Stenographisches Protokoll

 

 

 

 

 

152. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 24. Mai 2006

 


Stenographisches Protokoll

152. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode                       Mittwoch, 24. Mai 2006

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 24. Mai 2006: 9.05 – 13.38 Uhr

*****

EU – Themen gemäß § 74b GOG

1. Punkt: Initiativen für ein soziales Europa!

2. Punkt: Europäische Sicherheitspartnerschaft

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 4

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ....................................................................................................... 4

Verhandlungen

1. Punkt: Initiativen für ein soziales Europa! ................................................................... 4

Redner/Rednerinnen:

Karl Öllinger .............................................................................................................  4, 32

Bundesministerin Ursula Haubner .............................................................................. 7

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................... 10

Fritz Neugebauer .......................................................................................................... 12

Dr. Caspar Einem ......................................................................................................... 14

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................... 17

Michaela Sburny ........................................................................................................... 20

Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................................................ 21

Heidrun Silhavy ............................................................................................................ 23

Maximilian Walch ......................................................................................................... 24

Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 26

Barbara Riener ............................................................................................................. 28

Renate Csörgits ............................................................................................................ 30

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................................... 31

Anna Höllerer ................................................................................................................ 34


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 2

Erwin Spindelberger .................................................................................................... 37

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................... 38

Dr. Richard Leutner ..................................................................................................... 39

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 40

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 41

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Caspar Einem, Kolleginnen und Kollegen betreffend Initiative der Bundesregierung für eine EU-Rahmenrichtlinie zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse – Ablehnung .............................................................................................  16, 42

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Maximilian Walch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dienstleistungen und Daseinsvorsorge – Annahme (E 183)  36, 42

2. Punkt: Europäische Sicherheitspartnerschaft .......................................................... 42

Redner/Rednerinnen:

Dr. Michael Spindelegger ............................................................................................ 42

Bundesministerin Liese Prokop ..........................................................................  45, 71

Günter Kößl .................................................................................................................. 49

Dr. Alfred Gusenbauer ................................................................................................ 51

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 53

Dr. Peter Pilz ................................................................................................................. 56

Walter Murauer ............................................................................................................. 58

Mag. Norbert Darabos ................................................................................................. 60

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................... 61

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................... 63

Erwin Hornek ................................................................................................................ 66

Rudolf Parnigoni .......................................................................................................... 69

Dr. Reinhard Eugen Bösch ......................................................................................... 70

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................... 73

Matthias Ellmauer ........................................................................................................ 77

Dr. Elisabeth Hlavac ..................................................................................................... 79

Markus Fauland ............................................................................................................ 80

Katharina Pfeffer .......................................................................................................... 81

Anton Gaál .................................................................................................................... 82

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Dr. Hele­ne Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen betreffend weitere Maßnahmen zur Förderung der Integration in Österreich – Annahme (E 184)  68, 83

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Flüchtlingstragödien vor den Küsten der EU – Ab­lehnung ......................................  74, 84

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dublin-II-Verordnung der Europäischen Union, die den Mitgliedstaat festlegt, der für die Prüfung eines Asylantrages zuständig ist – Ab­lehnung .................................................................  76, 84

Entschließungsantrag der Abgeordneten Katharina Pfeffer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage der Studie „Perspektiven und Herausforderungen in der Integration muslimischer MitbürgerInnen in Österreich“ an den Nationalrat – Ablehnung ...........................................................  83, 84


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 3

Eingebracht wurden

Antrag der Abgeordneten

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ersatzzeitenanrechnung für Kindererziehung in der Pensionsversicherung für Pflegekinder (833/A)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Finanzierung des BZÖ-Wahlkampfes (4298/J)

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Personenkreis, der den skandalösen Eurofighter-Kaufvertrag kennt (4299/J)

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Eurofighterkaufvertrag (4300/J)

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Eurofighterkaufvertrag (4301/J)



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 4

 


09.00.00Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweite Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Dritter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die 152. Sitzung des Nationalrates ist eröffnet.

Ich begrüße die Damen und Herren im Hohen Haus und die Vertreter der Bundes­regierung.

Ich darf darauf hinweisen, dass es jetzt auch einen Geschäftsordnungskommentar zu den Europatagen gibt, der für alle zur Verfügung steht.

Wir haben jetzt einen Europatag, das heißt, er ist ausschließlich der Erörterung von EU-Themen gewidmet.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Felzmann, Glaser, Bayr, Schieder, Wurm, Bleckmann und Glawischnig-Piesczek.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer wird durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll vertreten.

*****

Die Sitzung wird vom ORF im Zeitraum von 9.05 Uhr, also ab jetzt, bis 13 Uhr live übertragen.

09.05.521. Punkt

Initiativen für ein soziales Europa!

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der erste Themenbereich wurde von der Fraktion der Grünen vorgeschlagen.

Herr Abgeordneter Öllinger ist der erste Redner. Seine Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


9.06.13

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Ich begrüße Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, zu diesem Thema, von dem ich und wir Grünen glauben, dass es ein wichtiges ist. Ich freue mich, dass Sie, Frau Bundesministerin Haubner, vom Herrn Vizekanzler, Noch-Vizekanzler, begleitet werden. Aber eigentlich müssten bei diesem Thema mehr Personen auf der Regierungsbank sitzen. Es fehlt mir der Wirtschafts- und Arbeitsminister, es fehlt mir die Gesundheits- und Frauenministerin,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 5

die für einen ganz großen Bereich des Sozialen zuständig ist, und es fehlt mir natürlich auch Herr Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, denn er war es, der schon vor der Ratspräsidentschaft Worte zu diesem Thema gefunden hat, die auf der einen Seite durchaus richtig sind, die er aber auf der anderen Seite durchaus erklären müsste.

Meine Damen und Herren! Bundeskanzler Schüssel war es, der gesagt hat: Europa soll menschlicher, sozialer und nachhaltiger werden. – Ja, das könnten wir schon unter­schreiben.

Bundeskanzler Schüssel war es aber auch, der gesagt hat: „In einigen Bereichen, etwa im Bereich des Sozialstaats, müssen wir nachjustieren. Da muss es eine gewisse Abschlankung und eine größere Treffsicherheit geben.“ – Das hat Bundeskanzler Schüssel nicht im Jahr 2000 gesagt, also noch vor Beginn der Pensionsreformen und der sonstigen sozialen Abschlankungsreformen, sondern am 20. November 2005.

Herr Bundeskanzler Schüssel, ich frage Sie an dieser Stelle (Ruf bei der ÖVP: Er ist ja nicht da!): Wo wollen Sie den Sozialstaat noch abschlanken? Ist er nicht etwa im Bereich der sozialen Sicherung schon genug abgeschlankt, meine sehr geehrten Da­men und Herren? (Abg. Murauer: Das Gegenteil ist der Fall!) Ist nicht das Problem, das wir hier in Europa, in den verschiedenen europäischen Ländern haben, dass im Sozialbereich, dort, wo es eigentlich notwendig wäre, dort, wo die Schere am deut­lichsten sichtbar auseinander geht, immer mehr Länder – nicht nur Österreich, aber Österreich im Besonderen – dazu übergehen, Einsparungsprogramme vorzunehmen im Interesse eines Standortwettbewerbs, der das angeblich notwendig macht?!

Damit bin ich gleich beim Thema, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wie soll dieses Europa zusammenwachsen, wie sollen die Länder der Europäischen Union, die Regionen der Europäischen Union, die Gemeinden der Europäischen Union zusam­menwachsen, wenn ausgerechnet die Gemeinden, die Regionen und die Länder in einen immer größeren Standortwettbewerb getrieben werden? – Unternehmen sollen konkurrieren, aber nicht Länder, Regionen und Gemeinden! Das würde ich mir von einem sozialen Europa wünschen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Kommen wir gleich zu einem der Themen, bei denen am deutlichsten sichtbar wird, dass die Entwicklung, welche die europäischen Regierungen, auch die österreichische Regierung, zu verantworten haben, in eine falsche Richtung geht: dem Steuerwett­bewerb zwischen den Ländern.

Wenn Österreich, wie das geschehen ist, seine Gewinnsteuern, die Körperschaftsteuer auf 25 Prozent senkt, wenn die Bundesrepublik Deutschland eine nominale Gewinn­steuer von 35 Prozent hat, wenn die Slowakei eine Gewinnsteuer von 19 Prozent hat, unter dem Strich bei den effektiven Steuersätzen aber herauskommt, dass Österreich derzeit bei den Gewinnsteuern effektiv die niedrigsten Steuersätze – nämlich nicht 25 Prozent, sondern 16, 17 Prozent – hat, gemeinsam mit Deutschland, (Zwischenruf des Abg. Rädler), dann stimmt doch etwas nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es kann doch nicht die Zukunft Europas sein, dass wir uns einen Steuer­wett­bewerb nach unten liefern, bei dem herauskommt, dass jenes Land am besten ist, in dem Unternehmen überhaupt keine Gewinnsteuern mehr zahlen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Sie lachen, Herr Fasslabend, offensichtlich ist das auch Ihre Intention. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir wollen, dass Schluss ist mit diesen Ausnahmen, mit diesem Standortwettbewerb (Abg. Dr. Fasslabend: Arbeitsplätze!), der für die Wirtschafts- und Sozialsysteme Europas ruinös ist, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 6

Wir brauchen ein Zusammenwachsen, kein Auseinanderdriften! Wir brauchen nicht den Wettlauf nach unten bis null, sondern wir brauchen ein Zusammenwachsen der Steuersysteme, ein gemeinsames Steuersystem, das allen ... (Abg. Rädler: ... Karl Marx!) – Karl Marx?! Sie sind ein Witzbold! Kommen Sie heraus und sagen Sie das noch einmal laut! Bitte! (Beifall der Abgeordneten Dr. Van der Bellen und Dr. Rada.) Steuern, erklärt uns der Herr Abgeordnete von der ÖVP, sind von Karl Marx erfunden worden. – Sie sind wirklich der Beste. Das gehört prämiert! (Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPÖ.)

Wir wollen Steuern, lieber Herr Abgeordneter, die alle europäischen Länder (Abg. Rädler: Alle gleich!) in einer ähnlichen, vernünftigen Weise und in gleicher Höhe zahlen, Steuern, die auch auf Gewinne eingehoben werden. – Das ist nicht zu viel verlangt, denn es kann nicht die Zukunft Europas sein, werter Kollege von der ÖVP, dass nur noch der Mittelstand und jene mit den niedrigen Einkommen Steuern zahlen, während jene, die sehr hohe Einkommen, sehr hohe Gewinne haben, egal in welchem europäischen Land, von den Steuern befreit sind. (Abg. Rädler: 2,3 Millionen Öster­reicher zahlen keine Steuer!) Andernfalls hat Europa seine Zukunft verspielt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP! Ich hoffe, Sie teilen noch diese Ansicht (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ) – aber angesichts dieser Zwischenrufe bin ich mir etwas unsicher.

Zweiter Punkt: Es gibt nicht nur den Steuerwettbewerb. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Herr Kollege Grillitsch, der nächste Witzbold. Das darf nicht wahr sein! Wenn Sie sich bei einem solch ernsten Thema – und dieses Thema ist ernst! – darin erschöpfen, sich darüber lustig zu machen, dann tut mir das Leid. (Abg. Grillitsch: Kollege, jetzt beherrschen Sie sich ein bisschen!) Da hat ja noch der Herr Bun­deskanzler mehr Ahnung und mehr Respekt vor den Sachen, die die Europäische Union und die wichtigen Themen der Europäischen Union betreffen.

Zweites Thema nach dem Steuerwettbewerb ... (Zwischenruf des Abg. Grillitsch.) – Linkslink, okay.

Das zweite Thema ist das Lohndumping, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein ernstes Problem! Wir haben nämlich ein ernstes Problem, wenn wir zwischen den Ländern der Europäischen Union bei den Mindestlöhnen so enorme Differenzen haben. Die Mindestlöhne betragen in Bulgarien und Rumänien 70 bis 80 € für 40 Stun­den Arbeit, in Luxemburg 1 500 € für 40 oder 38 Stunden Arbeit, und in Österreich haben wir noch immer nicht die 1 000 € erreicht, die Sie im Regierungsprogramm festgeschrieben haben – dafür sind aber nicht die Sozialpartner in erster Linie verant­wortlich, denn Sie haben das ins Regierungsprogramm geschrieben. An der Beseiti­gung dieses Problems muss gearbeitet werden, da vermissen wir jedoch Initiativen von Seiten der österreichischen Präsidentschaft.

Wir wollen, dass Mindestlöhne vom niedrigen Niveau angehoben werden auf einen Durchschnittslohn. Wir wollen, dass auch in den entwickelten Ländern Mindestlöhne angehoben werden. In Österreich gab es, schreibt der „Standard“, im Jahr 2006 in 20 Branchen einen Mindestlohn unter 900 € brutto. (Abg. Rädler: Schreibt das der „Standard“, oder ist es wahr?) 1 000 € Mindestlohn ist für viele ein Fremdwort.

Wo sind diesbezügliche Initiativen der Bundesregierung? (Abg. Scheibner: Wer verhandelt denn die Löhne, Herr Kollege?) Glauben Sie wirklich, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass man etwa als Zeitungszusteller für 40 Stunden Arbeit mit 670 € ausreichend bezahlt ist? (Abg. Scheibner: Sagen Sie das dem ÖGB! Da ist aber wirklich der ÖGB zuständig!) – Zeigen Sie nicht auf andere, Sie haben es im Regie­rungsprogramm, Herr Kollege Scheibner! (Abg. Scheibner: Sie wollen gesetzlich die Kollektivvertragslöhne ...?)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 7

Ihre Regierung hat gesagt: Wir setzen uns für die 1 000 € ein! Sie können nicht die Verantwortung bei jemand anderem deponieren, das ist Ihr Regierungsprogramm. (Abg. Scheibner: Sollen wir die Löhne gesetzlich festlegen?) Und 670 € für 40 Stun­den Arbeit sind eindeutig zu wenig! – Das spielt sich in Österreich ab. Da muss etwas geändert werden! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Da erwarten wir Initiativen von Seiten der Bundesregierung. Es wäre notwendig, da auf europäischer Ebene Perspektiven zu setzen, Initiativen für ein soziales Europa, Initiativen, die helfen, die Armut in Europa zu bekämpfen.

Was müssen wir feststellen? – Die Kommission hat zu den Armutsprogrammen, die auch Österreich angestrebt und unterzeichnet hat beziehungsweise für die die Frau Sozialministerin verantwortlich ist, im Jahr 2006 festgestellt: Nichts ist geschehen! (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Bei der Arbeitslosigkeit ist – detto – auch nichts geschehen!

Wir erwarten uns Initiativen für ein soziales Europa und von Ihnen keine weitere Spirale im Wettbewerb der Länder, der Regionen und der Gemeinden untereinander. Zusammenwachsen soll Europa, nicht auseinander gehen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

9.16


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Abgabe einer einleitenden Stellungnahme hat sich die Frau Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumenten­schutz Haubner zu Wort gemeldet. Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Frau Ministerin, bitte.

 


9.16.55

Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Noch nie wurde während einer Ratsprä­sidentschaft so intensiv über die soziale Dimension Europas diskutiert (Abg. Mag. Wein­zinger: Was?), und noch nie hat man sich so intensiv damit beschäftigt. Ein Grund dafür ist vielleicht auch, dass gerade in Österreich eine Politik der sozialen Verantwortung eine zentrale Aufgabe dieser Regierung ist.

Eine vor kurzem präsentierte Eurobarometer-Umfrage zur Zukunft Europas hat klar zum Ausdruck gebracht, dass die Bürgerinnen und Bürger ein stärkeres soziales Engagement der EU wünschen. Beschäftigung und die Sicherung sozialer Rechte sind vorrangige Anliegen aller Generationen, insbesondere der Jugend.

Sie wissen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass gerade im Bereich der Beschäftigungs- und Sozialpolitik die Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung der Politik zuständig sind. Gerade deshalb, weil dies nationale Aufgaben sind, brauchen wir – bei aller Unterschiedlichkeit der nationalen Modelle – gemeinsame Werte, gemeinsame Ziele und Strategien auf europäischer Ebene, speziell, was den sozialen Zusam­menhalt, die Chancengleichheit beim Zugang zu Bildung und auch zur Alters- und Gesundheitsvorsorge betrifft.

Aus diesen Werten, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ein klarer Auftrag für alle Mitgliedstaaten abzuleiten: die Bekämpfung von Armut, die Förderung der sozialen Eingliederung und vor allem die nachhaltige Sicherung des Zugangs und die nachhaltige Finanzierbarkeit und Qualität des Pensions-, des Gesundheitssystems und der Pflegesysteme. Das sind auch die wesentlichen Schwerpunkte, mit denen sich Europa beschäftigen muss, denen wir gegenüberstehen und wo jedes Land seine Hausaufgaben zu machen hat.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 8

Österreich hat diese Hausaufgaben rechtzeitig begonnen mit der Pensionsreform, mit der Harmonisierung der Pensionssysteme, mit dem System einer nachhaltigen Pflege­vorsorge, mit den Maßnahmen für die Pflege zu Hause. Vor allem nehmen wir in diesem Bereich die soziale Verantwortung ernst und wahr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unter dem österreichischen Ratsvorsitz wur­den wichtige Initiativen gesetzt; lassen Sie mich drei herausgreifen.

Erstens: Es gibt erstmals die sehr klare Botschaft der Sozial- und Beschäftigungs­minister, dass die so genannte neue Partnerschaft von Wachstum und Beschäftigung ohne soziale Sicherheit nicht möglich ist. – Diese ganz klare und konkrete Festlegung der Wechselwirkung von Wachstum, Beschäftigung und Sozialschutz ist auch in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Frühjahr festgeschrieben.

Ebenso ist dort klar festgehalten, dass es zu einer raschen und konkreten Umsetzung des Europäischen Jugendpaktes, in dem erstmals auch quantitative Ziele festge­schrieben wurden, kommen muss.

Zurzeit arbeiten wir in Österreich zusätzlich zu dem, was wir in nationaler Verant­wortung in den letzten Jahren gemacht haben, bereits an der Erstellung eines verbind­lichen nationalen Aktionsplans, der im September 2006 der EU vorgelegt werden muss.

Wir haben in den letzten Jahren neben der Harmonisierung der Pensionssysteme und den Maßnahmen im Pflege- und Gesundheitsbereich vor allem für die Familien und insbesondere im Steuersystem die Weichen gestellt, natürlich aber auch dort, wo es notwendig ist und wo die Regierung handeln kann, nämlich im Bereich der Mindest­sicherung.

Ich weise noch einmal darauf hin, dass wir als eines der wenigen Länder Europas eine Mindestsicherung für Menschen im Alter haben und dass diese Mindestsicherung im heurigen Jahr auf 690 € angehoben wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Jugend kommt eine besondere Schlüs­selrolle zu. Daher war und ist uns während dieser Präsidentschaft die aktive Einbin­dung europäischer Jugendvertreter bei den Jugendministertreffen sehr wichtig, wir erachten sie als sehr notwendig.

Dabei ging es vor allem um drei wesentliche Themen: um Arbeit und Beschäftigung, um Bildung, vor allem auch um den Wert und die Anerkennung der außerschulischen Bildung – in diesem Bereich hat sich Österreich besonders stark eingebracht, und die Anerkennung der Freiwilligenarbeit, der Jugendarbeit wird im nächsten Jugend­minister­rat auch verabschiedet werden. Und es ging vor allem um die Diskussion der Zukunft Europas, denn Jugend braucht Perspektiven und Chancen. Auch diesbe­züglich hat Österreich die Weichen rechtzeitig gestellt. Ich weise nur auf die Beschäfti­gungsoffensive für junge Menschen in Österreich hin. (Abg. Öllinger: Wo? Wo?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wichtig war und ist uns in diesem Zusam­menhang auch die Einbindung aller Akteure, in diesem Fall der jungen Menschen, denn einander zuzuhören und sich aktiv auszutauschen ist auch eine Basis zur Weiter­entwicklung eines sozialen Europas.

Wir werden daher in Zukunft – das ist auch ein Ergebnis der österreichischen Rats­präsidentschaft – einen Dialog auf europäischer Ebene führen. Bevor Jugendminister ihre Entscheidungen treffen, werden eine sehr intensive Diskussion und ein intensiver Dialog mit den Vertretern der europäischen Jugend stattfinden. Zuhören und handeln –


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 9

eine Perspektive, der wir während unseres Ratsvorsitzes eine sehr wichtige Dimension gegeben haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir über Initiativen und soziales Euro­pa sprechen, müssen wir auch über die demographischen Herausforderungen reden und Antworten geben.

Die Zahl der Kinder wird bis 2050 um knapp 20 Prozent abnehmen, und die Zahl der über 65-Jährigen wird in den nächsten Jahrzehnten um rund 44 Prozent steigen. Diese Entwicklung, meine Damen und Herren, beeinflusst unsere Sozialsysteme ebenso wie Wirtschaftswachstum, Arbeitsmarkt und Gesellschaft insgesamt. (Zwischenruf des Abg. Öllinger.)

Österreich hat auch hier wieder vorbildliche Initiativen gesetzt. Neben den wichtigen Rahmenbedingungen haben wir den Wert der Familie auf der europäischen Ebene verstärkt zum Thema gemacht. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Es besteht daher auf europäischer Ebene große Übereinstimmung zwischen den Mitgliedstaaten dahin gehend, dass Investitionen in die Familien auch Investitionen in die soziale Sicherheit sind, dass sich finanzielle Familienleistungen am Wohle des Kindes und am Wohle der Kinder orientieren müssen.

Ich bin sehr froh darüber, dass gerade während unserer Präsidentschaft auch vorge­schlagen wurde, dass es in Zukunft auch auf europäischer Ebene ein Kinderrechts­forum geben soll und auch ein Koordinator für Kinderrechte eingesetzt werden soll, den es bis dato nicht gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Es besteht auch große Übereinstimmung darüber, dass das Dienstleistungsangebot für Familien, um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können, verstärkt werden muss und dass vor allem die Partnerschaft für die Familien – innerhalb der Familie, aber vor allem auch außerhalb der Familie – notwendiger denn je ist und dass es neuer Formen bedarf.

Wir haben in Österreich eine große Demographie-Konferenz gehabt, und hier haben wir die Weichen in die richtige Richtung gestellt, sodass Familie innerhalb Europas lebbar und leistbar sein wird. (Abg. Öllinger: Sollte!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch die vor kurzem vorgelegte Mitteilung der Europäischen Kommission zu den sozialen Dienstleistungen ist von großem Interesse. Ich habe mich als österreichische Ratsvorsitzende immer dafür eingesetzt, dass diese sozialen Dienstleistungen aus der allgemeinen Dienstleistungsrichtlinie heraus­genommen werden. Jetzt liegt ein Vorschlag vor, dass der soziale Wohnbau, die Kinderbetreuung und die Unterstützungsleistungen für Familien herausgenommen werden. (Abg. Öllinger: ... Altenpflege!) Für mich ist noch unklar, was mit Dienst­leistungen an pflegebedürftigen und behinderten Menschen geschieht. Hier müssen wir noch für die notwendige Klarheit sorgen. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die Herausforderungen im Sozialbereich sind groß, und wir können sie nur dann bewältigen, wenn wir im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Europas die einzelnen Modelle weiterentwickeln und mit Leben erfüllen. Dort, wo es notwendig ist, gemeinsam zu handeln, mit ganz konkreten Maßnahmen gegen Armut, Arbeitslosigkeit und Ausgrenzung, ist es notwendig, gemeinsam etwas zu tun. (Abg. Öllinger: Wo?) Dort, wo wir auf nationaler Ebene aktiv sein können, Initiativen setzen können, haben wir in Österreich gut begonnen und werden das auch weiterführen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dann wird es auch möglich sein, der Skepsis vieler Europäerinnen und Europäer, aber auch der Skepsis vieler Österreicherinnen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 10

und Österreicher gegenüber der EU zu begegnen und den Menschen zu zeigen: Wenn Europa ein soziales Gesicht hat, dann hat dieses Europa auch eine gemeinsame Chance. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

In Österreich haben wir gut damit begonnen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

9.27


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich rufe in Erinnerung, dass jedem Klub eine Gesamtredezeit von insgesamt 25 Minu­ten zukommt, wobei kein Redner länger als 10 Minuten reden darf.

In der Debatte dürfen nur Entschließungsanträge gestellt werden.

Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger. Sie hat eine Wunschredezeit von 6 Minuten. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort.

 


9.28.03

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Frau Ministerin Haubner hat gerade mit Ihrer Rede sehr eindrucksvoll demonstriert, woran das soziale Europa krankt: Es gibt schöne Worte, meistens leer. Ich frage nur: Was heißt es, wenn die Frau Minister sagt, man werde „Klarheit schaffen“? (Abg. Scheibner: Sie haben natürlich die Weisheit gepach­tet!)

Herr Klubobmann Scheibner vom BZÖ, hören Sie mir zumindest einmal zu, damit Sie wissen, was ich sage (Abg. Scheibner: Der erste Satz ist schon eine Anschuldigung!), bevor Sie sich darüber aufregen, was der Inhalt sein könnte! (Beifall bei den Grünen.)

Was heißt es zum Beispiel, wenn man im Fall von Pflege und Altenpflege Klarheit schaffen will, ob diese jetzt ausgenommen sind aus der Dienstleistungsrichtlinie oder nicht? Ich hätte mir erwartet, dass die österreichische Präsidentschaft sagt: Unser Ziel ist es eindeutig, sehr rasch den Pflegebereich herauszunehmen und vom Wettbewerb zu verschonen. Das zum Beispiel ist die Frau Ministerin nicht bereit zu tun.

Das sehen wir querdurch, nicht nur bei Frau Ministerin Haubner: Das soziale Europa wird in den Reden beschworen, dann dreht man sich um, geht zum Tagesgeschäft über, und dort gilt wieder: Wirtschaftspolitik im Interesse der großen Unternehmungen sticht die Sozialpolitik allemal. Das ist Ihre Politik, die Politik der Regierung und von ÖVP und BZÖ dazu. (Beifall bei den Grünen.)

Dieser Befund wird übrigens nicht nur von den Grünen gestellt, sondern auch von der EU selbst. Es gibt ein Arbeitsdokument der EU über soziale Integration in Europa, das am 23. März des heurigen Jahres veröffentlicht wurde. Darin heißt es zur Bewertung der nationalen Aktionspläne zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung: Obwohl die Berichte durchaus von Fortschritten in Teilbereichen sprachen, gibt es doch klare Indizien dafür, dass es keine Beweise oder wenig Beweise für konkrete Verbesserungen gibt. – So die Kommission. Das betrifft insbesondere auch Österreich. Das heißt, die Kommission selbst sagt, in den nationalen Aktionsplänen zur Bekämp­fung von Armut gibt es wenig Fortschritte.

Es gibt nur das, was die Frau Ministerin als Botschaft, als Dialog, als Rede bezeichnet. Das hilft aber den vielen Millionen Menschen, die in der EU von Armut betroffen sind, herzlich wenig. Ich fordere Sie auf, endlich konkrete Maßnahmen anzugehen und nicht immer nur schön zu reden! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Lassen Sie mich die dringendsten zwei oder drei Problemfelder ansprechen, die wir dabei zu bewältigen haben. Das erste ist – das hat mein Kollege Karl Öllinger schon


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 11

angesprochen –, wir brauchen soziale Mindestsicherungen und wir brauchen eine Mindestsicherung bei der Erwerbsarbeit, das heißt schlicht und ergreifend, einen Mindestlohn und einen Prozess innerhalb der Europäischen Union, wie wir diese Min­dest­lohnstandards aneinander angleichen.

Das heißt ganz konkret an die Regierung gerichtet: Verwirklichen Sie zumindest in Österreich einmal Ihr eigenes Ziel eines Mindestlohns von 1 000 €, und zwar mit einem gesetzlichen Mindestlohn! Diese Möglichkeit steht Ihnen jederzeit offen. Ergreifen Sie sie! Reden Sie sich nicht immer auf die Sozialpartnerschaft aus! Setzen Sie endlich selber einen Schritt und beschließen Sie einen gesetzlichen Mindestlohn von 1 000 €! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das macht ihr in der nächsten Regierung!)

Herr Abgeordneter Scheuch schlägt vor, das sollen die Grünen in der nächsten Regie­rung machen. – Das werden wir sehr gerne tun, denn Sie werden nicht mehr dabei sein! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Bei Ihnen nicht!)

Der zweite große Bereich ist die Arbeitslosigkeit, die ja für viele Staaten ein drängen­des Problem ist. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Bei so einer Regierung möchte ich nicht dabei sein!) – Sie meinen, ich soll mich um Ihre Arbeitslosigkeit kümmern, Herr Abgeordneter Scheuch? – Das ist nicht meine vorrangige Zielgruppe! Ich beschäftige mich lieber mit jenen Leuten, die unter struktureller Arbeitslosigkeit und vor allem unter Armut leiden. Zu denen zählen Sie sicher nicht. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Neudeck: Sie auch nicht! Jedenfalls haben Sie keine finanzielle Armut!)

Der dritte Problembereich – wir haben unterschiedliche Einkommensniveaus ja schon angesprochen – sind die unterschiedlichen Einkommensniveaus und Sozialsicherungs­niveaus von Männern und Frauen in der EU, wo Österreich leider ein Schlusslicht ist. Bei der Einkommensgerechtigkeit liegt Österreich an ungefähr fünft- oder sechstletzter Stelle, also im Schlussfeld der EU. Geht man nach dem Weltwirtschaftsforum – und das ist ja beileibe keine grünnahe Organisation –, liegt Österreich in puncto Einkom­mensgerechtigkeit überhaupt an letzter Stelle von 102 Staaten. Das heißt aber ganz konkret, dass Frauen auf Grund ihres Einkommens in Österreich weit unter der Armutsgrenze liegen, und das gilt auch für andere Staaten. Die Einkommens­unter­schiede zwischen Männern und Frauen betragen 20 bis 40 Prozent, und das ist durch nichts zu rechtfertigen, sicher nicht durch die geleistete Arbeit. (Zwischenruf des Abg. Großruck.)

Ich fordere da schon auch von unserer Regierung, dass sie während der Präsident­schaft und auch selbst konkrete Schritte setzt, damit für Frauen besser gewährleistet werden kann, dass sie nicht in Armut fallen, und die Einkommensunterschiede abge­tragen werden können. (Beifall bei den Grünen.)

Wo sind da die Initiativen? Das Einzige, was die österreichische Frauenministerin dazu macht, ist eine kleine Fachtagung in Brüssel. Nicht einmal irgendein offizielles EU-Gremium wird einberufen, um sich mit diesem Thema zu befassen. Das hat sie dem Thema „Traditionsbedingte Gewalt gegen Frauen“, wie Zwangsheirat zum Beispiel, vorbehalten. Das feiert man so ab, als wäre das eine österreichische Erfindung, übersieht aber dabei, dass es dazu schon 2004 eine Konferenz gegeben hat und dass vor allem auch dabei wieder eines fehlt – und gerade bei Ihnen von der ÖVP fehlt –, nämlich konkrete Verbesserungen.

Sie prangern wieder etwas an, aber im eigenen Fremdenrecht, im eigenen Strafrecht zum Beispiel gibt es da überhaupt keine Verbesserungen. Und das legt schon den Verdacht nahe – und da schließe ich mich einem ausgezeichneten Kommentar von Sieglinde Rosenberger und Birgit Sauer im „Falter“ dieser Woche an –, dass Sie in Wirklichkeit frauenpolitische Themen und drängende Probleme, die es durch Gewalt


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 12

gegen Frauen, traditionsbedingt und nicht traditionsbedingt, gibt, dafür verwenden, wieder Stimmung gegen Fremde in Österreich zu machen und hier eine fremden­feindliche Konnotation zur Frauenpolitik dazuzusetzen. Dafür sind sich die Frauen in Europa, dafür ist Frauenpolitik viel zu schade.

Ich würde Ihnen dringend empfehlen: Reden Sie nicht immer nur von Sozialpolitik, sondern tun Sie endlich etwas! (Beifall bei den Grünen.)

9.34


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Neugebauer. Seine Wunschredezeit beträgt 8 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


9.34.55

Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Meine sehr geehrten Kolleginnen! Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kollegen! Europa steht auf der Tagesordnung. Die Grünen haben das Thema gewählt. Die europäische Perspektive ist bis dato in zwei Redebeiträgen nicht einmal ansatzweise auch mit einem konstruk­tiven Vorschlag angesprochen worden. Das ist bedauerlich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ. – Abg. Öllinger: Wir warten auf Sie!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe schon mit einer großen Lupe suchen müssen und viele Helfer gebraucht, um festzustellen, wann Ihr Repräsentant im Euro­paparlament, Herr Kollege Voggenhuber, das letzte Mal den Begriff „soziale Dimension“ verwendet hat. – Oktober 2005! Also Ihre Repräsentanz ist verbesserungs­würdig, darf ich einmal vornehm feststellen! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen – BZÖ.)

Ich möchte in gebotener Kürze den Versuch unternehmen, meine Erfahrungen aus den letzten Diskussionen seit Beginn unserer Präsidentschaft, insbesondere auch mit jungen Kolleginnen und Kollegen, zusammenzufassen.

Das Erste könnte ich mit Kokoschka zusammenfassen, der einmal gesagt hat: Die moderne Gesellschaft übersieht, dass die Welt nicht das Eigentum einer einzigen Generation ist. – Es wird sehr bewusst dargestellt, dass frühere Politik so gehandelt hat. Resultat ist eine fahrlässige Anhäufung von Schuldenbergen zu Lasten der Jungen und noch nicht Geborenen. Es wird sehr wohl erkannt, dass diesbezüglich eine Trendwende in der Politik seit 2000 eingetreten ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird zweitens das artikuliert, was Anfang der neunziger Jahre Josef Riegler mit dem damals noch etwas sperrigen Begriff der ökosozialen Marktwirtschaft bezeichnet hat. Aber in Wahrheit ist durchgesickert, dass der innere Zusammenhang zwischen sozialem Frieden, Wettbewerbskraft und ökolo­gischer Stabilität die Überlebensstrategie schlechthin ist, und dafür steht unsere Politik. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

An erster Stelle steht ohne Zweifel in den Diskussionen gerade der Jungen – und das ist kein österreichisches Phänomen – die Sorge um Beschäftigung. Europaweit sind es 20 Millionen, die nicht Jobs, billige Jobs haben wollen, sondern sinnstiftende Arbeit. Österreich hat viel Steuergeld verantwortungsbewusst in die Hand genommen, um Rahmenbedingungen für mehr Beschäftigung zu schaffen. (Abg. Öllinger: Warum steigt dann die Arbeitslosigkeit?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man Ihnen zuhört, dann merkt man, Sie denken ausschließlich an Verteilen. Aber da gibt es vorher noch etwas, nämlich Erwirtschaften, damit man etwas verteilen kann! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 13

Die Frage der Mindeststandards im Sozialbereich, obwohl Soziales nationales Anlie­gen ist, ist etwa in der Arbeitszeitfrage gut gelungen. Über die Dienstleistungsrichtlinie gibt es auch europaweit eine massive Diskussion, da haben sich die europäischen Gewerkschaften zusammengeschlossen. Jetzt müssen wir schauen, dass es da keinen Rückfall in dieser Frage gibt.

Ich erinnere nur an jene Diskussion, die seinerzeit der leider früh verstorbene Alfred Dallinger angeregt hat, nämlich über die Frage der Wertschöpfung, dass wir das, was wir uns an dichtem sozialem Netz geschaffen haben, wahrscheinlich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten (Zwischenruf des Abg. Marizzi), lieber Freund, nicht allein an Löhnen und Gehältern anbinden können, sondern dass wir dieses Finanzkapital und die Gewinne auch für die Sicherung der sozialen Netze schlagend machen müssen. Da müssen wir mit dieser Diskussion beginnen, weil es auch dagegen viele Widerstände gibt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ. – Zwischenrufe des Abg. Dr. Puswald.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Jungen formulieren viertens: mehr Teilhabe und Transparenz; wir wollen dabei sein! Ich sehe keine Politikmüdigkeit der jungen Kolleginnen und Kollegen.

Letztendlich erlebe ich mit einer erfrischenden Offenheit eine Wertediskussion – dies im Gegensatz zu allen, die hier mies machen und alles schlecht reden –, auf die wir stolz sein können in Europa, eine Wertediskussion, die zunächst an der Personalität angesiedelt ist, nämlich die Hinwendung zum Einzelnen. Da fällt mir immer das Wort eines deutschen Kardinals ein, der einmal gesagt hat: Jeder Mensch wird als Original geboren, die meisten sterben als Kopien.

Unsere Politik ist dazu da, die Anliegen und die Anlagen des Einzelnen entsprechend zu verdichten. Diese Personalität ist eine Absage an die Vermassung. Und es ist die Subsidiarität. Erst gestern gab es hier im Reichsratssitzungssaal eine hervorragende Initiative, nämlich die Konferenz der Europaausschüsse, und dort hat man erlebt, wie schwierig es ist, unser Modell der Subsidiarität, der Verantwortlichkeit der kleinen Einheit, in ganz Europa unterzubringen und es als gelebtes Modell zu sehen: Verantwortung der kleinen Einheit gegenüber dem Zentralismus, und letztendlich die Solidarität als ein Miteinander gegen den politischen Egoismus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin zuversichtlich, dass uns das auch gelingen wird, trotz unterschiedlicher Auffassungen, trotz erheblicher Widerstände. Robert Schuman hat bei der Gründung dieser europäischen Einigung ausgeführt: Europa wird nicht an einem Tag entstehen. Aber es wird durch Taten entstehen. An der Arbeit daran – und das ist erfolgreich – hat auch die österreichische Präsidentschaft einen hohen Anteil. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Letztendlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf ich als einer, der in der gewerk­schaftlichen Szene beheimatet ist und für einen guten gewerkschaftlichen Drive auch in der Zukunft sorgen möchte (Abg. Öllinger: Merkt man nicht!), trotz aller Schwie­rigkeiten, die wir in Österreich haben, auch trotz des Umstandes, dass wir in Europa noch nicht wirklich so profund aufgestellt sind, um die Rolle der Sozialpartner auch tatsächlich hundertprozentig zu übernehmen, sagen: Eines ist wichtig. Vergan­gene Woche hat der Chef des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Herr Univ.-Prof. Dr. Aiginger, wieder einmal deutlich gemacht, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen einer funktionierenden Sozialpartnerschaft und der Qualität sozialer Sicherheit gibt. Wir haben daran zu arbeiten, dass diese Sozialpartnerschaft trotz aller Brüchigkeit wieder ordentlich mit Leben erfüllt wird, weil es sich lohnt, auch für die kommenden Generationen dieses Lebensmodell Europa, das wir in Österreich


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 14

als Exportartikel anbieten können, auch zu stärken. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

9.41


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Einem. Seine Wunschredezeit beträgt 9 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


9.42.07

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Frau Bundesministerin! (Abg. Riepl: Der Vizekanzler ist schon weg!) Ich möchte es vielleicht so versuchen, Frau Bundesministerin: Es ist durchaus so, dass wir den Eindruck haben, dass das, was Sie sagen, von Ihrem Willen auch erfasst ist und dass Sie wirklich auch guten Willen haben. Daher denke ich, es ist angemessen, Ihnen auch ein Angebot zu machen, nämlich das Angebot, in konkreten Fragen auf europäischer Ebene, wo es wirklich darum geht, dass das Wohl der Menschen auch in Österreich verfolgt und gesichert wird, zu kooperieren.

Ich will auf andere Fragen jetzt nicht eingehen, weil die Zeit dafür nicht ausreichen würde.

Frau Bundesministerin, Sie haben zu Recht gesagt, in der Dienstleistungsrichtlinie ist es darum gegangen, dafür zu sorgen, dass erstens kein Dumpingwettbewerb in Europa stattfindet. Das ist in einem gewissen Umfang durch den Kompromiss des Europäischen Parlaments gelungen. Und es ist bis jetzt auch noch so einigermaßen gelungen, diesen Parlamentskompromiss im Rat am Leben zu erhalten. Ich denke, dass auch da noch einiges Engagement auch Österreichs als Ratspräsidentschaft not­wendig ist, um zu verhindern, dass das wieder abrutscht.

Sie haben mit Recht gesagt, es wäre wünschenswert, wäre der Bereich der Dienst­leistungen von allgemeinem Interesse aus dem Dienstleistungsrichtlinienbereich ausge­klammert worden, und auch, dass insbesondere sichergestellt wird, dass die Leistungen, die die Menschen im Alltag brauchen, angefangen von Kindergarten­angeboten über ordentliche Schulen, über öffentliche Verkehrsmittel, über eine ent­sprechende Betreuung älterer Menschen bis zu Schwimmbädern oder Kultureinrichtun­gen in den Gemeinden, in einer Weise auch europarechtlich abgesichert werden, dass das, was demokratisch an der Basis entschieden wird, auch rechtlich möglich ist und dass der kleine Gemeindesekretär bei Entscheidungen dieser Art nicht immer Angst haben muss, irgendwann einmal vor dem Europäischen Gerichtshof zu stehen, weil die Maßnahmen der Gemeinden als wettbewerbswidrig eingeschätzt worden sind.

Frau Bundesministerin, wir sind mit Ihnen einig darin, dass es notwendig ist, die sozialen und die Gesundheitsdienstleistungen aus diesem Wettbewerbsbereich auszu­nehmen und dafür zu sorgen, dass sie am Wohl der Menschen und nicht primär am Wohl jener Unternehmen orientiert werden, die gerne noch ein zusätzliches Geschäft machen würden.

Dafür sind wir auch bereit, mit Ihnen gemeinsam in eine Richtung zu gehen, weil es not­wendig ist, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der sicherstellt, dass diese Leistun­gen, die ganz überwiegend in Gemeinden, aber auch darüber hinaus erbracht werden, so abgesichert werden, dass wenigstens dieser Teil hält.

Die Menschen in Österreich und auch in anderen Ländern Europas haben genügend Erfahrungen gemacht, dass diese ausschließliche Wettbewerbsorientierung der Euro­päischen Union und ihrer Politik, die primär auch gegen staatliche Leistungen gerichtet ist, für viele Hundert, ja für viele Tausend dazu geführt hat, dass sie ihre Arbeit verloren haben oder dass die Verhältnisse wesentlich ungemütlicher geworden sind, und zwar


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 15

sowohl für die Konsumenten als auch für die Beschäftigten. Also die vielen Tausenden Post-, Eisenbahn-, Telekombediensteten wissen, wovon ich spreche.

Das, worum es geht, ist, gute Dienstleistungen für die Menschen zu erbringen und sicherzustellen, dass nicht immer nur der Wettbewerb der Nationalstaaten, aber hier auch der Wettbewerb großer Unternehmen in den Vordergrund gestellt wird, sondern das Wohl der Menschen.

Dort reichen wir Ihnen die Hand, und zwar sowohl als Sozialdemokraten als auch ich persönlich als Sozialpartner auf europäischer Ebene, weil wir glauben, dass dies­bezüglich etwas geschehen muss.

Aber, Frau Bundesministerin, da würden wir uns auch konkrete Initiativen der Bundes­regierung in Richtung Schaffung eines europäischen Rahmenrechts für Dienstleistun­gen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, wie die europarechtlich genannt werden, wünschen, wo sichergestellt wird, dass begonnen von der Bildung, der Ge­sund­heit, den Pflegeleistungen, den Rettungsdiensten, aber auch anderen, etwa Wasser, Abwasserversorgung, öffentlicher Verkehr, Postdienstleistungen, Kindergär­ten, Schwimmbäder, Kultureinrichtungen, all diese Dinge, die zum Leben unverzichtbar dazugehören und die auch zum europäischen Wohlfahrtsmodell dazugehören – oder Sie sagen lieber „Lebensmodell“, aber nennen wir es konkret beim Namen –, abge­sichert werden gegen diesen ausschließlichen Vorrang des Wettbewerbsrechts auf europäischer Ebene, der in Wirklichkeit nichts anderes bedeutet, als zu sagen, die Staaten sollen es aufgeben, die Gemeinden sollen es aufgeben, Hauptsache, irgend­welche Unternehmer bekommen ein zusätzliches Geschäft.

Das kann nicht unser Ziel sein, und da erwarte ich mir konkrete Initiativen, auch noch in der Zeit, die Ihnen in der Präsidentschaft verbleibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich erlaube mir daher, im Namen meiner Fraktion einen Entschließungsantrag einzu­bringen, der Sie in dieser Frage auch unterstützt:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Einem und KollegInnen betreffend Initiative der Bundesregierung für eine EU-Rahmenrichtlinie zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse.

„Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht,

sich in der EU mit Nachdruck für ein Übereinkommen der Mitgliedstaaten zur Ab­sicherung der Leistungen der Daseinsvorsorge einzusetzen.“ – Ich denke, da können Sie mit mir übereinstimmen.

„um die Rechtssicherheit bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts im Bereich der Bereitstellung von Dienstleistungen von allgemeinem (wirtschaftlichem) Interesse zu verbessern, die Europäische Kommission zu ersuchen, eine Rahmenrichtlinie zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die erforderlichenfalls auch Sonderbestimmungen für Gesundheitsdienstleistungen und soziale Dienstleistun­gen enthalten könnte, zu erarbeiten.“ – Das könnte eine Initiative sein, die Österreich noch jetzt ergreift.

„die Kommission zu ersuchen, diese Rahmenrichtlinie im Rahmen der Verwirklichung des Konzepts ,better regulation‘“ – wie es europasprachlich so schön heißt – „so zu fassen, dass die darin getroffenen Bestimmungen auch für kleine Gemeinden ohne große Rechtsabteilungen lesbar und EuGH-sicher anwendbar sind.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 16

schließlich bis zum Europäischen Rat im Juni d. J. entsprechende Initiativen zu setzen und dem Nationalrat darüber Bericht zu erstatten.“

*****

Frau Bundesministerin, wir laden Sie, wir laden die Bundesregierung herzlich ein, sich dieser Initiative anzuschließen, wir laden auch Sie alle ein, sich dieser Initiative anzu­schließen. Es geht um konkrete Absicherung eines Modells, das wir in Österreich auf Gemeinde-, auf Länder-, auf Bundesebene verwirklicht haben, und da wollen wir auch, dass das abgesichert wird. Dazu ersuchen wir Sie, zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

9.49


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Herrn Abgeordnetem Dr. Einem verlesene Ent­schließungsantrag der Abgeordneten Dr. Einem und KollegInnen betreffend Initiative der Bundesregierung für eine EU-Rahmenrichtlinie zu Dienstleistungen von allge­meinem wirtschaftlichem Interesse ist hinreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Einem und KollegInnen betreffend Initiative der Bundesregierung für eine EU-Rahmenrichtlinie zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse

eingebracht am 24. 5. 2006 im Zuge der Debatte zum Themenbereich „Initiativen für ein soziales Europa!“

Dienstleistungen von allgemeinem (wirtschaftlichem) Interesse sind eine der Grund­säulen des europäischen Wohlfahrtsmodells. Die Perspektive eines sozialen Europas ist untrennbar mit dem Fortbestand bzw. der Absicherung allgemein und diskriminie­rungsfrei zugänglicher und leistbarer Dienstleistungen von allgemeinem (wirtschaft­lichem) Interesse verbunden. Im Weißbuch der Europäischen Kommission zu Dienst­leistungen von allgemeinem Interesse heißt es dazu: „In der Union sind Dienstleistun­gen von allgemeinem Interesse nach wie vor unerlässlich für die Erhaltung sozialer und territorialer Kohäsion und für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Zu Recht erwarten die Bürger und die Unternehmen, dass sie EU-weit Zugang zu hoch­wertigen Diensten von allgemeinem Interesse zu einem erschwinglichen Preis haben. Für den EU-Bürger stellt dieser Zugang eine essenzielle Komponente der Unions­bürgerschaft dar, die unverzichtbar ist, damit er die ihm zustehenden Grundrechte in vollem Umfang wahrnehmen kann. Für die Unternehmen ist die Verfügbarkeit hoch­wertiger Dienstleistungen von allgemeinem Interesse eine unabdingbare Vorausset­zung für Wettbewerbsfähigkeit. Mit der Bereitstellung allgemein zugänglicher hoch­wertiger Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu erschwinglichen Preisen, soweit diese Dienstleistungen den Bedürfnissen der Verbraucher und Unternehmen gerecht werden, wird mithin ein wichtiger Beitrag zur Verwirklichung des strategischen Ziels der Union geleistet, sie  ‚zum wettbewerbsfähigsten, dynamischsten wissens­basierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen – einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen’“.

Um die Bedeutung hochwertiger, allgemein zugänglicher und leistbarer Dienst­leistungen für die EU und ihre BürgerInnen anzuerkennen, sollten die Mitgliedstaaten der EU eine politische Übereinkunft zur Absicherung der Leistungen der Daseins-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 17

vorsorge schließen und die Europäische Kommission ersuchen, eine entsprechende Rahmenrichtlinie zu erarbeiten. Dabei soll sowohl die Zuständigkeit der demokratisch legitimierten Einrichtungen der Mitgliedstaaten auf nationaler, regionaler oder kom­munaler Ebene zur Definition, Organisation, Bereitstellung und allenfalls auch Finan­zierung dieser Dienstleistungen vorgesehen als auch eine klare Abgrenzung dieser Dienste gegenüber dem Primat des Wettbewerbsrechts sichergestellt werden. Bereiche wie Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung, öffentlicher Transport, Wasserver­sorgung etc. sollten jedenfalls nicht den üblichen Marktmechanismen unterliegen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht,

sich in der EU mit Nachdruck für ein Übereinkommen der Mitgliedstaaten zur Ab­sicherung der Leistungen der Daseinsvorsorge einzusetzen.

um die Rechtssicherheit bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts im Bereich der Bereitstellung von Dienstleistungen von allgemeinem (wirtschaftlichem) Interesse zu verbessern, die Europäische Kommission zu ersuchen, eine Rahmenrichtlinie zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die erforderlichenfalls auch Sonderbestimmungen für Gesundheitsdienstleistungen und soziale Dienstleistun­gen enthalten könnte, zu erarbeiten.

die Kommission zu ersuchen, diese Rahmenrichtlinie im Rahmen der Verwirklichung des Konzepts „better regulation“ so zu fassen, dass die darin getroffenen Bestim­mungen auch für kleine Gemeinden ohne große Rechtsabteilungen lesbar und EuGH-sicher anwendbar sind.

schließlich bis zum Europäischen Rat im Juni d. J. entsprechende Initiativen zu setzen und dem Nationalrat darüber Bericht zu erstatten.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Ihre Wunschredezeit beträgt 10 Minuten. – Sie sind am Wort, Frau Kollegin.

 


9.49.49

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche - BZÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Vor allem Herr Abgeordneter Öllinger: Jedes Land ist selbst einmal gefordert, den Wohlstand für alle herzustellen, das soziale System abzusichern und zu erhalten, den Fortschritt zu fördern und Arbeitsplätze zu sichern. Das ist eine harte Arbeit, die einem Land niemand abnehmen kann, und auch Österreich hat sich dieser harten Arbeit unterzogen. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ. – Abg. Öllinger: Nein!) – Ich werde es Ihnen dann schon erklären!

Herr Abgeordneter Öllinger, was Sie fordern, ist in Wirklichkeit nichts anderes als die Wiederbelebung der Planwirtschaft: Gleiche Löhne in ganz Europa; eine Zentrale in Brüssel soll sagen, wie viel jeder verdienen darf, wie hoch der Steuersatz sein darf, und so weiter und so fort. – Und das wollen wir doch eigentlich nicht. Wir haben ja erlebt, welchen Niedergang die Planwirtschaft erfahren hat. (Beifall bei den Frei­heitlichen – BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 18

Herr Abgeordneter Einem, was die Dienstleistungsrichtlinie anlangt, so ist ja ohnehin alles, was in den Sozialbereich, in den Gesundheitsbereich fällt, von der Dienst­leistungsrichtlinie ausgenommen! Das ist ja festgesetzt, und diesbezüglich bin ich auch durchaus Ihrer Meinung: Wir brauchen diese sozialen Dienstleistungen! Wogegen wir im Zusammenhang mit der Dienstleistungsrichtlinie vor allem waren, ist das Her­kunftslandprinzip – das wissen Sie ja auch ganz genau –, nämlich dass jemand, der in Österreich arbeitet, zu den Bedingungen seines Heimatlandes arbeiten soll. Das hätte – und das geben Sie ja auch zu – bei uns den Arbeitsmarkt total kaputt gemacht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich nun auf die schwierige Aufgabe der einzelnen Länder, für Wohlstand zu sorgen, für Arbeitsplatzsicherung zu sorgen, zurückkomme, so gebe ich schon zu, dass dieses Ziel mit größten Herausforderungen verbunden ist, denn wir wissen ja, dass es heute nicht nur die nationalen Staaten sind, die durch ihre Regulierungsmaßnahmen die Wirtschaft beeinflussen können, sondern durch die internationale Verflechtung ist das alles viel schwieriger geworden – das gebe ich zu. Ich denke da nur etwa an den Waren- und Dienstleistungsverkehr, an gewisse internationale Vereinigungen, an die die Länder gebunden sind, WTO und so weiter. Diese Aufgabe ist also nicht leicht, aber, wie gesagt, Österreich hat seine Hausaufgaben gemacht – und das muss auch von den anderen Ländern in Europa verlangt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Da Sie so skeptisch sind gegenüber dem, was wir in Europa erreicht haben: Wir haben durch viele politische Maßnahmen eine Basis geschaffen, die für eine Absicherung, für die Beibehaltung des bisherigen Lebensstandards sorgt. Und ich glaube wirklich, dass wir auf das Erreichte stolz sein können! Das schlägt sich auch in verschiedenen Zeitungsartikeln nieder – ich zitiere als Beispiel die „Frankfurter Allgemeine“, in der zu lesen war, dass Österreich „vom Trittbrettfahrer der allgemeinen deutschen Nach­kriegswohlfahrt“ „zum autonomen Erfolgsmodell“ geworden ist. (Beifall bei den Frei­heitlichen – BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: So schauen wir aus!)

Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb vom „Erfolgsmodell Österreich“: Deutschland war lange das reichste Land Europas, nun ist es auf Rang 10 abgerutscht. Österreich brachte es auf Platz drei. – Deutschland abgerutscht unter der rot-grünen Regierung Schröder, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Der Missionschef des Internationalen Währungsfonds sagt: „Seit der letzten Dekade hat ein strategischer Wandel in der Politik Österreich zu einem europäischen Vorzeige­land bei Reformen gemacht“, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Da gibt es also überhaupt nichts daran auszusetzen! Ich weiß nicht, warum Ihnen das nicht recht ist, dass wir zum Vorzeigeland Europas geworden sind. Eigentlich sollten wir gemeinsam sagen: Ja, wir sind auf dem richtigen Weg, machen wir so weiter!, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition. (Beifall bei den Frei­heitlichen – BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Vieles, was wir in Europa gemacht haben, könnte in anderen EU-Ländern beispiel­gebend sein, so etwa die Konjunkturbelebungspakete, das Wachstumspaket, das Standortpaket 2003, die Forschungsförderung, die starke Erhöhung der Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik. Das hat alles gegriffen, und Österreich hat bisher die Krisen, die ganz Europa erschüttert haben, gut gemeistert, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Einem.)

Schauen Sie, im Ranking bei der Jugendarbeitslosigkeit liegen wir auf dem dritten Platz in Europa, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ja etwas in dieser


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 19

Zeit, in der es Jahre hindurch ein schlechtes Wirtschaftswachstum gegeben hat! 123 000 Lehrlinge kommen in den Genuss der Lehrlingsförderung und haben dadurch eine gute Chance, auf dem Arbeitsmarkt unterzukommen. 91 000 Jugendliche unter 25 wurden mit 265 Millionen € unterstützt, um eine bessere Qualifizierung zu erreichen. Gerade für Jugendliche, die Probleme haben – psychischer Art oder in irgendeiner anderen Weise – und die nicht vollständig am Arbeitsmarkt teilnehmen können, sind Maßnahmen gesetzt worden.

Das ist alles unter dieser Regierung geschehen, und wir haben auch dadurch viele Probleme, die andere Länder wie beispielsweise Frankreich mit Jugendlichen haben, in Österreich nicht. Bei uns haben die Jugendlichen eine Chance! Sie sehen, dass sie in Österreich eine Chance haben und dass sie nicht so wie in Frankreich beispielsweise auf der Straße stehen müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Abg. Öllinger: Die Jugendarbeitslosigkeit hat sich verdoppelt!)

Ich gebe schon zu, wir leben nicht auf einer Insel der Seligen, aber wir leben in einem Land, wo jeder sich berechtigte Chancen ausrechnen kann, einen Arbeitsplatz zu haben, sozial abgesichert zu sein und ein bestimmtes Niveau des Lebensunterhaltes zu haben. Und das ist etwas sehr Positives, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Da Sie immer wieder die Arbeitslosigkeit bemängeln, meine sehr geehrten Damen und Herren: Ja, natürlich ist die Arbeitslosigkeit höher als vor zehn Jahren, aber die Arbeits­losenquote ist jetzt gesunken! Sie liegt um 0,4 Prozentpunkte unter dem Vorjahreswert und um 0,6 Punkte unter den April-Höchstwerten der neunziger Jahre. Das ist eine ... (Abg. Öllinger: Was heißt „natürlich“? Warum „natürlich“?)

Ich habe das nicht selbst erfunden, sondern das ist einer Statistik entnommen, Herr Öllinger. Ich verstehe nur etwas nicht: Warum wollen Sie das Positive nicht glauben? Warum wollen Sie nicht zugeben, dass in Österreich Maßnahmen getroffen wurden, die uns nicht dieses Tief beschert haben wie beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland? Warum wollen Sie nicht zugeben, dass es unseren Staatsbürgern besser geht, dass sie die Chance auf einen Arbeitsplatz haben? Warum ist Ihnen das alles so unangenehm? – Das verstehe ich nicht. Wohl deshalb, weil Sie nicht in der Regie­rung sind. Und ich hoffe, dass Sie auch nie in die Regierung kommen, denn Ihre Maßnahmen möchte ich eigentlich nicht zu verspüren bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe jetzt dargestellt, dass wir viel Positives bewirkt haben, aber das heißt nicht, dass wir jetzt die Hände in den Schoß legen dürfen, sondern wir müssen natürlich die Weichen für die Zukunft stellen. (Abg. Schopf: Schüssels traurige Bilanz: Jugendarbeitslosigkeit verdoppelt!)

Die Zukunft liegt auf alle Fälle in der Forschung und in der Entwicklung, in der Ent­wicklung einer besseren Technologie, einer neueren Technologie. Und auch da hat Österreich wieder einmal erkannt, hat diese Regierung erkannt, dass wir dringend etwas tun müssen und dass wir in diesem Bereich Impulse setzen müssen.

In den Jahren 2000 bis 2005 hat die Forschung eine ungeheure finanzielle Bereiche­rung erfahren: 1999 betrug die Forschungsquote 1,91 Prozent, im Jahr 2004 lag sie bei 2,27 Prozent, meine sehr geehrten Damen und Herren. Und das ist trotz aller Bemühungen, das Budget zu konsolidieren, gelungen, und wir werden weiterhin auf die Forschung bauen, denn, wie gesagt: Die Zukunft liegt darin, dass wir an neue Technologien anschließen, dass wir Zukunftsjobs schaffen, damit der Wohlstand der österreichischen Bevölkerung erhalten bleibt. Das muss unser aller Ziel sein.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 20

Wir müssen diesen Weg weitergehen! All das Miesmachen, das von Ihrer Seite, insbesondere von Seiten der Grünen kommt, bringt uns keinen Schritt weiter, sondern Sie müssen innovative Ideen einbringen! Aber diese bleiben Sie schuldig, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ sowie bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Nichts anderes hört man von Ihnen als nur Kritik und dass Sie alles schlecht machen. (Abg. Öllinger: Vorschläge!) Das ist zu Ihrer Politik geworden, das ist der Inhalt Ihrer Politik. Und wenn Sie so in den Wahlkampf ziehen, dann kann ich mir schon vorstellen, wie die österreichische Bevölkerung das quittieren wird. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.59


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Sburny. Wunschredezeit: 6 Minuten. – Bitte.

 


9.59.32

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Partik-Pablé, das, was wir von Ihnen und auch von der Frau Ministerin hören, ist eine Ansammlung von Allgemeinplätzen, die ihres­gleichen sucht. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Neudeck: Sie sind „innovativ“!)

Wir versuchen, zu konkretisieren, was es brauchen würde, damit es der Bevölkerung sowohl in Österreich als auch auf europäischer Ebene insgesamt besser geht. Das war zum Beispiel der Vorschlag von Kollegem Öllinger – weil Sie fragen: Wo sind die Konkretisierungen für eine Initiative für Mindestlohn? Das sind unsere ganz konkreten Vorschläge im Hinblick auf Klein- und Mittelbetriebe, im Hinblick auf Frauenförderung. Tun Sie nicht immer so, als ob Sie das alles nicht hören würden! (Beifall bei den Grünen.)

Das Problem, das wir tatsächlich auf europäischer Ebene haben, ist, dass sehr viele Menschen kein Vertrauen haben in die Europäische Union, wenn es um die soziale Sicherheit geht. Die Menschen haben einfach kein Vertrauen darauf, dass die Europäische Union in der Lage ist, für soziale Sicherheit zu sorgen. Meistens liegt der Grund dafür auch in den nationalen Politiken, die sind nämlich zuständig für die soziale Sicherheit. Die Leute stellen sich einfach vor, was passieren würde, wenn das auf die nächste Ebene transferiert wird, und sie haben zu Recht Sorge und sind zu Recht skeptisch, ob das tatsächlich gut gehen wird.

Es gibt 72 Millionen Armutsgefährdete in der Europäischen Union und mehr als 1 Million Menschen in Österreich, die an oder sogar unter der Armutsgrenze leben. Ich finde, das sollte Ihnen schon zu denken geben – jenseits davon, dass Sie immer alle möglichen schönen Formeln beschwören.

Herr Kollege Neugebauer, wenn Sie sagen, wir reden immer nur von Verteilung, dann sage ich Ihnen: Wir reden nicht nur von Verteilung, aber auch, und zwar aus unserer Sicht völlig zu Recht, denn: Erwirtschaftet wird viel! Es gibt Rekordgewinne bei den Unternehmen. Es gibt einen steigenden Wohlstand in der Europäischen Union, wohlgemerkt im Durchschnitt. (Abg. Scheibner: Nur in Österreich ist alles schlecht!) Nein, wir haben auch in Österreich steigenden Wohlstand zu verzeichnen, und das ist gut. (Beifall des Abg. Dr. Van der Bellen sowie demonstrativer Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.) Das Problem ist nur die Verteilung, und dort wollen Sie nicht hinschauen. Kollege Neugebauer hat gerade vorhin wieder gemeint: Wofür brauchen wir eine Verteilung? (Abg. Öllinger: Das ist ein Gewerkschafter!) Ja, er ist Gewerk­schafter; ich weiß nicht, ob man das jetzt wirklich positiv hervorheben soll.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 21

Das Problem in Österreich wie auch insgesamt auf europäischer Ebene ist, dass die Verteilung so ungleich ist, dass es einige wenige gibt, die von diesem Wohlstand profitieren, und dass es eine immer größer werdende Menge von Menschen gibt, die von diesem Wohlstand nicht nur nicht profitieren, sondern die tatsächlich relativ ärmer werden. – Das ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel, und das ist in Wirklichkeit ein politischer Skandal! (Beifall bei den Grünen.)

Noch ein konkreter Punkt, den Sie ebenfalls angesprochen haben, Herr Kollege Neu­gebauer. Sie haben gesagt, im Unterschied zu den vorherigen Regierungen denken Sie an die nächsten Generationen. Abgesehen davon, dass Sie auch in den letzten Regierungen vertreten waren – man kann nicht oft genug darauf hinweisen, dass Sie da heftig mitbeteiligt waren; aber egal, lassen wir das einmal –: Was tun Sie? Ich rede jetzt nicht über Dinge wie etwa das gestern beschlossene „Umweltzerstörungsgesetz“, womit Sie nämlich nachhaltig Chancen der Jugend und Chancen der Wirtschaft zerstören, sondern ich rede jetzt einfach darüber, wie in Österreich die Situation der Jugendlichen ausschaut. Sie haben gesagt, Sie haben mit vielen Jugendlichen zu tun, Herr Kollege Neugebauer. Ich auch, daher frage ich mich, ob Sie das nie hören.

Dass die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich wächst, ist ein Faktum, das werden Sie nicht bestreiten. Auch wenn wir nach wie vor relativ gut liegen, fallen wir doch zurück. Das heißt, wir haben wachsende Jugendarbeitslosigkeit, und das heißt, immer mehr junge Leute wissen nicht, was sie nach ihrer Ausbildung tun sollen. Ich weiß nicht, ob Sie das schon einmal so richtig live miterlebt haben, wenn junge Menschen irgendwo stehen und das Gefühl haben, sie sind eigentlich zu nichts zu gebrauchen. Sie werden nicht gebraucht von dieser Gesellschaft, die Gesellschaft will sie nicht, ihre Arbeitskraft, ihre Ressourcen werden nicht gebraucht, nicht genützt, und sie werden irgendwo hingeschickt, letztendlich – noch nicht heute, aber letztendlich doch, und zwar, wie die Tendenz momentan zeigt, auch in Österreich – auf die Straße. Das kann ja wohl nicht Ihr Wunsch sein! Ich kann mir nur wünschen, dass Sie sehr viel mehr investieren, als Sie momentan investieren. (Beifall bei den Grünen.)

In diesem Zusammenhang noch ein letztes Wort zu den Steuern, weil Sie immer so gerne darüber lachen, wie wir die Steuerfrage anlegen. Sie behaupten immer: Je weniger Steuern, umso besser! Dann erklären Sie mir aber bitte, irgendjemand, heute und jetzt: Wie werden Sie die zunehmende Armutsgefährdung, die es auch in Österreich gibt, bewältigen, wie werden Sie die notwendige Bildung für unsere Jugend herbeiführen? Wie werden Sie alles das sichern, wenn Sie sagen, wir brauchen keine Steuern? Erklären Sie mir bitte heute, woher Sie dieses Geld nehmen werden, wenn Sie keine Steuern mehr eintreiben! – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.05


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Mitter­lehner. Seine Wunschredezeit: 6 Minuten. – Bitte.

10.05.34

 


Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Frau Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte mir gerade von den Grünen eine etwas differenziertere Sichtweise erwartet und auch erhofft. Leider war sie relativ einseitig.

Einerseits erleben wir meines Erachtens in Europa, was die Wirtschaftsentwicklung und die Produktivität anlangt, gerade in letzter Zeit wieder einen Aufschwung, anderer­seits können wir uns nicht davor verschließen, dass die Globalisierung seitens der Bevölkerung als ein Problem und nicht als eine Chance betrachtet wird und dass im Zusammenhang damit Schlüsselwörter wie „Arbeitsplatz“, „Arbeitsplatzsicherheit“ auftauchen. Daher ist es sicherlich notwendig, dass das Projekt Europa für den Bürger


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 22

anders erlebbar wird. Wir haben Initiativen zu setzen, um den Bereich Arbeitsplatz, aber auch den Bereich Soziales in Einklang zu bringen.

Was mir bei Ihnen fehlt, und deshalb auch meine Frage jetzt in dieser Diskussion, ist die Prioritätenreihung. Bei Ihnen kommen zuerst das Verteilungsdenken und die Auseinandersetzung mit Verteilungsfragen und dann, irgendwann ganz zum Schluss, und das war bezeichnend bei Ihren Ausführungen, Frau Sburny, die Steuerfrage. Meines Erachtens haben Sie zu beiden Punkten etwas Richtiges und etwas Falsches gesagt. Aus meiner Sicht steht am Anfang Wirtschaften. Wenn es kein Wachstum gibt, und zwar kein nachhaltiges Wachstum, dann gibt es auch keine Arbeitsplätze. Daher sollte nicht der Murks rund um ein neues Verteilungsdenken an erster Stelle stehen, sondern: Sozial ist ausschließlich das, was Arbeit schafft, nichts anderes! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Zum Zweiten, was die Steuerfrage anlangt. Sie haben etwas Falsches gesagt, denn meiner Meinung nach war es richtig, dass Österreich eine Steuerreform durchgeführt hat. Wir sind ja nicht irgendwo, sondern genau im Schnittbereich zwischen alten EU-Staaten und neuen EU-Staaten, und wenn es jetzt ein System gibt mit Werten im Körperschaftsteuerrecht, das große Firmen einfach anzieht, gerade im Automobil­bereich, dann muss Österreich da nachziehen, sonst gehen Arbeitsplätze verloren. – Genau das haben wir gemacht, und genau das war der Fehler in Deutschland. Dort haben die großen Unternehmen nicht investiert – bei uns schon! Schauen Sie sich einmal ein Auto oder Sonstiges an: Es wird irgendwo im Ausland zusammen­ge­schraubt, und dann steht bei vielen Marken „Made in Germany“ drauf. Bei uns ist die Investition da, und das finde ich ausgesprochen richtig.

Auf der anderen Seite haben Sie nicht Unrecht damit, dass der Steuerwettbewerb nicht beliebig nach unten gehen kann, denn auch in Richtung soziales Europa ist das unsolidarisch. Diejenigen, die in Europa daran denken, im Steuerbereich ein Band­breitenmodell einzuführen, dass eben der Wettbewerb nicht beliebig nach unten gehen kann, haben Recht. – Daher: Sie haben nicht prinzipiell Unrecht, aber in der Grund­tendenz muss man die Grenze ziehen, und daher hätte ich mir ein bisschen mehr Differenziertheit erwartet.

Was brauchen wir – und ich möchte Ihnen zwei Perspektiven aufzeigen? Wir brauchen einerseits ein Europa, in dem wir Beispiele setzen, und andererseits auch im nationa­len Bereich – Sozialpolitik ist eben weitestgehend den Nationalstaaten vorbehalten – die Möglichkeit, uns von Europa einiges abzuschauen und gemeinsam Initiativen zu setzen. Zu diesen drei Themen im Folgenden ganz kurze Anmerkungen.

Punkt eins: Wo schauen wir, mit möglichst breiter Beteiligung der Bevölkerung, dass in Europa Wachstum und Wohlstand zusammenpassen? Ich möchte hier auf zwei Punkte, die diese Bundesregierung gesetzt hat, verweisen, und zwar zum einen auf die Lehrlingsinitiative mit der Blum-Prämie. Das war in schwierigen Zeiten genau die rich­tige Maßnahme, um zusätzliche Lehrstellen zu ermöglichen. Wir haben eine Steige­rung um rund 4 Prozent erreicht. In ganz Europa Rückgang, bei uns Steigerung – eine richtige Maßnahme! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Zweite Frage, von Vorrednern schon angesprochen: Was nutzt das, wenn Jugendliche keine Beschäftigung haben, keine Zielrichtung sehen, was sie später tun in einem geeinten Europa? – Wir haben gemeinsam mit dem Arbeitsmarktservice ein Projekt für langzeitarbeitslose Jugendliche geschaffen. Von den 1 500 langzeitarbeitslosen Ju­gend­lichen in Österreich sind jetzt mehr als 1 000 in entsprechenden Vorbereitungs­lehrgängen, in Vermittlung sind 564, und 200 sind vermittelt. – Das ist etwas ganz Konkretes, das wir in Europa vorzeigen können. Der Schlüssel dazu sind die ent­sprechenden Jobvermittler.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 23

Zweites Thema: Wo können wir uns etwas abschauen? – Das ist die aktive Arbeits­marktpolitik. Wir haben bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik zwar viel mehr Mittel im Einsatz als die Europäische Union, auf der anderen Seite, wenn es um Anreize für Beschäftigung geht, wenden wir aber nur 13 Prozent auf – Europa 20 Prozent! Wenn 40 000 Leute aus dem früheren Ostdeutschland zu uns kommen, dann haben wir im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik wahrscheinlich noch einiges zu tun, um auch hier in Österreich Bewegung entstehen zu lassen.

Drittes Thema, um es zumindest noch anzusprechen: Was ist die Strategie gegen Globalisierung? – Im Wesentlichen ist es „CSR Austria“ oder, Sie können es auch einfacher haben, ökosoziale Marktwirtschaft. Das ist nicht eine auf den Shareholder ausgerichtete, eine rein gewinnorientierte Unternehmenspolitik, um das zu maximieren, sondern eine der Gesellschaft verpflichtete Politik. Wir haben erst letzte Woche den Trigos vergeben, den Preis für derartige Strategien.

Wir haben in ganz Europa ein Bündnis – und das sehe ich als Vorteil, als Fortschritt –, ein europäisches Bündnis für soziale Verantwortung. Genau das ist die richtige Gegen­strategie, um Globalisierungsängste zu nehmen und darzustellen, wo man wirt­schaftlich in Richtung Umwelt, in Richtung Soziales und in Richtung Gesellschaft agieren kann. Diesen Weg wollen wir fortsetzen. Die Weichen sind richtig gestellt, es gilt nur, sie differenziert zu sehen und auch zu nutzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

10.11


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. Ihre Wunschredezeit: 4 Minuten. – Sie sind am Wort, Frau Kollegin.

 


10.11.41

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, Frau Bundesministerin, die Menschen wünschen sich ein sozialeres Europa! Ja, Frau Bundesministerin, Wachstum und Beschäftigung sind ohne soziale Sicherheit nicht möglich! Ja, Frau Bundesministerin, die Mitgliedstaaten sind für die Ausgestaltung der Sozialpolitik zuständig, aber da, Frau Bundesministerin, hat diese Bundesregierung unter Bundeskanzler Schüssel versagt. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Dr. Mitterlehner, Sie vergessen, unter dieser Bundesregierung haben wir eine Rekordarbeitslosigkeit erreicht. Unter dieser Bundesregierung unter Bundeskanzler Schüssel hat sich die Jugendarbeitslosigkeit verdoppelt. Wie oft haben wir hier in die­sem Haus, wenn wir Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gefordert haben, von Bundesminister Bartenstein gehört, die Talsohle sei erreicht, die Talsohle sei überschritten?! Erfreulicherweise sind im April die Zahlen besser, es wird von einer Trendwende gesprochen, aber Sie haben dieser Entwicklung jahrelang zugeschaut und sie zugelassen. Das ist der Vorwurf, den wir Ihnen hier machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Neugebauer, da wir heute von Verteilung gesprochen haben und du kritisiert hast, dass die Frage der Verteilung von den Grünen sozusagen sehr einseitig gesehen wird: Welche Verteilungspolitik hat denn diese Bundesregierung zugelassen? Auf der einen Seite gibt es Leute, die hackeln bis zum Umfallen, und auf der anderen Seite gibt es Menschen, die null Arbeitszeit haben, null bezahlte Arbeitszeit! Das ist keine Verteilung, wie wir sie uns vorstellen, das ist nämlich die ungerechteste Form der Verteilung, und das lehnen wir ab! (Beifall bei der SPÖ.)

In einem sind wir einer Meinung, Kollege Neugebauer: 30 Millionen Arbeitsuchende in Europa, 19 Millionen registrierte Arbeitslose – genau das haben sich die Menschen in


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 24

Europa nicht erwartet, das ist nicht das, was die Menschen von Europa wollen! Das ist das, was den Menschen Angst macht und weshalb sie Europa kritisch gegen­überstehen, weshalb sie von Europa zum Teil frustriert sind und weshalb sie dem europäischen Gedanken nicht folgen können. Aber auch dazu ist wieder zu sagen: Die Sozialpolitik wird in den eigenen Nationalstaaten gemacht. Die Menschen wollen ja auch etwas spüren und empfinden, und wenn sie Angst spüren und Angst empfinden, weil die Politik, die gemacht wird, sie nicht in die Zukunft schauen lässt, wenn sie Befürchtungen haben, dann können sie natürlich in eine europäische Politik auch kein Vertrauen haben.

An dieser Stelle muss man Ihnen schon den Vorwurf machen, Sie haben nicht die Arbeitslosigkeit bekämpft, sondern Sie haben die arbeitslosen Menschen in Österreich bekämpft. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Kürzungen im Leistungsbereich, Verschärfun­gen im Leistungssektor, das brauche ich Ihnen doch nicht alles aufzuzählen. Ich glaube, Sie haben nie mit Menschen zu tun, die arbeitslos sind, sonst könnten Sie nicht so reden, wie Sie hier heraußen reden, wie zum Beispiel Frau Abgeordnete Partik-Pablé gesprochen hat. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Forcierung von McJobs, Dienstleistungsscheck, Kombilohn und so weiter, das sind nicht die Antworten, die sich die Menschen erwarten. Die Menschen brauchen Jobs, von denen sie auch leben können – und sie verdienen sich auch Jobs, von denen sie leben können. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich freue mich sehr, Kollege Neugebauer, dass du die Wertschöpfungsabgabe ange­sprochen hast. Noch viel mehr habe ich mich darüber gefreut, dass viele Damen und Herren Abgeordnete aus deinen eigenen Reihen dazu geklatscht haben, leider nicht die Wirtschaftskämmerer. Ich hätte mir auch gewünscht, dass Dr. Mitterlehner darauf Bezug nimmt, denn vielleicht kommen wir doch endlich nach 20 Jahren drauf, dass es auch andere vernünftigere Modelle gibt, mit Arbeit umzugehen, als nur die Arbeit zu besteuern. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)

Frau Ministerin Haubner, ich weiß, Sie sind nicht zuständig, es tut mir Leid, dass Minister Bartenstein offensichtlich anderweitige Verpflichtungen hat und nicht hier im Hohen Haus bei dieser wesentlichen Debatte dabei sein kann, aber ein Thema, das man in Europa dringendst behandeln muss – wenn sogar die Wirtschaftskammer von sich aus initiativ wird, wie etwa mit der Aktion „Bau fair“ –, ist das Thema „Wege aus der Schwarzarbeit“. Auch diesbezüglich muss man dieser Bundesregierung sagen, dass sie leider versagt hat, was Chancengleichheit, Chancengerechtigkeit und Fair­ness anlangt.

Europa wird vor allem in der Sozialpolitik nur so fair sein können, so fair die Mitglied­staaten mit ihren Menschen umgehen, und da hat diese Bundesregierung leider versagt. Auch da ist es höchste Zeit für eine Trendwende! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.16


Präsident Dr. Andreas Khol: Ans Rednerpult gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Walch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


10.16.23

Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche - BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Silhavy, das glauben Sie aber selbst nicht, was Sie hier heraußen gerade gesagt haben! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ.) Wir befinden uns in Österreich und nicht in Deutschland, wo Ihre Kollegen an der Regierung waren!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 25

Frau Kollegin Silhavy, wer hat denn in Österreich in den letzten 30 Jahren alles so gemacht, wie Sie das jetzt zitiert haben? Die größte Schuldenpolitik und die größte Pleitenpolitik sind in den letzten 30 Jahren unter SPÖ-Kanzlern und SPÖ-Finanz­ministern passiert! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

60 000 Arbeitnehmer haben in der verstaatlichten Industrie ihre Arbeitsplätze verloren. Voest, AMAG, „Konsum“-Pleite und vieles mehr – und Sie trauen sich hier herauszu­gehen und so zu tun, als wäre das alles nicht passiert! Sie waren damals schon auf der Welt, vielleicht waren Sie sogar schon Mitglied der SPÖ. 174 Milliarden € Schulden haben Sie den Österreicherinnen und Österreichern durch die unfähige SPÖ-Wirt­schafts­politik hinterlassen. 100 Millionen € Zinsen zahlen wir jährlich für Ihre unfähige Wirtschafts-, Arbeitnehmer- und Sozialpolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Wir, diese Regierung, die Sozialministerin, die ein soziales Herz für die Öster­reicherinnen und Österreicher hat (neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen) – hört zu, sonst kennt ihr euch wieder nicht aus! –, haben das geschaffen, was ihr lange versprochen habt. Was ihr nicht gehalten habt, haben wir verwirklicht. Wir haben Arbeitsplätze geschaffen. Der größte Motor in der Wirtschaft ist die Bau­wirtschaft; ich bin stolz, dass unser Vizekanzler und Infrastrukturminister der größte Arbeitgeber für die Bauwirtschaft ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich weiß, ihr müsst schreien, das tut euch nämlich weh, nicht wahr? Bis zum Jahr 2012 werden 30 Milliarden € in Straße und Schiene investiert. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Zuhören! Es tut weh, das verstehe ich, aber für die Arbeitnehmer und die Bürger in Österreich ist das das Beste. Das ist der Motor der Wirtschaft. So viel, wie jetzt gebaut wird auf Straße und Schiene, ist in den letzten 30 Jahren nicht gebaut worden. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Von den Grünen rede ich ja gar nicht. Normalerweise sollte man euch gar nicht beim Wort nehmen, denn ihr seid die größten Verhinderer von Arbeitsplätzen! Egal, wo gebaut wird, da kommen schon die Grünen und fordern: Nein, da nicht, da nicht und dort auch nicht! – Was wollt ihr überhaupt? Ihr fordert – aber verhindert alles! (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Grüne und Politik. – Es hat sich in Deutschland gezeigt, dass sie unfähig sind. Die Wirtschaft in Deutschland liegt am Boden, total am Boden. Wenn ihr in Österreich einmal etwas zu sagen habt, dann sage ich: Gute Nacht, Österreich!

Mindestlohn in Österreich, eine Forderung der Grünen, auch Kollegin Csörgits von der SPÖ wird wieder damit kommen, obwohl sie dafür zuständig wäre (Abg. Mag. Wein­zinger: Wo ist der gesetzliche Mindestlohn?), da frage ich Sie: Wo ist der Öster­reichische Gewerkschaftsbund? Wo sind die Sozialpartner? Wieso habt ihr in den letzten 30 Jahren nicht für ordentliche Löhne, speziell für die Frauen, gesorgt? Was macht ihr außer: BAWAG-Skandal, Privilegien im ÖGB, Penthäuser, Bonzenwirtschaft, 80 Prozent Abfertigung und 24 Monatsgehälter im ÖGB? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ungeheuerlich!) Das sind nicht eure Aufgaben!

Die Mitgliedsgelder vom ÖGB müssten eigentlich für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verwendet werden. Kümmert euch um die Belange der Arbeitnehmer im ÖGB und eurer Mitglieder und geht mit dem Geld wirtschaftlich und sparsam um, steckt es nicht alleweil in die eigene Tasche, denn es gehört nicht euch, sondern den Mitgliedern! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Das ist eine Zumutung für das Haus!)

Was diese Regierung geschaffen hat, ist, das muss ich sagen, das Beste für die öster­reichische Wirtschaft. Wir sind ein Vorbild in Europa, man bräuchte das alles nur übernehmen und kopieren:


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 26

Stichwort Wirtschaftswachstum – ich habe die Konjunkturpakete angesprochen.

Stichwort Familien stärken – ich müsste zwei Stunden lang reden (Rufe bei der SPÖ: Nein, bitte nicht!), um aufzuzeigen, was unsere Ministerin Ursula Haubner und unser Minister Herbert Haupt alles gemacht haben (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ), um die Familien zu stärken: Kindergeld, Kinderzuschlag, Alleinverdienerabsetzbetrag.

Stichwort Steuerentlastung – sowohl für Arbeitende als auch für Pensionisten; es war die größte Steuerreform der Zweiten Republik. Ihr habt alleweil nur geredet. Ihr habt zwar eine Steuerreform gemacht, aber nach dem Grundsatz Bettelmann-Stecken­tauschen, das heißt, auf der einen Seite habt ihr es ihnen gegeben, auf der anderen Seite habt ihr es ihnen doppelt weggenommen. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ.)

Infrastruktur, Forschung, Bildung, Entwicklung und vieles mehr – das alles haben wir unterstützt.

Wir haben überfällige Forderungen für die Arbeitnehmer durchgesetzt. Wir haben Ab­fer­tigung für alle durchgesetzt, ihr nicht! Ihr habt nur geredet, wir haben es geschaffen.

Angleichung Arbeiter – Angestellte, Alleinverdienerabsetzbetrag, unbegrenzte Verlän­gerung der Altersteilzeit, eine Aktion für ältere Arbeitnehmer, Beschäftigungs­program­me, ein Betrugsbekämpfungsgesetz – das alles haben wir geschaffen. Von einem Betrugsbekämpfungsgesetz habt ihr alleweil nur geredet – wir haben es geschaffen!

Weiters: Bildungsoffensiven, Entlastung der Arbeitnehmer, Pendlerpauschale, Kilo­meter­gelderhöhung, für Menschen mit Behinderungen entsprechende Gesetze, dass sie geschützt sind, und vieles mehr.

Wir vom BZÖ, unsere Ministerinnen und Minister, haben gemeinsam mit dem Koalitionspartner Positives geschaffen, sehr viel Positives erreicht. Wir sind Vorbild in Europa – es muss von den anderen nur übernommen werden, dann schaut die Zukunft Europas positiv aus. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

10.22


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren, ich darf ein allgemeines Wort an Sie richten: Wir haben den Europatag zur Diskussion europäischer Themen eingeführt. Wir haben heute begonnen mit der europäischen Sozialpolitik, und das war alles in Ordnung, aber im Laufe der Diskussion sind wir immer stärker auf die nationale Ebene abgeglitten. Ich erteile keinen Ruf zur Sache, möchte aber hinweisen auf die guten Absichten, die wir haben, die Dinge europäisch zu beurteilen.

*****

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Seine Wunschredezeit: 5 Minu­ten. – Bitte. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Also, Kogler, mäßige dich!)

 


10.23.22

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Danke, Herr Präsident, für die aufklären­den Worte.

Frau Bundesminister, seien Sie mir nicht böse, aber die Partei, der Sie angehören, oder dieses angebliche Bündnis sollte erstens einmal das Wort „Zukunft“ aus ihrer Bezeichnung herausnehmen, und zweitens ist es tatsächlich so, dass das Wort „Europa“ – gezählt! – in der vorigen Rede nie vorgekommen ist. Ich halte es aber für bemerkenswert, dass einige in den ÖVP-Reihen da noch mitapplaudieren, allen voran Herr Klubobmann Molterer, der jetzt wieder das Weite gesucht hat. Auch recht! Aber angesichts des Niveaus dieser Debatte können wir von den Europa-Plenartagen gleich


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 27

wieder absehen. Das geht so nicht! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischen­rufe bei der ÖVP.)

Frau Bundesministerin Haubner, Sie werden mir nicht böse sein ob meines Verlangens nach Weglassen des Begriffs „Zukunft“ in Ihrem Parteinamen, wenn ich mich jetzt ausschließlich mit den Beiträgen der ÖVP auseinander setze. Nach dieser vorigen Bierzeltrede muss man wieder einmal wissen, worum es jetzt eigentlich geht.

Herr Mitterlehner von der ÖVP und der Wirtschaftskammer hat gesagt, dass die Globalisierung von den Menschen nicht als Chance begriffen wird, sondern nur als Problem gesehen wird, und hat das bedauert. – Das mag man bedauern, vor allem aus Ihrer Sicht. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.) Bitte schön, Herr Kollege Scheibner! Jedenfalls dürfen Sie sich nicht wundern, dass es so ist. Sie dürfen sich aber deshalb nicht wundern, weil Sie selbst ja schon Opfer Ihrer eigenen Parolen werden. Sie sagten nämlich gleich anschließend: Sozial sei – und da braucht man wirklich den Konjunktiv, dass man das über die Lippen bringt (Abg. Mag. Regler: Was Arbeit schafft!) –, nicht nur was Arbeit schafft, sondern Sie versteigen sich jetzt schon dazu zu sagen, aus­schließlich sei sozial, was Arbeit schafft. Und das ist einfach ein Unsinn in dieser Form. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wir wissen doch ganz genau, wie die Entwicklung in den letzten Jahren verlaufen ist. Wir haben das in den Achtzigern, Neunzigern schon in dem von Ihnen offensichtlich zum Vorbild erhobenen amerikanischen Wirtschaftsmodell gesehen: dass wir zwar in der Job-Statistik plötzlich irgendwo erkennen, dass die Arbeitslosigkeit wegbricht, aber gleichzeitig zur Kenntnis nehmen müssen, dass immer mehr Leute, anstatt ins Kran­kenhaus zu kommen, im Straßengraben übernachten müssen, wenn sie ein Problem haben, weil nämlich die Löhne nicht mehr ausreichen, dass sich die Leute die sozialen Mindeststandards leisten können.

Das kann doch nicht sein (Beifall bei den Grünen und der SPÖ), dass alles sozial ist, was auf Grund einer Deregulierungsorgie dann gerade noch ein Job wird. Das ist doch der völlig falsche Weg, jedenfalls für Europa. Und dann wundern Sie sich, dass die Leute – berechtigt, wie wir meinen – Sorge haben vor dieser Entwicklung.

Jetzt gebe ich Ihnen natürlich Recht – nur verstehe ich nicht ganz, wieso es hier einen Anlauf zum Aufklärungsunterricht gebraucht hat –, dass nur das verteilt werden kann, was vorher erwirtschaftet worden ist. Da haben Sie vollkommen Recht, da gibt es keine Diskrepanz, weil das logisch, in sich richtig ist!

Jetzt kann man aber auch der Meinung sein – offensichtlich ist es diese Hälfte des Hauses (in Richtung SPÖ und Grüne), jedenfalls aber die Grünen –, dass soziale Mindeststandards oder überhaupt gerade in Zentraleuropa oder in Nordeuropa, wie sich herausgestellt hat, auch bestimmte soziale Niveaus auf besserer Ebene nicht bloß schön sind, weil es den Leuten besser geht, sondern auch eine Voraussetzung sind für bessere Produktionsbedingungen, dass bestimmte ökologische Mindeststandards nicht nur irgendwie ein Nutzen für die zukünftige Generation sind, sondern auch eine Voraussetzung für ein bestimmtes Wirtschaftsmodell, das etwas erreichen, erzeugen kann, was man nachher verteilt.

Das ist, glaube ich, nach wie vor das, was am europäischen Wirtschafts- und Sozial­modell verteidigenswert wäre oder ist – da muss ich wieder den Konjunktiv ver­wenden –, weil sich natürlich schon längst viele als Verkleidungskünstler betätigen, sich in Wahrheit in ihrer wirklichen Politik den „Pyjama der Deregulierung“ angezogen haben, überall dort, wo sie können, an den Hebeln drehen und am Vormittag – so wie jetzt, manche in Bierzeltstimmung, manche meinen es offensichtlich ernst – herum­gehen und im schönen Anzug verkünden: diese Linie, diese soziale Sicherung! – Das ist doch alles unglaubwürdig!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 28

Woher kommt das? Das kommt daher – da muss ich mich jetzt mit jenen noch auseinander setzen, die dauernd auf die nationalen Bestrebungen und Bemühungen verweisen, das ist ganz die gleiche Ecke –, dass dann so getan wird, als ob es bloß die so genannte nationale Hausaufgabe wäre, Arbeitsplätze zu schaffen, soziale Sicherheit et cetera. Völlig falsch! Hütet euch vor jenen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Ich muss es auch Ihnen sagen, denn manchmal habe ich wirklich das Gefühl, Sie glauben das schon.

Es ist völlig denkunmöglich, und das ist ja das Gute an der Europäischen Union, nämlich dass es sie gibt, man müsste ein transnationales Konzept erfinden, wenn es sie nicht gäbe, dass es eine Vereinigung gibt, die im globalisierten Wettbewerb durch Zusammenschlüsse gemeinsame Politiken machen kann.

Aber wenn die Europäische Zentralbank eine Hochzinspolitik anstrebt, und keiner kommt aus, und wenn die Arbeitsmarkt- und sonstigen Regulierungsfragen alle auf Deregulierung hinauslaufen, weil nämlich die nationalen Regierungen gar nicht mehr anders können, weil andere still und heimlich diesen Wettbewerb fördern und sich zu Hause hinstellen und sagen, alle sollen zu Hause brav tun, dann ist das nicht nur unredlich, sondern das führt genau in die Sackgasse, dass es keiner mehr versteht. (Beifall bei den Grünen.)

Also brauchen wir diese koordinierte europäische Wirtschaftspolitik mit den Zielen einer ökologischen und sozialen Mindestabsicherung. Dort müssen wir hin, und bei der Gelegenheit gibt es dann genug Arbeitsplätze. Da spielen der Staat, die Europäische Union, die Nationalstaaten auch eine Rolle. Es muss Schluss sein mit diesem Bashing auf die öffentliche Hand, auf das öffentliche Eigentum und auf die Möglichkeiten der öffentlichen Hand. Das haben Sie zu verantworten mit Ihrem neoliberalen Kampfkauderwelsch. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

10.29


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Riener. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.30.00

Abgeordnete Barbara Riener (ÖVP): Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Herr Kollege Kogler, die EU kann nur so gut sein wie ihre Mitgliedsstaaten. Das möchte ich Ihnen zu diesem Punkt sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Die EU hat sich verändert: Sie ist nicht nur größer geworden, sondern entwickelt sich von einer Wirtschaftsinteressengemeinschaft sehr wohl zu einer Solidaritäts­gemein­schaft. Dabei ist es aber zu wenig, einfach nur zu schauen, was die anderen machen. Die Herausforderung dabei ist, dass die hohen sozialen Standards der Mitgliedsländer mit der Wettbewerbsfähigkeit in Einklang zu bringen sind. Gerade während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft war es möglich, einige heikle Themen dazu anzusprechen und zu forcieren.

Was hat die EU vor? – Bei der heurigen Frühjahrstagung wurde vom Europäischen Rat im Bereich Beschäftigung und Soziales beschlossen, dass zum Beispiel die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung in ganz speziellen Bereichen als Ziel gesteckt wird, ebenso auch, dass jährlich 2 Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden sollen (Abg. Öllinger: Jährlich!? – Abg. Mag. Molterer – in Richtung des Abg. Öllinger –: In der EU! Wir reden über Europa), dass Lebenszykluskonzepte ausgearbeitet werden sollen, was ich für sehr wesentlich halte, dass die Zahl der Schulabbrecher auf 10 Prozent reduziert werden soll (Abg. Öllinger: Mit der Gehrer-Politik! Nein, danke!) und dass die Vermitt­lungsdauer von Schulabgängern auf sechs Monate bis 2007 und auf vier Monate bis


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 29

2010 gebracht werden soll. Dabei muss ich aber schon festhalten, dass Österreich bereits jetzt mit 9,1 Prozent bei den Schulabbrechern unter dieser Vorgabe liegt. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Neudeck.)

Außerdem sind wir bei den unter 25-jährigen Arbeitslosen und bei den über 50-jährigen Arbeitslosen bei unter drei Monaten, was die Vermittlungsdauer betrifft bezie­hungs­weise die Zeit, um in eine Maßnahme zu kommen. Und das, Frau Kollegin Silhavy, sind Auswirkungen von Beschäftigungspolitik, von Wachstumskonzepten, von Kon­junktur­paketen dieser Bundesregierung. Da können Sie nicht sagen, dass wir nichts getan haben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Neudeck.)

Unser Bundesminister Martin Bartenstein hat bereits hingewiesen auf die wichtige Arbeitssicherheit, die „Flexicurity“, für die Arbeitnehmer, um die wirtschaftlich erfor­derliche Flexibilität zu erhalten. Aber mir ist es auch noch wichtig, dass wir uns auch über ältere Arbeitnehmer Gedanken machen: Wie nützen wir künftig ihr Wissen, ihr Know-how, oder sehen wir ältere Arbeitnehmer lediglich als Kostenfaktor? Ich glaube, dass wir uns bereits jetzt damit auseinander setzen müssen, wie wir mit erfahrenen Mitarbeitern, Arbeitnehmern umgehen. Wir müssen danach trachten, sie so lange wie möglich gesund in der Arbeitswelt zu halten, ohne dabei die Integration behinderter Menschen zu vergessen.

Ich denke, wir müssen uns auch Umstiegsmöglichkeiten für jene überlegen, die bis zu ihrer Pension in ihren angestammten Berufen nicht arbeiten können. Gerade dabei ist die Sozialpartnerschaft ein wichtiger Faktor, damit Arbeitnehmerinteressen nicht im Sog des globalen Wettbewerbs untergehen. Ratsvorsitzender Bundeskanzler Schüssel hat in der letzten Zeit immer wieder wiederholt, wie wichtig die Sozialpartnerschaft ist: mit Christoph Leitl auf der Arbeitgeberseite – und auf der anderen Seite mit wem? Lange aufgebaute Vertrauensbasis ist in Österreich verloren gegangen, wenn Spitzen der Arbeitnehmervertretung gegen freien Wettbewerb und hochspekulatives und riskantes Vorgehen in der Wirtschaft wettern und es dann selbst unterstützen. Doch wenn man genauer hinschaut, erkennt man, dass es da noch die Christgewerkschafter gibt, die das Vertrauen der Arbeitnehmer genießen und verdienen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Der Neugebauer? Der ist gegen die Verteilung!)

Europa wird künftig daran gemessen werden, wie wir miteinander umgehen: mit der Jugend, mit älteren Menschen, mit Frauen, mit Männern, mit behinderten Menschen et cetera. Dabei geht es nicht nur um die finanzielle Leistung – auch! –, sondern vor allem um das Wie. Ist Wertschätzung im Umgang spürbar, oder macht man halt was? Was passiert, wenn Solidarität nicht mehr greift? Wem ist es aufgefallen, dass es in den letzten Jahren weit mehr darum ging, etwas aus dem Sozialsystem herauszunehmen, als darum, wer es aufrechterhält? Die 40- bis 60-Jährigen sind zurzeit diejenigen, welche die jetzigen Pensionen sichern und der Jugend durch Ausbildung Lebens­chancen ermöglichen.

Unsere politische Pflicht ist es, dafür zu sorgen, dass all jene, die unsere Unterstützung brauchen, abgesichert werden, die Lasten für Bildung, Pensionen, Soziales und Gesund­heit aber gleich verteilt werden. Ich danke allen Österreicherinnen und Öster­reichern, die dafür Sorge getragen haben; das meine ich sehr ernst.

Gerade durch die demographische Entwicklung wird Europa beweisen müssen, ob es diesen Lastenausgleich schafft, um das wichtigste Projekt der EU abzusichern: den sozialen Frieden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Neudeck.)

10.35


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Csörgits. 4 Minuten Wunschredezeit. – Bitte, Frau Kollegin.

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 30

10.35.31

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Mit großem Interesse habe ich die Berichterstattung der EU-Konferenz im Zusammenhang mit der Benachteiligung von Frauen in den Medien verfolgt und habe auch zur Kenntnis genommen, dass die Frau Bundes­ministerin Rauch-Kallat dort die Situation im Zusammenhang mit dem Auseinander­entwickeln der Einkommensschere beklagt hat. Da bin ich bei ihr. Ich darf allerdings mit aller Deutlichkeit sagen, dass wir gerade in den letzten Tagen und Wochen unsere Kollektivvertragsrunden, die im Frühjahr angestanden sind, mit hervorragendem Erfolg abgeschlossen haben. Die Gewerkschaftsbewegung ist aktiver denn je! Es fehlt auf der anderen Seite nicht der Sozialpartner, der ist lebendig und, glauben Sie mir, stärker denn je! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Nur beim Zahlen ist er schwach!)

Bei dieser Gelegenheit, geschätzte Damen und Herren, möchte ich auch darauf hinweisen, dass Einkommensunterschiede auch deshalb entstehen, weil Frauen auf Grund von Babypausen, von Pausen der Kinderbetreuung zu Hause bleiben müssen. Und in diesem Zusammenhang lassen Sie mich schon kritisch vermerken: Seit Sie in der Bundesregierung sind, sehr geschätzte Damen und Herren von der Koalition, ist es für Frauen immer schwieriger geworden, in den Arbeitsprozess zurückzukehren, und zwar deshalb, weil Sie im Zusammenhang mit Ihrer Arbeitsmarktpolitik versagt haben, schlicht und ergreifend versagt haben.

Es ist schon gesagt worden: Wir haben in der Europäischen Union 32 Millionen Menschen, die Arbeit suchen. Wir haben in Österreich eine hohe Zahl von arbeitslosen Menschen. Und viele Damen und Herren, die jetzt vor den Fernsehgeräten sitzen und dieser Diskussion zuhören, würden wahrscheinlich sehr viel lieber arbeiten gehen, aber auf Grund Ihrer total verfehlten Arbeitsmarktpolitik haben sie keine Chance. (Zahlreiche Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.) Und dafür tragen Sie die Verantwortung! (Beifall bei der SPÖ.)

Bei dieser Gelegenheit, sehr geschätzte Damen und Herren, muss man auch noch sehr kritisch anmerken: In der Europäischen Union sind Vorgaben gemacht worden (anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen), was denn alles im Bereich der aktiven Arbeits­marktpolitik zu tun ist. Die Europäische Union gibt das vor, aber es muss gemacht werden. Aber weder Sie haben es gemacht – noch die Verantwortlichen in der Europäischen Union! Da wird der Ball immer wieder von einem zum anderen gespielt. Es muss endlich etwas getan werden. Eine aktive Arbeitsmarktpolitik ist angesagt!

Wenn der Herr Bundesminister Bartenstein immer wieder darauf hinweist, dass die Zahl der Beschäftigten erhöht worden ist (Abg. Mag. Regler: Rekordbeschäftigung!), dann muss ich sagen: Er vergisst dabei immer wieder hinzuzufügen, dass das einzig und allein darauf zurückzuführen ist, dass wir in Österreich mehr denn je atypisch beschäftigte Menschen haben. Wir haben in Österreich 1 Million Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die atypisch beschäftigt sind. (Zwischenruf des Abg. Mag. Regler.) Ja, ja, da kann man nichts machen, aber Sie verpassen es die ganze Zeit, diese Menschen auch in ein Sozialversicherungssystem einzubinden. Sie verpassen es auch, arbeitsrechtliche Schutzmechanismen einzuführen. (Abg. Scheibner: Welche Gewerkschaft ist dafür zuständig?) Sie sagen ganz einfach, dass Ihnen diese Leute egal sind. (Abg. Neudeck: So schlecht ist die Gewerkschaft? Das kann ich nicht glauben!)

Wie deutlich das zu erkennen ist, ist einer Studie des Herrn Bundesministers Barten­stein zu entnehmen. Er hat vor nicht allzu langer Zeit eine Studie in Auftrag gegeben, die Leiharbeit näher zu durchleuchten. Dieser Leiharbeitsstudie ist zu entnehmen, dass 65 Prozent der Frauen, die in Leiharbeit beschäftigt sind, armutsgefährdet sind. Und


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 31

auf meine Anfrage, warum denn diese Studie nicht veröffentlicht wird, sagte der Herr Bundesminister: Diese ist nur zu internen Zwecken gemacht worden!

Entschuldigen Sie bitte, wenn Sie aus öffentlichen Geldern eine Studie in Auftrag geben, dann ist diese auch zu veröffentlichen. Und wenn auch dem Herrn Bundes­minister die Ergebnisse nicht passen, was mir völlig egal ist, so gehört diese Studie doch auf den Tisch, weil man dann sehen kann, welche Politik Sie gemacht haben. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP. – Beifall bei der SPÖ.)

Die Arbeitnehmer sind Ihnen schlicht und ergreifend nicht wichtig. Aber die Folgen davon werden Sie sicherlich im Herbst spüren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.40

Präsident Dr. Andreas Khol: Der nächste Redner zum Thema „Initiativen für ein soziales Europa“ ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. Seine Wunschredezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

 


10.40.05

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche - BZÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es hätte mich doch gewundert, wäre man seitens der SPÖ einmal von diesem Stil, sich hier der Öffentlichkeit zu präsentieren, abgegangen.

Kollegin Csörgits sprach von „verfehlter Arbeitsmarktpolitik“ (Abg. Mag. Johann Moser: Unter anderem!) und vollzieht das, was vorher schon von roter Seite begonnen wurde: Sie wettert los, sie betreibt Schlechtmacherei und scheut sich natürlich, einen Ver­gleich anzustellen, wie Österreich international aufgestellt ist.

Frau Kollegin Csörgits, die Zeitrechnung beginnt nicht erst im Jahre 2000, als diese erfolgreiche Bundesregierung begonnen hat, im Sinne der Bürger und im Sinne eines sozialen Staates zu wirken, sondern die Zeitrechnung beginnt schon etwas früher – und Ihre 30 Jahre verfehlter Sozial- und Wirtschaftspolitik vergessen Sie immer! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, die Bürger wollen ein starkes soziales Engagement Europas. Sozial- und Beschäftigungspolitik liegen jedoch – und das ist der Grund, warum in der Diskussion immer wieder in den nationalstaatlichen Bereich abgeglitten wird – im Wesentlichen im Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten. Die EU-Mitglied­staaten trifft es, die erforderlichen Hausaufgaben zu machen. Wir haben in Öster­reich – und das kann ich mit Fug und Recht behaupten! – rechtzeitig damit begonnen, diese Hausaufgaben zu machen, wir haben die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannt, wir haben entsprechende Initiativen gesetzt, sodass wir sagen können: Wir sind Gott sei Dank gut aufgestellt!

Ich verhehle nicht, dass natürlich immer wieder neue Herausforderungen auf uns zukommen. Wir müssen als EU-Mitgliedsland weiterhin daran arbeiten, Europa ein entsprechendes soziales Gesicht zu geben. Diese Aufgabe liegt auf der Hand, es gibt darstellbare Gründe dafür.

Man muss innerhalb der Europäischen Union die wirtschaftliche Integration im euro­päischen Binnenmarkt über die einzelnen Mitgliedstaaten vollziehen, und man muss auch die demographische Entwicklung und die externen Einflüsse, vor allem die Globalisierung, berücksichtigen.

Die Herausforderungen sind durch das Spannungsfeld gegeben, einerseits europaweit hohe soziale Standards zu bewahren, aufzubauen, auszubauen, dabei ein größt­mögliches Maß an Sicherheit zu erreichen, und andererseits die Wettbewerbsfähigkeit


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 32

zu sichern. Und diese beiden im Spannungsfeld befindlichen Bereiche sind in Einklang zu bringen!

Ein Zusammenspiel von Maßnahmen der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Mitglied­staaten und von Aktivitäten in diesen Politikfeldern auf EU-Ebene ist wichtig.

Geschätzte Damen und Herren! Wir haben die Hausaufgaben gemacht: Wir haben eine Reform des Pensionssystems in Österreich durchgeführt, die auch dessen Finan­zierbarkeit in der Zukunft sichert. Wir haben eine Steuerreform durchgeführt und damit eine Entlastung der Bürger – und ich sage: der Arbeitnehmer sowie der Unterneh­mungen – und eine Sicherung der Arbeitsplätze erreicht.

Wir haben Investitionen im Bereich Forschung und Entwicklung getätigt und dabei den Anstieg auf eine mittlerweile sehr hohe Quote erreicht. Wir haben Konjunkturpakete in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit zum richtigen Zeitpunkt hier beschlossen und umgesetzt. Wir haben Investitionen in die Infrastruktur getätigt.

Wir haben weitere Maßnahmen gesetzt: eine starke Erhöhung der Mittel für die Arbeitsmarktpolitik, eine Fortsetzung der Beschäftigungsoffensive für Menschen mit Behinderung. Wir haben eine Anhebung des Ausgleichszulagenrichtwertes vorge­nommen. – Doch die Opposition tut so, geschätzte Damen und Herren, als wäre dies alles nichts!

Lassen Sie mich abschließend sagen: Grundvoraussetzung, um sozial sein zu können, ist ein konsolidierter Staatshaushalt – weg von der Schuldenpolitik der neunziger Jahre und auch der Jahrzehnte davor! Wohlstand auf Pump ist für eine bestimmte Zeit machbar, aber mit Sicherheit nicht nachhaltig. Das gefährdet unser Sozialsystem.

In Österreich gibt es seit dem Jahr 2000 eine Wende! Dieser erfolgreiche Weg, der von dieser Bundesregierung beschritten wird, wird auch in Zukunft erfolgreich fortgesetzt werden. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP. – Abg. Dr. Niederwieser: Eine Wende der sozialen Kälte!)

10.45


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist jetzt noch einmal Herr Abge­ordneter Öllinger. Seine Wunschredezeit beträgt 3 Minuten. – Bitte.

 


10.45.50

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss meine Kollegin Haidlmayr, die eigentlich jetzt reden wollte, entschuldigen: Sie hat ein ganz akutes Kreislaufproblem.

Das gibt mir auf der anderen Seite die Möglichkeit, ganz kurz zusammenzufassen, was wir in dieser Debatte bisher erlebt haben. Ich muss sagen, ich bedauere es – ich bedauere es wirklich! –, dass auf unseren Versuch, zwei, drei, vier Themen und Initiativen für ein sozialeres Europa vorzulegen, nicht einmal von Seiten der Regie­rungsparteien – ganz wenige Anklänge ausgenommen – geantwortet wurde.

Worum geht es in dieser Debatte? – Ich habe versucht, Sie auf Folgendes aufmerksam zu machen: Wir haben in Europa ganz große Einkommensunterschiede, Lohnunter­schiede. Wir haben Länder wie die baltischen Staaten, aber auch die neuen Beitritts­staaten, in denen Mindestlöhne von 100 € bezahlt werden. Wir haben auf der anderen Seite Länder wie Luxemburg, in denen 1 500 € bezahlt werden.

Wir haben nicht vorgeschlagen, wie es uns Kollege Neugebauer unterstellt hat, einen Einheits-Mindestlohn für ganz Europa festzusetzen, sondern das, was wir wollen, Kollege Neugebauer (Abg. Neugebauer schreibt gerade) – und da können Sie ruhig einmal zuhören! –, ist, dass von allen 25 beziehungsweise 27 Mitgliedsländern der Europäischen Union und über Initiativen der Europäischen Union versucht wird, in allen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 33

Ländern ein bestimmtes Niveau von Mindestlöhnen zu erreichen, bezogen auf das jeweilige Wohlstandsniveau. Das wird doch wohl nicht zu viel verlangt sein?!

Da haben wir, Herr Kollege Neugebauer, unter anderem auch geltend gemacht, dass es auch eine Aufgabe dieser Bundesregierung ist – die das in ihrem Programm seit 2000 vor sich her trägt –, endlich diesen Mindestlohn von 1 000 € in Österreich durchzusetzen! Es ist doch ein Skandal, dass wir noch immer Berufsgruppen haben, die um 600 € oder 670 € brutto für 40 Stunden arbeiten müssen! Sie können doch nicht sagen, das sei ein Erfolgsausweis dieser österreichischen Politik! – Das ist der Punkt, Herr Kollege Neugebauer! (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie als Gewerkschafter sagen: Ich bin nicht für Verteilung zuständig!, dann ist das der Bankrott der christlichen Gewerkschaftspolitik, Herr Kollege Neugebauer. – Das nur dazu. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Neugebauer.)

Zweiter Punkt: Gewinnsteuern. – Wir sind nicht nur bei den Gewinnsteuern für Mindest­sätze, die dann für alle Länder gelten, die aber auch alle Ausnahmen beseitigen, sodass das Schummeln zwischen den Ländern bei den Gewinnsteuersätzen in Zukunft nicht mehr möglich ist. Denn: Es ist doch absurd, dass wir zwar jetzt einen Nominalsteuersatz von 25 Prozent haben, dass er aber effektiv der niedrigste in ganz Europa ist, nämlich noch niedriger als der der Slowakei. Das ist absurd! (Zwischenruf bei der ÖVP.) Sie sagen: Gott sei Dank der niedrigste?!

Was tun Sie denn, Herr Kollege, wenn die Slowakei jetzt wieder um 2 Prozentpunkte absenkt? Gehen wir dann wieder um 2 Prozentpunkte hinunter? Was tun Sie denn, wenn die Bundesrepublik absenkt oder wenn Irland absenkt? Gehen Sie dann wieder um weitere 3 Prozent herunter? Machen wir so weiter? Das ist das Einzige, was Ihnen einfällt?

Einverstanden, Herr Kollege Mitterlehner: Wir brauchen diese Mindestsätze! Wir kön­nen aber auch gut mit den Bandbreitensätzen leben. Aber machen Sie etwas! Tun Sie etwas! Reden Sie nicht nur! (Abg. Amon: Wir machen eh etwas! Sie reden nur!)

Wir haben doch jetzt schon die x-te Debatte, wo stricherlmäßig notiert wird: Wer sagt wann und wie oft „soziale Dimension Europas“? Es interessiert doch keinen Menschen in Europa, wie oft Sie „soziale Dimension Europas“ sagen! Machen Sie etwas! (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben den Vorschlag gemacht, bei den Einkommen etwas zu machen. Mein Kollege Werner Kogler hat Ihnen sehr eindrücklich und, wie ich meine, völlig zu Recht erzählt, was einer der Unterschiede des europäischen Sozialmodells zu dem der USA oder zu denen anderer Länder sein könnte, aber leider nicht mehr ist – leider! –, nämlich dass die Menschen von ihrer Arbeit auch leben können. Das ist doch nicht zu viel verlangt!

Wenn Europa das nicht schafft und wenn Sie das nicht mehr wollen, weil Sie sagen: Das ist nicht mehr unsere Sache! (Abg. Freund: Schauen Sie einmal in andere Länder!), dann sagen Sie es laut und deutlich! – Wir wollen das schon! Es muss ein gemeinsames Ziel Europas sein, das zu ermöglichen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.)

Ich habe Ihnen gerade erzählt, Frau Kollegin Fekter: Das gilt für viele in Europa noch nicht oder nicht mehr, viele brauchen zwei oder drei Jobs. Junge Menschen haben nicht einmal einen Job. Es ist schon schön, wenn uns Kollege Mitterlehner erzählt, dass die Wirtschaftskammer ein Programm für langzeitarbeitslose Jugendliche unter­stützt. Ja, da bin ich auch sehr dafür. Aber der Punkt ist doch der: Die Jugendlichen sind schon langzeitarbeitslos! Doch genau das dürfen wir gar nicht entstehen lassen:


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 34

dass junge Menschen, die mit der Schulausbildung fertig sind, die noch Hoffnungen haben, die auch eine Zukunft haben, die Energie haben, langzeitarbeitslos werden und erst dann ein Programm einsetzt, mit dem man versucht, sie aus der Langzeit­arbeits­losigkeit herauszuholen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Amon: Was machen Sie dagegen?)

Wir glauben, dass es notwendig ist, dass dieses Europa – auch unter der öster­reichischen EU-Ratspräsidentschaft – Initiativen setzen sollte: in Bezug auf Einkom­men, in Bezug auf Mindestlöhne, in Bezug auf Mindestnormen bei den Gewinnsteuern oder Bandbreitenmodelle. Es muss etwas geschehen! Aber wir erleben nichts davon.

Sie stellen sich her und erzählen uns, dass Sie das soziale Europa durch Ihre Pen­sionsreform sichern. Ja wissen Sie, was ich da vor mir habe? (Der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe.) Zahlen der Europäischen Union, die belegen, dass Sie mit Ihrer Pensionsreform bis zum Jahr 2050 den Aufwand für die Pensionen gemessen am Bruttoinlandsprodukt herunterfahren. Sie wissen genauso gut wie ich, dass wir im Jahr 2050 um eine halbe Million mehr Pensionisten haben. Wenn dafür weniger aufgewendet wird als bisher, dann heißt das, dass das ein brutales Kürzungsprogramm ist. Also kommen Sie nicht damit, dass Sie für dieses soziale Europa stehen! Das Gegenteil ist leider der Fall. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.52


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Höllerer. Sie wünscht 5 Minuten Redezeit; Restredezeit der Fraktion: 7 Minuten. – Bitte.

 


10.52.59

Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Ich gebe meinen Vorrednerinnen und -rednern schon Recht, wenn sie sagen, dass die Globalisierung, der technische Fortschritt und der demographische Wandel Herausforderungen für die europäischen Volkswirtschaften sind. Selbstverständlich stehen auch die Unternehmen unter Druck, denn die haben neue Absatzmärkte zu erschließen und sich auch den Anforderungen der Techn­ologisierung zu stellen. Natürlich wirkt sich das auch auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus, die eine besondere Flexibilität beweisen müssen. Gleichzeitig steigt auch der Druck auf Löhne und Beschäftigung.

Sie haben schon Recht, wenn Sie hier sagen, dass es in der EU Lohnunterschiede gibt. Selbstverständlich müssen Maßnahmen gesetzt werden, um da einen Gleichklang zu erreichen. Es ist eine gewaltige Herausforderung für Europa, höhere Sozial­stan­dards zu erreichen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Derzeit ist die Dienstleistungsrichtlinie in Verhandlung, wo genau darauf zu schauen ist, wie sie vollzogen wird. Vor allem muss die Daseinsvorsorge dementsprechend berücksichtigt werden.

Dazu möchte ich nun folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günther Stummvoll, Maximilian Walch, Dr. Michael Spin­delegger, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dienst­leistungen und Daseinsvorsorge

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Nationalrat begrüßt den Kompromiss des Europäischen Parlaments und den darauf beruhenden geänderten Vorschlag der Europäischen Kommission betreffend


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 35

Dienstleistungen im Binnenmarkt und ersucht die Bundesregierung bzw. die zustän­digen Bundesminister:

1. diesen Kompromiss bei den Verhandlungen im Rat zu unterstützen,

2. für zügige Fortsetzung und Abschluss des europäischen Legislativprozesses zur Dienstleistungsrichtlinie einzutreten,

3. auch künftig dafür einzutreten, dass entsprechend Artikel III-122 des Vertrages über eine Verfassung für Europa die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, Dienste von allge­meinem wirtschaftlichem Interesse (Leistungen der Daseinsvorsorge) zur Verfügung zu stellen, in Auftrag zu geben und zu finanzieren, unangetastet bleibt.“

*****

Ich gebe auch meiner Vorrednerin, Frau Kollegin Csörgits, Recht, die gesagt hat, es müsste auch im Rahmen der Weiterentwicklung der Lissabon-Ziele und im Rahmen der nationalen Berichte, die abgegeben werden müssen – im September 2006 werden die nächsten Berichte von den Mitgliedstaaten eingefordert –, berücksichtigt werden, welche Maßnahmen von Seiten der Nationalstaaten gesetzt werden, um auch dem gemeinsamen Ziel der sozialen Eingliederung Rechnung zu tragen. Ich denke, dass diese Bundesregierung da besonders hervorragende Leistungen erbracht hat, und diese werden selbstverständlich in diese Berichte einfließen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Es wurde eine Erhöhung der Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik vorgenommen, und zwar gibt es eine Verdoppelung des Arbeitsmarktbudgets auf 1,9 Milliarden €. Die Investitionen in die Lehrlingsausbildung, Herr Kollege Öllinger, haben sich als eine sehr erfolgreiche Maßnahme erwiesen. Ich denke da etwa an die Lehrlingsprämie und den Blum-Bonus, wodurch die Unternehmer zusätzliche Lehrlinge aufgenommen haben.

Es wird natürlich auch die Beschäftigungsoffensive für Menschen mit Behinderungen weitergeführt. Wir können sehen, dass im sozialen Bereich wirklich erfolgreich gearbeitet wurde. Das zeigt sich auch an der Anhebung des Ausgleichs­zulagen­richtsatzes. Das heißt, dass die Mindestpension angehoben wurde, und zwar um 100 € auf 690 € bei Einzelpersonen und seit 2000 um 215 € bei Ehepartnern.

Auch durch die Steuerreform gab es Entlastungen, vor allem für die Bezieher niedriger Einkommen. 43 Prozent – 43 Prozent! – der Steuerpflichtigen zahlen keine Lohn- und Einkommensteuern mehr. Das ist ein Erfolg, und den muss man sehr wohl hier auch einmal aufzeigen!

Auch was die Kinderbetreuungsplätze betrifft, hat sich einiges getan. 10 000 neue Nachmittagsbetreuungsplätze werden vom Bund unterstützt. In den Ländern werden neue Kinderbetreuungseinrichtungen geschaffen. In Niederösterreich wurden durch ein neues Kindergartengesetz flexiblere und längere Öffnungszeiten beschlossen.

Und die von uns durchgeführten Pensionsreformen tragen zur Sicherung der lang­fristigen Finanzierbarkeit der Pensionen in Österreich bei.

Herr Kollege Öllinger, das sind Tatsachen! (Abg. Öllinger: Nein!) Und diese Tatsachen werden auch in diesem Bericht festgehalten werden. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Es ist wichtig, auf die neuen Herausforderungen auch sozialpolitisch richtige Antworten zu geben, und das macht diese Bundesregierung unter Bundeskanzler Dr. Schüssel auf das Hervorragendste. Daher werden wir auf diesem Weg auch weitergehen, um


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 36

Österreich im sozialpolitischen Bereich auch in Zukunft erfolgreich weiterzubringen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

10.58


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Frau Abgeordneter Höllerer verlesene Ent­schließungsantrag der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Maximilian Walch, Dr. Michael Spindelegger, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dienstleistungen und Daseinsvorsorge ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Maximilian Walch, Dr. Michael Spin­delegger, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dienst­leistungen und Daseinsvorsorge, eingebracht in der 152. Sitzung des Nationalrates am 24.5.2006 im Zuge der Debatte zum Tagesordnungspunkt 1 „Initiativen für ein soziales Europa“

Der Kompromiss des Europäischen Parlaments und der darauf beruhende geänderte Vorschlag der Europäischen Kommission sehen u.a. eine Streichung des Herkunfts­landprinzips, weitgehende Ausnahmen insbesondere für Leistungen der Daseins­vor­sorge und die Einhaltung von sozial-, arbeits- und konsumentenschutzrechtlichen Standards der Staaten, in denen die Dienstleistung erbracht wird, vor, sodass einerseits die Dienstleistungsfreiheit im Binnenmarkt gefördert und damit unver­zichtbare Wachstums- und Arbeitsplatzimpulse gesetzt werden, andererseits Lohn-, Sozial- oder Umweltdumping vermieden wird.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Nationalrat begrüßt den Kompromiss des Europäischen Parlaments und den darauf beruhenden geänderten Vorschlag der Europäischen Kommission betreffend Dienstleistungen im Binnenmarkt und ersucht die Bundesregierung bzw. die zustän­digen Bundesminister:

1. diesen Kompromiss bei den Verhandlungen im Rat zu unterstützen,

2. für zügige Fortsetzung und Abschluss des europäischen Legislativprozesses zur Dienstleistungsrichtlinie einzutreten,

3. auch künftig dafür einzutreten, dass entsprechend Art. III-122 des Vertrages über eine Verfassung für Europa die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten, Dienste von allge­meinem wirtschaftlichem Interesse (Leistungen der Daseinsvorsorge) zur Verfügung zu stellen, in Auftrag zu geben und zu finanzieren, unangetastet bleibt.“

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Spindelberger. Seine Redezeit beträgt 4 Minuten; die Restredezeit der Fraktion beträgt 10 Minuten. – Bitte.

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 37

10.59.11

Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Es ist nett, wenn die Kollegin Höllerer uns Dienstleistungsrichtlinien erklärt, aber das ganze Sozial- und Gesundheitsdienst­leistungs­recht ist wieder nicht vorgekommen. Daran sieht man schon wieder die Wertigkeit Ihrer Sozialpolitik sowohl auf europäischer als auch auf österreichischer Ebene.

Frau Bundesminister, ich gebe Ihnen vollkommen Recht, wenn Sie eingangs erwähnt haben – und es freut mich, dass das auch schon in den Köpfen der Bundes­regierungs­mitglieder drinnen ist –, dass die Menschen ein sozialeres Europa, aber auch ein sozialeres Österreich wollen.

Aber da stellt sich mir – und ich bin überzeugt, nicht nur mir – die Frage: Was haben Sie beziehungsweise was hat diese Bundesregierung konkret getan, um die soziale Schieflage in Europa in den Griff zu bekommen? Ich sage: Gar nichts habt ihr getan! Das Einzige, was Sie machen, ist, dass Sie sich tagtäglich bejubeln lassen und den Österreicherinnen und Österreichern erklären, dass alles eitel Wonne ist. Aber da frage ich mich – oder ich frage die Menschen vor den Fernsehern zu Hause –: Kann man wirklich jubeln, wenn in der Europäischen Union 32 Millionen Menschen und in Österreich immerhin 300 000 Menschen Arbeit suchen? Oder kann man jubeln, wenn in Österreich 70 000 Jugendliche ohne Arbeit sind? (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Da Frau Partik-Pablé vorhin gemeint hat: Super, wir sind das drittreichste Land in Europa!, muss ich sagen: Davon kann keiner etwas abbeißen, das ist kein Grund zu jubeln, meine Damen und Herren! Im Gegenteil: Ihre Ausführungen haben aufgezeigt, wo wir uns vom politischen Inhalt her trennen.

Faktum ist, dass Sie nichts, aber schon gar nichts getan haben für eine aktive Arbeits­marktpolitik, damit es den Menschen in Europa wieder besser geht. (Abg. Amon: Wer hat denn die Maßnahmen beschlossen?) Und dann wundern wir uns, wenn 60 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher eine negative Einstellung zu Europa haben. Das ist doch kein Wunder! (Abg. Amon: Wer hat die Maßnahmen beschlossen? – Abg. Großruck: Reden Sie von der BAWAG oder vom ÖGB? Wovon reden Sie?)

Habt ihr eurem Bundeskanzler einmal zugehört? Die Menschen mit Mindestpensionen haben heute weniger im Geldtaschel als noch vor fünf, sechs Jahren (Abg. Großruck: Reden Sie von den Arbeitnehmern im ÖGB, die jetzt gekündigt werden?), und der Herr Bundeskanzler stellt sich hin, trotz der vielen arbeitslosen Menschen und obwohl immer mehr Menschen an der Armutsgrenze leben, und sagt, eigentlich gehört der Sozialstaat abgeschlankt.

Frau Ministerin Plassnik setzt da noch eins drauf und sagt, man kann von Europa nicht verlangen, was sich Europa nicht leisten kann, nämlich soziale Sicherheit und Arbeits­plätze. Ich sage, es kommt immer darauf an, wie man das vorhandene Geld einsetzt, und wenn wir es wollen, können wir das von Europa sehr wohl verlangen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck: So viel Geld und so viele Arbeitsplätze, wie die SPÖ bisher vernichtet hat!)

Frau Ministerin Haubner hat auch gesagt, der Jugend müsse ein höherer Stellenwert eingeräumt werden. – Es hält sie ja niemand auf, endlich auch etwas für die Jugend zu tun. Aber anscheinend haben Sie aus den Jugendkrawallen in Frankreich noch immer nichts gelernt. Es kann uns nicht egal sein, wenn unsere Kinder, unsere Enkelkinder dastehen und noch immer keinen Job haben! Es kann uns nicht egal sein, wenn die Jugendlichen keine Zukunftsperspektiven haben und immerhin 70 000 Jugendliche in Österreich noch immer auf einen Job hoffen!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 38

Wo sind denn die Ansätze für überbetriebliche Lehrwerkstätten oder den von uns schon so oft eingeforderten Lastenausgleich, den auch die Frau Kollegin Riener eingefordert hat? (Abg. Großruck: Den haben wir beschlossen bei der BAWAG! Das war der Lastenausgleich!) Außer leeren Phrasen habe ich von Ihnen überhaupt noch nichts gehört. Wir brauchen in Österreich nicht eine Politik, wie Sie sie machen, wir brauchen in Österreich keine Politik – auch auf EU-Ebene nicht (Abg. Murauer: ... wie bei der BAWAG!) –, wo die „G’stopft’n“ immer reicher werden. (Abg. Lentsch: Wie bei der BAWAG!) Wir brauchen eine Politik, wo wieder das Soziale im Vordergrund steht und die Menschen im Mittelpunkt. (Beifall bei der SPÖ.)

11.03


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Dipl.-Ing. Scheuch. Gesamtrestredezeit: 4 Minuten. (Abg. Silhavy: Das ist zu lange!)

 


11.03.20

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche - BZÖ): Das glaube ich, dass 4 Minuten für Sie lang sein können, Frau Kollegin!

Meine geschätzten Damen und Herren, ich möchte vorweg namens meiner Fraktion der Kollegin Haidlmayr natürlich die besten Genesungswünsche übermitteln. Wir hoffen, dass es ihr bald wieder besser geht und sie an der Debatte teilnehmen kann – obwohl natürlich die Debatte bis jetzt nicht sehr gut verlaufen ist.

Herr Kollege Spindelberger, wenn Sie sich hier herausstellen und sagen, es sei so eine schlechte Stimmung in dem Land, und wenn Sie alles krank reden, dann muss ich Ihnen sagen: Diese schlechte Stimmung resultiert nicht aus der Arbeit der Regierung, sondern aus den Problemen, die Sie in Ihrer Partei haben. Die schlechte Stimmung kommt von der BAWAG, die schlechte Stimmung kommt vom ÖGB (ironische Heiterkeit des Abg. Öllinger), und die schlechte Stimmung kommt vielleicht auch vom Kollegen Öllinger, der sich dreimal hier herausstellt und immer nur sagt, was nicht passt.

Es schaut nicht so schlecht aus in diesem Land. Es geht uns nicht so schlecht, wie viele glauben. Das ist nicht wahr, das stimmt einfach nicht! (Beifall bei den Frei­heitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Frau Kollegin Weinzinger, Sie waren heute eine der Ersten, die sich da herausgestellt haben. Ihre Frust-Reden sind mittlerweile bekannt im Haus (Abg. Öllinger: Hallo!), aber dass Sie sich hier um meinen Arbeitsplatz Sorgen machen, Frau Kollegin Weinzinger, ist nicht notwendig. Sie brauchen sich um meinen Arbeitsplatz keine Sorgen zu machen, denn unsere gute Arbeit wird bestätigt werden! Wir werden weiter in dieser Regierung sitzen und weiter dazu beitragen, dass Sie mit Ihrem Jammern und Krankjammern nicht von der Stelle kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Ich persönlich bin erst das vierte Jahr hier, ich habe die ersten zwei Jahre dieser Koalition nicht miterlebt, aber: Sechs Jahre lang krankjammern, sechs Jahre lang keine Perspektive, sechs Jahre lang keine Lösungsvorschläge, das ist irgendwann er­drückend! In Wirklichkeit hat es die Opposition, speziell die SPÖ – es freut mich, dass Herr Dr. Gusenbauer jetzt auch da ist –, in den letzten Jahren ein einziges Mal zu einem medialen Highlight gebracht, und dieses mediale Highlight ist die BAWAG. Es ist und bleibt die BAWAG!

Jetzt hat man mittlerweile den Gesamtverlust der BAWAG errechnet: 3,5 Milliarden €! (Oje-Rufe bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP. – Abg. Dr. Stummvoll: Wie viel Schilling sind das?) Meine geschätzten Damen und Herren! Das sind 50 Milliarden


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 39

Schilling, über 50 Milliarden Schilling sogar! (Ruf bei der ÖVP: Das gibt’s ja nicht!) Und dann stellt sich Frau Kollegin Csörgits hier her und spricht von Mindestlöhnen, spricht von Arbeitsplätzen. – Frau Kollegin Csörgits! Da hätte man zigtausende Arbeitsplätze schaffen können! Mit 50 Milliarden Schilling hätten wir über 100 000 Arbeitsplätze schaffen können. Da hätten wir die Diskussion gar nicht, dass wir – natürlich – zu viele Arbeitslose haben.

3,5 Milliarden € in der Karibik zu versenken und dann zu sagen: Ich habe nichts damit zu tun! – ich habe letztes Mal einen Ordnungsruf bekommen, weil ich das arrogant genannt habe. Ich werde das heute nicht mehr tun, aber es ist wirklich zumindest überheblich, sich hier herzustellen, Kindesweglegung zu betreiben und so zu tun, als ob nichts wäre.

Zurück zum sozialen Europa. – Es sind heute bereits viele Dinge genannt worden. Dieser Diskussionsprozess um ein soziales Europa, diese Arbeitsplatzdiskussion, diese Spannungsfelder, die heute schon erwähnt wurden, das alles gibt es, gar keine Frage. Natürlich gibt es auf der einen Seite die Sorge, dass wir zwar länder­über­greifende Probleme haben, auf der anderen Seite aber nur nationale Strategien, die dagegen wirken. Und deshalb muss es die Diskussion geben, deshalb wird es auch wichtig sein, andere Bereiche auszudiskutieren, die damit in Verbindung stehen: Integrationspolitik, Zuwanderung; wie viel Prozent der Arbeitslosen, speziell in Europa, sind denn zugewanderte Menschen, wie viele dieser Menschen haben welche Aus­bildung, wie kann man hier gegensteuern? Das wären Strategien, die man auf europäischer Ebene entwickeln muss, aber wir sind diesbezüglich auf nationaler Ebene gefordert. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) – Frau Präsidentin, ich komme schon zum Schlusssatz.

Es hat sich einmal mehr in dieser Debatte gezeigt: Während die SPÖ und die Grünen jammern, arbeiten wir – wir verändern Europa, wir gestalten Österreich, und das wird so bleiben. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

11.07


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Dr. Leutner. Wunschredezeit: 4 Minuten; Gesamtrestredezeit für den SPÖ-Klub: 6 Minuten. – Bitte.

 


11.07.53

Abgeordneter Dr. Richard Leutner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Wir waren jetzt gerade Zeuge einer weiteren Rede am heutigen Vormittag ohne jeglichen Bezug zur Europäischen Union und ihren sozialen Problemen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Wenn Sie geschlafen haben, ist das Ihr Problem! Guten Morgen!) Lieber Herr Kollege Scheuch! Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Wir kümmern uns um den ÖGB – und Sie kümmern sich um das Massen­grab der Abfangjäger und der Hypo Alpe-Adria, Herr Scheuch! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) Dann sind Sie nämlich genug beschäftigt. Gehen wir einmal so vor! (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP. – Abg. Scheibner: Wer zahlt denn die 900 Millionen? Zahlen Sie die 900 Millionen?! Da gehört was dazu! – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren, das ist heute noch nicht der Tag der Bilanz der Bundes­regierung in der Sozialpolitik. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.) Aber schon jetzt haben wir folgende Ergebnisse, und ich bitte Sie, mir ein wenig zuzuhören. Ich glaube, das ist ein Akt der Höflichkeit.

400 000 Arbeitslose hatten wir im Winter, und da kommen Sie heraus und sagen: Die Menschen in Österreich haben eine Chance!? Die Realeinkommen der Arbeit­neh-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 40

merInnen stagnieren in diesem Land (Abg. Ellmauer: Das glaubt Ihnen ja niemand!), aber nicht wegen der Lohnpolitik, sondern infolge der Belastungen durch diese Bun­desregierung, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Und die Realeinkommen der Pensionisten sind nicht gestiegen oder gehalten worden, sie sind um 11 Prozent zurückgegangen. (Abg. Dr. Stummvoll: Ja, ja, alles ist schlecht!) Das ist die Realität, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

In Wirklichkeit sieht man an diesen Ergebnissen, dass es viel kälter geworden ist in diesem Land. Frau Bundesministerin Haubner, wenn Sie heute in Ihrer Rede die Pensionsreform als Erfolg bezeichnet haben, so ist das aus Ihrer Sicht legitim (demonstrativer Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ), aber die Menschen haben das in den letzten Monaten anders empfunden, und die Giftzähne dieser Pen­sionsreform müssen in den nächsten Monaten und in der nächsten Legislaturperiode gezogen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin Haubner, lassen Sie mich doch jetzt auch zu den europäischen Themen kommen. Frau Bundesministerin, mir war diese Regierungserklärung in Sachen „Soziales Europa“ heute nicht ausreichend. Das war ein recht abstraktes Gemälde, das heute von den Regierungsfraktionen hier gemalt worden ist. Sie haben viel interpretiert, Sie haben Einzelpunkte angesprochen (Abg. Scheibner: Ein Trauer­spiel ist das! – weitere Zwischenrufe), aber Sie haben nicht gesagt, was Sie in Europa ändern wollen, Frau Ministerin, und das wäre gerade jetzt so wichtig, denn Europa und Österreich müssen wieder sozialer werden, meine Damen und Herren. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Da kann man schon aktuell auch Kritik an der Politik der Europäischen Kommission üben, denn die ursprünglichen Vorschläge zur Dienstleistungsrichtlinie haben ja viel Vertrauen in Europa verspielt, weil ganz einfach nicht deutlich geworden ist, dass der europäische Binnenmarkt auch Solidarität bedeuten muss. Wir dürfen den Binnenmarkt nicht dahin gehend vervollkommnen, dass Lohnstandards und soziale Standards in Europa gefährdet werden! Ich bin froh darüber, dass der Wirtschaftsminister nicht die Alleinverantwortung über die Ausgestaltung der Dienstleistungsrichtlinie hat über­nehmen können (Abg. Lentsch: Sondern wer? Der ÖGB?), denn dann hätten wir heute ein anderes Ergebnis und die soziale Sicherheit wäre in hohem Maße gefährdet. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schöls: Fristlose Entlassungen ...!)

Meine Damen und Herren, zum Abschluss sei eines noch ganz kurz gesagt: Ich glaube, wir dürfen, gerade was die soziale Ausgestaltung Europas betrifft, die Hände nicht in den Schoß legen, wir müssen die Politik aktiv gestalten. Dann gibt es eine Zukunftsperspektive für Österreich und auch für Europa. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.12


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Mag. Molterer. Gesamtrestredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


11.12.38

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit Sie wissen, wer jetzt gesprochen hat: Das war der Leitende Sekretär des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ), jenes Gewerkschaftsbundes, meine Damen und Herren, der laut Medienberichten 3 bis 3,5 Milliarden € in den Sand gesetzt hat (Oje-Rufe bei der ÖVP), jenes Gewerkschaftsbundes, der mit Mitgliedsbeiträgen seiner Gewerkschafts­mitglie­der, meine Damen und Herren, mit den kleinen Einkommensbeziehern, die eigentlich geglaubt haben, in der Gewerkschaft einen Schutz zu haben, mit den Gewerk­schafts-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 41

geldern spekuliert hat und sie verspekuliert hat, jenes Gewerkschaftsbundes, meine Damen und Herren, wo sich die roten Gewerkschafter ganz offensichtlich Pensions­privilegien zugeschanzt haben (Abg. Steibl: Das verdrängen sie!), jenes Gewerk­schaftsbundes, meine Damen und Herren, wo die roten Verantwortungsträger die doppelten Abfertigungen kassiert haben. Und der Leitende Sekretär eben dieses Gewerkschaftsbundes stellt sich da heraus und redet über soziale Verantwortung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ. – Abg. Steibl – in Richtung SPÖ –: Eine Frechheit! Eine bodenlose Frechheit!)

Ich sage Ihnen noch einmal: Soziale Verantwortung hat auch und vor allem damit zu tun, mit dem anvertrauten Geld richtig umzugehen. Der Gewerkschaftsbund und die roten Verantwortungsträger haben das nicht getan. Ganz im Gegenteil: Sie haben in unverantwortlicher Weise mit den Mitteln der Gewerkschaft Spekulation betrieben, haben Haftungen übernommen, und jetzt muss der Steuerzahler dafür einspringen. Das ist die Wahrheit. Mit sozialer Verantwortung hat das nichts zu tun! (Lebhafter Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

11.14


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Dr. Cap. Gesamtrestredezeit: 2 Minuten. – Bitte. (Abg. Silhavy in Richtung des sich zu seinem Sitzplatz begebenden Abg. Mag. Molterer –: Unglaublich, diese Men­schenverachtung!)

 


11.14.45

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Klubobmann Molterer, ich spreche Ihnen einfach das Recht ab, hier über soziale Verantwortung zu sprechen! (Lebhafter Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben die Rekordarbeitslosigkeit in diesem Land zu verantworten! Sie haben diese katastrophale Wirtschaftsbilanz zu verantworten! Sie haben zu verantworten, dass Sie für Wirtschaftswachstum und für Beschäftigung nichts gemacht haben! – Und Sie stellen sich hier her und spielen anti-gewerkschaftliche Emotionen hoch!? Das ist ein Skandal, was Sie hier vertreten haben! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

Dann sagen Sie gleich, dass es Ihnen gar nicht um das geht, was Sie angesprochen haben! Sagen Sie gleich, Sie wollen hier in Österreich keine Sozialpartnerschaft mehr! Sagen Sie gleich, Sie wollen in Österreich keine starken Gewerkschaften mehr! (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Und ich sage Ihnen noch etwas: Mich wundert, dass Herr Neugebauer mitapplaudiert hat da drinnen, der hier heraußen immer den Gewerkschafter spielt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihnen sind die Anliegen der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine Anliegen, so wie Ihnen in Wirklichkeit auch die wirtschaftliche Entwicklung kein Anliegen war und wie Ihnen in Wirklichkeit auch das Leben der kleineren und mittleren Unternehmer kein Anliegen war. Sie vertreten nicht mehr Österreich! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

11.16


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. (Anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ, ÖVP sowie Freiheitlichen – BZÖ. – Präsidentin Mag. Prammer gibt wieder­holt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren, ich ersuche dringend um ausreichende Aufmerksamkeit!

Wir gelangen zu den Abstimmungen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 42

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Einem, Kolleginnen und Kollegen betreffend Initiative der Bundesregierung für eine EU-Rahmenrichtlinie zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist somit abgelehnt.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Dr. Stummvoll, Walch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dienstleistungen und Daseinsvorsorge.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 183.)

11.18.00 2. Punkt

Europäische Sicherheitspartnerschaft

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum Themenbereich Euro­päische Sicherheitspartnerschaft.

Ich erteile Herrn Abgeordnetem Dr. Spindelegger das Wort. Gemäß § 74b Abs. 3 der Geschäftsordnung darf diese Wortmeldung nicht länger als 10 Minuten dauern. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


11.18.27

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Innenministerin! Frau Bundesministerin Haubner! Meine Damen und Herren! Wir von der Österreichischen Volkspartei haben für unseren Themen­bereich in der Europadebatte ein Thema gewählt, das lautet: europäische Sicher­heits­partnerschaft. Und das aus zwei Gründen: Zum einen, weil wir von der Österreichischen Volkspartei dem Thema Sicherheit insgesamt einen sehr hohen Stellenwert einräumen, und zum Zweiten, weil die europäischen Herausforderungen in diesem Rahmen immer stärker werden und wir gerade jetzt, während der EU-Präsidentschaft Österreichs, mit unserer Innenministerin dort auch Zeichen setzen können, die die Europäische Union in ihrer Fortentwicklung im Dienste der Sicherheit der Bürger voranbringen. Darüber freue ich mich, und ich gratuliere jetzt schon der Frau Innenministerin Prokop zu ihren Initiativen, die, wie ich meine, jetzt schon eine gute Wirkung entfalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte diese Frage der Sicherheit Europas in drei Facetten beleuchten, die mir besonders wichtig erscheinen:

Wie bekämpft man heute die Erscheinungsformen der Kriminalität – die Eigen­tums­kriminalität, die auch in Österreich spürbar ist, den Menschenhandel und die Drogenkriminalität, wo leider auch wir in Österreich, und gerade die Jugendlichen, in Mitleidenschaft gezogen werden?

Die europäische Herausforderung dahinter ist, dass wir durch den großen Schengen-Raum ein ungeheures Maß an Bewegungsfreiheit haben, das wir alle schätzen, aber diese große Bewegungsfreiheit bedeutet auch, dass sich Kriminalität entfalten kann in einer Art, wie wir sie nicht akzeptieren können. Deshalb ist es notwendig, hier gemein­same europäische Initiativen zu setzen, weil wir diesen Erscheinungsformen, die für unsere freie Gesellschaft, die für dieses Europa einfach nicht akzeptabel sind, mit allen Mitteln begegnen müssen.

Ich begrüße es daher besonders, dass die Europäische Union sich schon 2004 im Haager Programm und danach im Aktionsplan 2005 des Rates dazu entschlossen hat,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 43

gemeinsam bis zum Jahr 2010 verschiedene Ziele konsequent zu verfolgen. Es freut mich ganz besonders, dass die Frau Innenministerin gerade im Zuge unserer Prä­sidentschaft auch gezeigt hat, wie man hier als mittleres Land in dieser Europäischen Union nicht nur Zeichen setzen kann, sondern das wirklich mit entsprechenden konsequenten Schritten nach vorne bringen kann.

Gerade Frau Innenministerin Prokop hat es während unserer Präsidentschaft ge­schafft, mit unseren Nachbarländern entsprechende Übereinkommen zu schaffen, denn das Entscheidende ist ja, dass dort, wo diese kriminellen Entwicklungen ihren Ursprung haben, schon dagegen vorgegangen wird, meine Damen und Herren. (Abg. Dr. Puswald: Ist das schon die Sonntagsrede?)

Die Kollegen Puswald & Co haben für dieses Thema nichts übrig. – Großartig! Darin unterscheiden wir uns. (Beifall bei der ÖVP.) Wir von der Österreichischen Volkspartei wollen Sicherheit – und das wollen Sie von der SPÖ ganz offensichtlich nicht! (Abg. Dr. Puswald: Leere Worte, sonst gar nichts! Sie sollten arbeiten!) Sie reden lieber über etwas anderes. Beschäftigen Sie sich mit Ihren Fragen – und lassen Sie uns im Sicherheitsbereich konsequent weiterarbeiten! Ich glaube, das ist ein guter Unterscheidungstenor, den wir da finden können. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte darauf hinweisen, dass es gerade Frau Innenministerin Prokop als Rats­vorsitzende geschafft hat, gemeinsam auch über die Europäische Union und die Nachbarländer hinaus mit den Westbalkan-Staaten, sich mit Russland in einer gemein­samen Konferenz darauf festzulegen, dass man gemeinsam Kriminalität bekämpfen wird. Ich halte das für gut und richtig, und ich freue mich auch, dass das schon erste Wirkungen zeigt.

Schauen wir uns die Kriminalitätsstatistik bei uns an: Gerade was Täter aus dem unmittelbaren Ausland, den Oststaaten anlangt, sind die entsprechenden Zahlen bereits gesunken. Schauen wir uns die Entwicklung bei der Eigentumskriminalität an: Die Zahlen sind gesunken! Ich komme aus dem Bezirk Mödling, wo wir ein großes Shopping-Center haben, die Shopping City Süd. Wir konnten im Jahre 2005 in diesem Bezirk um insgesamt 20 Prozent weniger Kriminalität verzeichnen, gerade was Eigentumsdelikte angeht: eben auf Grund dieser konsequenten Arbeit der Frau Ministerin. (Beifall bei der ÖVP.)

Eine zweite große Herausforderung, meine Damen und Herren, ist die Bekämpfung des internationalen Terrorismus unter europäischen Gesichtspunkten. Auch das er­scheint uns besonders wichtig, denn wir dürfen uns keiner Illusion hingeben: Auch wir in Europa sind sicher Ziel so mancher Anschläge. Wir haben in Spanien gesehen, wir haben in London gesehen, welch blutige Bilanz in diesem Zusammenhang zu ziehen ist und mit welchen Mitteln Terroristen gegen jede Art von Ziel vorgehen. Das können wir einfach nicht akzeptieren! Und daher ... (Abg. Dr. Puswald: Dann sollten wir etwas tun dagegen, nicht reden!) – Ja, lieber Herr Kollege, wir tun auch etwas dagegen; ich komme gleich dazu. Ich freue mich, dass Sie so viel lernen können in dieser Europa-Stunde der Volkspartei. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Puswald: Von Ihnen nicht! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Die wollen nicht lernen!)

Meine Damen und Herren, das Thema Terrorismusbekämpfung ist nicht eines, das vor der großen Öffentlichkeit, lieber Herr Kollege Puswald, ausgebreitet werden kann, son­dern sozusagen „hinter dem Vorhang“ durch eine sehr konsequente gemeinsame Arbeit, durch eine sehr konsequente Zusammenarbeit vor allem der Dienste zu erfolgen hat, damit so etwas im Vorhinein verhindert wird, damit diese Terrorzellen entsprechend überwacht werden und gar nicht dazu kommen, die von ihnen geplante Kriminalität und diese blutigen Taten in die Tat umzusetzen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 44

Das halte ich für sehr wichtig, und Frau Bundesministerin Prokop hat auch im Rahmen unsere Vorsitzes dazu beigetragen, dass diese gemeinsamen Anstrengungen mit besonderer Vehemenz verfolgt werden. (Abg. Dr. Puswald: ... eine Fehlinterpretation!)

Ich möchte an dieser Stelle den Damen und Herren danken, die im Rahmen der österreichischen Exekutive, die auch im Rahmen des Innenministeriums und der nachgeordneten Dienststellen, „hinter dem Vorhang“ sozusagen, dafür sorgen, dass Österreich sicher bleibt. Ich halte das für eine ganz wichtige Danksagung der gesetzgebenden Körperschaft in Österreich an diese Damen und Herren, weil viele von ihnen gar nicht vor den Vorhang gebeten werden wollen. (Abg. Dr. Puswald: Das verstehe ich! Ich möchte das auch nicht an ihrer Stelle!) Wir bedanken uns dafür, dass wir in Österreich bisher davor verschont blieben. Das ist zurückzuführen auf diese konsequente Arbeit im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger, und ich bedanke mich dafür. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Ich möchte die dritte große Herausforderung für die Zukunft unter Sicherheits­gesichts­punkten sehen, und zwar in der Frage: Wie bekämpfen wir illegale Formen der Migration? Wie bekämpfen wir einen Missbrauch, der leider heute auch gang und gäbe ist?

Wir erfahren tagtäglich aus den Nachrichten, welcher Druck hier auf ganz Europa ausgeübt wird, von Süden bis Osten. Auch über alle Flughäfen wird versucht, in die Länder der Europäischen Union einzuwandern – mit illegalen Mitteln. Ich glaube, dass wir uns als Europäer insgesamt auch dazu bekennen müssen, dass wir nicht für alle offen sein können. Das sind wir auch unseren Bürgerinnen und Bürgern schuldig. Es darf nicht eine völlig schrankenlose Zuwanderung geben, wir dürfen nicht zu einem Kontinent werden, wo sich jeder herumtummeln kann. Das geht nicht, das wollen auch unsere Bürgerinnen und Bürger nicht – und darum bedarf es dazu auch einer konsequenten Vorbereitung, damit wir für die offen sind, die Asyl brauchen, aber gleichzeitig mit aller Vehemenz sagen, jeder Missbrauch wird von uns nicht geduldet, sondern geahndet, meine Damen und Herren. Das sind unsere Grundsätze, die wir verwirklichen wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich freue mich daher und begrüße es, dass sich die Europäische Union dazu bekannt hat, bis 2010 ein gemeinsames Asylwesen aufzubauen, Regeln, nach denen vorge­gangen wird, in der Europäischen Union in die Tat umzusetzen. Ich freue mich, dass das Schengen-Informationssystem II in Betrieb genommen werden soll, dass sich die Europol auch stärker zur Zusammenarbeit bekennt und wir das auch nutzen, und ich halte noch einmal besonders fest, dass auch unserer Frau Bundesministerin, die Sicherheitsministerin in Österreich, Liese Prokop, durch ihre konsequente Arbeit dazu beiträgt, dass wir uns auch auf diesem Gebiet sicher fühlen können, denn mit einem neuen Asyl- und Fremdenrecht haben wir gute Voraussetzungen dafür. Ich möchte ihr an der Stelle auch durchaus Mut machen (Abg. Öllinger: Mut? Sie wollen ihr Mut machen?) und ihr sagen, dass ihre Aussagen, gerade auch was die Diskussionen der letzten Wochen betroffen hat, richtig sind. Man muss mit wachen und offenen Augen auf die Probleme zugehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich erachte es als geradezu absurd, wenn man einer Innenministerin, die für dieses Fachgebiet zuständig ist und Verantwortung trägt, vorwirft (Abg. Dr. Puswald: Dann sollten Sie auch fachliche Kompetenz beim Lesen von Berichten an den Tag legen!), dass sie nicht mit der Sensibilität, die Sie auf diesem Gebiet vielleicht haben wollen, vorgeht, sondern auch das offen anspricht, was wir alle ohnehin sehen, nämlich, dass in Österreich Personen unterwegs sind, die sich nicht integrieren wollen. Und das kann eine Gesellschaft wie die unsere nicht dulden. Ich möchte das hier ganz eindeutig festhalten. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 45

Ich glaube, dass derjenige, der sich in Österreich niederlässt, unsere Regeln akzep­tieren muss (Abg. Öllinger: Welche?), aber nicht nur das geschriebene Recht, sondern auch die Regeln unserer Gesellschaft, wie wir leben. Das ist eine Grundvoraussetzung, zu der sich eigentlich alle bekennen müssten.

Ich möchte daher der Frau Bundesministerin nicht nur Mut zusprechen, sondern mich auch für ihre konsequente Arbeit bedanken. Sie hat in den fünf Monaten, die wir die EU-Präsidentschaft innehaben, hervorragende Arbeit geleistet, auch unter euro­päischen Gesichtspunkten.

Frau Bundesministerin, wenn wir genau auf diesem Weg konsequent fortschreiten, können wir nach wie vor unter österreichischen, aber auch unter europäischen Ge­sichtspunkten sagen: Österreich ist ein sichereres Land auf einem sicherem Kontinent. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

11.28


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Abgabe einer einleitenden Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Prokop zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht übersteigen. – Bitte, Frau Ministerin.

 


11.28.36

Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte im Rahmen dieser Debatte über europäische Sicherheitspartnerschaft grundsätzlich betonen, dass es der einzige Weg ist, enge Partnerschaft zu pflegen, um innere Sicherheit auf breiter, auf gesamteuropäischer Ebene auch wirklich gewährleisten zu können.

Fast alle Herausforderungen in unserer Zeit sind internationale Probleme: der inter­nationale Terrorismus, grenzüberschreitende Kriminalität, globale Phänomene der illegalen Migration. Es sind nur einige Beispiele, die ich hier angeführt habe.

Das Bundesministerium für Inneres verfolgt seit geraumer Zeit eine internationale Strategie der Kooperation und der Partnerschaft auf drei Ebenen. Das ist erstens einmal die enge Sicherheitspartnerschaft mit den Ländern der Nachbarschaft, im unmittelbaren Umfeld; das ist von ganz besonderer Bedeutung für die innere Sicherheit. Die Grundlage dafür sind moderne Staatsverträge mit fast allen Anrainer­ländern. Diese haben zu einer ganz neuen Qualität der Zusammenarbeit geführt und diese Zusammenarbeit erst ermöglicht.

Die zweite Ebene ist der Bereich der europäischen Polizeikooperation. Hier können wir uns in die Schrittmachergruppe der Europäischen Union einordnen; es sind dies die Benelux-Staaten, Deutschland, Frankreich, Spanien. Wir haben gemeinsam die Grundlage zum Prümer Vertrag erarbeitet; dieser wurde erst vor kurzem hier im Parlament diskutiert. Der Austausch von DNA-Daten und Fingerabdrücken ist etwas, was darin klar definiert ist. Es gibt bereits großes Interesse von anderen Ländern, sich insbesondere beim DNA-Datenaustausch anzuschließen. Wir haben den Zugriff auf die Kfz-Register der Partnerländer. Wir haben eine Partnerschaft bei der Sicherung von Großveranstaltungen und den Austausch von Informationen bei terroristischen Gefährdungen.

Aber ganz wichtig war es auch, dass wir die Datenschutzbestimmungen abgestimmt haben. Ich danke hier wirklich für die großartige Kooperation! Ich habe dieses Modell, das wir ausgearbeitet haben, sehr bewusst auch in unsere Präsidentschaft mit ein­gebracht, für weitere Informationssysteme in der polizeilichen Zusammenarbeit wie das Schengen-Informationssystem oder das Visa-Informationssystem. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.) Ich möchte mich wirklich für die breite Partnerschaft hier im Parlament bedanken.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 46

Der dritte Teil ist die Kooperation im Rahmen einer internationalen Strategie. Dabei arbeiten wir gezielt mit Partnern der Region im weiteren Umfeld insbesondere hin­sichtlich der Sicherheitsprobleme zusammen. Besonders wichtig ist in diesem Zusam­menhang die Kooperation mit Staaten im Osten und Südosten Europas, in den unmittelbaren Herkunfts- und Transitbereichen von Sicherheitsproblemen. Die erste Priorität haben wir dort auf die Länder des Westbalkans gesetzt, mit denen wir schrittweise Sicherheitspartnerschaften aufgebaut haben und aufbauen.

Wir haben diese internationale Strategie der Kooperation mit den drei Schwerpunkten, die ich angeführt habe, in den letzten Jahren sehr intensiv gepflegt, und man kann wirklich sagen: Sie hat sich bereits bewährt! Wenn ich nur die Salzburg-Gruppe heranziehe – wir sind gestern wieder in einer Tagung in Bratislava zusammen gewesen –: Die Slowakei, Slowenien, Tschechien, Polen und Ungarn waren zusam­men mit Österreich deren Gründer, sie sind heute EU-Mitgliedstaaten, und wir haben beschlossen, dieses Konzept weiter auszubauen. Wir haben zusätzlich Rumänien und Bulgarien sowie gestern auch Kroatien aufgenommen, um diese Kooperation, diese Vorbereitung für die Zusammenarbeit in Europa, in einem mitteleuropäischen Kontext zu sehen.

Ich glaube, dass auch der Erfolg bereits messbar ist und dass sich Verbesserungen der Situation in Österreich zeigen. Dies betrifft etwa die konkreten Rückgänge der Zahlen im Bereich der fremden Tatverdächtigen. Ich sage ganz bewusst, man muss dazu auch Zahlen nennen. Wenn man Statistiken immer wieder anzweifelt, so macht man vor allem jenen einen Vorwurf, die diese Statistiken führen. Das empfinde ich immer als sehr ungerecht, weil es unsere Beamten sind, unsere Exekutivbeamten, die mit enormem Engagement ihre Arbeit machen. Daher bitte ich wirklich, es so zu sehen, dass diese Zahlen ein Instrument der Hilfe und Arbeit sind. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ und des Abg. Dr. Bauer.)

Nur um jetzt die Fälle hier aufzuzeigen: In den ersten vier Monaten des Jahres 2006 sind im Fall von Ungarn die Anzeigen im Vergleichszeitraum von 1 052 auf 777 gesunken; bei den tschechischen Tatverdächtigen gibt es einen Rückgang von 311 auf 289, bei den Polen sogar von 1 591, also fast 1 600, auf 863. Dies nur, um ein paar Zahlen zu nennen; das sind Tatsachen, die man nachvollziehen kann. (Abg. Parnigoni: Es kommen ja immer weniger!)

Was heißt, es kommen immer weniger? – Das sind Tatverdächtige aus diesen Län­dern, sie kommen zu Besuch, sie sind frei reisend. Aber wir haben im Rahmen dieser Polizeikooperation neue Möglichkeiten geschaffen, zum Beispiel auch mit den neuen, aktuellen Beitrittsländern.

Hier haben wir gemeinsam mit den Kollegen versucht, das Problem der minderjährigen Taschendiebe aus Bulgarien in einer Schwerpunktaktion anzugehen, und dies hat sich genauso bewährt wie zuvor bei den minderjährigen rumänischen Taschendieben. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Wir haben in beiden Fällen auch eine Wiedereingliederung dieser Jugendlichen ver­sucht, also nicht nur die Tat gesehen, sondern auch versucht, bei der Wiederein­gliederung der Jugendlichen in den Heimatländern mitzuhelfen. Das ist in einer wirklich guten Zusammenarbeit mit der Gemeinde Wien und der Internationalen Organisation für Migration geschehen, und ich bedanke mich für diese Arbeit wirklich aus ganzem Herzen!

Es zeigt sich, dass dieser Erfolg wirklich einen Wert hat, einen Wert für uns alle. Wir haben während unserer Präsidentschaft auch versucht, diesen österreichischen Weg in die internationale Kooperation voll mit einzubringen. Es wird nunmehr auch auf der europäischen Ebene verstärkt die Kooperation mit den Ländern im Umfeld – auch das


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 47

ist im Haager Programm und im Aktionsprogramm definiert – eingeleitet. Insbesondere auf unseren Vorschlag hin haben wir eine Partnerschaft für die Sicherheit zwischen der Europäischen Union und interessierten Drittstaaten initiiert.

Heute kann man berichten, dass wir mit dieser österreichischen Idee sehr erfolgreich waren. Wir haben am 4. Mai 2005 eine sehr große, internationale Konferenz zur inneren Sicherheit hier in Wien gehabt. Daran haben über 50 Minister und Delegierte aus anderen Ländern teilgenommen, aus der Europäischen Union, vom Westbalkan, dem Umfeld der Europäischen Union, aus dem südlichen Mittelmeerraum, aus Russ­land und aus den Vereinigten Staaten. Einen so breiten Dialog der EU mit Drittstaaten im Bereich der inneren Sicherheit hatte es zuvor noch nicht gegeben.

Im Rahmen dieser Wiener Konferenz wurde nicht nur geredet, sondern wir haben ein detailliertes Konzept für eine Partnerschaft der Sicherheit zwischen der Europäischen Union und interessierten Drittstaaten beschlossen; dieses wurde nach langer Debatte, vor allem auch mit dem Mittelmeerraum, einstimmig akzeptiert. Dieses Partner­schaftskonzept – es wird die „Wiener Erklärung“ genannt – wurde festgeschrieben, und es definiert konkrete Ziele, Grundsätze und inhaltliche Eckpunkte der Zusammenarbeit. Ich glaube, wir können es wirklich als einen Meilenstein der europäischen Sicher­heitspartnerschaft bezeichnen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Darauf aufbauend wird es jetzt verschiedene Sicherheitspartnerschaften geben. Eine nimmt bereits deutlich Gestalt an, nämlich jene mit den Westbalkan-Staaten. Diese Partnerschaft liegt natürlich im ureigensten Interesse Österreichs. Der Westbalkan ist eine Herkunfts- und Transitregion von Problemen mit Drogenhandel, Menschenhandel, illegaler Migration, und dies liegt unmittelbar vor unserer Haustür. Wir müssen daher in Österreich besonders daran interessiert sein, dass die Europäische Union mit diesen Ländern aktiv an der Bewältigung dieser Sicherheitsprobleme arbeitet. Wir haben bereits beim informellen Rat im Jänner diesen Schwerpunkt der Partnerschaft mit dem Westbalkan grundsätzlich beschlossen, das heißt, wir haben dies vorgeschlagen, und es wurde auch akzeptiert. In den zurückliegenden Monaten haben unsere Experten laufend Verhandlungen geführt und so diese enge Partnerschaft mit den betroffenen Ländern vorbereitet.

Wir haben eigentlich schon im Vorjahr damit begonnen, als ich eine Reise durch die Westbalkan-Staaten machte und die Minister gebeten habe, sie mögen selbst intensiv ihre Wünsche mit einbringen. Danach hat es zwei Konferenzen der Minister, im Oktober in Brdo und im November hier in Wien, gegeben. Bei der Wiener Konferenz im Mai haben die Westbalkan-Minister neuerlich ihre Positionen einbringen können, und auf Grund dieser EU-Kooperationsstrategie für den Westbalkan, die nunmehr fertig ist, werden wir in der Sitzung am 1./2. Juni dieses Konzept neuerlich diskutieren und, so hoffe ich, auch verabschieden. Ich glaube, dass das eine ganz wichtige Vorbedingung ist. Damit es noch besser funktioniert, wurde bei der Wiener Konferenz im Mai auch eine entsprechende Partnerschaft unter diesen Staaten vereinbart.

Die Westbalkan-Staaten sowie Rumänien und Moldawien haben bei der Konferenz eine Polizeikooperations-Konvention für Südosteuropa unterzeichnet. Diese Zusam­menarbeit mit der Europäischen Union ist ganz dringend herbeizuführen. Wir haben – Deutschland, Österreich, EUROPOL – diese Konvention, den Stabilitätspakt für Süd­osteuropa, ein Jahr lang erarbeitet. Wir waren immer beratend und begleitend für die Kollegen mit dabei, und es ist dies eine ausgezeichnete Basis dafür, die Sicher­heitsstandards in diesen Ländern tatsächlich zu heben.

Mit dieser Initiative werden die Länder deutlich an die europäischen Standards heran­geführt, und die Kooperationsform, wie wir sie in der Europäischen Union schon seit


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 48

langem haben, wird nunmehr auch im Südosten Europas gelten. Es wird ein gegen­seitiger Informationsaustausch gepflogen, gemeinsame Ermittlungsteams sind in grenzüberschreitender Zusammenarbeit unterwegs. Ich glaube, dass wir mit Fug und Recht sagen können, dass der Westbalkan-Schwerpunkt wirklich auf einer guten Basis gesetzt wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Globale Bedrohungen wie der internationale Terror, die organisierte Kriminalität, der Drogen- und Menschenhandel, die illegale Migration sind nur mit globalen Antworten zu lösen. Daher haben wir ein weiteres, äußerst anspruchsvolles Ziel auf die Tagesordnung gesetzt: Wir wollten erstmals einen Dialog zwischen Europa, Russland und den USA im Bereich der inneren Sicherheit in Gang bringen.

Ich freue mich wirklich darüber, dass wir es geschafft haben, am 4. Mai hier in Wien die Innenminister der verlängerten, der erweiterten Präsidentschaft – das heißt, die nächs­ten vier Präsidentschaften waren mit dabei, es geht daher bis 2008, um Konti­nuität bieten zu können – der Europäischen Union sowie die Minister aus Russland und den Vereinigten Staaten an einen Tisch zu bringen. Wir haben mehr erreicht, als wir erwartet haben! Wir wollten dieses Gespräch in die Wege leiten, aber es ist deutlich mehr gewesen, weil dabei eindeutig die Bereitschaft zur Zusammenarbeit zum Aus­druck gekommen ist, das Gefühl, hier einen Mehrwert erzeugen zu können, erreichen zu können.

Europa, Russland und die USA haben versucht, dies auszuloten, und wir haben die Schlüsselprinzipien für ein Konzept zu einer künftigen trilateralen Zusammenarbeit definiert. Es wurden ganz konkret inhaltliche Prioritäten definiert, und wir werden bereits im zweiten Halbjahr ein erstes Expertentreffen dieser Bereiche haben. Die Prioritäten sind Drogenhandel, Dokumentensicherheit und internationaler Terror.

Ich glaube, dass diese Wiener Initiative auch den Beginn einer neuen Form einer globalen Sicherheitskooperation markieren kann. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Es ist dies ein wichtiges Element der europäischen Sicherheits­partnerschaft. Ich möchte, weil es insgesamt sehr viel war, nur schlagwortartig noch weitere Punkte in der Umsetzung des Haager Programms und des Aktionsprogramms nennen. (Abg. Parnigoni: Das geht auf die Fernsehzeit, Frau Ministerin! Sehr „rücksichtsvoll“!)

Asyl und Migration: Auch hier haben wir viele Punkte umgesetzt. Wir werden im Juni bei dieser ... (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Gegenrufe bei der ÖVP.) – Ich werde immer wieder dafür kritisiert, dass das Parlament nichts weiß. Ich bitte, auch diese Punkte noch zur Kenntnis zu nehmen. (Abg. Parnigoni: Sagen Sie es nach 13 Uhr! – Weitere Zwischenrufe.)

Wir werden das Informationssystem über die Herkunftsländer auf den Weg schicken. (Rufe und Gegenrufe zwischen ÖVP und SPÖ.) Wir werden die Herkunftsstaaten-Dokumentation haben, die Rückführungsflüge; das EU-Pilotprojekt „Schutz in der Region“ wird kommen; und wir werden auch die Schengen-Inkraftsetzung in den Kom­missionen abschließen können. (Abg. Parnigoni: Das ist sehr unhöflich! Unerhört! – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich glaube, dass wir damit sehr viel erreicht haben, und ich glaube auch, dass wir damit entscheidend dazu beitragen, dass die Sicherheit in wichtigen Schritten voran­gebracht wird. (Abg. Parnigoni: Das ist unfair, Frau Ministerin!) Dafür hat sich die Präsidentschaft eingesetzt (Abg. Parnigoni: Sehr unfair!), weil in keinem anderen Bereich Kooperation, ehrliche Kooperation so deutlich fühlbar wird wie im Bereich der Sicherheit. (Abg. Parnigoni: Sie respektieren das Parlament nicht!)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 49

Ich glaube, dass wir damit für die Europäische Union, aber auch für Österreich und insbesondere für die Österreicherinnen und Österreicher einen großen Schritt zu mehr Sicherheit gemacht haben. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

11.43


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Die Redezeit ist so, wie bereits bekannt gegeben: Sie darf bei keinem Redner und keiner Rednerin länger als 10 Minuten dauern.

Herr Abgeordneter Kößl, der als Nächster zu Wort gelangt, hat sich für die Redu­zierung seiner Redezeit auf 8 Minuten entschieden. – Bitte.

 


11.44.05

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Geschätz­te Damen und Herren! Wir haben jetzt von der Frau Bundesminister sehr eindrucksvoll die Wichtigkeit der europäischen Sicherheitspartnerschaft dargestellt bekommen. Ich gratuliere dazu sehr herzlich!

Sicherheit hat einen sehr hohen Stellenwert, und wir stehen zu dieser Sicherheit. Es muss nämlich unser aller Interesse sein, dass sich die Menschen sicher fühlen. Sicherheit ist ein zentrales Anliegen der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes und gehört zu den Grundbedürfnissen der Menschen. Sicherheit ist ein bestimmender Faktor auch für die Lebensqualität der Bevölkerung.

Darum ist es wichtig, dass Österreich nicht nur jetzt zu den sichersten Ländern der Welt zählt, sondern dass dieser Sicherheitsstandard auch zukünftig beibehalten wer­den kann. Zwei wichtige Voraussetzungen sind dafür erforderlich: erstens, dass die Rahmenbedingungen für eine bestmögliche Gewährleistung der Sicherheit im eigenen Land vorhanden sind, und zweitens, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich gegeben ist und funktioniert.

Geschätzte Damen und Herren! Österreich hat im Jahr 2000 schnell erkannt, dass durch die geänderten Verhältnisse in Europa – den Wegfall des Eisernen Vorhanges, sodass Österreich vom Rande Europas in die Mitte Europas gerückt ist, die Möglichkeit der Reisefreiheit und die zunehmende Mobilität der Menschen in diesen Ländern – auch die Kriminalität in Europa und natürlich auch in Österreich gestiegen ist. Deshalb mussten in Österreich die Sicherheitsstrukturen so verändert werden, dass wir diesen neuen Herausforderungen gerecht werden können.

Durch die Zusammenführung der Wachkörper, die Installierung eines Bundeskriminal­amtes, die Erneuerung und Modernisierung der technischen Ausrüstung und des Fuhrparks bei der Exekutive, die gesetzlichen Änderungen für die erweiterte Gefah­renerforschung und die Möglichkeit der Videoüberwachung und der Einrichtung von Schutzzonen – um hier nur einige Maßnahmen aufzuzählen – haben wir in Österreich die Hausaufgaben sehr gut gemacht. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Aber eines muss uns klar und bewusst sein: Internationale Kriminalität kann nur inter­national bekämpft werden. Deshalb wurde gleichzeitig mit der Neustrukturierung der Exekutive in Österreich auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit forciert und wurden durch viele Initiativen unserer Innenminister wesentliche Verbesserungen im europäischen Sicherheitsbereich, in der europäischen Polizeiarbeit und in der euro­päischen polizeilichen Zusammenarbeit erreicht.

Hier einige Beispiele und Beweise dafür, dass wir ein starker Motor in diesem Europa sind: Die Installierung von Verbindungsbeamten in unseren östlichen Nachbarländern


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 50

und in weiteren strategisch wichtigen Ländern war ein ganz wichtiger Schritt. Dass wir heute einen europäischen Terrorkoordinator haben, ist auf eine Anregung des österreichischen Innenministers zurückzuführen. Die von der Frau Innenministerin bereits erwähnte Partnerschaft der Salzburg-Gruppe ist jetzt um Rumänien, Bulgarien und Kroatien erweitert worden. Diese enge Zusammenarbeit mit den Ländern der Salzburg-Gruppe bringt jedem dieser Länder ein Mehr an Sicherheit. Das gilt auch für uns, denn je besser die Polizeiarbeit in diesen Ländern ist, desto sicherer leben die Menschen auch in Österreich. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Österreichische Beamte nehmen führende Positionen in europaweiten und weltweiten Polizeiorganisationen wie EUROPOL und INTERPOL ein. Ein Österreicher ist verant­wortlich für den Erkennungsdienst bei INTERPOL. Er hat gemeinsam mit einem Inns­brucker Universitätsprofessor die weltgrößte DNA-Datenbank aufgebaut; diese ist ein Meilenstein für ein Mehr an Sicherheit im Bereich der Aufklärung und Prävention.

Was unsere Arbeit im Schengen-Bereich betrifft, zeigt sich die Wichtigkeit der euro­päischen Kooperation allein schon bei der Verstärkung der gemeinsamen Fahndung. Derzeit sind 15 Staaten miteinander vernetzt, und wir sind darum bemüht – und besonders die Frau Innenminister –, dass auch die neuen EU-Mitgliedsländer und andere Staaten an diesem modernen Fahndungssystem teilnehmen.

Wir sind Mitinitiator des Prümer Vertrages – wie die Frau Innenminister bereits aus­geführt hat –, der die Polizeiarbeit zwischen Österreich, Deutschland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und Spanien noch weiter intensiviert. Dabei geht es um eine schnellere und bessere Verwendung der technischen Vernetzungs­möglichkeiten, die Optimierung des Datenaustauschs und eine wesentliche Erweite­rung der operativen Zusammenarbeit.

Ein besonderer Meilenstein während unserer Präsidentschaft ist die Wiener Konferenz. Wir sind davon überzeugt, dass wir unsere Partner im Sicherheitsbereich auch über die Grenzen der Europäischen Union hinaus suchen müssen. Daher haben wir den Grundstein gelegt für eine Partnerschaft in der Sicherheit zwischen der Europäischen Union und den Drittstaaten, die diese Partnerschaft wollen. Diese Wiener Konferenz ist ein Meisterstück in der Geschichte der Sicherheitsbeziehungen! Noch nie zuvor haben so viele Verantwortliche aus dem Sicherheitsbereich diese Verantwortung mitgetragen und gemeinsam die Probleme im Sicherheitsbereich erörtert. Sehr geehrte Frau Bundesminister, ich möchte dir dazu sehr, sehr herzlich gratulieren! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Hohes Haus! Mit der „Wiener Erklärung“, die im Rahmen der Wiener Konferenz verabschiedet wurde, ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer europäischen Sicher­heitspartnerschaft gelungen. Wir bekennen uns zu einer aktiven Rolle bei der Bekämpfung der internationalen Kriminalität und des Terrorismus. Wir sehen aber auch klar und deutlich die Probleme im Bereich der illegalen Migration, die heute von der Frau Bundesminister auch angesprochen worden ist.

Es liegt in unserer Verantwortung gegenüber der österreichischen Bevölkerung, dass wir gemeinsam mit unserem Partner auf europäischer Ebene in diesem Bereich Kon­zepte und Lösungen erarbeiten. Wir haben ein großes Interesse an einer funktionie­renden europäischen Sicherheitspartnerschaft, und wir werden uns da weiterhin sehr engagiert einbringen, weil sie ein zukunftsorientiertes und nachhaltiges Konzept für eine sichere Heimat ist.

Mit uns ist Österreich in den vergangenen Monaten und Jahren, und besonders auch jetzt während der Ratspräsidentschaft der Europäischen Union, ein Stück sicherer geworden. Ich lade alle in diesem Hohen Haus ein, sich zu diesem Sicherheitskonzept


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 51

und zu einem sicheren Österreich zu bekennen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abge­ordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

11.51

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter  Dr. Josef –, nein, Herr Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer. 8 Minuten Rede­zeit. – Bitte. (Abg. Mag. Molterer: Dr. Josef Gusenbauer? Die Frau Präsidentin tauft um! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist eine Fusion!)

 


11.52.01

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundes­minis­terin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage der europäischen Sicher­heits­partnerschaft und welchen Beitrag jedes einzelne Land leisten kann, ist in der Tat eine der wesentlichen Fragen, die viele Menschen nicht nur bei uns in Österreich, sondern überall in Europa bewegen. Es muss einen klaren Blick für die Herausfor­derungen geben – und auch für die richtigen und möglichen Antworten, die darauf gegeben werden können.

Ganz besonders wichtig scheint es mir zu sein, dass man mit ein paar Irrtümern der Vergangenheit aufräumt. Frau Bundesministerin, Ihr Vorgänger hat geglaubt, man könne mit weniger Polizisten ein Mehr an Sicherheit schaffen. Aber die Kriminalstatistik der vergangenen Jahre mit einer steigenden Anzahl von Delikten und einer geringeren Aufklärungsquote hat gezeigt: Das ist nicht möglich! Wenn man durch Österreich fährt und mit der Bevölkerung und unseren Exekutivbeamten spricht, dann wird man zu der Auffassung gelangen, dass man, wenn man in Österreich ein höheres Maß an Sicherheit will, dafür auch die erforderliche Anzahl von Polizisten braucht. Denn mit weniger Polizisten gibt es nicht mehr Sicherheit, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Das Zweite, was, glaube ich, ganz wichtig ist, ist unser Kampf gegen den Terrorismus. Ich halte es für ganz, ganz wesentlich, dass hier Europa eine gemeinsame Vorgangs­weise hat, auch was unsere Ermittlungs- und Fahndungsmethoden betrifft. Das ist rich­tig und gut, daher hat ja auch das Hohe Haus eine Reihe von gemeinsamen Beschlüs­sen zu diesem Thema gefasst.

Ich finde aber, man muss sich auch darüber im Klaren sein, welchen Beitrag man durch gewisse Maßnahmen zur Steigerung oder zur Reduktion von Terrorismus leistet. Und ich glaube, jeder Krieg im Nahen Osten, jede weitere Destabilisierung von Staaten und Gesellschaften führt zu weiterem Terrorismus, aber nicht zur Reduktion dieses Problems! Daher begrüße ich es, dass eine Reihe von Mitgliedstaaten der Europäischen Union in letzter Zeit erklärt haben, aus diesem Krieg auszusteigen und ihre Truppen zurückzuziehen. Nur mit einer Stabilisierung des Nahen Ostens wird es auch gelingen, den Terrorismus bei uns in Europa effizient zu bekämpfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Dritte ist: Es wurde die Frage der Inte­gration und die Frage des Entstehens von Parallelgesellschaften angesprochen. Es ist ein Problem – überhaupt keine Frage –, dass jede Gesellschaft sich damit aus­einander setzen muss, dass alle Menschen, die auf einem Territorium leben, egal, woher sie kommen, gewisse Werte und gewisse Lebensformen teilen; man muss nicht unbedingt derselben Religion angehören, hier gibt es Pluralismus; aber es soll natürlich auch ein gewisses Verhalten zueinander eine Selbstverständlichkeit in einer Gesellschaft sein. Ich gebe zu, dass es nicht nur um Gesetze, um Werte und um Verfassungsprinzipien geht, sondern auch um das, was manchmal ungeschrieben der Common Sense in einem Land ist. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass man sich das erhält. Nur muss


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 52

man natürlich, wenn man Pflichten fordert, auch die Möglichkeiten zur Integration ge­ben.

Was ich nicht verstehe, ist, wenn man sagt, man will, dass alle, die hier in Österreich leben, sich auch integrieren – das halte ich für richtig –, und andererseits schafft man dann eine Gruppe von Arbeitnehmern zweiter Klasse, nämlich die so genannten Saison­niers, bei denen es gar nicht gewünscht ist, dass sie sich integrieren, weil sie eigentlich nur für eine gewisse Zeit nach Österreich kommen sollen (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen – BZÖ) und hier billig ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen sollen (Abg. Scheibner: Gut angefangen, aber jetzt ist es wieder schlecht!), und man geht davon aus, dass sie dann das Land wieder verlassen – was sie meistens nicht tun –, um sie bei nächster Gelegenheit wieder hereinzuholen.

Mit dieser enormen Erhöhung der Anzahl an Saisonniers – immerhin um rund 20 000; im Jahr 1999 gab es 12 000, jetzt gibt es bereits 32 000 Bewilligungen – wird ganz be­wusst eine Gruppe von Menschen geschaffen, deren ausschließliche Funktion es ist, einen Lohndruck auf dem österreichischen Arbeitsmarkt auszuüben, damit die Men­schen hier härter arbeiten müssen, aber weniger Geld dafür bekommen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist jetzt völlig falsch! Völlig falscher Adressat!) Das, finde ich, ist inkonsequent und unfair, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.)

Daher muss man, so meine ich, konsequent sein. Wenn man sagt, dass man die Inte­gration will, dann soll man nicht Gruppen von Zuwanderern schaffen, für die man von vornherein die Integration ausschließt und die man in Wirklichkeit in die Illegalität drängt.

Ein vierter Punkt, der auch ganz wichtig ist ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Bitte? (Abg. Mag. Molterer: Falsch! Das stimmt nicht!) – Es gibt Verwirrung bei der ÖVP: Sie wollen nicht akzeptieren, dass Sie mit den Lohndrückern, die Sie nach Österreich hereinholen, Unsicherheit unter den Arbeitnehmern in unserem Land schaffen. Das ist außerordentlich schade, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn man mit Recht der Auffassung ist, dass zur Integration ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache erforderlich sind – und es ist notwendig, wenn man in Öster­reich einen sozialen Aufstieg machen will, dass man ordentlich Deutsch kann –, dann muss man dafür sorgen, dass auch die Möglichkeiten dazu gegeben werden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie waren immer dagegen, dass es ein Volksschuljahr vorher gibt!) Wenn Sie seit sechs Jahren die Verantwortung in Österreich tragen und einer Ihrer wesentlichsten bildungspolitischen Missgriffe darin bestanden hat, dass Sie die Anzahl der Begleitlehrer über Jahre reduziert haben (Abg. Kainz: Erhöht haben! Erhöht!), haben Sie damit erreicht, dass das Lernen der deutschen Sprache für Zuwanderer­kinder schwerer möglich ist. Eine ganz katastrophale Fehlentscheidung, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wenn Sie nun knapp vor der Wahl bereit waren, einer Forderung der Landeshauptleute teilweise nachzukommen, indem Sie nämlich vorher reduziert haben und jetzt 300 Begleitlehrer einstellen, dann sage ich Ihnen: Auch die ÖVP-Landeshauptleute sind der Meinung, auch der Herr Kärntner Landeshauptmann ist der Meinung, dass es noch bedeutend zu wenig sind, weil das nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Wenn man die Integration wirklich ernst nimmt, dann muss man den Kindern die Möglichkeit geben, Deutsch zu lernen. Das kann man nur, wenn man die ausreichende Anzahl von Lehrkräften zur Verfügung stellt. (Abg. Kößl: Warum seid ihr dann ... im Staatsbürgerschaftsgesetz?) Das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass alle mehr Chancen bekommen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 53

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daher ist das Thema Sicherheit, soweit es mit Integrationsfragen im Zusammenhang steht, nicht einfach nur eine Angelegenheit für Sonntagsreden, sondern eine Angelegenheit für Maßnahmen, die man dringend setzen muss (Abg. Großruck: Da sind Sie der erste Sonntagsredner!), um das Leben der Menschen in Österreich zu erleichtern, egal, ob sie hier geboren sind oder nicht. Ich finde es einigermaßen stark, dass Sie nach all diesen Versäumnissen der letzten sechs Jahre (Abg. Großruck: Ihr wart ja dagegen!), in denen viele der Probleme, die hier bestehen, durch Ihre Politik geschaffen wurden (Abg. Großruck: Ihr wart gegen ein neues Fremdenrecht! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Seit 30 Jahren!), jetzt, sozusagen in letzter Minute, draufkommen, Sie hätten ein Problem zu lösen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Paradox, was Sie sagen!) Nein, meine Damen und Herren, das wird zu wenig sein!

Wenn man in Österreich die Frage der Integration lösen will, dann muss man die Anzahl der Saisonniers reduzieren, denn das sind Arbeitnehmer zweiter Klasse. (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Weiters muss man die Anzahl der Begleitlehrer erhöhen, damit die Kinder Deutsch lernen können. Und letztendlich muss man auch eine Sicher­heitspolitik machen, die mit mehr Polizisten für mehr Sicherheit sorgt. (Zwischenruf des Abg. Kainz.)

Das wären drei konkrete Beiträge, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

11.59

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Klubobmann Scheibner. Auch Sie haben 8 Minuten Wunschredezeit. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


12.00.40

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche - BZÖ): Frau Präsidentin! Frau Bun­desminister! Herr Kollege Gusenbauer, eines hätte ich mir hier von Ihnen erwartet, und zwar dass Sie nicht wieder sagen, an allem sei die Politik der letzten sechs Jahre schuld, die Bundesregierung habe das alles verursacht, sondern dass Sie ein bisschen mehr Selbstkritik üben und auch eigene Fehler eingestehen. Wenn Sie gerade das ja nicht nur in Österreich vorhandene, sondern europaweite Problem der Integration beziehungsweise der mangelnden Integrationsmöglichkeiten von Zuwanderern in die bestehenden Gesellschaften schon richtigerweise ansprechen, dann sollten Sie aber auch dazusagen, warum diese Probleme entstanden sind.

Diese Probleme sind doch nicht in den letzten sechs Jahren entstanden, sondern die Problematiken, die wir heute diskutieren, sind doch die Folge einer jahrzehntelangen verfehlten europäischen und auch österreichischen Einwanderungspolitik, meine Damen und Herren (Abg. Dr. Puswald – auf die Reihen der ÖVP weisend –: Da sitzen die ...! – Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP), wo man einer Politik der offenen Grenzen das Wort geredet hat, wo man um Arbeitskräfte geworben hat.

Ich kann mich noch an die Worte des Altbürgermeisters Zilk nach der Wende in den osteuropäischen Ländern erinnern, als man dort hingefahren ist und gesagt hat: Kommt alle nach Österreich! Wien ist eine offene Stadt! (Abg. Eder: Das ist ein Unsinn, was du erzählst!) Den dortigen Politikern sind die Grausbirnen aufgestiegen – auf gut Wienerisch – und sie haben gesagt: Ihr werbt uns unsere Leute ab, die wir hier zum Aufbau unserer Gesellschaft brauchen. (Abg. Dr. Puswald – erneut auf die Reihen der ÖVP weisend –: Da waren die Wirtschaftsminister damals!)

Das alles war egal, weil die Ideologie im Vordergrund stand. Das Ideal einer multi­kulturellen Gesellschaft, das ist es ja, meine Damen und Herren, was das Problem gewesen ist: dass man nämlich Sicherheitspolitik und Einwanderungspolitik als ideo­logisches Mittel für die Politik gesehen hat. Und das hat hier eben die Probleme verursacht. Man hat nicht auf die Integrationsmittel geachtet, man hat nicht auf die Zahl


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 54

der Zuwanderer geachtet, man hat nicht darauf geachtet, ob es Schulplätze, Arbeits­plätze, Wohnungen und Freizeiteinrichtungen gibt und ob Sprachkenntnisse vorliegen und Sprachkurse entsprechend organisiert werden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Deutsch­unterricht abgelehnt!) Das alles war völlig egal, wichtig war die multikulturelle Gesell­schaft. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ.)

In einer multikulturellen Gesellschaft ist es eben nicht wichtig, ob die Leute Deutsch können, denn da soll ja jeder für sich selbst leben. Und was ist das Ergebnis? – Heute die Parallelgesellschaft. Das ist das Ergebnis Ihrer ideologischen Ziele einer multi­kulturellen Gesellschaft, weil es keine Integration gegeben hat. Heute leben etwa in Berlin, das immer so als großes Vorbild gepriesen wird, mehrere völlig isolierte Gesell­schaftsschichten nebeneinander, bestehen parallele Gesellschaftsordnungen. Das schafft die Konflikte, das schafft die Probleme.

Geben Sie das doch endlich zu und tun Sie hier nicht so, als ob andere schuld daran wären! Es sind diese linken ideologischen Ziele der siebziger, achtziger und neunziger Jahre, die diese Probleme verursacht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Genau in diese Richtung geht es ja, Herr Kollege Gusenbauer, wenn Sie sagen, die Saisoniers können sich nicht integrieren. – Die brauchen sich nicht zu integrieren, das ist ja auch unser Ziel. Wenn wir auf der einen Seite Arbeitskräfte brauchen und auf der anderen Seite in anderen Ländern ein Arbeitskräfteüberschuss herrscht, dann ist das in Ordnung. Dann sollen diese Arbeitskräfte nach Österreich kommen, die notwendige Arbeit verrichten und nachher wieder in ihre Heimatländer zurückkehren. Da ist Inte­gration nicht notwendig, sie ist auch nicht möglich, sondern das ist ganz einfach eine sinnvolle Politik, wo den Menschen in ihren Ländern eine entsprechende soziale Basis über das Einkommen geschaffen wird und hier bei uns der Arbeitskräftebedarf ge­sichert ist. Das Ganze, ohne die Probleme der Zuwanderung in Kauf zu nehmen. Das verstehen Sie ja leider bis heute noch nicht, aber damit müssen letztlich Sie umgehen. (Abg. Steibl: Wie so vieles andere, was sie nicht verstehen!)

Uns geht es darum, Integration auch wirklich zu betreiben. Wir haben schon in den neunziger Jahren – das haben Sie immer sehr heftig kritisiert – auf die verpflich­tenden Deutschkurse hingewiesen. Wir haben darauf hingewiesen, dass es in den Schulen einen Höchstanteil an Kindern mit nicht deutscher Muttersprache von einem Drittel geben muss. Interessanterweise höre ich das jetzt etwa auch vom Koalitions­partner, aber leider zu spät, denn bei einem Anteil von Kindern mit nicht deutscher Mutter­sprache von 80, 90 Prozent an Wiener Schulen ist dieses Drittel schwer um­setzbar. Wir haben das in den neunziger Jahren gefordert, weil nur eine kleinere Gruppe in eine größere zu integrieren ist. Wenn wir 90 Prozent Kinder mit nicht deutscher Muttersprache haben, wen wollen Sie da wohin integrieren? – Das sind doch die Probleme, die Sie jetzt zynisch kommentieren, die aber Sie verursacht haben. Und darunter leiden jetzt alle.

Es leiden die Österreicher darunter, es leiden die Zuwanderer darunter, weil sie keine Zukunft haben, weil Sie ihnen die Integrationsmöglichkeiten verweigert haben. Das ist die Problematik! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ.)

Ich sage Ihnen: Das ist ein europäisches Problem. Die Sicherheitspolitik insgesamt ist auch nur auf europäischer Ebene in Angriff zu nehmen, ob das bei der Kriminalität ist oder woanders. In Europa brauchen wir auf international organisierte kriminelle Ban­den, die fast militärisch strukturiert sind, die mit bestem Gerät und Personen ausge­stattet und gut ausgebildet sind, die entsprechende Antwort. Das ist nur international zu machen, auch über eine entsprechende Vernetzung der Nachrichtensysteme. (Abg. Dr. Puswald: Abfangjäger!)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 55

Ja, das ist das Einzige, was euch dazu einfällt. Erstens einmal bist du nicht auf deinem Platz, darfst also gar nicht zwischenrufen, und zweitens ist das das Einzige, was euch dazu einfällt. Das Einzige, was ihr zur Antwort geben könnt, sind immer die Abfang­jäger! (Abg. Dr. Partik-Pablé – in Richtung SPÖ –: Reflexartig!) Euch ist es völlig egal, ob sich die Menschen fürchten, weil jeden Tag in den Städten eingebrochen wird. Euch ist es völlig egal, wie man dem internationalen Terrorismus begegnen kann. Euch ist es völlig egal, dass man endlich auch etwas für die europäische Sicherheit einsetzen muss. Für euch sind nur die nächsten Wahlen interessant, und da fällt ihnen nur ein: Abfangjäger, Abfangjäger, Abfangjäger.

Ich sage euch: Seid doch endlich einmal ehrlich, wenn wir schon über europäische Sicherheitspolitik diskutieren! Das nächste Thema wird ja wieder die Neutralität sein, denn etwas anderes fällt der SPÖ bei Wahlen nicht ein: Abfangjäger und Neutralität. (Abg. Dr. Puswald: Das Thema habt ihr ausgesucht!) Und dann sagen Sie, Sie hätten mit all dem nichts zu tun, die europäische Sicherheit interessiere Sie nicht. Darüber halten Sie nur Sonntagsreden, aber ansonsten gefährden alle anderen, die sich damit befassen, die Neutralität.

Sagen Sie doch der Bevölkerung, auch Ihrer Basis, die Wahrheit! Die Realität ist, dass wir selbstverständlich mit der Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union die Verpflichtung eingegangen sind, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union vollinhaltlich ohne jede Ausnahme mitzuverfolgen. (Abg. Dr. Pus­wald: Abfangjäger kaufen!) Das steht im österreichischen Beitrittsvertrag, Herr Kollege! Ich lese es Ihnen vor, wenn Sie es nicht glauben:

Österreich verpflichtet sich, „sich in vollem Umfang und aktiv an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ... zu beteiligen“ und alle Maßnahmen der Europäischen Union vollständig und vorbehaltlos zu übernehmen. – Zitatende. (Abg. Dr. Puswald: Wo steht „Abfangjäger“ drinnen?)

Das hat Österreich im Jahre 1994 unter einem SPÖ-Bundeskanzler unterschrieben. (Abg. Dr. Puswald: Wo steht „Abfangjäger“ im Text?) Im Jahre 1998 hat Österreich unter einem SPÖ-Bundeskanzler die Bundesverfassung dahingehend geändert, dass Österreich ab nun auch an Kampfeinsätzen zur Friedensschaffung ohne UNO-Mandat teilnehmen kann. Und Sie tun dann in den Diskussionen immer so, als ob Sie das alles nicht wollen. Sie wissen ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.) – Das steht nicht drinnen, Herr Kollege Puswald? Wo haben Sie Ihre Anwaltsprüfung gemacht? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: In der Karibik!) Ich zeige es Ihnen dann. Vom Verfassungsrecht haben Sie leider keine Ahnung. Aber das ist diese Verschleierungs­taktik, die Sie immer wieder machen. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Er hat ja kein Mandat mehr! Er ist von der eigenen Partei nicht mehr aufgestellt worden!) Sie verschleiern alles nur, weil Sie Ihre Wahlchancen den Bach runtergehen sehen. Und das ist unverantwortlich!

Selbstverständlich ist es notwendig, dass auch wir einen Beitrag dazu leisten, dass Europa sicherer wird, denn die Sicherheit in Europa ist auch unsere Sicherheit. Wenn in Afghanistan ein Konflikt ausbricht – wir wissen ja, dass von dort die Drogenströme bis zu uns nach Wien, nach Graz, nach Linz und nach Innsbruck kommen –, dann haben wir ein Interesse daran, dass auch Europa an einer Befriedung in diesem Land teilnimmt.

Wir wissen, dass aus den Krisenregionen in Afrika die Menschenhändler Flüchtlinge bis nach Europa bringen, die dann hier auch in Drogenorganisationen eingeschleust werden. Daher haben wir ein Interesse daran, dass auch auf diesem Kontinent Stabi­lität unterstützt wird, und zwar in einem umfassenden System mit Prävention, mit Entwicklungszusammenarbeit selbstverständlich, aber auch mit einem klaren Signal,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 56

dass wir in Europa gemeinsam unsere Werte verteidigen und auch dafür sorgen werden, dass Menschenrechte, wo immer auf der Welt, mit gemeinsamen Mitteln durchgesetzt werden. Das ist europäische Sicherheitspolitik! Da ist ... (Abg. Parnigoni: Die Redezeit ist aber abgelaufen!) – Ich weiß schon, dass ihr das alles nicht gerne hört, aber das ist eben eure Verantwortung.

Wir stellen uns dieser Verantwortung, wir stellen uns auch dieser gemeinsamen Sicherheitspolitik – in der Justiz, im Inneren und in der Landesverteidigung. Sie haben sich davon absentiert, das alles zwar immer wieder im stillen Kämmerlein mit vollzo­gen, aber den Leuten die Unwahrheit gesagt. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

12.09


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


12.10.13

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war jetzt ein weiter oranger Bogen vom Asylrecht bis zur Notwendigkeit der Euro­fighter. (Abg. Parnigoni: Asylwerber mit Eurofightern ...!) Lassen Sie mich mit Letz­terem beginnen.

Wir haben den Verteidigungsminister in einigen Ausschüssen gefragt: Brauchen wir für die innere Sicherheit der Republik Österreich Eurofighter? (Rufe bei der ÖVP: Ja!) Er hat geantwortet: Ja! (Abg. Murauer: Ja! Das ist richtig!) Wir haben gefragt: Für welchen Anlassfall? Er hat gesagt: Vor allem für einen Anlassfall: die Fußball-Europa­meisterschaft 2008. Unsere Fußballstadien müssen mit Eurofightern überwacht wer­den. (Abg. Scheibner: Demagogie!)

Ich möchte das nicht kommentieren, eine bessere Begründung ist dem Vertei­digungsminister im Landesverteidigungsausschuss und in anderen Ausschüssen dazu nicht eingefallen. (Abg. Dr. Brinek: Bürgermeister Schaden hat das gesagt! – Abg. Dr. Stummvoll: ... sagt die Unwahrheit! – Abg. Kößl: Bewusst die Unwahrheit!)

Jetzt stellen Sie sich einmal vor: 4 Milliarden € Steuergelder, die in der Sicher­heitspolitik – und dafür ist die hier sitzende Innenministerin eine gute Zeugin – an allen Ecken und Enden fehlen, werden zur Überwachung des Luftraumes über Fußball­spielen gebraucht! – Das ist absurd, damit sollten wir uns zu Recht nicht länger aufhalten. (Abg. Kößl: Unvorstellbar! – Abg. Großruck: An alle Zuhörer: Pilz sagt die Unwahrheit!)

Ich möchte eines festhalten: Es soll nicht vergessen werden, neben der ÖVP ist auch das BZÖ mit Jörg Haider und Peter Westenthaler die Eurofighter- und Abfangjäger-Partei. (Abg. Kößl: Wir stehen für die Sicherheit! Die ÖVP und das BZÖ stehen für Sicherheit! Ihr seid meilenweit weg von der Sicherheit!) Und dieses – zumindest – politische Kind sollte jetzt nicht schnell weggelegt werden. – Erstens.

Zum Zweiten: Ratspräsident Schüssel hätte eine große Chance in der Sicher­heitspolitik gehabt (Abg. Dr. Cap: Den Pilotenschein zu machen!), nämlich – und da stimme ich Herbert Scheibner durchaus zu – klarzustellen, dass es gemeinsame europäische Prinzipien in der Sicherheitspolitik gibt. Das sind vor allem – selbstver­ständlich! – die Bürger- und Bürgerinnenrechte und die Menschenrechte.

Aber warum akzeptiert es Bundeskanzler Schüssel dann, dass die USA Verträge abschließen, auf dem Gebiet der Europäischen Union alte Lager zu behalten und neue Lager aufzubauen – Lager, von denen in Brüssel und Straßburg von Organen der Euro­päischen Union und des Europarates angenommen wird, dass dort verschleppt und gefoltert wird, Lager, die den Hoheitsrechten der europäischen Staaten und der


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 57

Union entzogen werden? Es wäre das Mindeste, was von einem Ratspräsidenten zu verlangen wäre, dass er die USA und den einen Österreichbesuch planenden amerikanischen Präsidenten darauf aufmerksam macht, dass die Europäische Union keine Lager nach Guantánamo-Zuschnitt der USA in Europa duldet! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wo ist das offene und klare Wort der ÖVP- oder BZÖ-Sicherheitspolitik zu den Raketenstationierungsplänen der USA nahe der österreichischen Grenzen? Wo ist das klare und eindeutige Wort der ÖVP und des BZÖ zu ungeschützten und jedem terroris­tischen Anschlag preisgegebenen grenznahen Atomkraftwerken? Wo gibt es da irgendetwas? (Abg. Scheibner: Da musst du nur nachschauen! Da gibt es genug!)

Da frage ich Sie eines, Herr Kollege Scheibner: Warum nehmen Sie terroristische Bedrohungen, die es gibt, her, um zu rechtfertigen, dass die Handys aller Menschen in Österreich überwacht werden können? Warum nehmen Sie terroristische Bedrohungen her, um zu rechtfertigen, dass grenzüberschreitende Veranstaltungen – etwa von Gewerk­schaftern und Umweltorganisationen – in Zukunft überwacht werden können und personenbezogene Daten von Gewerkschaftern, Gewerkschafterinnen, Attac-AktivistInnen und so weiter ausgetauscht werden können (Abg. Kößl: Du lebst in einem Verfolgungswahn sondergleichen! Unvorstellbar!), aber betreffend ungeschützte Atomkraftwerke, die mit den einfachsten technischen Mitteln in Bayern, in der Slowakei, in der Tschechischen Republik und in Ungarn angegriffen werden können, es noch kein einziges politisches Gespräch zur Sicherheit von Seiten des Innen­ministerium und von Seiten des Bundeskanzlers mit unseren Nachbarn gegeben hat? Da schaut man einfach weg!

Das passt mit der Ökostromgesetz-Beschlussfassung von gestern zusammen. Da, wo es wirklich um Kernprobleme geht – um die europäische Atomindustrie, um die wirklichen Gefährdungen Österreichs etwa durch terrorismusgefährdete Atomkraft­werke –: Wegschauen und sich den Nebensächlichkeiten widmen! Wichtig ist Ihnen: Wie überwache ich die Telefone aller Menschen in Österreich?

Noch eine letzte Bemerkung, weil das eine Debatte ist – und es lohnt sich, darauf hinzuweisen –, bei der es nicht die übliche Frontenbildung hier in diesem Haus gibt. In der Debatte über innere Sicherheit machen wir Grüne seit mehr als einem Jahr die Erfahrung, dass trotz öffentlichen Streits in allen wesentlichen Fragen und in allen wichtigen Gesetzesmaterien ÖVP, FPÖ, BZÖ und SPÖ einer Meinung sind.

Beim Vorhaben, Familien in Österreich auf Basis eines verschärften Asylrechts willkür­lich auseinander zu reißen, gibt es die drei Parteien der Regierung und die SPÖ. Beim Vorhaben, die Schubhaft zu verlängern und immer mehr Personen in Schubhaft zu stecken, gibt es eine Vier-Parteien-Allianz samt SPÖ. Beim Vorhaben, traumatisierte Opfer, die in Österreich um Asyl ansuchen, abschieben zu können, gibt es die große Sicherheitsallianz inklusive SPÖ. Bei der Frage flächendeckender Handy-Überwachun­gen und Rufdatenrückerfassung gibt es die große Sicherheitsallianz inklusive SPÖ. Bei der Frage: Dürfen grenzüberschreitend Daten von GewerkschafterInnen und von UmweltaktivistInnen weitergegeben werden? gibt es die große Sicherheitsallianz von ÖVP, FPÖ, BZÖ und SPÖ.

Wir haben uns immer wieder gefragt: Warum gibt es hier diese Vier-Parteien-Einigkeit (Abg. Murauer: Weil es richtig ist!), warum gegen Vernunft, gegen Grundrechte, gegen BürgerInnenrechte? Warum haben sich vier Parteien – inklusive der größeren Oppositionspartei – da gefunden? – Und es gibt eine einzige Antwort: Wir stehen am Beginn eines populistischen Sicherheitswahlkampfes. Es gibt die Entscheidung von vier Parlamentsparteien, in diesen sicherheitspopulistischen Wettlauf einzutreten – um jeden Preis, auch wenn der Preis die Grundrechte sind, wenn der Preis die Integration


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 58

ist, wenn der Preis das friedliche Zusammenleben ist. (Abg. Kößl: Peter, sag dazu, dass Sicherheit für dich keinen Stellenwert hat!)

Jeden Preis sind diese vier Parteien bereit zu zahlen, um kurzfristige Wahlkampf­vorteile zu lukrieren! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kößl: Die Sicherheit der Bürger und Menschen war uns immer wichtig, aber dir egal!)

Ich spreche Sie auf eines an – Alfred Gusenbauer hat nicht darauf hingewiesen –: Frau Bundesministerin! Warum haben Sie bis heute nicht klargestellt, dass die bei dem völlig missglückten sicherheitspolitischen Wahlkampfauftakt der ÖVP von Ihnen be­kannt gegebene frei erfundene Zahl (Abg. Kainz: Stimmt ja nicht!) von 45 Prozent integrationsunwilliger Ausländerinnen und Ausländern in Österreich einfach nicht stimmt? (Abg. Kößl: Bleib auf dem Boden der Realität! Geh hinaus und rede mit den Leuten! Dann siehst du die Situation!) Oder sind Sie wirklich der Meinung, dass 16-jährige Kinder mit Schulproblemen, mit Arbeitsmarktproblemen ... (Weitere Zwischen­rufe bei der ÖVP.) Da gibt es ein Riesenproblem. Wir wissen, dass nicht nur in Wien 16-jährige Kinder mit türkischsprachigen Eltern (Abg. Kainz: Besonders in Wien!) zu 28 Prozent nicht in einer Ausbildung und nicht im Beruf sind.

Glauben Sie, dass da 16-Jährige sitzen und sagen: Ich entscheide mich für den Imam und gegen den Hochschulprofessor!? Glauben Sie wirklich, dass 16-Jährige in Wien oder in Bregenz sagen: Ich möchte in die Moschee, ich möchte keinen qualifizierten Arbeitsplatz, ich möchte verarmt in einem sprachlichen Ghetto leben, keine berufliche Karriere machen und meinen Kindern und meinen Verwandten nicht die Zukunft sichern!? Unterstellen Sie das wirklich Jugendlichen, deren Eltern eben woanders herkommen als Ihre oder meine Eltern? – Nein!

Wir wissen doch alle, dass es an Lehrern und Lehrerinnen fehlt, dass es an materieller Unterstützung fehlt, dass es an Integration beim Wohnen fehlt und dass es genug Talente unter diesen Jugendlichen gibt. Nicht Talentlosigkeit ist der Grund dafür, dass etwa der Hochschulanteil von Kindern mit türkischsprachigen Eltern in Österreich statistisch nicht mehr nachweisbar ist, weit er unter 1 Prozent liegt. Das ist nicht auf Talentlosigkeit zurückzuführen, sondern auf politische und bildungspolitische Ignoranz!

Dort hat Bildungspolitik anzusetzen! Dort hat Sicherheitspolitik anzusetzen! Aber solange Sie eine Politik des Bildungsabbaus betreiben, so lange können Sie mit solch populistischen und menschenfeindlichen, frei erfunden Zahlen, mit Parolen von 45 Pro­zent Integrationsunwilliger zwar Menschen gegeneinander aufhetzen und politisches Kleingeld daraus schlagen, aber kein Problem lösen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.20


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Meine Damen und Herren! Ich mache Sie darauf aufmerksam, Zwischenrufe, wenn sie nicht vom eigenen Platz aus gemacht werden, sind ordnungsrufgefährdet! Ich erinnere einige Abgeordnete an unsere dies­bezügliche Bestimmung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Murauer. Seine Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

 


12.21.17

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ich mache gerne darauf aufmerksam, dass es für diese Bundesregierung während der EU-Präsidentschaft drei wesentliche Erfolge gibt, nämlich dass der Sozialstaat in diesem Ausmaß gesichert bleibt, dass Österreich ein guter Wirtschaftsstandort ist und es in Österreich Arbeitsplätze für die meisten Menschen gibt und dass wir der Sicherheit einen sehr hohen Stellenwert


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 59

einräumen, weil wir nicht jene Politik machen wollen, die jetzt gerade vom Kollegen Pilz vorgetragen wurde, als er verunsicherte. Wir, diese Bundesregierung und die Österreichische Volkspartei, wollen in diesem Land eine möglichst hohe Sicherheit, und wir tun alles dafür! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Geschätzte Damen und Herren! 25 Länder haben sich in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zusammengeschlossen und haben diese Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik als ihre Überschrift genommen. Daraus resultiert auch die Euro­päische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Es wurde schon über die neuen Heraus­forderungen der Sicherheitspolitik gesprochen, die nicht mehr konventionell sind, wo quasi der Krieg nicht vor der Haustür steht. Das brauchen wir auch nicht. Aber wir haben mit unkonventionellen Bedrohungen zu rechnen; ich darf nur drei erwähnen: Drogen- und Menschenhandel, Proliferation oder Terror.

Jedes Land ist jedoch primär für seine eigene Sicherheit zuständig – auch oder im Besonderen ein neutrales Land, wie es Österreich ist, genauso wie zum Beispiel die Schweiz oder Schweden.

Wir haben unsere Sicherheitsorgane entsprechend mit Personal, Gerät und Aus­stattung zu versehen – und dies, geschätzte Damen und Herren, zu Land – bitte hören Sie zu! – und auch in der Luft! (Beifall bei der ÖVP.) Sicherheit hört nicht einen Meter über dem Boden auf, sondern auch die Überwachung des Luftraums ist ein wesent­licher Teil unserer Sicherheitskontrolle.

Sie werden mir Recht geben, auch wenn Sie von der SPÖ immer nach unten zeigen – dafür habe ich Verständnis –, wir werden wie jedes andere Land in Europa und auf der Welt für unsere Luftraumkontrolle zu sorgen haben. Und wir werden dies auch tun. Diese Bundesregierung hat deswegen den Eurofighter beschafft, weil wir für die Luftraumkontrolle und in letzter Konsequenz für deren Sicherheit eines der besten Flugzeuge europäischer Produktion brauchen.

Ich darf Ihnen ein Beispiel nennen: Während des Lateinamerikagipfels in Wien hat es allein 23 Luftraumverletzungen gegeben. Ich darf auch darauf aufmerksam machen, dass es der sozialistische Bürgermeister von Salzburg war – falls das jemand nicht wissen sollte –, der gemeint hat, ohne Luftraumüberwachung bekommen wir keine internationalen Veranstaltungen, also auch keine Olympischen Spiele. Ich betone das, auch wenn Sie, Herr Pilz, das ins Lächerliche ziehen.

Ich bedanke mich beim Herrn Bundespräsidenten, der im März darauf aufmerksam gemacht hat, dass es keinen Zweifel daran geben darf, dass wir die Sicherheit zu gewährleisten, die Kontrolle auch im Luftraum herzustellen haben. Das ist eine Tat­sache. Es hängt mit der Souveränität unseres Landes und mit der Neutralitäts­ver­pflichtung zusammen, dass wir auf dem Boden alles für die Sicherheit – mit Polizei, Justiz und Bundesheer – tun, aber auch den Luftraum entsprechend kontrollieren.

Meine Damen und Herren! Die Zusammenarbeit und die Prophylaxe, die vorbeugen­den Maßnahmen stehen im Vordergrund der Sicherheitspolitik. In jedem Gremium wird erwähnt, dass wir Gefahren zu verhindern haben, miteinander zu reden haben und Konferenzen abzuhalten haben, wie dies bei der EU-Präsidentschaft jetzt in Österreich getan wird.

Frau Bundesministerin Prokop, ich bedanke mich dafür, dass Sie engagiert die Frem­den­recht-, Asyl- und Migrationsangelegenheiten aufgegriffen haben, diese für Öster­reich, aber auch für Europa zur Diskussion stellen und Lösungsansätze ange­boten haben.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 60

Meine Damen und Herren, ich weise darauf hin, dass Österreich mit den Maßnahmen dieser Bundesregierung, mit den Maßnahmen unserer Sicherheitspolitik weiterhin das sicherste Land bleiben wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

12.26


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Mag. Darabos. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


12.26.54

Abgeordneter Mag. Norbert Darabos (SPÖ): Frau Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Nur zwei Sätze zu meinen Vorrednern. Herr Kollege Scheibner, wenn Sie hier sagen, dass die sozialdemokratische Politik in der Ausländerpolitik Verfehlungen be­gan­gen hat, dann muss ich Ihnen eines ganz wertfrei entgegenhalten: Kriminalitäts­steigerung in Österreich in den letzten sechs Jahren, unter Ihrer Regierungstätigkeit, so hoch wie noch nie! (Abg. Scheibner: Stimmt ja nicht! Über Zuwanderungspolitik haben wir geredet! Familienzusammenführung!) Ausländerzuzug in Österreich in den letzten sechs Jahren so hoch wie noch nie! – Das ganz wertfrei gesprochen. (Abg. Dr. Fekter: Lassen Sie sich die Statistik erklären! – Abg. Dr. Stummvoll: Alles ist schlecht! – Abg. Dr. Fekter: Es ist alles so grauslich!)

Herr Kollege Pilz, auch zu Ihnen ein Satz: Sozialdemokratische Sicherheitspolitik orien­tiert sich ebenso wie die Asylpolitik der SPÖ an den Grundrechten in Österreich, an der österreichischen Verfassung, an den Menschenrechten, an der Genfer Flüchtlings­konvention und an den Interessen der österreichischen Bevölkerung. Dafür stehen wir! Dass wir dafür Kritik von links und rechts einstecken müssen, zeigt uns, dass unser Weg der richtige ist. (Abg. Dr. Fekter: Nicht einmal Applaus für den eigenen Redner! Das ist schon dürftig!)

Ich möchte mich heute einem ganz speziellen Bereich zuwenden, der in den bisherigen Reden viel zu wenig Beachtung gefunden hat. Das ist die Frage der Asylpolitik auf europäischer Ebene. Österreich hat ja derzeit die EU-Präsidentschaft noch bis zum 30. Juni inne. Es wurde jetzt ziemlich vollmundig erklärt, was doch nicht alles im Sicherheitsbereich zu erledigen sei. Beispielsweise steht im Weißbuch zu unserer EU-Präsidentschaft, man werde den Aktionsplan zum Haager Programm überprüfen, man werde die Zusammenarbeit in Strafsachen überprüfen – überprüfen ist ein ziemlich schwaches Argument für Arbeit –, man werde die langfristige Strategie zur Terroris­musbekämpfung in Europa überprüfen, man werde Asyl- und Migrationspolitik in Europa überprüfen und man werde die Schengen-Evaluierung durchführen.

Bisher hat sich von all dem in der tatsächlichen Politik nichts gezeigt. Speziell im Asyl­bereich wurde das, was versprochen wurde, nicht gehalten. Versprochen wurde eine einheitliche europäische Asylpolitik bis zum Jahre 2010. Das ist richtig. Aber ich sehe keine Initiative von Seiten der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft in diese Rich­tung. Es ist bisher mehr ein Kaffeekränzchen gewesen, was im Sicherheitsbereich abgehalten wurde. Es gibt keine Initiative, diese für Österreich ganz zentrale Frage auf europäischer Ebene zu lösen. (Abg. Kainz: Nicht aufgepasst!) Die österreichische EU-Präsidentschaft hätte genug Möglichkeiten gehabt, dieses Thema zu dynamisieren und voranzutreiben. Aber von all dem ist nichts geschehen!

Versprochen wurde außerdem von Ihnen, Frau Minister, eine Beschleunigung der Asylverfahren in Österreich. Das wurde mit uns in einem so genannten Fremden­paket – dieser Begriff gefällt mir nicht besonders – ausverhandelt.

Geschehen ist bisher nichts! Und da geht es auch um die Frage von Pakttreue und um die Frage von Handschlagqualität in der österreichischen Bundesregierung, denn wir haben in Österreich gemeinsam beschlossen, dass wir so rasch wie möglich einen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 61

Asylgerichtshof installieren wollen. Von diesem Asylgerichtshof ist bisher nichts zu sehen.

Bei mir drängt sich da schon der Verdacht auf, dass Sie ebenso wie in der Frage der Migrationsstudie ganz bewusst diese Dinge am Köcheln halten wollen, um gewisse Missstände, die es in Österreich gibt, auch in Unzufriedenheit in der Bevölkerung umzumünzen. Nur: Die Rechnung wird nicht aufgehen. Die Menschen sehen mittler­weile, dass Ihre Politik genau in dem Bereich, wo es, wie gesagt, Verträge und Vereinbarungen gibt, nicht greift und dass Sie das, was Sie versprochen haben, nicht eingehalten haben.

Es gibt keine Beschleunigung der Verfahren; niemand weiß zum rechten Zeitpunkt, ob er in Österreich Asyl bekommen kann oder ob er das Land verlassen muss. Und das war ja der Grund, warum wir den Entschließungsantrag betreffend diesen Asylgerichts­hof gemeinsam unterzeichnet haben. Herr Kollege Kößl, auch Ihre Unterschrift steht unter diesem Entschließungsantrag! (Abg. Kößl: Ja, da steh’ ich hundertprozentig dazu! Da steh’ ich voll dazu, zu dieser Sache!) Dass bis zum Ende des Jahres 2005 nichts geschehen ist, das liegt in Ihrer Verantwortung. Auch Frau Kollegin Partik-Pablé hat das unterzeichnet – aber nichts ist geschehen: Einen Asylgerichtshof in Österreich gibt es nicht!

Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Schein und Sein in Ihrer Politik, gerade im Sicher­heitsbereich und gerade auf europäischer Ebene, wo wir jetzt die EU-Präsidentschaft innehaben, klaffen sehr weit auseinander! (Abg. Kößl: Im Unterschied zu euch sind wir mit ... EU in Kontakt! Und das funktioniert jetzt! Tatsache! – Man muss sich selber einmal interessieren für das!) Ich würde Sie bitten, die letzten Wochen dieser EU-Präsidentschaft noch zu nützen, um gerade in diesem wichtigen Bereich der Asylpolitik ein Zeichen zu setzen und gemeinsam das, was wir beschlossen haben, umzusetzen. Das wäre ein gutes Zeichen für eine europäische Sicherheitspolitik, und das würde auch Österreich sehr stark nützen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.31


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé zu Wort. Wunschredezeit: 7 Minuten. – Bitte.

 


12.31.56

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche - BZÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Die Rolle, die die SPÖ jetzt in der Frage der Einwanderungs- und Integrations­politik spielt, ist wirklich merkwürdig. Sie von der SPÖ haben nämlich durch mehr als 20 Jahre hindurch die Zügel so sehr schleifen lassen, dass Sie nichts getan haben für die Integration, keine Vorschläge akzeptiert haben, die darauf abzielen, dass Kinder, bevor sie in die Schule kommen, schon Deutsch lernen. Sie haben überhaupt keine Kriterien aufgestellt, unter welchen Bedingungen Menschen in Österreich einwandern dürfen – und jetzt regen Sie sich über die Folgen Ihrer Politik auf! Wir tragen nämlich jetzt das Erbe der sozialistischen Fremdenpolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Anlässlich der Bosnien-Krise sind 80 000 Bosnier nach Österreich gekommen. Sie haben ungefähr 60 000 Niederlassungsbewilligungen für diese Menschen ausgestellt, ohne irgendwie zu überprüfen, ob überhaupt die Voraussetzungen dafür gegeben sind, ob wir diese Menschen überhaupt brauchen. Und den Familiennachzug spüren wir jetzt! Wir haben die Niederlassungsquote reduziert, wir haben die Regelung eingeführt, dass nur noch qualifizierte Ausländer nach Österreich kommen dürfen, für die es hier einen entsprechenden Bedarf gibt. (Abg. Riepl: Das stimmt ja überhaupt nicht! – Abg. Kößl: Ja, sicher! Das stimmt!) Das haben Sie alles vernachlässigt! Und jetzt stellen Sie sich her und sagen, dass die Einwanderung noch nie so hoch war wie jetzt. All das


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 62

sind die Folgen der sozialistischen Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Noch ein paar Worte zu Herrn Abgeordnetem Pilz: So lächerlich ist das nicht, dass man den Luftraum überwacht, wenn Großveranstaltungen stattfinden, denn wir alle wissen von Experten, dass terroristische Angriffe gerade dann zu erwarten sind, wenn es um Großveranstaltungen geht. Und sollen wir in Österreich, wenn wir keine eigenen Abfangjäger haben, die Hilfe der Tschechen, Rumänen oder Ungarn herbeiholen? Die haben nämlich Abfangjäger – nur wir haben keine. Wie gesagt, Sie wollten lieber Hunderte Millionen an Tschechen, Rumänen und Ungarn zahlen und uns von diesen Ländern schützen lassen, anstatt zu schauen, dass wir einen eigenen Schutz haben. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich jetzt wirklich dem EU-Thema zuwenden. (Abg. Parnigoni: Die Abstrusität Ihrer Rede ist unüberbietbar!) – Das ist überhaupt nicht abstrus, nur weil es Ihnen nicht passt, Herr Abgeordneter!

Herr Präsident Khol hat heute gesagt, wir sollen unsere Reden auf einen Europabezug abstellen. Ich möchte das wirklich ernst nehmen und mich mit Ansichten des EU-Präsidenten Borrell auseinander setzen. Dieser hat nämlich im Zusammenhang mit Asyl- und Fremdenpolitik gesagt, statt der Innenminister sollen Sozialminister über die Asylpolitik und die Einwanderungspolitik entscheiden. Er hat es außerdem positiv bewertet, dass in Spanien 550 000 Illegale, die im Vorjahr eingereist sind, legalisiert werden, das heißt, dass sie anerkannt werden.

Man muss sich das einmal vorstellen: 550 000 Menschen kommen nach Spanien, illegal – es sind wahrscheinlich hauptsächlich Afrikaner –, und es wird gesagt: So, ihr seid jetzt plötzlich alle legal da!, ohne dass man die Voraussetzungen prüft. Und das hat EU-Präsident Borrell noch als positiv bewertet, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Grundsätzlich gestehe ich wirklich jedem eine eigene Meinung zu, auch Herrn Präsi­denten Borrell, aber: Er hat gleichzeitig eine gemeinsame Asylpolitik für Europa einge­fordert. Und das EU-Parlament ist ja seit dem Jahr 2005 in die Asylpolitik mit einbe­zogen, und daher hat der Herr Präsident auch ein großes Mitspracherecht.

Frau Minister! Ich möchte wirklich nicht, dass diese Ansichten des Herrn EU-Präsidenten Borrell Einfluss auf die Gestaltung des europäischen Asylrechtes haben! Das kann ich ganz einfach nicht akzeptieren.

Herr Borrell sagt weiter: Es geht um die Frage, ob man Zäune errichten oder den Betrof­fenen helfen möchte. – Nur, so wie er kann man das sicher nicht machen: unbeschränkt einwandern lassen, Illegale legalisieren und Grenzschranken abbauen.

Ich bin auch für Hilfe. Ich bin wirklich dafür, dass man in den betroffenen Ländern verstärkt Hilfe leistet, viel mehr als jetzt, aber: Die Hilfe muss dort geleistet werden, woher die Einwanderer kommen! Die Hilfe muss in Afrika geleistet werden, sie muss in der ehemaligen UdSSR, in den Nachfolgestaaten geleistet werden – dort, und nicht durch eine Einwanderung nach Österreich oder durch Asylmissbrauch. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ.) Frau Minister! Ich würde Sie bitten, dass Sie auch dafür eintreten.

Herr Borrell meint weiter: Diese Legalisierung hat kein einziges Problem geschaffen, aber viele Probleme gelöst. – Das kann ich nur darauf zurückführen, dass Herr Borrell wahrscheinlich die meiste Zeit in Brüssel ist und nicht in Spanien, denn ich weiß von vielen Spaniern, dass es sehr große Probleme gibt. Zum Beispiel auf der Insel Gran Canaria sagt der Bürgermeister, dass sie diese Einwanderer überhaupt nicht wollen,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 63

und schafft alle nach Madrid. In dieser Großstadt entstehen dann riesige Probleme. – Also so, wie Herr Borrell das macht, kann man das wirklich nicht machen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Europa stehen wir vor einem enormen Migrationsdruck – und auf der anderen Seite haben wir die Bevölkerung, die sagt: Wir haben genug Schwierigkeiten mit jenen Menschen, die bereits nach Österreich einge­wandert sind oder hier um Asyl angesucht haben, insbesondere in den Großstädten. Daher ist es notwendig, dass wir die Einwanderung eindämmen, dass wir den Asyl­missbrauch eindämmen und dass wir auch schauen, dass unsere Grenzen gesichert werden. Insbesondere muss auch die EU insgesamt helfen, dass die Spanier, die Italiener ihre Grenzen sichern können, denn wir erfahren fast täglich aus den Zeitun­gen, dass es dort illegale Einwanderung gibt.

Frau Minister! Wir unterstützen auch den Plan, den Sie und auch der ehemalige deutsche Innenminister Schily schon geäußert haben, nämlich Zentren zu schaffen, in Afrika, an der Ostgrenze der EU, um dort jene auswanderungsbereiten Menschen zu sammeln und ihnen dort zu erklären, dass es nicht geht, nach Europa zu kommen und hier entweder unter dem Titel „Einwanderer“ oder unter dem Titel „Asyl“ ein Aufent­haltsrecht zu bekommen. – Ich glaube, das ist außerordentlich wichtig, denn der weitere Zustrom von Einwanderern oder Scheinasylanten gefährdet den inneren Frie­den Europas und löst die Probleme in den Ländern, aus denen die Menschen kommen, überhaupt nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zur Moslem-Debatte möchte ich noch ganz kurz etwas sagen. Kollege Spindelegger hat gemeint, die Moslems müssen unsere Regeln achten, und Herr Kollege Öllinger hat gefragt: welche Regeln? – Das sage ich Ihnen: Die Regeln von Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Regeln der Demokratie und die Regeln der Toleranz!

Das verlangen wir – und wer das nicht erfüllt, der muss eben in sein Heimatland zurückkehren! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.39


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Stoisits zu Wort. Gewünschte Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

 


12.40.08

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospode! Poštovana gospoda presidentka! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Dr. Partik-Pablé hat uns gerade darüber aufgeklärt, dass wir immer bedenken sollten, dass Toleranz und Achtung des Rechtsstaates, Achtung unserer demokratischen Werte wichtig für unser Zusammenleben in der Gesellschaft sind. – Ich kenne niemanden, ich kenne tatsächlich niemanden, der das auch nur im Entferntesten leugnen würde. Wenn ich mich jetzt auf Toleranz und auf Wertschätzung gegenüber Minderheiten, Wert­schätzung gegenüber Menschen anderer Hautfarbe beziehe (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ja, Sie wollen nur haben, dass die Österreicher tolerant sind!), möchte ich schon darauf hinweisen, dass gerade Frau Dr. Partik-Pablé in der Vergangenheit des Öfteren durch genau das Gegenteil dessen, was man als Wertschätzung gegenüber Menschen beispielsweise mit schwarzer Hautfarbe bezeichnen würde, aufgefallen ist. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie haben gesagt, die schauen anders aus!) Sie hat sogar hier im Hohen Haus vom Rednerpult aus pauschale Verurteilungen, Diskriminierungen und pauschale Vorurteile gegenüber Menschen mit schwarzer Hautfarbe ausgesprochen.

Man sollte also einmal bei sich anfangen mit der Toleranz, mit der Nichtdiskriminierung und mit der Achtung! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Da fangen einmal Sie


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 64

an mit der Toleranz, ...! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Frau Stoisits, fangen Sie einmal bei sich an mit der Toleranz!)

Ich widme mich jetzt zwei Entschließungsanträgen, die die Grünen an diesem heutigen Europatag im Nationalrat einbringen werden, und zwar im Zusammenhang mit der Politik der Frau Bundesministerin. Das erste Halbjahr 2006 ist in Österreich ja kein ganz normales Halbjahr, sondern es ist – in Bezug auf Europathemen – etwas ganz Exzeptionelles: Es ist nämlich das Halbjahr der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs. (Ruf bei den Freiheitlichen – BZÖ: Das wissen wir eh!) Deshalb sind wir natürlich auch nicht nur damit beschäftigt, österreichische Innenpolitik zu machen, zu kommentieren, sie aus Oppositionssicht zu kritisieren, sondern auch damit, ein Augenmerk auf jene Aktivitäten zu legen, die unsere RegierungsvertreterInnen, die ja jetzt immer Rats­vorsitzende in den jeweiligen EU-Räten sind, setzen.

So war auch Frau Bundesministerin Prokop Vorsitzende in diversen Räten, die es schon gegeben hat. Ich habe versucht, einen ganz nüchternen Blick auf das, was ihre Initiativen in diesen ersten fünf Monaten waren, zu werfen, und ich kann Ihnen schon sagen, wo es konkrete Ergebnisse gibt: Es gibt schon ein ganz konkretes Ergebnis insofern, als die Visa-Gebühren für Drittstaatsausländer in der EU von 35 € auf 60 € erhöht worden sind!

„Danke“, Frau Ministerin!, kann ich nur sagen, wenn ich zum Beispiel an die Ver­wandten meiner Kinderfrau in Bosnien denke. Wenn meine Frau Barbic Besuch von ihrem Bruder, ihrer Schwester oder anderen Angehörigen aus Bosnien bekommen möchte, muss in Zukunft eine vierköpfige Familie, um sie in Österreich zu besuchen – sie ist österreichische Staatsbürgerin – vier mal 60 €, also 240 € bezahlen. Wissen Sie, was 240 € für eine Familie in Travnik, Bosnien, sind? – Ein echtes Vermögen! Das, um einen schlichten Verwandtenbesuch zu machen! – Das ist eine ganz konkrete Aus­wirkung des „Erfolges“ – unter Anführungszeichen – der Politik der Frau Bundesminis­terin in diesem ersten Halbjahr als EU-Ratsvorsitzende, nämlich ganz konkret für Menschen in unserer unmittelbaren Umgebung.

Ich sehe Bosnien und das ehemalige Jugoslawien immer noch als ein Nachbarland Österreichs, und nicht nur als Nachbarland, sondern es geht auch um die historischen Verbindungen, die Österreich mit Bosnien hatte. Gerade im Zusammenhang mit dieser Debatte, die es jetzt gibt, zur Frage der Integration von Musliminnen und Muslimen in Österreich ist dieser Aspekt ganz wesentlich, denn in Bezug auf die Integration von MuslimInnen in Österreich hat die Donaumonarchie Bedeutenderes geleistet als diese blau-schwarze oder blau-schwarz-orange Bundesregierung in den letzten fünf Jahren. (Abg. Scheibner: Die sind alle assimiliert worden! Das stimmt überhaupt nicht! Die sind alle assimiliert worden damals!)

Das muss ich Ihnen schon sagen, Frau Bundesministerin – bei aller Wertschätzung –, angesichts von Dingen, die auch passieren, denn: Sie, Frau Bundesministerin Prokop, haben zwar heute nichts dazu gesagt, aber Sie haben sich von mehreren bestellten Rednern – nur so kann ich das bezeichnen – hier Dank und Anerkennung dafür aussprechen lassen, dass Sie immer noch an der Behauptung festhalten, 45 Prozent der MuslimInnen in Österreich seien integrationsunwillig, wobei Sie sich unseriöser­weise auf Studien beziehen, die erstens noch gar nicht veröffentlicht sind und zweitens in jenen Teilen, die veröffentlicht sind, die Autoren dieser Studie sich von dieser Ihrer Aussage distanzieren – aber nicht heimlich, sondern auch öffentlich.

Wie kann man nur so stur und so beharrlich Unsinn verbreiten – aber wenn es nur Unsinn wäre: gefährlichen Unsinn verbreiten, Frau Bundesministerin?! Und das sage ich jetzt ganz bewusst in einer Debatte, in der es um österreichische Sicherheitspolitik geht: Wie kann man nur daran so sehr festhalten und uns dann sagen, es sei in


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 65

Österreich eigentlich ohnedies alles wunderbar, und in der EU im Übrigen auch; die einzige Gefährdung, die dieser Kontinent und im Speziellen Österreich als kleines Land habe, seien – ich simplifiziere jetzt bewusst, nicht deshalb, um Sie zu provozieren, sondern weil sich das nur so zusammenfassen lässt – „die Ausländer“, nämlich die irregulären, illegalen Einwanderer, die, die auf den Arbeitsmarkt strömen, die Men­schen, die in Österreich Schutz vor Verfolgung suchen? Es sind immer die von außen!

Niemand kommt auf die Idee, dass das vielleicht auch etwas mit der Situation zu tun hat, die im Land selbst herrscht, mit der Verunsicherung der Menschen, was ihre künftigen Pensionen betrifft, was ihre Arbeitsplätze betrifft und das, was die Politik jetzt an negativem Spektakel bietet. Dazu gehört auch das Thema BAWAG – das gestehe ich ein –, dazu gehört auch die Krise des Gewerkschaftsbundes. Das ist die Verun­sicherung, die es in diesem Land gibt, und die konkrete Bedrohung für die Menschen. Dem sollten Sie sich widmen!

Jetzt komme ich auf Herrn Präsidenten Borrell zu sprechen. – Frau Partik-Pablé, das ist wirklich ein bemerkenswerter Mann! Ich kenne die Rede, die Sie zitiert haben, nicht, aber vor einem Präsidenten des Europäischen Parlaments, der sagt, eigentlich sollten sich die Sozialminister mit Flüchtlingspolitik befassen, habe ich tatsächlich Respekt! Das ist nämlich genau jener Ansatz, den die Grünen sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene – und ich muss jetzt sagen: Borrell ist kein Grüner! – eingebracht haben, nämlich zu sagen: Der Zugang zur Integrationspolitik, zur Flüchtlingspolitik kann nur über Sozialpolitik geschehen! (Beifall bei den Grünen.)

Denn anders wäre es nicht zu erklären, meine Damen und Herren, dass die Frau Bundesministerin davon spricht, dass man an den EU-Außengrenzen, beispielsweise in der Ukraine, Schutzzentren für Flüchtlinge errichten will – und unter dem Wort „Schutz­zentren“ nicht etwa versteht, dass man den Menschen dort Schutz vor Verfolgung bietet, sondern dass Europa sich schützt vor diesen Menschen! Das ist nämlich die Bedeutung von „Schutzzentren“ in diesem Zusammenhang.

Frau Bundesministerin Prokop, ich würde Sie wirklich dringend bitten, einmal solch ein so genanntes Lager in der Ukraine zu besuchen. Ich hatte persönlich auch noch nicht die Gelegenheit dazu, aber ich habe mit mehreren, mit zahlreichen Caritas-Mitarbeitern gesprochen, die dort waren und dort gearbeitet haben. Diese so genannten Lager sind nichts anderes als Gefängnisse! Wenn jemand einmal, egal woher er kommt, egal welche Fluchtgründe er hat, egal welches Schicksal er hinter sich hat, in solch ein Lager in der Ukraine kommt, dann ist er dort gefangen, und dort bleibt er gefangen!

Und Sie unterstützen das auch noch weiter! Sie wollen diese großen Gefängnisse, die sich „Sammellager“ nennen – manche sagen verbrämt oder irgendwie euphemistisch „Schutzzentren“ –, zu einer europäischen Institution machen? – Das ist nicht mein und unser Verständnis eines Beitrags zur Bewältigung dieser wahrlich großen Heraus­forderung, die mit internationalen Fluchtbewegungen zu tun hat – denn die gibt es weltweit, die gibt es auch in Europa –, und auf der anderen Seite mit der Herausfor­derung, was internationale Migrationsbewegungen angeht.

Nicht mit Gefängnissen, nicht mit High-tech in der Ukraine und auch nicht mit High-tech an den Grenzen im Süden von Europa wird das zu bewältigen sein, sondern durch eine Politik, die sich mehreren Gebieten widmet, nämlich: in jenen Ländern selbst, aus denen diese irregulären MigrantInnen hauptsächlich kommen, Maßnahmen zu ergreifen, durch die die Menschen dort eine Chance haben, ihre Familien zu ernähren, ihren Familien ein Fortkommen zu ermöglichen und in vielen Fällen ihnen schlicht einfach das physische Überleben zu sichern.

Das ist doch der Grund dafür, dass sich Menschen in kleine Fischerboote setzen und über das Mittelmeer nach Spanien gelangen wollen! 10 000 von ihnen sind in den


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 66

letzten fünf Jahren ertrunken, und wir EuropäerInnen – ich schließe mich nicht aus, ich schließe mich mit ein – wissen das, und wir tun nichts dagegen! Wahrscheinlich ertrinken gerade jetzt, wo wir relativ friedlich und saturiert hier im Hohen Haus dis­kutieren, wieder Menschen, die aus einem kleinen Boot ins Mittelmeer fallen: Kinder, Frauen und Männer. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Das, Frau Ministerin, wäre es wirklich wert, zu einem Schwerpunkt in der österreichi­schen EU-Ratspräsidentschaft gemacht zu werden – aber das vermisse ich bis jetzt von Ihnen!

Deshalb kann ich nur sagen: Da gibt es nichts zu loben, nichts zu danken und auch nichts anzuerkennen. (Beifall bei den Grünen.)

12.50


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Hornek zu Wort. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


12.50.38

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Niemals zuvor gab es so viele wirtschaftliche Möglichkeiten für eine so große Zahl an Men­schen. Bedauerlicherweise gibt es damit aber auch viele Möglichkeiten für kriminelle Organisationen, dieses System auszunutzen. Kriminalität macht nicht an den Grenzen Halt.

Die Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, stellen weitgehend internationale Gefahren dar, Gefahren, die wir nur gemeinsam beantworten und bekämpfen können: Das trifft auf die organisierte Kriminalität genauso zu wie auf den internationalen Terrorismus, allerdings stößt die Kooperation oft auf juristische, kulturelle, sprachliche und administrative Hürden.

Sicherheit ist heute in vielen Bereichen eine globale Frage. Die meisten Bedrohungen für die innere Sicherheit der Europäischen Union sind heute internationale Problem­felder, denen nicht mehr mit den alten Formen der Sicherheitspolitik wie Militär und Innenpolitik begegnet werden kann. Der Kampf gegen den Terrorismus ist eine der wichtigsten Fragen in diesem Bereich.

Verbesserung des Informationsaustausches und verstärkte Koordination bestehender Einrichtungen sowie rechtzeitige Informationen sind entscheidend, um Anschläge zu verhindern. Wir müssen aber auch die Ursachen des Terrorismus bekämpfen und diesem so den Boden entziehen.

Österreich wird an der weiteren Umsetzung des Aktionsplans gegen Terrorismus arbeiten und vor allem sein Wirken auf folgende Punkte fokussieren: erstens: Verbes­serung des Informationsaustausches auf strategischer und operativer Ebene; zweitens: Maßnahmen zum Schutz kritischer Infrastrukturen; drittens: Umsetzung der Strategie gegen die Radikalisierung und Rekrutierung, und zwar insbesondere durch einen breiten Dialog zwischen den Kulturen und Religionen; viertens: die Weiterführung der Maßnahmen gegen Terrorismusfinanzierung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich hat bezüglich der europaweiten polizeilichen Zusammenarbeit zur Terrorabwehr bereits erhebliche Vorleistungen erbracht. Im Mai 2005 einigten sich Deutschland, die BENELUX-Staaten, Frankreich, Spanien und Österreich auf den so genannten Prümer Vertrag. Als wesentliche Neuerung gegenüber der schon bisher guten Zusammenarbeit sieht dieser Vertrag vor, dass diese Staaten einander bestimmte Zugriffsrechte auf DNA- und Fingerabdruck-Dateien sowie Fahrzeugregister gewähren.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 67

Erwähnt werden soll in diesem Zusammenhang auch, dass ältere DNA-Daten dazu führen werden, dass so manch alter Kriminalfall aufgeklärt werden kann.

Internationale Kriminelle verwenden beste Technologien, daher müssen wir solche auch unseren Sicherheitsbehörden zur Verfügung stellen. In Österreich gibt es viele dieser Herausforderungen, meine sehr geehrten Damen und Herren, darüber hinaus gibt es aber bereits viele bilaterale Verträge und Abkommen mit Staaten, die an unser Staatsgebiet grenzen. Als Bürgermeister einer Grenzgemeinde zu Tschechien liegt mir das besonders am Herzen.

Es gibt aber bereits jetzt eine hervorragende Zusammenarbeit mit den Sicherheits­behörden unserer Nachbarstaaten, gerade auch durch persönliche Kontakte und Gespräche, um eine Verfolgung von Kriminellen über Staatsgrenzen hinweg möglich zu machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unter der österreichischen EU-Präsident­schaft hat sich unsere Ratsvorsitzende, Frau Bundesministerin Liese Prokop, beson­ders darauf konzentriert, dass die Sicherheitsstandards der Länder in europäischer Nachbarschaft sowie jener auf dem Westbalkan an die der EU herangeführt werden. Durch ein umfassendes Paket an Maßnahmen sowie durch intensive Zusammenarbeit wurden Regeln geschaffen, wodurch die innere Sicherheit mit der europäischen Nach­barschaftspolitik vernetzt wird und eine Partnerschaft der Sicherheit mit diesen Staaten gebildet wird.

Wie wichtig, sehr geehrte Damen und Herren, internationale Zusammenarbeit in Bezug auf Verhinderung beziehungsweise Aufklärung von Kriminalfällen ist, führt uns speziell ein Wirtschaftskriminalfall in den Vereinigten Staaten von Amerika vor Augen, nämlich jener, der das Unternehmen Refco betrifft, an dem leider auch österreichische Einrich­tungen beachtliche Besitztümer halten. Es wurde da Schaden in Milliardenhöhe verursacht – und so mancher Betrag in Millionenhöhe ist über Stiftungen sozusagen stiften gegangen. Mit diesen Beträgen könnte man in Österreich Zigtausende Ein­familien­häuser errichten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin ein massiver Verfechter der Sozial­partnerschaft, und daher hat mich umso mehr irritiert, dass Kollege Cap heute von einem „Angriff“ der Bundesregierung auf den Österreichischen Gewerkschaftsbund gesprochen hat. – Herr Kollege Cap, einen solchen Angriff hat es gegeben, aber: All jene, die in diesem Kriminalfall Verantwortung tragen, kennen Sie, Herr Kollege Cap, zum Großteil persönlich! Das sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben! Kontaktieren Sie doch diese Personen und sprechen Sie direkt mit Ihnen!

Zusammenfassend: Ein derartiger Vorfall zeigt uns, wie notwendig auch da inter­nationale Zusammenarbeit ist – und das zeigt auch ganz deutlich, wie richtig der von Frau Bundesministerin Prokop eingeschlagene Weg ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir, abschließend folgenden Antrag einzubringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Spindelegger, Dr. Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen betref­fend weitere Maßnahmen zur Förderung der Integration in Österreich

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Nationalrat begrüßt die vom Bundesministerium für Inneres in Auftrag gegebene Studie über die Integration von Moslems in Österreich und ersucht die Bundes­regie-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 68

rung, auf der Grundlage dieser Studie alles Mögliche zu unternehmen, um die Inte­gration ausländischer Mitbürger auf der Grundlage der Werte von Toleranz und


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 69

Gleichbehandlung von Mann und Frau weiterhin zu fördern, um dadurch insbesondere Radikalisierungen in Österreich zu vermeiden.

*****

(Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

12.56


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Spindelegger, Dr. Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen betref­fend weitere Maßnahmen zur Förderung der Integration in Österreich, eingebracht im Zuge der Debatte über eine „Europäische Sicherheitspartnerschaft“

Die Frage der Behandlung der Migrationsströme in Europa, sei es im Asyl-, Fremden- oder Niederlassungsrecht ist einer der Schwerpunkte der europäischen Agenden im Bereich der Sicherheit. Die Maßnahmen dürfen sich jedoch  nicht nur auf den EU-Bereich beschränken; vielmehr ist eine enge Zusammenarbeit auch mit den nicht der EU angehörenden Staaten, die Ursprungs- oder Transitländer sind, im Rahmen der europäischen  Sicherheitspartnerschaft notwendig, um den Problemen wirkungsvoll be­gegnen zu können. Zur Problembewältigung sind auch Erkenntnisse über die Einstellung von Fremden von besonderer Bedeutung.

Die vom BMI in Auftrag gegebene Studie zur Integration von Moslems in Österreich unterstützt die Bestrebungen zur Lösung dieser Probleme. Sie zeigt bei vielen dieser ausländischen Mitbürger eine Distanz zum österreichischen gesellschaftlichen Leben, die eine Integration erschwert. Mangelnde Integration birgt aber möglicher Weise auch die Gefahr einer Radikalisierung in sich.

Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, die auf eine Verbesserung der Integration von Ausländern hingezielt hat. Dennoch erschienen, gerade im Lichte der vorliegenden Studie weitere Anstrengungen geboten, um ein friedliches, harmonisches und gewaltfreies Zusammenleben zu ermöglichen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Nationalrat begrüßt die vom Bundesministerium für Inneres in Auftrag gegebene Studie über die Integration von Moslems in Österreich und ersucht die Bundes­regierung, auf der Grundlage dieser Studie alles Mögliche zu unternehmen, um die Integration ausländischer Mitbürger auf der Grundlage der Werte von Toleranz und Gleichbehandlung von Mann und Frau weiterhin zu fördern, um dadurch insbesondere Radikalisierungen in Österreich zu vermeiden.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Parnigoni. – Bitte.

 


12.57.02

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich zum Entschließungsantrag der Abgeord­neten Spindelegger, Partik-Pablé Stellung nehmen. Dem würden wir gerne zustimmen, allerdings steht in der Begründung, dass die Maßnahmen, die da gewünscht werden, „auf der Grundlage dieser Studie“, die Frau Ministerin Prokop in Teilen vorgestellt hat, beruhen. (Abg. Scheibner: Das ist ja nur die Begründung!) Da wir diese Studie nicht kennen und auch keinerlei Bereitschaft bekundet wurde, dass wir diese Studie zur Verfügung gestellt bekommen, können wir diesem Antrag nicht zustimmen. (Abg. Scheibner: Wir stimmen ja nicht über die Begründung ab! Das ist eine Ausrede!) Wir von der SPÖ werden selbst einen Entschließungsantrag zu dieser Sache einbringen.

Da Herr Abgeordneter Murauer und Frau Abgeordnete Partik-Pablé die Eurofighter als ein wichtiges sicherheitspolitisches Instrument vor allem im Hinblick auf Fußballspiele dargestellt haben (Abg. Fauland: Sind sie auch!), möchte ich dazu Folgendes fest­halten (Abg. Kößl: Dass du ebenfalls der gleichen Meinung bist!): Ich halte es für absolut abstrus, zu behaupten, dass Eurofighter (Abg. Scheibner: Euer Bürgermeister Schaden ...!) – möglicherweise sogar mit Raketenbestückung – notwendig sind, um die Sicherheit von Fußballspielen zu gewährleisten! Das ist doch wirklich eine abstruse Idee! Das braucht kein Mensch, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wattaul: Keine Ahnung! – Abg. Scheibner: Wider besseres Wissen wird hier ...!)

Erschütternd ist auch, wie sich die ÖVP, wie sich Bundesministerin Prokop und auch Sie von FPÖ-BZÖ damit abgefunden haben, dass die Zahl der Straftaten in unserem Land auf einem derart hohen Level bleibt! (Abg. Ing. Kapeller: Das ist doch nicht wahr!) In den sechs Jahren dieser Bundesregierung ist die Zahl der Straftaten um über 30 Prozent gestiegen, die Aufklärung hingegen ist um über 30 Prozent zurückge­gangen, nämlich auf eine Aufklärungsquote von mageren 39 Prozent!

Das, meine Damen und Herren, hat seine Ursache darin, dass man immer weniger Polizisten zur Verfügung stellt, ebenso immer schlechteres Material! Das ist die falsche Politik in diesem Bereich! Meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, machen Sie Ihre Aufgabe, andernfalls unterstützen Sie in Wirklichkeit eine Unsicher­heitsregierung! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Aber geh! – Abg. Schöls: Glaubst du das selber?)

Zur Frage Asylwerber: Ich möchte gerne wissen, was Frau Bundesministerin Prokop etwa mit dem russischen Präsidentenberater Iwanow besprochen hat. Wir hier im Parlament haben ja nichts davon gehört; wir werden ja nicht informiert, was da auf europäischer Ebene ausgesprochen und ausdiskutiert wird.

Faktum ist, dass es aus Russland 4 355 Asylanträge gibt. Und wenn wir von Asyl­anträgen sprechen, sei Folgendes erwähnt, Herr Klubobmann Scheibner – Frau Partik-Pablé ist ja nicht im Saal –: Faktum ist, dass im Bereich des Zuzugs von Asylwerbern von 1995 bis 1999 die Zahl bei 53 000 Personen lag, in der Zeit von 2000 bis 2004 hingegen bei 145 000. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 70

Faktum ist, dass die Zahl der Einbürgerungen von 1995 bis 1999 bei 91 000 lag und in der Zeit von 2000 bis 2004 bei 180 000. (Abg. Scheibner: Ja, aber wann sind denn die ins Land gekommen, Herr Kollege? Das darf doch nicht wahr sein! Das ist doch nicht Ihr Ernst, oder? Das sind doch die Leute, die Sie zehn Jahre zuvor ins Land geholt haben! Die haben Sie zehn Jahre zuvor ins Land geholt! Das darf ja nicht wahr sein!) Und das zeigt ganz genau, dass Ihre Argumentation völlig falsch ist und Sie in Wirklichkeit das Problem nicht in den Griff bekommen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Weiteres Faktum ist, dass es immer noch 27 000 offene Fälle von Asylwerbern gibt, weil diese Ministerin dem Antrag aller vier Parlamentsparteien nicht Rechnung getra­gen hat, einen Asylgerichtshof einzurichten, und weil daher auch nicht das notwendige Personal zur Verfügung gestellt worden ist, um ganz einfach dafür zu sorgen, dass diese Verfahren schnell und rasch abgewickelt werden können.

Meine Damen und Herren! Ich hoffe daher, dass es früher als 2010 zu einer gemein­samen europäischen Asylpolitik kommt, zu einem gemeinsamen Asylrecht. (Abg. Kößl: Ah, da schau her!) Bisher haben Sie nichts dazu beigetragen, außer Diskussionen. (Abg. Kößl: Geh, Rudi!) Und ich hoffe, dass die Frau Minister bereit ist, demnächst dem Innenausschuss einen Termin zu nennen, wo wir über diese Frage diskutieren können. Wir versuchen permanent, Termine zu bekommen – bis jetzt ist das nicht geglückt. Und ich hoffe, dass eine neue Regierung mehr Verständnis für dieses Parla­ment hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kößl: Aber mit einem ÖVP-Bundeskanzler!)

13.01


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Bösch.

 


13.01.36

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche - BZÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Meine Damen und Herren! Frau Minister Prokop, was Sie berichtet haben von der EU-Präsidentschaft und den Veranstaltungen, die Sie gemacht haben, ist meiner Überzeugung nach ein klarer Beweis dafür, dass die Europäische Union auch in diesem wesentlichen Bereich der inneren Sicherheit viele Elemente nicht ausreichend im Griff hat.

Im europäischen Bereich gibt es, und zwar auf mehreren Ebenen, ein Politikdefizit. Wir haben neben diesen ganzen Bestrebungen der Friedensunion und des wirtschaftlichen Wachstums, des Schaffens der Arbeitsplätze vor allem den Kampf gegen die negativen Auswirkungen der Globalisierung zu führen, aber auch endlich einen klaren Erweite­rungsstopp zu verlangen. Und das Dritte ist, den Schutz der Außengrenzen endlich sicherzustellen.

Frau Minister, das ist genau der Bereich, der in Ihr Ressort fällt und den Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen aus den EU-Mitgliedsländern in diesen Veranstaltungen, die die EU-Präsidentschaft noch machen kann, ansprechen sollten.

Frau Minister, Sie sollten diese Dinge sicherstellen! Und Sie sollten sich auch im Klaren darüber sein, dass die Europäische Union in diesen Politikfeldern erhebliche Defizite hat und die Europäische Union gezwungen ist, in diesen Bereichen endlich eine effiziente Politik zu machen, weil es gerade hier fünf nach zwölf ist.

Frau Minister, in Bezug auf die Erweiterung ist ganz klar, dass jeder in Europa gesehen hat, dass die Beitrittskandidatenländer Bulgarien und Rumänien noch nicht reif sind für den Beitritt in die Europäische Union – und dennoch hat es auf europäischer Ebene in den Gremien, in der Kommission, im Parlament Debatten dazu gegeben, die den Men­schen vormachen, dass diese Länder schon reif wären, in die Europäische Union einzutreten.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 71

Ebenso verhält es sich mit der Türkei. Jedermann in Europa weiß, dass die Türkei kein europäisches Land ist – und dennoch wird auf europäischer Ebene alles dazu getan, um die Verhandlungen mit diesem Land beginnen zu lassen.

Der dritte Bereich ist der Schutz der Außengrenzen. Frau Ministerin, die ganze Welt sieht, wie verzweifelt Menschen versuchen, über alle Wege das Gebiet der Euro­päischen Union zu erreichen – und dass die EU nicht in der Lage ist, die notwendigen Schritte gegen diese Massenzuwanderung zu setzen. Diese Massenzuwanderung erfolgt über das Mittelmeer, über den Atlantik und stellt die europäischen Grenzländer vor erhebliche organisatorische, aber auch soziale und sicherheitspolitische Schwierig­keiten, Schwierigkeiten, die eigentlich unlösbar sind.

Frau Minister, ich würde mir von Ihnen erwarten, vor allem beim Innenministergipfel, der Anfang Juni stattfindet, aber auch im Europäischen Rat, dass es im Rahmen der österreichischen Präsidentschaft gelingt, in diesen wesentlichen Punkten wichtige Schritte zu setzen. Es geht nicht darum, Ankündigungen zu machen, wie es im We­sent­lichen sozusagen die Regel auf europäischer Ebene ist, sondern es sind effiziente Maßnahmen umzusetzen, Maßnahmen, die sicherstellen, dass der Schutz der euro­päischen Außengrenzen gewährleistet ist.

Dass im Rahmen der Integration Schwierigkeiten auftreten werden, da brauchen wir uns keinen Illusionen hinzugeben, Frau Minister. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass auch in Wien oder in München oder in irgendeiner anderen mitteleuropäischen Groß­stadt dieselben Verhältnisse herrschen wie in Paris, Madrid oder London. Das heißt also, Frau Bundesminister, es müssen diese Fragen der inneren Sicherheit endlich auf den Punkt gebracht werden und gemeinsam mit Ihren Kollegen auf europäischer Ebene konkrete Maßnahmen angekündigt und die ersten Schritte gesetzt werden.

Frau Ministerin, Sie sollten sich dafür einsetzen, dass die Sicherung der EU-Außen­grenze zu einem Hauptthema der europäischen Politik wird, dabei erkennend, dass die EU große Glaubwürdigkeitsprobleme bei ihren Bürgern hat! Und Sie sollten klar­machen, dass es auch in Bezug auf die Erweiterungsschritte, die jetzt gesetzt wurden, endlich eine vernünftige Vorgangsweise geben muss, die sicherstellt, dass sich die Europäische Union, ihre Bürger und auch ihre Institutionen in den nächsten Jahren nicht übernehmen.

Frau Bundesministerin, Sie sollten in den letzten Wochen der europäischen Präsident­schaft Österreichs sicherstellen, dass ein sichtbarer effizienter Kampf gegen die negativen Auswirkungen der Globalisierung auf europäischer Ebene aufgenommen wird. (Beifall der Abg. Rosenkranz.)

13.06


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemel­det hat sich Frau Bundesministerin Prokop. – Bitte.

 


13.06.27

Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Ich möchte nur noch ganz kurz auf ein paar Punkte eingehen. Zum einen wurde gesagt, dass ich keine Termine oder keine Bereitschaft geboten hätte, zu informieren. – Ich bin jederzeit dazu bereit (Abg. Parnigoni: Ah? Sehr gut! Das hören wir gern!); natürlich müssen die Klubs diese Termine arrangieren. Ich habe das angeboten bereits im Frühjahr beim Bericht des Euro­päischen Parlaments, beim Bericht zur Präsidentschaft und habe es auch heute gesagt. Das ist ja eine Selbstverständlichkeit, wenn Ihnen diese Informationen fehlen. Vieles davon ist veröffentlicht, ist auf der Homepage lesbar, genauso, wie auch die Studie seit Freitag auf der Homepage des Innenministeriums abrufbar ist. Auch die


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 72

CD-ROM ist seit Freitag einforderbar. Die Veröffentlichung ist also geschehen, um das nur einmal klar zu sagen.

Zum zweiten Punkt, zur Behauptung, dass die Zahl der verliehenen Staatsbürger­schaften seither gestiegen sei. – Da muss man schon der Wahrheit das Wort reden, denn die Staatsbürgerschaft zu bekommen, erfordert einen gewissen Zeitraum des Aufenthaltes im Staate. Die Zuwanderung der neunziger Jahre hat einen Familien­nachzug und damit die Verleihung von Staatsbürgerschaften in einem boomartigen Ausmaß nach der Wende 2000 gebracht. Das haben wir mit dem Gesetz jetzt in den Griff bekommen, und es gelten auch da entsprechende Regelungen.

Was die Nachbarschaftspolitik betrifft, muss ich sagen, dass bis 1989 diesbezüglich nichts geschehen ist. Nach 1989 hat man zwar gewusst, hier gibt es Probleme, aber es ist nichts geschehen. Wir haben seit 2000 Verträge mit den Nachbarn gemacht und sind im Bereich der polizeilichen Kooperation ganz neue Wege gegangen, Wege, die auch funktionieren.

Zum Vorwurf betreffend Asylgerichtshof. Wir haben es übernommen, die Grundlagen zu prüfen. Das ist eingeführt worden in den Besonderen Ausschuss zum Österreich-Konvent. Da stellt sich die Frage einer Vorwegnahme oder Nicht-Vorwegnahme. Die Experten meinen, dass das Gerichtssystem einheitlich betrieben werden soll. Um eine Beschleunigung der Verfahren zu erreichen, ist das Personal im UBAS um ein Drittel aufgestockt worden. Das hat aber noch keine Effizienz gezeigt. Nur: Der UBAS ist ein Unabhängiger Asylsenat, dessen Arbeitstempo wir nicht beschleunigen können, aber in der ersten Instanz ist das Tempo deutlich beschleunigt worden.

Kurz noch zu den Fragen, die zum Thema Visum aufgetreten sind. Frau Abgeordnete, es ist völlig falsch, was Sie hier gesagt haben. Sie haben offensichtlich die letzten Beschlüsse nicht nachgelesen, denn die Beschlüsse beinhalten eine klare Ausnahme­regelung für Kinder, für Studenten, für Schüler, die gar nichts bezahlen müssen. Wir haben die nachbarschaftlichen Möglichkeiten zu regeln, und es werden von der Kom­mission, insbesondere bei jenen Staaten, die in Verhandlung mit der Europäischen Union stehen, die alten Gebühren bis 2008 eingehalten. Das alles ist in den Beschlüs­sen verankert und daher auch nachlesbar und nachvollziehbar.

Auch noch zum Bereich des Schutzes in der Region. Diese Form gibt es nicht. Ich kann nicht in die Ukraine fahren und mir so etwas anschauen, weil es das nicht gibt. Das ist eine neue Form, die von allen Parlamentsparteien im Europäischen Parlament, von allen NGOs, von der UNO forciert wird. Dieser Schutz in der Region als Pilot­projekt soll unter unserer Ägide gestartet werden. Es wird eine Region in Afrika geben und eine Region im Osten Europas. Da werden UNHCR und NGOs eingebunden sein, um dieses Modellprojekt aufzubauen.

Es ist darüber hinaus sehr viel mehr geschehen – weil es heißt, es wäre nichts auf dem Wege zu einer gemeinsamen Asylpolitik geschehen. Bis 2010, lautet der Be­schluss im Haager Programm. Wir haben die ersten Schritte gesetzt. Eine gemein­same Statistik soll erarbeitet werden; die gibt es bis heute nicht. Es soll ein gemein­sames und für alle einsichtiges Informationssystem geben, das über die Situation in den Herkunftsländern informiert. Unterstützungsteams für besonders belastete Re­gionen wie etwa im Mittelmeerbereich sind bereits eingerichtet und funktionieren. Und es gibt, wie gesagt, die Pilotprojekte.

Ich glaube, dass wir in dieser Zeit, in diesem kurzen halben Jahr, mit sehr viel Ver­handlungen, auch mit dem Europäischen Parlament, mit dem wir laufend in Verhand­lung sind, einiges weitergebracht haben. Wir haben vor allem wegen der Kontinuität


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 73

auch die nächste Präsidentschaft mit eingebunden, und ich hoffe, dass wir zu einem gemeinsamen System kommen werden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bucher.)

13.11


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. Ich erteile es ihr.

 


13.11.22

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich bringe zuerst die von meiner grünen Vorrednerin Terezija Stoisits schon besprochenen Entschließungsanträge ein und bitte den Herrn Präsidenten, sie zur Verteilung bringen zu lassen, da diese sehr umfangreich sind. Der eine betrifft die Flüchtlings­tragödien vor den Küsten der EU, den Kollegin Stoisits schon erläutert hat. Der zweite betrifft die Dublin-II-Verordnung der Europäischen Union, die den Mitgliedsstaat festlegt, der für die Prüfung eines Asylantrages zuständig ist. Dazu möchte ich noch einige Bemerkungen machen.

Es hat eine umfangreiche Evaluierung der Dublin-II-Verordnung durch den UNHCR gegeben, und zwar vom 20. April 2006. Dabei wurden schwere Mängel in der prak­tischen Umsetzung dieser europäischen Verordnung festgestellt. Unser Antrag bezieht sich darauf, dass die Innenministerin beim nächsten Ratstreffen diese UNHCR-Evaluierung zur Sprache bringen und auch Schritte und Eckpunkte zu diesem Thema in die österreichische Debatte einbringen soll. – Das zu den beiden Entschließungs­anträgen der Grünen.

Nun zu einigen anderen Bereichen des Themas Europäische Sicherheitspartnerschaft; vorerst zum Kollegen Spindelegger, der ganz am Anfang in der Debatte hier einen Satz gesagt hat, der mir in Erinnerung geblieben ist und den ich so nicht stehen lassen möchte.

Herr Kollege Spindelegger, Sie haben gemeint, dass Europa nicht zu einem Kontinent werden kann, wo jeder sich herumtummeln kann. (Abg. Dr. Spindelegger: So ist es!) – Was stellen Sie sich darunter genau vor? Wollen wir jetzt auch alles für Touristen sperren? Wollen wir womöglich eine Mauer um den Kontinent bauen, damit nur mehr die Leute, die vielleicht Ihnen zu Gesicht stehen, diesen Kontinent bereisen können? Das kann es doch nicht sein, Herr Kollege Spindelegger! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Prähauser.)

Ich würde gerne hören, was Sie dazu sagen, wenn MenschenrechtsaktivistInnen in Ländern wie Thailand, Kenia oder der Dominikanischen Republik meinen, da tummeln sich lauter europäische Sextouristen herum und gefährden die Sicherheit unserer Frauen und Mädchen. Würden Sie denen sagen, sie haben Recht? (Abg. Dr. Spindel­egger: Darüber können wir einen Dialog führen, das können wir gerne machen!)

Oder wie sehen Sie das in diesem Zusammenhang, wenn Sie etwa davon reden, dass sich da Menschen aus anderen Ländern herumtummeln? Nicht, dass ich die Sex­touristen unterstützen würde, aber wenn man so über Leute aus anderen Ländern spricht, dann zeugt das schon von einem gewissen Geist, den ich in diesem Hause eigentlich nicht haben möchte. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Spindelegger: Da ist ein kleiner Unterschied in der Qualität, Frau Kollegin!)

Ich habe in dieser Debatte überhaupt den Eindruck, dass man von Seiten der Regierungsfraktionen am liebsten sagen möchte: Wir bauen jetzt eine Mauer, vielleicht nicht gerade um Österreich, aber am besten um die EU herum, um Europa – und dann ist die Welt in Ordnung, dann brauchen wir uns um nichts mehr zu kümmern.

Auf eines möchte ich hier schon aufmerksam machen: Zu glauben, dass Sicherheit für Europa ganz alleine in Europa sichergestellt werden und dass man sich eventuell


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 74

durch Mauern und ganz strenge Kontrollen an den Grenzen abschotten kann, und dann passiert nichts mehr, dann leben wir hier alle in Sicherheit und sind zufrieden, und alles ist wunderbar, das ist wohl eine Illusion: in Zeiten von Globalisierung erst recht! Es wäre doch absurd, gerade in Zeiten der Globalisierung meinen zu wollen, man baut eine Festung Europa – und dann ist alles sicher.

Ein abschreckendes Beispiel gibt es, nämlich auch für all jene, die immer finden, man braucht sehr viel mehr Wirtschaftsbeziehungen, sehr viel mehr Freihandel und so weiter. Nehmen Sie das Beispiel USA – Mexiko her. In den Vereinigten Staaten von Amerika rebellieren jetzt die Migranten und Migrantinnen vor allem aus Mexiko und anderen lateinamerikanischen Ländern und sagen, sie wollen endlich Rechte haben und nicht nur die billigen Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger der USA bringen. Gleichzeitig sagt die Regierung Bush, wir bauen eine Mauer an der mexikanischen Grenze, nicht nur das Stückerl in Kalifornien, das es ohnehin schon gegeben hat, sondern die ganze Grenze entlang! (Abg. Dr. Spindelegger: Wir reden aber über Europa! Da gibt es keine Mauer! Sie sind auf dem falschen Kontinent unterwegs!)

Wissen Sie, was da im Vorfeld passiert ist? – Das Freihandelsabkommen zwischen USA, Mexiko und Kanada, NAFTA, hat dazu geführt, dass zum Beispiel, um es ganz konkret zu machen, durch den Import von Mais aus den Vereinigten Staaten, zum Teil gentechnisch verändert und hoch subventioniert, bis zu 800 000 Arbeitsplätze in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft in Mexiko zerstört wurden! Und dann regt sich noch jemand auf, dass diese versuchen, in das Land, das ihnen ihre Arbeitsplätze kaputt macht, zu migrieren?! Das ist doch eine absolute Scheuklappenpolitik, zu sagen, jetzt bauen wir eine Mauer, aber die Wirtschaftspolitik machen wir weiter wie bisher! – Das kann doch nicht gut gehen! Da brauchen Sie sich nicht zu wundern, dass der Migrationsdruck steigt! (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Frau Kollegin Partik-Pablé meint, man müsse Hilfe leisten für Afrika und für die Staaten der früheren Sowjetunion, dann kann ich Ihnen nur sagen: Hilfe allein ist auf jeden Fall zu wenig! Da geht es darum, dass Gerechtigkeit – auch wenn dieses Wort vielleicht in der Wirtschaft heute nicht mehr so gilt – in Wirtschaftsbeziehungen herrscht, dass europäische Sozial- und ökologische Standards eingehalten werden, dass die Gewinne auch in diesen Ländern investiert werden (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen) und nicht alle abfließen, damit die Menschen dort auch die Möglichkeit haben, zu überleben. Hilfe allein ist es nicht: Die Wirtschafts­beziehungen müssen gerechter gestaltet werden! (Beifall bei den Grünen.)

13.17


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe bekannt, dass die soeben in ihren Kernpunkten erläuterten Entschließungsanträge der Abgeordneten Mag. Stoisits, Kolle­gin­nen und Kollegen schriftlich überreicht wurden und genügend unterstützt sind. Sie stehen daher mit in Verhandlung.

Auf Grund des Umfangs dieser Anträge lasse ich sie gemäß § 53 Abs. 4 der Ge­schäfts­ordnung vervielfältigen und verteilen; außerdem werden sie dem Stenographi­schen Protokoll beigefügt.

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde betreffend Flücht­lingstragödien vor den Küsten der EU,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 75

eingebracht im Zuge der Debatte über „Europäische Sicherheitspartnerschaft"

Der Kampf gegen illegale Migration, um in der Diktion der Bundesregierung zu sprechen, ist ein wesentlicher Aspekt ihrer Sicherheitspolitik. Aus Grüner Sicht bleibt dabei die Frage der Sicherheit für unmittelbar betroffene Menschen ausgeklammert. Mehr als 10.000 Menschen sind in den letzten 5 Jahren vor den Küsten der EU beim Versuch diese zu betreten ertrunken. Unzählige Berichte objektivieren die unhaltbaren Zustände in den Sammellagern auf europäischem Boden (Lampe­dusa/Teu­ta/Melli­la/Malta/Kanarische Inseln). Zusätzlich gibt es riskante und menschenrechts­widrige Rückführungspraktiken aus diesen Sammellagern in Richtung Transit- und Herkunfts­staaten.

Ein im Dezember 2005 veröffentlichter Bericht des Menschenrechtsbeauftragten des Europarates Alvaro Gil-Robles enthält schwerwiegende Kritikpunkte über die Behör­denpraxis in Lampedusa.

Die Flüchtlingstragödien vor den Küsten der EU haben längst eine über den einzelnen Mitgliedstaat hinausgehende europäische Dimension erreicht. Zuletzt hat die EU in einer Sitzung des Rates der Innen- und JustizministerInnen am 12.10.2005 finanzielle Mittel in Höhe von € 40.000.000,-- bewilligt. Diese Mittel wurden Marokko zur Verfü­gung gestellt. Es wurde dabei verabsäumt, Maßnahmen zum Aufbau von Schutz­mechanismen in den betroffenen Drittstaaten oder in die Aufnahmelager der betrof­fenen Mitgliedstaaten zu investieren. Dazu wären weitere Investitionen notwendig. Es fehlt aber auch eine Initiative auf politischer und allenfalls gesetzgebender Ebene, wie mit solchen Sachverhalten im Sinne einer gemeinsamen Verantwortung umgegangen werden soll. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass Betroffene in den Sammellagern auf Lampedusa/Teuta/Mellila/Kanarische Inseln/Malta menschenwürdige Bedingungen vorfinden, wie sie der Aufnahmerichtlinie der Euro­päischen Union entsprechen.

2. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich besonders und nachweislich dafür einzusetzen, dass Betroffene einen Zugang zu einem fairen Verfahren in der Euro­päischen Union haben und Rückführungen nur unter Einhaltung des Non–Refoulement Prinzips (Prinzip der Nichtzurückschiebung in Staaten, in denen den Betroffenen unmenschliche Behandlung, erniedrigende Behandlung oder Folter drohen, stattfinden.

3. Die Bundesregierung wird darüber hinaus aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die auf europäischer Ebene geführten Debatten über Migration und irregulärer Migration jedenfalls auch die „Schutzdimension“ umfassen und nicht allein vom Sicher­heitsaspekt geführt werden.

4. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die betroffenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht alleine gelassen werden. Insbesondere sollten Personen, bei denen ein Schutzbedürfnis festgestellt wird, nach einem Resettle­mentsystem (Neuansiedlung) auf andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach bestimmten Quoten verteilt werden. Das könnte ein Beitrag zu einer wirklichen Teilung der Verantwortlichkeit sein. Menschen, bei denen ein Schutzbedürfnis besteht, können auf diesem Weg legal in die Europäischen Union einreisen und werden nicht Opfer von Schlepperbanden. 


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 76

5. Die Bundesregierung möge Sorge tragen, dass die finanziellen Mittel, die Dritt­staaten bewilligt werden, vor allem den jeweiligen  Aufnahmesystemen und Asyl­systemen zugute kommen. Sonst besteht die Gefahr, dass diese in auf die Abwehr von Flüchtlingen gerichtete Maßnahmen investiert werden.

6. Den Medienberichten war zu entnehmen, dass in den letzten Wochen vermehrt unbegleitete minderjährige Flüchtlinge an den Küsten der Europäischen Union ankom­men. Die Bundesregierung wird daher, aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass besonders verletzliche Gruppen von Flüchtenden adäquat versorgt werden. Insbeson­dere soll dabei auf die Einhaltung der Kinderrechtskonvention und das Primat des Wohls des Kindes im allgemeinen berücksichtigt werden.

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde betreffend Dublin II Verordnung der Europäische Union, die den Mitgliedstaat festlegt, der für die Prüfung eines Asylantrages zuständig ist,

eingebracht im Zuge der Debatte über eine "Europäische Sicherheitspartnerschaft"

Die gemeinsame Europäische Asylpolitik fußt u.a. auf der Verordnung von Dublin II. Es wird besonders von Seiten der österreichischen Bundesregierung keine Gelegenheit ausgelassen, die österreichische und die europäische Asyl- und Migrationspolitik unter dem alleinigen Blickwinkel der Sicherheitspolitik bis hin zu Antiterrormaßnahmen zu behandeln. Es ist diese Verordnung der EU integraler Bestandteil europäischer Sicher­heitspolitik und der vorliegende Entschließungsantrag in unmittelbarem Zusammen­hang mit dem vorliegenden Tagesordnungspunkt der „Europäischen Sicherheitspart­ner­schaft“.

Eine umfangreiche Evaluierung von Dublin II durch UNHCR vom 20.04.2006 hat schwere Mängel in der praktischen Umsetzung dieser europäischen Verordnung ergeben. Ein unveränderter Weiterbestand der Verordnung würde die Sicherheit von Menschen, die im Gebiet der EU Zuflucht suchen strukturell gefährden. Die Mängel beziehen sich vor allem auf folgende Punkte und müssen zu Änderungen der Verordnung führen:

1. Aus der Europäischen Aufnahmerichtlinie für AsylwerberInnen ergibt sich, dass AsylwerberInnen während des Asylverfahrens in aller Regel keinen Freiheits­beschrän­kungen unterworfen werden sollen. Die dort festgelegten sog. Aufnahmebedingungen sind allen AsylwerberInnen (damit auch solchen, die sich im Dublinverfahren befinden) zu gewähren. Die in einigen Mitgliedstaaten, vor allem Österreich, herrschende Praxis, AsylwerberInnen im Dublinverfahren automatisch in Schubhaft zu nehmen, ist unzulässig.

2. Dem Grundrecht auf Familieneinheit und der Einhaltung der Kinderrechtskonvention ist unter allen Umständen zum Durchbruch zu verhelfen. Ein Asylverfahren soll unter allen Umständen für sämtliche Familienmitglieder in einem Mitgliedstaat geführt werden. Das bedeutet, dass der im Dublinverfahren herrschende Familienbegriff erweitert werden muss. Es müssen auch Lebenspartnerschaften miteinbezogen wer­den, sowie andere abhängige Familienangehörige, (z.B. erwachsene Kinder, die pflegebedürftig sind). Die Voraussetzung, dass die Familienbande schon in der Heimat bestanden haben muss, ist zumindest für PartnerInnen und minderjährige Kinder zu streichen. Falls sich in einem Mitgliedstaat bereits ein Familienmitglied befindet, dem


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 77

subsidiärer Schutz zukommt, so muss eine Familienzusammenführung ermöglicht wer­den.

3. Rückführungen (Abschiebungen) in den zuständigen Mitgliedstaat sollen nur unter Beachtung des Grundrechtes auf Menschenwürde (Art 3 EMRK) unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips durchgeführt werden. Eine Abschiebung darf überhaupt nur erwogen werden, wenn es klare Indizien gibt, dass eine freiwillige Ausreise des/der Betroffenen in den zuständigen Mitgliedstaat nicht zu erwarten ist.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Die Frau Bundesministerin für Inneres möge beim nächsten Ratstreffen am 1/2.6.2006 die UNHCR-Evaluierung von Dublin II zur Sprache bringen.

2. Darüber hinaus möge sich die Frau Bundesministerin dafür einsetzen, dass anschließend ein Auftrag an die EU-Kommission ergeht, einen Vorschlag für eine Änderung von Dublin II in enger Anlehnung an den Bericht von UNHCR zu erstellen.

3. Die Bundesministerin für Inneres möge folgende Eckpunkte dabei von öster­reichischer Seite (nachweislich) in die Debatte einbringen:

Die Geltung der Aufnahmebedingungen für AsylwerberInnen auch im sog. Dublin­verfahren ist sicherzustellen. Freiheitsentzug in Schubhaft darf während des Asyl­verfahrens nur in begründeten Einzelfällen verhängt werden.

Die Geltung der Kinderrechtskonvention, indem eine Inhaftierung von Minderjährigen zu Zwecken der Abschiebung verboten wird, ist sicherzustellen.

Die Geltung der Kinderrechtskonvention, indem das Wohl des Kindes in jedem Fall Priorität hat, ist sicherzustellen. Der Familienbegriff der Verordnung ist zu erweitern auf LebenspartnerInnen und sonstige abhängige Angehörige. Eine Formulierung, wonach die Familienbande kann auch erst nach Betreten der Eurropäischen Union entstanden sein kann, ist in die Verordnung aufzunehmen.

Falls AsylwerberInnen (in begründeten Ausnahmefällen) in Schubhaft gehalten werden, muss Zugang zu unabhängiger und kostenloser Rechtsberatung sichergestellt sein.

4. Die Bundesministerin für Inneres möge einen Änderungsvorschlag zum Fremden­rechtspaket vorlegen, der den europarechtlichen und grundrechtlichen Vorgaben auch in Österreich wieder Rechnung trägt.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ellmauer. – Bitte.

 


13.17.28

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Leider ist Herr Kollege Gusenbauer nicht da (Abg. Steibl: Wie so oft!), sonst könnten wir ihn aufklären, aber vielleicht kann es ihm Herr Cap ausrichten: Saisonniers gibt es in Österreich seit 1993. Saisonniers sind deshalb eingeführt worden, weil es für den Bereich der Erntehelfer und für Saisonbetriebe im Tourismus zu wenig österreichische Arbeitskräfte gegeben


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 78

hat. Wir haben im vergangenen Jahr die Zahl der Saisonniers im Bereich der Ernte­helfer und auch für den Tourismusbereich gesenkt. Herr Gusenbauer verwechselt da etwas, denn: Die Leute wollen nur temporär hier arbeiten und dann wieder zurück in ihr Heimatland und sich nicht bei uns integrieren. Vielleicht können Sie ihm das ausrichten. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Gewaltbereitschaft von Einzelpersonen und Organisationen, aber auch von Ländern hat in den letzten Jahren zugenommen. Um diesen Herausforderungen, die nicht an den Grenzen Halt machen, entsprechend gegenübertreten zu können, stellen internationale Sicherheitspartnerschaften ein wirksames Instrument dar.

Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union bildet das Fundament dafür, dass wir uns in Europa sicher fühlen können. Im gleichen Atemzug sind aber auch im Hinblick auf die innere europäische Sicherheit die Bereiche Kontrolle an den Außengrenzen, Asyl, Einwanderung, Immigration, Visumpolitik, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit sowie Verhütung und Bekämpfung von organisierter Kriminalität zu nennen. Um diese genannten Bereiche entsprechend bewältigen zu können, muss es eine Kooperation über die europäischen Grenzen hinaus geben. Nur so können auf die Fragen der Asyl- und Einwanderungspolitik beziehungsweise der Kriminalitäts­bekämpfung entsprechende Antworten gegeben werden.

Die von Bundesministerin Prokop initiierten Schritte zur engen Kooperation mit den Staaten im Osten und Südosten Europas sind daher wichtig und zukunftsweisend, um in den Herkunfts- und Transitländern Lösungen im Bereich Asyl und Migration zu finden.

Weiters hat es sich die österreichische Ratspräsidentschaft zur Aufgabe gemacht, den Aktionsplan zur Umsetzung des Haager Programms – mit seinen Hauptpunkten Be­kämp­fung des Terrorismus, Steuerung der Migrationsströme, Grundrechte, Unions­bürgerschaft, Binnengrenzen, Außengrenzen und Visa sowie Integration und ganz besonders auch Datenschutz – mit Nachdruck voranzutreiben.

Besonders in der Kernfrage einer gemeinsamen europäischen Asylregelung bis 2010 kommt Österreich eine Vorreiterrolle zu. – Herr Darabos dürfte das aber gar nicht mitbekommen haben.

Das im letzten Jahr beschlossene Fremdenrechtspaket, welches allen Kriterien der Euro­päischen Menschenrechtskonvention sowie der Genfer Flüchtlingskonvention entspricht, ist zum Großteil auch Vorbild für eine gemeinsame Asylpolitik. An dieser Stelle soll auch nochmals klargestellt werden, dass Asylmissbrauch jedenfalls geahn­det werden muss. Für jene, die Asyl brauchen, sind die Verfahren wesentlich vereinfacht und gestrafft worden, damit ihnen rasch Asyl gewährt werden kann.

Die letzte Statistik des Asylwesens bestätigt den Rückgang der Zahl an Asylanträgen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 26 Prozent. Ganz sicher ist unsere Fremden­rechtspolitik auf dem richtigen Weg: Bereits im Vorfeld werden internationale Schlep­per­banden abgeschreckt, aber auch jene, die ohne Asylgrund zu uns kommen wollen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vergangenen Montag habe ich mit drei Kollegen den Unabhängigen Bundesasylsenat besucht, um mich über den Stand der Reform, der Einarbeitung der neuen zusätzlichen Mitarbeiter sowie über die Errichtung einer Außenstelle in Linz zu informieren. Ich kann Ihnen berichten, dass dort sehr engagiert und zielstrebig gearbeitet wird. Erstmals ist im ersten Quartal 2006 der Output gleich dem Input. Das heißt, die Zahl der bearbeiteten und abgeschlossenen Verfahren ist gleich hoch wie die der eingelangten Fälle. Dieser Wert hat umso mehr Bedeutung, als im ersten Quartal die zusätzlichen Mitarbeiter erst eingestellt, geschult und natürlich


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 79

eingearbeitet werden mussten. Ebenso erfolgte die Errichtung einer Außenstelle in Linz; die baulichen Adaptierungsarbeiten werden in nächster Zeit abgeschlossen sein. Gleichzeitig läuft die Modernisierung des gesamten EDV-Bereichs für verbesserte Analysemöglichkeiten und eine Rationalisierung der Abläufe.

Ich bedanke mich bei der Leitung und auch bei den Mitarbeitern des UBAS für ihre ganz hervorragende Arbeit – und ganz besonders bedanke ich mich bei dir, Frau Bun­desministerin Prokop, denn du hast durch deine Entscheidung die Ressourcen dafür zur Verfügung gestellt, dass dies möglich wurde. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Sehr geschätzte Damen und Herren, lassen Sie mich noch kurz Stellung nehmen zur aktuellen Integrationsdebatte, etwas, was ja nicht nur ein österreichisches, sondern ein europäisches, ja ein internationales Problem ist.

Was bedeutet Integration? – Integration bedeutet sicherlich nicht, seine Kultur, Sprache, Religion und Tradition aufzugeben, bedeutet jedoch sehr wohl, sich mit ebendiesen Punkten in der neuen Heimat auseinander zu setzen – das verlangt aber auch von den hier Geborenen entsprechendes Entgegenkommen.

Die aktuelle Studie über die Integration muslimischer Mitbürger ist nichts anderes als eine Bestandsaufnahme, um seitens des Ministeriums Antworten auf Integrations­prob­leme zu finden.

Wir stehen für ein respektvolles Miteinander der Kulturen und Religionen. Und ich warne an dieser Stelle vor Scharf-, aber auch vor Weichmachern in dieser Debatte.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich bedanke mich abschließend bei Frau Bundesministerin Prokop, die in ihrer bisherigen eineinhalbjährigen Amtszeit hervor­ragende Arbeit geleistet hat und Österreich auch auf europäischer Ebene bestens vertritt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

13.23


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. Ich erteile es ihr.

 


13.23.40

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Meine Damen und Herren! Da Kollege Ellmauer vorhin sagte, dass gleich viele Fälle beim Senat ... (Zwischenruf des Abg. Ellmauer.) – Wenn gleich viele Fälle abgearbeitet werden wie dazukommen, so bedeutet dies ja, dass viele Fälle, die es dort gibt, nicht in dem Maße, wie dies wünschenswert wäre, aufgearbeitet werden (Abg. Neudeck: Er hat ja gesagt, dass sie gerade erst eingeschult werden!), dass also dieser „Rucksack“ nicht abgebaut wird – und das, obwohl das versprochen wurde! (Abg. Neudeck: Also Sie sind noch nicht „startklar“, Frau Kollegin!)

Zum Thema Integration, einem Thema, das die Menschen sehr beschäftigt, und ich meine daher, dass man das auch ernsthaft behandeln muss und dass diesbezüglich viel mehr geschehen müsste.

Was wir jedoch ablehnen, ist, dass dieses Thema jetzt zum Wahlkampfthema gemacht wird (Abg. Steibl: Das ist aber etwas Neues, dass die SPÖ mit dem Wahlkampfthema nichts zu tun hat! Sie machen ja permanent Wahlkampf! Alles eine fadenscheinige Geschichte!), dass Studien, die laut der Meinung der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie methodisch und technisch sehr fragwürdig sind, von Frau Bundesministerin Prokop schon vorab kommentiert werden und so geradezu der Eindruck entstehen muss, dass bereits bestehende Ängste und Befürchtungen geschürt werden sollen. Und das ist das, was wir von der SPÖ sicherlich nicht wollen. (Abg. Steibl: Das ist


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 80

etwas Neues! Die SPÖ schürt ja permanent! Das ist eigentlich verantwortungslos!) Es dürfen und sollen nicht Ängste geschürt werden, sondern es geht darum, Probleme aufzuarbeiten. Das ist jedoch gerade das, was diese Bundesregierung nicht macht.

Meine Damen und Herren, was erwarten wir uns von der Integration? – Natürlich ist Integration etwas, was von beiden Seiten geschehen muss: Es muss den Willen zur Integration bei jenen Menschen geben, die hier leben wollen; es muss dazu aber auch die Unterstützung und Bereitschaft von Seiten des Staates und der Regierung geben. Und das ist das Problem, das wir in Österreich eben haben.

Es gibt sicherlich – das soll man nicht leugnen – Migrantinnen und Migranten, die nicht wirklich integrationswillig sind. 45 Prozent sind es nicht, das ist, glaube ich, jetzt eindeutig festgestellt. Es geht darum, dass Migrantinnen und Migranten unsere zen­tralen Werte wie Demokratie, Menschenrechte, die zugleich auch Frauenrechte sind, Chancengleichheit, eine gewaltlose Konfliktlösungskultur und Ähnliches anneh­men. Das verlangen wir aber natürlich nicht nur von den Zuwanderinnen und Zuwanderern, sondern von der gesamten Bevölkerung.

Da zeigt sich dann eben auf der anderen Seite, dass wir zu Recht Kritik an der Bun­desregierung üben.

Zum Thema Spracherwerb: Natürlich sollen die Menschen die Sprache des Landes, in dem sie leben, erlernen; das ist geradezu eine Voraussetzung für die Integration; aber es fehlen mehr als 1 000 Begleitlehrerinnen und Begleitlehrer. Begleitlehrerinnen und Begleitlehrer sind wichtig nicht nur für die MigrantInnenkinder, sondern sehr wohl auch für die österreichischen Kinder, die mit ihnen in einer Klasse sitzen.

Wenn wir von der OECD und von der EU-Kommission hören, dass das Ausbildungs­niveau vor allem bei den jungen Türkinnen und Türken sinkt, sehen wir, dass da Handlungsbedarf besteht. Und gerade bei den Mädchen wäre es sehr wichtig, dass etwas geschieht. Dazu hört man aber leider von Bildungsministerin und Frauen­ministerin nichts.

Wir verlangen daher in diesem Zusammenhang ein Staatssekretariat im Bundes­kanzler­amt, denn Sicherheit kann nur ein kleiner Aspekt im Bereich Integration sein. Was notwendig ist, ist, diese Frage als soziale Frage zu sehen. Wir brauchen eine ent­sprechende Bildungs-, Gesundheits- und Arbeitsmarktpolitik. Daher wäre es wichtig, dazu endlich Schritte seitens der Bundesregierung zu setzen. – Wien tut das ja, aber von Seiten der Bundesregierung ist da leider nichts zu erwarten. Wir können nur auf die Zeit nach der Wahl hoffen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.28


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Fauland. – Bitte.

 


13.28.08

Abgeordneter Markus Fauland (Freiheitliche - BZÖ): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Spindelegger hat es in seinem Beitrag bereits angesprochen, nämlich die Umsetzung des Haager Pro­gramms. Einen Teil des Haager Programms stellt der Drogen-Aktionsplan des Jahres 2005 bis 2008 dar.

Vom 16. bis 17. Feber 2006 gab es in Innsbruck ein EU-Drogenkoordinator-Treffen, und da wurde vielen einmal mehr die Situation bewusst, wie es derzeit mit der Drogenproblematik in der Europäischen Union steht.

Drogen gefährden nicht nur die Sicherheit und die Gesundheit unserer Kinder, sondern die Gesundheit und Sicherheit von mehr als 2 Millionen Drogenkonsumenten – und


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 81

das allein im Bereich der Europäischen Union. So traurig es ist: Das Alter dieser Drogenkonsumentinnen und -konsumenten wird immer geringer!

In diesem Zusammenhang möchte ich jetzt ganz kurz auch auf die Situation in Öster­reich eingehen, gab es ja dazu gerade in den letzten Tagen wirklich erschütternde Pressemeldungen: Die jüngste Drogenkonsumentin war erst zehn Jahre alt!

Dazu gab es auch in den „Salzburger Nachrichten“ vom 20. Mai 2006 ein Interview mit Wolfgang Grüll, dem Leiter der Kontaktstelle für Suchtfragen. An Salzburger Schulen wurden Drogentests durchgeführt. Ergebnis: Die jüngste Drogenkonsumentin, die selbst­verständlich nicht namentlich genannt wurde, war erst zehn Jahre alt. – Die Conclusio des Lehrers: Jugendliche nehmen Drogen. Getrunken und Drogen konsu­miert wurden auch früher, aber das Alter, in dem es jetzt ausgelotet wird, ist 13, 14 oder 15.

14-jähriger Obersteirer als mutmaßlicher Drogendealer ausgeforscht. Ein erst 14 Jahre alter Obersteirer konnte dieser Tage – das war im Februar dieses Jahres – als mutmaßlicher Drogendealer ausgeforscht werden. Er hat Cannabis-Produkte, Mari­huana und Haschisch verkauft. – 16-jähriger Wiener ist ein mutmaßlicher Drogen­dealer. Dealerinnen belieferten auch Kinder: Die Kunden der Frau Isabella M. waren fast ausschließlich Kinder und Jugendliche im Alter von 14 Jahren und darunter. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ.)

Das alles zeigt, dass diese Problematik ein österreichisches und auch ein euro­päisches Problem ist, und daraus folgt, dass wir uns – und das möchte ich in aller Klarheit, um dieses Zitat einmal zu strapazieren, feststellen – gegen jede Legalisierung von weichen Drogen in Österreich aussprechen. Es ist bedauerlich, dass es in diesem Haus Parteien gibt, die diesen Schulterschluss nicht machen wollen, aber ich denke, dass es auf Grund der Erfahrungen im Bereich der Europäischen Union und auch in Österreich jedem klar sein sollte, dass der Einstieg über weiche Drogen beginnt, bei harten Drogen endet – und bis hin zur Gefährdung der eigenen Gesundheit ausarten kann.

Abschließend noch ein kurzes Wort zur Rede des Kollegen Pilz, der – wie wir es alle gewohnt sind – nicht im Saal ist, nämlich zum Thema Atomkraftwerk. Kollege Pilz hat heute den perfekten Widerspruch in sich dargeboten. Er hat einerseits davon gesprochen, dass wir in Österreich ja gar keine Überwachung des Luftraumes brauchen, auf der anderen Seite hat er aber angemerkt, dass gerade im Grenzbereich rund um Österreich so viele Atomkraftwerke angesiedelt sind, die einem sehr hohen Gefährdungspotential durch terroristische Anschläge ausgeliefert sind.

Natürlich könnten diese Anschläge vor allem aus der Luft durchgeführt werden. Was wäre es doch für eine Einladung für Terroristen, wenn sie einen nicht bewachten öster­reichischen Luftraum im Tiefflug durchqueren können und dann in einer Flugzeit von ein bis zwei Minuten – diese Zeit brauchen sie dann noch nach der Grenze – Europa wirklich in eine solche Katastrophe führen könnten! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.32


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Pfeffer. – Bitte.

 


13.32.30

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Bevor ich mit meinen Ausführungen beginne, darf ich den von Herrn Kollegem Parnigoni erwähnten Entschließungsantrag einbringen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 82

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Katharina Pfeffer und KollegInnen

Die Bundesministerin für Inneres wird ersucht, dem Nationalrat die gesamte Studie „Perspektiven und Herausforderungen in der Integration muslimischer MitbürgerInnen in Österreich“ vorzulegen, wobei diesem Wunsch auch entsprochen wird, wenn jedem parlamentarischen Klub eine Gesamtstudie umgehend zur Verfügung gestellt wird.

*****

Meine Damen und Herren! Vieles wurde zum Thema Sicherheit schon gesagt. Ich möchte eines erwähnen: Bei den Verhandlungen zum Asylgesetz wurden wir mit einbezogen, wir haben mitgestimmt, vieles wurde versprochen, aber noch nicht umgesetzt. Sie haben aber jetzt, Frau Bundesministerin, in Ihrer zweiten Wortmeldung erwähnt, dass der Asylgerichtshof installiert wird, dass die Asylverfahren beschleunigt werden und dass das Personal aufgestockt wird. Dies wollte ich ansprechen, ich möchte Ihnen Glauben schenken, aber wir werden jedenfalls alles genau beobachten.

Da mir noch ein wenig Zeit bleibt, darf ich mich bei allen Polizeibeamtinnen und -beamten im Namen meiner Fraktion herzlich für Ihren Einsatz im Sinne der Sicherheit für unsere Menschen bedanken (Abg. Neudeck: Aber bei uns auch!): Ich möchte ihnen herzlich danken! (Beifall bei der SPÖ.)

13.34


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Gaál. – Bitte.

 


13.34.22

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen auf der Regie­rungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesministerin Prokop, uns geht es neben der internationalen Zusammenarbeit in Europa auch um eine gemeinsam Außen- und Sicherheitspolitik und natürlich auch um eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, wo das Ziel „Freiheit, Sicherheit und Stabilität in Europa“ umfassend sicherzustellen ist. Das dürfen wir ganz einfach nicht aus den Augen verlieren.

Ich sehe Europa als Friedensmacht – und nicht als Festung. Die Entwicklung ziviler und militärischer Fähigkeiten muss daher in diese Richtung erfolgen. Diese liegen im­mer mehr im Bereich der Solidarität, der humanitären Maßnahmen, der Katastrophen­hilfe, der Friedenssicherung, des zivilen Krisenmanagements und natürlich vor allem auch der europäischen Sicherheitsarchitektur, die weit über den militärischen Bereich hinausgeht. Daher stehen wir auch der Weiterentwicklung und dem Ausbau der polizeilichen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus, der organisierten Kriminalität mit all ihren negativen Begleiterscheinungen positiv gegenüber.

Darum ist es auch notwendig, dass Europäische Parlament mit mehr Rechten auszu­statten. Mehr Rechte inkludieren aber auch mehr Pflichten, Frau Bundesministerin! Mehr Pflichten heißt auch, dass es eine Stärkung der parlamentarischen Kontrolle geben muss.

Wir verlangen daher auch mehr parlamentarische Kontrolle! Da mauert jedoch diese Bundesregierung – heute wurde schon ein sehr prominentes Beispiel angesprochen: die Eurofighter-Beschaffung, der Eurofighter-Vertrag. Sämtliche Mussforderungen wur­den zugunsten von EADS in Soll-Kriterien umgewandelt. Das Pflichtenheft wurde


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 83

nachträglich geändert. Alles schreit nach Aufklärung – das Parlament darf aber nicht prüfen, Frau Bundesministerin –, weil die Bundesregierung das abblockt!

Das Parlament muss prüfen! Der Herr Bundeskanzler hat die Republik entrechtet, missachtet die Kontrollrechte des Parlamentes. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Prä­sident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) Wir fordern eine Offenlegung des Kaufvertrages! Wir müssen den kaufmännischen Teil prüfen. Das muss sicher­gestellt werden, meine Damen und Herren! Die Karten müssen auf den Tisch! (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Es muss eine ausreichende parlamentarische Kontrolle geben! (Beifall bei der SPÖ.)

13.36


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der Entschließungsantrag, von der Frau Abgeordneten Pfeffer verlesen, ist ausreichend unterstützt und steht mit in Ver­hand­lung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

Der Abgeordneten Katharina Pfeffer und KollegInnen betreffend Vorlage der Studie „Perspektiven und Herausforderungen in der Integration muslimischer MitbürgerInnen in Österreich“ an den Nationalrat, eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 2

Die Aussage der Innenministerin Liese Prokop vor einigen Tagen, 45 % der Muslime seien nicht integrationswillig, hat zu heftigen Diskussionen in Österreich geführt. Für eine Versachlichung der Diskussion wäre es von hoher Bedeutung, wenn die gesamte Studie, also samt Fragestellungen und Auswertungen der konkreten Antworten, analysiert werden könnte.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung:

Der Nationalrat hat beschlossen:

Die Bundesministerin für Inneres wird ersucht, dem Nationalrat die gesamte Studie „Perspektiven und Herausforderungen in der Integration muslimischer MitbürgerInnen in Österreich“ vorzulegen, wobei diesen Wunsch auch entsprochen wird, wenn jedem parlamentarischen Klub eine Gesamtstudie umgehend zur Verfügung gestellt wird.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Spindelegger, Dr. Partik-Pablé, Kollegen und Kolleginnen betreffend wie­tere Maßnahmen zur Förderung der Integration in Österreich.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 184.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Flüchtlingstragödien vor den Küsten der EU.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dublin-II-Verordnung der EU, die den Mitgliedstaat festlegt, der für die Prüfung eines Asylantrages zuständig ist.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Pfeffer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage der Studie „Perspektiven und Herausforderungen in der Integration muslimischer MitbürgerInnen in Österreich“ an den Nationalrat.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist das die Minderheit und damit abgelehnt.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
152. Sitzung / Seite 84

13.38.30Einlauf

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung der Selbständige Antrag 833/A eingebracht wurde.

Ferner sind die Anfragen 4298/J bis 4301/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für 13.40 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

13.38.58Schluss der Sitzung: 13.38 Uhr

 

 

 

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien