigt. Herzlichen Dank dafür. Der ländliche Raum und seine Men­schen, nämlich die Bäuerinnen und die Bauern, und auch die Konsumenten wissen, was Sie vorhaben. Sie wollen in Österreich und in Europa agroindustrielle Strukturen. Sie wollen die bäuerlichen Familienbetriebe vernichten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Diese EU hat uns Frieden und Sicherheit gebracht, und dafür sind wir dankbar. Genau diese Sicherheit, diese umfassende Sicherheit, aber auch die Sicherheit in den Pro­grammen für die ländliche Bevölkerung und auch für die Bäuerinnen und Bauern wol­len wir auch für die Zukunft garantieren, meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kol­legen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, man sollte hier keine doppelbödige Strategie aufbauen. Ich bekenne mich dazu, mehr für Forschung, mehr für Wachstum und mehr für Beschäftigung zu tun. Selbstverständlich! Wir wollen, dass die Menschen Arbeit haben, aber nicht auf Kosten einer Bevölkerungsgruppe, nämlich der Bauern. Das werden wir ganz sicher nicht zu­lassen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir wollen neue Märkte, wir wollen den Einsatz neuer Technologien, meine lieben Kol­leginnen und Kollegen, dazu bekennen wir uns! Wir wollen mehr Wettbewerbsfähigkeit, wir wollen mehr Marktorientierung haben. Dazu bedarf es dieser stabilen Rahmenbe­dingungen.

Bei all dem, was Sie vorschlagen – da befinden Sie sich im sozialistischen Boot Euro­pas mit Tony Blair und dem EU-Handelskommissar Peter Mandelson –, erkennen wir Ihr wahres Gesicht. Herr Gusenbauer und Sie unterstützen das. Wenn jemand vor­schlägt, die Agrarförderungen um 50 Prozent zu kürzen, dann ist das ganz einfach in­akzeptabel, Herr Dr. Cap! Bitte schön, sagen Sie das auch Herrn Dr. Gusenbauer, der zwar lieb und nett ... (Abg. Dr. Gusenbauer steht in den hinteren Reihen der SPÖ.) – Ah, er ist eh da, ich habe ihn gar nicht gesehen! Er ist wiedergekommen. Guten Mor­gen, Herr Dr. Gusenbauer! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Jetzt weiß ich, warum er eine Landpartie macht, und zwar um sein schlechtes Gewis­sen zu beruhigen, um einerseits Tony Blair zuzustimmen, 50 Prozent der Agrargelder zu kürzen und um andererseits den Bauern draußen zu sagen (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Nur den Weinbauern!), wir wollen diese kleinbäuerliche Landwirtschaft. (Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen.)


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Mehrmals haben wir versucht, Ihnen, Herr Dr. Gusenbauer, klarzumachen, was Ihre Vorschläge bedeuten, nämlich die Halbierung der Bergbauernprogramme und die Hal­bierung des Umweltprogramms. Sie treffen damit genau jene Gruppe, der Sie vor Ort weiszumachen versuchen, dass Sie hinter ihr stehen. (Abg. Reheis: Das stimmt alles nicht!) Sie verraten diese kleinbäuerliche Struktur in Europa! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist ja interessant, wenn man nach Landeck oder ins Burgenland kommt und mit den Leuten dort redet, dann sagen sie, eigentlich sehen wir jetzt ganz klar: Der Gusen­bauer hat von den Bauern so viel Ahnung wie die Kuh vom Eierlegen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, das sage nicht ich, sondern das sagen die Leute dort, wo Herr Gusenbauer war. Meine Damen und Herren, er will es nicht einsehen, und ich sage Ihnen ganz klar die Konsequenzen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Sie sind der Vertreter des Bauernsterbens! Grillitsch, der Meineidbauer!) Herr Dr. Gusenbauer, Sie sind der Agroindustrievertreter, wir vertreten die bäuerlichen Strukturen. Sie verraten auch den Anspruch der Konsumenten auf eine sichere Lebensmittelproduktion, damit die Men­schen wissen, wer wie produziert. Sie verraten den Anspruch der Konsumenten auf eine umweltgerechte, tiergerechte Produktion und Sie verraten auch den Anspruch der Bevölkerung, der Gesellschaft auf eine Offenhaltung der Landschaft für einen florieren­den Tourismus in Österreich. (Abg. Dr. Gusenbauer: Sie verraten die Bauern!)

Sie wissen, was das bedeutet. Mit Ihren Vorschlägen und den Vorschlägen Tony Blairs gehen 530 000 Arbeitsplätze in Österreich verloren. Sagen Sie das offen! Heute haben Sie bewiesen, dass Sie das wollen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Was haben Sie gegen die Bauern?)

Und im Doppelpack kommt noch etwas dazu. Jetzt stehen in Hongkong die WTO-Ver­handlungen an. Es kommt auch nicht von ungefähr, dass ein sozialistischer Handels­kommissar von Tony Blair, ein Brite, den Gusenbauer so sehr unterstützt, jetzt bei den WTO-Verhandlungen in Hongkong über das EU-Verhandlungsmandat hinaus ... (Präsi­dentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) – Herr Präsident, ich komme schon zu meinem Schlusssatz. (Heiterkeit.) Entschuldigung, Frau Präsidentin! Ich bitte um Entschuldigung!

Ich komme schon zu meinem Schlusssatz. Herr Dr. Gusenbauer, ich habe eine Bitte an Sie: Sie haben es nicht verstanden; wir haben mehrmals versucht, Ihnen das zu erklären. Bitte lassen Sie die Finger von den Bauern und vom ländlichen Raum! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schopf: Sie sperren die Bauernhöfe zu! – Abg. Heinzl: Schreibtischtäter! – Abg. Dr. Cap: Was haben Sie gegen die Bauern? Das haben sich die Bauern nicht verdient!)

11.05


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner kommt Herr Abgeordneter Mag. Haupt zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


11.05.58

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Herren Staatssekre­täre! Sehr geehrte Damen und Herren! Die heutige EU-Debatte hatte bis jetzt sehr viele innenpolitische, aber sehr wenige europäische Facetten. Wenn ich mir die Reden der Herren Kollegen Gusenbauer und Cap und die nachfolgenden Debatten darüber vergegenwärtige, dann muss ich feststellen, dass das Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher in die Europäische Union daran scheitert, dass auch einfache, bilate­rale Dinge nicht erledigt werden können.


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Ich denke etwa an das Bundesland Burgenland, wo zwölf kleine Grenzübergange auf Wunsch der Ungarn und auf Wunsch der Leute in den Dörfern, in der Wirtschaft und in den Regionen endlich geöffnet werden sollen, um den kleinen Grenzverkehr zwischen Ödenburg und den Nachbargemeinden zu ermöglichen, damit 35 oder 40 Kilometer Umweg zum Friedhofsbesuch oder zum Verwandtenbesuch endlich der Vergangenheit angehören. Es ist nicht die Europäische Union schuld daran, dass das nicht stattfindet, sondern ausschließlich der Landeshauptmann des Burgenlandes, Niessl (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Aha! Was sagt Darabos dazu?), der diese Initiativen bis dato be­schränkt und hier eine neue Grenze im neuen Europa aufrechterhält, die unsinnig ist.

Der kleine Grenzverkehr ist mit Sicherheit nicht jener, über den die Transitströme der illegalen Arbeitnehmer nach Österreich kommen werden, sondern er wäre auch für die Belebung der Europäischen Union im gemeinsamen Nationalpark Neusiedler See ein wichtiges Anliegen, das man doch einmal ernstlich aufgreifen sollte und wo es auch möglich sein müsste, mit den Grenzkontrollen, die es ja immer noch im Burgenland, in Niederösterreich und an der Ostgrenze gibt, den befürchteten Übertritt illegaler Grenz­gänger in den Griff zu bekommen, aber nicht neue Barrieren dort zu errichten, wo end­lich seit 1989 der Eiserne Vorhang gefallen ist.

Auch da könnte man durchaus mit eigener Politik, Herr Kollege Gusenbauer und Herr Kollege Cap, die europäische Identität und das Zusammenleben der Regionen besser fördern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das, was mir Sorgen macht, ist, wenn man den Bericht der Europäischen Union betref­fend Verteilungskampf um das europäische Geld ansieht, der Umstand, dass sehr viele Regionalprogramme, die den Regionen Gestaltungsspielraum geben, heute dem Sparstift zum Opfer fallen.

Da sollte man der sozialdemokratischen Opposition klar sagen, dass die österreichi­sche Bundesregierung in der Troika maßgeblich daran mitgewirkt hat, dass solche Vorhaben im entsprechenden Zukunftsstadium stehen. Diesbezüglich sind die Europäi­sche Union und die österreichische EU-Präsidentschaft 2006 für mich Garant dafür, dass diese sinnvollen Arbeitsprogramme auf regionaler Ebene zur Entwicklung der regionalen Zusammenarbeit, zum Größerwerden des Zusammenhalts über die Gren­zen hinweg nach Vorstellung, nach Wunsch der Bevölkerung jenes Instrument sein werden, welches das Ressentiment gegen Europa zum Abbau bringen wird und das Zusammenwachsen und die Zusammenarbeit in Freundschaft und in kultureller Vielfalt stärken wird und dass nicht die von Brüssel verordneten Programme gegen den Wunsch der Regionen und gegen den Wunsch der Bevölkerung das Mittel der Wahl sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube daher, dass diese Programme durchaus Sinn machen und dass es auch Sinn macht, dass ein kleines Land wie Österreich mit seinem föderalistischen Struktur­system jetzt in der europäischen Präsidentschaft jenen Ländern, die andere Ideen und Vorstellungen – wie Großbritannien, wie Holland, aber auch wie Frankreich – haben, klar entgegensteht. Das ist unsere Chance, das ist unsere Hoffung, das ist unsere Zu­kunft!

Lassen Sie mich auch auf Frau Kollegin Silhavy und ihre Befürchtungen eingehen, die ja decouvrierend damit geendet haben, dass eine Neuwahl in Österreich endlich das Mittel der Wahl für die europäische Regeneration im Solidaritätsbereich und im Arbeits- und Beschäftigungsbereich wäre!

Frau Kollegin Silhavy, wir haben eine zu hohe Arbeitslosigkeit. Das ist im Parlament weder von Seiten der Abgeordneten der Regierungsparteien noch von der Regierungs­bank bestritten worden, aber das, was Sie von Seiten der Sozialdemokratie immer zu


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sagen vergessen, ist, dass wir auch die höchste Beschäftigung in der Zweiten Republik haben. (Abg. Silhavy: ... Lissabon-Ziele!)

Wir haben es aber nicht geschafft, jenen Zuwachs bei unserer Arbeit zu erreichen und jenes Wachstum in die österreichische Wirtschaft zu bringen, das uns eben 3 bis 3,5 Prozent Zuwachs bringt und dann auch arbeitsplatzwirksam wird. (Abg. Dr. Matz­netter: ...! Die Leute haben keine Jobs!)

Wir haben zwar gerade bessere Daten für das nächste Jahr von den Wirtschaftsfor­schungsinstituten bekommen, aber wir alle werden gemeinsam jede Anstrengung unternehmen müssen, um mehr Arbeit und Beschäftigung zu erreichen – und das beim höchsten Beschäftigungsstand und nicht nur bei einem hohen Niveau der Arbeitslosig­keit.

Nicht jede Teilzeitbeschäftigung ist ungewollt, sondern gerade bei der Kompatibilität von Familie und Beruf sind Teilzeitbeschäftigungen ein wichtiger Punkt. Gerade die Arbeiterkammer wäre auch gut beraten, mit ihren Vertretungen im Arbeitsmarktservice mehr darauf zu dringen, dass auch Frauen nach der Karenzzeit bei ihrer Wiederkehr auf den Arbeitsplatz eine fairere und bessere Chance auf besser gestaltete Program­me bekommen.

Da sollten Sie sich an die eigene Adresse wenden, Frau Kollegin Silhavy, und nicht immer die Bundesregierung in die Ziehung nehmen, obwohl Sie genau wissen, dass manche Arbeitsmarktservice-Regionen in Österreich immer noch fest in der Hand von Teilgewerkschaften sind und das männliche Element für die Frauen noch immer ein schwer zu überwindendes ist (Abg. Silhavy: Für die Wirtschaftspolitik ist schon die Re­gierung verantwortlich, oder? Ist der ÖGB dafür verantwortlich?), wenn ich etwa an manche Bezirke denke, wo die Gewerkschaft Bau-Holz immer noch das Sagen hat und die Beschäftigung von Frauen nicht ein großes Anliegen der Bau-Holz-Vertreter ist. Frauen werden da keine fairen Programme zugedacht.

Mit Bügelzertifikaten und Weihnachtstischschmücken werden die Frauen keine Be­schäftigung bekommen, mit einer Umstrukturierung, neuen Arbeiten und neuer Berufs­ausbildung werden sie Arbeit bekommen. Kehren Sie wieder zu den Programmen zurück, die Sie aus meiner Zeit als Frauenminister schon gekannt haben, dann werden Frauen wieder ein besseres Benchmarking bei der Beschäftigung und niedrigere Zah­len bei der Arbeitslosigkeit haben! Ich würde Ihnen das dringend empfehlen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.12


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin kommt Frau Abgeordnete Sburny zu Wort. 5 Minuten Redezeit; Gesamtrestredezeit für die Grünen: 8 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


11.12.19

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Regierungsmitglie­der! Hohes Haus! Ein positiver Effekt der österreichischen Ratspräsidentschaft steht jetzt schon fest, nämlich jener, dass wieder ein bisschen klarer wird, dass die EU nicht in Brüssel ist, sondern dass wir ein Teil der EU sind, und dass unsere Regierung heftig bei jenen Dingen mitentscheidet, die immer in Brüssel – so weit weg – entschieden werden. (Beifall bei den Grünen.)

Das Arbeitsprogramm, das so genannte Legislativprogramm ist tatsächlich sehr um­fangreich. Die Frage, was davon umgesetzt werden kann, wird auch davon abhängen, ob jetzt die Finanzierung unter britischer Ratspräsidentschaft gesichert wird, ansonsten wird dieses Thema die österreichische Ratspräsidentschaft heftig überschatten und es wird sehr wenig von dem passieren, was derzeit in diesem Programm enthalten ist.


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Neben den Sachfragen gibt es aus meiner Sicht aber noch einen wichtigen Punkt für die österreichische Ratspräsidentschaft. Es wird nämlich nach der Ablehnung des Ver­fassungsvertrages in den Niederlanden und in Frankreich auch die Frage sein: Gelingt es, eine Debatte über die positiven Perspektiven der Europäischen Union in Gang zu bringen? Gelingt es, das in Österreich zu einem Thema zu machen und den Leuten hier eine Perspektive zu geben?

Das ist deswegen wichtig, weil diese positive Stimmung für die EU nur dann entsteht, wenn es einigermaßen Sicherheit darüber geben wird, wohin es mit dieser EU geht. Es ist mit Sicherheit so, dass ein Teil der Ablehnung des Verfassungsvertrages in den Niederlanden und in Frankreich auch damit zusammenhing, dass es eben kein Thema war, wo es hingehen soll, was das angestrebte Ende in der Struktur der EU ist, welche politische Form und welche Kompetenzen die EU haben soll. Ich finde es sehr nach­vollziehbar, dass die Leute sagen, bevor wir nicht wissen, wo es hingeht, wollen wir eigene nationalstaatliche Sicherheiten nicht aufgeben.

Diese Debatte wird hier zu führen sein, um das Vertrauen in das politische Projekt Europa entstehen zu lassen, im Hinblick darauf, dass es eben nicht nur eine Wirt­schaftsunion ist und dass die EU die Wirtschaft verbindet, sondern dass es auch sozi­ale Sicherheit in dieser EU geben wird. (Beifall bei den Grünen.)

In den letzten Jahren ging die Schere zwischen Arm und Reich in der gesamten EU, nicht nur in Österreich, immer weiter auseinander. Das ist auch unter anderem diesem EU-internen Wettbewerb zu verdanken, den Herr Minister Bartenstein so gerne hier anpreist, weil dieser EU-interne Wettbewerb nämlich nicht nur positive Effekte hat – die hat er für manche auch –; er lässt auch eine ganze Menge Verliererinnen und Verlierer zurück, sei es bei den kleinen Betrieben oder sei es bei den ArbeitnehmerInnen. Und solange das nicht behoben wird, ist es völlig klar, dass die Menschen nicht mehr Ver­trauen in diese neue Struktur bekommen können.

An einem Beispiel kann man das auch sehr schön sehen, das ist heute schon gefallen, die so genannte Dienstleistungsrichtlinie. Ich finde das deswegen so symptomatisch, weil das wirklich diese Spannung zwischen wirtschaftlichen Fragen und sozialen Fra­gen ganz deutlich zeigt. Wenn Herr Minister Bartenstein, der vehement für diese so genannte Dienstleistungsrichtlinie eintritt, die ja positiverweise ermöglichen soll, dass es grenzüberschreitende Dienstleistungen gibt – das ist sozusagen der positive Teil –, sich aber gleichzeitig vehement dafür einsetzt, dass dieses so genannte Herkunftsland­prinzip eintritt, das heißt, dass nicht das österreichische Recht, sondern das Recht der anderen Länder gilt, also nationales Recht untergraben und außer Kraft gesetzt wird und für kleine Betriebe und auch ArbeitnehmerInnen hier eine Bedrohung entsteht, dann müssen Sie sich nicht wundern, dass es großen Widerstand gegen dieses Pro­jekt der Europäischen Union gibt.

Da ist, wie ich meine, die österreichische Regierung gefordert, sich in einer vernünfti­gen Art und Weise auch für die Wirtschaftspolitik einzusetzen. (Beifall bei den Grünen.)

Ein kleiner Sidestep noch, das gilt im Übrigen auch für Sie, Herr Kollege Grilltisch: Wenn Sie nämlich hier heraußen ein bisschen weniger polemisieren und sich stattdes­sen auf EU-Ebene mehr für Verteilungsgerechtigkeit im Förderbereich einsetzen wür­den (Zwischenruf des Abg. Grillitsch), dann wäre auch den kleinen Bauern und Bäue­rinnen in Österreich mehr geholfen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Grillitsch: Dann ist der Ausverkauf des ländlichen Raums perfekt!)

11.17


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner kommt Herr Abgeordneter Parnigoni zu Wort. Gesamtrestredezeit für die SPÖ: 5 Minuten. – Bitte.

 



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11.17.17

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Kollege Grillitsch, eines möchte ich Ihnen schon sagen, bevor ich mit meiner eigentlichen Rede beginne: Ihre Politik führt dazu – das ist bekannt –, dass sich bäuerliche Betriebe unter zehn Hektar in Wirklichkeit (Abg. Grillitsch: Denen nehmt ihr 50 Prozent weg!) sozu­sagen von der Landschaft verabschieden und die Zahl der Betriebe über 50 Hektar massiv wachsen wird. 4 800 Betriebe haben pro Jahr zugesperrt! Dafür sind Sie mit Ihrer Politik verantwortlich. Das ist die Wahrheit, Herr Grillitsch! (Beifall bei der SPÖ.)

In die Richtung des Herrn Dr. Gusenbauer und der SPÖ: Uns geht es um Gerechtig­keit, uns geht es um die Förderung der Bergbauern, uns geht es um die Förderung der bäuerlichen Arbeitskraft und uns geht es um die Zukunftschance des Bauernstandes und nicht der Agrarindustrie, für die Sie eintreten. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zum Bereich innere Sicherheit des Legislativprogramms der Kommission. Was uns hier vorliegt, dient sicher nicht dazu, das Vertrauen in die Institutionen Europas zu stärken. Dieses Arbeitsprogramm der Kommission zeichnet sich dadurch aus, dass die Politikbereiche mit Überschriften und sehr unpräzisen Ausführungen vorgestellt wer­den. Beim Thema Terrorismus wird etwa von der Kommission lediglich gesagt: bessere Zusammenarbeit, mehr Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten.

Es gibt jedoch keine Äußerung dazu, wie man etwa mit den sensiblen Abwägungs­fragen umgeht, inwieweit Grundrechtseingriffe legitim sind und welche Grundrechte überhaupt berührt werden. Es gilt ganz einfach, eine Balance zwischen der Wahrung der Sicherheit der Bevölkerung auf der einen Seite und der Wahrung des Rechts auf Privatheit, des Rechts auf Datenschutz und anderer Grundrechte auf der anderen Seite herzustellen.

Hohes Haus! Wir haben dieses Thema bei der Tagung der Vorsitzenden der Innen­ausschüsse der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments am 23. und 24. November in London diskutiert. Von österreichischer Seite habe ich dort ein Fünf-Punkte-Programm präsentiert, das sich mit der demokratischen Legitimation von Ter­rorbekämpfungsmaßnahmen beschäftigt.

Folgendes muss uns allen klar sein: Durch das Setzen von Maßnahmen, die schwer­wiegend und nachhaltig in die europäischen Grundrechte und in das Grundwerte­system eingreifen, hätten Terroristen schon ein Ziel erreicht, nämlich das europäische Wertesystem zu zerstören.

Hohes Haus! Ich möchte nun kurz auf dieses Fünf-Punkte-Programm eingehen.

Zum Ersten muss es eine volle Einbindung der Parlamente auf nationaler Ebene und des Europäischen Parlaments in die Erarbeitung und Beschlussfassung von Antiterror­maßnahmen geben.

Zum Zweiten müssen Grundrechtseingriffe in jedem Einzelfall auf ihre Verhältnismä­ßigkeit geprüft werden.

Zum Dritten geht es darum, dass es zu einer ständigen Überprüfung der Wahrung der Grundsätze des Datenschutzes durch unabhängige Datenschutzräte kommt.

Zum Vierten geht es um eine ständige Evaluierung, um die Prüfung, ob Grundrechts­eingriffe noch notwendig sind. Das kann man dadurch erreichen, dass man Maßnah­men zeitlich befristet, dass die Parlamente nach Ablauf der Frist überprüfen, ob diese Maßnahmen noch notwendig sind.

Letztens wird es notwendig sein, dass eine Antiterrorpolitik auch ihre Glaubwürdigkeit und ihre Legitimität sicherstellt, dass es eine aktive und soziale Integrationspolitik in Europa gibt und dass es eine europäische Friedensinitiative gibt, die darauf abzielt, vor


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allem im Nahen Osten und im Mittleren Osten dem Terrorismus den sozialen Nährbo­den zu entziehen.

Als Vorsitzender des Innenausschusses habe ich gemeinsam mit dem Innenministe­rium die Themenliste für das Nachfolgetreffen, das am 10. April des nächsten Jahres in Österreich stattfinden wird, abgestimmt und festgelegt. Die zentralen Fragen werden dabei sein, ob sich die Asylpolitik und die Migrationspolitik einheitlich regeln lassen, ob sich etwa ein gemeinsames Krisen- und Katastrophenmanagement in Europa installie­ren lässt und ob Schengen weiter evaluiert wird.

Das wird ein wichtiges Thema sein! Und da bin ich wirklich sehr entsetzt darüber, dass der Herr Staatssekretär nicht ein Wort zur Frage der Visa-Offensive verloren hat. Das ist in Wirklichkeit skandalös. Die Herumschieberei der Verantwortung für die illegale Ausstellung von Visa zwischen dem Außenministerium und dem Innenministerium ist unerträglich und eines Rechtsstaates unwürdig.

Meine Damen und Herren, es ist davon auszugehen, dass mit diesen Visa Kriminalität in unglaublichem Maße nach Österreich importiert wurde. Es ist doch so, dass am Vor­dereingang der Republik tausende SoldatInnen und PolizistInnen mit scharfer Waffe stehen und die Schengen-Grenze überwachen (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen), aber durch die Hintertür mit rechtswidrig gekauften Visa die Men­schen in unser Land kommen. (Präsidentin Mag. Prammer gibt neuerlich das Glocken­zeichen.)

In der Zeitung „Die Presse“ hat Herr Strasser gesagt: „Ich will dazu gar nichts sagen. Ich will der Frau Kommissarin nicht schaden.“ 

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, bitte um den Schlusssatz!

 


Abgeordneter Rudolf Parnigoni (fortsetzend): Ja, ich komme jetzt dazu. – Was weiß der Herr Dr. Strasser? (Abg. Großruck: Zum Thema!) Was weiß die Frau Ferrero-Waldner? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Was ist das für ein langer Schlusssatz?) Und wieso verweigert die Regierungsmehrheit die Einsetzung eines Untersuchungsaus­schusses dazu, obwohl das in Deutschland durchaus der Fall war? (Das Mikrophon wird ausgeschaltet, aber der Redner sagt noch einen Satz und verlässt dann das Red­nerpult. – Beifall bei der SPÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Parnigoni.)

11.22


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste kommt Frau Abgeordnete Mag. Hakl zu Wort. 5 Minuten Redezeit; Gesamtrestredezeit für die ÖVP: 6 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Dr. Cap: Aber gleich zum Thema Visa! Was ist mit der Visa-Affäre?)

 


11.23.05

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Viel war heute die Rede vom Europäischen Sozialmodell und davon, was eigentlich Europa ist.

Europa ist mehr als ein Sozialmodell und ist viel mehr als ein Wirtschaftsmodell und ist auch noch mehr als nur das größte Friedensprojekt der Weltgeschichte. Europa ist ein Gesellschafts- und Lebensmodell, das sich durch viele einzelne, ganz besondere Ele­mente auszeichnet: durch wirtschaftliche Kraft und sozialen Zusammenhalt und nicht durch das Entweder in Tigerstaaten oder das Oder im nie funktioniert habenden Kom­munismus.

Europa bedeutet ein Gesundheitssystem, das für alle Bürger Medizin auf einem Spit­zenniveau bieten kann. Europa bedeutet, dass in allen Ländern Europas die Würde des Menschen als unantastbar gilt, was auch in den Verfassungen verankert und in all


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unseren Gesetzen auch wirklich sichtbar sein muss. Europa bedeutet, dass es jedem einzelnen Bürger in den Bereichen der Bildung und der persönlichen Entwicklung in­dividuell und unabhängig von seiner Herkunft Chancen bietet. Europa bedeutet, dass Frauen in den meisten europäischen Großstädten um Mitternacht auf die Straße gehen können, ohne Angst haben zu müssen. Europa ist ein Raum der Sicherheit. Es bietet Sicherheit nicht nur vor irgendwelchen äußeren Feinden, sondern auch im Inneren des Landes für uns und für unsere Kinder. (Beifall bei der ÖVP.)

Europa ist von dem geprägt, was hier im Parlament unsere ureigenste Aufgabe ist: von der Fähigkeit und von der Bereitschaft zum Dialog, davon, andere Menschen anhören zu können und einen Konsens zu finden, indem man diesem Konsens einen Dialog voranstellt. Ich glaube, es ist von zentraler Bedeutung, dass wir nicht nur über Sozial­modelle und über Marktwirtschaften reden, sondern im Kern auch über die Fragen: Was ist unser Europa? Welche Werte wollen wir – wir, die wir alle Europa sind – le­ben? Wie bringen wir diese Werte in einem gemeinsamen Europa auch zum Tragen und zum internationalen Erfolg, als der Europa überall auf der Welt gesehen wird?

Wenn also Europa ein besonderes Lebens- und Gesellschaftsmodell ist und dieses Lebens- und Gesellschaftsmodell woanders auf der Welt anders ist, dann ist es für mich auch von zentraler Wichtigkeit, dass möglichst bald die Fragen debattiert werden: Wer gehört zu Europa? Wer will dieses Gesellschafts- und Lebensmodell mitleben, mit­gestalten? Wo sind die gemeinsamen Wurzeln – philosophische, religiöse und auch geschichtliche Wurzeln, teilweise auch aus schmerzlichen Erfahrungen der Vergangen­heit –, die es uns möglich machen, auf einer gemeinsamen Wertebasis aufzubauen und ein Europa zu gestalten, das sich vor nichts und vor niemanden fürchten muss und in dem dieses Lebensmodell als Vorbild und als Modell in der Welt gelebt werden kann?

Es ist also auch von zentraler Bedeutung, dass Europa und alle Institutionen Europas und alle Menschen in Europa sich die Frage nach den Grenzen Europas stellen: Wo beginnt Europa, und wo endet Europa?, und dass dieser Dialog, bei welchem es noch sehr viele unterschiedliche Ansätze gibt, tatsächlich endlich beginnt. Es sind die Fra­gen zu stellen: Welches gemeinsame Lebensmodell ist wer bereit mitzutragen und mit­zugehen? Und: Wer wird darüber entscheiden, wo die Grenzen Europas sind?

Beginnen wir endlich, neben tausend Details den für die Menschen in Europa wesent­lichsten Faktor einmal zu definieren: Wer sind wir? Was wollen wir? Wohin wollen wir gemeinsam und Seite an Seite in Europa gehen?

Dazu gehört auch, dass dann, wenn Österreich einmal in zwölfeinhalb Jahren die Mög­lichkeit hat, dieses unser Europa im Rahmen einer Ratspräsidentschaft maßgeblich mitzugestalten, diese Gestaltung von uns allen hier im Parlament gemeinsam getragen wird. Etwas anderes darf und kann nicht sein – auch wenn sich die Opposition hier im Hohen Haus aus rein parteipolitischen Motiven gegen eine gemeinsame Vorgangs­weise auf einer gemeinsamen Wertebasis stellt, was mir sehr Leid tut.

Ich bin der Ansicht, wir sollten daran arbeiten, dass bis zum Beginn dieser wichtigen Aufgabe Österreichs in unserem Europa auch hier im Parlament ein Konsens über die Vorgangsweise bei der EU-Ratspräsidentschaft gefunden wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

11.28


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster kommt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch zu Wort. Gesamtrestredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 



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131. Sitzung / Seite 43

11.28.35

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Frau Präsident! Herr Vizekanz­ler! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Damen und Herren! Frau Kollegin Hakl, es stimmt sicher, dass es hier gemeinsame Ansätze geben muss und geben soll. Die sind Gott sei Dank in bestimmten Bereichen vorhanden, auch wenn sie hin und wieder von der populistische Diskussion überlagert werden.

Nur: Wir haben auch konkrete Probleme in Europa, die gelöst werden müssen, und dieser Ratsvorsitz Österreichs kann und muss da eine zentrale Rolle spielen. Mein Kollege Scheibner hat es bereits genannt: Wir haben die Diskussion rund um das EU-Budget. Wir haben die Diskussion rund um das Problem mit dem Verfassungsvertrag, das auch noch nicht gelöst ist. Und wir haben Diskussionen über die Frage der EU-Er­weiterung. Die steht auch noch im Raum. Ich denke, dass man da nur mit Weihrauch­schwenken nicht weiterkommen wird. Es wird wichtig sein, konkrete Lösungsansätze zu finden.

Dass sich bei dieser Debatte Herr Dr. Gusenbauer und Herr Grillitsch und Frau Sburny als Agrarier aufgespielt und hier sozusagen Grundsatzdiskussionen über die Landwirt­schaft geführt haben, beweist auch, dass es in vielen Bereichen, die heute hier nicht genannt wurden, Probleme gibt. Das beweist, dass die Agrarpolitik ein wichtiger Be­reich ist. (Abg. Sburny: ... über den Horizont sehen!) – Frau Kollegin Sburny, Sie brau­chen sich gar nicht aufzuregen! (Abg. Sburny: Ich rege mich gar nicht auf!) Sie finden in mir den Agrarpolitiker, der hier wahrscheinlich als einer der wenigen zwischen den Fronten steht, denn sowohl die SPÖ als auch die ÖVP betreiben hier eine Politik, die unglaubwürdig ist. (He-Rufe bei der SPÖ.)

Sie haben jahrzehntelang die Agrarpolitik gemeinsam gestaltet. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni.) – Eigentlich müssten Sie sich, Herr Kollege Parnigoni, an der eigenen Nase nehmen, denn wer hat denn das Fördersystem für die Landwirtschaft eingeführt? Da war, soweit ich weiß, auch die SPÖ mit dabei. Das heißt, da sollten Sie sehr vor­sichtig sein und nicht Wasser predigen und Wein trinken. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Parnigoni.)

Aber nun von den Bauern zurück zu Europa. Da möchte ich kurz drei Hauptthemen be­leuchten. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es freut mich, dass euch die Bauernpolitik so interessiert. Vielleicht sollten wir sie ein­mal auf einer breiteren Basis diskutieren. Ich freue mich sehr darauf. Diese Diskussion brauche ich wirklich nicht zu scheuen, denn ich bin einer, der selbst aktiv als Landwirt tätig ist und der weiß, wo da die Sorgen und Probleme sind. Das kann man von vielen in Ihren Reihen nicht behaupten. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Nun zurück zu den Schwerpunkten innerhalb der EU.

Erstens: das EU-Budget. – In Wirklichkeit ist dieses Budget ein ungeklärter Fall, es steht momentan in Diskussion. Ich muss sagen: Ich war gestern schon einigermaßen überrascht, als in der neuen Ausgabe der Zeitschrift „NEWS“ zu lesen war, dass der Herr Bundeskanzler in der Frage, wo da seine Schwerpunkte liegen, davon spricht, dass alle EU-Mitgliedstaaten 0,4 Prozent des BIP einzahlen sollten.

Nun steht hier, dass das Finanzministerium sagt, dass wir momentan im Durchschnitt 0,21 Prozent einzahlen. Das heißt, das würde eine Verdoppelung der Beiträge Öster­reichs bedeuten. Dazu sage ich: Das ist der falsche Ansatz!

Herbert Scheibner hat es ganz richtig gesagt, als er hier festhielt: Für uns kommt es nicht in Frage, dass diese Beiträge erhöht werden!

Wir werden Beitragserhöhungen nicht zustimmen. Gerade in Zeiten, in denen Briten-Rabatte in Diskussion stehen und die gesamten Agrarförderungen in Diskussion ste-


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hen, muss man klar und deutlich zum Ausdruck bringen, dass für Österreich eine Bei­tragserhöhung nicht in Frage kommt. Das ist ganz wichtig! (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zweitens: die Frage der Verfassung. – Auch in dieser Frage wurde von sehr kompeten­ter Seite diskutiert, wie es damit steht, und festgestellt, dass wir da einen Stillstand haben. Es wurde über eine Nachdenkpause philosophiert.

Meine geschätzten Damen und Herren! Ich glaube, wir alle müssen uns selbst einge­stehen, dass die Europäische Verfassung, wie sie momentan vorliegt, gescheitert ist. Eine Nachdenkpause wird da, meine ich, zu wenig bringen. Ich sehe das ganz klar: Da heißt es: Zurück an den Start! Das Ganze gilt es, neu aufzusetzen.

Es ist vollkommen unverständlich, dass man in dieser Frage über Nachdenkpausen spricht, dass man da sozusagen auf Zeitgewinn setzt. Wir werden dieses Problem mit Zeit nicht lösen können. Das wird uns nicht gelingen. Auch da sind wir gefordert, zu­rück an den Start zu gehen und gemeinsam eine vernünftige Lösung auszuverhandeln.

Drittens: die EU-Erweiterung. – Die Erweiterung der Europäischen Union ist, so scheint es, eine wichtige Sache. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) – Ich komme zum Schlusssatz, Frau Präsident. – Wir sollten uns bei der EU-Erweiterung im­mer vor Augen halten: Nicht nur Österreich muss diese Erweiterung aushalten, auch die gesamte Europäische Union muss es schaffen, diese Erweiterung, wie geplant, auch umzusetzen. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.32


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Dr. Moser. Gesamtrestredezeit: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


11.33.07

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Vize­kanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Europa ist ein Lebensmodell, das Individuum steht im Mittelpunkt – das sagt uns die europäische Kulturgeschichte –, das Leben des Einzelnen ist etwas wert.

Europa ist ein Sicherheitsmodell. Sie alle sagen, der große Vorteil der Europäischen Union ist die Sicherheit.

Ich sage Ihnen: Das größte europäische Sicherheitsproblem – Herr Vizekanzler, Sie werden mir zustimmen – ist die Verkehrssicherheit, und dazu habe ich Ihnen heute ein Bild mitgebracht, auf welchem ein Autowrack zu sehen ist. (Die Rednerin stellt das er­wähnte Bild für alle Abgeordneten sichtbar auf das Rednerpult.) Unfallursache Nummer eins ist überhöhte Geschwindigkeit. Herr Vizekanzler, Sie wissen es ganz genau, in der Unfallstatistik ... (Abg. Rossmann steht an der Regierungsbank und spricht mit Vize­kanzler Gorbach. – Abg. Parnigoni: Herr Vizekanzler, regeln Sie Ihre Regierungsge­schäfte zu Hause! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Rossmann, bitte unterbre­chen Sie Ihre Unterhaltung!

 


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): Unfallursache Nummer eins ist über­höhte Geschwindigkeit. (Abg. Scheibner: Wir haben eine EU-Debatte, Frau Kollegin!) Dahinter steht die Mentalität, dass Tempo, dass Geschwindigkeit etwas Positives ist. Mein Problem ist, Herr Vizekanzler, dass Sie mit Ihrem Vorhaben (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ganz richtig liegen!), Tempo 160 zu testen, eine Mentalität unterstüt­zen, die lebensgefährlich ist. Darum geht es mir! (Beifall bei den Grünen.)


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Mir geht es darum, darauf hinzuweisen, dass Sie mit Ihren Testversuchen (Abg. Scheibner: Das ist der falsche Tagesordnungspunkt!) dem europäischen Sicherheits­modell in verschiedener Hinsicht völlig zuwiderhandeln.

Herr Vizekanzler, darf ich Ihnen die Statistik „Österreich im internationalen Vergleich“ zur Kenntnis bringen. (Die Rednerin zeigt Vizekanzler Gorbach die erwähnte Statis­tik. – Vizekanzler Gorbach: Die kenne ich!) Sie kennen sie glücklicherweise. Dann wissen Sie auch, dass Österreich bei den Verkehrsunfällen leider im Spitzenfeld liegt, weit über dem EU-Durchschnitt, und zwar sowohl, was Unfälle pro 1 000 Einwohner anlangt, als auch, was Verunglückte pro 1 000 Fahrzeuge anlangt. Ich kann es Ihnen auch gerne zitieren. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Wo liegt denn Deutschland?)

Das Problem, das Sie mit Ihrem Testwahnsinn, mit Ihrem Ziel (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist ein gutes Ziel!), die Geschwindigkeit hinaufzusetzen, verursa­chen, liegt nicht nur beim Riskieren von Menschenleben. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sie schüren Ängste!)

Herr Vizekanzler, ich möchte nicht in Ihrer Haut stecken, wenn etwas passiert! (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben es gestern sehr gut dargestellt bekommen: Ihre Teststrecke weist Wildwech­sel auf, auf Ihrer Teststrecke besteht Schleudergefahr. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Was?) – Ja. Gehen Sie einmal dorthin! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ich fahre jeden Tag dort! Ich bin dort zuhause!) Sie hätten sich den letzten „Report“ anschauen sollen! Das ist nämlich gestern im „Report“ zu sehen gewesen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.)

Herr Kollege Scheuch, ich glaube, das schlechte Gewissen spricht aus Ihnen, sonst würden Sie mir nicht ständig dreinreden. Sie können Ihr schlechtes Gewissen gar nicht beruhigen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Bitte, seien Sie jetzt einmal still, denn am Wort bin ich! Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundesminister, Sie machen diesen Versuch aus einem einzigen Grund: weil Sie Wählerstimmen wollen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer (das Glockenzeichen gebend): Frau Abgeord­nete, den Schlusssatz bitte!

 


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): Das ist mein Schlusssatz: Das Über­leben Ihrer Partei ist Ihnen mehr wert als Menschenleben! (Beifall bei den Grünen.)

11.36


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

11.37.00Einlauf

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 751/A und 752/A eingebracht wurden.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für 11.37 Uhr – das ist gleich im An­schluss an diese Sitzung – ein.


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Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen.

Die Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet werden.

Diese Sitzung ist geschlossen.

11.37.20Schluss der Sitzung: 11.37 Uhr

 

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien