Stenographisches Protokoll

 

 

 

 

 

161. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Freitag, 14. Juli 2006

 

 


Stenographisches Protokoll

161. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode                            Freitag, 14. Juli 2006

Dauer der Sitzung

Freitag, 14. Juli 2006: 9.00 – 16.01 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Antrag der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksgruppengesetz geändert wird (848/A)

2. Punkt: Antrag der Abgeordneten Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksgruppengesetz geändert wird (849/A)

3. Punkt: Bericht über den Antrag 856/A der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Dr. Josef Cap, Herbert Scheibner, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird

*****

Inhalt

Nationalrat

Beschluss auf Beendigung der ordentlichen Tagung 2005/2006 der XXII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates mit 14. Juli 2006 ..................................................................................... 153

Schlussansprache des Präsidenten Dr. Andreas Khol ......................................... 155

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 10

Geschäftsbehandlung

Mitteilung des Präsidenten Dr. Andreas Khol betreffend Ersuchen auf Erteilung von Ordnungsrufen in der 160. Sitzung des Nationalrates vom 13. Juli 2006 ......................................................... 10

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Ausschussberichtes 1632 d.B. gemäß § 44 (2) der Geschäftsordnung ...................................................................................... 10


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 2

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 11

Unterbrechungen der Sitzung .............................................................................  12, 108

Antrag des Abgeordneten Mag. Werner Kogler, den Rechnungshofausschuss gemäß § 46 Abs. 4 GOG zu beauftragen, seine Arbeiten während der tagungsfreien Zeit fortzusetzen – Ablehnung  153, 153

Antrag der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolle­ginnen und Kollegen gemäß § 46 Abs. 4 GOG, den Rechnungshofausschuss mit der Fortführung der Arbeiten hinsichtlich des Verlangens der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 32e Abs. 2 GOG auf Erteilung eines Auftrages an den Ständigen Unterausschuss des Rech­nungshofausschusses betreffend „Gebarung des Bundesministeriums für Finanzen, der Oesterreichischen Nationalbank und der Finanzmarktaufsichts­behörde (FMA) einschließlich der Tätigkeit ihrer Rechtsvorgängerin, der Bundes-Wertpapieraufsicht (BWA), hinsichtlich der Erfüllung ihrer Aufsichtspflicht über die Geschäfte der Bank für Arbeit und Wirtschaft AG (BAWAG) einschließlich ihrer Tochterunternehmen, und zwar insbesondere deren „Karibik-Geschäfte“, Kredite, Haftungen, Garantien, Beteiligungen, Ver- und Rückkäufe von Aktien sowie sonstiger Geschäfte und Geldflüsse zur Verschleierung des tatsächlichen Vermögenstandes der BAWAG vor allem im Zeitraum des wahrscheinlichen Entstehens der Verluste von etwa 1,4 Mrd. €; dies betrifft im Besonderen die Jahre 1994 bis 2000, wobei auch der Zeitraum 2000 bis heute in die Betrachtung mit einzubeziehen ist, da der amtierende Finanzminister umgehend nach seinem Amtsantritt den Auftrag zur Gründung einer unabhängigen und weisungsfreien Allfinanzmarktaufsichtsbehörde gegeben hat“, während der tagungsfreien Zeit zu beauftragen – Annahme ......................................................................................  154, 154

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Präsidenten Dr. Andreas Khol .................................................................................. 154

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ............................... 155

Unvereinbarkeitsangelegenheiten

Vierzehnter Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses ................................................ 11

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Antrag der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksgruppengesetz geän­dert wird (848/A) .................... 12

2. Punkt: Antrag der Abgeordneten Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksgruppengesetz geändert wird (849/A) .................... 12

Redner/Rednerinnen:

Mag. Wilhelm Molterer ........................................................................................... ..... 12

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ..... 15

Herbert Scheibner .................................................................................................. ..... 18

Dr. Alexander Van der Bellen ................................................................................ ..... 39

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ............................................................... ..... 42

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer .......................................................................... ..... 46


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 3

Dr. Peter Wittmann ................................................................................................. ..... 47

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch .......................................................................................... ..... 63

Mag. Terezija Stoisits ............................................................................................. ..... 65

Bundesministerin Mag. Karin Gastinger ............................................................. ..... 67

Ing. Josef Winkler ................................................................................................... ..... 68

Mag. Christine Muttonen ....................................................................................... ..... 69

Markus Fauland ...................................................................................................... ..... 71

Mag. Ulrike Lunacek ............................................................................................... ..... 72

Antrag der Abgeordneten Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen, den Antrag 849/A der Abgeordneten Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksgruppengesetz geändert wird, gemäß § 73 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung rückzuverweisen – Annahme ...............................................................  21, 76

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Ortstafelerkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes – Ablehnung  74, 77

keine Beschlussfassung im Sinne des § 82 Abs. 2 Z. 1 der Geschäftsordnung hinsichtlich des in Antrag 848/A enthaltenen Gesetzentwurfes ........................................................................................ 76

3. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 856/A der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Dr. Josef Cap, Herbert Scheibner, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die XXII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird (1632 d.B.) ...................................................................................................................... 77

Redner/Rednerinnen:

Mag. Wilhelm Molterer ........................................................................................... ..... 77

Dr. Alfred Gusenbauer ........................................................................................... ..... 82

Herbert Scheibner ...............................................................................................  86, 147

Dr. Alexander Van der Bellen ................................................................................ ..... 92

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ............................................................... ..... 97

Fritz Grillitsch .......................................................................................................... ... 102

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ... 105

Dr. Helene Partik-Pablé .......................................................................................... ... 109

Mag. Brigid Weinzinger .......................................................................................... ... 111

Vizekanzler Hubert Gorbach ................................................................................. ... 114

Dr. Michael Spindelegger ...................................................................................... ... 118

Doris Bures ............................................................................................................. ... 120

Mag. Dr. Magda Bleckmann .................................................................................. ... 122

Karl Öllinger ............................................................................................................ ... 124

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser ........................................................... ... 125

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ................................................................................ ... 127

Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................................................... ... 129

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch .......................................................................................... ... 131

Michaela Sburny ..................................................................................................... ... 133

Bundesministerin Ursula Haubner ....................................................................... ... 134

Silvia Fuhrmann ...................................................................................................... ... 136

Josef Broukal .......................................................................................................... ... 137

Dr. Reinhard Eugen Bösch .................................................................................... ... 138

Dieter Brosz ............................................................................................................. ... 139

Mag. Walter Posch .................................................................................................. ... 140

Mag. Heribert Donnerbauer ................................................................................... ... 142

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ... 143

Josef Broukal (tatsächliche Berichtigung) ................................................................. 145


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 4

Sabine Mandak ........................................................................................................ ... 145

Theresia Haidlmayr .................................................................................................... 148

Maximilian Walch ....................................................................................................... 150

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................. 152

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Senkung des Wahlalters – Ablehnung ................................................................  144, 153

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 152

Eingebracht wurden

Regierungsvorlage ...................................................................................................... 11

1626: Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Fortpflanzungsmedizingesetz, das Ehegesetz, das Urheberrechtsgesetz, die Zivilprozessordnung, die Exekutionsordnung, die Konkursordnung, die Anfech­tungsordnung und das Strafgesetzbuch geändert werden (Familienrechts-Ände­rungsgesetz 2006 – FamRÄG 2006)

Anträge der Abgeordneten

Karlheinz Kopf, Klaus Wittauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Emissionszertifikategesetz geändert wird (857/A)

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend zusätzliche Mittel für die Blum-Förderung sowie Schutz vor Fördermissbrauch (858/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Änderung der Bestimmungen für den Betrieb von Altenwohnheimen und Pflegeeinrichtungen (4627/J)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kontakte des Bundesministers für Finanzen mit Dr. Wolfgang Flöttl (4628/J)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wis­senschaft und Kultur betreffend Schüler- und LehrerInnendaten des Schuljahrs 2005/2006 (4629/J)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend dreistufige Notenskala an den Wiener KMS (4630/J)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Überschreitung der KlassenschülerIn­nen­höchst­zahl am BG und BRG Hallein (4631/J)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 5

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend EU-Bio-Verordnung (4632/J)

Heidemarie Rest-Hinterseer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Ergebnis der Studie „Frauen und Politik am Land“ (4633/J)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­ministerin für Gesundheit und Frauen betreffend EU-Bio-Verordnung (4634/J)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend fehlende rechtliche Grundlagen zur Überschreitung der KlassenschülerInnenhöchstzahlen (4635/J)

Michaela Sburny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Kosten, Verkauf und Abrechnung der Dienstleistungsschecks (4636/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betref­fend Galerienförderung Museum Moderner Kunst Kärnten (MMKK) (4637/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betref­fend UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt (4638/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betref­fend Kunstförderung an Buchhandlung Plautz (3639/J)

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend geplante Ausschreibung des Verkaufes eines wesentlichen Teiles der BRZ GmbH., des OCC (Output Competence Center) (4640/J)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 6

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend kritische Infrastruktur (4641/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend kritische Infrastruktur (4642/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend kritische Infrastruktur (4643/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend kritische Infrastruktur (4644/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend kritische Infrastruktur (4645/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend kritische Infrastruktur (4646/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend kritische Infrastruktur (4647/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend kritische Infrastruktur (4648/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidi­gung betreffend kritische Infrastruktur (4649/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend kritische Infrastruktur (4650/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend kritische Infrastruktur (4651/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend kritische Infrastruktur (4652/J)

Sabine Mandak, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Vergabe von innovativen Projekten der Kinderbetreuung (4653/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Reifenpanne eines uralten Exekutiv-Busses (4654/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend „Vollziehung des Lebensmittelgesetzes im Jahr 2005“ (4655/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Personalabbau durch die Bundesregierungen – Schüssel I und II“ (4656/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Personalabbau durch die Bundesregierungen – Schüssel I und II“ (4657/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend „Einsparungen im Schulbereich in Salzburg – Schulbauten 2005/2006 – Baumängel“ (4658/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Sicherheitsgewerbe (Berufsdetektive und Bewachungsgewerbe) – Gesetzliche Regelungen – Daten 2005“ (4659/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Pflanzenschutzmittel: Amtliche Kontrolltätigkeit – Anwendungskontrollen durch die Bundesländer im Jahre 2005“ (4660/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Vollziehung des Pflanzen­schutzmittelgesetzes 1997 für das Jahr 2005“ (4661/J)

Christine Marek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Umwidmung des Gebietes „An den Eisteichen/ggü. Hoffingergasse 41-49, 1120 Wien in ein Naherholungsgebiet (Stadturwald)“ (4662/J)

Christine Marek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Umwidmung des Gebietes „An den Eisteichen/ggü. Hoffingergasse 41-49, 1120 Wien in ein Naherholungsgebiet (Stadturwald)“ (4663/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend angebliche politische Einflussnahme nach der nicht erwartungsgemäßen Vergabeentscheidung beim PPP-Transitstraßenprojekt A 5 (Nord Autobahn) (4664/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Milliarden-Verwirrung beim Projekt Brenner-Basistunnel (BBT) (4665/J)

Heidemarie Rest-Hinterseer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Einsatz gegen Versuche zur Aushöhlung des Verkehrsprotokolls der Alpenkonvention (4666/J)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 7

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Finanzmittel für den Schultransport behinderter Kinder (4667/J)

Dr. Elisabeth Hlavac, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Dauer-Isolationshaft in türkischen Gefängnissen (4668/J)

Dr. Elisabeth Hlavac, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Dauer-Isolationshaft in türkischen Gefängnis­sen (4669/J)

Dr. Elisabeth Hlavac, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Neuzuwanderer/innen (4670/J)

Dr. Elisabeth Hlavac, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Visa für Personen aus Tibet (4671/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Auslandskatastrophenfonds (4672/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Finanzierung der Tsunami-Hilfe (4673/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Unklarheiten in der Tsunami-Hilfe (4674/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Situation des Tierschutzes in Österreich unter besonderer Bezugnahme auf die Umsetzung des Bundestierschutzgesetzes (4675/J)

Erika Scharer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend internationales Gebirgskampfzentrum – Ausbau der Jäger­schule in Saalfelden oder Aufbau im Burgenland? (4676/J)

Heinz Gradwohl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Entwicklung und Zukunftsperspektiven der österreichischen Bundesforste (4677/J)

Erika Scharer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Kampagne Job 06 – Ich bin so jung, ich bin so jung, ich bin der Helmut aus Kaprun ... (4678/J)

Erika Scharer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kampagne Job 06 – Ich bin so jung, ich bin so jung, ich bin der Helmut aus Kaprun ... (4679/J)

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend fragliche Terror­sicherheit des Atommülllagers Seibersdorf (4680/J)

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend finanzielle Beiträge Österreichs zur IAEA und NEA (4681/J)

Heidemarie Rest-Hinterseer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend „Privatisierung des Finanzierungsrisikos im Bereich der experimentellen Arbeitsmarktpolitik (EU-Equal-Projekte)“ (4682/J)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 8

Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Umsetzung der Entschließung des Nationalrates 182/E (Devisentrans­aktions­steuer) (4683/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend neue Erkenntnisse zu CFS (Chronic Fatique Syndrome) (4684/J)

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Trinkwasser (4685/J)

Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Geschlechter­parität in Gremien der Sozialversicherungsträger und niedrigere Fraueneinkommen im Hauptverbandsmanagement (4686/J)

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend mangelnde Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie und Erfolglosigkeit bei Nitratbekämpfung (4687/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Universitäts- und Forschungszentrum Tulln (4688/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend angebliche politische Einflussnahme nach der nicht erwartungsgemäßen Vergabeentscheidung beim PPP-Transitstraßenprojekt A 5 (Nord Autobahn) (4689/J)

Heidemarie Rest-Hinterseer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Einsatz gegen Versuche zur Aushöhlung des Verkehrsprotokolls der Alpenkonvention (4690/J)

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Millionenzahlungen für Melker Prozess zu AKW Temelίn ohne Ergebnis (4691/J)

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Schutz der Bevölkerung vor ionisierender Strahlung bei großflächiger radioaktiver Verseuchung (4692/J)

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend finanzielle Beiträge Österreichs zur IAEA und NEA (4693/J)

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend das Ignorieren der Terrorgefahr bei grenznahen AKW durch die Bundesregierung (4694/J)

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend das Ignorieren der Terrorgefahr bei grenznahen AKW durch die Bundesregierung (4695/J)

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend das Ignorieren der Terrorgefahr bei grenznahen AKW durch die Bundesregierung (4696/J)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 9

Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Umsetzung der Entschlie


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 10

ßung des Nationalrates 182/E (Devisentransaktionssteuer) (4697/J)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Gesundheit und Frauen betreffend Enthornungsverbot in der Ziegenhaltung (4698/J)

Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Eurofighter Gegengeschäfte (4699/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Vollziehung Weingesetz im Jahr 2005 – Maßnahmen“ (4700/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Glückspiel und Wetten – Gültigkeit von Konzessionen (Gibraltar, Malta, Zypern u.a.) – Inline Angebote“ (4701/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Polizeireform Team 04 – Ein Jahr danach – Umsetzung in Österreich und insbesondere im Bundesland Salzburg“ (4702/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen (4199/AB zu 4235/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen (4200/AB zu 4236/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Renate Csörgits, Kolleginnen und Kollegen (4201/AB zu 4247/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen (4202/AB zu 4484/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen (4203/AB zu 4505/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Kolleginnen und Kollegen (4204/AB zu 4519/J)


 


09.00.16Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweite Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Dritter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Sitzung ist eröffnet.

Die Amtlichen Protokolle der 158. und 159. Sitzung vom 12. Juli sind in der Parla­mentsdirektion aufgelegen und blieben unbeanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Stadler, Faul, Leutner, Wimmer, Lichtenegger und Glawischnig-Piesczek.

 

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Gestern am Abend wurden im Zuge einer sehr hitzigen Debatte zwei Ordnungsrufe beantragt. Ich habe mir die Protokolle ausheben lassen.

Wegen eines Antrages habe ich mich mit einem Staatsanwalt beraten. Da kein strafwürdiger Vorwurf erhoben wurde, erteile ich keinen Ordnungsruf.

Im zweiten Fall habe ich das Wort, das gerügt wurde, im Protokoll gesucht. Es ist nicht im Protokoll zu finden, daher – in dubio pro reo – gibt es auch da keinen Ordnungsruf. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Was heißt das?) – Im Zweifel für den Angeklagten. (Beifall bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.) Meine Damen und Herren, bitte keinen Applaus!

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Um den Punkt 3 der Tagesordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erforderlich, von der 24-stündigen Frist des Aufliegens des Ausschussberichtes abzusehen. Dabei handelt sich um den Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 856/A der Abgeordneten Mag. Molterer, Dr. Cap, Scheibner, Dr. Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird (1632 d.B.).

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für diesen Ausschussbericht ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist ein­stimmig und daher auch mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit ange­nommen.

09.02.02 Einlauf

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 11

Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 4199/AB bis 4204/AB.

2. Regierungsvorlage:

Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Fortpflanzungs­medizingesetz, das Ehegesetz, das Urheberrechtsgesetz, die Zivilprozessordnung, die Exekutionsordnung, die Konkursordnung, die Anfechtungsordnung und das Strafge­setzbuch geändert werden (Familienrechts-Änderungsgesetz 2006 – FamRÄG 2006) (1626 d.B.).

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weiters gebe ich bekannt, dass der Vierzehnte Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses an alle Mitglieder des Nationalrates verteilt wurde.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Ge­staltung und Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 7 „Wiener Stunden“ vereinbart, woraus sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP und SPÖ je 123 Minuten, Freiheitliche – BZÖ 84 Minuten sowie Grüne 91 Minuten.

Diese Sitzung wird vom ORF in der Zeit von 9.05 Uhr bis 15 Uhr live übertragen, wobei die Übertragung zwischen 13 Uhr und 13.15 Uhr unterbrochen wird. In dieser Zeit wird der den Vorsitz führende Präsident auch die Sitzung unterbrechen.

Folgende Redeordnung wurde für die Debatten zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2 festgelegt: je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 12 Minuten – es gilt die normale Pro-Contra-Regelung der Geschäftsordnung –, anschließend ein Regierungsmitglied mit 12 Minuten, weiters je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten, sodann ein weiteres Regierungsmitglied mit 5 Minuten sowie je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten.

Weiters wurde vereinbart, dass die Fraktionen zum Volksgruppengesetz in der Reihen­folge ihrer Stärke, also nicht pro und contra sprechen. Das heißt also: zum Volks­gruppengesetz entsprechend der Stärke der Fraktionen, zur Regierungserklärung pro und contra.

Weiters wurde zum Tagesordnungspunkt 3 für die Debatte während der Fernsehzeit folgende Rede­ordnung festgelegt: je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 18 Minuten, dann der Bundeskanzler mit 18 Minuten, weiters je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 10 Minu­ten, anschließend ein Regierungsmitglied mit 15 Minuten, eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten, ein Regierungsmitglied mit 5 Minuten, weiters je eine Wort­meldung pro Fraktion mit je 5 Minuten, in der weiteren Folge ein Regierungsmitglied mit 5 Minuten sowie je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 12

Der den Vorsitz führende Präsident verteilt vor Beginn der letzten Runde nach Rück­sprache mit den Klubvorsitzenden die allenfalls verbleibende Redezeit auf die vier Fraktionen in der Weise, dass noch alle Fraktionen gleichmäßig zu Wort kommen.

Tatsächliche Berichtigungen gelangen erst nach Beendigung der Fernsehübertragung zum Aufruf. Es werden keine Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung vorgenom­men.

Ich stelle noch einmal klar: Zum Volksgruppengesetz laut Präsidialkonferenz nach der Stärke der Fraktionen, zur Regierungserklärung Reihung nach Pro und Contra. – (Abg. Dr. Van der Bellen: Umgekehrt, Herr Präsident!) Nein, wir haben das in der Präsidiale ausdrücklich beschlossen! Zu den Ortstafeln, haben wir gesagt, nach Stärke der Fraktionen. Das haben Sie sogar unterschrieben. (Abg. Mag. Stoisits: Umgekehrt! – Abg. Schieder: Für Donnerstag war das!)

Ich unterbreche die Sitzung und bitte die Klubobleute zu mir.

*****

(Die Sitzung wird um 9.05 Uhr unterbrochen und um 9.06 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Es ist so, wie ich enunziert habe: Beim Volksgruppengesetz wird nach der Stärke der Fraktionen gesprochen, beim Auflösungsbeschluss wird nach Pro und Contra ge­sprochen.

 

09.06.461. Punkt

Antrag der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksgruppengesetz geändert wird (848/A)

2. Punkt

Antrag der Abgeordneten Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksgruppengesetz geändert wird (849/A)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Als erster Redner beginnt Herr Klubobmann Mag. Molterer. Seine Redezeit beträgt 12 Minuten. – Bitte.

 


9.07.04

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute Nacht eine Verhandlungssituation gehabt, in der die Österreichische Volkspartei, das BZÖ, die SPÖ und die Vertreter des Zentralverbandes der Slowenen sowie der Gemeinschaft der Slowenen in letzter Sekunde versucht haben, in dieser so wichtigen Frage der zweisprachigen Ortstafeln eine endgültige Lösung zu erzielen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 13

Und ich muss Ihnen mit Bedauern mitteilen, dass es heute Nacht nicht möglich war, diese endgültige Konsenslösung von Kärnten auch hier in Wien umzusetzen, weil kurz vor der Ziellinie die SPÖ, wie so oft, der Mut zur Verantwortung verlassen hat. (Wider­spruch bei der SPÖ. – Abg. Bures: Das ist eine Frechheit!)

Wir kennen das, meine Damen und Herren: Immer dann, wenn in besonderer Weise staatspolitische Verantwortung gefordert ist, verlässt die SPÖ der Mut zur Verant­wortung. Das war so etwa in der Frage europäische Perspektive, wo es der Popu­lismus gewesen ist, der in der SPÖ letztendlich obsiegt hat. Das war so bei dem ernsthaften Versuch, eine neue Verfassung für Österreich zu erarbeiten, wo die SPÖ diesen Konsensweg verlassen hat, und es ist das nun auch bei der Ortstafelfrage so.

Dabei, meine Damen und Herren von der SPÖ, müssen Sie sich vor Augen halten, und zwar jede/jeder Einzelne von Ihnen, was Sie damit zu verantworten haben.

Erstmals seit vielen Jahrzehnten, meine Damen und Herren, erstmals seit vielen Jahr­zehnten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, besteht eine realistische Chance auf einen Konsens in Kärnten, auf einen Konsens, auf den die Kärntnerinnen und Kärntner, und zwar alle, sehnsüchtig warten, auf einen Konsens, der für Kärnten und für Österreich ganz essentielle Zukunftschancen bietet.

Nachdem viele Jahrzehnte lang nichts geschehen ist in dieser Sache, ist es in den letzten Jahren Bundeskanzler Schüssel gelungen, Bewegung in diese verfahrene Situation zu bringen, ein historisches Aufeinander-Zugehen zu ermöglichen. Diese Konsenskonferenzen, die es in Wien gegeben hat über Stunden und Tage und in vielfältigster Art und Weise, haben dieses historische Aufeinander-Zugehen ermöglicht. Ich möchte mich daher ausdrücklich nicht nur bei Bundeskanzler Schüssel, sondern auch bei Professor Karner bedanken, der einen essentiellen Beitrag zu diesem histo­rischen Aufeinander-Zugehen geleistet hat. Ich möchte auch meinen Respekt den Vertretern der Minderheiten, Marjan Sturm und Bernard Sadovnik, zollen, und ich möchte auch meinen Respekt dem Chef des Heimatdienstes, Dr. Feldner, zollen.

Es ist eine wirklich historische Dimension, die diesen Persönlichkeiten gelungen ist meine Damen und Herren, eben dieses Aufeinander-Zugehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.) Es ist – ich habe das bei der Dringlichen der Grünen gesagt – auch berührend, nicht nur die politische Seite, sondern auch die menschliche Seite zu sehen. Meine Damen und Herren von der SPÖ, sehen Sie denn nicht, welche Chance hier lebt, respektive welche Chancen Sie hier vertun, wenn Sie nicht mitgehen?! Die Menschen in Kärnten, die aufeinander zugehen, die Menschen, die am Konsens interessiert sind, die Gruppen, die am Konsens interessiert sind, die Gruppen, die viel in den Konsens investiert haben, bekommen heute von Ihnen in Wahrheit einen Schlag ins Gesicht.

Als Vertreter der Österreichischen Volkspartei sage ich: Wir wollen eine Lösung, wir haben eine Lösung mit aller Kraft angestrebt, und wir haben mit jeder Faser unseres Herzens an dieser Lösung gearbeitet und für diese Lösung gekämpft, weil diese Lösung nicht nur im Interesse des Landes Kärnten, sondern des gesamten Landes Österreich liegt, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen – BZÖ.)

Dieser Konsens, diese Konsens-Chance, wenn Sie so wollen, liegt auf dem Tisch. Sie besteht – und Sie wissen das – einerseits aus einer Verordnung der Bundesregierung, die vom Hauptausschuss bereits beschlossen ist, die aber nur rechtskräftig wird, wenn wir heute das Gesetz beschließen, diese Verordnung, die in Kärnten 141 Ortstafeln ermöglicht. Und es liegt ein Gesetzesantrag vor, der diesen Konsens auch rechtlich absichert – so, wie es die Kärntner Konsensparteien wollen. Folgen Sie doch dem


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 14

Wunsch der Kärntner Konsensparteien, meine Damen und Herren von der SPÖ! Diese wollen die verfassungsrechtliche Absicherung.

Ich bringe daher den Gesamtändernden Abänderungsantrag der Abgeordneten Molterer, Scheibner, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag 848/A der Abgeordneten Molterer, Baumgartner-Gabitzer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Volksgruppengesetz geändert wird, ein.

Herr Präsident, ich ersuche gemäß § 53 Abs. 4 um Vervielfältigung und Verteilung dieses Abänderungsantrages, der ja durchaus umfangreich ist.

Die Kernpunkte dieses Abänderungsantrages, meine Damen und Herren – damit Sie das auch alle wissen –, entsprechen dem Kompromiss, dem historischen Kompromiss, der erzielt wurde. Es ist in diesem Gesetz verankert die Regelung 15 Prozent in der Gemeinde und 10 Prozent in den Ortschaften. Es ist verankert in diesem Gesetz das Inkrafttreten und das Wirksamwerden der Verordnung über die 141 Ortstafeln in Kärnten. Es ist verankert, dass diese Ortstafeln nicht nur wirksam werden, sondern in der Verfassung eine Bestandsgarantie über diese 141 Ortstafeln gegeben ist.

In diesem Gesetzesantrag wurde der Stufenplan verankert, meine Damen und Herren, der zwischen den Konsensparteien verwirklicht wurde, ein Stufenplan, wie ihn die Partner in Kärnten festgelegt haben. Es ist eine Öffnungsklausel vorgesehen in diesem Abänderungsantrag, eine Öffnungsklausel, die eine zusätzliche Perspektive für die Minderheiten und für Kärnten ermöglichen, eine Öffnungsklausel, wie sie in diesen Kompromiss festgehalten ist. Es ist auch eine politische Verantwortlichkeit vorgesehen: Die Bundesregierung soll alle zwei Jahre dem Hohen Haus berichten, damit wir das diskutieren können. Und es ist eine von den Volksgruppen erwünschte Änderung des Volksgruppenbeirates und dessen Zusammensetzung vorgesehen, meine Damen und Herren.

Und das alles wollen Sie ablehnen? Alles das, was in Kärnten die Konsensparteien erarbeitet haben, wollen Sie ablehnen?

Ich sage nochmals: Wir sind bereit zu dieser Lösung, wir sind bereit zum Konsens. Ich sage Ihnen auch den Eindruck von heute Nacht: Dieser Konsens, meine Damen und Herren, ist nicht an den Minderheitenvertretern gescheitert. Die Minderheitenvertreter haben mit großem Ernst und mit viel Engagement an diesem Konsens gearbeitet, und wir haben auch mehrere Optionen angeboten, zusätzliche Elemente angeboten, die im Interesse der Volksgruppen letztendlich positive Weiterentwicklungen dargestellt ha­ben. Aber mir ist heute Nacht klar geworden, dass es, wie bereits gesagt, nicht an den Volksgruppen gescheitert ist, sondern an der Bundes-SPÖ, an der SPÖ, die hier im Nationalrat mit ihren Abgeordneten die Verantwortung für den Konsens offen­sichtlich nicht übernehmen will und damit eine Verantwortung für die Fortführung eines Kon­fliktes übernimmt. Sind Sie sich dessen bewusst, meine Damen und Herren von der SPÖ? (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich habe gar nicht erwartet, dass die SPÖ auf Bundesebene hier eine Lösung bringt – das ist unsere Aufgabe, ja –, aber wir haben die Lösung jetzt auf dem Tisch. Das Mindeste aber, was wir von einer SPÖ erwarten können, ist doch, diese Lösung zu ermöglichen und nicht zu verhindern. Machen Sie doch nicht wieder Ihr altes taktisches Spiel, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen – BZÖ.)

Das ist doch die nackte Wahrheit: Ihnen ist die Parteitaktik auf Bundesebene viel wichtiger als das, was die Menschen in unserem Heimatland und in Kärnten erwarten. Folgen Sie doch dem Rat Ihrer Kärntner Parteivorsitzenden, der Frau Dr. Schaunig-Kandut! Folgen Sie doch dem Rat Ihrer SPÖ-Parteivorsitzenden in Kärnten! Die SPÖ-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 15

Parteivorsitzende in Kärnten hat die Bundes-SPÖ aufgefordert, zu dieser Lösung zu stehen, sie hat Sie aufgefordert, jede Einzelne und jeden Einzelnen von Ihnen, zu dieser Verantwortung zu stehen und nicht beiseite zu treten.

Es wird Kollege Cap jetzt kommen mit der Idee „Moratorium“. Ich sage Ihnen: Wie wir wissen, ist nach der Wahl gleich vor der Wahl. Was soll denn besser werden? Wissen Sie, was Sie verantworten: Sie verantworten nicht nur, dass es heute möglicherweise keine Lösung gibt – gehen Sie in sich! –, sondern Sie verantworten, dass diejenigen, die am Konsens gearbeitet haben, von Ihnen im Stich gelassen werden, und Sie ver­antworten, dass jene, die Interesse an einem Konflikt haben, durch Ihr Verhalten Oberwasser bekommen!

Meine Damen und Herren, Sie von der SPÖ verantworten damit eigentlich etwas, was die Menschen in Kärnten und in Österreich massiv ablehnen, denn diese wollen den Konsens. Ich appelliere daher an Sie, an Ihre persönliche Verantwortung als frei gewählte Abgeordnete: Folgen Sie dem Rat Ihrer Vorsitzenden, Ihrer SPÖ-Vor­sitzenden in Kärnten! Lassen Sie die Parteitaktiker in der ersten Reihe alleine! Gehen Sie den Weg mit den Kärntnerinnen und Kärntnern! – Das ist der bessere Weg für Österreich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

9.18


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Seine Redezeit beträgt 12 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Klubobmann.

 


9.19.15

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Klubobmann Molterer, den Vorwurf, dass wir uns nicht bemüht hätten, einen Konsens zu finden, lasse ich nicht gelten. Ich sitze seit über vier Jahren in dieser Konsenskonferenz, um die Ortstafelfrage zu lösen. Wir haben in den letzten Tagen und Wochen fast Tag und Nacht versucht, hier eine Lösung zu erreichen, und wir waren sehr beweglich. Und warum haben wir das gemacht? – Uns ist es darum gegangen, dass es zu einer korrekten, verfassungs­konformen, staatsvertragskonformen Umsetzung kommt.

Uns geht es auch darum, dass in Kärnten endlich andere Themen zur Sprache kom­men als die ewige Frage der Ortstafeln. Das ist nämlich ein Bedürfnis aller Kärnt­nerinnen und Kärntner, auch von Gaby Schaunig, der ich meinen Respekt als Lan­deshauptmann-Stellvertreterin zollen möchte, die sich da wirklich engagiert einge­bracht hat. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sie brauchen nur zuzustimmen!)

Es ist ja teilweise lächerlich, was sich hier abspielt. Slowenien ist in der Europäischen Union, Österreich mit Kärnten ist in der Europäischen Union. Beide haben intensive Handelsbeziehungen. Kärnten ist ein Tourismusland, ein Wirtschaftsland. Es sind zwei tolle Länder. Ich liebe Kärnten; ich verbringe dort oft meinen Urlaub. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Dann stimmen Sie doch endlich zu!) Wir sind engagiert für Kärnten gewesen, aber das Problem ist – und das werde ich Ihnen jetzt schildern – Folgendes: Wenn Sie sagen, wir sollen Verantwortung übernehmen, Herr Klubobmann Molterer, dann frage ich Sie: Wo war Ihre Verantwortung in den letzten vier Jahren? Sie wissen ganz genau, wir brauchen da gar kein Verfassungsgesetz! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie wissen ganz genau, das, was heute auf dem Tisch liegt, kann man auch mit einem einfachen Gesetz machen. Sie wissen ganz genau, das, was auf dem Tisch liegt, hätten Sie seit vier Jahren als Verordnung erlassen können! Der Herr Bundeskanzler hätte das, was wir heute hier vorliegen haben, mit den 141 oder 142 Ortstafeln als simple Verordnung erlassen können – und die Sache wäre erledigt gewesen. Also: Halten Sie hier keine Vorträge über Verantwortungslosigkeit! Wenn schon jemand ver-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 16

antwortungslos ist im Sinne Ihres Verständnisses von Verantwortung, dann ist es diese Bundesregierung.

Wo war Ihr Appell an die Bundesregierung: Machen Sie endlich eine Verordnung dazu!? (Abg. Mag. Molterer: Die ist beschlossen!) Das habe ich nicht gehört. Jetzt appellieren Sie an uns, dass wir die Kastanien aus dem Feuer holen sollen, die Sie in Wirklichkeit hineingelegt haben. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Der Kärntner Landtag hat den einstimmigen Beschluss gefasst, dass diese Frage sozu­sagen von Kärnten nach Wien transferiert werden soll. Es soll quasi Wien eine Kärntner Frage per Verfassungsgesetz lösen. Das möchte ich auch einmal feststellen. Der Kärntner Landeshauptmann Haider wirft dauernd mit seinen Wortkaskaden in der Gegend herum und sagt: Alles, was in Wien beschlossen wird, interessiert uns hier in Kärnten nicht! – Es sind diese Worte, die dazu geführt haben, dass wir in den Ver­handlungen gesagt haben, okay, im Interesse Kärntens, im Interesse des Staats­ver­trages und dessen Umsetzung setzen wir uns an einen Tisch und denken sogar über ein Verfassungsgesetz zur Regelung dieser Frage nach, obwohl eine Verordnung genügen würde, obwohl ein einfaches Gesetz genügen würde. Okay, machen wir das!

Sie müssen uns eine Garantie geben, damit das dann auch passiert. Das kann man nicht herunterspielen. – Nein, da muss eine Garantie, eine Sicherheit dahin gehend gegeben sein, dass uns Landeshauptmann Haider nicht auch in Zukunft „am Schmäh hält“ oder „papierlt“ oder was sonst auch immer, was er in der Vergangenheit Jahr für Jahr getan hat. Ich möchte nur an seine Attacken auf den Verfassungsgerichtshof erinnern. Ich möchte daran erinnern, dass er dessen Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen hat und dass er Ortstafeln verrückt hat. Das waren fast schon clowneske Auftritte, die er da geboten hat. Das alles hat mit Sicherheit nichts zu tun.

Daher war es, so glaube ich, ein berechtigtes Bedürfnis von uns, dass wir gesagt haben: Denken wir über ein Modell nach, dass das, was wir hier beschließen, auch wirklich im Sinne unserer Selbstachtung passiert! Ich komme doch nicht nach Jahr­zehn­ten zusammen, fasse einen Beschluss – und Haider lacht sich schief und macht es wieder nicht!

Also haben wir gesagt, dass wir eine Sicherheit haben wollen. Das wollten Sie nicht, Sie wollten es nicht. Das war bis um halb eins, bis 1 Uhr in der Früh für uns ein ganz wichtiger Punkt. (Abg. Scheibner: So weit sind Sie gar nicht gekommen!) Ich sage zum Verständnis dessen, was die Slowenenvertreter gemeint haben, Folgendes: Sie haben mit dem Herrn Bundeskanzler vor Wochen einen Kompromiss, einen Konsens erzielt; und der wurde verlassen – das muss man auch sagen. Dieser Konsens wurde verlassen. Das haben die Slowenenvertreter auch artikuliert. Sie haben nichts anderes gesagt, als dass sie wollen, dass der Kompromiss, den sie mit dem Bundeskanzler erzielt haben, auch heute gilt.

Dafür habe ich gewisses Verständnis, muss ich sagen. Denn: Wozu geht man Kom­promisse ein und erzielt einen Konsens, wenn sie dann nicht gelten? (Abg. Öllinger: Der Bundeskanzler hält sein Wort nicht!) Das war der zweite Punkt, woran es ge­scheitert ist. Das war alles.

Man muss sich das einmal vorstellen. Bitte, brechen Sie jetzt nicht in Tränen aus, Herr Klubobmann Molterer! Lassen Sie einmal Ihren Sonntagvormittag-Pathos weg! Machen Sie eine Verordnung! Machen Sie es einfachgesetzlich – und aus! Machen Sie nicht so ein Theater! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich verstehe das Argument, das wir vielerorts aus Kärnten gehört haben, auch von Gaby Schaunig und vielen anderen, die gesagt haben: Ja, natürlich muss man die


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 17

Gemeinden mit einbeziehen. – Na, selbstverständlich! Man muss den Volksgrup­pen­beirat mit einbeziehen. – Na, selbstverständlich! Man muss auch die Landesregierung mit einbeziehen. – Na, selbstverständlich! Kärnten ist so wie alle Bundesländer ein stolzes Land. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Gott sei Dank!) Die sagen aber auch, sie wollen – mit Recht – als Partner verstanden und einbezogen werden. Dafür habe ich vollstes Verständnis. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sie verunglimpfen es!)

Daher sind wir auch in den Verhandlungen gesessen und haben wirklich stunden-, ich muss schon fast sagen, tagelang über diese berühmte Öffnungsklausel diskutiert, über eine Klausel, die da lautet: Wenn in einer Gemeinde, in einer Ortschaft ein bestimmter Anteil an Slowenen lebt, über 10 Prozent eine Petition unterschreiben, die dann bis zur Bundesregierung vordringt, der Volksgruppenbeirat, die Gemeinde, das Land angehört werden und das eventuell dazu führen kann, wenn die Bundesregierung eine Ver­ord­nung erlässt, dass dort zusätzlich zu den 141, 142 Ortstafeln noch eine Tafel aufgestellt wird, dann müssen in so einen Anhörungsprozess selbstverständlich auch die Gemeinden und der Volksgruppenbeirat einbezogen werden.

Kurz und gut: Das Ziel ist, dass dort Frieden, Zusammenarbeit und Kooperation herr­schen, dass man sich endlich den Themen widmen kann, indem man eine Regelung auch hinsichtlich der Beschäftigung, der wirtschaftlichen Entwicklung, der Kultur und des Tourismus in Kärnten findet. Das ist es, was die Kärntnerinnen und Kärntner inter­essiert. Das ist doch klar. Wir sind auch dort gesessen, haben das verstanden, aber auch an dieser Frage war das ein stundenlanges Hin und Her. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sie sind in der Frage völlig unglaubwürdig geworden! Kärnten ist Ihnen egal! Ungeheuerlich!)

Jetzt möchte ich noch etwas sagen. Ich meine, solche Verhandlungen – gerade in diesen Dingen – sind sehr heikel. Da ist es wichtig, dass es ein vernünftiges Verhand­lungsklima gibt. Ich glaube, bei allen Unterschieden, Herr Klubobmann Molterer und Herr Klubobmann Scheibner, ist es uns gelungen, hier im Haus ein vernünftiges Gesprächsklima zu haben, aber es ist eben kein Konsens zustande gekommen. Ich habe gerade geschildert, warum. (Ruf bei der ÖVP: Keine Verantwortung überneh­men!) – Nein! Verantwortungslos ist derjenige, der unsere Verhandlungen dreimal mit Provokationen begleitet hat und wissen musste, welche Polarisierungen das in allen Lagern bewirkt. Ich meine damit wiederum den Landeshauptmann von Kärnten Jörg Haider, der am Schluss in einer Pressekonferenz gesagt hat – war das gestern oder vorgestern? –, er stelle jetzt der SPÖ ein Ultimatum. Bis Donnerstag Abend muss die SPÖ am Verhandlungstisch sitzen und zustimmen. Ansonsten kommt er nie wieder an den Verhandlungstisch zurück – nie wieder! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Selber schuld!)

Ich sage Ihnen etwas: So spricht man nicht mit der Sozialdemokratischen Partei, so spricht man nicht mit ihr! (Beifall bei der SPÖ.) Uns stellt niemand ein Ultimatum! Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Cap ist beleidigt! Cap ist beleidigt!) Wir haben uns gestern trotzdem hingesetzt, weil uns ist es nicht um den Landeshauptmann Haider gegangen – um den geht es uns schon lange nicht –, sondern uns geht es darum, dass wir einen Konsens finden.

Wir sind gestern fast fünf Stunden lang zusammengesessen und haben wirklich um eine Lösung gerungen und gekämpft – aber es war das nicht möglich. Sie müssen daher zur Kenntnis nehmen, dass es eine gute Überlegung ist, wenn wir sagen: Schlagen wir doch nicht die Tür zu! Herr Klubobmann Molterer, schlagen Sie doch nicht die Tür zu! Herr Klubobmann Scheibner, schlagen Sie doch nicht die Tür zu!

Lassen Sie uns nach der Nationalratswahl wieder zusammenkommen und die Ge­spräche fortsetzen! (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ja genau!) Lassen Sie uns nach der Nationalratswahl ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) –


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 18

Wollen Sie sich nicht mehr zusammensetzen? Wollen Sie das jetzt endgültig been­den? – Bitte, das ist auch eine Lösung. Dann machen Sie endlich die Verordnung! Dann brauchen wir uns nicht mehr zusammenzusetzen! Das ist ganz einfach. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Nun sage ich Ihnen noch etwas: Wenn ich mich nicht täusche, gibt es zwei Anträge zur dieser Causa hier im Hause, einen vom BZÖ, einen von der ÖVP. Sie haben immer vom Konsens gesprochen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: So eine Verantwortungs­losig­keit!) Es hat längere Zeit eine Situation gegeben, in der nicht einmal die beiden Regierungsparteien einer Meinung waren. Vergessen wir das nicht! Ich sage das hier, damit die Fernsehzuschauerinnen und Fernsehzuschauer – es werden wahrscheinlich viele auch aus Kärnten zuschauen – sehen, dass es auch innerhalb des Regierungs­lagers nicht so einfach war. Das sei auch einmal gesagt.

Aber es gibt noch eine grundsätzliche Frage. Es gibt ein paar Grundwerte wie Ver­fassung, Staatsvertrag, oder das Wertegebäude überhaupt. Ein Grundwert ist aber auch die Frage: Wie geht ein Land, eine zivilisierte Gesellschaft, eine demokratische Gesellschaft mit ihren Minderheiten um? Damit muss man sehr sensibel umgehen. Da kann man als Mehrheit nicht einfach so drüberfahren. Das ist wirklich entscheidend. Wir sind überhaupt nicht dazu bereit, dass wir da schludrig drüberfahren, nur weil es jetzt gerade irgendwo irgendwelche Kräfte fordern.

Wir sind nicht bereit dazu. Wir wollen, dass man sich sehr präzise, sehr anständig und immer im Konsens mit den Teilen der Minderheit auseinandersetzt – und mit denen haben wir auch gesprochen –, die wirklich gerne dazu bereit sind und darum gekämpft haben, dass es einen Konsens gibt, dass darum gerungen wird. Ein sauberer Umgang mit den eigenen Minderheiten in einem Land ist auch ein Zeichen der Qualität von Demokratieverständnis. Und dazu bekennen wir uns! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte mit Folgendem enden und Ihnen sagen: Wir schlagen die Tür nicht zu, wir stehen zur Verfügung. (Rufe bei der ÖVP: Ja, ja!) Aber lassen wir einmal die Hitzigkeit des Wahlkampfes vorbeiziehen. Sie sind ja quasi schon im Wahlkampfgewand, Sie können es gar nicht mehr erwarten. Sie sitzen ja schon, den Wahlsieg vermeintlich in der Tasche habend, da. Ich sehe es an Ihren Gesichtern. (Abg. Grillitsch: Haben Sie Angst davor?) Sie sind mit keiner Ernsthaftigkeit mehr bei der Sache. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir schon! Wir bemühen uns, wir wollen auch dieses Bemühen fortsetzen. Jederzeit, Herr Klubobmann Molterer, nach der Nationalratswahl stehe ich für Gespräche zur Verfügung im Interesse Kärntens, der Kärntnerinnen und Kärntner und einer endgül­tigen Lösung, falls Sie nicht imstande sind, diese Verordnung auch wirklich zu erlas­sen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.)

9.31


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Scheibner für 12 Minuten ans Rednerpult. – Bitte.

 


9.31.09

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche - BZÖ): Herr Präsident! Werte Mit­glieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Die letzten Worte des Abgeordneten Cap haben ja die Realität aufgezeigt. (Abg. Dr. Stummvoll: Entlarvend!) Sie haben gezeigt, worum es Ihrer Fraktion geht, nicht dem Kollegen Cap persönlich. Ich glaube, auch wenn er hier andere Themen und Gründe vorschützt, dass er lange Zeit versucht hat, ehrlich und offen zu verhandeln und einen Konsens zu finden, aber es waren andere in der SPÖ, die diesen Konsens verhindert haben. Kollege Cap, das


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 19

wird wohl ein Grund sein, dass Sie diese Thematik auf die Zeit nach der Wahl verschieben möchten.

Warum will man das tun? – Wahlkampf, Wahlkampfthema! Eignet sich diese emotio­nale Frage der Volksgruppenpolitik aus Ihrer Sicht, Herr Kollege Cap, wirklich als Wahlkampfthema? Wir waren ja schon so knapp an einem Konsens. Und das wird jetzt alles wieder aufgebrochen und in einem Wahlkampf thematisiert: Wer will wo eine Ortstafel oder wer will sie aus welchen Gründen nicht? – Das ist der eine Grund, die eine Frage.

Der zweite Grund, die zweite Frage ist: Ist es für Sie als frei gewählte Abgeordnete wirklich der Grundsatz, dass Sie nur bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, wenn Sie in Regierungsverantwortung sind? Zählt für Sie Opposition nur als nein sagen, als dagegen sein, als verhindern? Ich sage Ihnen, wir haben diese ... (Abg. Silhavy: Wo waren Sie denn die ganze Zeit?)

Frau Kollegin Silhavy, wissen Sie, wo ich die ganze Zeit gewesen bin? – Mit Ihrem Klubobmann am Verhandlungstisch, an dem wir viele, viele Stunden lang versucht haben, eine Einigung zu finden! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.) Wir waren dazu bereit, so, wie es Kollege Cap gesagt hat, dieses Thema endlich auf Dauer zu beenden, endlich den Umstand zu beenden (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sie ... BAWAG und ÖGB ...!), dass irgendein Rechtsanwalt in Kärnten in einer Gemeinde absichtlich zu schnell fährt, um ein Verfassungsgerichtshoferkenntnis zu erzielen, um in jeder einzelnen Ortstafelfrage wieder einen Streit und einen Konflikt herbeizuführen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch – in Richtung SPÖ –: Sie fördern das! Sie fördern Gesetzes­bruch!)

Wir wollten eine Verordnung beschließen, die Sie jetzt verlangt haben, dass nämlich 70 zusätzliche Ortstafeln aufgestellt werden. Die Bundesregierung hat die Verordnung erlassen. Sie haben im Hauptausschuss gegen diese Verordnung gestimmt, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Aha!) Sie diskutieren im Ausschuss darüber, dass man das Gesetz behandeln sollte, auch in Ihrem Ent­schließungsantrag haben Sie das angesprochen. Sie waren aber dagegen, sogar in einer Geschäftsordnungsdebatte, dass man die beiden Anträge zur Änderung des Volks­gruppengesetzes überhaupt auf die Tagesordnung setzt, das heißt, Sie wollten nicht einmal darüber diskutieren! Frau Kollegin Silhavy, überlegen Sie sich einmal, welche Zwischenrufe Sie hier machen! Schauen Sie einmal in Ihre eigene Fraktion, welch zwiespältiges Verhältnis Sie zu dieser Frage haben! (Beifall bei den Freiheit­lichen – BZÖ und der ÖVP.)

Ich unterstelle Ihnen, dass Sie hier wirklich ein zweifaches Spiel spielen. (Abg. Silhavy: Unterstellung, genau das ist es!) Auf der einen Seite spielen Sie sich in den intellektuellen Zirkeln der Großstädte als großliberal und als Volksgruppenvertreter auf, auf der anderen Seite rennen Sie in den kleinen Gemeinden, wo Sie die Bürgermeister stellen, herum und sagen, wir haben die Ortstafeln verhindert. Das ist doch Ihr Spiel, das Sie von der SPÖ spielen – und deshalb sind Sie gegen jeden Konsens in dieser Frage! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Ich sage Ihnen noch eines, meine Damen und Herren. (Abg. Silhavy: Das ist unglaublich! Diese Unterstellungen sind skandalös!) – Ja, das ist eine Unterstellung, aber die Indizien sprechen dafür, denn wenn Sie den Konsens wollten, dann würden Sie heute hier mit uns für einen tauglichen Kompromiss stimmen, wo sich selbst ein Großteil der Volksgruppen für diese Regelung ausspricht! (Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.)

Sie sind jetzt in einer schönen Gesellschaft, Herr Kollege Puswald, Sie befinden sich jetzt in einer wunderbaren Gesellschaft. Ich hoffe, Sie fühlen sich wohl. (Abg.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 20

Dr. Puswald: Sie, Dr. Haider, der Bundeskanzler!) Sie sind in einer Gesellschaft mit slowenischen Kommunisten, einer radikalen Slowenenorganisation, mit Herrn Strache und anderen Leuten, die gerne Politik auf dem Rücken der Kärntner Bevölkerung machen, die polarisieren, die auseinanderdividieren wollen. Wir wollen das nicht, meine Damen und Herren! Wir wollen zusammenführen, wir wollen eine Lösung in dieser Frage! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Es war nicht einfach – das ist überhaupt keine Frage –, diese Lösung zustande zu bringen, denn am Anfang standen zwei Pole. Auf der einen Seite der Wunsch mancher Kärntner, ein Veto zu haben, ein Veto von Gemeinde oder Land, wenn es darum gegangen ist, über die Öffnungsklausel neue Ortstafeln in Kärnten aufzustellen. Und auf der anderen Seite der Wunsch mancher Slowenenorganisationen nach einem Automatismus, dass es dann, wenn 10 Prozent der Bevölkerung in einer Ortschaft eine Ortstafel verlangen, automatisch auch diese zweisprachige Ortstafel geben soll.

Beides ist nicht möglich, das haben wir klar zum Ausdruck gebracht. Ich glaube, wir haben in vielen intensiven Verhandlungen einen tauglichen Kompromiss gefunden, vor allem auch in Richtung Konsensfindung. Man kann derartige Dinge nicht von oben herab verordnen. Das haben Sie ja selbst gesehen, meine Damen und Herren. 30 Jahre lang, eine lange Zeit, waren es SPÖ-Landeshauptleute, die nicht eine einzige zusätzliche Ortstafel nach diesem Ortstafelsturm der siebziger Jahre in Kärnten aufgestellt haben. Wo waren denn da Ihre Ideen, wo war denn da Ihre Dynamik? – Das geht nur im Konsens. Wir haben eine ganze Reihe von Maßnahmen in dieses Gesetz geschrieben, bezüglich derer dieser Konsens zu erzielen gewesen wäre.

Ein Punkt, der gestern, Herr Kollege Cap, letztlich auch zum Scheitern geführt hat, ist natürlich auch nicht möglich: Es war Ihr Wunsch und auch jener einer Slowenenorganisation, dass zweisprachige Ortstafeln selbst in Ortschaften aufgestellt werden, in denen nicht ein einziger Vertreter der Minderheit seinen Hauptwohnsitz hat. Das kann doch nicht der Sinn einer derartigen Regelung sein; das müssen Sie doch selbst zugeben. Da sieht man, was wirklich dahintersteckt.

Wer guten Willens ist – und viele, Herr Kollege Öllinger, waren guten Willens –, konnte oder hätte diesem Kompromiss zustimmen können.

Herr Kollege Cap, Sie haben es selbst gesagt: Sie können in Ihrer Fraktion für diese Regelungen keine Zustimmung finden. Wer in Ihrer Fraktion, meine Damen und Herren von der SPÖ, verhindert jetzt diesen Kompromiss? Ist es Herr Kollege Einem, Herr Posch, Frau Trunk oder Herr Kollege Schieder? Sind Sie wirklich der Meinung, dass es sich mit diesem Nein zu dieser Vorlage – sicherlich keine Maximalforderung, keine Frage, es ist ein Kompromiss –, auszahlt, mit diesem Nein nicht nur eine dauerhafte Lösung zu verhindern, sondern auch zu verhindern, was schon beschlossen ist, was die Bundesregierung in ihrer Verordnung beschlossen hat, dass 70 zusätzliche Ortstafeln in den verschiedenen Ortschaften aufgestellt werden?

Nur aus rein parteipolitischen Gründen verhindern Sie von der SPÖ diese Lösung! Ich hoffe, Sie fühlen sich alle wohl dabei. Ich glaube es aber nicht, denn bei vielen von Ihnen weiß ich aus Gesprächen, dass sie anderer Meinung sind.

Dann bleibt noch ein „Argument“ übrig, wenn die Sachargumente schweigen und nur noch die Zwischenrufe laut sind. Ein Argument bleibt dann übrig: Der Jörg Haider, schuld ist der Jörg Haider (Ruf bei der SPÖ: Sicher!), denn er hat eine Presse­aussendung gemacht und eine Pressekonferenz abgehalten, in der er nicht nett über die SPÖ gesprochen hat. (Abg. Dr. Kräuter: Hat er Tafeln verrückt?)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 21

Meine Damen und Herren von der SPÖ, ist das Ihr politisches Kalkül, wenn es darum geht, staatspolitische Verantwortung zu tragen? Die Aussagen von Jörg Haider? (Abg. Öllinger: Das ist unglaublich!) Wissen Sie, wo der große Unterschied ist? – Jörg Haider formuliert vielleicht einmal hart im Diskussionsprozess (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), aber wenn es eine Entscheidung gibt, dann steht er dazu. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ sowie des Abg. Dr. Stummvoll. – Abg. Öllinger: Das ist unglaublich!)

Bei Ihnen ist es umgekehrt: Sie von der SPÖ verhandeln lange sehr nett und sehr konsensual, aber eine Minute vor der Entscheidung springen Sie wieder ab, weil Sie eben nicht bereit sind, Verantwortung zu tragen! Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und Jörg Haider in Kärnten. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Deshalb gibt es ja einen einhelligen Appell, auch an Sie und Ihre Fraktion, diesem Kompromiss noch zuzustimmen. Der Herr Bundespräsident – ich glaube, doch noch Ihrer Partei angehörig – hat gesagt ... (Abg. Dr. Cap: Überparteilich!) – Na ja. Ich glaube, dass es auch in dieser Frage sehr gute Kontakte gegeben hat. Aber Ihr Votum ist auch ein Votum gegen die Meinung des Bundespräsidenten, der gesagt hat: Das ist die beste Lösung in der Ortstafelfrage in den letzten 50 Jahren. Und er hat gesagt, da sollte man zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Das ist ein Votum gegen Ihre Landeschefin in Kärnten, und das ist ein Votum gegen die Mehrheit der Kärntner Bevölkerung, die endlich diese Frage gelöst haben möchte. Das ist das Faktum.

Auch Jörg Haider, der von Ihnen so als Maß aller Dinge hingestellt wird (Abg. Öllinger: Nein! Nein! Der ist kein Maß!), appelliert heute noch an Sie, diese Zustimmung zu geben, zu der er steht, meine Damen und Herren. Aber das ist halt Ihr Hass, Ihr Hass gegen Jörg Haider. Ich sage Ihnen: Hass ist in der Politik immer ein schlechtes Mittel für Entscheidungen – und in der Volksgruppenpolitik ist es fatal! (Beifall bei den Frei­heitlichen – BZÖ und bei der ÖVP.)

In diesem Sinne ist es wirklich bedauerlich, dass wir jetzt vor dem Problem stehen, dass wir keine Verfassungsmehrheit für diesen Antrag erhalten werden. (Abg. Öllinger: Machen Sie eine Verordnung!) Wir werden aber nicht aufgeben, Herr Kollege Cap, meine Damen und Herren von der SPÖ, überhaupt keine Frage, denn diese Thematik ist uns zu wichtig, als dass wir sie den Radikalen und den Parteistrategen für ihre Machenschaften überlassen. Nein, wir werden weiterdiskutieren, selbstver­ständlich.

Aber ich sage Ihnen, wir haben heute – und das ist Ihre Verantwortung – eine his­torische Chance verpasst: eine historische Chance im Interesse der Kärntner Bevöl­kerung, auch im Interesse der Kärntner Volksgruppen! Und niemand weiß, wann diese Chance noch einmal in diesem Ausmaß kommen wird. Aber Sie von der SPÖ werden sich fragen lassen müssen, was Sie dazu beigetragen haben, dass es so gekommen ist.

Aber wir bieten Ihnen ja die Chance für weitere Verhandlungen. Sie wissen, wir haben zwei Anträge zur Volksgruppenpolitik eingebracht. Den einen der ÖVP, zu dem es einen Gesamtändernden Abänderungsantrag gibt, werden wir heute zur Abstimmung bringen. Den zweiten Antrag, den ich eingebracht habe, werden wir an den Ausschuss rückverweisen. Diesen Antrag auf Rückverweisung meines Antrages 849/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksgruppengesetz geändert wird, möchte ich hier ausdrücklich einbringen, damit wir einen Antrag im Ausschuss liegen haben und bis zum Ende der Legislaturperiode die Möglichkeit haben – wenn Sie sich doch noch eines Besseren besinnen und gemeinsam mit uns diese Frage endgültig lösen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 22

wollen –, einen Ausschuss einzuberufen und doch noch eine konsensuale Abstimmung herbeizuführen.

Wir sind bis zum letzten Tag dieser Legislaturperiode bereit, eine sinnvolle Lösung für die Kärntner Bevölkerung in dieser Frage zu erzielen. Und Sie von der SPÖ werden sich die Frage stellen müssen, warum Sie aus parteipolitischen Gründen diesen Konsens verlassen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

9.43


Präsident Dr. Andreas Khol: Der in der Rede von Herrn Abgeordnetem Molterer eingebrachte Gesamtändernde Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Molterer, Scheibner, Kolleginnen und Kollegen wurde von Abgeordnetem Mag. Molterer in seiner Rede entsprechend der Geschäftsordnung in seinen Eckpunkten erläutert und steht daher mit in Verhandlung. (Abg. Mag. Wurm: Wo hat er den erläutert? – Abg. Eder: Wo ist der Antrag? Er hat nichts dazu gesagt! – Abg. Silhavy: Herr Präsident, wo ist der Antrag?)

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Gesamtändernder Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Molterer, Scheibner, Kolleginnen und Kollegen gem. § 53 Abs. 4 GOG zum Antrag (848/A d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volks­gruppengesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der genannte Antrag lautet wie folgt:

„Bundesgesetz, mit dem das Volksgruppengesetz geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Volksgruppengesetz, BGBl. Nr. 396/1976, zuletzt geändert durch die Kund­machung BGBl. I Nr. 35/2002, wird wie folgt geändert:

1. Der Titel lautet:

„Bundesgesetz über die Rechtsstellung der Volksgruppen in Österreich (Volks­gruppengesetz – VoGrG)“

2. In § 2 Abs. 1 entfällt die Z 2 und erhält die Z 3 die Bezeichnung „2.“.

3. (Verfassungsbestimmung) Nach § 2 werden folgende §§ 2a bis 2c eingefügt:

„§ 2a. (Verfassungsbestimmung) (1) Durch Verordnung der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates sind nach Anhörung der in Betracht kommenden Landesregierung die Gebietsteile festzulegen, in denen Bezeich­nungen und Aufschriften topographischer Natur (topographische Bezeichnungen) von Gebietskörperschaften und sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts zweisprachig anzubringen sind.

(2) In einer Verordnung auf Grund des Abs. 1 sind die Ortschaften zu nennen,

1. in denen nach dem Ergebnis der letzten Volkszählung mehr als 30 österreichische Staatsbürger ihren Hauptwohnsitz haben und

2. für die der Anteil der dort mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldeten Volksgruppen­angehörigen bei den letzten beiden Volkszählungen durchschnittlich mindestens 15% auf Gemeindeebene und mindestens 10% auf Ortschaftsebene betragen hat. Ist eine Gemeinde oder Ortschaft erst nach der vorletzten Volkszählung gebildet worden, ist für


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 23

sie das Ergebnis der letzten Volkszählung maßgeblich. Erhebungen der Umgangs­sprache gemäß § 1 Abs. 3 des Registerzählungsgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2006, gelten als Volkszählungen im Sinne dieser Bestimmung.

(3) Die Gebietsteile, die in der Anlage genannt sind, sind auch dann in einer Verordnung auf Grund des Abs. 1 zu nennen, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht erfüllt sind (Bestandsschutz).

§ 2b. (Verfassungsbestimmung) In Verordnungen auf Grund des § 2a können Fristen festgesetzt werden, binnen deren die zweisprachigen topographischen Bezeichnungen anzubringen sind. Die Fristen beginnen mit dem Ablauf des Monats zu laufen, in dem die Verordnung kundgemacht worden ist. Sie dürfen bei einem Anteil der in einer Ortschaft mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldeten Volksgruppenangehörigen von min­destens 25% nicht mehr als 18 Monate, von mindestens 20% nicht mehr als 30


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 24

Monate und von mindestens 10% nicht mehr als 42 Monate umfassen; für die Ermittlung dieser Prozentsätze gilt § 2a Abs. 2 Z 2 sinngemäß.

§ 2c. (Verfassungsbestimmung) Für Gemeinden, die nicht in Ortschaften untergliedert sind, gelten die für Ortschaften geltenden Bestimmungen der §§ 2a und 2b sinngemäß, wobei jedoch gemäß § 2a Abs. 2 Z 2 ein Prozentsatz von 15% auf Gemeindeebene vorliegen muss.“

4. Nach § 2c (neu) wird folgender § 2d eingefügt:

„§ 2d. Die Bundesregierung hat dem Nationalrat alle zwei Jahre über die zur Her­stellung eines den Verordnungen auf Grund des § 2a entsprechenden Rechts­zu­standes getroffenen Maßnahmen zu berichten.“

5. (Verfassungsbestimmung) Die §§ 2b und 2c werden durch folgende §§ 2b bis 2d ersetzt:

„§ 2b. (Verfassungsbestimmung) Unbeschadet des § 2a können durch Verordnung der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates nach Anhörung der in Betracht kommenden Landesregierung, der in Betracht kommenden Gemeinde und des in Betracht kommenden Volksgruppenbeirates innerhalb des autochthonen Siedlungsgebietes einer Volksgruppe weitere Gebietsteile festgelegt werden, in denen topographische Bezeichnungen von Gebietskörperschaften und sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts zweisprachig anzubringen sind, wenn

1. der Anteil der in der betreffenden Ortschaft mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldeten Volksgruppenangehörigen mindestens 10% beträgt, wobei für die Ermittlung dieses Prozentsatzes § 2a Abs. 2 Z 2 sinngemäß gilt, und

2. mindestens 10% der Personen, die in der betreffenden Ortschaft mit ihrem Haupt­wohnsitz gemeldet sind und denen das Wahlrecht zum Gemeinderat zukommt, die Erlassung einer solchen Verordnung in einer an die Bundesregierung gerichteten Petition verlangen.

Die Petition ist bei der in Betracht kommenden Landesregierung einzubringen und von dieser an die Bundesregierung weiterzuleiten. Im Falle divergierender Stellungnahmen hat die Bundesregierung Maßnahmen zur Konsensfindung zu setzen.

§ 2c. (Verfassungsbestimmung) In Verordnungen auf Grund des § 2a oder des § 2b können Fristen festgesetzt werden, binnen deren die zweisprachigen topographischen Bezeichnungen anzubringen sind. Die Fristen beginnen mit dem Ablauf des Monats zu laufen, in dem die Verordnung kundgemacht worden ist. Sie dürfen bei einem Anteil der in einer Ortschaft mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldeten Volksgruppenangehörigen von mindestens 25% nicht mehr als 18 Monate, von mindestens 20% nicht mehr als 30 Monate und von mindestens 10% nicht mehr als 42 Monate umfassen; für die Ermittlung dieser Prozentsätze gilt § 2a Abs. 2 Z 2 sinngemäß.

§ 2d. (Verfassungsbestimmung) Für Gemeinden, die nicht in Ortschaften untergliedert sind, gelten die für Ortschaften geltenden Bestimmungen der §§ 2a bis 2c sinngemäß, wobei jedoch gemäß § 2a Abs. 2 Z 2 ein Prozentsatz von 15% auf Gemeindeebene vorliegen muss.“

6. § 2d wird durch folgenden § 2e ersetzt:

㤠2e. Die Bundesregierung hat dem Nationalrat alle zwei Jahre zu berichten:

1. über die zur Herstellung eines den Verordnungen auf Grund des § 2a ent­sprechenden Rechtszustandes getroffenen Maßnahmen und

2. über den Inhalt der gemäß § 2b an sie gerichteten Petitionen, die Art ihrer Erledigung und die dafür maßgeblichen Gründe sowie über die zur Herstellung eines den Verordnungen auf Grund des § 2b entsprechenden Rechtszustandes getroffenen Maßnahmen.“

7. § 4 Abs. 2 lautet:

„(2) Zu Mitgliedern eines Volksgruppenbeirates können nur Personen bestellt werden, die zum Nationalrat wählbar sind und

1. Mitglieder eines allgemeinen Vertretungskörpers sind oder

2. von einer Vereinigung vorgeschlagen wurden, die ihrem satzungsgemäßen Zweck nach Volksgruppeninteressen vertritt und für die betreffende Volksgruppe repräsentativ ist, oder

3. von einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft vorgeschlagen wurden.“

8. § 5 Abs. 2 letzter Satz lautet:

„Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende; dies gilt nicht in Angelegenheiten des § 2b.“

9. In § 11 Abs. 1 wird die Wortfolge „3 v. H. über den jeweils für Eskontierungen geltenden Zinsfuß“ durch die Wortfolge „3% über dem jeweils geltenden Basiszinssatz“ ersetzt.

10. § 12 Abs. 1 und 2 lautet:

„(1) Im Bereich der in einer Verordnung auf Grund des § 2a festgelegten Gebietsteile sind topographische Bezeichnungen, die von Gebietskörperschaften oder sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts angebracht werden, in deut­scher Sprache und in der Sprache der in Betracht kommenden Volksgruppen zu verfassen. Topographische Bezeichnungen sind insbesondere die Hinweiszeichen „Ortstafel“ und „Ortsende“, aber auch sonstige Hinweisschilder, mit denen auf örtliche Gegebenheiten hingewiesen wird, die im Geltungsbereich einer Verordnung auf Grund des § 2a liegen.

(2) In der Verordnung auf Grund des § 2a sind auch die Örtlichkeiten, die für eine zweisprachige Bezeichnung in Betracht kommen, sowie die topographischen Bezeich­nungen in der Sprache der in Betracht kommenden Volksgruppen festzulegen, die neben der deutschsprachigen Bezeichnung anzubringen sind. Hiebei ist auf die örtliche Übung und auf die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung Bedacht zu nehmen.“


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 25

11. § 12 Abs. 1 und 2 lautet:

„(1) Im Bereich der in einer Verordnung auf Grund des § 2a oder des § 2b festgelegten Gebietsteile sind topographische Bezeichnungen, die von Gebietskörperschaften oder sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts angebracht werden, in deutscher Sprache und in der Sprache der in Betracht kommenden Volksgruppen zu verfassen. Topographische Bezeichnungen sind insbesondere die Hinweiszeichen „Ortstafel“ und „Ortsende“, aber auch sonstige Hinweisschilder, mit denen auf örtliche Gegebenheiten hingewiesen wird, die im Geltungsbereich einer Verordnung auf Grund des § 2a oder des § 2b liegen.

(2) In der Verordnung auf Grund des § 2a oder des § 2b sind auch die Örtlichkeiten, die für eine zweisprachige Bezeichnung in Betracht kommen, sowie die topo­graphischen Bezeichnungen in der Sprache der in Betracht kommenden Volksgruppen festzulegen, die neben der deutschsprachigen Bezeichnung anzubringen sind. Hiebei ist auf die örtliche Übung und auf die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung Bedacht zu nehmen.“

12. In § 17 Abs. 3 wird das Zitat „§ 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950“ durch das Zitat „§ 68 Abs. 4 Z 4 AVG“ ersetzt.

13. § 24 wird folgender Abs. 5 angefügt:

„(5) Für das In-Kraft-Treten der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. xxxx/2006 eingefügten, geänderten oder neu gefassten einfachgesetzlichen Bestimmungen gilt:

1. Der Titel, § 2 Abs. 1, § 2d in der Fassung der Z 4 dieses Bundesgesetzes und § 12 Abs. 1 und 2 in der Fassung der Z 10 dieses Bundesgesetzes treten mit Ablauf des 30. Juni 2006 in Kraft.

2. § 4 Abs. 2, § 11 Abs. 1 und § 17 Abs. 3 treten mit Ablauf des Tages der Kund­machung dieses Bundesgesetzes in Kraft.

3. § 2e, § 5 Abs. 2 letzter Satz und § 12 Abs. 1 und 2 in der Fassung der Z 11 dieses Bundesgesetzes treten mit Ablauf des 31. Dezember 2009 in Kraft; gleichzeitig tritt § 2d in der Fassung der Z 4 dieses Bundesgesetzes außer Kraft.“

14. (Verfassungsbestimmung) § 24 Abs. 5 (neu) werden folgende Abs. 6 und 7 angefügt:

„(6) (Verfassungsbestimmung) Für das In-Kraft-Treten der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. xxx/2006 eingefügten Verfassungsbestimmungen gilt:

1. Die §§ 2a bis 2c in der Fassung der Z 3 dieses Bundesgesetzes und die Anlage treten mit Ablauf des 30. Juni 2006 in Kraft.

2. Die §§ 2b bis 2d in der Fassung der Z 5 dieses Bundesgesetzes treten mit Ablauf des 31. Dezember 2009 in Kraft; gleichzeitig treten die §§ 2b und 2c in der Fassung der Z 3 dieses Bundesgesetzes außer Kraft.

(7) (Verfassungsbestimmung) Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

1. Die Topographieverordnung-Burgenland, BGBl. II Nr. 170/2000, gilt bis zur erstmaligen Erlassung einer denselben Gegenstand regelnden Verordnung auf Grund des § 2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2006 als Verordnung auf Grund dieser Bestimmung. Eine solche Verordnung ist spätestens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2009 zu erlassen.

2. Die Topographieverordnung-Kärnten, BGBl. II Nr. 245/2006, gilt bis zur erstmaligen Erlassung einer denselben Gegenstand regelnden Verordnung auf Grund des § 2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2006 als Verordnung auf Grund


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 26

dieser Bestimmung. Die im Rahmen der Begutachtung des Entwurfes der Topo­graphieverordnung-Kärnten erfolgte Anhörung der Kärntner Landesregierung gemäß § 2 Abs. 1 gilt als Anhörung im Verfahren zur Erlassung einer solchen Verordnung. Die Verordnung kann bestimmen, dass der Verordnung der Bundesregierung, mit der die slowenischen Bezeichnungen für Ortschaften festgesetzt werden, BGBl. Nr. 308/1977, entsprechende, bereits angebrachte topographische Bezeichnungen, die von den in der Anlage festgelegten slowenischen Bezeichnungen abweichen, erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgetauscht werden müssen. Sie tritt mit Ablauf des 30. Juni 2006 in Kraft.“

15. (Verfassungsbestimmung) Nach § 25 wird folgende Anlage eingefügt:

„Anlage

(Verfassungsbestimmung)

I. Burgenland

A. Deutsche und kroatische Sprache

1. Politischer Bezirk Eisenstadt-Umgebung

                             Gemeinden

Hornstein                                                     Vorištan

Klingenbach                                                Klimpuh

Oslip                                                              Uzlop

Siegendorf                                                  Cindrof

Steinbrunn                                                  Štikapron

Trausdorf an der Wulka                        Trajštof

Wulkaprodersdorf                                     Vulkaprodrštof

Zagersdorf                                                  Cogrštof

Zillingtal                                                         Celindof

2. Politischer Bezirk Güssing

                             Gemeinden

Güttenbach                                                 Pinkovac

Neuberg im Burgenland                        Nova Gora

Stinatz                                                           Stinjaki

3. Politischer Bezirk Mattersburg

                             Gemeinden

Antau                                                            Otava

Baumgarten                                                Pajngrt

Draßburg                                                     Rasporak


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 27

4. Politischer Bezirk Neusiedl am See

                             Gemeinden

Neudorf                                                         Novo Selo

Pama                                                            Bijelo Selo

Parndorf                                                       Pandrof

5. Politischer Bezirk Oberpullendorf

a) Gemeinde Frankenau-Unterpullendorf

Ortsteile

Frankenau                                                  Frakanava

Großmutschen                                          Mucindrof

Kleinmutschen                                           Pervane

Unterpullendorf                                          Dolnja Pulja

b) Gemeinde Großwarasdorf

Ortsteile

Großwarasdorf                                           Veliki Borištof

Kleinwarasdorf                                           Mali Borištof

Langental                                                     Longitolj

Nebersdorf                                                  Šuševo

c) Gemeinde Kaisersdorf                      Kalištrof

d) Gemeinde Nikitsch

Ortsteile

Kroatisch Geresdorf                                Gerištof

Kroatisch Minihof                                      Mjenovo

Nikitsch                                                         Filež

e) Gemeinde Weingraben                    Bajngrob

6. Politischer Bezirk Oberwart

a) Gemeinde Markt Neuhodis

Ortsteil

Althodis                                                         Stari Hodas

b) Gemeinde Rotenturm an der Pinka

Ortsteil

Spitzzicken                                                 Hrvatski Cikljin

c) Gemeinde Schachendorf

Ortsteile

Dürnbach im Burgenland                      Vincjet

Schachendorf                                            Čajta


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 28

d) Gemeinde Schandorf                        Čemba

e) Gemeinde Weiden bei Rechnitz

Ortsteile

Allersdorf im Burgenland                       Kljucarevci

Allersgraben                                               Širokani

Mönchmeierhof                                        Marof

Oberpodgoria                                             Podgorje

Parapatitschberg                                      Parapatićev Brig

Podler                                                           Poljanci

Rauhriegel                                                  Rorigljin

Rumpersdorf                                             Rupišće

Unterpodgoria                                            Bošnjakov Brig

Weiden bei Rechnitz                              Bandol

Zuberbach                                                  Sabara

B. Deutsche und ungarische Sprache

1. Politischer Bezirk Oberpullendorf

Gemeinde Oberpullendorf                    Felsőpulya

2. Politischer Bezirk Oberwart

a) Gemeinde Oberwart

Ortsteil

Oberwart                                                      Felsőőr

b) Gemeinde Rotenturm an der Pinka

Ortsteil

Siget in der Wart                                       Őrisziget

c) Gemeinde Unterwart

Ortsteil

Unterwart                                                     Alsóőr

II. Kärnten

Deutsche und slowenische Sprache

1. Politischer Bezirk Klagenfurt-Land

a) Gemeinde Ebenthal in Kärnten

Ortschaften

Kossiach                                                      Kozje

Kreuth                                                           Rute


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 29

Lipizach                                                         Lipice

Radsberg                                                     Radiše

Schwarz                                                       Dvorec

Tutzach                                                         Tuce

Werouzach                                                 Verovce

b) Gemeinde Ferlach

Ortschaften

Bodental                                                       Poden

Loibltal                                            Brodi

Strugarjach                                                 Strugarje

Waidisch                                                      Bajdiše

Windisch Bleiberg                                   Slovenji Plajberk

c) Gemeinde Ludmannsdorf

Ortschaften

Bach                                                              Potok

Edling                                                            Kajzaze

Fellersdorf                                                    Bilnjovs

Franzendorf                                                Branca vas

Großkleinberg                                                          Mala gora

Ludmannsdorf                                                          Bilcovs

Lukowitz                                                       Kovice

Moschenitzen                                            Mošcenica

Muschkau                                                    Muškava

Niederdörfl                                                  Spodnja vesca

Oberdörfl                                                      Zgornja vesca

Pugrad                                                          Podgrad

Rupertiberg                                                 Na Gori

Selkach                                                         Želuce

Strein                                                            Stranje

Wellersdorf                                                 Velinja vas

Zedras                                                                         Sodražava

d) Gemeinde Schiefling am See

Ortschaft

Techelweg                                                    Holbice


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 30

e) Gemeinde Zell

Ortschaften

Zell-Freibach                                               Sele-Borovnica

Zell-Homölisch                                          Sele-Homeliše

Zell-Koschuta                                            Sele-Košuta

Zell-Mitterwinkel                                       Sele-Srednji Kot

Zell-Oberwinkel                                          Sele-Zvrhnji Kot

Zell-Pfarre                                                    Sele-Cerkev

Zell-Schaida                                                Sele-Šajda

2. Politischer Bezirk Villach-Land

Gemeinde St. Jakob im Rosental

Ortschaften

Dreilach                                                       Dravlje

Feistritz                                                         Bistrica

Frießnitz                                                       Breznica

Gorintschach                                             Gorincice

Greuth                                                           Rute

Kanin                                                              Hodnina

Längdorf                                                       Velika vas

Lessach                                                       Leše

Maria Elend                                                Podgorje

Mühlbach                                                     Reka

St. Jakob im Rosental                            Šentjakob v Rožu

St. Peter                                                       Šentpeter

Schlatten                                                      Svatne

Srajach                                                         Sreje

Tösching                                                      Tešinja

Winkl                                                              Kot

3. Politischer Bezirk Völkermarkt

a) Gemeinde Bleiburg

Ortschaften

Aich                                                                Dob

Bleiburg                                                         Pliberk

Dobrowa                                                       Dobrova

Draurain                                                       Breg

Ebersdorf                                                     Drveša vas


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 31

Einersdorf                                                    Nonca vas

Kömmel                                                       Komelj

Kömmelgupf                                               Vrh

Loibach                                                         Libuce

Moos                                                              Blato

Replach                                                       Replje

Rinkenberg                                                 Vogrce

Rinkolach                                                     Rinkole

Ruttach                                                         Rute

St. Georgen                                                Šentjur

St. Margarethen                                        Šmarjeta

Schilterndorf                                               Čirkovce

Wiederndorf                                                Vidra vas

Woroujach                                                  Borovje

b) Gemeinde Eberndorf

Ortschaft

Mökriach                                                      Mokrije

c) Gemeinde Eisenkappel-Vellach

Ortschaften

Bad Eisenkappel                                      Železna Kapla

Blasnitzen                                                    Plaznica

Ebriach                                                         Obirsko

Koprein Petzen                                          Pod Peco

Koprein Sonnseite                                   Koprivna

Leppen                                                          Lepena

Lobnig                                                           Lobnik

Rechberg                                                     Reberca

Remschenig                                               Remšenik

Trögern                                                         Korte

Unterort                                                         Podkraj

Vellach                                                          Bela

Weißenbach                                               Bela

Zauchen                                                       Suha

d) Gemeinde Feistritz ob Bleiburg

Ortschaften

Dolintschitschach                                     Dolincice


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 32

Feistritz ob Bleiburg                                 Bistrica nad Pliberkom

Gonowetz                                                     Konovece

Hinterlibitsch                                               Suha

Hof                                                                 Dvor

Lettenstätten                                               Letina

Penk                                                              Ponikva

Pirkdorf                                                         Breška vas

Rischberg                                                    Rižberk

Ruttach-Schmelz                                      Rute

St. Michael ob Bleiburg                         Šmihel nad Pliberkom

Tscherberg                                                 Črgovice

Unterlibitsch                                                Podlibic

Unterort                                                         Podkraj

Winkel                                                           Kot

e) Gemeinde Globasnitz

Ortschaften

Globasnitz                                                    Globasnica

Jaunstein                                                     Podjuna

Kleindorf                                                       Mala vas

Podrain                                                         Podroje

St. Stefan                                                     Šteben

Slovenjach                                                  Slovenje

Traundorf                                                     Strpna vas

Tschepitschach                                        Čepice

Unterbergen                                                Podgora

Wackendorf                                                Vecna vas

f) Gemeinde Neuhaus

Ortschaften

Draugegend                                                Pri Dravi

Hart                                                                Breg

Heiligenstadt                                               Sveto mesto

Oberdorf                                                      Gornja vas

Schwabegg                                                 Žvabek

Unterdorf                                                      Dolnja vas.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 33

g) Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See

Ortschaften

Horzach II                                                    Horce II

Lauchenholz                                               Gluhi les

Mökriach                                                      Mokrije

Nageltschach                                            Nagelce

Obersammelsdorf                                   Žamanje

St. Primus                                                    Šentprimož

Unternarrach                                             Spodnje Vinare

Vesielach                                                     Vesele

h) Gemeinde Sittersdorf

Ortschaften

Altendorf                                                      Stara vas

Goritschach                                                Gorice

Kleinzapfen                                                 Malcape

Kristendorf                                                  Kršna vas

Müllnern                                                       Mlince

Obernarrach                                               Zgornje Vinare

Pfannsdorf                                                  Banja vas

Pogerschitzen                                                          Pogerce

Polena                                                           Polena

Proboj                                                           Proboj

Rückersdorf                                                Rikarja vas

Sagerberg                                                    Zagorje

Sielach                                                          Sele

Sittersdorf                                                    Žitara vas

Sonnegg                                                      Ženek

Tichoja                                                          Tihoja.

Begründung

Am 7. Juli 2000 hat der Nationalrat mit den Stimmen aller Fraktionen beschlossen, in die Bundesverfassung eine Staatszielbestimmung zugunsten der Volksgruppen aufzunehmen. Nach Art. 8 Abs. 2 B VG bekennt sich die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) zu ihrer gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt, die in den autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommt; Sprache und Kultur, Bestand und Erhaltung dieser Volksgruppen sind zu achten, zu sichern und zu fördern.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 34

Mit Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, G 213/01 ua., VfSlg. 16.404/2001, hat der Verfassungsgerichtshof eine Wortfolge in § 2 Abs. 1 Z 2 des Volksgruppengesetzes (im Folgenden: VoGrG) als verfassungswidrig aufgehoben.

Um der Staatszielsbestimmung des Art. 8 Abs. 2 B VG verstärkt Rechnung zu tragen, eine dem Staatsvertrag von Wien (im Folgenden: StV Wien), insbesondere dessen Art. 7, entsprechende Regelung zu treffen und den zuständigen Behörden eine klare Grundlage für die Vollziehung zur Verfügung zu stellen, soll das Volksgruppengesetz novelliert werden.

Zu Z 1 (Titel):

Durch Z 1 sollen der Gesetzestitel neu gefasst und diesem eine Abkürzung angefügt werden (vgl. die RL 101 und 103 der Legistischen Richtlinien 1990).

Zu Z 2 (§ 2 Abs. 1), Z 3 (§§ 2a bis 2c), Z 4 (§ 2d), Z 10 (§ 12 Abs. 1 und 2) und Z 15 (Anlage):

Vor der unter BGBl. I Nr. 35/2002 kundgemachten, mit Ablauf des 31. Dezember 2002 in Kraft getretenen Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof (Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, G 213/01 ua., VfSlg. 16.404/2001), lautete § 2 Abs. 1 Z 2 VoGrG: „Durch Verordnungen der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates sind nach Anhörung der in Betracht kommenden Landesregierung festzulegen: 1. []. 2. Die Gebietsteile, in denen wegen der verhältnismäßig beträchtlichen Zahl (ein Viertel) der dort wohnhaften Volksgruppenangehörigen topo­graphische Bezeichnungen zweisprachig anzubringen sind. 3. []“. Die Wortfolge „wegen der verhältnismäßig beträchtlichen Zahl (ein Viertel) der dort wohnhaften Volksgruppenangehörigen“ wurde vom Verfassungsgerichtshof wegen Widerspruchs zu Art. 7 Z 3 StV Wien aufgehoben. § 2 Abs. 1 VoGrG lautet daher nunmehr wie folgt: „Durch Verordnungen der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates sind nach Anhörung der in Betracht kommenden Landesregierung festzulegen: 1. [] 2. Die Gebietsteile, in denen topographische Bezeichnungen zweisprachig anzubringen sind. 3. []“. Ein bestimmter Prozentsatz von Volksgruppen­angehörigen, der die Anbringung zweisprachiger topographischer Bezeichnungen erfordern würde, ist in § 2 VoGrG nicht mehr festgelegt.

Die Frage, wann ein Verwaltungsbezirk mit gemischter Bevölkerung im Sinne des Art. 7 Z 3 StV Wien vorliegt, kann auf Grund einer Interpretation dieser Bestimmung nicht eindeutig beantwortet werden (vgl. auch Kolonovits, Art. 7 Z 2-4 StV Wien, in: Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht Rz 91 [2005]: „[E]in eindeutiger Prozent­satz [kann] weder dem Art 7 Z 3 StV Wien noch sonst dem Völkerrecht auf rein erkenntnismäßigem Weg entnommen werden“). Bei der Ausführung der Staats­vertragsbestimmung besteht daher ein Gestaltungsspielraum der Gesetzgebung (vgl. auch dazu Kolonovits, aaO Rz 58).

Insbesondere lässt sich weder aus Art. 7 Z 3 StV Wien noch aus der völkerrechtlichen Praxis ein bestimmter Minderheitenprozentsatz ableiten, der für das Vorliegen einer „gemischten Bevölkerung“ maßgeblich ist; die Bandbreite in der internationalen Praxis bewegt sich in etwa zwischen 5 und 25% (vgl. Kolonovits, aaO, Rz 55, mwN; Matscher, Die Ortstafelfrage aus der Sicht der Ortstafelkommission, in: Die Ortstafelfrage aus Expertensicht. Eine kritische Beleuchtung [2006] 111 [114]). Der Verfassungs­gerichtshof, der diese Frage in von ihm zu entscheidenden Fällen zu beurteilen hatte, hat in den Erkenntnissen VfSlg. 16.404/2001, VfGH 12.12.2005, V 64/05, und VfGH 26.6.2006, V 20-22/06 ua., ausgeführt, dass eine Ortschaft (auch noch dann) als Verwaltungsbezirk mit gemischter Bevölkerung zu qualifizieren sei, wenn sie über einen längeren Zeitraum betrachtet einen Minderheitenprozentsatz von mehr als 10% aufweist.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 35

Angesichts der Bandbreite der Meinungen hinsichtlich des maßgeblichen Minder­heitenprozentsatzes erscheint ein Prozentsatz von 10% auf Ortschaftsebene als sachgerecht, liegt er doch in der internationalen Praxis, aber auch innerhalb des Spektrums des Meinungsstandes in Österreich im unteren Bereich dieser Bandbreite. Auf Gemeindeebene soll hingegen auf einen Mittelwert von 15% abgestellt werden.

Im Einzelnen sind nach dem vorgeschlagenen § 2a Abs. 1 durch Verordnung der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates nach Anhörung der in Betracht kommenden Landesregierung die Gebietsteile festzulegen, in denen topographische Bezeichnungen zweisprachig anzubringen sind. In einer solchen Verordnung sind nach dem vorgeschlagenen § 2a Abs. 2 die Ortschaften zu nennen,

in denen nach dem Ergebnis der letzten Volkszählung mehr als 30 österreichische Staatsbürger ihren Hauptwohnsitz haben (Z 1) und

für die der Anteil der dort mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldeten Volksgruppen­angehörigen bei den letzten beiden Volkszählungen durchschnittlich mindestens 15% auf Gemeindeebene und mindestens 10% auf Ortschaftsebene betragen hat (Z 2; 15/10-Modell). Bei der Ermittlung des maßgeblichen Anteils der Volksgruppen­angehörigen kommt es darauf an, für wie viele österreichische Staatsbürger nach den Ergebnissen der letzten beiden Volkszählungen bzw. Erhebungen der Umgangs­sprache gemäß § 1 Abs. 3 des Registerzählungsgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2006, die Volksgruppensprache die Umgangssprache ist. Dies entspricht insoweit der Recht­sprechung des Verfassungsgerichtshofes, der in seinem jüngst ergangenen Erkenntnis (VfGH 26.6.2006, V 20-22/06 ua.) bei der Beurteilung des maßgeblichen Minder­heitenanteils ebenfalls auf die Ergebnisse der letzten beiden Volkszählungen hin­sichtlich der Umgangssprache abgestellt hat. Ist eine Gemeinde oder Ortschaft erst nach der vorletzten Volkszählung gebildet worden, ist für sie das Ergebnis der letzten Volkszählung maßgeblich; dies trifft namentlich auf die – erst nach der Volkszählung 1991 gebildete – Ortschaft Podrain (Gemeinde Globasnitz) zu.

Gemäß § 2a Abs. 2 Z 1 sollen Ortschaften mit bis zu 30 Einwohnern österreichischer Staatsbürgerschaft nicht in den Anwendungsbereich des Abs. 1 fallen. Zum einen ist nämlich für Ortschaften dieser Größenordnung statistisches Material, das es erlauben würde, den jeweiligen Minderheitenanteil objektiv festzustellen, aus datenschutzrechtlichen Erwägungen nur beschränkt verfügbar; zum anderen haben statistische Werte bei einer sehr geringen Gesamteinwohnerzahl nur eine begrenzte Aussagekraft: So macht etwa bei einer Ortschaft mit 20 Einwohnern ein Einwohner schon 5% der Gesamtbevölkerung aus, und der Zu- oder Wegzug nur weniger Personen könnte jeweils ein Über- oder Unterschreiten des maßgeblichen Prozent­satzes bewirken. Die Erlassung einer Verordnung gemäß § 2b (in der Fassung der Z 5 dieses Bundesgesetzes), wonach topographische Bezeichnungen auch in Ortschaften mit bis zu 30 Einwohnern österreichischer Staatsbürgerschaft zweisprachig anzubrin­gen sind, wird dadurch aber nicht ausgeschlossen.

„Ortschaften“ im Sinne dieser Bestimmung sind die Verwaltungssprengel bzw. Gebiets­teile unterhalb der Gemeindeebene, mögen sie auch anders bezeichnet sein (zB „Ortsverwaltungsteile“ nach der Burgenländischen Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 55/2003).

Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur (topographische Bezeich­nungen) sind insbesondere die Hinweiszeichen „Ortstafel“ und „Ortsende“, aber auch sonstige Hinweisschilder, mit denen auf örtliche Gegebenheiten hingewiesen wird, sofern sie in Ortschaften angebracht sind und auf Ortschaften hinweisen, die im Geltungsbereich der Verordnung liegen; keine topographischen Bezeichnungen sind hingegen Bezeichnungen und Aufschriften, in denen etwa der Typus einer Dienststelle


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 36

samt örtlicher Spezifikation angegeben wird (zB Gemeindeamt xy) oder Bezeich­nungen auf Landkarten. Wie der geltende § 12 Abs. 1 erster Satz VoGrG bzw. die Topographieverordnung-Burgenland, BGBl. II Nr. 170/2000, und die Topographie­verordnung-Kärnten, BGBl. II Nr. 245/2006, soll § 2a ausdrücklich nur für solche topo­graphischen Bezeichnungen gelten, die von Gebietskörperschaften oder von sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts angebracht werden; Bezeich­nungen und Aufschriften, die von Privaten – also etwa auch von den ÖBB oder von der Österreichischen Post AG – angebracht werden, sind schon aus diesem Grund vom Anwendungsbereich der Bestimmung ausgenommen und daher auch dann, wenn die betreffende Ortschaft in einer Verordnung auf Grund des § 2a genannt ist, nicht verpflichtend zweisprachig anzubringen.

Für die Bezeichnung von Ortschaften in Urkunden gelten nicht § 2a und die auf Grund dieser Bestimmung erlassenen Verordnungen, sondern die Regelungen über die Amts­sprache, insbesondere § 20 Abs. 2 VoGrG, wonach Auszüge aus Personen­stands­büchern und sonstige Urkunden vom Standesamt auf Verlangen als Übersetzung in die Sprache der Volksgruppe zu erteilen sind.

Nach dem vorgeschlagenen § 2a Abs. 3 sind Gebietsteile, die in der Anlage genannt sind, auch dann in einer Verordnung auf Grund des § 2a Abs. 1 zu nennen, wenn die Voraussetzungen des § 2a Abs. 2 nicht erfüllt sind. Dieser Bestandsschutz erfasst alle in der Topographieverordnung-Burgenland, BGBl. II Nr. 170/2000, genannten Gebietsteile sowie jene 141 (bzw. 142) Ortschaften, die in der von der Bundesregierung am 5. Juli 2006 beschlossenen, neuen Topographieverordnung-Kärnten (204/HA) enthalten sind.

Der vorgeschlagene § 2b sieht vor, dass in Verordnungen auf Grund des § 2a Fristen festgesetzt werden können, binnen deren neue zweisprachige topographische Be­zeich­nungen anzubringen sind (Stufenplan); diese Fristen dürfen aber – je nach der Höhe des Minderheitenanteils in der betreffenden Ortschaft – bestimmte Höchst­grenzen nicht überschreiten. Für die Ermittlung dieser Prozentsätze gilt § 2a Abs. 2 Z 2 sinngemäß, was bedeutet, dass es in der Regel auf den Durchschnitt der Ergebnisse der beiden letzten Volkszählungen, ausnahmsweise auf das Ergebnis der letzten Volkszählung ankommt und dass Erhebungen der Umgangssprache gemäß § 1 Abs. 3 des Registerzählungsgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2006, als Volkszählungen im Sinne dieser Bestimmung gelten. Hinsichtlich bestimmter bereits angebrachter topo­graphi­scher Bezeichnungen siehe den in Z 14 vorgeschlagenen § 24 Abs. 7 Z 2.

Die auf Grund des Stufenplans zur Verfügung stehenden Fristen sollen zur Durch­führung eines breiten Meinungsbildungsprozesses innerhalb der betroffenen Bevöl­kerung dienen und können insbesondere auch für Maßnahmen genützt werden, die die Akzeptanz der neuen Regelung fördern.

Durch den vorgeschlagenen § 2c soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass das Gebiet einer Gemeinde nicht notwendigerweise weiter untergliedert sein muss (vgl. § 1 der Burgenländischen Gemeindeordnung). Für solche Gemeinden sollen die für Ortschaften geltenden Bestimmungen der §§ 2a und 2b mit der Maßgabe sinngemäß gelten, dass gemäß § 2a Abs. 2 Z 2 ein Prozentsatz von 15% auf Gemeindeebene vorliegen muss. Solche Gemeinden sind also dann gemäß § 2c in Verbindung mit § 2a Abs. 2 in einer Verordnung auf Grund des § 2a Abs. 1 zu nennen, wenn

nach dem Ergebnis der letzten Volkszählung mehr als 30 österreichische Staatsbürger in der Gemeinde ihren Hauptwohnsitz haben und

der Anteil der in der Gemeinde mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldeten Volksgruppen­angehörigen bei den letzten beiden Volkszählungen (bzw. Erhebungen der Umgangs-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 37

sprache) durchschnittlich mindestens 15% betragen hat. Ist die Gemeinde erst nach der vorletzten Volkszählung gebildet worden, ist für sie das Ergebnis der letzten Volks­zählung (bzw. Erhebung der Umgangssprache) maßgeblich.

Für den Stufenplan gemäß § 2c iVm. § 2b maßgeblicher Prozentsatz ist für solche Gemeinden ebenfalls der Prozentsatz auf Gemeindeebene.

Der vorgeschlagene § 2d sieht eine Berichtspflicht der Bundesregierung an den Nationalrat über die zur Herstellung eines den Verordnungen auf Grund des § 2a entsprechenden Rechtszustandes getroffenen Maßnahmen vor. Soweit der Bericht Angelegenheiten der Landesverwaltung zum Gegenstand hat, werden im Rahmen der Berichtserstellung auch die in Betracht kommenden Landesregierungen einzubinden sein.

Infolge der neuen Verordnungsermächtigung kann der bisherige § 2 Abs. 1 Z 2 VoGrG zur Gänze entfallen; § 12 Abs. 1 und 2 VoGrG ist entsprechend anzupassen.

Zu Z 5 (§§ 2b bis 2d), Z 6 (§ 2e), Z 8 (§ 5 Abs. 2 letzter Satz) und Z 11 (§ 12 Abs. 1 und 2):

Der vorgeschlagene § 2b enthält die sog. „Öffnungsklausel“. Unbeschadet des § 2a können nach dieser Bestimmung durch Verordnung der Bundesregierung innerhalb des autochthonen Siedlungsgebietes einer Volksgruppe weitere Gebietsteile festgelegt werden, in denen topographische Bezeichnungen zweisprachig anzubringen sind, wenn

der Anteil der in der betreffenden Ortschaft mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldeten Volksgruppenangehörigen mindestens 10% beträgt (Z 1) und

mindestens 10% der Personen, die in der betreffenden Ortschaft mit ihrem Haupt­wohnsitz gemeldet sind und denen das Wahlrecht zum Gemeinderat zukommt, die Erlassung einer solchen Verordnung in einer an die Bundesregierung gerichteten Petition verlangen (Z 2).

Die Petition ist bei der in Betracht kommenden Landesregierung einzubringen und von dieser an die Bundesregierung weiterzuleiten. Vor Erlassung einer Verordnung sind die in Betracht kommende Landesregierung, die in Betracht kommende Gemeinde und der in Betracht kommende Volksgruppenbeirat anzuhören; ein Dirimierungsrecht des Vorsitzenden des Volksgruppenbeirates bei Stimmengleichheit soll in diesen Angelegenheiten nicht bestehen.

Anschließend entscheidet die Bundesregierung. Dabei sind – insbesondere unter Beachtung der Situation in der betroffenen Gemeinde – die Zielsetzungen dieses Bundesgesetzes und die Ergebnisse des Anhörungsverfahrens mitzuberücksichtigen.

Die Bundesregierung hat dem Nationalrat alle zwei Jahre über die Vollziehung des § 2b (Öffnungsklausel) Bericht zu erstatten.

Die vorgeschlagenen §§ 2c (betreffend den Stufenplan) und 2d (betreffend die Son­derregelung für Gemeinden, die nicht in Ortschaften untergliedert sind) sollen an die Stelle der §§ 2b und 2c VoGrG (in der Fassung der Z 3 dieses Bundesgesetzes) treten. Aus § 2d ergibt sich, dass in Gemeinden, die nicht in Ortschaften untergliedert sind, die gemäß § 2b Z 1 und 2 erforderlichen Prozentsätze jeweils auf Gemeindeebene vorliegen müssen.

§ 12 Abs. 1 und 2 VoGrG ist entsprechend anzupassen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 38

Zu Z 7 (§ 4 Abs. 2):

Die Bestimmungen über die persönlichen Voraussetzungen, die die Mitglieder der Volksgruppenbeiräte zu erfüllen haben, haben sich in der Praxis nur zum Teil bewährt und sollen daher angepasst werden. Vor allem die Voraussetzung, dass die gemäß § 4 Abs. 2 Z 1 VoGrG zu bestellenden Mitglieder allgemeiner Vertretungskörper („Politiker-Kurie“) und die gemäß § 4 Abs. 2 Z 3 VoGrG auf Grund eines Vorschlags einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft zu bestellenden Mitglieder („Kirchen-Kurie“) auch Angehörige der Volksgruppe (oder – bei Mitgliedern eines allgemeinen Vertretungskörpers – im Hinblick auf ihre Zugehörigkeit zur betreffenden Volksgruppe gewählt) sein müssen, hat insbesondere bei kleineren Volksgruppen zu Problemen geführt, weil nicht immer genügend Personen verfügbar waren, die dieses Merkmal erfüllen. Es wird davon ausgegangen, dass zu Mitgliedern eines Volks­gruppenbeirates nur Personen bestellt werden, die erwarten lassen, dass sie sich für die Interessen der Volksgruppe und die Ziele dieses Bundesgesetzes einsetzen.

Zu Z 9 (§ 11 Abs. 1):

Gemäß Art. I § 1 Abs. 1 des 1. Euro-Justiz-Begleitgesetzes, BGBl. I Nr. 125/1998, ist der Zinsfuß für Eskontierungen der Oesterreichischen Nationalbank (Diskontsatz) durch den Basiszinssatz ersetzt worden.

Zu Z 12 (§ 17 Abs. 3):

Zitierungsanpassung.

Zu Z 13 (§ 24 Abs. 5) und Z 14 (§ 24 Abs. 6 und 7):

Der vorgeschlagene § 24 Abs. 5 und 6 sieht ein gestuftes In-Kraft-Treten der durch dieses Bundesgesetz eingefügten, geänderten oder neu gefassten Bestimmungen vor, wobei, auf das Wesentliche zusammengefasst, die mit dem neuen § 2a (15/10-Modell) zusammenhängenden Änderungen mit Ablauf des 30. Juni 2006 und die mit dem neuen § 2b in der Fassung der Z 5 dieses Bundesgesetzes (Öffnungsklausel) zusammenhängenden Änderungen mit Ablauf des 31. Dezember 2009 in Kraft treten sollen.

Der vorgeschlagene § 24 Abs. 7 enthält Übergangsbestimmungen:

Die Topographieverordnung-Burgenland, BGBl. II Nr. 170/2000, soll bis zur erst­maligen Erlassung einer denselben Gegenstand regelnden Verordnung auf Grund des § 2a als Verordnung auf Grund dieser Bestimmung gelten; die neue Verordnung soll spätestens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2009 zu erlassen sein. Dadurch wird sichergestellt, dass das neue Modell auch im Burgenland vollständig umgesetzt ist, bevor die Öffnungsklausel in Kraft tritt.

Die Topographieverordnung-Kärnten, BGBl. II Nr. 245/2006, soll ebenfalls bis zur erst­maligen Erlassung einer denselben Gegenstand regelnden Verordnung auf Grund des § 2a als Verordnung auf Grund dieser Bestimmung gelten. Die im Rahmen der Begutachtung des Entwurfes der Topographieverordnung-Kärnten erfolgte Anhörung der Kärntner Landesregierung gemäß § 2 Abs. 1 soll als Anhörung im Verfahren zur Erlassung dieser neuen Verordnung gelten, was bedeutet, dass eine Anhörung in diesem Verfahren nicht nochmals durchgeführt zu werden braucht. Die neue Ver­ordnung kann auch bestimmen, dass der Verordnung der Bundesregierung, mit der die slowenischen Bezeichnungen für Ortschaften festgesetzt werden, BGBl. Nr. 308/1977, entsprechende, bereits angebrachte topographische Bezeichnungen, die von den in


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 39

der Anlage festgelegten slowenischen Bezeichnungen abweichen, erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgetauscht werden müssen. Schließlich soll die neue Verordnung rückwirkend mit Ablauf des 30. Juni 2006 in Kraft treten.“

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der Rückverweisungsantrag, den Herr Abgeordneter Scheibner eingebracht hat, braucht nicht von mir enunziert zu werden. Dieser wird abgestimmt wie alle anderen Anträge am Ende der Debatte.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Auch seine Redezeit beträgt 12 Minuten. – Bitte.

 


9.43.49

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Sitzung – wie auch schon die Dringliche vorgestern – wird sicher Eingang finden in die politikwissenschaftlichen Lehrbücher, um darzustellen, wie man versucht, Verantwortung ab- und Schuld zuzuschieben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Bisher war es so, dass die Kärntner SPÖ nach übereinstimmender Auffassung – ich finde es zumindest, dass es so war – zumindest mitschuld war am Nicht-Aufstellen zweisprachiger Ortstafeln. Jetzt ist es plötzlich die Bundes-SPÖ. (Abg. Lentsch: Und die Grünen!) – Die Grünen wurden in dieser Angelegenheit nicht einmal gefragt, aber dafür habe ich auch Verständnis, weil unsere Position von Anfang an glasklar war: Es braucht in diesem Zusammenhang für das, was Sie vorhaben, keine Verfassungs­bestimmung. Ganz im Gegenteil: Eine Verfassungsbestimmung für das, was Sie vorhaben, ist kontraproduktiv und deutet auf einen, wie Heinz Mayer sagt, „erbärm­lichen Umgang“ mit der österreichischen Verfassung hin. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Sie tun so, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, als ob auf einmal eine Verfassungsbestimmung zum Schutz der Minderheitenrechte in Österreich not­wendig wäre, insbesondere zum Schutz der Kärntner mit slowenischer Muttersprache. Darf ich Sie an Folgendes erinnern: Es gibt den Staatsvertrag von 1955, dessen Verpflichtungen – nach übereinstimmender Meinung aller Fraktionen dieses Hauses – bis heute nicht erfüllt sind. Ich sage ausdrücklich: aller Fraktionen, denn selbst Haider muss in einer stillen Minute diesen Gedanken gehabt haben, sonst hätte er sich ja überhaupt nicht zum Verhandlungstisch setzen brauchen.

Es gibt die Staatszielbestimmung nach Artikel 8 des Bundes-Verfassungsgesetzes, und es gibt die einschlägigen Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes. Allein wenn Sie schon den Artikel 8 der Bundesverfassung ernst nehmen würden, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen (Abg. Scheibner: Den haben wir erst beschlossen, Herr Kollege!), müsste Ihnen klar sein, dass Sie eine Verfassungs­bestimmung für das, was Sie vorhaben, gar nicht brauchen, daher keine Zweidrittel­mehrheit hier im Haus brauchen und daher auch nicht die Zustimmung der Bundes-SPÖ brauchen. Sie sind entweder zu feig, das mit einem einfachen Gesetz zu beschließen, oder Sie wollen eben genau das, was ich Ihnen unterstelle: durch eine Verfassungsbestimmung die Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes aushebeln. Das ist es. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Zu Ihrer Erinnerung: Im Artikel 8 der Bundesverfassung heißt es ausdrücklich: „Die Republik (...) bekennt sich zu ihrer gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt, die in den autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommt. Sprache und Kultur,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 40

Bestand und Erhaltung dieser Volksgruppen sind zu achten, zu sichern und zu fördern.“ (Abg. Scheibner: Wann ist das beschlossen worden, Herr Kollege?)

Die Republik bekennt sich also zu ihren Minderheiten, autochthonen Volksgruppen. – Was ist das aber für eine Republik, die sich nicht dazu bekennt, dass ebendiese Volksgruppen den Anspruch haben, in dem Dorf, in der Ortschaft, wo sie wohnen, eine zweisprachige Aufschrift auf der Ortstafel zu haben? Eine Republik, die sich dazu bekennt, dass sie diese Minderheiten sichert und fördert, hat sich auch dazu zu bekennen, dass es offenkundig ist, dass es diese Minderheiten gibt, und dass sie sie nicht dadurch versteckt, dass ausschließlich deutschsprachige Ortstafelbezeichnungen verwendet werden.

Das steht schon in der Verfassung. Das brauchen Sie also nicht noch einmal in eine Verfassungsbestimmung zu kleiden. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Weiters: Das VfGH-Erkenntnis vom Dezember 2001 hat, wie wir alle wissen, die einschlägigen Bestimmungen, die bis dahin anwendbar waren, aufgehoben, weil zu restriktiv. Im Jahre 2001! Der VfGH hat eine Frist bis Ende 2002 gesetzt, das zu reparieren. – Die blau-schwarze Regierung und die schwarz-orange Regierung haben nicht einen Finger gerührt, fast fünf Jahre lang, um dieser Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes nachzukommen. Aber jetzt soll die Bundes-SPÖ in Nacht-und-Nebel-Aktionen da zustimmen – okay, das ist Ihr Problem, geht mich weiter nichts an – und versuchen Sie, in dieser Frage staatspolitische Verantwortung zu be­schwören, Herr Molterer! Also bitte schön: Fünf Jahre lang, mindestens, haben Sie diese staatspolitische Verantwortung ignoriert – aber jetzt, von Donnerstag auf Freitag dieser Woche, ist auf einmal diese Verantwortung angesagt. Das ist so etwas von unglaubwürdig, was Sie hier bieten, dass das kaum noch in Worte zu kleiden ist! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wenn Sie eine Verfassungsbestimmung brauchen, dann für einen durchsetzbaren Anspruch der Minderheit für ihre Rechte. Ja, darüber kann man reden. So zum Beispiel hat der Verfassungsgerichtshof gemeint: 10 Prozent plus über einen längeren Zeit­raum. Wenn das Kriterium erfüllt ist, hat die Volksgruppe einen Anspruch, einen durch­setzbaren, einen automatischen Anspruch auf eine zweisprachige Ortstafel. Darüber kann man reden, das in eine Verfassungsbestimmung zu kleiden und die Durch­setzbarkeit dieses Anspruchs zu gewährleisten. Das wäre in Ordnung.

Aber der Hintergrund Ihrer Geschichte ist doch, dass von Anfang an Jörg Haider und andere, auch die Kärntner SPÖ, gesagt haben, sie brauchen eine Verfassungs­bestimmung, damit „endlich a Ruah ist“ in diesem Land. Das waren die wörtlichen Zitate damals. Damit die Ansprüche der Kärntner mit slowenischer Muttersprache endlich einmal nicht mehr durchgesetzt werden können mittels Verwaltungsüber­tretungen, nämlich Geschwindigkeitsüberschreitungen im Ortsgebiet; das war doch der Hintergrund. Dafür wollten Sie und wollen Sie immer noch eine Verfassungs­bestim­mung. Das ist ein Missbrauch einer Verfassungsbestimmung, ein Missbrauch der Zweidrittelmehrheit in diesem Parlament. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Wenn Sie, wie Bundeskanzler Schüssel bei unserer Dringlichen Anfrage gesagt hat, sicher sind, dass Sie eine verfassungskonforme Lösung vorschlagen, dann machen Sie ein einfaches Gesetz, dann setzen Sie das, was Molterer/Scheibner heute vorschlagen, mittels eines einfachen Gesetzes um und lassen dadurch offen, was der Verfassungsgerichtshof in späteren Jahren dazu sagt. – Das wäre eine konsequente Vorgangsweise.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 41

Für das, was Sie vorhaben, brauchen Sie keine Verfassungsbestimmung. Sie wollen eine solche nur deswegen, damit die Ansprüche der Kärntner mit slowenischer Muttersprache eben nicht mehr über den VfGH eingeklagt werden können. Das ist doch der Hintergrund Ihrer Vorgangsweise! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Zur Öffnungsklausel. Eine Öffnungsklausel ist wichtig in solchen Fällen. Eine Öffnungsklausel, die die Rechte der Minderheit umsetzbar und durchsetzbar macht, unter bestimmten Voraussetzungen, das kann man meines Erachtens mit Zwei­drittelmehrheit, mit einer Verfassungsbestimmung in diesem Hause absegnen. Eine Öffnungsklausel, aber nicht eine Sperrklausel, wie sie Jörg Haider mehrfach umzu­setzen versucht hat: durch Vetorechte der Kärntner Landesregierung, durch Vetorechte der betroffenen Gemeinden.

Es ist nicht nur Haider, der sich in diesem Zusammenhang sehr unrühmlich zu Wort gemeldet hat, es waren auch SPÖ-Bürgermeister in Kärnten – noch im Juni dieses Jahres! –, die mit aberwitzigen Begründungen verlangt haben, dass zusätzliche zweisprachige Ortstafeln nicht kommen, da nämlich die Republik Slowenien auf diese Art Gebietsansprüche in Kärnten geltend machen könnte! Und das im Jahre 2006, nachdem Slowenien der EU beigetreten ist, et cetera et cetera!

Deshalb: Wenn Sie sich, verehrte Kollegen von der ÖVP, auf die Kärntner Landesrätin und Landeshauptmann-Stellvertreterin Gaby Schaunig berufen, dann sollten Sie sich das genau überlegen. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie die Kärntner SPÖ über Jahre und Jahrzehnte die Umsetzung zweisprachiger Ortstafeln in Kärnten verhindert hat. Ich kann mich genau daran erinnern, wie sich bei einer Konsenskonferenz, bei der ich persönlich anwesend war, Jörg Haider buchstäblich in seinem Sessel zurücklehnen konnte, weil Landeshauptmann-Stellvertreter Ambrozy für ihn diese berühmte Kastanie aus dem Feuer geholt hat.

Es war Ambrozy, der gesagt hat: Es sind im Wesentlichen rote Gemeinden – gemeint hat er Gemeinden mit roten Bürgermeistern; diese Sprachwahl ist ja auch schon bezeichnend –, die da betroffen sind. Und wenn der Kärntner Abwehrkämpferbund – ausgerechnet diese Organisation! – gegen die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln ist, dann ist er, Ambrozy, auch dagegen. Aus, fertig, Schluss! – Das war über Jahre und Jahrzehnte Position der Kärntner SPÖ! Froh sollten wir daher sein, dass die Bundes-SPÖ dieser Position nicht beitritt! (Beifall bei den Grünen.)

Was Gaby Schaunig hier der Bundes-SPÖ ausrichtet, das spricht ja wieder Bände: Dass der Position Kärntens Rechnung getragen wird, verlangt sie. – Dass in dieser Position Kärntens die Position der Kärntner Slowenenverbände und der Kärntner mit slowenischer Muttersprache, wie ich lieber sage, nicht hinreichend aufscheint, das fällt wieder einmal unter den Tisch! – Das war und ist auch heute Position der Kärntner SPÖ.

Dass Sie sich darauf berufen, dass die Kärntner SPÖ diesen Kompromiss unterstützt, ist doch geradezu ein Beleg für das Misstrauen, das ich habe, dass Sie eine Verfas­sungsbestimmung nur deswegen brauchen, um die Bestimmungen des Staatsvertrages zu unterlaufen und Ihr Pseudogesetz vor der Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof zu schützen. (Abg. Scheibner: Aber das ist besser als nichts!)

Für diesen Missbrauch einer Zweidrittelmehrheit sollten Sie sich eigentlich schämen – und nicht hier mit großem Pathos auf die Oppositionsparteien hinweisen, die etwas „verhindern“ würden! – Wir verhindern gar nichts!

Beschließen Sie ein einfaches Gesetz, und warten wir, was der Verfassungs­gerichts­hof dazu sagt! Ganz einfach! Diese Möglichkeit hätten Sie theoretisch auch heute


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 42

noch. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeord­neten der SPÖ.)

9.55


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundeskanzler Dr. Schüssel. Seine Redezeit: vereinbarungsgemäß 12 Minuten. – Herr Bundeskanz­ler, Sie sind am Wort.

 


9.55.09

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Die Kärntner Geschichte des vergangenen Jahrhunderts spiegelt die gesamte Geschichte Europas mit allen Höhen und Tiefen wider. Das muss man an dieser Stelle, glaube ich, schon hinzufügen. Und sie zeigt genau jene Wunden auf, die die europäische Geschichte im größeren Rahmen kennt: Deportationen, Vertreibungen, in Kärnten allein die Aussiedlung von über 1 000 Slowenen während der Nazi-Zeit, dann die Deportation von über 100 Kärnt­nern durch Tito-Partisanen und die Ermordung eines großen Teils von ihnen nach Kriegsende; der blutige Kampf um die Südgrenze, die 1919 neu gezogen wurde, zweimalige – das soll auch erwähnt werden – territoriale Gebietsansprüche gegenüber Kärnten durch den jugoslawischen Staat; das Aufreißen tiefer Gräben in den Beziehungen der Menschen untereinander; der Ortstafelsturm im Jahre 1972, nachfolgende mühsame Regelungen, begleitet von Anschlägen und Gewaltakten.

Ich sage das deswegen hier, damit man auch ein bisschen ein Gefühl dafür entwickelt, wie sensibel diese Frage ist. Und sosehr es berechtigt ist, 1 : 1 die Umsetzung des Staatsvertrages zu erwarten und zu verlangen – das tun wir –, genauso muss aber auch die Sensibilität auf der Seite der Mehrheitsbevölkerung gesehen werden und in einer breiten Einbindung, in einem Konsens aller relevanten Kräfte eine Lösung gesucht werden – und nicht mit einem Gewaltakt, einzelne Regelungen zu erzwingen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir stehen heute, glaube ich, tatsächlich vor einer Richtungsentscheidung, wie wir diese schwierige, aber lösbare Aufgabe – den Spagat zwischen der Erfüllung der Minderheitenrechte auf der einen Seite und der Sensibilität gegenüber der Mehrheitsbevölkerung – bewältigen können.

Der Staatsvertrag – Professor Van der Bellen weiß das genau, er hat ihn ja auch gelesen – ist sehr unbestimmt. Er ist ja keine Handlungsanleitung! Es steht ja nur etwas drinnen von „Gebieten mit gemischter Bevölkerung“, slowenischer oder kroati­scher Bevölkerung. Dies zu definieren, ist zunächst einmal nach 1955 einfach hinausgeschoben worden. Man hatte andere Prioritäten; was ich sehr bedauere. Erst im Jahre 1972 hat dann Bruno Kreisky mit dem Ortstafelgesetz – ein Initiativantrag übrigens, der mit den Stimmen der SPÖ beschlossen wurde und der am 28. Juni in Kraft getreten ist – einiges in diese Richtung in Bewegung gesetzt.

Und das hat sofort, weil eben die Einbindung der Bevölkerung nicht ausreichend gegeben war, zu massiven Gegenaktionen geführt: Es kam zu Schmieraktionen, am 3. Oktober 1972 – in St. Kantzian übrigens – zu einem organisierten Ortstafelsturm, der am 9. Oktober 1972, am Vorabend des Gedenktages der Volksabstimmung 1920, seinen Höhepunkt erreichte. Im Jänner 1973 ist alles abgesagt worden – die abmon­tierten Tafeln wurden nicht mehr erneuert.

Dann hat Bruno Kreisky meiner Meinung nach etwas sehr Kluges gemacht: Er hat eine Ortstafel-Kommission eingesetzt, in die sowohl die politischen Vertreter als auch Experten eingebunden wurden und die den Auftrag hatte, Lösungsvorschläge zu erarbeiten.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 43

Es hat vier Jahre lang gedauert, bis zum Jahre 1976, bis eine Einigung erzielt wurde, die mit der Erlassung des Volksgruppengesetzes 1976 zum ersten Mal eine 25-Prozent-Schwelle für das Anbringen topographischer Bezeichnungen vorgesehen hat. In weiterer Folge ist dann 1977 eine Verordnung gemacht worden, die 91 Ortschaften vorsah. Bis zur Stunde sind etwas über 70 tatsächlich aufgestellt worden.

Das heißt, es ist ein sehr verkrampftes Verhältnis gewesen. Erst in den neunziger Jahren hat es dann eine gewisse Entkrampfung gegeben. Ich möchte hier erinnern an die wirklich würdige 70-Jahr-Feier im Jahre 1990 zur Volksabstimmung 1920, an die Einführung privater slowenischer Kindergärten mit Landesförderung, an die weitgehend friktionsfreie Situation in den Schulen Südkärntens.

Gerade seit dem Jahre 2000 haben wir der Minderheitenpolitik in Österreich großes Augenmerk geschenkt. Die im Jahre 2000 beschlossene Staatszielbestimmung – ein­stimmig von allen Fraktionen verabschiedet – ist ein solcher Meilenstein. Oder: die Topographieverordnung-Burgenland, mit der für die kroatischen und ungarischen gemischtsprachigen Gemeinden erstmals eine Lösung für die Aufstellung von Ortstafeln gefunden wurde. Oder: die Amtssprachenverordnung für die ungarische Sprache. Weiters wurde die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen ratifiziert. Und ganz wichtig: das ORF-Gesetz, das es ermöglicht, ein slowenisches Radioprogramm in Slowenisch ganztägig zu senden. Wesentlich ist auch der gesetzliche Auftrag des ORF, im Rahmen seiner Programme angemessene Anteile in den Volksgruppensprachen zu senden. Schließlich die Rahmenbedingungen im Schulwesen, die ja faszinierend sind – ich habe es mir noch einmal angesehen –: 36,25 Prozent der Schüler besuchen im Geltungsbereich des Minderheiten-Schulgesetzes in Kärnten den zweisprachigen Unterricht! Ich sage wirklich, das ist etwas ganz Besonderes, was hier entwickelt wurde – und leider Gottes wird das alles unter dem Tisch gekehrt oder nicht öffentlich gewürdigt, weil die so genannte Ortstafelfrage alles andere überdeckt.

Daher müssen wir und sollen wir dieses Thema lösen. Das ist auch mein Appell, noch immer, heute in diesen Minuten.

Der Verfassungsgerichtshof hat ja – das zu sehen, ist auch interessant – jahrzehnte­lang gar nichts gemacht. Erst dann im Jahre 2001 ist die 25-Prozent-Schwelle im Volksgruppengesetz aufgehoben worden, und übrigens die Ortschaft „St. Kanzian“ – die übrigens jetzt wiederum, im neuen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, nicht mehr als zweisprachig angesehen wurde. Das ist schon ein interessanter Punkt!

Wir haben dann sofort nach diesem Erkenntnis eine Konsenskonferenz konstituiert. Ich war Dutzende Stunden, genauso wie Josef Cap und Willi Molterer und auch die Kärntner, Herbert Scheibner und die Kärntner politischen Parteien, die Slowenen­verbände, der Heimatdienst, die waren wirklich alle Stunden, Tage, Wochenende lang mit unterwegs. Ich habe selber eine Kärntner Konferenz der Bürgermeister im Jänner 2006 eingeladen. Wir haben uns wirklich bemüht, alle Seiten – das möchte ich wirklich außer Streit stellen –, und wir waren ja zwei, drei Mal einer Lösung unmittelbar nahe – wie auch heute –, so etwa im Jahre 2002, als dann Sadovnik von seinen Hardlinern im Rat zurückgepfiffen wurde. – Heute weiß er, dass damals eine historische Chance vergeben wurde. Dann kam der Kärntner Abwehrkämpferbund im Jahr 2005, und heute sind wir wieder unmittelbar vor einer Lösung.

In diesem Zusammenhang möchte ich mich zunächst einmal einigen sehr herzlich danken, nämlich Josef Feldner vom Heimatdienst, Marjan Sturm für den Zentral­verband und Bernard Sadovnik, die unter der Moderation von Stefan Karner wirklich über ihre Grenzen und über ihre Verhandlungsmandate hinausgegangen sind und in


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 44

der Verständigung der Volksgruppen Großartiges erreicht haben. Das sollte an dieser Stelle auch einmal betont werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Auf Grundlage dieser Gespräche ist dann am 11. Mai dieses Jahres eine eigene Ver­ordnung, eine Topographieverordnung in Begutachtung gesendet worden. Dieser Entwurf hat breite Zustimmung gefunden: Von den Sozialpartnern, von der Kirche, von der Plattform Kärnten, von der Kärntner Landsmannschaft, vom Kärntner Heimatdienst, vom Volksgruppenbeirat, wurde ausdrücklich begrüßt. Da ist also eine Stimmung vorhanden, die meiner Meinung nach genützt werden könnte.

Ich glaube, wenn die Geschichte etwas lehrt, dann Folgendes: Wir sollten nicht über die Interessen und über die Bevölkerung – Minderheit, Mehrheit – hinweggehen, sondern wir sollten uns darum bemühen, dass wir ihren Intentionen Rechnung tragen und sie in ein gemeinsames Gespräch einbinden.

Als Ergebnis langwieriger Verhandlungen liegt heute ein Kompromiss vor, der von vielen als historisch bezeichnet wurde – und ich teile diese Meinung, meine Damen und Herren. Ich möchte auch ausdrücklich die konstruktive Haltung der Republik Slowenien hier ansprechen. Der slowenische Außenminister Rupel hat im Zusammen­hang mit dieser Einigung zu Recht festgehalten – wörtlich –, das, was nun geschehen sei, sei die einzige seriöse Errungenschaft in den letzten 50 Jahren, meine Damen und Herren! – Danke für dieses objektive Urteil! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen – BZÖ.)

Diese Lösung besteht aus zwei Elementen: Erstens der neuen Topographie-Verord­nung für Kärnten – diese ist am Dienstag im Hauptausschuss beschlossen worden und sieht 141 Ortschaften vor, wobei die Aufstellung nach einem bestimmten Stufenplan erfolgt. Zweitens ein begleitendes Verfassungsgesetz, das in den letzten Tagen intensiv von den Fraktionen hier im Haus beraten wurde; dieses soll eine dauerhafte und ausgewogene Lösung des Ortstafelstreits ermöglichen, mit dem Ziel, Rechts­sicherheit zu geben. Und diese Neuregelung enthält die 15/10-Regelung – 15 Prozent Gemeinde, 10 Prozent Ortschaften –, Bestandsschutz für schon in Ortschaften beste­hende – selbst dann, wenn der Anteil der slowenischen Bevölkerung auf unter 10 Pro­zent absinkt, was in einigen Fällen übrigens der Fall ist –, Berichtspflicht an den Nationalrat durch die Bundesregierung alle zwei Jahre, und eine Öffnungsklausel, wonach nach Aufstellung in den 141 Ortstafeln 10 Prozent der Bevölkerung in solchen Ortschaften, wo ein Slowenenanteil von 10 Prozent gegeben ist, zu einem Antrag an die Bundesregierung führen können, die dann darüber entscheidet: nach Anhörung von Gemeinden, Anhörung des Landes und des Volksgruppenbeirates. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Es ist vollkommen klar, dass hier kein Veto sein darf, dass aber auch keine Automatik, kein Diktat sein kann. Es kann nur eine objektive, ehrliche Beratung geben; das war übrigens auch der Wunsch der Minderheitenvertreter und des Heimatdienstes, die ja diesen Vorschlag auch ausdrücklich erarbeitet haben. Ich betone daher noch einmal: Alles, was wir hier gemeinsam diskutieren – der Kompromiss –, entspricht dem, was wir mit Marjan Sturm und mit Bernard Sadovnik vereinbart haben. Die Zusagen, die wir gegeben haben, gelten.

Meine Damen und Herren, zur Verfassungsfrage: Professor Adamovich hat in einem sehr beachteten Beitrag vor einigen Tagen geschrieben: Im Übrigen sei eine generelle Lösung der Frage des maßgebenden Prozentsatzes am besten durch ein Bundes­verfassungsgesetz zu erzielen. Diese Regelung müsse sich nicht unbedingt an 10 Prozent halten; sie sollte sich andererseits nicht den vom Verfassungsgerichtshof für unzulässig erklärten 25 Prozent nähern.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 45

Meine Damen und Herren! Die 15 Prozent Gemeinde/10 Prozent Ortschaften entsprechen dem zu 100 Prozent. Das ist überhaupt keine Frage. Auch Karl Korinek, der jetzige Präsident des Verfassungsgerichtshofes, hält den Weg einer verfassungs­politischen Lösung für absolut sinnvoll, und er meint, solche staatspolitische Fragen bedürften auch eines politischen Konsenses in breiter Form, und das sei nun einmal ein Verfassungsgesetz. Es hat sich auch der Kärntner Landtag (Zwischenruf) – danke für den Hinweis: es war nicht einstimmig, aber mit Stimmen von SPÖ, BZÖ und ÖVP – für eine solche Verfassungslösung ausgesprochen.

Meine Damen und Herren, ich glaube daher, die heute zur Abstimmung vorliegende Gesetzesinitiative hat fundamentale Bedeutung, die weit über den Tagesrand hinaus­reicht, weil zum ersten Mal fest einzementierte Meinungen und Fronten auf Deutsch­kärntner wie auf slowenischer Seite hinterfragt und auch aufgegeben worden sind. Man hat sich an einen gemeinsamen Tisch gesetzt und eine tragfähige Basis ausgearbeitet, die in einen Gesetzentwurf mündete, der heute dem Hohen Haus vorliegt.

Ich sage Ihnen offen – Sie haben ja ursprünglich gesagt, es gebe drei Bedingungen –: Es soll eine Einigung der Regierungsfraktionen geben. – Die gibt es. – Zweite Bedingung war, es muss die Zustimmung der Kärntner Parteien gegeben sein. – Diese gibt es: Landeshauptmann Haider, Landeshauptmann-Stellvertreterin Gabriele Schaunig, mit der ich heute in der Früh noch einmal telefoniert und diskutiert habe, und Landesrat Martinz stimmen ausdrücklich diesem Entwurf zu und ersuchen geradezu förmlich darum, dass wir heute einen entsprechenden Beschluss fassen. – Und inhaltlich, inklusive der Öffnungsklausel, entspricht das eins zu eins dem, was mit den Minderheitenvertretern Sturm und Sadovnik ausverhandelt worden ist.

Ich verstehe einen Punkt, nämlich dass Sie sagen: Und was ist mit der Umsetzung, mit der Erzwingbarkeit? – Da sage ich Ihnen, ich mache Ihnen einen Vorschlag: Be­schließen wir heute dieses Gesetz und machen wir einen gemeinsamen Ent­schließungsantrag, wonach wir alle relevanten Organe auffordern – denn von den 49 Ortstafeln sind 39 von den Bürgermeistern aufzustellen, weil es ja weiße Ortstafeln sind, Ortsbezeichnungen sind –, dies umzusetzen. Sollte dies nicht der Fall sein, dann bin ich gerne bereit, dass wir uns zu dem entsprechenden Zeitpunkt zusammensetzen, um weitergehende Schritte zu machen. (Abg. Öllinger: Das ist unglaublich! Das ist ja nur mehr peinlich!) Denn eines darf nicht sein: Der Respekt vor der Umsetzung eines Gesetzes muss für alle Staatsorgane gelten – aber bitte kein antizipatives Misstrauen! (Beifall bei der ÖVP sowie den Freiheitlichen – BZÖ.)

Daher appelliere ich wirklich an Sie, im Interesse einer gemeinsamen Sache hier eine rot-weiß-rote und Kärntner Lösung zu treffen. Ich glaube, die Zeit ist reif. Wir würden das Thema aus dem Wahlkampf heraushalten, und wir würden ein sehr wichtiges Signal geben, dass wir selbst in einem solchen Zeitpunkt bereit sind, uns die Hände zu reichen – so, wie das die Volksgruppenvertreter, der Heimatdienst und die anderen Organisationen zustande gebracht haben.

Ich lade Sie ein, Alfred Gusenbauer, Sie, Professor Van der Bellen (Abg. Öllinger: Ein Entschließungsantrag an die Bürgermeister – das ist ja peinlich!): Gehen wir diesen Weg! Beschließen wir es – plus ergänzender Entschließungsantrag! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ. – Abg. Öllinger: Eine Entschließung an die Bürgermeister, Herr Bundeskanzler?! – Das ist peinlich!)

10.09


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Baum­gart­ner-Gabitzer. Ihre Redezeit ist, so wie die aller anderen Redner in der nächsten Runde, 5 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 46

10.09.39

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir hätten heute die Chance, eine sehr langwierige Frage gemeinsam zu einem Ende zu bringen, aus dem Wahlkampf herauszuhalten und einer dauerhaften Lösung zuzuführen. Ich bedauere es daher als Verfassungssprecherin der ÖVP außer­ordentlich, dass das leider nicht gelingen wird.

Ich möchte trotzdem an Sie appellieren, sich das Ganze nochmals zu überlegen, und ich werde einige der Argumente, die die Kollegen Van der Bellen und Cap hier vorgebracht haben, kurz beleuchten und ein wenig ausargumentieren.

Warum handelt es sich um einen historischen Schritt? – Seit 1955 ist das der erste Versuch, diese Frage dauerhaft zu lösen – und dauerhaft lösen heißt auch, diese Regelung mit einer Verfassungsbestimmung abzusichern.

Es hat vom Staatsvertrag 1955 bis zum Versuch einer ersten gesetzlichen Regelung 17 Jahre lang gedauert: von 1955 bis 1972. Danach hat es einen langen Stillstand gegeben. Erst in den Jahren 2001/2002 waren die nächsten Lösungsversuche zu sehen. Und in diesem Zusammenhang sei auf einige der Argumente der Kollegen eingegangen, die bei näherer Betrachtung nicht haltbar sind.

Herr Kollege Cap hat das Wort „schludrig“ verwendet. – Wenn seit 2002 Konsens­konferenzen abgehalten werden, wenn seit 2002 mit den Betroffenen gesprochen wird, wenn versucht wird, eine Lösung auf der Ebene des Landes herbeizuführen, wenn auch lange Zeit hier verhandelt wird, dann kann man doch nicht von einer „schludrigen“ Lösung sprechen. Ich kann da „Schludrigkeit“ in keinster Weise erkennen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es handelt sich hier vielmehr um ein Gesetzesverfahren, um einen Versuch, eine Lösung zu finden, bei dem enorm langsam und genau vorgegangen und versucht wurde, eine wirkliche Lösung für alle Beteiligten zustande zu bringen. Von „schludrig“ zu sprechen, ist da schlicht und einfach der völlig falsche Ansatz. (Abg. Dr. Brinek – in Richtung SPÖ –: Das ist Polemik, sonst gar nichts!)

Was mich besonders überrascht hat, war, wie Herr Kollege Cap hier gesagt hat: So redet man nicht mit der SPÖ! – Ja ist es denn wirklich ein Kriterium, wie mit der SPÖ geredet wird, wenn es darum geht, eine lang schwelende Frage zu lösen? Genau das ist der Punkt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Man kann doch hier Eitelkeit nicht über staatspolitische Verantwortung stellen! (Zwi­schenruf der Abg. Mag. Wurm.) Das kann ich in keinster Weise nachvollziehen – und ich denke, auch sonst niemand. Man ist oft der Meinung, so redet man nicht mit einem – selbstverständlich, das auch durchaus nachvollziehbar. Aber wenn es darum geht, Lösungen zu finden, dann muss es doch möglich sein, über diesen kleinen politischen, eitlen Schatten zu springen! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich ersuche Sie daher, werte Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ: Versuchen Sie es! Es ist nicht so schwer, über diese Eitelkeit drüberzukommen.

Der dritte hier angesprochene Punkt ist die Frage der Garantie. – Was kann denn eine größere Garantie sein als ein Bundesverfassungsgesetz? (Abg. Dr. Van der Bellen: Aber Garantie wofür?) Das ist ja genau das, worum wir uns in dieser Sache bemühen! Wir haben in den Abänderungsantrag einige Dinge eingebaut, die genau diese Garantie beinhalten: Drunter fällt auch die Berichtspflicht an das Parlament! – Und wenn Sie sich selber als Parlament nicht mehr ernst nehmen, welche Garantien wollen Sie noch haben?


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 47

Nun zu einigen Dingen, die Kollege Van der Bellen hier in Bezug auf Verantwortung gesagt hat: Er meinte, wir schieben Verantwortung ab. – Wir schieben in keinster Weise Verantwortung ab! Wir haben uns in den vergangenen Jahren genau darum bemüht, diese Verantwortung wahrzunehmen und einen Frieden in Kärnten zwischen den verschiedenen Gruppierungen herbeizuführen. Das ist ja geradezu wahrge­nom­mene Verantwortung!

Zu meiner großen Überraschung haben Sie behauptet, dass wird fünf Jahre lang keinen Finger gerührt hätten und jetzt irgendetwas beschließen wollen. (Abg. Dr. Brinek – in Richtung Grüne –: Das ist doch nicht nachvollziehbar!) – Ich erinnere nur an die Konsenskonferenzen: Da ist augenscheinlich einiges an Ihnen vorbei­gegangen, Herr Kollege Van der Bellen, was sich in diesen letzten fünf Jahren tat­sächlich abgespielt hat! Es ist nicht so, dass kein Finger gerührt wurde! (Rufe bei den Grünen: Der Haider hat ...!) Es hat extrem viele Gespräche und Lösungsversuche gegeben – und Sie wissen das auch ganz genau, Herr Kollege Van der Bellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie haben auch gesagt, wir wollen ein Verfassungsgesetz, „dass a Ruah ist“. – Ja, wir wollen Rechtssicherheit! Wir wollen in dieser wichtigen Frage, die so lange polarisiert hat, eine klare und eindeutige weitere Vorgangsweise. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) – Einen Satz noch, Herr Präsident.

Da Sie hier Professor Mayer mit der Aussage, es handle sich um einen „erbärmlichen Umgang mit der Verfassung“, zitiert haben, möchte ich Professor Korinek, den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes zitieren, der gesagt hat: Es ist das eine gute Lösung, ein tauglicher Lösungsansatz; so kann man es lösen! Korinek ist mir allemal der bessere Zeuge! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

10.15


Präsident Dr. Andreas Khol: Als nächster Redner spricht Herr Abgeordneter Dr. Wittman 5 Minuten zu uns. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


10.15.36

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst bringe ich einen Gesamtändernden Abänderungsantrag ein, der in wesent­­lichen Punkten mit dem schon erläuterten Antrag der Regierungsfraktionen übereinstimmt, jedoch hinsichtlich der Öffnungsklausel und der Rechtsdurchsetzung zwei neue und andere Punkte, auf die ich noch eingehen werde, enthält. (Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es könnte hier der Eindruck entstehen, als ob alles eitel Wonne wäre. – Das ist es aber nicht! (Ruf bei der ÖVP: Eitel schon!) Es sind hier von Rednern auch Unwahrheiten gesagt worden. Und das ist genau das Problem, das das Misstrauen bei jenen, die davon betroffen sind, schürt: wenn man nicht ganz ehrlich ist, sondern hier immer mit einem leichten Augenzwinkern arbeitet.

Wo ist der Konsens? – Der Konsens findet ausschließlich zwischen Haider und Schüssel statt, aber nicht mit der Volksgruppe, weil weder der Rat der Kärntner Slowenen noch der Zentralverband in der letzten Nacht den Konsens hergestellt hat (Bundeskanzler Dr. Schüssel: ...! Nachträglich!), sondern es gibt nur einen Konsens zwischen Haider und Schüssel. – Halten wir das fest: weder einen Konsens mit der Volksgruppe noch einen Konsens mit uns. (Abg. Ing. Schultes: Was sagt die Frau Schaunig?)

Das heißt: Wenn man in einer Frage, nämlich in einem Recht, das Minderheiten in einem Staatsvertrag eingeräumt ist, eine Abänderung auf Verfassungsebene macht


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 48

und dabei die Minderheiten nicht mit einschließt, dann macht die Mehrheit ein Gesetz gegen die Minderheit. (Abg. Öllinger: So ist es!) Das ist sehr einfach – aber es kann doch nur dann gehen und funktionieren, wenn man jene, die durch diese Norm ge­schützt sind, mit ins Boot bringt! Die haben Sie aber nicht im Boot! Daher besteht die Verpflichtung, mit derartigen Verfassungsgesetzen vorsichtig umzugehen und nicht über die Köpfe jener, die betroffen sind, hinweg zu entscheiden. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Mag. Donnerbauer: Die Schaunig ...!)

Und warum ist dieses Misstrauen entstanden? – Durch dieses lächerliche Schauspiel des Kärntner Landeshauptmannes, Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes nicht zu vollziehen: mit dem Ortstafelverrücken, das in ganz Europa Österreich der Lächer­lichkeit preisgegeben hat! (Abg. Scheibner: Lächerlich sind nur Sie!) So ist es entstanden! – Der Kärntner Landeshauptmann wollte und will keine Lösung! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Und die Regierung hat die BAWAG in den Konkurs geführt – das müssen Sie noch dazusagen!)

Herr Bundeskanzler, ich will Ihnen die Bemühungen zum Konsens nicht absprechen, und es wurde ursprünglich ein Konsens gefunden. In derselben Nacht bezie­hungs­weise am nächsten Tag, als dieser Konsens gefunden war, hat die Kärntner Lan­desregierung mit Stimmen der ÖVP und der FPÖ aus der Öffnungsklausel ein Zustimmungsrecht der Kärntner Landesregierung und der Gemeinden gemacht (Ruf bei der SPÖ: So ist es!) – was bedeutet hätte, dass nie wieder neue Ortstafeln dazu­gekommen wären! (Abg. Scheibner: ... verhandeln! – Sie wissen ja gar nicht, wovon Sie reden!)

Das wäre keine Öffnungsklausel mehr gewesen, wie sie von den Kärntner Slowenen verlangt wurde, sondern eine Verhinderungsklausel für das Aufstellen von Ortstafeln! Und das war das Verlassen des Grundkonsenses. Ich verstehe, dass man dann miss­trauisch wird. Verlassen hat diesen Grundkonsens Haider; er torpediert jede Lösung! Und Sie haben mit ihm einen Konsens! Das ist der Einzige, mit dem Sie einen Konsens haben (Abg. Dr. Baumgarnter-Gabitzer: Das stimmt ja nicht!), und das ist der falsche Konsens! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Hinsichtlich Ihres Vorschlages, dass wir nachher über eine Rechtsdurchsetzung reden, erinnere ich Sie nur an die Presseaussendung des Landeshauptmannes von Kärnten vom Donnerstag, in der dieser gesagt hat: Es ist völlig egal, was die in Wien beschließen; ich mach sowieso, was ich will! Das heißt, wenn diese Rechtsdurch­setzung nicht jetzt beschlossen wird, dann wird auch dieses Verfassungsgesetz niemals umsetzbar sein. Und das muss doch der Minderheit gewährleistet werden! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Daher haben wir in unseren Vorschlag die Bestimmung aufgenommen, dass man an den Verfassungsgerichtshof herantreten kann, dass dieser entscheidet und der Regierung den Auftrag erteilen kann, die Ortstafeln aufzustellen. Und dann hat die Bundesregierung das aufzustellen! Damit gilt das, was  für jeden Häuslbauer in Österreich auch gilt: Wenn er ein Urteil eines Gerichtes hat, kann er es exekutieren.

Das ist nicht zu viel verlangt zum Schutz der Minderheit, wenn man schon den Staats­vertrag verändert! Ich denke, man sollte so fair mit der Minderheit umgehen, dass man diesen Schutz nicht verlässt! (Zwischenruf des Abg. Dr. Fasslabend.)

Sie haben auch ein bisschen die Unwahrheit gesagt. Ihr Vorschlag entspricht nämlich nicht dem Grundkonsens, denn im Grundkonsens ist festgehalten, dass 10 Prozent der Bevölkerung und nicht 10 Prozent in Gemeinden, wo ein 10-prozentiger Min­derheitenanteil festgestellt wurde, eine Petition einreichen kann.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 49

Das ist ein wesentlicher Unterschied, weil in Ortschaften unter 30 Einwohnern keine derartige Feststellung möglich ist und diese Ortschaften daher von einer Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln ausgeschlossen sind. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Wenn wir daher heute zu keinem Konsens kommen, weil Sie die Rechtsdurchsetzung nicht wollen (Abg. Jakob Auer: Sie wollen nicht!), dann kommen Sie Ihrer Ver­pflich­tung nach und stellen Sie diese Ortstafeln auf, die Sie auf Grund des Verfas­sungsgerichtshoferkenntnisses aufzustellen verpflichtet sind. (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei den Grünen.)

10.21


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Herrn Abgeordnetem Dr. Wittmann eingebrachte und in seinen Grundzügen erläuterte Gesamtändernde Abänderungs­antrag der Abgeordneten Dr. Cap, Dr. Wittmann, Mag. Posch, Mag. Christine Muttonen und KollegInnen ist hinreichend unterstützt, steht mit in Verhandlung und wird, so wie der andere Gesamtändernde Antrag der Abgeordneten Mag. Molterer und Scheibner, vervielfältigt und verteilt.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Gesamtändernder Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Cap, Dr. Wittmann, Mag. Posch, Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag (848/A d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksgruppengesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der genannte Antrag lautet wie folgt:

„Bundesgesetz, mit dem das Volksgruppengesetz geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Volksgruppengesetz, BGBl. Nr. 396/1976, zuletzt geändert durch die Kundmachung BGBl. I Nr. 35/2002, wird wie folgt geändert:

1. Der Titel lautet:

„Bundesgesetz über die Rechtsstellung der Volksgruppen in Österreich (Volksgrup­pengesetz – VoGrG)“

2. In § 2 Abs. 1 entfällt die Z 2 und erhält die Z 3 die Bezeichnung „2.“.

3. (Verfassungsbestimmung) Nach § 2 werden folgende §§ 2a bis 2c eingefügt:

„§ 2a. (Verfassungsbestimmung) (1) Durch Verordnung der Bundesregierung im Ein­ver­nehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates sind nach Anhörung der in Betracht kommenden Landesregierung die Gebietsteile festzulegen, in denen Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur (topographische Bezeichnun­gen) von Gebietskörperschaften und sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts zweisprachig anzubringen sind.

(2) In einer Verordnung auf Grund des Abs. 1 sind die Ortschaften zu nennen,

1. in denen nach dem Ergebnis der letzten Volkszählung mehr als 30 österreichische Staatsbürger ihren Hauptwohnsitz haben und

2. für die der Anteil der dort mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldeten Volksgrup­penangehörigen bei den letzten beiden Volkszählungen durchschnittlich mindestens


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 50

15% auf Gemeindeebene und mindestens 10% auf Ortschaftsebene betragen hat. Ist eine Gemeinde oder Ortschaft erst nach der vorletzten Volkszählung gebildet worden, ist für sie das Ergebnis der letzten Volkszählung maßgeblich. Erhebungen der Umgangssprache gemäß § 1 Abs. 3 des Registerzählungsgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2006, gelten als Volkszählungen im Sinne dieser Bestimmung.

(3) Die Gebietsteile, die in der Anlage genannt sind, sind auch dann in einer Verord­nung auf Grund des Abs. 1 zu nennen, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht erfüllt sind (Bestandsschutz).

§ 2b. (Verfassungsbestimmung) In Verordnungen auf Grund des § 2a können Fristen festgesetzt werden, binnen deren die zweisprachigen topographischen Bezeichnungen anzubringen sind. Die Fristen beginnen mit dem Ablauf des Monats zu laufen, in dem die Verordnung kundgemacht worden ist. Sie dürfen bei einem Anteil der in einer Ortschaft mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldeten Volksgruppenangehörigen von min­destens 25% nicht mehr als 18 Monate, von mindestens 20% nicht mehr als 30 Monate und von mindestens 10% nicht mehr als 42 Monate umfassen; für die Ermittlung dieser Prozentsätze gilt § 2a Abs. 2 Z 2 sinngemäß.

§ 2c. (Verfassungsbestimmung) Für Gemeinden, die nicht in Ortschaften untergliedert sind, gelten die für Ortschaften geltenden Bestimmungen der §§ 2a und 2b sinngemäß, wobei jedoch gemäß § 2a Abs. 2 Z 2 ein Prozentsatz von 15% auf Gemeindeebene vorliegen muss.“

4. (Verfassungsbestimmung) Nach § 2c (neu) wird folgender § 2d eingefügt:

„§ 2d. (1) (Verfassungsbestimmung) Stellt der Verfassungsgerichtshof auf Antrag einer Vereinigung, die ihrem satzungsgemäßen Zweck nach Volksgruppeninteressen vertritt und für die betreffende Volksgruppe repräsentativ ist (§ 4 Abs. 2 Z 2 Volks­grup­pengesetz), oder eines Volksgruppenbeirates (§ 3 Volksgruppengesetz) fest, dass entgegen §§ 2a bis 2c [ab 2009: § 2d] topografische Bezeichnungen nicht angebracht sind, hat er in seinem Erkenntnis die Bundesregierung zu verpflichten, die zur Beseitigung der Rechtsverletzung erforderlichen Rechtsakte und sonstigen Akte zu setzen, auch wenn diese sonst in die Zuständigkeit eines anderen Organs fallen.             

(2) Auf Verfahren nach Abs. 1 sind die Bestimmungen des VerfGG 1953 und der ZPO sinngemäß anzuwenden „

5. (Verfassungsbestimmung) Die §§ 2b und 2c werden durch folgende §§ 2b bis 2d ersetzt:

„§ 2b. (Verfassungsbestimmung) Unbeschadet des § 2a können durch Verordnung der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates innerhalb des autochthonen Siedlungsgebietes einer Volksgruppe weitere Gebietsteile festgelegt werden, in denen topographische Bezeichnungen von Gebietskörper­schaf­ten und sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts zweisprachig anzubringen sind, wenn mindestens 10 % der Personen, die in der betreffenden Ortschaft mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldet sind und denen das Wahlrecht zum Gemeinderat zukommt, die Erlassung einer solchen Verordnung in einer an die Bundesregierung gerichteten Petition verlangen.

Die Petition ist bei der in Betracht kommenden Landesregierung einzubringen und von dieser an die Bundesregierung weiterzuleiten. Bevor die Bundesregierung eine Ver­ordnung erlässt, hat sie die in Betracht kommende Landesregierung, die in Betracht kommende Gemeinde und den in Betracht kommenden Volksgruppenbeirat anzu­hören.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 51

§ 2c. (Verfassungsbestimmung) In Verordnungen auf Grund des § 2a oder des § 2b können Fristen festgesetzt werden, binnen deren die zweisprachigen topographischen Bezeichnungen anzubringen sind. Die Fristen beginnen mit dem Ablauf des Monats zu laufen, in dem die Verordnung kundgemacht worden ist. Sie dürfen bei einem Anteil der in einer Ortschaft mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldeten Volksgruppenangehörigen von mindestens 25% nicht mehr als 18 Monate, von mindestens 20% nicht mehr als 30 Monate und von mindestens 10% nicht mehr als 42 Monate umfassen; für die Ermittlung dieser Prozentsätze gilt § 2a Abs. 2 Z 2 sinngemäß.

§ 2d. (Verfassungsbestimmung) Für Gemeinden, die nicht in Ortschaften untergliedert sind, gelten die für Ortschaften geltenden Bestimmungen der §§ 2a bis 2c sinngemäß, wobei jedoch gemäß § 2a Abs. 2 Z 2 ein Prozentsatz von 15% auf Gemeindeebene vorliegen muss.“

6. § 2d wird durch folgenden § 2e ersetzt:

„§ 2e. Die Bundesregierung hat dem Nationalrat alle zwei Jahre über den Inhalt der gemäß § 2b an sie gerichteten Petitionen, die Art ihrer Erledigung und die dafür maßgeblichen Gründe zu berichten.

7. (Verfassungsbestimmung) § 2e (neu) wird folgender § 2f angefügt:

„§ 2f. (1) (Verfassungsbestimmung) Stellt der Verfassungsgerichtshof auf Antrag einer Vereinigung, die ihrem satzungsgemäßen Zweck nach Volksgruppeninteressen vertritt und für die betreffende Volksgruppe repräsentativ ist (§ 4 Abs. 2 Z 2 Volksgruppengesetz), oder eines Volksgruppenbeirates (§ 3 Volksgruppengesetz) fest, dass entgegen §§ 2a bis 2c [ab 2009: § 2d] topografische Bezeichnungen nicht angebracht sind, hat er in seinem Erkenntnis die Bundesregierung zu verpflichten, die zur Beseitigung der Rechtsverletzung erforderlichen Rechtsakte und sonstigen Akte zu setzen, auch wenn diese sonst in die Zuständigkeit eines anderen Organs fallen.             

(2) Auf Verfahren nach Abs. 1 sind die Bestimmungen des VerfGG 1953 und der ZPO sinngemäß anzuwenden.“

8. § 5 Abs. 2 letzter Satz lautet:

„Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende; dies gilt nicht in Angelegenheiten des § 2b.“

9. In § 11 Abs. 1 wird die Wortfolge „3 v. H. über den jeweils für Eskontierungen geltenden Zinsfuß“ durch die Wortfolge „3% über dem jeweils geltenden Basiszinssatz“ ersetzt.

10. § 12 Abs. 1 und 2 lautet:

„(1) Im Bereich der in einer Verordnung auf Grund des § 2a festgelegten Gebietsteile sind topographische Bezeichnungen, die von Gebietskörperschaften oder sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts angebracht werden, in deutscher Sprache und in der Sprache der in Betracht kommenden Volksgruppen zu verfassen. Topographische Bezeichnungen sind insbesondere die Hinweiszeichen „Ortstafel“ und „Ortsende“, aber auch sonstige Hinweisschilder, mit denen auf örtliche Gegebenheiten hingewiesen wird, die im Geltungsbereich einer Verordnung auf Grund des § 2a liegen.

(2) In der Verordnung auf Grund des § 2a sind auch die Örtlichkeiten, die für eine zweisprachige Bezeichnung in Betracht kommen, sowie die topographischen Bezeichnungen in der Sprache der in Betracht kommenden Volksgruppen festzulegen, die neben der deutschsprachigen Bezeichnung anzubringen sind. Hiebei ist auf die


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 52

örtliche Übung und auf die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung Bedacht zu nehmen.“

11. § 12 Abs. 1 und 2 lautet:

„(1) Im Bereich der in einer Verordnung auf Grund des § 2a oder des § 2b festgelegten Gebietsteile sind topographische Bezeichnungen, die von Gebietskörperschaften oder sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts angebracht werden, in deutscher Sprache und in der Sprache der in Betracht kommenden Volksgruppen zu verfassen. Topographische Bezeichnungen sind insbesondere die Hinweiszeichen „Orts­tafel“ und „Ortsende“, aber auch sonstige Hinweisschilder, mit denen auf örtliche Gegebenheiten hingewiesen wird, die im Geltungsbereich einer Verordnung Grund des § 2a oder des 2b liegen.

(2) In der Verordnung auf Grund des § 2a oder des § 2b sind auch die Örtlichkeiten, die für eine zweisprachige Bezeichnung in Betracht kommen, sowie die topo­graphischen Bezeichnungen in der Sprache der in Betracht kommenden Volksgruppen festzulegen, die neben der deutschsprachigen Bezeichnung anzubringen sind. Hiebei ist auf die örtliche Übung und auf die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung Bedacht zu nehmen.“

12. In § 17 Abs. 3 wird das Zitat „§ 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950“ durch das Zitat „§ 68 Abs. 4 Z 4 AVG“ ersetzt.

13. § 24 wird folgender Abs. 5 angefügt:

„(5) Für das In-Kraft-Treten der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. xxx/2006 eingefügten, geänderten oder neu gefassten einfachgesetzlichen Bestimmungen gilt:

1. Der Titel und § 2 Abs. 1 in der Fassung der Z 4 dieses Bundesgesetzes und § 12 Abs. 1 und 2 in der Fassung der Z 10 dieses Bundesgesetzes treten mit Ablauf des 30. Juni 2006 in Kraft.

2. § 11 Abs. 1 und § 17 Abs. 3 treten mit Ablauf des Tages der Kundmachung dieses Bundesgesetzes in Kraft.

3. § 2e, § 5 Abs. 2 letzter Satz und § 12 Abs. 1 und 2 in der Fassung der Z 11 dieses Bundesgesetzes treten mit Ablauf des 31. Dezember 2009 in Kraft.“

14. (Verfassungsbestimmung) § 24 Abs. 5 (neu) werden folgende Abs. 6 und 7 angefügt:

„(6) (Verfassungsbestimmung) Für das In-Kraft-Treten der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. xxxx/2006 eingefügten Verfassungsbestimmungen gilt:

1. Die §§ 2a bis 2d in der Fassung der Z 3 und 4 dieses Bundesgesetzes und die Anlage treten mit Ablauf des 30. Juni 2006 in Kraft.

2. Die §§ 2b bis 2d und 2f in der Fassung der Z 5 und 7 dieses Bundesgesetzes treten mit Ablauf des 31. Dezember 2009 in Kraft; gleichzeitig treten die §§ 2b bis 2d in der Fassung der Z 3 und 4 dieses Bundesgesetzes außer Kraft.

(7) (Verfassungsbestimmung) Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

1. Die Topographieverordnung-Burgenland, BGBl. II Nr. 170/2000, gilt bis zur erstmaligen Erlassung einer denselben Gegenstand regelnden Verordnung auf Grund des § 2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2006 als Verordnung auf Grund dieser Bestimmung. Eine solche Verordnung ist spätestens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2009 zu erlassen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 53

2. Die Topographieverordnung-Kärnten, BGBl. II Nr. 245/2006, gilt bis zur erstmaligen Erlassung einer denselben Gegenstand regelnden Verordnung auf Grund des § 2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2006 als Verordnung auf Grund dieser Bestimmung. Die im Rahmen der Begutachtung des Entwurfes der Topographieverordnung-Kärnten erfolgte Anhörung der Kärntner Landesregierung gemäß § 2 Abs. 1 gilt als Anhörung im Verfahren zur Erlassung einer solchen Verordnung. Die Verordnung kann bestimmen, dass der Verordnung der Bundesregierung, mit der die slowenischen Bezeichnungen für Ortschaften festgesetzt werden, BGBl. Nr. 308/1977, entsprechende, bereits angebrachte topographische Bezeichnungen, die von den in der Anlage festgelegten slowenischen Bezeichnungen abweichen, erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgetauscht werden müssen. Sie tritt mit Ablauf des 30. Juni 2006 in Kraft.“

15. (Verfassungsbestimmung) Nach § 25 wird folgende Anlage eingefügt:

„Anlage

(Verfassungsbestimmung)

I. Burgenland

A. Deutsche und kroatische Sprache

1. Politischer Bezirk Eisenstadt-Umgebung

Gemeinden

Hornstein                                                     Vorištan

Klingenbach                                               Klimpuh

Oslip                                                              Uzlop

Siegendorf                                                   Cindrof

Steinbrunn                                                   Štikapron

Trausdorf an der Wulka                        Trajštof

Wulkaprodersdorf                                    Vulkaprodrštof

Zagersdorf                                                 Cogrštof

Zillingtal                                                         Celindof

 

2. Politischer Bezirk Güssing

Gemeinden

Güttenbach                                                Pinkovac

Neuberg im Burgenland                        Nova Gora

Stinatz                                                          Stinjaki

 

3. Politischer Bezirk Mattersburg

Gemeinden

Antau                                                             Otava


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 54

Baumgarten                                               Pajngrt

Draßburg                                                     Rasporak

             

4. Politischer Bezirk Neusiedl am See

Gemeinden

Neudorf                                                         Novo Selo

Pama                                                           Bijelo Selo

Parndorf                                                       Pandrof

 

5. Politischer Bezirk Oberpullendorf

a) Gemeinde Frankenau-Unterpullendorf

Ortsteile

Frankenau                                                  Frakanava

Großmutschen                                         Mucindrof

Kleinmutschen                                          Pervane

Unterpullendorf                                         Dolnja Pulja

b) Gemeinde Großwarasdorf

Ortsteile

Großwarasdorf                                          Veliki Borištof

Kleinwarasdorf                                          Mali Borištof

Langental                                                     Longitolj

Nebersdorf                                                 Šuševo

c) Gemeinde Kaisersdorf                      Kalištrof

d) Gemeinde Nikitsch

Ortsteile

Kroatisch Geresdorf                               Gerištof

Kroatisch Minihof                                     Mjenovo

Nikitsch                                                         Filež

e)          Gemeinde Weingraben          Bajngrob

 

6. Politischer Bezirk Oberwart

a) Gemeinde Markt Neuhodis

Ortsteil

Althodis                                                         Stari Hodas


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 55

b) Gemeinde Rotenturm an der Pinka

Ortsteil

Spitzzicken                                                 Hrvatski Cikljin

c)Gemeinde Schachendorf

Ortsteile

Dürnbach im Burgenland                      Vincjet

Schachendorf                                            Čajta

d) Gemeinde Schandorf                        Čemba

e) Gemeinde Weiden bei Rechnitz

Ortsteile

Allersdorf im Burgenland                       Kljucarevci

Allersgraben                                               Širokani

Mönchmeierhof                                         Marof

Oberpodgoria                                            Podgorje

Parapatitschberg                                     Parapatićev Brig

Podler                                                           Poljanci

Rauhriegel                                                   Rorigljin

Rumpersdorf                                              Rupišće

Unterpodgoria                                           Bošnjakov Brig

Weiden bei Rechnitz                               Bandol

Zuberbach                                                   Sabara

 

B. Deutsche und ungarische Sprache

1. Politischer Bezirk Oberpullendorf

Gemeinde Oberpullendorf                    Felsőpulya

 

2. Politischer Bezirk Oberwart

a) Gemeinde Oberwart

Ortsteil

Oberwart                                                      Felsőőr

b) Gemeinde Rotenturm an der Pinka

Ortsteil

Siget in der Wart                                      Őrisziget

c) Gemeinde Unterwart

Ortsteil

Unterwart                                                     Alsóőr


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 56

II. Kärnten

Deutsche und slowenische Sprache

1. Politischer Bezirk Klagenfurt-Land

a) Gemeinde Ebenthal in Kärnten

Ortschaften

Kossiach                                                     Kozje

Kreuth                                                           Rute

Lipizach                                                        Lipice

Radsberg                                                    Radiše

Schwarz                                                      Dvorec

Tutzach                                                         Tuce

Werouzach                                                Verovce

b) Gemeinde Ferlach

Ortschaften

Bodental                                                      Poden

Loibltal                                                          Brodi

Strugarjach                                                Strugarje

Waidisch                                                     Bajdiše

Windisch Bleiberg                                   Slovenji Plajberk

c) Gemeinde Ludmannsdorf

Ortschaften

Bach                                                              Potok

Edling                                                            Kajzaze

Fellersdorf                                                   Bilnjovs

Franzendorf                                                Branca vas

Großkleinberg                                                          Mala gora

Ludmannsdorf                                                         Bilcovs

Lukowitz                                                      Kovice

Moschenitzen                                           Mošcenica

Muschkau                                                   Muškava

Niederdörfl                                                 Spodnja vesca

Oberdörfl                                                     Zgornja vesca

Pugrad                                                          Podgrad

Rupertiberg                                                Na Gori

Selkach                                                         Želuce


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 57

Strein                                                            Stranje

Wellersdorf                                                Velinja vas

Zedras                                                                         Sodražava

d) Gemeinde Schiefling am See

Ortschaft

Techelweg                                                   Holbice

e) Gemeinde Zell

Ortschaften

Zell-Freibach                                              Sele-Borovnica

Zell-Homölisch                                          Sele-Homeliše

Zell-Koschuta                                            Sele-Košuta

Zell-Mitterwinkel                                        Sele-Srednji Kot

Zell-Oberwinkel                                          Sele-Zvrhnji Kot

Zell-Pfarre                                                   Sele-Cerkev

Zell-Schaida                                               Sele-Šajda

 

2.Politischer Bezirk Villach-Land

Gemeinde St. Jakob im Rosental

Ortschaften

Dreilach                                                        Dravlje

Feistritz                                                         Bistrica

Frießnitz                                                      Breznica

Gorintschach                                            Gorincice

Greuth                                                           Rute

Kanin                                                              Hodnina

Längdorf                                                      Velika vas

Lessach                                                       Leše

Maria Elend                                                Podgorje

Mühlbach                                                    Reka

St. Jakob im Rosental                            Šentjakob v Rožu

St. Peter                                                       Šentpeter

Schlatten                                                     Svatne

Srajach                                                         Sreje

Tösching                                                     Tešinja

Winkl                                                              Kot

 


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 58

3. Politischer Bezirk Völkermarkt

a) Gemeinde Bleiburg

Ortschaften

Aich                                                                Dob

Bleiburg                                                        Pliberk

Dobrowa                                                      Dobrova

Draurain                                                      Breg

Ebersdorf                                                    Drveša vas

Einersdorf                                                   Nonca vas

Kömmel                                                      Komelj

Kömmelgupf                                              Vrh

Loibach                                                         Libuce

Moos                                                              Blato

Replach                                                       Replje

Rinkenberg                                                Vogrce

Rinkolach                                                    Rinkole

Ruttach                                                         Rute

St. Georgen                                               Šentjur

St. Margarethen                                        Šmarjeta

Schilterndorf                                               Čirkovce

Wiederndorf                                               Vidra vas

Woroujach                                                 Borovje

b) Gemeinde Eberndorf

Ortschaft

Mökriach                                                     Mokrije

c) Gemeinde Eisenkappel-Vellach

Ortschaften

Bad Eisenkappel                                      Železna Kapla

Blasnitzen                                                   Plaznica

Ebriach                                                         Obirsko

Koprein Petzen                                          Pod Peco

Koprein Sonnseite                                   Koprivna

Leppen                                                          Lepena

Lobnig                                                           Lobnik

Rechberg                                                    Reberca

Remschenig                                              Remšenik


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 59

Trögern                                                         Korte

Unterort                                                         Podkraj

Vellach                                                          Bela

Weißenbach                                               Bela

Zauchen                                                      Suha

d) Gemeinde Feistritz ob Bleiburg

Ortschaften

Dolintschitschach                                     Dolincice

Feistritz ob Bleiburg                                 Bistrica nad Pliberkom

Gonowetz                                                    Konovece

Hinterlibitsch                                              Suha

Hof                                                                 Dvor

Lettenstätten                                              Letina

Penk                                                              Ponikva

Pirkdorf                                                         Breška vas

Rischberg                                                   Rižberk

Ruttach-Schmelz                                      Rute

St. Michael ob Bleiburg                         Šmihel nad Pliberkom

Tscherberg                                                Črgovice

Unterlibitsch                                               Podlibic

Unterort                                                         Podkraj

Winkel                                                           Kot

e) Gemeinde Globasnitz

Ortschaften

Globasnitz                                                   Globasnica

Jaunstein                                                    Podjuna

Kleindorf                                                      Mala vas

Podrain                                                         Podroje

St. Stefan                                                    Šteben

Slovenjach                                                 Slovenje

Traundorf                                                    Strpna vas

Tschepitschach                                        Čepice

Unterbergen                                               Podgora

Wackendorf                                               Vecna vas


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 60

f) Gemeinde Neuhaus

Ortschaften

Draugegend                                               Pri Dravi

Hart                                                                Breg

Heiligenstadt                                              Sveto mesto

Oberdorf                                                      Gornja vas

Schwabegg                                                Žvabek

Unterdorf                                                     Dolnja vas.

g) Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See

Ortschaften

Horzach II                                                   Horce II

Lauchenholz                                               Gluhi les

Mökriach                                                     Mokrije

Nageltschach                                            Nagelce

Obersammelsdorf                                   Žamanje

St. Primus                                                   Šentprimož

Unternarrach                                              Spodnje Vinare

Vesielach                                                    Vesele

h) Gemeinde Sittersdorf

Ortschaften

Altendorf                                                      Stara vas

Goritschach                                               Gorice

Kleinzapfen                                                Malcape

Kristendorf                                                 Kršna vas

Müllnern                                                      Mlince

Obernarrach                                              Zgornje Vinare

Pfannsdorf                                                 Banja vas

Pogerschitzen                                                          Pogerce

Polena                                                           Polena

Proboj                                                           Proboj

Rückersdorf                                               Rikarja vas

Sagerberg                                                   Zagorje

Sielach                                                          Sele

Sittersdorf                                                   Žitara vas

Sonnegg                                                      Ženek

Tichoja                                                          Tihoja.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 61

Begründung

Am 28. Juni 2006 erzielte Bundkanzler Schüssel mit einem wesentlichen Teil der Vertreter von Organisationen der Kärntner Slowenen einen Konsens in der Orts­tafelfrage, dieser Konsens beinhaltete einerseits die Aufstellung von insgesamt 141 Ortstafeln bis 2009 und eine Bestandsgarantie für diese Ortstafeln, die durch eine Verfassungsbestimmung abgesichert werden sollten. Andererseits beinhaltete dieser Konsens die Schaffung einer so genannten „Öffnungsklausel“, nach der die Aufstellung weiterer zweisprachiger Ortstafeln ab 2009 ermöglicht werden sollte, und zwar auf der Grundlage einer Petition von 10% der Wahlberechtigten einer Ortschaft im autochtho­nen Siedlungsgebiet der Minderheit.

Der e-mail-Wechsel zwischen Bundeskanzler Schüssel und dem Obmann des Zentralverbandes der Kärntner Slowenen, Marjan Sturm, legte für diese Öffnungs­klausel folgendes fest (siehe www.slo.at):

„I. Territorialer Geltungsbereich:

a. Geltungsbereich des Minderheitenschulwesens oder

b. Geltungsbereich der zweisprachigen Amtssprachenregelung.

II. Quantitative Voraussetzung der Öffnungsklausel:

Ausschließlich auf Ortschaftsebene: 10% der wahlberechtigten Bevölkerung (wegen Vfgh-Konformität)

III. Prozedere:

a. Petition an die Bundesregierung

b. Beratung durch Landesregierung

c. Beratung durch Volksgruppenbeirat

d. Beschlussfassung der Bundesregierung

e. Zweijährige Berichterstattung der Bundesregierung an den Nationalrat betreffend Auswirkungen der Öffnungsklausel“

Dieser von der SPÖ vorgelegte Abänderungsantrag unterscheidet sich von dem der beiden Regierungsparteien in folgenden zwei Punkten:

1. Die Öffnungsklausel (§ 2b in der Fassung der Z 5) ist entsprechend dieser Über­ein­kunft mit Bundeskanzler Schüssel formuliert;

2. es ist ein so genanntes Verfahren der Rechtsdurchsetzung vorgesehen (§ 2d idF der Z 4 bzw. § 2f idF der Z 7), das garantiert, dass die - nach Auffassung des Ver­fassungsgerichtshofs von den neuen Bestimmungen des Gesetzes vorgesehenen - Ortstafeln auch wirklich aufgestellt werden.

Zu Punkt 1, Öffnungsklausel:

§ 2b in der Fassung der Z 5 (die ab 2009 gilt) enthält die so genannte Öffnungsklausel, und zwar exakt entsprechend der schriftlich festgehaltenen Übereinkunft von Bun­deskanzler Schüssel mit dem Obmann des Zentralverbandes der Kärntner Slowenen, Dr. Marjan Sturm. Demnach kann im autochthonen Siedlungsgebiet einer Minderheit eine zweisprachige Ortstafel dann mit Verordnung der Bundesregierung angeordnet werden, wenn dies 10% der Wahlberechtigten dieser Ortschaft verlangen. Vor Erlas­sung der Verordnung hat die Bundesregierung die betreffende Landesregierung, den betreffenden Volksgruppenbeirat und – entsprechend den Forderungen des BZÖ über die Übereinkunft mit dem Bundeskanzler hinaus – die betreffende Gemeinde anzu-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 62

hören. Auf Grund dieser Anhörung kann die Bundesregierung eine entsprechende Verordnung erlassen, wobei sie sich bei Übung dieses freien Ermessens entsprechend den allgemeinen Rechtsgrundsätzen (Art. 130 Abs. 2 B- VG) von den Zielsetzungen dieses Gesetzes und Art. 7 des Staatsvertrags zu leiten lassen hat. Dies schließt es beispielsweise aus, dass eine derartige Verordnung der Bundesregierung erlassen wird, wenn etwa in der betreffenden Ortschaft – obwohl im autochthonen Siedlungs­gebiet gelegen – gar keine oder fast keine Slowenen leben, und die Petition folglich missbräuchlich von Personen eingebracht wird, die nicht der Minderheit angehören.

Demgegenüber sieht der Vorschlag der Regierungsparteien vor, dass grundsätzlich Voraussetzung der Petition sein soll, dass auf Grund der Ergebnisse der beiden letzten Volkszählungen ein Minderheitsanteil der Slowenen von 10% besteht.

Dies lässt sich zum einen für Ortschaften unter 30 Einwohnern (für die die Öffnungs­klausel auch gelten soll) gar nicht feststellen, weil für diese aus statistischen und datenschutzrechtlichen Gründen keine Volkszählungsergebnisse ausgewiesen werden; damit wäre die Öffnungsklausel für alle Ortschaften unter 30 Einwohnern bloß eine legistischer Trick, der der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs zu Art. 7 des Staats­vertrags von Wien diametral widerspricht. Der von Bernd Sadovnik, dem Vertreter der Gemeinschaft der Kärntner Slowenen, vorgeschlagenen Kompromiss, dieses 10%-Minderheitsanteil-Kriterium wenigstens für Ortschaften unter 30 Einwohnern fallen zu lassen, wurde von den Regierungsparteien abgelehnt.

Wesentlich ist aber darüber hinaus, dass mit diesem zusätzlichen Erfordernis eines Mindestanteils an Slowenen von 10 % für die Durchführung einer Petition ein völlig neuer und zukunftsweisender Ansatz der Minderheitenvertreter ins Gegenteil verkehrt wird. Der Grundgedanke dieser Vertreter, die auf ein Miteinander der Volksgruppen aus sind und die deshalb überaus konsensbereit sind, ist der, dass der multikulturelle Dialog in den Vordergrund gerückt wird und die Minderheitenfrage, auch symbolisiert durch die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln, nicht als Abgrenzung verstanden wird, sondern als Möglichkeit des Bekenntnisses zu einer gemeinsamen, gewachsenen Vielfalt. So gesehen soll die Öffnungsklausel in der mit Bundeskanzler vereinbarten Varian­te ermöglichen, dass eine zweisprachige Ortstafel auch in eine Ortschaft aufge­stellt werden kann, in der zwar volkszählungsmäßig kein 10%iger Minderheitsanteil feststellbar ist, aber in der etwa 30% der Schüler eine zweisprachige Schule besuchen und daher mit einer zweisprachigen Ortstafel überhaupt kein Problem haben, auch wenn nicht alle dieser 30% Schüler aus Slowenenfamilien stammen; gleichwohl könnten sie sich für die Aufstellung einer zweisprachigen Ortstafel per Unterschrift bekenn, weil sie stolz auf diese Zweisprachigkeit sind.

Dieser viel versprechende Ansatz, der zu einem neuen Miteinander der Volksgruppen in Kärnten führen könnte, würde durch die Veränderungen im Abänderungsantrag der Regierungsparteien gegenüber den Konsens der Slowenenvertreter mit Bundeskanzler Schüssel zunichte gemacht; die SPÖ wirbt daher für eine Zustimmung zu diesem Abänderungsantrag, der den Zusagen des Bundeskanzlers Schüssel gegenüber den Minderheitenvertretern entspricht.

Zu Punkt 2,. Rechtsdurchsetzung (§ 2d bzw. § 2f):

Streng genommen sind seit 1977 91 zweisprachige Ortstafeln in Kärnten aufzustellen, von denen nur 77 aufgestellt wurden. Seit dem ersten Erkenntnis des Verfas­sungsgerichtshofes zu St. Kanzian ist klar, dass in zahlreichen weiteren Kärntner Ortschaften zweisprachige Ortstafel aufgestellt werden müßten, um den Staatsvertrag zu erfüllen. Darunter sind Bleiburg und Ebersdorf, für die das der VfGH erst jüngst wieder festgestellt hat.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 63

Keine einzige der vom Verfassungsgerichtshof und von einer kürzlich erlassenen Verordnung der Bundesregierung verlangten Ortstafeln sind bisher aufgestellt worden, nicht einmal die in Bleiburg und Ebersdorf, deren Aufstellung seit einem Jahr vom VfGH angeordnet ist.

Vielmehr hat der Kärntner Landeshauptmann mit allen möglichen fadenscheinigen Begründungen und Tricks diese Aufstellung verhindert, vom „Ortstafelverrücken“ bis hin zum möglichen Amtsmissbrauch seines zuständigen Kollegen in der Lan­desregierung.

Wenn nun schon mit einer großen Kompromissbereitschaft der Vertreter der Minderheit eine verfassungsrechtliche Regelung der ohnehin durch den Staatsvertrag garantierten Rechte erfolgen soll, ist es das Mindeste, dass die Aufstellung der Ortstafeln auf Grund dieses Kompromisses auch garantiert ist. Schließlich hat Jörg Haider durch den in einer Pressekonferenz wiedergegebenen Beschluss der Kärntner Landesregierung, den Gemeinden und der Kärntner Landesregierung ein Vetorecht gegen die Auf­stellung zusätzlicher Ortstafeln auf Grund der Öffnungsklausel einzuräumen, den mit Bundeskanzler Schüssel erzielten Konsens zu dieser Frage torpediert. Auch seine weiteren öffentlichen Äußerungen zeigten, („Wir Kärntner machen was wir wollen, und nicht das, was die in Wien beschließen“) dass er nicht gewillt, ist den Konsens wesentlicher Vertreter der Kärntner Slowenen mit Bundeskanzler Schüssel tatsächlich umzusetzen. Dementsprechend enthält § 2b in der Formulierung der Regierungsparteien die Möglichkeit für die Kärntner Landesregierung und die betreffende Gemeinde, der Sache nach ein Veto einzulegen und damit die Aufstellung zusätzlicher Ortstafeln zu verhindern.

Der Vorschlag der SPÖ zur Rechtsdurchsetzung sieht demgegenüber – so, wie dies in allen anderen Rechtsgebieten der Fall ist – eine Entscheidung des Verfassungs­gerichtshofes vor: Entscheidet der Verfassungsgerichtshof, dass auf Grund der neuen Bestimmungen, die entsprechend den Forderungen von BZÖ und ÖVP verfassungs­gesetzlich abgesichert sind, zusätzliche Ortstafeln aufzustellen sind, kann er die Bun­desregierung verpflichten, für diese Aufstellung zu sorgen.

Damit gilt für Ortstafeln das, was für jeden Häuslbauer gilt: Wenn der Verfassungs­gerichtshof entscheidet, ist seinem Urteil Rechnung zu tragen.

Findet dieser Abänderungsantrag keine Mehrheit, dann bleibt das seit mehr als 30 Jahren ungelöste Problem der zweisprachigen Ortstafeln trotz eines bereits erzielten Kon­senses mit den Vertretern der Minderheit auf dem Boden des Staatsvertrages gelöst.

Den von Bundeskanzler Schüssel erzielten historischen Konsens gilt es umzusetzen. Er darf durch Störfeuer von Außen nicht im Nachhinein zerstört werden. Es gilt, die Chance zu nutzen.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. 5 Minuten Redezeit. – Bitte. (Abg. Öllinger – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dipl.-Ing. Scheuch –: Sagen Sie etwas zum Haider, zum Ortstafelverrücker!)

 


10.21.55

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche - BZÖ): Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht nur hier im Plenum, sondern vor allem zu Hause vor den Fern-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 64

sehbildschirmen, die heute sicherlich mit sehr viel Aufmerksamkeit zusehen werden, und speziell die Kärntner Bevölkerung. (Abg. Brosz: Jetzt nicht mehr!) – Speziell die Kärntnerinnen und Kärntner werden zusehen!

Herr Kollege Brosz und Herr Kollege Öllinger, die abwertende, negative Haltung, die Ihre Fraktion hier tagtäglich gegen die Kärntnerinnen und Kärntner vorbringt, ist aufs Schärfste zurückzuweisen! Ich verwahre mich dagegen, dass man hier permanent versucht, Parteipolitik auf dem Rücken eines Landes zu machen! Das ist unge­heuerlich! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Öllinger: Sie sprechen nicht für Kärnten!)

Eines ist heute klar geworden: Es hat einen breiten Konsens gegeben. (Abg. Öllinger: Die Kärntner sind weiter als Sie! Die Kärntner sind offener als Sie!) Die Klub­obmänner – von meiner Fraktion, von der ÖVP und auch der Klubobmann der SPÖ – haben ganz offensichtlich, was man ohnehin genau weiß, lange, gut und hart verhandelt. Das Ergebnis scheint für Sie aber nicht zufrieden stellend zu sein.

Faktum ist: Die Gesamtlösung, die für dieses Land Frieden gebracht hätte, die Gesamtlösung, die in Kärnten nachhaltig dafür gesorgt hätte, dass man in Ruhe und in einer positiven Stimmung gemeinsam – die Minderheit und die Mehrheit – lebt, ist heute zu Grabe getragen worden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hagenhofer und Dr. Matznetter.) Und der Totengräber, der dafür verantwortlich ist, dass das nicht zustande gekommen ist, ist die SPÖ! Diese Verantwortung müssen Sie wahrnehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Matznetter: Nein! Sie stimmen dagegen! – Abg. Hagenhofer: Verfassungsgerichtshoferkenntnis nicht anerkannt!)

Ich sage Ihnen eines – und Sie von der SPÖ können da noch so viel aus der letzten und vorletzten Reihe dagegen schimpfen –: Sie haben es in der Hand gehabt, mit uns gemeinsam, mit der Regierung, mit dem Kärntner Landeshauptmann, mit den Minderheitenvertretern und auch mit den Heimatverbänden dafür zu sorgen, dass wir hier einen Schlussstrich ziehen können.

Soll ich Ihnen etwas sagen? Ich finde das wirklich unfair von Ihnen: Als Kärntner Abgeordneter finde ich das einfach unfair, dass Sie aus parteipolitischem Kalkül ein Land opfern!

Ihre eigene Kärntner Parteivorsitzende hat an Herrn Dr. Gusenbauer appelliert, dass man doch endlich eine Lösung finden möchte! (Abg. Dr. Matznetter: Ganz Öster­reich ...!)

Herr Kollege Matznetter, nur weil Sie vom Sumpf der BAWAG und von dem 3 Milliar­den €-Verlusten in der Karibik ablenken wollen, opfern Sie eine nachhaltige Lösung für die Kärntnerinnen und Kärntner! Das ist aufs Schärfste zurückzuweisen! Ungeheuerlich ist das, was Sie hier machen! Das sage ich Ihnen einmal! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Matznetter: Dann stimmen Sie hier zu!)

Herr Dr. Cap, Sie bringen hier permanent die Rolle des Kärntner Landeshauptmannes ins Spiel. Dr. Jörg Haider hat nicht als Obmann einer Partei agiert, Dr. Jörg Haider hat nicht als Parteipolitiker agiert, er hat eines gemacht (Abg. Heinzl: Die Verfassung gebrochen!): Er hat versucht, die Kärntnerinnen und Kärntner zu vertreten. Es gibt 100 Prozent Kärntnerinnen und Kärntner, und davon gibt es einen Teil – das ist die Minderheit. Ich bin davon überzeugt, dass Landeshauptmann Dr. Haider mit bestem Wissen und Gewissen sowohl die Rechte der Minderheit wahren wollte, aber natürlich auch die Wünsche, Sorgen und Bedürfnisse der Mehrheitsbevölkerung wahren muss.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 65

Das ist die Aufgabe eines Landeshauptmannes. (Abg. Öllinger: Sie sind ja ein Märchenprinz! Das ist ja unglaublich!)

Herr Öllinger, jetzt werde Ihnen etwas sagen: Reden wir einmal ehrlich! Warum ist es denn zum Ortstafelverrücken gekommen? – Weil Herr Dr. Vouk bewusst zu schnell durch Dörfer gefahren ist, weil ein slowenischer Minderheitenvertreter mit 80 km/h das Leben von Kindern gefährdet hat! Und das alles nur, um parteipolitisches Kalkül zu machen! Das ist doch negativ! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ.)

Noch einmal. Hier wurde versucht, eine Lösung für die Kärntner Bevölkerung zu erzielen. Dass diese Lösung nicht zustande kommt, mag heute vielleicht im partei­politischen Gespräch untergehen. Es mag auch sein, dass die Diskussion, die nach diesem Tagesordnungspunkt kommt, die sich damit beschäftigt, dass sich der Nationalrat auflöst, das überlagert.

Was aber bei der Bevölkerung hängenbleibt – und das ist wirklich schade –, ist, dass es dem Parlament nicht gelungen ist, Frieden herzustellen, ein Problem zu lösen, das 30 Jahre lang – der Herr Bundeskanzler hat es ganz richtig gesagt – dieses Land mehr oder weniger in Geiselhaft gehalten hat.

Wir hätten es lösen können. (Abg. Krist: Dann tun Sie es!) Es ist an uns gelegen, an der Verantwortung der Abgeordneten von der ÖVP, vom BZÖ, von den Grünen und von der Sozialdemokratie. Dass die Grünen nicht mit an Bord sind, wissen wir mittlerweile. Die Grünen haben eine Kärnten-feindliche Haltung. Das manifestiert sich ja auch in sehr vielen ihrer Aussagen; das wird sich künftig wahrscheinlich auch nicht ändern. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass nicht einmal ein einziger Kärntner Abgeordneter in Ihren Reihen sitzt. Das zeigt, wie „wichtig“ Ihnen Kärnten ist. (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.)

Dass aber die Sozialdemokratie eine Lösung für die Kärntner Bevölkerung, eine Lösung gemeinsam mit Landeshauptmann Haider opfert (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen) – ich komme schon zum Schlusssatz, Herr Präsident –, um partei­politisches Kleingeld für eine Wahl zu gewinnen, die Sie schon verloren haben, ist aus Schärfste zurückzuweisen!

Kommen Sie an Bord, beschließen Sie mit uns dieses Gesetz, machen wir gemeinsam einen Schlussstrich im Interesse der Kärntner Bevölkerung! (Beifall bei den Frei­heitlichen – BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.27


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Auch sie hat 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.27.39

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Poštovane dame i gospodo! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ge­schätzter Herr Bundeskanzler! Einer hat heute das Wort „Diktat“ in den Mund ge­nommen, nämlich Sie, Herr Bundeskanzler. Sie haben gesagt, es dürfe kein Diktat der Minderheit gegenüber der Mehrheit geben.

Es ist Ihnen vielleicht nicht aufgefallen, Herr Bundeskanzler, aber Sie haben das in Ihren Ausführungen so gesagt. Einer Minderheitenangehörigen wie mir – aber auch als Minderheitensprecherin der Grünen und jemand, der lang und schon viel damit zu tun hatte – fällt so etwas sofort auf.

Ich bekomme sofort eine Ganslhaut, wenn ich höre, dass jemand in Zusammenhang mit Minderheitenrechten von Diktat spricht, wenn es darum geht, dass die Erfüllung verfassungsgemäß gewährleisteter Rechte – und das ist der Artikel 7 des Staats­ver-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 66

trages von Wien – davon abhängen soll, ob eine Mehrheit das will oder nicht. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist immer das Schicksal von Minderheiten, Herr Bundeskanzler! Minderheiten sind Minderheiten, nicht weil sie minder sind, sondern weil sie zahlenmäßig weniger sind. Es gibt inzwischen nur mehr einige zehntausend zweisprachige, nämlich slowenisch- und deutschsprachige, Kärntner.

Es gab in dieser Region Südkärntens, aber auch in den Regionen des Burgenlandes, die zweisprachige Gebiete sind, Zeiten, da waren es 90 Prozent zweisprachige Menschen, 70 Prozent zweisprachige Menschen. Der Heimatort von Norbert Darabos, Kroatisch Minihof/Mjenovo, hat heute noch einen Anteil von 92 Prozent zweisprachiger Bevölkerung. (Abg. Scheibner: Und bis ... keine einzige Ortstafel!)

Die Bewohner von Mjenovo/Kroatisch Minihof sind stolz darauf, dass sie zweisprachig sind.

Es gab auch Orte in Kärnten, die noch vor einigen Jahren, nämlich vor rund 30 Jahren, im Jahre 1971, zu 40 bis 50 Prozent zweisprachig waren: Etwa Plescherken/Plešerka, ein Ort, wo ich oft hinfahre, weil ich dort Leute kenne – einsprachige und zwei­sprachige. Dort gab es noch im Jahre 1971 43,3 Prozent zweisprachiger Bevölkerung. Es gab aber bei der letzten Volkszählung im Jahre 2001 auch einen Anteil von 14,7 Prozent zweisprachiger Bevölkerung in diesem kleinen, wunderschönen Süd­kärntner Ort.

Plescherken/Plešerka wird aber, wenn es nach Ihren Plänen, Herr Bundeskanzler, geht, nie das Recht, das die Bevölkerung dort hat, verbrieft im Staatsvertrag von Wien, erfüllt bekommen. Das, was in den letzten Tagen, Wochen von Ihnen vorgelegt, diskutiert, heute in einem dicken Initiativantrag nur der ÖVP-Fraktion diesem Haus vorgelegt wurde, schließt aus, dass Plescherken/Plešerka – wo es noch vor 30 Jahren einen Anteil von fast 50 Prozent zweisprachiger Menschen gab, wo sich im Jahre 2001 14,7 Prozent dazu bekannt haben – je eine zweisprachige Ortstafel bekommen kann. Sie wollen die Bestimmungen jetzt – entgegen dem Staatsvertrag von Wien, aber vor allem auch gegen jene Instanz, die die einzige ist, die den Staatsvertrag von Wien in den letzten Jahrzehnten ausgelegt hat, nämlich der Verfassungsgerichtshof – mit Zweidrittelmehrheit verordnen.

Herr Bundeskanzler, das ist es, wogegen sich Minderheitenangehörige und jene, denen Minderheitenschutz wichtig ist, auflehnen! Und: Minderheitenschutz ist eine Aufgabe der Mehrheit – und nicht der Minderheit! (Beifall bei den Grünen.)

Dieses Verständnis muss jeder Regelung zugrunde gelegt werden, nämlich dass die Minderheiten nie ihre Ansprüche allein wird durchsetzen können. Sie ist angewiesen auf die Mehrheit, und sie ist angewiesen auf Schutzbestimmungen, die in der österreichischen Bundesverfassung enthalten sind. Der Artikel 7, Staatsvertrag von Wien, ist sozusagen die Magna Charta des Minderheitenschutzes in Österreich. Um die Umsetzung dieses Artikels 7 haben die Minderheitenvertreter in den letzten Wochen, Jahren, ja Jahrzehnten gekämpft – vor einigen Jahren noch mit physischer Gewalt, weil die Gegengewalt, die von der anderen Seite ausgegangen ist, nichts anderes zuließ.

Heute wird mit Worten gekämpft, mit dem Versuch, zueinander zu kommen, alte Mythen, alte Belastungen, die es in dieser Region gibt, abzulegen, aufeinander zuzu­kommen und das zu lösen.

Die Politik hat dabei nur eine einzige Aufgabe, nämlich den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rahmen dafür nicht in Frage zu stellen. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Alles, was in den letzten Wochen passiert ist, war Folgendes: den


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 67

Verfassungsgerichtshof auszuschalten, um Minderheitenschutz einzuschränken. Das wird mit jenen, die es mit Minderheitenschutz ernst nehmen, nie in diesem Land möglich sein, denn wir Minderheitenangehörige sind auf Sie angewiesen – nicht Sie auf uns! (Beifall bei den Grünen.)

10.33

Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist die Frau Bundesministerin für Justiz Mag. Gastinger. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.33.37

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Lassen Sie mich an dieser Stelle als Justizministerin, vor allem aber auch als Kärntnerin meinem Bedauern darüber den Ausdruck geben, dass es hier wirklich – so wie es aussieht – zu keiner Lösung für die Ortstafelfrage in Kärnten kommen wird. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Danke, SPÖ!)

Ich möchte auch sagen, dass es unter der Leitung des Bundeskanzlers Schüssel, unter Einbindung des Landeshauptmannes von Kärnten und aller politischen Parteien in Kärnten, der Minderheitenvertreter, der Heimatdienste in Kärnten und unter Einbindung von Experten in den letzten fünf Jahren zahlreiche und zähe Verhandlungen gegeben hat, die leider Gottes heute hier mit einem Scheitern enden.

Wir von der Bundesregierung haben uns bemüht, eine Topographie-Verordnung, die schon den Hauptausschuss des Nationalrates passiert hat, hier vorzulegen. Es wurde von meinen Vorrednern schon mehrfach angesprochen, dass diese auch vom Herrn Bundespräsidenten als beste Lösung in den letzten 50 Jahren anerkannt wurde. Ich denke, das ist sie auch. Wir dürfen eines nicht vergessen: Diese Lösung hätte ein Mehr an Orttafeln in Kärnten gebracht. Zu dem Zeitpunkt, als wir diesen Sonderministerrat abhielten, hat es so ausgeschaut, als ob wir tatsächlich zu dieser historischen Lösung kommen werden.

Es wurde mehrfach, vor allem auch von der grünen Fraktion im Nationalrat vorgebracht, dass die Verfassungslösung, so wie wir sie angestrebt haben, die leider Gottes an der Zustimmung der SPÖ zu scheitern droht, eine Änderung des Staats­vertrages sei. – Ich kann mich da wirklich nur auf einen Experten berufen, und das ist für mich der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Herr Professor Adamovich, den ich persönlich sehr schätze. Er hat – wie der Herr Bundeskanzler schon gesagt hat – in einem jüngst veröffentlichten Artikel ausdrücklich angeführt, dass das auch für ihn die beste Lösung sei. Diesem Weg sind auch wir gefolgt. Leider Gottes scheint es aber nicht möglich zu sein, dass wir hier zu einer Lösung kommen.

Für mich ist das natürlich schlimm. Was ist das Ergebnis des Scheiterns? – Das Ergebnis des Scheiterns ist, dass es keine weiteren Ortstafeln in Kärnten mehr geben wird, außer jenen, die jetzt schon auf Grund der alten Topographie-Verordnung fest­ste­hen. (Abg. Mag. Stoisits: Warum nicht?) – Weil wir eine Rechtsgrundlage brauchen!

Frau Abgeordnete Stoisits, wir brauchen eine Rechtsgrundlage. (Abg. Eder: Für ein Gesetz ...! – Abg. Öllinger: Der Haider hätte eh ...!) Diese Bundesregierung hat eine Rechtsgrundlage für eine Neuregelung oder Neugestaltung der Ortstafelfrage vorgelegt. Diese Rechtsgrundlage sorgt für Rechtssicherheit. Mein Interesse als Justizministerin und als Mitglied dieser Bundesregierung ist es, für die Kärntner Bevölkerung, und zwar sowohl für die Minderheit als auch für die Mehrheit, Rechtssicherheit zu schaffen und eine dauerhafte Lösung zu erarbeiten. – Und das haben wir gemacht. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Ich komme selbst aus Kärnten und bin auch im zweisprachigen Gebiet groß geworden. Leider – muss ich sagen – habe ich die slowenische Sprache nicht erlernt; ich hätte sie


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 68

gerne erlernt. Es wird in Österreich jedenfalls der Eindruck vermittelt – und es ver­wundert mich besonders, ja schreckt mich sogar ab, was Frau Abgeordnete Stoisits gesagt hat –, dass in Kärnten Gewalt zwischen der Minderheit und der Mehrheit vorherrsche. (Zwischenruf der Abg. Mag. Stoisits. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Unge­heuerlich!)

Das ist nicht wegen der Minderheit. Ich will nicht den Eindruck vermittelt haben, dass in Kärnten in der Ortstafelfrage oder in der Frage der Minderheit, des Zusammenlebens zwischen der Minderheit und der Mehrheit, Gewalt vorherrsche. Das ist nicht der Fall! Der Großteil der Kärntner Bevölkerung hat heute hier auf Sie und auf uns an der Regierungsbank im Nationalrat geschaut, um zu sehen, ob es uns gelingt, eine friedvolle und konsensorientierte Lösung zu erarbeiten. – Das war unser Ziel.

Ich möchte auch sagen, dass in Kärnten ein Zusammenleben der Volksgruppen zwischen der Minderheit und der Mehrheit durchaus friedlich ist (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP) und dass die breite Mehrheit der Kärntner Bevölkerung eine Lösung von uns erwartet hat. Ich bedaure es deshalb zutiefst, dass – auch entgegen der Aussage der Vorsitzenden der SPÖ in Kärnten – eine Zustimmung der Bundes-SPÖ offensichtlich leider nicht erfolgt, damit wir zu dieser dauerhaften Lösung kommen können.

Ich hoffe, dass es noch während dieser Legislaturperiode gelingen möge – auf welchem Wege auch immer –, dass wir eine konsensorientierte Lösung unter Ein­bindung selbstverständlich auch der Minderheitenvertreter erreichen können. Ich persönlich habe diese Hoffnung noch nicht aufgegeben. – Danke vielmals. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

10.38


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Winkler. 5 Minuten Redezeit. Ich bitte, wenn das Licht zu blinken aufhört, die Rede zu beenden, damit der letzte Redner auch noch 5 Minuten Redezeit hat. – Bitte.

 


10.38.52

Abgeordneter Ing. Josef Winkler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Heute sollte eigentlich ein Festtag für die Kärntner Minderheitenpolitik sein. Man kann durchaus sagen: Heute sollte ein historischer Tag für Österreich und insbesondere für Kärnten sein, da der Nationalrat tatsächlich eine für die Grenzregionen Österreichs – mit Anlass­schwer­punkt Südkärnten – wichtige Entscheidung fällen sollte.

Wie es jedoch den Anschein hat, wird es wahrscheinlich ein Trauertag, also ein finsterer Alltag werden; große Hoffnungen könnten zerstört werden oder scheinen sich nicht zu erfüllen. Ich bin aber immer noch optimistisch – und: Die Hoffnung stirbt zuletzt! Ich hoffe inständig, dass sich die SPÖ ihrer Staatsverantwortung stellt und dieser vorliegenden Volksgruppenregelung doch ihre Zustimmung gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren von der SPÖ, ich ersuche Sie darum! Sie haben eine Verantwortung für Österreich. Die Geschichte wird die SPÖ später daran messen, ob sie durch ihre Zustimmung am heutigen Tage daran mitgewirkt hat, den jahr­zehntelangen Ortstafelkonflikt zu beenden – und sie wird zeigen, ob man die SPÖ dafür verantwortlich machen wird, dass dieser Streit noch immer nicht gelöst ist und damit der unbefriedigende Zustand der Minderheitenrechte der Kärntner Slowenen weiterhin Teil politischer Polarisierung bleibt.

Auch die Kärntner Regierungsmitglieder wollen dringend eine derartige Lösung. Sie von der SPÖ hätten daher heute die historische Chance, die Minderheitenrechte der


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 69

Kärntner Slowenen ein für allemal zu stärken und allfällige Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Nehmen Sie diese historische Chance bitte wahr!

Hohes Haus! Ich möchte grundsätzlich feststellen, dass sich alle in der Kärntner Ortstafelfrage relevanten Personen – der Obmann des Kärntner Heimatdienstes Dr. Josef Feldner, die Slowenenvertreter Bernard Sadovnik und Marjan Sturm und nicht zuletzt der Historiker Professor Karner – nach langen und mühevollen Ver­handlungen auf einen Kompromiss geeinigt haben: eine Einigung im Sinne aller Inter­essensgruppen.

Nach 34 Jahren haben die betroffene Bevölkerung und auch die in den betroffenen Gemeinden verantwortlichen Bürgermeister ein Anrecht auf eine vertragliche Lösung. Obwohl es gerade zu diesem Thema durchaus – historisch bedingt – Emotionen gibt, die auch verständlich sind, ist mittlerweile für viele Kärntnerinnen und Kärntner diese jahrelang polarisierende Diskussion nur mehr schwer nachvollziehbar beziehungs­weise nicht mehr akzeptabel. Wir halten auch nichts von Schnellfahren und Ortstafel-Verrücken.

Nicht zuletzt ist es auch im Hinblick auf den Geist eines vereinten Europa, in dem es keine politischen und wirtschaftlichen Grenzen mehr geben soll, nicht verständlich, dass derartige emotionale Grenzen weiterhin aufrecht bleiben sollen. (Abg. Öllinger: Da haben Sie Recht!) Es ist daher besonders erfreulich – damit wiederhole ich mich –, dass es nach dieser langen Zeit der Diskussionen und der historischen Aufarbeitung – die Zeit heilt auch Wunden – endlich möglich war, mit geschickter Diplomatie unseres Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel eine Einigung zu erzielen. Dafür ganz besonderer Dank, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin überzeugt davon, dass die Beschlussfassung dieser Vereinbarung auf breiter Basis auch eine neue Qualität im Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen bewirken wird. Derzeit hat man allerdings den Eindruck, als ob man wie bei einem Marathon hundert Meter vor dem Ziel stehen bleiben oder gar umkehren wollte. Dieses vermutlich politische Kleingeldsammeln ist der Bevölkerung und den betroffenen Grup­pen nicht mehr zumutbar.

Hohes Haus! Ich weiß, die Kärntner Ortstafelfrage ist historisch mit starken Emotionen behaftet, wie ich schon erwähnt habe, sodass es schon deshalb eine immens große Leistung von allen Beteiligten war, die unterschiedlichen, weit auseinander liegenden Zugänge und Standpunkte zu diesem Thema und die daraus resultierenden Meinun­gen auf einen Nenner zu bringen und einen Konsens zu erzielen. Ich darf daher noch­mals meinen besonderen Dank an alle Beteiligten und im Besonderen an Bun­deskanzler Schüssel zu Ausdruck bringen.

Die historische Chance für eine dauerhafte Lösung ist jetzt gegeben. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktionen, nehmen Sie daher ihre staatspolitische Verantwortung wahr und stimmen Sie diesem Gesetz zu! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

10.43


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. Auch Sie spricht 5 Minuten. – Bitte.

 


10.43.52

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Vorneweg: Ich bedauere sehr, dass wir für die Kärntner Ortstafeln keine Lösung gefunden haben. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die deutschsprachigen Kärntner und Kärntnerinnen wollten eine Lösung, die slowenischsprachigen Kärntner und Kärntnerinnen wollten eine Lösung – die SPÖ hat


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 70

alles getan und war bereit, einem breiten Konsens zuzustimmen. (Abg. Prinz: Die Kärntner SPÖ, aber nicht die Bundes-SPÖ!) Es ist bis spät in die Nacht verhandelt worden, aber ohne Erfolg. Alle wollten anscheinend eine Lösung – aber eben nicht alle, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Prinz: Nur die Bundes-SPÖ nicht!)

Der breite Kompromiss, die große Lösung ist geplatzt. Warum ist es dazu gekom­men? – Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass man sich das anschaut.

Die Slowenenvertreter und -vertreterinnen haben verhandelt, haben nachgegeben, haben große Schritte in Richtung Mitte unternommen. Der Kärntner Heimatdienst mit seinem Obmann hat sich nicht hinter irgendwelchen Prinzipien versteckt, sondern hat sich für ein gutes Miteinander beider Volksgruppen eingesetzt. So war es dann möglich, das sogenannte Karner-Papier unter Mitwirkung und Mediation von außen zu erarbeiten; Anfang Juni wurde es auch vorgestellt. Die Medien haben von einem breiten historischen Konsens und Kompromiss gesprochen. (Abg. Mag. Molterer: Zustimmen!) Aber dann begann das unschöne und unwürdige Feilschen, meine Damen und Herren, und das Abrücken vom bereits ausverhandelten Grundkonsens.

In einer Art Salami-Taktik wird Scheibchen für Scheibchen abgeschnitten – und Sie entfernen sich wieder vom ausverhandelten Papier. Weil aber die Slowenenvertreter und -vertreterinnen auch eine Lösung wollen, haben sie nachgegeben, ein Stück nachgegeben, noch ein Stück nachgegeben, aber – und ich zitiere jetzt den „Standard“ – „der Schüssel-Kompromiss hatte, wie so vieles der letzten Jahre, den Giftkeim der erzwungenen Rücksichtnahme auf Jörg Haider in sich“. – Und das hat letztendlich das Ganze zum Scheitern gebracht.

Sie erinnern sich sicher an diesen Herrn, der einmal da ist, einmal weg, einmal da, einmal weg, der für zweisprachige Ortstafeln ist, sie ausgräbt, wieder eingräbt und dann wieder dafür ist oder vielleicht auch nicht. Wer kann das noch in einem Land verstehen, in dem das wirklich eine sensible Frage ist? Wer fühlt sich da nicht gepflanzt, und zwar in ganz Österreich? Vor allem: Wer kann den Aussagen eines solchen Landeshauptmannes überhaupt noch Glauben schenken? Das ist ein Landes­hauptmann, der seine Meinung ständig wechselt, ein Landeshauptmann, der schon vor einer Einigung, vor einer Regelung ankündigt, dass es ihm sowieso egal ist, wie „die da draußen“ – da sind auch Sie gemeint (Abg. Scheibner: Das sind alles Ausreden!) –, wie die in Wien arbeiten und was auch immer „die da draußen“ beschließen werden.

Das ist ein Landeshauptmann, der keine Handschlagsqualität hat, meine Damen und Herren! Diese Erfahrung mussten wir leider machen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Bundeskanzler, Ihre Aufgabe wäre es gewesen, eine Lösung zu finden. Im letzten Moment sind Sie aber, getrieben von diesem Landeshauptmann, letztendlich umge­fallen und haben sich von ihren Versprechungen entfernt. (Abg. Mag. Donnerbauer – in Richtung SPÖ zeigend –: Die da drüben sind umgefallen!)

Man kann ein Seil nicht endlos lang ziehen, irgendwann reißt es – und das ist passiert. Das Treiben des derzeitigen Landeshauptmannes von Kärnten hatte nämlich nur ein Ziel – und da zitiere ich den Verfassungsrechtler Mayer –, nämlich „ausschließlich die staatsvertraglichen Verpflichtungen einzuschränken und die Judikatur auszuhebeln“. – So ist die Situation in Österreich!

Es hätte in den letzten Jahren wirklich genug Zeit gegeben, das zu verhandeln, aber die ÖVP hat auf eine alte Taktik, die sich für sie, wie sie wahrscheinlich glaubt, bewährt, gesetzt, und zwar Durchdrücken im letzten Moment. (Abg. Dr. Brinek: Geh, bitte! Fünf Jahre Verhandlungen!) „Speed kills“ – Sie kennen das! Schnell, schnell


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 71

Drüberfahren. Verhandeln bis zur letzten Sekunde – und dann drüberfahren. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, die Republik ist kein Kindergarten, in dem man nach Belieben Streiche spielen kann. Und wir brauchen auch keine durchgepeitschten Regelungen. Wir brauchen nachhaltige Lösungen. Und da möchte ich den Herrn Bun­deskanzler Schüssel von zuvor zitieren. Sie haben gesagt: „Der Respekt vor der Umsetzung eines Gesetzes muss“ gegeben sein! – Da kann ich Ihnen nur zustimmen.

Meine Damen und Herren, ich komme aus Kärnten, aus diesem wunderschönen Land, in dem über 30 Prozent – auch das haben wir gehört – der Kärntner Volksschüler im zweisprachigen Gebiet wieder Slowenisch lernen, weil die Eltern erkannt haben, dass das für ihre Kinder ein Vorteil ist. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Und ich komme aus einem Land ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte um den Schlusssatz!

 


Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (fortsetzend): Ich komme aus einem Land, in dem das kulturelle Miteinander wunderbar funktioniert, wo durch die zwei Volks­gruppen wunderbare kulturelle Vielfalt entstanden ist. Und ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Herr Präsident! Redezeit!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir müssen uns an die Redezeit halten!

(Beifall bei der SPÖ für die das Rednerpult verlassende Abg. Mag. Muttonen.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Fauland. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.49.37

Abgeordneter Markus Fauland (Freiheitliche - BZÖ): Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Frau Justiministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollegin Muttonen, Ihr gescheiterter Versuch, hier den Landeshauptmann von Kärnten wieder in das Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken, ist äußerst bedauerlich für Sie (Zwischenruf bei der SPÖ), denn Sie bekommen das „Kainsmal“ nicht mehr weg – das Kainsmal dafür, über eine Volksgruppe drüberzufahren in einer Art und Weise – auch medial! –, die ihresgleichen sucht, einen Konsens einfach nicht anzunehmen, und zwar aus rein parteipolitischer Taktik heraus, und vor allem jetzt noch den Anspruch zu erheben, dass Sie es besser gemacht hätten.

Sie von der SPÖ haben 30 Jahre lang den Bundeskanzler in dieser Republik gestellt. Sie hatten 30 Jahre lang Zeit, sich da einzubringen, haben das aber nicht geschafft! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ sowie des Abg. Mag. Molterer.)

Dieser Bundesregierung ist es jetzt gelungen, eine dauerhafte Lösung auf den Tisch zu legen – eine dauerhafte Lösung, wo wir sehr lange gehofft haben, dass der notwendige Konsens dafür auch in diesem Hause erreicht werden kann. Aber wir wurden wider besseres Wissen eines Besseren belehrt (Abg. Öllinger: „Wider besseres Wissen“? – Oh Gott! Jetzt weiß er überhaupt nicht mehr, was er redet!), denn diese destruktive Kraft, die die Sozialdemokratie derzeit an den Tag legt, sucht ihresgleichen.

Ich möchte aber jetzt ein bisschen von Kärnten weg und auf die Volksgruppenpolitik der Sozialdemokratie übergehen. Wir haben ja laut dem Staatsvertrag auch Ver­pflichtungen, was das Burgenland betrifft, und da muss man sagen, dass die erste zweisprachige Ortstafel erst im Jahre 2000 aufgestellt wurde, und zwar auch unter dieser Bundesregierung.

Ich habe mir angeschaut, wie sozialdemokratische Landespolitiker die Problematik im Burgenland betrachten. Es hat sich Walter Prior,  der jetzige burgenländische Land­tagspräsident, der von 1988 bis 2003 Präsident der SPÖ-Mandatare aus kroatischen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 72

und gemischtsprachigen Gemeinden im Burgenland war, zu diesem Thema des Öfteren zu Wort gemeldet.

Ich zitiere hier jetzt aus einem Protokoll des Beirates für die kroatische Volksgruppe aus dem Jahre 1993. Bei dieser Sitzung war zwar Kollege Prior anwesend, aber Kolle­ge Darabos war interessanterweise entschuldigt (Abg. Scheibner: Der ist immer entschuldigt!), wie auch dann noch bei einer Sitzung im Jahre 1995. Immer entschuldigt. (Abg. Öllinger: Sagen Sie bitte etwas Substanzielles!)

In diesem Protokoll steht ganz klar die Meinung einer SPÖ-Landesgruppe drin. Ich zitiere:

„Man dürfe die Bevölkerung in den betroffenen Gemeinden nicht von der Entscheidung ausschließen und keinesfalls eine Situation wie seinerzeit in Kärnten herbeiführen. Im übrigen sei die Situation nicht in allen betroffenen Gemeinden gleich.“

Wenn man sich aber an die Aussagen zur angestrebten Volksbefragung in Kärnten erinnert, so stellt man fest, dass das einen Widerspruch darstellt.

Ich lasse jetzt ein paar Jahre verstreichen und komme zum Jahr 1995. Damals hat der damalige Landtagsabgeordnete Walter Prior – Darabos war bei dieser Sitzung wieder entschuldigt – ganz klar gesagt, dass es ohne Einbindung der Bevölkerung keine Lösung im Burgenland für diese Problematik geben werde.

Auch im Jahre 1998 gab es laut Protokoll eine gleichlautende Aussage seitens der Sozialdemokratie. Ich zitiere:

„Abg. Prior verweist auf den einstimmigen Beschluss in der Sitzung am 18. November 1993, die Durchführung topographischer Aufschriften zu betreiben, dem er damals nur unter der Bedingung, daß eine gesamte Volksbefragung durchgeführt würde, zuge­stimmt habe.“

Sie sehen, meine Damen und Herren, dass die Sozialdemokratie diese Situation ein­mal so und einmal so beurteilt. Das ist etwas, was wir ja mittlerweile gewohnt sind. Ich finde das bedauerlich.

Ich finde das bedauerlich und auch unfair gegenüber all jenen Kräften, die sich in dieser Causa zusammengesetzt haben, um wirklich konstruktiv an einer Lösung zu arbeiten (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ) – einer Lösung, an der wir jetzt mit Haaresbreite vorbeischrammen. Das aber nicht auf Grund der Politik des Kärntner Landeshauptmannes und sicherlich auch nicht auf Grund der Bemühungen all jener, die hier einen positiven Abschluss sehen, sondern das ist so auf Grund – aus der Rede des Kollegen Cap hat man das heraushören können beziehungsweise seine Ausführungen lassen sich so interpretieren – eines fast schon mimosenhaften Verhaltens der Sozialdemokratie, deren Vertreter sich hier beim Rednerpult mokiert haben, dass man so mit einer sozialdemokratischen Partei nicht sprechen könne. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Zusammenfassend möchte ich sagen (Abg. Öllinger: Danke!) – das ist mein Schlusssatz –: Ich finde, es ist schade, wirklich schade, um die vertane Chance! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ.)

10.54


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Lunacek. Auch Ihre Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

 


10.54.54

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen Ministerinnen und Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Als


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 73

letzte Rednerin zum Thema Ortstafelkonflikt in Kärnten möchte ich noch einmal zusammenfassen, worum es dabei eigentlich geht. Es geht um den Schutz von Minderheiten in Gegenwart und Zukunft. Es geht nicht darum, einen Schlussstrich zu ziehen, wie es manche von Ihnen gerne sagen, dass es in Zukunft keine neuen zweisprachigen Ortstafeln mehr geben soll. (Abg. Mag. Molterer: Das hat niemand gesagt!) Diese Schlussstrich-Debatte ist hier nicht angebracht ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)

Es geht auch darum, dass sich Bundeskanzler Schüssel mit dieser Regierung immer noch in Geiselhaft des Kärntner Landeshauptmannes Haider befindet. (Abg. Scheibner: In welcher Geiselhaft sind Sie denn?) Das sei all jenen gesagt, die immer noch meinen, dass es dem Bundeskanzler gelungen sei, den Einfluss von Herrn Landeshauptmann Haider in dieser Regierung gering und in Österreich klein zu machen. Das sei all diesen Leuten gesagt!

Denn: Wer hält sich nicht an die österreichische Verfassung und an den Artikel 7 des Staatsvertrages? (Abg. Scheibner: Der Schnellfahrer Vouk! Das ist Ihr Mann!) Wer schafft es nicht, ein Verfassungsgerichtshoferkenntnis eins zu eins umzusetzen, sondern verrückt die Ortstafeln, damit alles von vorne beginnt? Wer ist das? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Haben Sie eine eigene Meinung auch?) – Der Herr Landeshauptmann Haider, Ihr Koalitionspartner! Das ist der Grund, warum wir das heute überhaupt diskutieren müssen.

Es wäre ja ganz einfach: Herr Bundeskanzler, Sie könnten hergehen, eine Verordnung erlassen und einfach dafür sorgen, dass in Kärnten zweisprachige Ortstafeln aufge­stellt werden. Ganz einfach wäre das. Jetzt uns vorzuschlagen, hier einen Ent­schließungsantrag zu machen, der dafür sorgt, dass dann die Umsetzung stattfindet, das, Herr Bundeskanzler, ist Chuzpe! Das ist nicht Demokratie, wie wir sie uns vorstellen! (Beifall bei den Grünen.)

Da immer wieder Kritik an Herrn Rechtsanwalt Rudi Vouk geübt wird, der den Stein ins Rollen gebracht hat, damit überhaupt etwas weitergeht, damit es überhaupt Vorschläge gibt, der zu schnell durch die Ortschaft gefahren ist (Abg. Scheibner: Schnellfahren durch ein Ortsgebiet ist eine Gefährdung der Menschen! Politische Agitation!), darf ich Sie daran erinnern, Herr Kollege Scheibner, wer dem Herrn Vouk diesen Vorschlag vor ein paar Jahren gemacht hat. (Abg. Scheibner: Ich nicht!) Nein, Sie waren es nicht. Es war der Herr Nationalratspräsident Khol im zweisprachigen Begegnungszentrum Tainach/Tinje in Südkärnten. Da gab es eine Diskussion darüber, warum denn da alles stockt und überhaupt nichts weitergeht.

Herr Nationalratspräsident Khol von der Regierungspartei ÖVP hat den Kärntner Slowenen den Vorschlag gemacht, dass schließlich Geschwindigkeitsbeschränkungen das Ortsterritorium markieren und dass das eine Möglichkeit wäre, hier das alles wieder in Gang zu bringen. (Abg. Scheibner: Das ist trotzdem eine unmögliche Vor­gangs­weise!) Also regen Sie sich nicht bei uns auf, sondern bei Ihrem National­ratspräsidenten Khol! (Abg. Scheibner: Ich rege mich bei Ihnen auch auf!) Kritisieren Sie nicht den Herrn Anwalt Vouk, der das Richtige gemacht hat! (Beifall bei den Grünen.)

Ihr Vorschlag, der jetzt kam, durch eine Verfassungsbestimmung die Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes auszusetzen, ist nicht nur, wie der Verfassungsrechtler Heinz Mayer richtig sagt, „historisch erbärmlich“, sondern der ist auch europäisch gesehen erbärmlich.

Wovor fürchten Sie sich denn eigentlich in einem vereinten Europa? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Vor Ihnen!) Slowenien ist seit mehr als zwei Jahren Mitglied der Europäischen Union. Wir könnten uns darüber freuen, dass es in Österreich Gebiete


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 74

gibt, wo die Leute von Kind an zwei Sprachen lernen und sie nicht später dann schwer erlernen müssen. Es wäre doch schön, wenn das auch auf Ortstafeln sichtbar wäre. Es wäre doch gut, wenn die Leute, die dort leben, merken würden, dass das auch aner­kannt wird, dass sie keine Angst davor haben müssen, ihren Sprachenreichtum zu verwenden, dass nicht gesagt wird: Redet Deutsch und nicht Slowenisch! Um diesen Reichtum geht es!

Um Ihnen doch noch einmal die Chance zu geben, hier ein Gesetz zu beschließen oder einem Entschließungsantrag zuzustimmen, der auf das hinarbeitet, was wir immer wollten: ein einfaches Gesetz, nicht eine Verfassungsbestimmung, bringe ich jetzt folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend den Entwurf eines Volksgruppengesetzes zuzuleiten, damit so rasch wie möglich eine verfassungskonforme Rechtslage hergestellt wird.

In diesem Entwurf ist darauf Bedacht zu nehmen, dass weder Landeshauptleuten noch Bürgermeistern die Möglichkeit eröffnet wird, die Umsetzung des Gesetzes zu verhindern.

Der Entwurf soll darüber hinaus sicherstellen, dass das Recht des Verfassungs­gerichtshofes, die Einhaltung des Staatsvertrags zu prüfen, nicht beschnitten wird.

*****

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, vor allem von der ÖVP, Herr Bundeskanzler: Befreien Sie sich aus der Geiselhaft des Jörg Haider! – Hvala lepa, srecno! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.00


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Frau Abgeordneter Lunacek eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Ortstafelerkenntnisse des Verfassungsgerichts­hofes ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Um­setzung der Ortstafelerkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes

eingebracht im Zuge der Debatte über den Antrag der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volks­gruppengesetz geändert wird (848/A)

Die Ereignisse der letzten Tage und Wochen haben deutlich gemacht, dass die Bundesangelegenheit Minderheitenschutz in Österreich dem Kärntner Landes­haupt­mann zur Profilierung überlassen wurde. 

Der jahrelange Kleinkrieg um jede einzelne Ortstafel hat namhaften Institutionen unseres Rechtsstaates schweren Schaden zugefügt und den Rechtsbruch höchster politischer Verantwortungsträger salonfähig gemacht. In mancher Hinsicht hat sich


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 75

dieser Rechtsbruch noch ausgezahlt.  Das ist das bedenklichste Resultat der Dis­kussion der letzten Tage und des vorläufig gescheiterten Versuchs von ÖVP und BZÖ, die im Staatsvertrag von Wien verbrieften Minderheitenrechte durch neue Verfas­sungsbestimmungen auszuhebeln. Einige haben diesen Versuch sogar als „historische Lösung“ bezeichnet.

In seinem Erkenntnis von 13. Dezember 2001 hat der Verfassungsgerichtshof jene Passage des Volksgruppengesetzes 1976 als verfassungswidrig aufgehoben, die für das Aufstellen von zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten und in Burgenland einen

25 % Anteil von Minderheitenangehörigen  vorsah. Die zu Korrektur vorgesehene Frist bis 31.12.2002 ließ die Bundesregierung völlig ungenutzt verstreichen.

Die Bundesregierung hat seit 2001 den Auftrag des VfGH zur Erlassung einer neuen Topografieverordnung negiert. Am 30.06.2006 wurde völlig überstürzt  eine neue Topografieverordnung für Kärnten im Hauptausschuss beschlossen. Diese Verordnung beinhaltet lediglich 93 Ortstafeln und ist mit Sicherheit (erneut) verfassungswidrig. Der Erstentwurf dieser Verordnung hatte noch 158 zweisprachige Ortstafeln vorgesehen. Am 11. 7. 2006 wurde eine neuerliche Topografieverordnung über 142 Ortstafeln beschlossen, die nun mangels Verfassungsbestimmung nicht in Kraft treten kann. Diese Verordnung bezieht sich auf ein Gesetz, welches bislang noch nicht beschlossen wurde.  Das Resultat ist, dass nun eine verfassungswidrige Topografieverordnung über 93 Ortstafeln in Kraft ist. Dies im 51. Jahr nach in Kraft treten des Staatsvertrages von Wien.

Der Staatsvertrag von Wien regelt im Artikel 7 die Rechte der Minderheiten auf  topografische Aufschriften im Verfassungsrang. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem sogenannten Ortstafelerkenntnis 2001 Teile des Volksgruppengesetzes und der Topografieverordnung als verfassungswidrig aufgehoben. Er hat dabei den Staats­vertrag von Wien zur Auslegung herangezogen und ausgesprochen an welchen Kriterien sich eine verfassungskonforme Regelung orientieren muss. Zweisprachige Ortstafeln müssen dem gemäß in Ortschaften mit einem Minderheitenprozentsatz von „mehr als 10% über einen längeren Zeitraum“ aufgestellt werden. Die gegenständliche Regelung des Volksgruppengesetzes hat damit nichts zu tun. Zweisprachige Ortstafeln sind darin erst ab einem Minderheitenanteil von 10% in Ortschaften und ab 15% in Gemeinden vorgesehen.  Es besteht ein doppelter Widerspruch zur Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes. Dieser sieht in seinen Erkenntnissen eben keinen Mindestanteil von 15% auf Gemeindeebene vor, zum anderen differenziert der Ver­fassungsgerichtshof nicht  zwischen Ortschaften und Gemeinden, geschweige denn hat er eine kumulative Verknüpfung von Prozentanteilen auf Ortsebene und Ge­meindeebene vorgesehen.

Die Ereignisse der letzten Tage haben gezeigt, dass es bisher nicht gelungen ist, einen tragfähigen Kompromiss für die Herstellung eines verfassungskonformen, dem Staats­vertrag entsprechenden Rechtszustandes herzustellen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend den Entwurf eines Volksgruppengesetzes zuzuleiten, damit so rasch wie möglich eine verfassungs­kon­forme Rechtslage hergestellt wird.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 76

In diesem Entwurf ist darauf Bedacht zu nehmen, dass weder Landeshauptleuten noch Bürgermeistern die Möglichkeit eröffnet wird, die Umsetzung des Gesetzes zu verhindern.

Der Entwurf soll darüber hinaus sicher stellen, dass das Recht des Verfassungs­gerichtshofes, die Einhaltung des Staatsvertrags zu prüfen, nicht beschnitten wird.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte die Damen und Herren, Platz zu nehmen, und die Klubmitarbeiter, aus dem Abstimmungsbereich herauszugehen.

Zunächst ist über den Rückverweisungsantrag, den die Abgeordneten Scheibner, Kolleginnen und Kollegen zum Gesetzentwurf in 849/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksgruppengesetz geändert wird, gestellt haben, abzustimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Rückverweisung dieses Antrages ein­treten, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Damit entfällt die Abstimmung über den Antrag 849/A der Abgeordneten Scheibner, Kolleginnen und Kollegen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den in Antrag 848/A der Abgeordneten Mag. Molterer, Kolleginnen und Kollegen enthaltenen Gesetzentwurf.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen sowie die Abge­ordneten Mag. Molterer, Scheibner, Kolleginnen und Kollegen jeweils einen Gesamt­ändernden Abänderungsantrag eingebracht.

Da die in den Gesamtändernden Abänderungsanträgen sowie in Antrag 848/A ent­haltenen Gesetzentwürfe Verfassungsbestimmungen enthalten, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z. 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen haben einen Gesamtändernden Abänderungsantrag eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für diesen Antrag der Abgeordneten Cap, Kolleginnen und Kollegen einsetzen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der vorlie­gende Gesetzentwurf wurde nicht mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit ange­nommen.

Es liegt somit kein Gesetzesbeschluss des Nationalrates im Sinne des § 82 Abs. 2 Z. 1 der Geschäftsordnung vor.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den im Antrag 848/A der Abgeordneten Mag. Molterer, Kolleginnen und Kollegen enthaltenen Gesetzentwurf in der Fassung des Gesamtändernden Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Molterer, Scheibner, Kolleginnen und Kollegen.

Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der vorliegende Gesetz­entwurf wurde ebenfalls nicht mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Es liegt somit kein Gesetzesbeschluss des Nationalrates im Sinne des § 82 Abs. 2 Z. 1 der Geschäftsordnung in zweiter Lesung vor.

Damit erübrigt sich die Durchführung einer dritten Lesung.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 77

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Orts­tafelerkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes.

Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Antrag findet gleichfalls nicht die erforderliche Mehrheit. Er ist abgelehnt.

11.03.373. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 856/A der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Dr. Josef Cap, Herbert Scheibner, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird (1632 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Molterer. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


11.04.09

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident Khol, alles Gute zu deinem heutigen Geburtstag! Herzlichen Glückwunsch! (Allgemeiner Beifall.)

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Auf dringenden Wunsch der Opposition – wir hätten ja gerne bis zum Ende dieser Legislaturperiode die erfolgreiche Arbeit fortgesetzt – hat es einen Vier-Parteien-Konsens gegeben, der eine vorzeitige Beendigung dieser Legislaturperiode vorsieht. Wir haben vereinbart, dass am 1. Oktober 2006 die Nationalratswahlen stattfinden werden. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Die Menschen in Österreich, die Wählerinnen und Wähler, haben wieder einmal die Möglichkeit zu entscheiden, und es ist daher selbstverständlich auch unsere Pflicht, den Österreichern und Österreicherinnen Rede und Antwort zu stehen, Bilanz zu legen.

Meine Damen und Herren! Österreich steht heute besser da! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.) Dieses Land hat in den letzten sechs Jahren gewonnen, dieses Land ist vorwärts gekommen, das Ansehen Österreichs in der Welt ist ge­wachsen.

Wir sind, und das wissen die Menschen, eines der sichersten Länder der Welt. Viele von uns kommen in andere Regionen dieser Erde und stellen immer wieder fest, dass Österreich den Sicherheitsanspruch der Österreicherinnen und Österreicher in best­möglicher Weise erfüllt.

Österreich ist eines der wohlhabendsten Länder dieser Erde. Österreich gehört zu den wohlhabendsten Ländern der Europäischen Union. Dieses unser Land hat eine Lebensqualität, um die uns viele beneiden. Diese höchste Lebensqualität ist auch der Grund dafür, dass so viele Menschen aus allen Ländern der Welt nach Österreich kommen, um hier Urlaub zu machen.

Ich habe schon gesagt, dass das Ansehen unseres Heimatlandes in der Welt – dank der Arbeit dieser Bundesregierung! – in den letzten Jahren massiv gewachsen und gestiegen ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.) Wir sind stolz darauf, gemeinsam mit den Menschen in diesem Land für dieses Land arbeiten zu dürfen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 78

Wir werden heute sicher wieder von Vertretern der Oppositionsparteien hören, wie sie Österreich krankjammern, wie sie Österreich schlechtreden. Wissen Sie, was ich nicht verstehe? (Zwischenruf des Abg. Brosz.) – Ich verstehe einfach nicht, dass Sie nicht stolz sind auf dieses Land. Seien Sie doch gemeinsam stolz auf die Leistungen, die in diesem Land erbracht werden! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich bin ein Rot-Weiß-Roter durch und durch, wenn Sie so wollen. Gehen Sie doch heraus und sagen Sie: Jawohl, dieses Land Österreich ist doch eines der schönsten Länder der Erde! Wir sind stolz auf unsere Heimat, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen – BZÖ.)

Es kann Ihnen doch kein Stein aus der Krone fallen, wenn Sie auch einmal als Oppositionspolitiker sagen: Jawohl, auf dieses Österreich, das besser dasteht, sind wir stolz! (Abg. Bures: Aber nicht auf die Regierung!)

Dieses Österreich, meine Damen und Herren, ist in den letzten sechs Jahren sicherer, moderner und menschlicher geworden – dank der Arbeit unter anderem der öster­reichischen Bundesregierung mit Wolfgang Schüssel an der Spitze! Sicherer, mensch­licher und moderner! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Sie werden jetzt zu Recht die Frage stellen: Wie ist denn das? Ist es wirklich das Verdienst der Bundesregierung? Ich sage Ihnen: Es ist in erster Linie ein Verdienst der Österreicherinnen und Österreicher, dass dieses Land so gut dasteht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.) Aber es ist selbstverständlich auch ein Verdienst der Bundesregierung, dass dieser Erfolgsweg beschritten wurde.

Ich möchte nur zwei Beispiele von Ländern in Europa in den letzten sechs Jahren aufzeigen, die zwei verschiedene, nämlich gänzlich unterschiedliche Regierungen haben. In den letzten sieben Jahren gab es in der Bundesrepublik Deutschland eine rot-grüne Regierung. Was ist der Erfolg? – Es waren die sieben magersten Jahre für die Bundesrepublik Deutschland, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Und in den letzten sechs Jahren hat dieses Österreich eine bürger­liche Regierung, eine Regierung kräftig in der Mitte angesiedelt gehabt, und es waren gute Jahre für Österreich, meine Damen und Herren! Magere Jahre für Deutsch­land – gute Jahre für Österreich! – Der Vergleich macht uns sicher. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Die Regierung Schüssel – eins und zwei –, meine Damen und Herren, geht und ging auf die Probleme, die existieren, offen und ehrlich zu. Wir haben den Mut gehabt, auch heiße Eisen anzugreifen. Eines dieser Prinzipien dieser Bundesregierung ist hin­schauen und nicht wegschauen, meine Damen und Herren, auch dann, wenn es schwierige Fragestellungen sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Diese Bundesregierung mit Wolfgang Schüssel an der Spitze hat gestaltet – und nicht verwaltet! Wir sind mit dem Ziel angetreten, dieses Österreich im Positiven zu verän­dern. Unser Prinzip heißt nicht: Zaudern und zögern! – dafür mag Alfred Gusenbauer stehen –, sondern unser Prinzip heißt: Handeln für das Land! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Diese Regierung, meine Damen und Herren, hat auch in stürmischen Zeiten – und die hat es gegeben; manche in diesem Haus tragen Mitverantwortung an diesen stür­mischen Zeiten – Linie gehalten – nicht zickzack à la Gusi –, weil Linie halten in der Politik für die Politik und für das Land ganz essentiell ist.

Klare Ziele für Österreich: Österreich wirtschaftlich leistungsfähig zu machen, Öster­reich sozial weiterzuentwickeln, soziale Gerechtigkeit zu verwirklichen und ökologische Verträglichkeit in unserem Handeln sicherzustellen. (Abg. Dr. Puswald: Sie verhökern die Menschen!)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 79

Leistungsfähigkeit, soziale Verantwortlichkeit und ökologische Verträglichkeit – die Ba­lance, das Gleichgewicht zwischen diesen Zielen zu halten, das ist Aufgabe der Politik, meine Damen und Herren! Diese klare Zielsetzung hat uns auch diese Leitlinien gegeben für die Erfolge, die diese Bundesregierung für Österreich letztendlich vor­weisen kann.

Da gilt einmal eine ganz essentielle, von der ersten Sekunde an klare Positionierung: So wie die Familie, so wie ein Unternehmen kann selbstverständlich auch ein Staat langfristig nicht mehr ausgeben, als er einnimmt. Dieses Schuldenmachen der SPÖ gehört der Vergangenheit an. SPÖ, Schuldenpartei Österreichs! – Diese Bundes­regierung hat die Haushalte saniert, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Es ist eine Frage des Hausverstandes, des wirtschaftlichen Hausverstandes, dass man langfristig eben nicht mehr ausgeben kann, als man einnimmt. (Abg. Dr. Matznetter: Warum haben Sie dann ständig Defizite?)

Das zweite Prinzip, Herr Kollege Matznetter – und da verstehe ich Ihren voraus­eilen­den Zwischenruf, Sie wissen offensichtlich, was ich jetzt sagen möchte –, das zweite Prinzip dieser Bundesregierung, erfolgreich umgesetzt, heißt: entlasten, Bürger und Wirtschaft von Steuer- und Abgabenlast entlasten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Wir haben heute eine Abgabenquote, die deutlich geringer ist, nämlich knapp über 40 Prozent, als in den Jahren zuvor unter sozialistischer Verantwortlichkeit. (Abg. Sburny: ... Bildungssystem!) Aber es geht ja um mehr, Frau Kollegin Sburny, und es ist auch interessant, dass immer bei diesem Punkt Ihr Zwischenruf kommt (Abg. Sburny: Ja weil Sie nicht verstehen, was ...!), genauso wie der Zwischenruf des Kollegen Matznetter, der rot-grüne Zwischenruf, der rot-grüne Belastungszwischenruf. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Matznetter sagt, eine hohe Abgabenquote sei der Maßstab für den Zivilisationsgrad einer Gesellschaft. Die Schlussfolgerung daraus, Herr Kollege Matznetter, würde doch lauten: 100 Prozent Belastung – höchster Grad der Zivilisation. Nein, danke, kann ich in diesem Zusammenhang nur sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Wir vertrauen dem Bürger mehr, und daher geben wir dem Bürger mehr Freiheiten und auch mehr finanzielle Möglichkeiten. Das ist der Grund dafür, dass wir diese Ent­lastungspolitik auch fortsetzen werden, meine Damen und Herren.

Wir haben auf dem Arbeitsmarkt die Trendwende geschafft. Wir haben Rekord­beschäf­tigung mit über 3,3 Millionen Menschen, die in Österreich Arbeit finden – das Wich­tigste, das ein Mensch zu seiner Sinnerfüllung und zur Erfüllung seiner wirtschaftlichen Lebensgrundlagen braucht. Wir haben in die Arbeitsmarktpolitik, in die aktive Arbeits­marktpolitik mehr investiert als jede Regierung vor uns. Wir haben völlig neue Initiativen gesetzt auf dem Arbeitsmarkt; ich denke etwa an den Blum-Bonus, also die zusätzlichen Initiativen für Lehrlinge, für junge Menschen.

Wissen Sie, was passiert? – Die SPÖ lehnt die Blum-Prämie zu Beginn, als sie einge­führt wurde, ab, und jetzt, wo sie den Erfolg sieht, drängt sie plötzlich, dass diese Blum-Prämie verlängert wird. Sie sehen also: Richtig ist diese Maßnahme, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Ebenso richtig sind die Maßnahmen der aktiven Wirtschaftspolitik. Aktive Arbeits­marktpolitik und aktive Wirtschaftspolitik, das sind die Erfolgsrezepte auch für mehr Beschäftigung und für sinkende Arbeitslosigkeit. (Abg. Dr. Matznetter: Die sinkende?)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 80

Herr Kollege Matznetter, was gestern von Ihnen hier gesagt wurde, war ja interessant. Es ist bei der Wirtschaftsdiskussion – ich sage bei Ihnen ja selten „wirtschafts­politische“ Diskussion – von Ihnen immer wieder die Frage der Konzerne ange­sprochen worden. Da denke ich mir schon: Gibt es bei Ihnen zwei Kategorien? Ich sage Ihnen, jedes Unternehmen, das Österreicherinnen und Österreichern Arbeit gibt, ist mir gleich viel wert; ganz egal, ob groß oder klein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.) Es kann doch nicht so sein, dass der Konzern dann gut ist, wenn er der ÖIAG gehört, und dann, wenn er privaten Unternehmen gehört, ist er plötzlich der schlechte Konzern. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) – Herr Kollege Matznetter, das ist pure linke Ideologie. Sie haben damit wieder bestätigt: Die SPÖ kann nicht wirtschaften, weil Markt plus Marx Murks ist, meine Damen und Herren! Das ist die Wahrheit, Sie können die Wirtschaft einfach nicht verstehen und daher auch nicht wirtschaften. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Wir haben in der Altersvorsorge einen wirklich wesentlichen neuen Schritt getan mit dem Drei-Säulen-Modell. (Zwischenruf des Abg. Brosz.) Sie haben Jahrzehnte hin­durch darüber geredet – aber wir haben es gemacht! Wir haben die erste Säule gestärkt und harmonisiert, und wir haben eine starke zweite und eine starke dritte Säule der Altersvorsorge eingeführt. Die Abfertigung neu, Herr Kollege Van der Bellen, haben jetzt immerhin schon 1,8 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Und wissen Sie, wie viele Menschen die Zukunftsvorsorge schon in Anspruch nehmen? – 750 000 Österreicherinnen und Österreicher! Das Konzept ist absolut richtig, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Genauso richtig ist beispielsweise unsere Politik für ältere Menschen. Wiederum zum Vergleich: Rot-Grün in Deutschland kürzt die Pensionen – diese Bundesregierung in Österreich erhöht die Pensionen gerade für die kleinen Pensionisten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ. – Abg. Dr. Matznetter: Sie haben am meisten gekürzt!)

Wir haben Meilensteine gesetzt in der Familienpolitik. Sie haben das Kindergeld abge­lehnt. Wir haben die Elternteilzeit eingeführt – Sie haben sie abgelehnt.

Wir haben im Sicherheitsbereich massive Verbesserungen erzielt. Die Erfolge sind sichtbar. Die Kriminalität sinkt, die Sicherheit steigt, meine Damen und Herren! Wie haben Sie sich etwa beim Sicherheitspolizeigesetz verhalten? – Sie waren dagegen; ganz einfach so wie beispielsweise die Grünen gegen das gesamte Paket Asyl- und Fremdenrecht gewesen sind. Es war aber richtig, dass wir diese Maßnahmen gesetzt haben: Die Zahl der Asylwerber sinkt. Das ist eine positive Meldung, meine Damen und Herren, weil es nicht fair ist, dass Österreich alle Lasten trägt. Wir sind selbst­verständlich Asylland, aber faire Lastenverteilung muss unser Prinzip sein.

Gestatten Sie mir, dass ich noch zwei wichtige, vielleicht nicht so vordergründige Themen anspreche. Diese Bundesregierung hat in Verantwortung vor der Geschichte den Versöhnungs- und Restitutionsfonds nicht nur verwirklicht, sondern umgesetzt. Und, meine Damen und Herren, das war uns ein besonderes gesellschaftspolitisches Anliegen, wir haben die Hospizkarenz als bewusste Antwort gegen unmenschliche Tendenzen, die es in anderen europäischen Ländern gibt, verwirklicht. Wir wollen das nicht, meine Damen und Herren, wir wollen eine menschliche Gesellschaft! (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist viel geschehen in diesen abgelaufenen Jahren, in dieser so erfolgreichen Legislaturperiode. Fritz Neugebauer hat daher nicht zu Unrecht vom „Jahr der reichen Ernte“ geredet. Dieses Arbeitsübereinkommen, das sich diese beiden Parteien als


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 81

Basis der Arbeit und als Ziel gesetzt haben, ist erfüllt. Aber natürlich stehen für die Zukunft wichtige Aufgaben vor uns.

Es ist etwa die Frage für Österreich ganz essentiell: Wie positioniert sich Österreich in der europäischen Integrationspolitik und in der Europäischen Union? Wir werden es nicht zulassen, dass die Europapolitik den Populisten geopfert wird, ganz egal, von welcher Seite, Herr Kollege Gusenbauer. Denken Sie einmal nach, ob es der SPÖ wirklich gut tut, in der Europapolitik so nahe an Strache zu liegen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir werden, meine Damen und Herren, in der neuen Legislaturperiode eine neue Verfassung für Österreich machen müssen, eine neue Verfassung, wo entscheidend ist: Herrscht Zentralismus oder Föderalismus? Wird der Staat oder der Bürger gestärkt? – Das sind die Fragen. Wir brauchen klare Spielregeln für Zuwanderung und Integration. Und ich sage Ihnen offen, das ist eine der großen Herausforderungen, die wir nur dann wirklich positiv bewältigen, wenn wir auch den Mut zur Wahrheit haben. Integration funktioniert, wenn die Menschen die deutsche Sprache können und die österreichische Rechtsordnung akzeptieren, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Selbstverständlich steht in den nächsten Jahren auch eine große Frage vor uns, ich würde es so nennen, eine der großen gesellschaftlichen Aufgaben, der großen sozialen Aufgaben: älter werden in Würde. Das ist eine wichtige Frage, wo ich denke, dass gerade die Bürgergesellschaft, das bürgergesellschaftliche Engagement wichtig ist. (Zwischenruf des Abg. Marizzi.)

Aber am 1. Oktober, meine Damen und Herren, steht zur Entscheidung: Wer kann wirtschaften und wer kann es nicht? – Das ist die Entscheidungsfrage. Sie haben bei der BAWAG, beim „Konsum“ – ich könnte noch viel mehr aufzählen – bewiesen, Sie können nicht wirtschaften.

Die zweite Entscheidungsfrage heißt: Wer kann Linie halten? – Wir haben bewiesen, dass wir Linie halten können, Sie heißen Zickzack.

Und die dritte Frage wird lauten: Wer kann ein Land führen und wer nicht? – Herr Dr. Gusenbauer, wer nicht einmal seine eigene Partei führen kann, der hat doch die Befähigung, ein Land zu führen, noch nicht wirklich bewiesen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Aber die entscheidende Aufgabe von Politik dahinter: Welchen Weg geht das Land? – Wir wollen diesen Erfolgsweg für Österreich durch eine starke bürgerliche Mitte, durch eine Politik der Österreichischen Volkspartei sichern, und wir werden alles tun, um eine rot-grüne Linkswende, eine Risikowende von Österreich fernzuhalten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Unser Kurs ist klar: Der Kurs der Österreichischen Volkspartei heißt: Arbeit schaffen, Sicherheit geben und sozial handeln. Das ist unser Kurs! (Abg. Öllinger: Ja, das auf alle Fälle!)

Wir haben dazu auch einen Steuermann. Meine Damen und Herren! Das Land ist in guter Hand bei Bundeskanzler Wolfgang Schüssel – und wir wollen, dass es so bleibt! (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ sowie Bravorufe bei der ÖVP.)

11.22


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Klubobmann Dr. Gusenbauer. Ebenfalls 18 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 82

11.23.10

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehapparaten! Wer nun die Ausführungen des Herrn Klubobmanns Molterer gehört hat, weiß, dass er in einer einzigen Disziplin ein wirklicher Experte ist: Er schafft es, dort, wo noch Brücken bestehen, auch diese niederzureißen. Und das braucht Österreich nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Klar und deutlich muss gesagt werden: Man kann über die Politik einer Bundes­regierung unterschiedlicher Auffassung sein, aber eines ist klar: Die große Mehrheit der österreichischen Bevölkerung ist zwar nicht stolz auf die Bundesregierung (Ruf bei der ÖVP: O ja!), schon gar nicht stolz auf die ÖVP, aber stolz auf Österreich. Und das werden wir uns von Ihnen nicht verbieten lassen, Herr Kollege Molterer! (Beifall bei der SPÖ.)

Es stellt sich ja nicht die Frage: Österreich ja oder nein? Wer diese Frage formuliert oder unterstellt, Herr Molterer (Zwischenruf des Abg. Großruck), bei dem stellt sich ja die Frage: Woran denkt er überhaupt? (Abg. Dr. Fekter: In Zeiten der Sanktionen hat sich diese Frage gestellt!) Es geht in erster Linie darum, wie es den Österreicherinnen und Österreichern geht, welche Chancen und Möglichkeiten sie haben und wie man die Dinge in Österreich besser machen kann. Das ist die Frage, die sich in der Politik stellen muss! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.)

Wenn Sie, Herr Molterer, in Ihrer Rede heute so tun, als wäre für alle in Österreich alles paletti, dann muss ich Sie fragen: Schämen Sie sich eigentlich nicht, wenn Sie an die eine Million Menschen, die in Österreich akut armutsgefährdet sind, denken? Schämen Sie sich nicht, wenn Sie an die 460 000 Menschen denken, die in akuter Armut leben? Schämen Sie sich nicht, wenn Sie an die fast 400 000 Menschen denken, die heuer im Winter arbeitslos sind? – Und Sie stellen sich hier her und tun so, als wäre für alle in Österreich alles in Ordnung. Schämen Sie sich, Herr Molterer! Das haben sich die Menschen in Österreich nicht verdient! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es ist gut, dass in der heutigen Debatte die Unterschiede herausgearbeitet werden, denn das bietet den Menschen eine Entscheidungsgrundlage.

Da Herr Abgeordneter Molterer auf den Arbeitsmarkt Bezug genommen hat: Es ist einfach so, dass die amtierende Bundesregierung leider die Regierung der Rekord­arbeitslosigkeit (Abg. Großruck: Falsch!) und die Regierung der höchsten Jugend­arbeitslosigkeit in der Geschichte unseres Landes ist. Und das ist kein Erfolg, sondern traurig für die betroffenen Menschen in unserem Land! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Und wenn Sie sagen, dass Sie so viel für aktive Arbeitsmarktpolitik ausgeben (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter), muss man sagen: Wenn die Arbeitslosigkeit hoch ist, ist das auch notwendig!

7 Milliarden € gehen Österreich jedes Jahr allein durch diese hohe Arbeitslosigkeit verloren, aber der Punkt ist doch, wofür das Geld verwendet wird. Jeden Tag erhalte ich Mails von Menschen, die sagen, dass sie genötigt werden, in kurzfristige Kurse zu gehen – ein Bauarbeiter mit 60 Jahren, der jetzt zum Englischlernen geschickt wird, damit er unter Umständen noch eine Chance auf einen Job am Bau hat; ein Bilanz­buchhalter, der jetzt in einen Buchhaltungskurs geschickt wird. (Abg. Dr. Fekter: Wien versagt!) Solche Dinge finden statt, meine sehr verehrten Damen und Herren, aber dafür ist das Geld der Österreicherinnen und Österreicher zu schade, denn wir wollen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 83

wirklich aus- und weiterbilden und nicht Statistiken vor den Nationalratswahlen schönen. Das ist der falsche Weg, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Was die Lehrlingspolitik betrifft: Es ist nachgewiesen, dass zwar die Blum-Prämie sehr stark wahrgenommen wurde, aber sie hat nicht zusätzliche Lehrplätze geschaffen, sondern dazu geführt, dass die bestehenden Lehrplätze besser subventioniert wurden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Und das Geld, das für drei Jahre zur Verfügung gestellt wurde, reicht gerade einmal für eineinhalb Jahre. (Abg. Prinz: Das stimmt ja nicht!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Weg führt nicht zum Ziel! Daher ist im Hinblick auf die Arbeitsmarktpolitik völlig klar: Sie stehen für die Lehrlingskrise, für die Jugendarbeitslosigkeit, für die Rekordarbeitslosigkeit und für das Schönen der Statistiken. Wir stehen für einen Lehrlingsfonds, für Ausbildungsgarantie, für echte Aus- und Weiterbildung (Abg. Dr. Stummvoll: Nur Schlagworte!) und für aktive Be­schäf­tigungspolitik – und das ist besser für Österreich! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie die Steuer- und Verteilungspolitik diskutieren, und die ist wichtig, erinnere ich daran, was der ehemalige Rechnungshofpräsident Franz Fiedler hier von dieser Regierungsbank aus zur Steuerreform gesagt hat. Er hat gesagt: Die Steuerreform bringt für die Lohnsteuerpflichtigen gerade einmal eine Kompensation der kalten Progression von eineinhalb Jahren. – Nachzulesen im Stenographischen Protokoll des Parlaments. Ein unabhängiger Zeuge.

Das bringt überhaupt keine Kompensation für die Belastungspolitik der letzten sechs Jahre. Daher haben ja auch die Durchschnittsverdiener in Österreich den Eindruck, dass es zwar mit der Wirtschaft ganz gut geht, aber dass sie selbst nichts davon haben und dass in Wirklichkeit ihre Steuerbelastung größer geworden ist. Es stellt sich die Frage: Wer hat profitiert?

800 Konzerne in Österreich sind die Hauptprofiteure Ihrer Steuerreform. Die große Mehrheit der Bevölkerung hat nichts davon gehabt. Und das ist nicht fair, denn wir wollen, dass alle in Österreich am wirtschaftlichen Aufschwung teilhaben und nicht nur einige wenige, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Investieren in Österreich ist gut, und wenn man haben möchte, dass in Österreich investiert wird, dann muss man die Betriebe unterstützen, die in Österreich investieren. Sie haben mit Ihrer Steuerpolitik jedoch in erster Linie jene Betriebe unterstützt, die im Ausland investieren, wogegen ich nichts habe. Aber wieso verwende ich das österreichische Steuergeld nicht dazu, jene zu unterstützen, die in Österreich investieren? (Abg. Grillitsch: Das stimmt so nicht!)

Der Unterschied ist völlig klar: Mit Ihrer Steuerpolitik unterstützen Sie wenige Groß­konzerne, die Betriebe, die im Ausland investieren, und bilden in Österreich eine Steueroase. (Abg. Grillitsch: Völlig falsch!) Wir wollen die Durchschnittsverdiener entlasten, die Klein- und Mittelbetriebe unterstützen und die Betriebe, die in Österreich investieren. (Abg. Grillitsch: Genau das wollen Sie nicht!) Denn das schafft Arbeitsplätze für die Österreicherinnen und Österreicher! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Eine Kernauseinandersetzung und eine Kern­heraus­forderung für Österreich heute und in Zukunft ist der Bildungsstand unserer Bevöl­kerung, denn das entscheidet darüber, wie wettbewerbsfähig wir in Zukunft sein werden, wie viele Menschen in Österreich über eine möglichst gute Ausbildung und über eine möglichst gute Qualifikation verfügen. – Das entscheidet mehr als alles andere darüber, welche Chancen jeder Einzelne und jede Einzelne hat und wie reich oder arm unser Land sein wird.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 84

Gerade in diesem Bereich, gerade in der Bildungspolitik, ist das größte Scheitern dieser Bundesregierung festzustellen. Es ist doch nicht akzeptabel, dass eines der reichsten Länder der Welt an 20. Stelle beim Bildungsvergleich liegt! Das muss doch alle Alarmglocken läuten lassen! Und dass Sie wegen Ihrer ideologischen Verzopftheit den Kindern in unserem Land die Chancen verbauen, das ist wirklich unerträglich, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie hätten alle Möglichkeiten einer Bildungsreform gehabt. (Abg. Großruck: Sie haben den größten Skandal der Zweiten Republik zu verantworten!) Wir haben die Zwei­drittelmehrheit beseitigt, damit jede Regierung in der Bildungspolitik das machen kann, was sie für richtig hält. – Aber nein! Sie haben sich nicht bewegt! Es ist völlig klar, dass die ÖVP in der Bildungspolitik für den Bildungsabbau steht (Abg. Dr. Brinek: Das glaubt Ihnen halt keiner mehr!), für größere Klassen, für weniger Lehrer, seit neuestem, Frau Brinek, auch für Ghetto-Klassen, wie wir wissen, und diese ÖVP steht für weniger Chancen für die Kinder.

Wir stehen für kleine Klassen, die maximal 25 Schüler haben, wir sind für die indi­viduelle Begabungsförderung, für die wahlweise Ganztagsschule. Und das bietet mehr Chancen für die Kinder in Österreich (Abg. Kainz: Ganztagsschulen?!), denn Öster­reich hat sich Besseres verdient, meine Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Ja, in der Schulpolitik ist es glasklar: Die ÖVP steht für das Trennende, die SPÖ für das Gemeinsame; die ÖVP steht für Gehrer, und die SPÖ steht für Lehrer! (Abg. Grillitsch: Das glauben Sie ja selber nicht!) – Das ist der wahre Unterschied, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Eine der größten Sorgen der österreichischen Bevölkerung besteht hinsichtlich der Zukunft der Gesundheitsversorgung. 62 Prozent der Menschen haben Sorge darüber, ob das Niveau unserer Gesundheitsversorgung in Zukunft gehalten werden kann und ob die gesamte moderne Medizin allen Menschen in unserem Land zur Verfügung steht. Und seit Jahren – seit Jahren! – wird eine Gesundheitsreform versprochen, die die universelle Versorgung der Bevölkerung auf hohem Niveau sicherstellen soll.

Aber erinnern wir uns: Was hat diese Regierung geboten? – Sie hat keine Reform geboten, sondern eine weitere Bürokratisierung des Gesundheitssystems, sie hat die Selbstbehalte ausgebaut (Abg. Mag. Molterer: Wer hat die eingeführt? – Die SPÖ!), sie hat weitere Schritte in Richtung Zweiklassenmedizin gesetzt und sie kann die Versorgung nicht mehr in allen Teilen des Landes sicherstellen, wie in erster Linie von Ärzten in unserem Land immer wieder gesagt wird.

Ich weise nur auf die letzten Aussagen einiger Mediziner von Weltruf hin: Es hat zum Beispiel der bekannte Krebsspezialist Dr. Robert Hawlicek gesagt: Die Situation ist eine Katastrophe. (Abg. Dr. Brinek: Besonders in Wien ist das so, ja! – Abg. Mag. Wurm: In Innsbruck ist es auch nicht besser!) Der Präsident der Ärztekammer sagt: Es kracht an allen Ecken und Enden im Gesundheitssystem. Der Leiter des AKH sagt: Jetzt sind wir am Limit. (Abg. Dr. Brinek: Zuständig ist die Gemeinde Wien! – Zwi­schenruf der Abg. Dr. Fekter.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jeder von uns, der irgendwo in Österreich – und ich in meinem Wahlkreis – mit den Ärzten, mit den niedergelassenen Ärzten und mit den Spitalsärzten zusammenkommt, weiß, alle weisen darauf hin, dass, wenn nichts geschieht, unser Gesundheitssystem vor einem Kollaps steht. (Abg. Neudeck: Das zieht sich bei Ihnen, das ist nicht zu glauben!) Und, meine Damen und Herren, das ist kein Grund zum Spaßen! (Ruf bei der ÖVP: Spaßen tun Sie!) Hier geht es um die Gesundheit der österreichischen Bevölkerung!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 85

Daher ist in dieser Frage die Richtungsentscheidung auch so wichtig: zwischen einer ÖVP, die strikt den Weg in Richtung Zweiklassenmedizin, mehr Bürokratie und mehr Selbstbehalte geht, oder der SPÖ, die für Versorgungssicherheit, für hohe medizi­nische Versorgung und für solidarische Finanzierung steht, denn das wollen die Menschen in unserem Land, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, meine Damen und Herren, der Umgang mit der Gesundheit der Menschen und vor allem auch mit der älteren Generation (Abg. Dr. Stummvoll: Eine echte Grusel­geschichte!): Ich habe mir gedacht, wenn heute meine Mutter und ihre Freundinnen, die alle so um 70 Jahre alt sind, zu Hause vor dem Fernseher sitzen und die Rede des Herrn Molterer gehört haben, was werden die sich denken, wenn er von Pensions­erhöhungen spricht, während die letzten Jahre von den radikalsten Pensions­kür­zungen, die es jemals in der Geschichte unseres Landes gegeben hat, gekenn­zeichnet waren! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dass Sie sich nicht genieren angesichts der Tatsache, dass jede Pensionistin, die über eine Pension von 700 € verfügt, in den letzten Jahren einen Kaufkraftverlust von rund 50 € pro Monat hatte, wodurch ihr Leben bedeutend schwieriger geworden ist! Meine Damen und Herren! Das ist kein Umgang mit der Generation, die unser Österreich aufgebaut hat! Sie haben nicht das Recht, die Menschen so zu demütigen! (Beifall bei der SPÖ.)

Nein, meine Damen und Herren, Österreich hat sich Besseres verdient: Österreich hat sich eine faire Pensionspolitik verdient, und die beginnt nicht mit Ihren Pen­sions­kürzungen (Zwischenruf der Abg. Lentsch), mit den Pensionsungleichheiten und den Pensionsunsicherheiten, die Sie schaffen! Nein, es muss die Kaufkraft der Pensionen gesichert werden! 45 Jahre Arbeit sind in der Tat genug für eine anständige Pension. (Beifall bei der SPÖ.) Und wir wollen gleiche und faire Pensionen auch für die Frauen in unserem Land haben, denn die haben sich das auch verdient.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Molterer hat davon ge­sprochen, dass die Regierung nicht wegschaut, sondern anpackt. (Zwischenruf des Abg. Großruck.) – Ich weise auf ein Musterbeispiel Ihrer „Anpackenspolitik“ hin. Die letzten Jahre waren davon gekennzeichnet, dass trotz vorhandener Probleme mit der Integration in unserem Land die Bundesregierung eine Politik gemacht hat, die dazu geführt hat, dass die illegale Einwanderung nach Österreich durch die Saisonnier-Regelungen und durch die Scheinselbständigen angestiegen ist, dass jahrelang von diesem Problem weggeschaut wurde und dass die Maßnahmen, die gesetzt wurden, nicht in Richtung Integration gehen, denn die gesetzlichen Maßnahmen, die Sie gesetzt haben, sollen ja die Integration verhindern!

Und jetzt ist das Problem erneut ziemlich groß – ziemlich groß, wenn man in die Schulen geht, erneut ziemlich groß, wenn man sich die Unordnung auf dem Arbeits­markt anschaut. (Abg. Neudeck: Habt ihr die Uhr nicht gestellt, oder ist das so fad?) Meine Damen und Herren! Es ist weder der in Österreich ansässigen Bevölkerung zumutbar noch jenen, die zu uns kommen, dass man gesetzliche Regelungen macht, die die Integration erschweren und die Illegalität fördern.

In Wirklichkeit muss eine Regierung alles dazu tun, dass es nicht einen Lohndruck auf dem Arbeitsmarkt gibt, dass die illegale Zuwanderung gestoppt wird, und wir müssen alle Kraft darauf verwenden, dass es eine vernünftige Integration gibt, damit die Menschen, die nach Österreich kommen, hier auch eine faire Chance auf Ausbildung und Leben haben. (Abg. Großruck: Die Rede können Sie in Moskau halten!) – Das wäre Ihre Aufgabe in den letzten sechs Jahren gewesen und nicht die Polemiken der ÖVP in den letzten Wochen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Die BAWAG fehlt mir noch, die Penthäuser! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Elsner fehlt noch!)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 86

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man die Rede des Herrn Kollegen Molterer genau analysiert, dann hat er gemeint, diese Regierung wäre in der Mitte. – Dazu kann man nur eines sagen: So weit nach rechts gerückt wie die ÖVP ist, die sich in den letzten Wochen mit dem BZÖ und mit der FPÖ in der Integrationsdebatte einen Kleinkrieg am rechten Rand geliefert hat, Herr Molterer, da sind Sie von der Mitte meilenweit entfernt! (Abg. Prinz: Sie sind links außen! – Abg. Neudeck: Und Sie vom Erfolg!)

In der Mitte, im Zentrum der österreichischen Gesellschaft, stehen jene Menschen, die Durchschnittsösterreicherinnen und Durchschnittsösterreicher, die jeden Tag schwer arbeiten, diejenigen, die eine Arbeit wollen, diejenigen, die daran interessiert sind, dass ihre Kinder eine gute Ausbildung haben, damit sie auch in Zukunft Chancen haben, diejenigen, die an ein Österreich der Zukunft glauben, wo es wieder vorwärts geht. Und genau diese Menschen sind meilenweit von Ihnen entfernt (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber Sie wählen sie schon gar nicht!), denn Ihre Politik hat die Menschen in unserem Land nicht unterstützt, sondern bei ihren Bemühungen behindert.

Daher ist das Allerbeste, das man für Österreich tun kann, am 1. Oktober eine Regierung zu wählen, die die Menschen in ihren Anstrengungen unterstützt (Abg. Murauer: Also ÖVP!) und nicht weiter behindert, wie Sie es getan haben!

Die Alternative SPÖ ist völlig klar. Österreich hat sich Besseres verdient als die derzeitige Regierung. (Lebhafter anhaltender Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

11.40


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Klubobmann Scheibner. Auch für Sie 18 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


11.41.26

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche - BZÖ): Frau Präsidentin! Werte Mit­glieder der Bundesregierung! Solch einen Auftrittsapplaus hätte ich mir von der SPÖ gar nicht erwartet.

Herr Kollege Gusenbauer, Sie haben Recht: Österreich hat sich Besseres verdient (Zwischenruf des Abg. Schieder), vor allem etwas Besseres als solche Wahlkampf­reden, die wir heute hier von Ihnen gehört haben. Deshalb ist es auch gut, dass wir uns mit 1. Oktober für einen frühen Wahltermin entschieden haben (Abg. Heinzl: Dem Scheibner seine Abschiedsrede!), damit wir dem Land einen permanenten Wahlkampf, eine Verunsicherung, eine Polarisierung, so wie Sie es jetzt hier auch angedeutet haben, ersparen. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.) Wir müssen dafür sorgen, dass wir rasch wieder zu einem neuen Nationalrat kommen und zu einer neuen Regierung, die für Österreich arbeitet und nicht nur Parolen von sich gibt.

Herr Kollege Gusenbauer, wenn Sie sagen, Brücken nicht niederreißen. – Wer war es denn, der im Jahr 2000 die Brücken niedergerissen hat, die Brücken eines Konsenses, dass Österreich, die Bevölkerung für sich selbst darüber entscheidet, wie dieses Land regiert wird? Nur die Bevölkerung hat in demokratischen Wahlen die Entscheidung über Regierungen zu treffen. (Abg. Großruck: Mit Champagner angestoßen!) Sie haben es damals anders gesehen, Sie waren so geschockt, dass es die Bevölkerung, die Österreicher gewagt haben, einmal einer anderen Mehrheit hier eine Chance zu geben, Österreich zu regieren. (Abg. Broukal: Das glauben Sie aber nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Deuten Sie nicht so herum! Sie waren damals mit verantwortlich für ein Klima der Demonstrationen, der gewalttätigen Demonstrationen! (Abg. Broukal: Ich überhaupt nicht!) Sie und Ihre Parteigänger sind nach Brüssel (Abg. Broukal: Ich? Ich?), nach Paris und nach London gepilgert, um gegen diese neue


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 87

Regierung zu Felde zu ziehen! (Lebhafter Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.) Daran sollte man Sie heute auch erinnern, Herr Kollege! (Abg. Broukal: Ich nicht!)

Ja, aber Ihr Parteivorsitzender hat das Champagnerglas geschwenkt auf die Sank­tionen (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Broukal), weil nicht sein darf, dass Ihre Partei einmal nicht in der Regierung ist. (Abg. Broukal: Wann ist denn diese Regierung gewählt worden!) Da waren Ihnen die Interessen des Landes völlig egal.

Ich sage Ihnen, es ist uns damals nicht leicht gefallen, vor allem als wir gehört haben, wie die Situation in Österreich wirklich ist (Abg. Dr. Jarolim: Das ist eine tragische Rede, die Sie da halten!), wie hoch der Schuldenstand, den Sie zu verantworten gehabt haben, wirklich ist, wie groß der Reformstau, den Sie hinterlassen haben, wirklich ist. Wir haben uns das sehr genau überlegt.

Bei vielen von uns Freiheitlichen war der Drang oder die Verlockung groß, zu sagen, die sollen diesen Scherbenhaufen weiter ausbaden. Es gab ja Meinungsumfragen, wo wir schon die Nummer eins gewesen sind bei den Abstimmungen. Wir haben gesagt: Nein, im Interesse des Landes dürfen wir das nicht zulassen, wir dürfen die Weiter­führung einer Koalition nicht zulassen, die nur sich selbst verwaltet, die keine Refor­men in Angriff nimmt, die Rekordarbeitslosigkeit zu verantworten hat, die Rekord­defizite zu verantworten hat, die Steuern erhöht, Abgaben erhöht, aber nichts für die Menschen tut! – Und das war im Jahr 2000 der Grund, warum wir uns bereit erklärt haben, gemeinsam mit der Österreichischen Volkspartei einen anderen Weg zu gehen, wo wir gesagt haben, nein ... (Abg. Dr. Jarolim: Das haben wir gesehen!) – Ja, das haben Sie gesehen, Gott sei Dank haben Sie es gesehen. Hätten Sie auch die Konsequenzen gezogen und gemeinsam mit uns diese wichtigen Reformen umgesetzt, dann wäre es besser gewesen auch für Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Wir haben diese Wende mitbestimmt, das war uns wichtig. Und es war am Anfang schwierig, das Rekorddefizit zu bewältigen, den Schuldenstand abzubauen. Man muss sich das ja vor Augen führen: Nach wie vor 7,5 Milliarden € pro Jahr – 7,5 Milliarden € pro Jahr! –, über 100 Milliarden Schilling nach alter Währung, zahlen die Österreicher heute noch nur für die Zinsen auf Grund der Schulden, die Sie in 30 Jahren sozialistisch geführter Regierungen erwirtschaftet haben. (Abg. Eder: Jetzt haben wir noch mehr Schulden!) 7,5 Milliarden €! Was könnten wir den Menschen alles zusätzlich geben, wenn wir diesen Schuldendienst nicht abarbeiten müssten, den Sie verursacht haben! Kommen Sie uns nicht mit Ihrer Wirtschaftspolitik und mit Ihrer Sozialpolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Das Pensionssystem war an der Grenze der Finanzierbarkeit, das Gesundheitssystem. (Abg. Riepl: Gar nicht wahr!) – „Gar nicht wahr!“, das ist das Einzige, was Sie hier in dieser Debatte noch zu sagen haben. Großartig! Mehr an Bankrotterklärung Ihrer Partei kann man hier gar nicht mehr bringen als „Gar nicht wahr“! (Beifall bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Das ist ein Augenverschließen, nichts hören, nichts sehen, nichts reden. Bleiben Sie dabei, Herr Kollege und Ihre Fraktion! (Abg. Dr. Jarolim: Bleiben Sie bei der Wahr­heit!) Das ist die Sprachlosigkeit der Sozialdemokratie, die letztens auch Altbürger­meister Zilk schwerstens frustriert angesprochen hat, indem er gesagt hat: Mit dieser Partei, so wie sie jetzt dasteht nach BAWAG-ÖGB-Skandal und Führungslosigkeit, werden 150 Jahre wichtige Geschichte der Sozialdemokratie für die Arbeiterbewegung in Wirklichkeit ins Gegenteil verkehrt. (Abg. Broukal: Und wo stehen Sie? Bei 3 Prozent!) Das ist die Realität, die Sie nicht verkennen sollten. (Abg. Broukal: Und Sie stehen bei 3 Prozent!) Sie sollten nicht „Gar nicht wahr!“ sagen, sondern die


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 88

Realität erkennen und vielleicht einmal Einkehr halten und vielleicht auch überlegen, dass die Dinge, die wir hier anbringen, nicht ganz falsch sind, sondern Sie sollten Verantwortung übernehmen für das Land. (Abg. Dr. Gusenbauer: Ist das Ihre letzte Rede heute hier im Hohen Haus?) Aber das ist vielleicht zu viel verlangt, wir haben es in der letzten Debatte rund um die Ortstafeln gesehen. Nur polarisieren, nur dagegen sein.

Herr Kollege Gusenbauer, das wird nicht meine letzte Rede hier im Hohen Haus sein, aber vielleicht war es Ihre letzte Rede als Parteivorsitzender der SPÖ, wenn die Wahlen für Sie schlecht ausgehen. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Wir haben viel geschafft: Wir haben das Defizit beseitigt, das Budget saniert, wir haben der Bevölkerung dann auch die Sanierungsdividende durch die größte Steuersenkung in der Geschichte der Zweiten Republik zurückgegeben.

Herr Kollege Gusenbauer, das werfe ich Ihnen auch vor, wie Sie hier Ängste schüren (Abg. Dr. Gusenbauer: Was machen Sie ab Herbst?), vor allem bei der älteren Bevölkerung. Wenn Sie hier Beispiele bringen, wo 70-Jährige vor dem Fernsehschirm sitzen und sich fürchten vor der Politik dieser Regierung (Abg. Dr. Gusenbauer: Fragen Sie sie!)  – ja, Sie bestätigen es jetzt noch –, dann muss ich sagen, das ist wirklich unseriös, Herr Kollege Gusenbauer! Sie haben es damals ja gemacht. Wir haben monatelang eine Pensionsharmonisierung, eine Pensionsreform für die Zukunft diskutiert (Abg. Riepl: Pensionskürzung!), weil man weiß, dass dieses Pensionssystem auf Dauer nicht finanzierbar ist – für die Zukunft, für die jüngere Generation, um Vorsorge zu betreiben, dass auch die Jüngeren noch eine Pension bekommen. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen – BZÖ.)

Sie haben damals so getan, als ob die Pensionisten von dieser Pensionsreform betroffen wären. (Abg. Dr. Gusenbauer: Sind sie auch!) Das ist das Unseriöse, das wir Ihnen vorwerfen. Sie haben aber nicht dazugesagt (Abg. Dr. Gusenbauer: Jedes Jahr Pensionskürzung!), dass Sie es waren, die die Pensionen in den neunziger Jahren gekürzt haben. Zwei, drei Jahre ohne jede Pensionserhöhung haben Sie unseren Pen­sionisten zugemutet. (Abg. Dr. Gusenbauer: Unsinn!) Sie haben sogar den Ärmsten noch das Geld weggenommen, Sie haben nämlich den Bewohnern von Altersheimen noch das Taschengeld um die Hälfte gekürzt! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ja, so ist es!) Das war Ihre unsoziale Politik, meine Damen und Herren! Und Sie glauben, dass man zehn Jahre später das nicht mehr weiß. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Auf 500 S reduziert das Taschengeld!) Das weiß man noch, Herr Kollege Gusenbauer, das war Ihre Konzeption in der Pensionspolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Unsere Konzeption war, dass wir selbstverständlich die Pensionen erhöhen, zumindest in Höhe der Inflationsrate. Und auf Grund der Maßnahmen, die unsere Sozialministerin gemacht hat, sind die durchschnittlichen Pensionen zwischen 2001 und 2004 bei Männern um 8 Prozent und bei Frauen um 21 Prozent gestiegen (Abg. Neudeck: Na bitte!) – bei Ihren Pensionisten, Herr Kollege Gusenbauer, die Sie verunsichern, um 21 Prozent! (Abg. Öllinger: Aber das stimmt doch nicht!) –, weil wir die Anrech­nungszeiten bei der Kindererziehung erhöht haben (Abg. Dr. Gusenbauer: Reden Sie nicht solchen Unsinn!), weil wir flankierende Maßnahmen gesetzt haben, um endlich auch den Frauen gerechte Pensionen zu ermöglichen. (Abg. Öllinger: Das ist unglaub­lich!) Das ist die Politik dieser Regierung gewesen. (Abg. Broukal: Mein Vater weiß davon nichts auf seinem Pensionszettel! Nichts, Herr Schneibner!)

Sie waren überall dagegen. Sie waren gegen das Kinderbetreuungsgeld, das eine echte Maßnahme ist, um die Familien aus der Armutsfalle herauszuholen, in die Sie sie hineingelockt haben, meine Damen und Herren, das Kinderbetreuungsgeld, die


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 89

Erhöhung der Familienbeihilfe, die Verbesserung der Anrechnung der Kindererzie­hungszeiten für die Pension.

Das sind richtungsweisende Maßnahmen, denn wir wollen die Familien stärken und nicht schwächen, so wie Sie das immer wollten. Wir wollen den Familien die Mög­lich­keit geben, auch für ihre Kinder zu sorgen und Verantwortung zu übernehmen, um nicht gezwungen zu sein, sie in irgendwelche Kinderkrippen zu stecken, damit sie von Beginn an entsprechend beeinflussbar sind, so wie das Ihre ideologische Konzeption über viele Jahre immer wieder gewesen ist.

Ich sage Ihnen, da könnte man noch vieles an Erfolgen ansprechen, aber wir wollen uns hier nicht beweihräuchern. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Ja, so wie Sie das halt immer gemacht haben.

Mir ist vor allem die Zukunft wichtig. Und da sind noch viele Fragen anzusprechen und offen.

Ich sage Ihnen ganz offen: Ich würde mir erwarten, auch mit Ihnen in den Diskurs darüber zu gehen (Abg. Broukal: Das können Sie gerne), Herr Kollege Gusenbauer, wie wir das Gesundheitssystem wirklich auf neue Beine stellen könnten. Da haben Sie ja Ihr Konzept gebracht: die Erhöhung von Beiträgen (Abg. Dr. Gusenbauer: Sie nicht?), das Aufmachen der Höchstbeitragsgrundlage, das heißt, den Menschen wieder mehr Geld aus der Tasche zu ziehen, damit ein System der Vergangenheit weiter finanzierbar ist. Das ist das Konzept der SPÖ.

Unser Konzept (Abg. Dr. Gusenbauer: Zwei-Klassen-Medizin heißt Ihr Konzept!) – und die ersten Schritte haben wir ja schon in dieser Legislaturperiode gesetzt, Herr Kollege Gusenbauer – ist, nicht das Krankensystem zu finanzieren, sondern die Gesundheit zu erhalten, in die Prävention, in den Erhalt der Gesundheit zu investieren, damit man krank sein vermeidet und damit viele, viele Milliarden Euro an Mitteln für das Gesundheitssystem erspart. (Abg. Dr. Gusenbauer: Zwei-Klassen-Medizin!) Das wären die interessanten Alternativen zu Ihrer Abkassierer-Mentalität, die Sie in diesen Bereichen immer wieder haben. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Genauso im Asylgesetz, im Fremdenrecht. Jetzt kommen Sie auf einmal daher und sagen, na ja, da muss man jetzt für geordnete Zustände sorgen. Es war doch Ihre Politik der multikulturellen Gesellschaft in den achtziger und neunziger Jahren, die vieles von dem verursacht hat, was wir jetzt an Problemen diskutieren. Man hat offen für die Einwanderung nach Österreich geworben, ohne jene Maßnahmen zu setzen, die notwendig gewesen wären, um die zu uns Kommenden auch wirklich zu inte­grieren.

Sie haben es zu verantworten gehabt, dass wir über viele Jahre ein Asylgesetz gehabt haben, das dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet hat. Wir haben einen anderen Weg eingeschlagen. Wir haben gesagt, Asyl, ja, für alle und nur für alle, die es brauchen. Wir wollten den Missbrauch verhindern. Herr Kollege Gusenbauer, Sie haben auch dagegen gestimmt. Und wir sind stolz darauf, 40 Prozent weniger Asylanträge, aber eine gesteigerte Anerkennungsquote. Das heißt, jene, die wirklich verfolgt sind, kom­men schneller zu ihrem Recht, und andere, die hier nur andere Gründe haben und die von Schlepperbanden illegal nach Österreich gebracht werden, kommen erst gar nicht an unsere Grenzen.

Ein wirkliches Erfolgsmodell dieser Bundesregierung in einer wichtigen und sensiblen Materie. – Und Sie haben dagegen gestimmt. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Ich würde mich mit Ihnen auch gerne darüber unterhalten, wie wir etwa im Verfas­sungskonvent weiterkommen, den Staat moderner machen. Aber da haben Sie auch


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 90

monatelang mitdiskutiert, aber dann, wie üblich, aus parteitaktischen, aus partei­politischen Gründen einen Konsens verweigert (Abg. Dr. Gusenbauer: Stimmt ja nicht!), denn man kann doch nicht einer Bundesregierung, die man ablehnt, einen Erfolg geben. Das ist Ihr staatspolitisches Verständnis. (Abg. Dr. Gusenbauer: Machen Sie es doch!)

Warum diskutieren wir denn nicht auch, Herr Kollege Gusenbauer, gemeinsam? Was heißt: Macht es!? Ich weiß nicht, was in dieser Fraktion los ist. Ist Ihre Depression wirklich schon so groß (Abg. Dr. Gusenbauer: Nein, wieso! Macht es!), dass Sie nur mehr sagen: Macht es! oder: Das stimmt nicht!, wenn man versucht, mit Ihnen einen sachlichen Dialog zu führen? Das ist anscheinend mit Ihnen nicht mehr möglich. (Abg. Dr. Gusenbauer: Ich habe hier herinnen schon bessere Abschiedsreden gehört!) Sie sind so verstrickt in die Suche von BAWAG-Stiftungen und Höchstbeitragsgrundlagen bei der Gewerkschaft, Penthäusern (Abg. Dr. Partik-Pablé: Pension von Herrn Elsner!) und Wohnungen, die da entsprechend finanziert werden, dass Sie überhaupt nichts mehr anderes denken können und keinen sachlichen Dialog mehr führen können. (Abg. Dr. Gusenbauer: Hat es nicht schon bessere Abschiedsreden gegeben?)

Herr Kollege Gusenbauer! Ich wollte Sie fragen: Sind Sie bereit, für die Zukunft etwa eine moderne Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern zu gewährleisten, so wie Sie das in Sonntagsreden immer wieder gesagt haben, wo man wirklich überlegt: Ist es noch sinnvoll, in einem Österreich des 21. Jahrhunderts, einem kleinen Land, neun verschiedene Bauordnungen zu haben (Abg. Dr. Gusenbauer: Sagen Sie das ...! Da sind wir die falsche Adresse! Wieso erzählen Sie das nicht der ÖVP?), neunmal Jagd- und Fischereirecht, neunmal verschiedene Brandschutzvoraussetzungen, neun­mal ein unterschiedliches Jugendschutzgesetz und, und, und?

Wäre es nicht besser, in Alternativen zu denken und zu sagen: Ja, Kompetenz für die Gesetzgebung beim Bund, Vollziehung beim Land, ein ernst genommener Bundesrat durch Landtagsabgeordnete beschickt, die wirklich auch eine aktive Beteiligung der Länder bei der Bundesgesetzgebung garantieren, die Landtage verkleinert, so wie der Nationalrat, vielleicht auf 100 oder 140 Mandatare, die auch eine echte Kontrollkompetenz in den Ländern ausüben? Ganz, ganz schwierig umzusetzen, ich weiß es. Es ist aber einmal interessant, in solch neuen Ansätzen zu denken, Herr Kollege Gusenbauer, anstatt nur Wahlkampfparolen zu dreschen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Gusenbauer.)

Oder man könnte sich auch einmal überlegen: Wie geht es denn mit dieser Euro­päischen Union weiter? Ist es gut so, dass wir weiter von Bürokraten organisiert werden, wo man versucht, sich von einer Krise in die andere hinüberzuretten, anstatt dass man wirklich darüber nachdenkt, wie denn dieses Europa der Zukunft besser funktionieren kann? Wäre es nicht besser, ein Kerneuropa von Ländern zu schaffen, die wirklich voll und ganz an dieser europäischen Integration teilnehmen wollen, und darum herum Länder mit unterschiedlichem Integrationsgrad zu reihen, die bei ver­schiedenen Modulen mitarbeiten, und so auch eine gedeihliche Weiterentwicklung dieses geeinten und friedlichen Europas zu gewährleisten? Auch darüber finden wir nichts, sondern Sie kommen jetzt zurück in eine Anti-EU-Kampagne, weil Sie glauben, dass Sie auch hier Stimmungen erzeugen können (Abg. Dr. Cap: 18 Minuten reden müssen, ist hart! – Abg. Dr. Gusenbauer: 18 Minuten können lange sein!), ohne da­zuzusagen, wie Sie das besser machen könnten. (Abg. Dr. Cap: Ist der Text schon aus?)

Oder diskutieren wir doch darüber, so wie es Justizministerin Gastinger angesprochen hat: Wie schaffen wir es denn, dieses völlig verkommene Ehe- und Scheidungsrecht zu reformieren, das aus dem 19. Jahrhundert und aus den dreißiger Jahren nach dem Anschluss stammt, das ja überhaupt nicht mehr den Gegebenheiten der heutigen Zeit


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 91

entspricht! Die Familie mit Trauschein, wo es ein oder zwei Kinder gibt. Das sind doch die Herausforderungen der Zukunft, wozu wir von Ihnen nichts hören, wo wir die Einzigen sind, die wirklich moderne Ansätze für die Zukunft einbringen.

Wir haben das in dieser Legislaturperiode noch nicht umsetzen können, aber das wird auch ein Teil unseres Arbeitsprogramms für die nächste Arbeitsperiode sein, aller­dings – und ich bin sicher – nicht mit Ihnen, denn Sie reden dafür, sind dann aber dagegen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Ist das dann außerparlamentarische Opposition?) Man wird aber sicherlich in anderen Zusammenarbeiten auch hier eine Einigung finden können.

Es wird auch für uns wichtig sein, die Sicherheitsstandards in Österreich weiter zu verbessern, sowohl im Inneren als auch bei der äußeren Sicherheit. Auch hier ein klares Bekenntnis: Es hilft uns nicht weiter, wenn Sie und auch andere Kleinparteien hier in Österreich populistisch sagen, alles, was da draußen rund um uns passiert, das interessiert uns nicht, das hat keinen Einfluss auf uns hier in Österreich, obwohl man ganz genau weiß, dass jede Krise in Europa und rund um Europa einen elementaren Einfluss auch auf unsere Sicherheitsinteressen hat.

Deshalb ja zu vollen Sicherheitsstandards in Österreich, aber auch ein Ja zur vollen Beteiligung Österreichs an einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Ver­teidigungskomponente, meine Damen und Herren. Solidarität für uns, aber Solidarität auch für die anderen demokratischen Staaten in Europa. Das sollte auch ein Credo der Zukunft in der Sicherheitspolitik sein. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Da könnte man noch einiges ansprechen: den neuen Generationenvertrag, die Frage der Grundrechte auch im Verfassungskonvent. – Sie haben nur dumme Zwischenrufe, weil Sie wissen, dass ich Recht habe. – Und ich weiß leider, dass mit Ihnen das alles nicht umzusetzen sein wird. Sie haben einen Drang: möglichst wieder zu der Schlaf­wagenpolitik zurückzukommen, wo Sie sich die Posten aufgeteilt haben, wo in erster Linie das Parteibuch wichtig war (Abg. Broukal: Da können wir von Ihnen lernen, Herr Scheibner! Diese Unverschämtheit hat die SPÖ nie aufgebracht!) und die Politik für die Menschen völlig unwichtig war. Das war die große Koalition bis zum Jahr 2000.

Ich sage Ihnen, die Bevölkerung wird am 1. Oktober die Entscheidung zu treffen haben, ob man wieder zurück will zu einer linken Beteiligung in einer Bundesregierung, egal, wie sie aussieht, oder ob man die Fortsetzung einer bürgerlichen Koalition will, nicht von einer Einheitspartei, sondern von zwei unterschiedlichen Parteien, die aber eines vereint: dass man bereit ist, Verantwortung für Österreich zu übernehmen und auch unsere Gesellschaft in neue, moderne Zeiten zu führen. Wir sind dazu bereit. Meine Fraktion hat auch viel dafür eingesetzt. (Abg. Dr. Gusenbauer: Amen! Amen! Amen!) Wir mussten sogar eine Trennung von der FPÖ unternehmen, weil es in der FPÖ eine Gruppe gegeben hat, die eben nicht Verantwortung übernehmen, sondern nur dagegen sein wollte.

Wir als gewählte Abgeordnete wollen Österreich gestalten, so wie wir das in den letzten sechs Jahren gemacht haben. Das ist unser Angebot auch für die nächsten vier Jahre in Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

11.59


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Klubobmann Dr. Van der Bellen. Herr Klubobmann, ebenfalls 18 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort. (Abg. Dr. Jarolim: Es gibt wenige Abschiedsreden, bei denen die ganze Bundes­regie­rung dabei ist! – Abg. Mag. Molterer: Die von Van der Bellen? – Abg. Dr. Van der Bellen – auf dem Weg zum Rednerpult –: Fast die ganze Bundesregierung! – Abg. Mag. Molterer: Weiß Jarolim mehr als wir? Was hat der Jarolim gegen Sie? –


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 92

Bundesminister Dr. Bartenstein: Was wird der Jarolim ...? – Staatssekretär Mag. Schweitzer: Einer der dümmsten Zwischenrufe war das! – Abg. Dr. Fekter: Was weiß der Jarolim, was Sie nicht wissen? – Weitere Zwischenrufe.)

 


12.00.01

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Meine Damen und Herren! Klubobmann Molterer hat heute in seiner Rede gesagt, es wird auf Wunsch der Opposition vorzeitig gewählt. – Ich wusste bisher gar nicht (Abg. Dr. Jarolim: ... Erklärungsbedarf! – Abg. Dr. Brinek: Weiß der Jarolim ...?), dass sich die Opposition hier im Hohen Haus erfolgreich etwas wünschen darf. Diesmal war es der Fall. (Abg. Scheibner: Immer wieder!) Das dürfte ungefähr der einzige Wunsch in der ganzen Legislaturperiode gewesen sein (Abg. Dr. Fekter: Nein, nein!), mit dem wir nicht auf verschlossene Ohren gestoßen sind.

Wahr ist aber auch, Herr Kollege Molterer, dass die gesamte Bundesregierung und andere hohe Vertreter der ÖVP, so zum Beispiel Präsident Kohl, bis ganz zum Schluss, bis vor wenigen Tagen immer wieder gesagt haben: Wir arbeiten im Dienste der Republik bis zum letztmöglichen Tag, und das ist Ende November! Bis dahin wird durchgestartet, die Ärmel hochgekrempelt, und dann sind die Wahlen. (Abg. Dr. Brinek: „Startklar“ war der Gusenbauer!)

Jetzt ist alles anders – was ich sehr begrüße, denn es ist offenkundig und mit Händen zu greifen, dass Sie mit Ihrem Latein am Ende sind. (Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.) Weitere Programme stehen nicht an, auch gute Ideen werden nicht mehr umgesetzt. (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek.) Auch einzelne Mitglieder dieser Bundesregierung haben gute Ideen, so zum Beispiel die Frau Justizministerin, die aus der gesellschaftspolitischen Situation entsprechende Lehren ziehen wollte, nämlich im Bereich der Familienpolitik, im Bereich des Familienrechtes. (Abg. Dr. Fekter: Da haben wir eine Regierungsvorlage, Herr Kollege!)

Ob man das jetzt bedauert oder gutheißt, wie auch immer (Abg. Eder: Frau Fekter hat es notwendig! Verhindert das ...!), aber: Die klassischen Familien halten eben immer seltener. (Abg. Mag. Wurm: Fundamental ...!) Es gibt dieses Patchwork-Phänomen, dass die Kinder mit diesem oder jenem Vater, mit dieser Mutter oder mit jener Stief­mutter et cetera aufwachsen und dass man daraus auch gewisse rechtliche Kon­sequenzen ziehen müsste und sollte – sagt mit Recht die Frau Justizministerin. Aber die ÖVP will das nicht (Abg. Mag. Wurm: Eine verzopfte ...!), und deswegen geschieht das nicht mehr. (Abg. Dr. Fekter: O ja!)

Ach, Frau Fekter, plötzlich! Sie waren es, die sich die ganze Zeit quergelegt hat. Sie sind doch geradezu das Symbol dieser reaktionären Art von Familienpolitik in Österreich. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Wurm: Versteinerung!) Gut, dass Sie es selbst einsehen, dass jetzt eben der Saft ausgegangen ist, der Tank leer ist und wir deswegen am 1. Oktober die Nationalratswahlen haben werden.

Ein bisschen schwierig finde ich es schon, hier im Parlament so richtig Wahlkampf zu machen. (Abg. Mag. Molterer: Was ist „reaktionär“?) Bitte? (Abg. Mag. Molterer: Seien Sie ein bisschen vorsichtig! „Reaktionär“ ist nicht gut!) O ja. (Abg. Mag. Molterer: Nein, das ist nicht in Ordnung!)

Die Fernsehzuschauer können jetzt unser Zwiegespräch nicht nachvollziehen. (Abg. Mag. Molterer: Nein, das ist nicht in Ordnung!) Herr Kollege Molterer protestiert gegen meine Charakterisierung von Frau Kollegin Fekter als Inbegriff einer rückwärts ge­wandten ... (Abg. Mag. Molterer: Nein, Sie haben etwas anderes gesagt! – Weitere Zwischenrufe.) Ich habe gesagt: reaktionäre Familienpolitik; dazu stehe ich auch. Aber dass es Ihnen nicht gefällt, Herr Molterer, verstehe ich auch. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Wenn man verheiratet ist, ist das noch nicht reaktionär!)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 93

Das ist natürlich völlig normal, dass in so einer Abschlusssitzung – vielleicht werden wir auch noch weitere Sitzungen haben – die Regierungsparteien sagen: Österreich ist nicht nur wunderbar, sondern es ist wunderbar, weil wir regiert haben! (Zwischenruf des Abg. Öllinger. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Nur weil man verheiratet ist, ist man noch nicht reaktionär!) Gegen diesen zweiten Punkt möchte ich schon ein wenig protes­tieren. Ist das unbedingt notwendig? – Wir alle lieben Österreich. Aber war zum Bei­spiel der Attersee nicht auch schon da, bevor Sie im Jahre 2000 die schwarz-blaue Regierung gebildet haben? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Öllinger: Auch der Mond­see!)

Auch der Mondsee! (Abg. Broukal: Der ist aber heute viel schöner und größer, das müssen Sie zugeben!) Jedes Bundesland, alle diese Naturschönheiten et cetera, sie waren immer schon da. (Abg. Neudeck: Herr Professor! 18 Minuten können lang sein!) Die Österreicherinnen und Österreicher, kommt mir vor, haben in einer Hinsicht eine gewisse Ähnlichkeit mit den Oberitalienern, mit den Norditalienern (Abg. Neudeck: Kommen Sie jetzt zum Gardasee?): Egal, wer an der Regierung ist, man arbeitet hart, bemüht sich sehr, hat dann Erfolg, manchmal auch nicht, aber dass die Regierung jetzt für alles mitverantwortlich wäre – nein, das sind Sie nicht! Dass Sie jeden Erfolg sozusagen ursächlich auf Ihre Fahnen schreiben können, das ist doch albern, und niemand in diesem Land kauft Ihnen das ab! Warum geben Sie sich überhaupt diese Blöße? (Abg. Dr. Jarolim: Danke, Wolfgang, für ...!)

Politik ist einer der Faktoren in diesem Land, die eine Rolle spielen, und wir bemühen uns alle, die Rahmenbedingungen richtig zu gestalten. (Abg. Dr. Fekter: Und wir tun es!) Aber dass Sie jetzt an allem, was an diesem Land wunderbar ist – und das ist vieles, ich betone das noch einmal; aber, bitte schön, ich muss nicht dazusagen: Dieses Land ist so schön, weil es die ÖVP gibt! Das ist eben ein bisschen übertrieben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Sagen wir: „auch“! Wir einigen uns auf „auch“!)

Wir Grüne werden in diesem Wahlkampf sehr stark betonen, was wir bisher schon betont haben – es gibt ja nicht den geringsten Grund, von dieser Linie abzuweichen –, nämlich dass die Bedeutung der Bildung und Ausbildung von jüngeren Leuten, von Jugendlichen, aber auch von Erwachsenen sträflich vernachlässigt wurde und daher entsprechende Maßnahmen notwendig sind. Wir müssen mehr in diesen Bereich investieren.

Zweitens ist es nicht einzusehen, warum so oft – jetzt verwende ich wieder diesen Ausdruck – das Humankapital der Frauen nicht richtig eingesetzt wird, warum zu viele Frauen von Karrieren, von einer Laufbahn am Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden, obwohl sie es gern möchten. Ob sie jetzt Kinder haben oder nicht: Sie haben Schwie­rigkeiten. (Abg. Steibl: Wir haben wohl noch die Wahlfreiheit! Wir haben eine Wahlfreiheit!)

Dritter Punkt: Energiepolitik und Arbeitsmarkt, oder überhaupt jede Verknüpfung zwi­schen Wirtschaftspolitik, einer vernünftigen Ökologie-/Umweltpolitik und Wachstums­politik. Warum vernachlässigt diese Regierung die Chancen, die sich Österreich da bieten? – Die Damen und Herren im Hohen Haus kennen meine Beispiele schon, aber die vor den Fernsehschirmen vielleicht nicht alle, nämlich die Firma in Steinach am Brenner: vor drei Jahren vier Beschäftigte, heute 180 Beschäftigte! (Abg. Mag. Molte­rer: Dank der Ökostrom-Förderung) – Eben nicht! (Abg. Mag. Molterer: O ja!)

Herr Kollege Molterer hat es immer noch nicht verstanden. (Abg. Mag. Molterer: Ich kenne die Firma auch!) Diese Firma ist tätig im Bereich der Photovoltaik, eines der modernsten Bereiche der Solartechnologie und überhaupt im Bereich der erneuerbaren Technologie. Diese Firma muss 100 Prozent ihrer Produkte exportieren,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 94

weil sie in Österreich keinen Markt hat und es diesen Markt nicht gibt – unter anderem, weil die Bundesregierung es vernachlässigt hat, diesen Markt durch entsprechende Rahmenbedingungen, durch entsprechende Förderungen zu gestalten. (Abg. Dr. Brinek: Manche Firmen ...!)

Das viel geschmähte Deutschland ist in diesem Bereich europaweit mit an der Spitze der Förderung der erneuerbaren Energien. Und das gilt auch für Spanien – Spanien, das im Übrigen seit einiger Zeit eine sozialdemokratische Regierung hat, die diese Regelungen mit eingeführt hat. (Abg. Mag. Wurm: In der Familienpolitik sind sie auch schon weiter in Spanien!)

Darüber braucht es gar keine parteipolitische Auseinandersetzung zu geben. Ich finde, wir brauchen uns nur in etwa auf die Ziele zu einigen, und die Maßnahmen ergeben sich dann zwar nicht von selbst, aber darüber lässt sich vernünftig diskutieren: im Bereich der Ausbildung, im Bereich von Frauen und Arbeitsmarkt, im Bereich einer modernen, effizienten Energiepolitik, die unter anderem auch dafür sorgt, dass wir mit weniger Energieeinsatz bei gleichem Komfort auskommen, so zum Beispiel in der Frage der Wärme für Wohnungen und Häuser.

Aber viertens gibt es einen Bereich von Hunderttausenden von Menschen, die sowohl von der Sozialdemokratie als auch von der Volkspartei irgendwie ignoriert werden: Das sind die neuen Selbstständigen, die Ein-Personen-Unternehmen, die Mikrounter­neh­men sozusagen. (Abg. Dr. Fekter: ... sind ein Schwerpunkt für uns!) – Nein, Frau Kollegin Fekter, die haben Sie sträflich vernachlässigt! Zum Beispiel im Bereich der Steuerreformen gilt das für diese Personengruppe, immerhin rund 200 000 Leute in diesem Land, 200 000 Leute, die zumindest ihren eigenen Arbeitsplatz sichern, also 200 000 Arbeitsplätze, und den einen oder anderen Beschäftigten noch zusätzlich.

Da sind steuerpolitische Maßnahmen notwendig, damit sie ein leichteres Leben haben. Hier sind Maßnahmen notwendig, die ihnen im Bereich der Bürokratie das Leben leichter machen. Viele von diesen Leuten sind nicht freiwillig selbstständig geworden, aber sehr viele haben sich auch durchaus aus eigenem Antrieb selbstständig gemacht, um ihr Leben in größerer Flexibilität zu gestalten.

Last not least brauchen wir auch einen Bereich, bei dem es mich immer gewundert hat, dass die ÖVP als früher einmal, wie heißt das, sozial ... (Abg. Broukal: Christlich-sozial!) Christlich-soziale ... (Abg. Mag. Molterer: Haben Sie mit dem Wort ein Prob­lem?) Nein, nein, überhaupt nicht! (Abg. Mag. Molterer: War nur eine Frage! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Aber als früher einmal – deswegen ist mir das nicht spontan eingefallen –, früher einmal christlich-soziale Partei; lassen wir das Wort „christlich“ weg (Abg. Dr. Jarolim: Eher reaktionär-sozial!), es gibt auch gute Juden und gute Moslems mit ganz ähnlichen Vorstellungen im Bereich der Sozialpolitik, im Bereich der Armutsbekämpfung. Und es gibt auch Leute ohne religiöses Bekenntnis – wie zum Beispiel mich –, die das ebenfalls sehr ernst nehmen. Deswegen möchte ich Ihnen das Affix „christlich“ jetzt gar nicht zumuten, sondern es geht um das Soziale.

Armutsbekämpfung in diesem wohlhabenden Land Österreich: 1 Million Menschen an der Armutsgrenze, rund 500 000 davon in verfestigter Armut. Überlegen wir uns doch gemeinsam – aber bitte nicht nur bis zur Wahl, sondern auch danach –, welche steuerlichen Maßnahmen, welche sozialpolitischen Maßnahmen in diesem Bereich für diejenigen zu treffen sind, die wir eben sonst nicht mehr erreichen können, kurzfristig wenigstens, weil Bildung und Ausbildung typischerweise eine mittelfristige, eine langfristige Maßnahme ist und nicht von heute auf morgen wirkt, gleichwohl aber die wichtigste Maßnahme zur Prävention von Arbeitslosigkeit und Armut ist. (Abg. Mag. Molterer: Service-orientiert!)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 95

Nicht beteiligen werden wir uns allerdings an einem Thema, das von zumindest zwei Parteien voll und von zwei Parteien sozusagen blinzelnd betrieben wird. Das ist die Schürung der Ressentiments, der Vorbehalte gegen Menschen in diesem Land, die keinen österreichischen Reisepass haben. An dieser Art der Schürung von Aus­länderfeindlichkeit werden wir uns unter gar keinen Umständen beteiligen! (Beifall bei den Grünen.)

Strache hat im Wiener Wahlkampf gezeigt, welche Linie er einzuschlagen gedenkt. Er wird das zweifellos im Nationalratswahlkampf wiederholen. Westenthaler hat gesehen: aha, das Thema könnte ziehen!, und legt noch eins drauf. Was heißt eins – er legt noch ein Kilo drauf! Strache hat gesagt: Stopp der Zuwanderung; Westenthaler will gleich 400 000 Leute ausweisen. (Abg. Scheibner: Illegale! – Abg. Wattaul: Ein Kilo Ausländer?) 400 000 Illegale? In diesem Land? (Abg. Scheibner: 300 000 sind ...!) – Nie im Leben, das ist doch lächerlich! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Gaál: Ein Unsinn! – Weitere Zwischenrufe.)

Die zweite Maßnahme, die Westenthaler vorgeschlagen hat – Kinder nur dann die Schule besuchen zu lassen, wenn ihre Eltern einen legalen Aufenthaltsstatus haben –, das ist die Förderung des Analphabetismus in diesem Lande. Wie man so etwas im Ernst vorschlagen kann, ist nun wirklich ein Rätsel. Und die ÖVP schweigt dazu! (Abg. Scheibner: Ihr Modell scheitert in Berlin! – Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.) – Ich habe Ihren Zwischenruf jetzt nicht verstanden.

Sie von der ÖVP schweigen dazu, Sie lassen das zu. Das ist immerhin Ihr Koalitionspartner, der neue Chef Ihres Koalitionspartners BZÖ! Sie ignorieren das, es ist Ihnen egal. (Abg. Kopf: Wir lassen es zu!) Westenthaler preist sich als Innenminister an. (Abg. Kopf: Was haben Sie für ein Demokratieverständnis? Wir lassen es zu!) Ich kann dazu nur sagen: Qui tacet, consentire videtur – falls Sie meinem Latein folgen können. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen – BZÖ.)

Zur ÖVP noch: Sie fühlen sich schon sehr sicher. (Zwischenruf des Abg. Mag. Mol­terer.) Diese Überheblichkeit kann Ihnen noch ein bisschen auf den Kopf fallen. Sie haben sich auch dessen sehr sicher gefühlt, dass Sie im ORF die anstehende Generaldirektorswahl/Generaldirektorinnenwahl samt allen damit zusammenhängen­den Personalentscheidungen ruck, zuck über den Sommer durchziehen. Vielleicht gelingt Ihnen das ohnehin; aber so, wie Sie es ursprünglich geplant haben, ist es Ihnen nicht gelungen.

Als wir Grüne uns das um die Jahreswende überlegt haben, haben wir gedacht: So kann das nicht weitergehen mit der Gefährdung der Unabhängigkeit des ORF, mit der Parteipolitisierung, der ÖVP-Beherrschung des ORF, namentlich im Informations- und Nachrichtenbereich. Versuchen wir, das zu einem öffentlichen Thema zu machen! Denn nur wir, die Grünen, können das machen.

Die Sozialdemokraten haben in dieser Beziehung sozusagen ein bisschen viel Vergangenheit am Hut picken. Denn seinerzeit, etwa zur Klima-Zeit im Jahre 1999 – daran kann ich mit gut erinnern –, ist Klima marktbeherrschend und raumfüllend im Fernseher von links nach rechts gegangen, und wenn es nicht anders gegangen ist, von rechts nach links (Bundesminister Mag. Grasser: Das stimmt!) – ununterbrochen! Daher tut sich die SPÖ da schwer, eine glaubwürdige Position zu vertreten.

Aber wir wollen weder den Generaldirektor, wir wollen auch nicht den Chefredakteur, wir wollen nicht den Informationsdirektor. (Abg. Mag. Molterer: Nur vorkommen!) Ich weiß, die Grünen sind zu klein für solche Spielereien (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter), und jeder weiß das. Ich sage nur: Wenn das so weitergeht, wenn der ORF seine Reputation, seine Glaubwürdigkeit, insbesondere im Informationsbereich, ver-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 96

spielt – und das ist sein größtes Kapital, das unterscheidet ihn von beliebigen privaten Sendern im deutschen Fernsehbereich –, dann wird er auch seine ökonomische Existenz aufs Spiel setzen. Und die ÖVP verantwortet diese Linie – bis heute! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist uns immerhin gelungen, auf dieses Thema die Öffentlichkeit aufmerksam zu machen, es in die Printmedien zu bringen, es auch sozusagen in den Ohren der Fern­sehzuseher und der Radiohörer zu verankern, dass es hier um viel geht: um die Parteiunabhängigkeit, um die Glaubwürdigkeit des ORF und damit um die Kultur, die innere Kultur des ORF bei Redakteurinnen und Redakteuren, die sehr gute Arbeit machen – könnten, wenn man sie ließe! Wir werden diese Sache weiterhin sehr genau im Auge behalten und nicht zulassen, dass die ÖVP das so, wie sie gedacht hat, zack, zack über den Sommer mit ihren Leuten durchwinkt. (Beifall bei den Grünen.)

Ich schaue nun ein bisschen auf die Uhr. (Abg. Scheibner: Die Zeit vergeht und vergeht nicht!) Ein paar Sätze zur BAWAG, zum ÖGB, zur SPÖ und zur ÖVP in diesem Zusammenhang. (Abg. Dr. Cap: Danke!)

Natürlich wird das ein beherrschendes, jedenfalls ein wichtiges Wahlkampfthema sein. Nicht nur, dass die BAWAG Milliarden an Euro versenkt hat, ist schon bemerkenswert, sondern auch, dass der ÖGB de facto sein Gesamtvermögen bei dieser Vorgangs­weise verloren hat. (Abg. Dr. Fekter: „Heuschrecken-Kapitalismus“!) Der ÖGB hat sein Gesamtvermögen verloren! Vertreten muss das natürlich nicht nur der eine oder andere Herr Generaldirektor dieser Firma, sondern auch der Eigentümer der BAWAG und die Vertreter im Aufsichtsrat, ausnahmslos Funktionäre des ÖGB, ausnahmslos Mitglieder der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter! (Abg. Riepl: Das stimmt ja nicht! – Bundesminister Dr. Bartenstein: Doch, doch!) So gut wie ausnahmslos.

Der ÖGB als wichtige Institution sieht sich selbst gerne als parteiübergreifend und unabhängig. Dann muss er das aber auch in seinem Auftreten glaubhaft machen! Das heißt, kein Spitzenfunktionär – und ich sage: Spitzenfunktionär, nämlich der Präsident und die Präsidenten der jeweiligen Einzelgewerkschaften – sollte deswegen im Klub der SPÖ, im Klub der ÖVP oder in einem anderen Klub einer politischen Partei im Nationalrat vertreten sein. Insofern hat meines Erachtens Dr. Gusenbauer in diesem Punkt vollkommen Recht! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Sie kandi­dieren ...!)

Was macht die ÖVP postwendend? – Auf Herrn Neugebauer von der ÖVP, von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst – Präsident, Vorsitzender dieser Einzelgewerkschaft des ÖGB (demonstrativer Beifall bei der ÖVP) – trifft das selbstverständlich ganz genauso zu. Die ÖVP findet das vollkommen richtig. (Beifall bei den Grünen.) Die ÖVP findet es richtig, dass der angeblich unabhängige, parteiübergreifende ÖGB nach ihren Vorstellungen von den Schwarzen beherrscht wird, wenn ich Ihre Äußerungen zum Vorschlag von Gusenbauer richtig verstanden habe. (Abg. Mag. Molterer: Wir nehmen Arbeitnehmer ernst! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das wäre Ihnen ganz recht. Aber wenn Herr Katzian von der GPA nicht im Nationalratsklub der SPÖ sitzen soll, dann muss aus den gleichen und noch verschärften Gründen die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst nicht ausgerechnet durch ihren Vorsitzenden hier vertreten sein! Jeder einzelne kleine Funktionär ist mir recht. (Beifall bei den Grünen. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Abschließend: Herr Bundeskanzler Schüssel, Sie sind nach mir dran, und Sie würden mir einen großen Gefallen tun, wenn Sie heute ausschließen könnten, mit diesem Herrn Ausländer-Deportierer Westenthaler (Abg. Scheibner: Hallo, was ist das schon wieder? Diese Worte!) oder mit Herrn Strache, einem Justizminister Stadler – wenn Sie diese beiden Optionen ausschließen könnten. (Präsidentin Mag. Prammer gibt neuer-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 97

lich das Glockenzeichen.) Wenn Sie es nicht tun, ist das Ihre Sache; ich würde mich eben freuen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.18


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es gelangt nun Herr Bundeskanzler Dr. Schüssel zu Wort. Auch für Sie, Herr Bundeskanzler, 18 Minuten. – Bitte.

 


12.18.39

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Präsidentin Hohes Haus! Die jetzt zu Ende gehende Gesetzgebungsperiode gehört sicherlich zu den spannendsten der Zweiten Republik. Sie war eine echte Herausforderung – nach innen und nach außen.

Darf ich nur einige Eckpunkte und Wegmarken in Erinnerung rufen, die in diesen vier Jahren stattgefunden haben: Das war der Irak-Krieg 2003; da haben wir übrigens über die Parteigrenzen hinweg eine gemeinsame Linie gefunden, die sich, glaube ich, auch im Nachhinein sehr bestätigt hat, wenn man sich die Entwicklung im Irak heute ansieht.

Im Jahre 2004 gab es die historische Erweiterung der Europäischen Union um zehn neue Mitgliedstaaten.

Im Jahre 2005 gab es einerseits die gescheiterte EU-Verfassung, die im Hohen Haus fast einstimmig verabschiedet wurde. Es gab aber auch dramatische Ereignisse wie etwa die Bombenanschläge in Madrid und London; sie haben den Terror nach Europa, in europäische Hauptstädte gebracht.

Das Jahr 2006 hat mit der Gaskrise der Russischen Föderation mit der Ukraine, aber auch mit dem iranischen Atomprogramm eine dramatische Zuspitzung erfahren, und wir haben in der ersten Hälfte auch den EU-Vorsitz innegehabt.

Wenn man jetzt sieht, dass im Libanon die israelische Armee zu Schlägen gegen die Hisbollah ausholt, in Palästina die radikale Hamas gewählt wurde, dann sind das natürlich besorgniserregende und schwierige Momente gewesen, in denen wir uns, so denke ich, gut in der Mitte des europäischen Spektrums positioniert haben – und so immer, wie ich meine, auf der Seite der Vereinten Nationen, auf der Seite des Friedens. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Meine Damen und Herren! Alexander van der Bellen hat vorhin gesagt, wir seien mit unserem Latein am Ende. – Wir sprechen hier nicht Lateinisch, wir sind auch nicht mit unserem österreichisch gefärbten Deutsch am Ende, sondern wir haben unglaublich viel umgesetzt. Aber Sie haben schon recht, Herr Abgeordneter Van der Bellen: Auch der Wolfgangsee verdankt seinen Namen nicht mir; den hat es schon, lang bevor ich Bundeskanzler geworden bin, gegeben. Da haben Sie schon Recht. – Aber eine Prise Humor kann ja nicht schaden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Wir sind aber nicht mit dem Latein oder mit dem Deutsch am Ende, sondern wir haben unser Regierungsprogramm gut abgearbeitet. Ich habe mir das heute in der Früh sel­ber noch einmal – ich bin um 6 Uhr aufgestanden, um eine Rede vorzubereiten – angesehen: Wir haben uns über 100 Projekte, ganz konkrete Projekte vorgenommen, und haben diese Projekte eigentlich bis auf zwei abgearbeitet. (Abg. Öllinger: Stimmt nicht!) Das ist ein tolles Erfolgsprogramm in diesen vier Jahren – und darauf kann man durchaus auch ein bisschen stolz sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Sie werden sich natürlich fragen: Welche zwei Projekte sind nicht gelungen? Wir haben gemeinsam – das war, soweit ich mich erinnern kann, auch Ihr Vorschlag – einen Österreich-Konvent eingesetzt, mit Franz Fiedler als Vorsitzendem, der die Vor­aus­setzungen für eine neue Aufgabenverteilung, für eine neue Verfassung ausarbeiten


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 98

sollte. Diese ist jedoch leider nicht zustande gekommen. Keine Schuldzuweisung jetzt, das bringt auch nichts, aber ich denke, dass wir an diesem Entwurf in der nächsten Legislaturperiode weiterarbeiten sollten.

Das Bundesmitarbeitergesetz steht auch noch aus. Da ist sicherlich jetzt die Zeit zu kurz geworden, aber das wird ein Programmpunkt sein, der in der nächsten Legis­laturperiode dran kommt.

Nicht geschafft haben wir die Olympia-Bewerbung für Salzburg 2010, aber gemeinsam mit Bürgermeister Heinz Schaden und dem Land Salzburg haben wir uns vor­genommen, nächstes Jahr die Bewerbung 2014 besser vorzubereiten und besser zu bewerben. Hoffentlich gewinnen wir dann auch!

Wenn man sich die Dinge, die ich damals in der Regierungserklärung angekündigt habe, ganz konkret ansieht, kommt man schon darauf, dass da eine Menge an sehr Positivem gelungen ist. Sozial ist, was Arbeit schafft!, habe ich gesagt. – Wir haben heute 124 000 Arbeitsplätze mehr! (Abg. Öllinger: Nein!) – Na selbstverständlich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Wir wollten die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern, und wir haben in diesen Jahren – ein Danke auch an Elisabeth Gehrer – die Zahl der ganztägigen Kinderbetreuungsplätze von 40 000 auf 70 000 gesteigert.

Wir wollen ein Land der lebendigen Solidarität zwischen den Generationen sein – und ich denke, dass die Pensionsreform, deren Wirkungen sich ja überhaupt erst in den nächsten Jahren voll entfalten werden, sehr wichtig war und ist. Ein individuelles Pensionskonto, lebenslange Durchrechnung, ein sanftes Anheben des Frühpensions­antrittsalters und die Harmonisierung aller Pensionen. Keine Sonderrechte mehr, keine Beamtenpension! All dies übrigens mit Zustimmung des hier im Hohen Haus dankenswerterweise vertretenen Vorsitzenden der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst. Das halte ich eigentlich für eine tolle Leistung und für einen Beweis für die Leis­tungskraft der Sozialpartner. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Die sozialdemokratischen Gewerkschafter haben da genauso mitgestimmt. Ich bin daher sehr froh darüber, wenn ich solche Menschen, wenn ich solche Freunde und Part­ner auch in den gesetzgebenden Körperschaften habe. Ich sehe das keinesfalls als Belastung, um das hier einmal ganz offen auszusprechen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Wir haben uns vorgenommen, die Zahl der Vorsorgeuntersuchungen deutlich zu erhöhen. Wir wollten bis zum Jahre 2010 die Zahl 1,5 Millionen erreichen. Bis dahin haben wir noch einen ordentlichen Weg, aber wir sind immerhin von 600 000 auf 800 000 hinaufgekommen.

Wir wollen Österreich zum familien- und kinderfreundlichsten Land der Welt machen. Und da sage ich jetzt schon auch sehr deutlich, Herr Professor Van der Bellen: Reaktionär ist nicht, wer sich für die Familien stark macht. Ganz im Gegenteil! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Maria Fekter ist ganz sicherlich keine Reaktionärin, sondern eine mutige, moderne Frau, eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.) Keine Diskriminierungen: klar, aber eine Förderung der Familien, in denen doch fast jeder von uns aufgewachsen ist und Zuwendung und Liebe und vieles an Qualität erfahren hat. Ich denke, so etwas sollte man auch im 21. Jahrhundert aussprechen können, selbst wenn Ihnen das nicht recht ist, Frau Abgeordnete Sburny. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 99

Wir haben uns vorgenommen, Österreich bis zum Jahre 2010 zu einer Wissens­gesellschaft zu machen; 20 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher sollten ein akademisches Studium oder eine Fachhochschule absolviert haben. Früher lagen wir diesbezüglich bei 14 Prozent, heute sind wir bei 18 Prozent, haben also sozusagen zwei Drittel des Weges zurückgelegt.

Es ist einfach nicht wahr, Herr Professor Van der Bellen, dass wir die Begabungen unserer Mädchen und Frauen nicht schätzen würden! Im Gegenteil: 56 Prozent aller Maturanten sind heute Frauen, und 54 Prozent aller Studenten sind Frauen. Großartig! Ein Trend, den die Bildungsministerin begünstigt hat und der in ihrem Verant­wortungsbereich liegt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Wir haben uns vorgenommen, mehr für die Umwelt zu tun, und da sind einige Dinge geschehen, da sind echte Meilensteine gesetzt worden. (Abg. Mag. Weinzinger: Ökostromgesetz!) – Sie haben aber wirklich nur ein Thema! – Wir haben 180 Mil­lionen € zusätzlich betreffend Erreichung der Klimaschutzziele investiert. Das hat Sepp Pröll hervorragend durchgebracht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Wir haben den Dieselpartikelfilter eingeführt. Was den Einsatz von Biomasse anlangt, ist Österreich auf Platz 3 in der Europäischen Union vorgerückt. Wir haben den Anteil an Windenergie in Österreich von 10 Prozent auf 11 Prozent erhöht, haben den Anteil an Windenergie verfünffacht. Fast 400 000 Haushalte können damit versorgt werden. (Abg. Brosz: Und jetzt ist aber genug!) – Ich weiß schon: Nobody is perfect!, aber schlecht ist diese Bilanz wirklich nicht, Herr Professor Van der Bellen und lieber Alfred Gusenbauer! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Zur Steuerpolitik: Wir haben uns vorgenommen, bis zum Jahre 2010 auf eine Abgabenquote von 40 Prozent zu kommen. Wir sind ja jetzt schon fast dort. Wir haben 40,6 oder 40,7 Prozent, und zwar dank dieser zwei enormen Entlastungen, die Karl-Heinz Grasser und Alfred Finz durchgesetzt haben. Natürlich kann man immer sagen: noch mehr, noch mehr! Es gab vorher nie eine Steuerreform, die ein größeres Volumen, in Prozenten des Bruttoinlandsproduktes ausgedrückt, hatte und so viel an Entlastungen gebracht hat.

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas – ich war ja lange Zeit der ÖVP- Mittelstands­sprecher –: Von den Entlastungen – es gab fast 4 Milliarden € an Entlastungen in die­ser Legislaturperiode – kommen ungefähr fast 1,5 Milliarden € dem Mittelstand zugute; das entspricht 70 Prozent der gesamten Wirtschaftsentlastung. Hören Sie doch auf – aber das ist ja gar nicht echt gemeint –, den Mittelstand und die Großbetriebe aus­einanderzudividieren! Mir ist wirklich auch ein Großbetrieb, ja ein Konzern lieb und wert, wenn er Menschen beschäftigt, wenn er hier forscht, wenn er von hier aus Exporte betreibt, wenn er hier Steuern zahlt. Danke also den Mittelständlern und den Großen! Für beide müssen wir uns einsetzen, und da haben wir einiges geleistet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Wir haben auch in der Gesundheitsreform gewaltige Weichenstellungen durchgeführt. Ich verweise etwa nur auf die Abschaffung von 45 Millionen Krankenscheinen. Diese ganze Zettelwirtschaft: weg! E-Card eingeführt; ein wirkliches Vorzeigeprojekt! Noch beim Finale der Fußball-WM haben mich die deutschen Politikerinnen und Politiker, die Frau Bundeskanzlerin angesprochen und gesagt: Wie habt ihr das gemacht?! – Das, meine Damen und Herren, wird ein Vorzeigeprojekt auch für andere Länder werden. Eine handvoll Länder – Österreich ist eines davon – hat das bisher umgesetzt.

Wir haben übrigens auch – der Gerechtigkeit halber sei das erwähnt – die Gleich­stellung von Arbeitern und Angestellten, gleiche Krankenversicherungsbeiträge, was eine Entlastung für die Arbeiter bedeutet hat, durchgesetzt. Das war absolut ein Gebot


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 100

der Stunde. Warum haben Sie von der SPÖ das jahrzehntelang nicht gemacht, wenn das ohnehin selbstverständlich sei, wie Sie sagen?! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Die Landesgesundheitsfonds wurden geschaffen. Landesgesundheitsfonds – und da sind einige sozialdemokratische Referentinnen und Referenten mit dabei. Weiters darf ich anführen: das Behindertengleichstellungsgesetz, die Restitution, für die insgesamt 1 Milliarde € zur Verfügung gestellt wurde. Andreas Khol weiß es: Bereits tausende Menschen wurden endgültig entschädigt; bis Ende dieses Jahres wird das sicherlich zur Gänze erfolgt sein.

Im Bereich Wirtschaft wurde eine Gründeroffensive gestartet. Ziel waren 30 000 Neugründungen. Wir sind jetzt bereits bei über 31 000.

Weiters: Wir haben die Lohnnebenkosten in Bezug auf ältere Arbeitnehmer deutlich gesenkt. Österreich ist in Bezug auf Infrastruktur – und das wird natürlich auch noch der Herr Vizekanzler darstellen – mindestens doppelt so stark, wie es das in der Zeit vor 2000 gewesen ist. Das sind doch Dinge, die dem Standort und damit auch der Qualität und Schönheit in unserem Lande in den nächsten Jahren und Jahrzehnten deutlich dienen werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Bedeutsam ist mir natürlich die Sicherheit. Im Sicherheitsbereich haben wir den Wehrdienst von acht Monaten auf sechs Monate reduziert, und den Zivildienst von zwölf auf neun Monate, meine Damen und Herren – und dies, ohne die Leistungskraft des Bundesheeres auch nur in irgendeiner Weise zu schwächen. Wir haben im Bereich Sicherheit aber auch durch die Neuorganisation – Polizei, Gendarmerie, Zoll alles in einer Hand, Sicherheit sozusagen aus einer Hand – ein Mehr an Sicherheit erreicht.

In unserem Lande wurde – Videoüberwachungen, moderne elektronische Mittel – die viertgrößte Datenbank der Welt aufgebaut. Und die Erfolge sind spektakulär: Die Kriminalitätsrate sinkt, die Aufklärung wird hervorragend weitergeführt. Wir haben 700 Polizisten mehr auf der Straße, mehr für die Sicherheit draußen bei den Men­schen, weil die Verwaltung reduziert wurde.

Bei der Schubhaft haben wir tatsächlich eine um 25 Prozent höhere Rate. Das war aber auch notwendig, da waren einige wirklich schwarze Schafe dabei. Wir haben jetzt 43 Prozent weniger Asylanträge. Traiskirchen ist auf den niedrigsten Belagsstand seit eineinhalb Jahrzehnten, und zwar mit 500 Flüchtlingen, die dort gut untergebracht werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Ich meine schon, dass wir in diesen vier Jahren die Sicherheitspolitik absolut mit Augenmaß betrieben haben, menschenrechtskonform, aber auch wie für die Sicherheit notwendig, so, wie das die Bevölkerung von uns erwartet. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Meine Damen und Herren! Ganz wichtig ist natürlich – das ist die Basis von allem und jeden –: Die Finanzen sind im Griff! Das war aber nicht selbstverständlich: Im Jahre 2000 war Österreich diesbezüglich das vorletzte Land in der Europäischen Union; heute sind wir da absolut im guten Durchschnitt. Und da ist natürlich das Finanz­ministerium unter der Führung des parteiunabhängigen Finanzministers Karl-Heinz Grasser ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Bist du schon – ich weiß das nicht, weil da gelacht wird – einer Partei beigetreten? (Finanzminister Mag. Grasser verneint dies.) – Nein, gut. Also: Finanzminister Karl-Heinz Grasser bleibt parteiunabhängig, und das finde ich auch ganz okay, meine Damen und Herren. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Wenn wir – und das sei jetzt schon sehr ernst gesagt, weil da immer wieder von „Schulden machen“ geredet wird – die Schuldenrückzahlungen und die Zinsen außer


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 101

Acht lassen, so haben wir allein in diesen vier Jahren einen Primärüberschuss von 20 Milliarden € erzielt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Das ist nicht selbstverständlich. Und das ist natürlich der erste Weg, um ein ausgeglichenes Budget zustande zu bringen. Interessanterweise habe ich heute von den Oppositionsrednern keinen einzigen Sparvorschlag gehört, sondern nur Vor­schläge, die Mehrkosten zur Folge hätten oder weniger Einnahmen bringen würden. Irgendwann einmal werden Sie sich entscheiden müssen.

Wer das Budget in Ordnung halten will, wer etwas von der Wirtschaft versteht, muss natürlich auch die Substanz und den Spielraum dafür schaffen, meine Damen und Herren.

Ich will einen starken Staat! Das geht aber nur, wenn er eben auf soliden Finanzen basiert, denn dann kann er auch helfen: dort wo es Not tut. Wir geben heuer – die Zahl ist, glaube ich, nicht jedermann geläufig – für die Pensionen um 4 Milliarden € mehr aus als im Jahre 2002. (Ruf bei der SPÖ: Wie viele Millionen Euro?) Wir geben um 4 Milliarden € mehr aus als im Jahre 2002: 34 Milliarden € heuer, 30 Milliarden € im Jahr 2002. Nur wer in seinen Finanzen stark ist – und das ist bei Gott nicht selbstverständlich –, kann so etwas tun.

Wir geben heuer alleine für die Arbeitslosenunterstützung, für die aktive Arbeits­marktunterstützung insgesamt fast 5 Milliarden € aus. Wir helfen dort, wo es wichtig ist. Genauso wie etwa beim Hochwasser, bei Katastropheneinsätzen oder auch bei der Katastrophe mit der BAWAG, wo wir eine Staatshaftung von 900 Millionen € gegeben haben. Liebe Freunde, das ist nicht selbstverständlich! Ein starker Staat braucht ein starkes Fundament – und ein solches ist von dieser Regierung geschaffen worden. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Der Grundton der Regierungserklärung war zukunftsgerecht und nachhaltig; so etwas kann aber nicht in einer einzigen Legislaturperiode erfüllt werden. Da braucht es weitere Arbeit für die nächsten zehn Jahre. Dieser Meinung bin ich wirklich, denn wir müssen in Richtung Zukunft gehen – und nicht einfach warten, bis sie uns sozusagen ins Schlepptau nimmt.

Veränderungen finden statt – egal, ob uns das passt oder nicht. Veränderung wartet nicht, sie nicht aufzuhalten. Nur wenige gehen mehr in dem Job in Pension, für den sie ausgebildet wurden, beziehungsweise dort, wo sie zu arbeiten begonnen haben. Es sollten daher auch alle politischen Kräfte, alle verantwortungsbewussten Politiker gemeinsam das bei den Bürgern stärken, was zu dieser Veränderung bereit macht und zu ihr befähigt. Ein Retro-Konzept, Nostalgieschübe, gute alte Zeit, „Polsterlpolitik“, das funktioniert nicht. (Abg. Öllinger: Das vertreten Sie!) Das ist ganz sicher schädlich.

Oskar Kokoschka hat einmal gesagt: Die moderne Gesellschaft übersieht oft, dass die Welt nicht das Eigentum einer einzelnen Generation ist. (Abg. Öllinger: Auch nicht einer Partei!) In diesem Sinne sollten wir Politik machen – so, wie wir uns das in der Regierungserklärung und mit dem abgearbeiteten Regierungsprogramm auch tatsächlich vorgenommen haben. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich versuche hier nicht, Weihrauchkörner zu streuen, son­dern glaube, hier einfach realistisch berichten zu können. Österreich steht heute nicht schlecht da. Wir sind nach allen Strukturindikatoren im EU-Kommissionsvergleich auf den Platz drei der Europäischen Union nach vorgerückt; in punkto e-Government sogar auf den Platz eins. Wir sind in der Wettbewerbsfähigkeit nach internationalen Studien auf den dritten Platz der Welt vorgerückt. Gar nicht schlecht! Wir stehen also gut da,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 102

und das ist eine vernünftige Basis, um auch für die nächsten Jahre gute Politik zu machen.

Ich möchte Ihnen, der frei gewählten Volksvertretung, daher an dieser Stelle meinen Dank sagen und meinen Respekt ausdrücken, Als einer, der seit 1979 diesem Hause als gewählter Mandatar – ich lege dann immer das Mandat zurück, wenn ich in die Regierung komme – angehört, weiß ich um die Bedeutung einer freien und starken Volksvertretung. Ich bin stolz, dass in dieser Volksvertretung alle Bevölkerungs­schich­ten vertreten sind und jeder mit jedem reden kann, dass wir uns auseinandersetzen, aber auch immer wieder zusammensetzen, um gemeinsam etwas zu erreichen. Es wird hier keine Partei ausgegrenzt, und es wird niemand draußen vor der Tür gelassen. Ich finde es sehr wichtig, keiner politischen Partei die demokratische Reife abzu­sprechen, sondern dass wir alle miteinander im Gespräch bleiben. Das ist in Europa und in der Welt nicht überall selbstverständlich. Bewahren wir uns das! Bewahren wir es uns auch im Wahlkampf. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Ganz gleich, wie die Wahl ausgeht: Wir werden uns nachher in die Augen schauen und zusammenarbeiten müssen: entweder als Regierungsfraktionen oder in der Opposition. Ich danke auch der Opposition, dass sie uns kritisiert, dass sie uns wach hält, dass sie uns manchmal auch mit Argumenten zur Seite steht, manchmal Ideen liefert! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sehr selten!) Sie haben uns wirklich bereichert mit vielen Ideen, mit machen Anregungen, auch wenn wir manchmal nicht immer gleich positiv drauf reagiert haben. Das war durchaus okay. Ich danke aber auch den Regierungsfraktionen, die selbstbewusst und konstruktiv unsere Reformarbeit mitgestaltet haben!

Ein bisschen Urlaub wird uns allen gut tun – und dann ein kurzes, intensives Wahlwerben, kein Wahlkampf, wie ich hoffe. – Danke. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ. – Bravorufe bei der ÖVP. – Die Abgeord­neten der ÖVP erheben sich von ihren Sitzen und bringen stehend Beifall dar.)

12.37


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Grillitsch zu Wort. Sie und die kommenden drei Redner nach Ihnen haben jeweils 10 Minuten Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


12.37.59

Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir kön­nen stolz sein auf Österreich und die Menschen in Österreich. Wir können hier leben und arbeiten, wo andere Urlaub machen, hier bei uns in Österreich. Und ich sage Ihnen: Warum ist das so? Hinterfragen wir das einmal! Warum fragen wir uns nicht, warum das so ist, meine Damen und Herren? Mir ist das voriges Jahr bei einem sehr beeindruckenden Ereignis hier im Hohen Haus bewusst geworden, im Reichsratsaal, als wir 60 Jahre Republik und 50 Jahre Staatsvertrag gedacht haben, als wir Bilder gesehen haben, wie Österreich vor 61 Jahren ausgeschaut hat, moralisch am Boden, materiell zerstört. (Abg. Broukal: Moralisch am Boden nicht! Nein, das nicht! – Abg. Öllinger: Was und wen meinen Sie denn damit, wenn Sie von „moralisch am Boden“ sprechen? Die alten Nazis?)

Spätestens da habe ich mich gefragt, als einer, der keinen Krieg erlebt hat: Wie war es möglich, dieses Österreich so aufzubauen, dass wir heute so leben können, wie wir leben? – Weil es Menschen, weil es Verantwortungsträger gegeben hat – über Berufs­gruppen hinweg, über politische Parteigrenzen hinweg –, die gewusst haben: Wir müs­sen zusammenhalten! Deswegen ist es gelungen, dieses Österreich so aufzubauen – und weil wir heute und seit 2000 einen Bundeskanzler haben, der der beste der Zwei-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 103

ten Republik ist, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abge­ordneten von Freiheitlichen – BZÖ. – Abg. Broukal: Besser als Raab und Figl?) Dieses Team um Wolfgang Schüssel gibt den Menschen das, was sie sich wünschen, nämlich umfassende Sicherheit: Sicherheit in der Wirtschaftspolitik, Sicherheit in der Arbeitsmarktpolitik, Sicherheit in der Bildungspolitik, Sicherheit in der Steuerpolitik, meine Damen und Herren, und als Agrarvertreter sage ich: vor allem auch Sicherheit für den ländlichen Raum und für die bäuerlichen Familien. Herzlichen Dank dafür, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Zahlen sprechen für sich, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Durch Steuerreformen, durch Wachstumspakete ist es gelungen, den Wirt­schaftsstandort Österreich abzusichern, den Wirtschaftsstandort Österreich attraktiv zu machen für Investoren.

Schauen wir uns die Beschäftigtenzahlen an. Sie sind die höchsten – wir haben es schon gehört –, 124 000 Beschäftigte mehr. Das heißt, pro Tag 100 Arbeitsplätze plus in Österreich. (Abg. Öllinger: Das stimmt aber nicht!) Vergleichen wir das mit Rot-Grün in Deutschland: 1 000 Arbeitsplätze minus. Das ist der Unterschied zwischen der Regierungspolitik der Österreichischen Volkspartei und einer rot-grünen Regierungs­politik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Wir haben – ich sage das in Dankbarkeit – gleich zu Beginn dieser Legislaturperiode ein neues Bundestierschutzgesetz verabschiedet, und zwar einstimmig – dafür danke ich allen Fraktionen –, ein neues Bundestierschutzgesetz, mit dem es uns gelungen ist, auch uns Bauern gelungen ist, einerseits die Sehnsüchte der Konsumenten wahr­zunehmen, mit dem es uns aber gleichzeitig gelungen ist, Sie zu überzeugen, dass wir auch die Praxistauglichkeit für unsere bäuerlichen Betriebe brauchen. Auch das haben wir hier gemacht, wir haben neun Ländergesetze in ein sehr modernes, in ein europaweit modernes Bundestierschutzgesetz zusammengeführt.

Meine Damen und Herren! Wir haben ebenfalls hier im Hohen Haus über den ländlichen Raum diskutiert; vor einem Jahr hat diese Diskussion massiv begonnen. Schade, dass Herr Kollege Gusenbauer jetzt nicht da ist (Abg. Neudeck: Na, so schade ist das nicht! – Gegenruf des Abg. Dr. Einem), denn das, was Sie da an Verunsicherung zu den Menschen im ländlichen Raum in ganz Österreich getragen haben, vor allem zu den Bäuerinnen und Bauern, war geradezu unverantwortlich, Herr Kollege Einem! (Abg. Reheis: Sie haben das zu verantworten!) Unverantwortlich war es, was Sie da gemacht haben! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage heute hier danke an Wolfgang Schüssel (Abg. Reheis: Ja, danke!), danke an Sepp Pröll, danke an Ursula Plassnik, dass es gelungen ist, für die Zeit von 2007 bis 2013 nicht nur gleich viele Mittel für den ländlichen Raum sicherzustellen, sondern mehr sicherzustellen, als wir gehabt haben, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Ein großartiger Erfolg von Wolfgang Schüssel, Sepp Pröll und Ursula Plassnik! Herz­lichen Dank! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ. – Abg. Öllinger: Bitte sagen Sie noch ein paar Dankeschön!)

Sie haben ja gar nicht erkannt, worum es dabei geht. Da geht es nicht nur um die Bauern. Wenn Sie 50 Prozent gekürzt hätten, hätten Sie 530 000 Arbeitsplätze in Öster­reich gefährdet. Sie sind eine Gefahr für Arbeitsplätze im ländlichen Raum! (Beifall bei der ÖVP.)

Sie hätten mit Ihrer Politik auch das Anforderungsprofil der Konsumenten zerstört. Was wünscht sich denn der Konsument? – Der Konsument wünscht sich sichere Lebens­mittel – nachvollziehbar, umweltgerecht, tiergerecht. Wir sollen die Landschaft offen halten. Sie hätten mit 50 Prozent Kürzung dies massiv gefährdet!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 104

Uns ist es gelungen, dass für die Bergbauern nicht um 50 Prozent weniger zur Verfügung steht, so wie Sie es wollten, sondern mehr zur Verfügung steht.

Uns ist es gelungen, dass für das Umweltprogramm nicht 50 Prozent weniger zur Ver­fügung steht, wie die SPÖ es wollte, sondern dass mehr zur Verfügung steht.

Uns ist es gelungen, dass wir auch in Zukunft Projekte im ländlichen Raum realisieren können. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Heinzl: Ihnen ist gar nichts gelungen! – Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: 22 000 Bauern weniger!)

Herr Kollege Kummerer, ich habe dich gestern sehr gelobt wegen deiner Hand­schlagsqualität. (Abg. Schöls: Das war ein Fehler!) Ich schätze dich immer noch so sehr, aber den Sinn dieses grünen Paktes hast du leider auch nicht erkannt. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: 22 000 Bauern weniger!)

Meine Damen und Herren! Wir haben gerade auch für die kleinen Gemeinden – und Sie wissen alle, wenn Sie draußen sind, wie schwer es gerade diese kleinen Ge­meinden haben – mit dem Finanzausgleich ein positives Signal gesetzt, weil die kleinen Gemeinden bisher nämlich gleich viel in den Topf einzahlten, aber um 50 Pro­zent weniger herausbekommen als die großen.

Daher haben wir gesagt, wir wollen Gerechtigkeit, wir wollen Gerechtigkeit in der Aufteilung der Mittel. Es ist gelungen, dass wir gemeinsam mit unserem Bundeskanzler 80 Millionen € mehr für diese Gemeinden zur Verfügung stellen können. – Auch ein großartiger Erfolg dieser Bundesregierung unter Wolfgang Schüssel! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Scheibner.)

Der Herr Bundeskanzler hat es bereits angeschnitten: Breitbandtechnologie, Infor­mationstechnologie. Auch da wurde in den Wachstumspaketen, und zwar mit 60 Millionen €, sichergestellt, dass man auf der einen Seite sozusagen die Welt ins Dorf bekommt und auf der anderen Seite die Produkte, die Landschaft, die Ideen in Sekundenschnelle in die Welt hinausstellen kann. (Abg. Schopf: 20 Prozent!) Wahrscheinlich kommen Sie nie in den ländlichen Raum. (Abg. Schopf: Im Mühlviertel 20 Prozent!)

Da gibt es positive Beispiele. Ich sage Ihnen, auf einmal gibt es dort Arbeitsplätze. Auf einmal gibt es dort, wo sich sozusagen Fuchs und Henne gute Nacht gesagt haben, 450 Arbeitsplätze. Auf einmal gibt es in Georgsberg im Bezirk Deutschlandsberg die Firma TCM, Autozulieferer für Opel, oder die Firma IBS, Zulieferer für die Papier­industrie, 250 Arbeitsplätze in Teufenbach im Bezirk Murau oder die Firma KLH, dank Breitbandtechnologie 80 Häuser für die Olympiade in Turin. Das sind einige Beispiele, die nur möglich sind dank der Politik der Österreichischen Volkspartei, dank dieser Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Ich bin dem Herrn Bundeskanzler sehr dankbar, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass er bei der Rede zur Lage der Nation ein Thema angeschnitten hat, das uns allen unter den Nägeln brennt: Es geht darum, in einem positiven Dialog mit den Konsumenten in Zukunft verstärkt den Wert der Lebensmittel zu hinterfragen. Wir haben deswegen auch gemeinsam die Aktion „So schmeckt Österreich – Geschmack der Heimat“ ge­startet, in der wir gemeinsam mit ihnen diesen Wert stärker hinterfragen wollen.

Wir werden gemeinsam mit Sepp Pröll eine Diätliste verabschieden, was den Agrarbereich betrifft, und auch mit unseren deutschen Freunden für die nächste Präsidentschaft, was den Bereich der Verwaltung betrifft.

Wir werden verstärkt auch das Thema Energie gerade im bäuerlichen Bereich für die Landwirtschaft, für den ländlichen Raum nutzen, weil wir da drei Faktoren haben, die


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 105

unschlagbar sind: Das ist die Unabhängigkeit, die Schaffung von Arbeit durch die Nut­zung neuer Technologien und gleichzeitig auch der Beitrag zum Schutz der Umwelt.

In diesem Sinne ist, wie ich meine, klar, was bei dieser Wahl passiert: Die Menschen wollen Sicherheit – und Sie wählen Sicherheit, das heißt die Österreichische Volks­partei und Wolfgang Schüssel. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Bitte, aufs Danken nicht vergessen! Häufig danken!)

12.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Klubobmann Dr. Cap. Ebenfalls 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


12.47.52

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Bundeskanzler, Hand aufs Herz: Haben Sie nicht auch das Gefühl, dass Sie heute etwas zu dick aufgetragen haben? Ich sehe schon ein, dass jetzt der Wahlkampf beginnt, und da will man sich im schönsten Licht präsentieren, das ist schon klar, aber normalerweise ist es doch so, dass man andere das Lob sagen lässt. Vielleicht war es Ihnen aber zu wenig Lob, was da von Klubobmann Molterer und von den anderen Rednern gekommen ist, sodass Sie, Herr Bundeskanzler, sozusagen nachbessern mussten, aber so viel Selbstlob habe ich überhaupt noch nie gehört. (Abg. Gahr: Ehre, wem Ehre gebührt!) Also Ludwig XIV. würde da unter einer Schamesröte erblassen! Das ist doch unmöglich, dass man sich da so präsentiert! (Abg. Dr. Fekter: Das tut euch weh, gell!)

Es ist natürlich eine Rollenteilung. Da kommt Klubobmann Molterer, der hat natürlich ein bissel hineinzubellen hier in die Arena – und dann kommt das Säuselnde, Staatstragende vom Bundeskanzler. Aber seine Gesichtssprache, dieses selbstverliebte Lächeln und wie er dort steht, so richtig satt und zufrieden, das sagt aus: Hier bin ich, und hier will ich bleiben! Das ist genau sein Ziel, und das lässt er hier auch noch verbreiten. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Molterer: Und dann gibt es die Rede des Herrn Cap!) Genau!

Dann gibt es das sektenhafte Verhalten der ÖVP-Fraktion hier. Sie warten nur darauf, dass Ihnen irgendein Blick vom Kanzler zugeworfen wird. Sie schmachten innerlich nach diesem Blick. Sie hoffen. Und: Wann kommt endlich der Höhepunkt? Wann dürfen wir aufstehen? Natürlich ist das alles inszeniert und ausgemacht worden. (Abg. Lentsch: Kein Wort davon! Kein Wort!) Man hat sich das vorher genau ausgemacht, von der Krawatte angefangen. Die rot-weiß-rote Krawatte soll hier ein bissel das staatstragende Element beschreiben. Dann irgendwann macht einer „schnipp“, und dann springt die ganze Fraktion auf und zelebriert den Jubel.

Ich versuche nur, das zu übersetzen für die Riege der Regierungsmitglieder. Innerlich haben sie dieses Selbstlob wahrscheinlich schon satt (Abg. Dr. Fekter: Wir mögen unseren Kanzler! Ihr mögt euren Vorsitzenden nicht! Das ist der Unterschied!), weil sie das bei jeder Ministerratssitzung miterleben müssen, aber hier müssen sie interessiert, begeistert, mit Zuwendung dreinschauen.

Ich habe die Szene mit Hochinteresse verfolgt, wie der Bundeskanzler gönnerhaft zu seinem „Ziehsohn“ Grasser gesagt hat: Bist du schon beigetreten? Und Grasser hat eigentlich, wenn ich mich recht erinnere, gesagt: Ja, wünscht du das, mein Kanzler? (Lebhafte Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.) Leichte Gesichtsröte ist aufgestiegen beim Finanzminister. Innerlich war er emotionalisiert. Was kann er von mir mögen? – Ich weiß nicht, welche Folgen das haben wird. Vielleicht wird Grasser jetzt hurtig sofort dieses Mitgliedsformular ausfüllen, aber es ist jedenfalls wirklich interessant in welch fast sektenhafter Weise versucht wird, halt das Beste zu zeigen. (Abg. Mag. Regler: Herr Cap, Sie sollten im Burgtheater auftreten!)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 106

Ich werde Sie jetzt überraschen, Herr Bundeskanzler. Ich habe mir das jetzt angesehen und ich bin so weit, zu sagen: Es war nicht alles schlecht; sonst hätten wir auch nicht so vieles gemeinsam hier beschlossen. Wirklich, es war nicht alles schlecht. So zum Beispiel die Aufhebung der Zweidrittelblockade bei den Schulgesetzen. Wir haben ein bisschen Druck ausüben müssen, denn da waren Sie nicht so dafür, aber es ist gegangen. Oder das Bundestierschutzgesetz. Es gibt Dutzende Materien, die wir gemeinsam beschlossen haben, weil wir uns hier eingebracht haben, weil wir unsere Ideen eingebracht haben und weil Sie zufälligerweise, aus welchen Gründen auch immer, bereit waren, das aufzunehmen, sodass wir es gemeinsam beschließen konn­ten.

Manchmal ist Ihnen das Wasser bis zum Hals gestanden (Abg. Dr. Fekter: Nein, das ist bei Ihnen mit dem ÖGB! – Abg. Scheibner: Oder mit der BAWAG!), aber wir haben im Interesse Österreichs, wenn es möglich war, auch einen Konsens gesucht, weil für uns Österreich wichtiger ist, nicht die ÖVP, die Ihnen wichtiger ist als Österreich, sondern weil uns Österreich wichtiger ist.

Oder es hat sicherlich mal öffentlichen Druck bei einzelnen Materien gegeben, sodass Sie förmlich gezwungen waren, auf Konsens zu gehen. Wir haben uns immer als konstruktive Opposition verstanden, die aber in Verantwortung für Österreich bereit war, hier auch so manches gemeinsam mitzutragen. Das war im Sicherheitsbereich, im Sozialbereich, im Sport, bei Wirtschaft und Schule. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ja, aber trotzdem.

Wissen Sie, Herr Bundeskanzler, Sie hätten Ihre Rede heute besser (Abg. Lentsch: Nein, nein, das geht nicht!), glaubwürdiger halten können. Sie hätten sagen sollen: Das und das ist mir gelungen, aber ich sage ehrlich, im universitären Bereich haben wir zu wenig Geld zur Verfügung gestellt, da haben wir die Demokratie abgebaut. (Abg. Dr. Fekter: Wer hat Demokratie abgebaut? )

Ja, mir ist das und das gelungen, aber Hand aufs Herz, wir haben leider doch bei den Pensionisten in die Taschen gegriffen. Wir haben das dann beim Konsum gespürt, und wir haben das dann beim Wachstum gespürt.

Ja, uns ist manches gelungen, aber aus ideologischen- und Werbegaggründen haben wir in Kauf genommen, dass die Arbeitslosigkeit gestiegen ist. Das Nulldefizit, das war nur etwas Religiöses, einmal mit Manipulationen haben wir es erreicht und jetzt nimmer mehr. Das ist uns nicht gelungen.

So könnte man die Liste fortsetzen: Ja, wir haben uns bemüht im Gesundheitsbereich, aber letztlich haben wir aus ideologischen Gründen vielleicht doch die Meinung vertreten, eine Zwei-Klassen-Medizin ist finanzierbarer und daher besser.

Ja, wir wollen mehr Privat im Pensionsbereich, im Sozialbereich, weil wir einfach überhaupt mehr Privat wollen, weil uns einfach eine Zweidrittelgesellschaft, ein bisschen eine Ellbogengesellschaft gar nicht so stört.

Ja, wir sind für Eliten, aber für soziale Eliten. Wir sagen, die, die oben sind, sollen oben bleiben, und die, die unten sind, sollen unten bleiben. Chancengleichheit, das mögen wir nicht, das hat der Kreisky erfunden, das ist nicht unseres.

Wissen Sie, so ein bisschen Selbstkritik wäre angebracht, aber bei Ihnen hört man so heraus, dass Sie der Meinung sind, der beste Kanzler aller Zeiten zu sein. Und über­haupt. Österreich hat – was für ein Glück – seit 2 000 Jahren, seit Marc Aurel, endlich wieder einmal jemanden, der das Land führt. – Ungefähr so ist diese Geistes­haltung.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 107

Wenn das natürlich durchscheint – ich bin jetzt fast Berater von Ihnen, Herr Bun­deskanzler, ich bin Ihr Berater –, wenn Sie das alles so präsentieren, werden Sie nicht glaubwürdig sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Wissen Sie, wenn Sie sich herstellen und über Sicherheit reden – und das haben mehrere Redner getan, das war eine Befehlsausgabe, die da gelautet hat: das Wort „Sicherheit“ muss vorkommen; es gibt Untersuchungen, die Österreicher lieben Sicher­heit –: Natürlich, mit Recht. Österreich ist ein schönes Land, ein stolzes Land, fleißige Menschen leben hier, die oft trotz dieser Regierung dafür gesorgt haben, dass sich dieses Land weiterentwickeln konnte. Trotz dieser Regierung! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber ich sage Ihnen etwas: Das Wort „Sicherheit“, was bedeutet das? Ist es wirklich sicherer geworden, wenn man seinen Lebensabend plant? (Rufe bei der ÖVP: Ja!) Nein, es ist nicht sicherer geworden, weil Sie in Wirklichkeit in diesem Bereich für Un­sicherheit gesorgt haben!

Sie haben für Unsicherheit gesorgt, wenn es gilt, die Chancengleichheit im Bildungs­bereich umzusetzen.

Sie haben für Unsicherheit gesorgt, wenn es darum geht, wirklich Chancen auf Be­schäf­tigung und Arbeitsplätze zu haben.

Sie haben in so vielen Bereichen für Unsicherheit gesorgt. Sicher war nur eines: dass dort, wo ein Posten im Staatsdienst frei wurde, ein Schwarzer hinkommt. Das ist Ihr Verständnis von Sicherheit. Dafür haben Sie sich eingesetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Sicher war, wenn der Finanzminister begonnen hat, Staatseigentum zu verkaufen, dass es unprofessionell passiert.

Sicher war, wenn er Börsengänge geplant hat, dass sie dilettantisch waren und nicht funktioniert haben.

Wir können das Wort „Sicherheit“ noch in vielfältigsten Bereichen anwenden (lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP), aber dass Sie so tun, als hätten Sie für Sicherheit gesorgt, das ist lachhaft.

Sicher ist, dass der Eurofighter-Kauf eine der größten Geldverschwendungen der Geschichte der Zweiten Republik ist. (Abg. Wattaul: Vergessen Sie die BAWAG nicht!) Herr Bundeskanzler, Sie waren doch heute geistig ohnehin in so einem Höhenflug: Haben Sie da oben in den Wolken nicht irgendwo den Eurofighter gesucht und nicht gefunden? Da stimmt doch etwas nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich kann Ihnen sagen, warum der Eurofighter nicht oben ist: Weil es hinten und vorne nicht funktioniert bei diesem sündteuren Kampfflugzeug, das Sie hier anschaffen wollen. (Abg. Großruck: Um die Hälfte billiger als der BAWAG-Skandal! Die Hälfte von der BAWAG-Pleite!) – Und so könnte man das fortsetzen.

Sicher ist, dass die Kultur viel zu wenig bekommen hat. Schauen Sie sich das an: ein völlig abgemagerter Staatssekretär Morak, der schon nichts mehr bekommt für sein Budget. Die Kultur hat bei Ihnen überhaupt keinen Stellenwert! Überhaupt keinen Stellenwert! Das sei hier auch einmal gesagt. – Sie denken gerade an die Schrott­panzer, weil Sie so verträumt schauen. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Das fällt ja auch unter den Begriff „Sicherheit“. Ist das Bundesheer wirklich ein Garant von Sicherheit. Wenn Sie in den Hangar gehen und dort einen Panzer sehen und Sie kommen mit dem Öl-Dings und wollen ihn ein bisschen fahrbarer machen, aber das geht nicht, weil er eigentlich zum Verschrotten ist – seien Sie doch ehrlich: Ist das Sicherheit? (Abg. Dr. Fekter – auf die Galerie weisend, wo eine große Gruppe von


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 108

Bundesheersoldaten sitzt –: Sind Sie gegen die jungen Menschen, die da oben sitzen?)

Der Herr Bundeskanzler sagt, wir haben jetzt 700 Polizisten geschaffen. Wie viele haben Sie vorher abgebaut? Wie viele Einsparungen haben Sie gemacht? Allein in meinem Bezirk ist das Kommissariat in Hernals geschlossen worden. Das ist mehr Sicherheit?

Wissen Sie, Sie müssen ein bisschen Distanz zu sich selbst, zu Ihrer von Ihnen selbst angenommenen Größe finden! Das schaffen Sie jedoch nicht. Wenn Sie diesen Schritt aber nicht wirklich schaffen, werden Sie die Größe, die Sie gerne hätten, nie erreichen. Da haben Sie wahrscheinlich ein bisschen einen Kreisky-Komplex, weil Sie einfach nie ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) In Wahrheit hat Dr. Schüssel ein Problem, und das heißt Bruno Kreisky. Überall, wo er hinkommt, wird er unter anderem an diesem Maßstab gemessen, und wird er es nicht ... (Abg. Neudeck: Ihr Problem ist der Kreisky!) Haben Sie wieder den Wasserkübel in der Hand? Ein bisschen Wassertragen für die Regierung oder was? Ich habe immer geglaubt, dass Sie ein bisschen einen eigenständigen Anspruch haben, aber den wollen Sie nicht entwickeln.

Aber ich war jetzt bei ganz etwas anderem. Ich war beim Kreisky-Komplex von Bundeskanzler Schüssel. (Abg. Dr. Fekter: Schüssel, das ist dieselbe Ebene wie Kreisky!) Das Problem ist, dass er an dem arbeitet. Das hat er ja im Gedankenjahr probiert. Da hat es Raab gegeben, Figl, Klaus – und dann eigentlich schon Schüssel. So ungefähr war diese Geschichtsbetrachtung, die der Bundeskanzler da entwickeln wollte.

Jetzt habe ich Sie wieder zurückgeführt in die Realität. Sie schauen so ernüchtert. Sie sehen jetzt eigentlich den Kanzler in einem anderen Bild als noch vorher, als Sie der Gruppendruck gezwungen hat, aufzuspringen und zu jubeln. Der Neugebauer schaut gequält; das Jubeln geht ihm schon auf die Nerven. Aber der Bundeskanzler hat gerade Ihr Mandat gesichert, er hat gesagt, Neugebauer soll bleiben. Da sollten Sie freu­diger schauen. Wieder hier sitzen, einen Platz versitzen als unabhängiger ÖGB-Vertreter oder was auch immer Sie hier sein mögen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Also das ist die Situation, vor der wir uns am Beginn des Wahlkampfes befinden. Wir wollen auch einen fairen Wahlkampf, und wir werden uns bemühen, den auch größt­möglich fair und erfolgreich zu führen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Meine Damen und Herren, wie vereinbart unterbreche ich nun die Sitzung für 15 Minuten.

Wir werden um 13.15 Uhr fortsetzen; erste Rednerin wird dann Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé sein.

*****

(Die Sitzung wird um 12.59 Uhr unterbrochen und um 13.16 Uhr wieder auf­genommen.)

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 109

13.16.28

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche - BZÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte kurz auf die Ausführungen meines Vorredners eingehen.

Herr Abgeordneter Cap hat gemeint, der Bundeskanzler habe sich zu sehr gelobt, er habe es so dargestellt, als ob seit Marc Aurel jeder froh sein müsste, dass es endlich einmal einen Bundeskanzler gibt, der das Land wirklich gut führt. – Es ist schon richtig, dass jeder froh war, dass nach 30-jähriger sozialistischer Kanzlerschaft endlich ein anderer Bundeskanzler kam. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ sowie der ÖVP.)

Das Lob für diese Bundesregierung kann gar nicht groß genug sein, denn was da alles weggeräumt werden musste an Hürden, an Hindernissen, an Belastungen, das kann man sich ja überhaupt nicht vorstellen! Und man kann über die Tätigkeit dieser Bundesregierung gar nicht diskutieren, ohne einen Blick auf die Situation vor dem Amtsantritt dieser Regierung im Jahre 2000 zu werfen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Wir sollten auf den Kollegen Cap warten! Er ist noch in der Mittagspause! Unglaublich!)

Es hat 130 Milliarden € an Staatsschulden gegeben, mit einem Zinsendienst von 7 Milliarden € jährlich – das zahlen wir jetzt noch –, und das Unangenehmste ist, dass 70 Prozent dieser 7 Milliarden Zinsen ins Ausland gehen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in diesen sechs Jahren, eben seit dem Jahre 2000, 46 Milliarden an Zinsen bezahlt; wie gesagt: davon 70 Prozent ans Ausland.

Wir standen damals, im Jahre 2000, vor der Zusendung des „blauen Briefes“ aus Brüssel. Österreich war in vielen Bereichen das Schlusslicht in der EU – und das hat sich wesentlich geändert!

Es hat damals kein Pensionssystem gegeben, das über Jahre gegolten hätte, sondern es sind immer nur Lösungen geschaffen worden über ein Jahr, über zwei Jahre hinweg, und dann hat man gesagt. So, und jetzt ist das Pensionssystem endlich saniert! – Tatsache war, dass die Pensionsregelung nur zwei Jahre lang gehalten hat.

Das Gesundheitssystem war überfordert. – Diese Bundesregierung hat auch das in Angriff genommen.

Wir hatten ein Fremdenrecht, mit dem der ungezügelte Zugang von Einwanderern gefördert wurde.

So war das alles! Das heißt also, man kann nicht genug loben, was alles in diesen sechs Jahren und zuletzt in den vier Jahren geschehen ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Diese Bundesregierung hat die zugegebenermaßen sehr, sehr schwere Reformarbeit aufgenommen. Und wenn heute Herr Abgeordneter Gusenbauer der Regierung vorgeworfen hat, dass man der Bevölkerung große Belastungen zugemutet hat, so muss man schon sagen: Das war deshalb notwendig, weil ein Reformstau ungeahnten Ausmaßes vorhanden war, und das müsste die SPÖ auch einmal zugeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wird von der Opposition immer wieder bemängelt, dass nur Steuererleichterungen zugunsten von Großbetrieben geschaffen worden sind. – Das Gegenteil ist wahr: Gerade mit der Körperschaftsteuer ist erreicht worden, dass sich Unternehmen in Österreich angesiedelt haben! Im Bericht der Austrian Business Agency heißt es, im Jahre 2005 haben sich 123 ausländische Unternehmen in Österreich angesiedelt; der Trend zur Abwanderung von Firmen­zentralen ist gestoppt worden.

So muss man das alles sehen, Herr Abgeordneter Gusenbauer – er ist leider jetzt nicht da.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 110

Es stimmt, dass wir auf der einen Seite 5 Milliarden € für eine positive Arbeits­markt­politik ausgeben, aber auf der anderen Seite zahlen wir, wie gesagt, 7 Milliarden € an Zinsen für die verfehlte Finanzpolitik der SPÖ, als diese noch in der Regierung war. Sie hatten die wichtigsten Ressorts inne, Sie hatten das Sozialressort, Sie hatten das Finanzressort – überall dort hätten Sie reformieren können, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ!

Aber ich möchte noch etwas sagen: Durch verschiedene, gut durchdachte Kon­junkturbelebungspakete haben wir jetzt eine sehr positive Situation, eine blühende Wirtschaft, in der mehr Arbeitsplätze geschaffen worden sind, als je in der Ver­gangenheit vorhanden waren. Und das kommt allen zugute! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte schon auch sagen, dass viele Reformen ohne uns als Koalitionspartner nicht zustande gekommen wären beziehungsweise nicht so zustande gekommen wären. Ich verweise beispielsweise darauf, dass zum ersten Mal seit dem Jahre 1997 das Pflegegeld erhöht worden ist. (Abg. Haidlmayr: Ein Mal! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ein Mal ist besser als kein Mal!) – Aber früher ist es überhaupt nicht oder es ist fast zehn Jahre lang nicht erhöht worden. Jetzt, zum ersten Mal, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ sowie des Abg. Neugebauer.)

Es ist das Gleichbehandlungsgesetz geschaffen worden.

Es ist die Behindertenmilliarde geschaffen worden, wodurch Hunderte von behinderten Menschen einen Arbeitsplatz bekommen können.

Wir haben durchgesetzt, dass das Staatsbürgerschaftsgesetz geändert wird, dass es nicht mehr so leicht ist, in Österreich Staatsbürger zu werden, und dass die vorzeitige Einbürgerung ein Ende findet.

Wir haben die Zusammenlegung der Exekutive erreicht. Das war ein Projekt, das sozialistische Innenminister nie zustande gebracht haben. Löschnak hat davon ge­redet, Schlögl hat davon geredet, ja Blecha schon seinerzeit, aber es ist jetzt zustande gekommen. Dadurch wird sehr viel Geld gespart. (Abg. Neugebauer – in Richtung SPÖ –: Nur geredet, nicht gehandelt!)

Im Fremden- und Asylrecht haben wir jetzt mit Frau Minister Prokop und Frau Minister Gastinger ein Gesetz geschaffen, womit wir wirklich verhindern können, dass illegal Eingewanderte hier blieben und sich in Österreich niederlassen. Es ist nun möglich, dass wir als Asylland unterscheiden können, wer wirklich asylbedürftig ist und wer nicht. Jene, die tatsächlich nach der Genfer Flüchtlingskonvention ein Recht haben, um Asyl anzusuchen, sollen hier bleiben, sie sollen ein Asylverfahren bekommen, aber diejenigen, die nur kommen, um die Einwanderungsgesetze zu umgehen, wollen wir nicht nach dem Asylgesetz behandelt wissen. Und das haben wir in dieser Legis­laturperiode durchgesetzt. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Wenn man Ihnen von der Opposition zuhört, dann glaubt man wirklich – heute Gusenbauer, Cap und wer Sie aller geredet haben –, Sie reden von einem anderen Land, von einem Land, in dem Armut, Notstand und Krankheit herrschen. (Abg. Mandak: Es gibt viele kranke Menschen!) Das stimmt doch alles nicht! Ich frage mich wirklich: Warum machen Sie dieses Land so schlecht? Das kann nur politisches Kalkül sein – und das lehnen wir ab!

Aber offensichtlich gibt es diesen Angstpopulismus wirklich. Da hat es einen SPD-Vorsitzenden gegeben, Herrn Platzeck, der in seiner Abschiedsrede – denn offen­sichtlich hat er sich erst da getraut, dies wirklich auszusprechen – gesagt hat: Es gibt


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 111

eine Strömung im linken Lager, den Angstpopulismus der Linken, der die populistische Verbreitung von Angst, und zwar Existenzangst, zum Ziel hat.

Und das betreiben Sie, insbesondere die Grünen! Sie wollen der Bevölkerung wirklich nur Angst einjagen. Trennen Sie sich von diesem Angstpopulismus, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Das ist das Ziel Ihrer Politik geworden, aber gerade in einer Zeit, in der wir vor sehr großen Herausforderungen stehen – ich denke an die Globalisierung, an die Gefahr der Arbeitsplätze im Zusammenhang mit der Globalisierung (Abg. Öllinger: „Die Gefahr der Arbeitsplätze“ war gut!), an den Migrationsdruck, an die Krimi­nalitäts­belastung –, ist das der falscheste Weg, der Weg der Verunsicherung, den Sie gehen. (Abg. Sburny: Wir kritisieren nur!)

Wir brauchen Zuversicht – und nicht Pessimismus! Wir brauchen Vertrauen – und nicht Verunsicherung! Wir brauchen Hoffnung, insbesondere für die Jugend – und nicht Schwarzmalerei, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Frei­heitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Sie tun der Bevölkerung nichts Gutes, wenn Sie angesichts des bevorstehenden Wahlkampfes nur Ihre Angstpolitik fortsetzen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch – in Richtung SPÖ –: Ertrinkende schlagen um sich!) Ich bin überzeugt davon, die Bevölkerung wird sich daran orientieren, was in diesen vier Jahren beziehungsweise sechs Jahren für Österreich geschehen ist. Da sind Weichen für die Zukunft gestellt worden, die vorher von niemandem in Angriff genommen worden sind. (Abg. Mandak: Das sehen wir anders!) Und dafür gebührt dieser Bundesregierung ein sehr großes Lob. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Frau Dr. Pablé hat es auf den Punkt gebracht! Erfahrung ist schon etwas wert!)

13.25


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger.

 


13.25.29

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Die Jubelreden der ÖVP sind jetzt ein bisschen abgeflaut, vor allem ist diese Inszenierung weg: diese rot-weiß-roten Taferln, ganz zufällig passend zur rot-weiß-roten Krawatte des Kanzlers und zur rot-weiß-roten Krawatte des Nationalratspräsidenten. Ich finde es schon beachtlich, wie Sie hier versuchen, uns zu erklären, Österreich ist „ÖVP-tanien“. – Das ist es nicht, das wird es auch nicht werden. (Abg. Scheibner: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?) Jegliche Kritik an der ÖVP ist mehr als zulässig. Sie ist dringend notwendig und sicher keine Kritik an Österreich. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler, Sie haben mir vorhin vorgeworfen, ich hätte nur ein Thema. Das ist erstens nachweislich falsch, und falls Sie sich zweitens die Mühe machen würden, gelegentlich vom Olymp Ihrer angeblich historischen Kanzlerschaft ein wenig ins Parlament herabzusteigen (Abg. Neudeck: Das ist vom Cap abgeschrieben!), hätten Sie gemerkt, dass die Grünen und auch ich persönlich ein paar Themen mehr haben. Ich werde sie Ihnen auch gleich anführen, aber nichtsdestotrotz ist das ein wichtiges Thema.

Sie haben sich damit gebrüstet, dass Sie – ich nehme an, nicht Sie persönlich, sondern die Bundesregierung – den Anteil der Windenergie in Österreich verfünffacht haben. Stimmt! Die Windenergie wurde verfünffacht. Gegen viele Widerstände haben viele Initiativen und Gemeinden das auf Grundlage eines Gesetzes durchgeboxt, das Sie vor ein paar Monaten abgeschafft haben, das berühmte Ökostromgesetz, das zu einem


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 112

Umweltzerstörungsgesetz gemacht wurde. Sie haben gesagt: Deckel drauf, wir haben genug Windenergie – nicht so viel ausbauen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Grillitsch: Das stimmt ja gar nicht! Das ist seit 1. Juni in Kraft! Haben Sie geschlafen? – Zwischenbemerkung des Bundeskanzlers Dr. Schüssel.)

So schaut auch gleichzeitig Ihre Wachstumspolitik aus. Wirtschaftspolitisch ist es völliger Humbug, wenn Sie mir das Wort erlauben, Wachstumsbranchen einfach „abzudrehen“ und aus irgendwelchen ideologischen Gründen zu sagen, wir brauchen in Österreich nicht so viel Windenergie.

Das ist außerdem energiepolitisch und von der Klimaschutzpolitik her ein völliger Wahnwitz. Ich erinnere nur daran, welche Situation es letzten Winter gab, welche Probleme, als Putin den Ölhahn zudrehte, es kam zu explodierenden Heizkosten für viele Menschen, und erneuerbare Energie ist die große Zukunftsperspektive. Aber nein! Die ÖVP sagt: So viel erneuerbare Energie brauchen wir nicht, Schluss mit der Windenergie! Deckel drauf, das Ökostromgesetz wird reformiert und wird zu einem Umweltbremsergesetz! (Abg. Grillitsch: Wir sind die Einzigen, die ... wahrnehmen!)

Ein zweites Thema ist gleich direkt die Atompolitik, wo Sie das gemacht haben, was Sie am meisten geübt haben – ob es das ist, was Sie am besten können, wage ich jetzt nicht zu beurteilen –, nämlich geschwiegen haben Sie viel, wenn es um Atompolitik gegangen ist. Erst gestern wurden die Nachrichten von Meldungen dominiert, wie weltweit und auch innerhalb der EU die Atomenergie auf dem Vormarsch ist, wie das jetzt auf dem G-8-Gipfel ein Thema ist. Man versucht, die angeblich saubere Atomenergie wieder international zu pushen.

Wie hat sich denn die EU während der österreichischen Präsidentschaft auf diesen G-8-Gipfel vorbereitet? Welche Initiativen gab es denn von Ihrer Seite, Herr Bun­deskanzler, der Sie in dieser Ratspräsidentschaft große Gestaltungsspielräume hatten, um eine Allianz der atomfreien Staaten innerhalb der EU zu organisieren und sicherzustellen, dass die EU nicht wieder in einen völlig verkehrten Atomkurs ein­schwenkt? – Nichts hat es gegeben! (Beifall bei den Grünen.)

Ein Satz von Ihnen ist mir besonders in Erinnerung geblieben, Herr Kanzler, den habe ich mir wörtlich aufgeschrieben, nämlich zur Debatte, was Familie und Familienpolitik ist und was Ihre Fraktion, die ÖVP, als Familienpolitik betreibt. Sie haben doch tatsächlich behauptet – „Familie“ in Ihrer Definition lautet: verheiratet, mit Trauschein ordentlich zusammenlebend, ein Mann, eine Frau, ein bis zwei oder auch mehrere Kinder im selben Haushalt; das ist Ihre Definition von Familie, die einzige, die Sie rechtlich abgesichert haben und mit Rechten und Möglichkeiten ausstatten –, Sie haben gesagt: Das ist dort, wo Liebe und Zuneigung herrschen und die Kinder in Liebe und Zuneigung aufwachsen.

Herr Bundeskanzler, wollen Sie allen Ernstes sagen, dass bei Paaren, die keinen Trauschein haben, die Kinder nicht in Liebe und Zuneigung aufwachsen? (Beifall bei den Grünen.) Dass bei Patchwork-Familien nicht Liebe und Zuneigung herrschen können? (Abg. Steibl: Das ist eine Unterstellung! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie verdrehen das alles!) Und dann wollen Sie, dass wir das nicht als reaktionär bezeichnen?

Es tut mir sehr Leid. Gehen Sie einmal in sich und schauen Sie sich die Realität der Familien, der Lebensgemeinschaften und Lebensformen an, in denen angeblich vieler­orts Liebe und Zuneigung herrscht! – Nicht in allen Familien herrscht Liebe und Zuneigung.

Damit komme ich zum zweiten Thema. (Abg. Scheibner – ein Exemplar des Regierungsprogramms in die Höhe haltend –: Ich könnte Ihnen ein paar Themen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 113

geben!) Sie sehen, ich habe ein paar mehr Themen als nur das eine, Herr Bun­deskanzler. Das zweite Thema ist natürlich eines, das Sie nicht so rasend gerne hören: Wie geht es denn in Österreich nach sechs Jahren Bundeskanzler Schüssel und dieser Bundesregierung den Frauen? (Abg. Steibl: Besser ausgebildet! Beruf und Familie vereinbar!)

Das kann man sich ganz simpel durchrechnen. Herr Bundeskanzler! Seit Sie Kanzler sind, sind an jedem einzelnen Tag dieser Regierungsperiode 18 Frauen zusätzlich arbeits­los geworden. (Abg. Steibl: Das kann nur eine Statistik der Arbeiterkammer sein!) Die Regierung hat in ihrer Politik de facto gesagt, prekäre Beschäftigung und ein bisschen Teilzeitarbeit für Frauen müssen reichen. Sie feiern immer die Beschäftigtenzahlen ab, aber Sie sagen nicht dazu, dass Vollzeitjobs für Frauen immer schwieriger zu bekommen sind.

Sie haben den Frauen das Kinderbetreuungsgeld als Trostpflaster gegeben, in Wirk­lichkeit aber als Sackgasse angeboten, denn die Rückkehr aus der Zeit des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld in die Berufstätigkeit hat sich für viele Frauen als überraschend schwierig erwiesen. Und daran ist im Wesentlichen Ihre Politik schuld. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Steibl: Warum wollen Sie dann eine Ausdehnung auf 30 Monate? Das passt nicht zusammen!)

Herr Bundeskanzler, Sie haben uns gerade vorhin großartig erklärt, dass bereits 56 Prozent der Maturanten und Maturantinnen Mädchen sind. – Das ist korrekt. Es ist auch korrekt, dass 52 Prozent der StudienabgängerInnen junge Frauen sind. Herr Bundeskanzler! Können Sie mir sagen, wie viele Frauen in den Rektoraten der Universitäten in Österreich sitzen? Genau null! Bei den Professoren und Professorinnen sind es knapp über 10 Prozent, aber das interessiert den Herrn Bundeskanzler wieder weniger. Das kennen wir ja schon.

Bei der Einkommensgerechtigkeit bietet sich dasselbe Bild. Statt notwendiger dringender Fortschritte, statt Maßnahmen, mit denen man sicherstellen kann, dass Frauen im gleichen Job dasselbe verdienen wie Männer, nichts dergleichen. Ich frage Sie: Ist das etwas so Vermessenes? (Abg. Steibl: Da hätte die Gewerkschaft etwas machen können!) Sollte es nicht selbstverständlich sein, dass eine Frau das Gleiche verdienen kann und darf wie ein Mann im selben Job? (Beifall bei den Grünen.) Statt da Maßnahmen zu setzen sagen Sie de facto: Es reicht doch, wenn eine Frau ein bisschen dazuverdient!

Das ist das Modell, das Sie zum Beispiel in der Steuerreform unterstützt haben. Die eigenständige Existenzsicherung für Frauen kommt bei Ihnen nicht vor. Minister Bartenstein hat sogar einmal hier im Parlament sinngemäß davon gesprochen, dass man den Arbeitsmarkt von den Frauen entlasten muss. (Abg. Neudeck: „Sinn­gemäß“! – Abg. Steibl: Sinngemäß heißt nicht wortgetreu! Das ist eine Unterstellung! Alles madig machen und schlechtmachen!) Das heißt, das Kinderbetreuungsgeld kommt ganz recht, denn dann ist der Arbeitsmarkt entlastet. Ich kann Ihnen das Zitat jederzeit liefern, das habe ich in meinen Unterlagen.

Besonders „gut“ auf den Punkt gebracht wird Ihr Frauenbild durch ein Zitat von Staatssekretär Finz, der jetzt gerade nicht im Saal ist (Abg. Neudeck: Er hat sich etwas erspart!), der gesagt hat: Jede Stimme zählt, selbst die einer Frau.

Das wird ja demnächst wieder Thema sein, die Wahlwerbung setzt ein. Die ÖVP wird sich wieder denken: Jede Stimme zählt, selbst die einer Frau! – Aber ich sage Ihnen eines: Wer Frauen mit einer derartigen Geringschätzung begegnet, wie Sie das in Wort und in Tat tun, hat auf der Regierungsbank nichts verloren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 114

Kommen wir zum dritten Punkt! Ich verstehe wirklich nicht, wie sich eine Regie­rungspartei, die sich früher einmal zumindest christlich-sozial oder zumindest als sozial engagiert selbst bezeichnet hat, damit brüsten kann, dass mehr Menschen in Schub­haft genommen worden sind, mehr Menschen an den Grenzen abgeschoben, nicht hereingelassen, um ihr Asylrecht gebracht worden sind und dass wir jetzt eines der schärfsten Asylgesetze Europas haben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir wollen keine Illegalen da haben!)

Wenn das der FPÖ, jetzt BZÖ, in den Kram passt, überrascht das wenige. Dass sich aber die ÖVP hier völlig auf diese Seite hat ziehen lassen, sollte zumindest den Wählerinnen und Wählern zu denken geben. (Beifall bei den Grünen.)

Ich habe mir, da Herr Klubobmann Molterer heute Morgen schon mit sieben fetten“ und sieben mageren Jahren“ so biblische Töne angeschlagen hat (Abg. Steibl: Das war eine gute Rede! Das kann man von euren nicht sagen!), er generell diesen Hang hat, gedacht, vielleicht schätzen Sie es, wenn ich auch meinen Katechismus bemühe, um einen Vergleich zu finden. Ich habe mir die sieben Todsünden angeschaut. Das ist keine uninteressante Literatur.

Ich darf das also ein wenig vergleichen. Die sieben Todsünden sind erstens – ob man Ihnen das vorwerfen kann?, das ist vielleicht ein bisschen gewagt –: Die Koalition mit Haider als Unkeuschheit einzuordnen – im übertragenen politischen Sinne –, darüber mögen die Gelehrten streiten. (Abg. Dr. Mitterlehner: Ein bisschen weit weg!) Ich finde, ein bisschen etwas Unsauberes hat es allemal gehabt. (Abg. Scheibner: Seien Sie vorsichtig!)

Die Todsünde des Geizes haben Sie in meinen Augen jedenfalls bewiesen. Schauen wir uns nur einmal Ihre Budgetpolitik an! Die Armen sind in diesen Jahren immer ärmer geworden. Die Habgier, das Vermögen dort zu scheffeln, wo Vermögen ist, ist ein­deutig nachgewiesen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ganz ruhig bleiben! Sie werden das schon verkraften.

Neid und Hass gegen Ausländer und Menschen, die keinen österreichischen Reise­pass haben, zu schüren, das haben Sie hinlänglich bewiesen.

Zorn und Vergeltung. Wie Sie mit dem politischen Gegner umgehen, ich glaube, das muss man auch nicht weiter kommentieren. (Zwischenruf des Abg. Dr. Mitterlehner. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Die Unmäßigkeit ist ein interessanter Aspekt. Wenn ich mir Ihre machtpolitischen Ambitionen anschaue – da ist Unmäßigkeit allemal gegeben.

Rhetorisch haben Sie Hochmut bewiesen.

Und letzten Endes die Trägheit des Geistes und des Herzens. (Ironische Heiterkeit des Abg. Neugebauer.) Das ist, so glaube ich, der Hauptvorwurf, den man Ihrer Politik machen muss. (Beifall bei den Grünen.)

13.36


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizekanzler Gorbach. – Bitte.

 


13.36.09

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Geschätzter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen der Bundesregierung! Gerade das, was ich hier zuletzt gehört habe, ist schon sehr bemerkenswert. Die grüne Abgeordnete hat gemeint (Abg. Neudeck: Hochmut kommt vor dem Fall!), sie sei, aus welchen Gründen auch immer, froh, dass verschiedene Menschen auf der Regierungsbank nichts


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 115

verloren haben werden. Ich bin froh darüber, dass die österreichische Bevölkerung diese Entscheidung treffen wird und nicht eine Abgeordnete von den Grünen. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Ja, sehr gut!)

Frau Abgeordnete, Sie haben sich am Beginn Ihrer Rede, aber nicht als Erste oder Einzige, auch darüber gewundert, dass es heute so etwas wie Jubelmeldungen gibt, wenn man über die Arbeit dieser Regierung in dieser Legislaturperiode Bilanz zieht. Da muss man sich nicht wundern, glaube ich. Im Gegenteil! Man sollte sich freuen, denn, wenn Grund zu Jubel und zur Freude gegeben ist, dann soll man sich auch öffentlich freuen. Ich freue mich, dass Österreich so gut dasteht. Und das soll man in solch einer Debatte auch sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Bei Debattenbeiträgen der Opposition, insbesondere auch von Herrn Kollegem Cap, hatte ich eigentlich dann und wann den Eindruck, dass es einigen Abgeordneten dieses Hauses geradezu peinlich ist, dass es Österreich so gut geht. Das sollte nicht der Fall sein – bei allem Verständnis für oppositionelle Haltungen und parteipolitische Überlegungen, gerade in Zeiten wie diesen. (Abg. Dr. Stummvoll: Wirklich nicht!)

Betrachten wir die nackten Zahlen! Schon der deutsche Mathematiker und Wirtschaftswissenschafter Helmut Nahr hat einmal gemeint: Die Bilanz ist das Jahreszeugnis der Manager. Das sind in Zahlen gegossene Leistungsbilanzen. Was haben die Verantwortlichen geleistet?

Da ich selbst aus der Wirtschaft komme, tue ich das auch immer ganz gerne. Was haben wir uns vorgenommen? – Der Herr Bundeskanzler hat heute schon das Regierungsprogramm abgehakt. Zwei Punkte sind übrig geblieben, die werden wir eben gleich zu Beginn der nächsten Legislaturperiode erledigen, Herr Bundeskanzler – aber es werden noch welche dazukommen.

Ich ziehe also auch sehr gerne Bilanz. Angesichts des Vergleichs der politischen Arbeitsbilanz am Ende einer Legislaturperiode fragt man sich, was die Veränderung gegenüber früheren Werten, Indikatoren ist, damit man auch ein bisschen weiß, wie sich das Unternehmen Österreich unter dieser Führung entwickelt. Weiters wird ein Vergleich mit anderen Volkswirtschaften gezogen. Wettbewerb ist ja auch in der Politik etwas Gutes und Wichtiges. Aber natürlich stellt sich auch die Frage: Wie werden wir international beurteilt? Wie steht das Unternehmen Österreich international gesehen da?

Vor allem stellt sich die Frage: Wie fühlen sich die Kunden? Wie fühlen sich die Österreicherinnen und Österreicher? Wie fühlt man sich in diesem von Schwarz-Orange geführten Österreich? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Gut! Sehr gut!) – Ja, sehr gut. Das ist ein Zuruf, den man ja mancherorts sehr oft hört, wenn man Umfragen glauben kann. (Abg. Öllinger: Wer sind die „Kunden“? Sind das die Bürger?)

Eine weitere wichtige Frage beim Bilanzieren ist auch: Kann man daraus ablesen, dass die Weichen für die Zukunft für dieses Unternehmen richtig gestellt sind? Hat man noch schnell ein paar Reparaturen angebracht, um eine gute Bilanz legen zu können? Oder sind die Weichen so gestellt, dass auch mittel- und langfristig ein guter und sicherer Weg für das Unternehmen Österreich möglich ist?

Es wurde heute schon gesagt: Im Jahre 2000 hatten wir einen großen Reformstau abzubauen, einen Reformstau, der uns von Rot-Schwarz, der großen Koalition, übrig gelassen worden ist. Dieser ist mehr oder weniger abgearbeitet. Dieses Abarbeiten war auch unbedingt notwendig. Stark war unsere Arbeit in die Zukunft orientiert. Wir waren sehr reformfreudig. Ich bin froh darüber, dass Kollegin Partik-Pablé schon darauf hingewiesen hat: Es hat hier einen sehr starken, reformfreudigen Partner in Form des BZÖ gegeben!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 116

Wir sind viele Dinge angegangen, die zwar nicht angenehm, aber notwendig waren, etwa die Pensionsreform, die Pensionsharmonisierung; die zwei großen Steuer­reformen habe ich schon erwähnt, mit einer Entlastung, die ihresgleichen in der bisherigen Geschichte sucht. (Abg. Parnigoni: Was war das? Was war da groß?) Das hatte positive Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort und damit auf den Arbeitsplatzstandort, hat also auch Beschäftigungswirksamkeit gezeigt. Sie werden die Auswirkungen dann noch in anderen Vergleichen hören.

Wir haben die Forschungslandschaft neu aufgestellt, zukunftsorientiert gestaltet, inter­nationalisiert, wenn man so will. Wir haben eine Investitionsoffensive im Infrastruk­turbereich gestartet, wiederum eine, wie es sie nie zuvor in dieser Größenordnung gab, ja nicht einmal annähernd gab.

Insgesamt also nahm dieses Land eine gute Entwicklung. Man kann sagen, Österreich hat in diesen Jahren auf die Überholspur gewechselt, und auf dieser befindet es sich noch. Das ist auch belegbar, und zwar mit unbestrittenen – nicht einfach daher­gesagten, sondern unbestrittenen – Zahlen, die jeweils mit der Quelle bedient werden können.

Realität ist, meine Damen und Herren, dass Österreich heute das viertreichste Land in der EU ist. Realität ist, dass die Kaufkraft in Österreich um 23 Prozent höher ist als die Kaufkraft im EU-Durchschnitt. Das sagt schon sehr viel. Das ergibt den vierten Platz nach Luxemburg, Irland und Dänemark ex aequo mit den Niederlanden in einem entsprechenden Vergleich, der ganz nüchtern gezogen wurde, wo einfach Zahlen eingesetzt werden, die nicht manipuliert werden können.

Oder: Bei den Strukturindikatoren nehmen wir, wie schon gesagt wurde, den dritten Platz ein, nach Dänemark und Schweden. Was wird hier bewertet? Wichtige Dinge, die alle heute auch von der Opposition als wichtig erklärt wurden, etwa Eigenkapital- und Rücklagensituation in Unternehmen, Verwaltungsvorgänge bei der Einstellung von Mitarbeitern, E-Government, elektronische Behördendienste, staatliche Hilfen, Zahl der Unternehmensgründungen – Sie wissen, dass wir auch hier Rekordwerte haben –, Zahl der selbständigen Frauen in Industrie- und Dienstleistungssektoren, F&E-Aufwendungen in Prozenten zum BIP, Anzahl der Patente, Internet-Durchdringung in der Bevölkerung, Kommunikationskosten. – All das sind wichtige Dinge; das wird zusammengefasst, und da steht Österreich, meine Damen und Herren, europaweit an dritter Stelle. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das zeigt, Österreich ist auf dem Weg nach oben, und darüber sollte man sich freuen, ob man Regierungspartei oder Oppositionspartei ist.

Andere wichtige Indikatoren sind: Wie schaut es in Österreich aus, was das Wirt­schafts­wachstum, die Arbeitslosenquote, die Investitionsquote und die Defizitquote betrifft?

Wirtschaftswachstum, Zehn-Jahres-Vergleich: Österreich durchschnittlich 2,0 Prozent, Deutschland 1,3 Prozent, EU 1,8 Prozent; also sind wir besser.

Arbeitslosenquote, Fünf-Jahres-Vergleich: Österreich durchschnittlich 4,3 Prozent, Deutschland 8,5 Prozent, EU 8,8 Prozent.

Investitionsquote: Österreich 21,8 Prozent, Deutschland 17,4 Prozent, EU 19,5 Pro­zent.

Sie merken es: Österreich ist immer Spitze!

Defizitquote, um diesen Indikator auch noch zu nennen, der Durchschnitt von fünf Jahren: Österreich 1,0 Prozent, Deutschland 2,7 Prozent, EU 1,8 Prozent.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 117

Also eine wirklich gute Bilanz, die wir hier legen können. Diese wirkt sich auch in einer internationalen Studie aus, was den Wirtschaftsstandort betrifft. (Zwischenruf des Abg. Eder.) Da sind 60 Regionen – international, nicht nur in Europa – bewertet worden, und unter diesen 60 Regionen, Herr Kollege Eder, ob Sie es wollen oder nicht, ist Österreich von 2005 auf 2006 wieder vom 17. auf den 13. Platz nach vorne gerutscht. Man muss wissen, die USA führen diese Liste an, aber Österreich liegt auf dem 13. Platz sehr gut, vor Großbritannien, Platz 21, vor Deutschland, Platz 26, vor Frank­reich, Platz 28; Bayern zum Beispiel liegt auf Platz 16.

Beachtenswert ist, dass wir in den letzten Jahren einige interessante Länder und Regionen im Ranking dieser 60 Länder, die da bewertet wurden, überholen konnten, nämlich Schweden, jetzt auf Platz 14, Holland, Platz 15, Taiwan, Platz 18, Neuseeland, Platz 22.

Das heißt, Österreichs Werte sind rundum positiv, ob man internationale Statistik-Vergleiche oder interne hernimmt.

Intern wurde auch abgefragt, nämlich die österreichischen Unternehmer. Das ist für mich als Wirtschaftler wichtig, der weiß, dass es der Bevölkerung gut geht, wenn es der Wirtschaft gut geht. Wenn die Menschen Arbeit haben, wenn es Arbeitsplätze gibt, dann ist Wohlstand möglich.

91 Prozent der Unternehmer in Österreich – 91 Prozent, meine Damen und Herren von der Opposition – beurteilen die Standortbedingungen derzeit als sehr positiv. 91 Prozent, das muss man sich erst einmal geben! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

58 Prozent sagen, dass sie im kommenden Jahr – ein Blick in die Zukunft – zusätzliche Mitarbeiter einstellen werden. 54 Prozent zeigen sich über die konjunkturelle Situation sehr erfreut. Daraus resultierend: 55 Prozent vermelden bessere Geschäfte und wollen zukünftig mehr investieren.

Also wir haben eine gute Ausgangsposition. Man kann zusammengefasst sagen: Österreich hat im internationalen Vergleich ein höheres Wirtschaftswachstum als die EU, Österreich hat eine geringere Arbeitslosenquote als die EU, Österreich hat eine höhere Investitionsquote als der EU-Durchschnitt, und Österreich hat ein geringeres Defizit als der EU-Durchschnitt. Fazit: Österreich geht es gut! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Jetzt vielleicht noch ein paar Beispiele für Investitionen. Der Herr Bundeskanzler hat es angekündigt, ob die Infrastrukturinvestitionen so dramatisch werden, wie er es for­muliert hat, weiß ich nicht – dramatisch mehr als früher, das schon, sonst nicht dramatisch, weil sich die Menschen schon daran gewöhnt haben, dass in den wichtigen Infrastrukturausbau mehr investiert wird.

Investitionen in die Straße 2000 bis 2005 ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Das sind nackte Zahlen, die tun manchmal weh, ich weiß schon, Herr Matznetter. Nackte Zahlen tun manchmal weh, weil sie wahr sind.

Investitionen in die Straße 2000 bis 2005: 4,9 Milliarden €; in den nächsten fünf Jahren, bis 2010: 7,35 Milliarden €. Das ist das Dreifache pro Jahr dessen, was vor 2000 investiert wurde. Das tut Ihnen weh, ich weiß es. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Übrigens sind die Investitionen schön verteilt: Da ist die zweite Röhre Pfändertunnel in Vorarlberg genauso dabei wie die A 5 Nord Autobahn, die Süd Autobahn und verschiedene andere Maßnahmen in Österreich.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 118

Kommen wir aber zur Schiene: Investitionen 2000 bis 2004: 5,9 Milliarden €; für 2005 bis 2010 sind 8,55 Milliarden € vorgesehen. Im Vergleich dazu 1995 bis 1999: 3,7 Milliarden €. Also plus 134 Prozent – eine schöne Bilanz, wie ich meine, im Mehr-Tun, im Noch-mehr-Investieren! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Lassen Sie mich, weil es mir wichtig ist, am Schluss auch noch etwas zur Forschung sagen: Wir hatten 1999 eine Forschungsquote von 1,9 Prozent zum BIP, Sie wissen das. (Abg. Öllinger: Seibersdorf! Sagen Sie etwas zu Seibersdorf!) Wir haben uns vorgenommen, bis 2010 eine Forschungsquote von 3,0 Prozent zum BIP zu erreichen. Darüber haben einige gelacht.

Wir stehen 2006 nach neuester Prognose bei 2,43 Prozent. Das ist wiederum ein 7,9-prozentiges Plus gegenüber dem Vorjahr, und das sind in Zahlen ausgedrückt 6,24 Mil­liarden €, die 2006 in Österreich für Forschung und Entwicklung ausgegeben werden. (Abg. Öllinger: Sagen Sie etwas zum Herrn Graf und seinen Burschenschaftern! Die Oberforscher von Seibersdorf!) Überall, wo ich auftrete, diese Zahlen nenne, ernte ich Achtung für die Intensität, mit der Österreich sich nunmehr der Forschung und Entwicklung widmet, weil man offensichtlich sieht, dass Österreich erkannt hat, dass das Zukunftsmusik ist. Das ist Politik für die Zukunft, und das ist unterm Strich unsere Politik, die Sie, die Sie die Politik der Vergangenheit zu verantworten haben, eben nicht verstehen. Das ist mir schon klar. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Erlauben Sie mir heute die Feststellung: Es war zu Beginn des Jahres 2000, als Österreich die höchste Schuldenquote hatte, als Österreich die höchste Steuer- und Abgabenquote hatte (Abg. Dr. Matznetter: Das stimmt ja gar nicht, was Sie da sagen!), als Österreich das höchste Defizit, die höchste Defizitlast hatte – und jetzt steht Österreich in all diesen Bereichen sehr, sehr gut da, im nationalen Vergleich zu früher und vor allem auch im internationalen Vergleich.

Es geht Österreich besser denn je, und Sie sollten sich auch darüber freuen – wir freuen uns ganz besonders. (Abg. Öllinger: So schauen Sie aus!) Ich glaube, wenn wir heute Bilanz ziehen, so können wir mit Recht sagen, Schwarz-Orange hat gute Arbeit geleistet für Rot-Weiß-Rot. Deshalb meine ich, wir können sehr positiv auf den 1. Oktober blicken und sagen: Wir freuen uns auf diesen Tag, Österreich wird das honorieren! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP. – Abg. Parnigoni: Aber Sie sind sicher nicht mehr dabei!)

13.50


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim: Nach dieser Rede verstehe ich das Mienenspiel des Herrn Präsidenten! – Abg. Lentsch – in Richtung des Abg. Dr. Jarolim –: Deine Reden sind ja zum Schmeißen!)

 


13.50.10

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Wahlzeiten sind Zeiten der Unterscheidung, und da nennt jede Partei die Punkte, die ihr besonders wichtig sind. Wenn wir jetzt rekapitulieren, was die Parteien gesagt haben, ist mir besonders Kollege Cap in Erinnerung, der sich in seiner „eindrucksvollen Rede“ eigentlich damit beschäftigt hat, dass die ÖVP hinter dem Bundeskanzler steht, dass der Bundeskanzler auch in der Bundesregierung klar die Nummer eins ist, dass er national und international geschätzt ist. (Abg. Öllinger: Danke sagen! – Abg. Parnigoni: Danke, Wolfgang, dass du hinter uns stehst! – Weitere „Danke“-Rufe bei der SPÖ und den Grünen.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 119

Ich verstehe schon, Herr Abgeordneter Cap, dass Sie das kritisieren, denn als Sie da gestanden sind und Ihr Blick so in die erste Reihe gegangen ist, sind Sie an Ihrem Parteivorsitzendem Alfred Gusenbauer hängen geblieben, und da haben Sie sich gedacht – es ist eine Zeit der Unterscheidung –: Wie froh wäre ich, würden einmal alle jubeln und aufstehen, wenn Alfred Gusenbauer gesprochen hat?! Aber, meine Damen und Herren von der SPÖ, diesen Gusenbauer-Komplex in Ihrer Fraktion müssen Sie wirklich selbst aufarbeiten! Das hat jedenfalls mit einer Bilanz und auch mit den Zukunftsaussichten nichts zu tun. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Geschätzte Damen und Herren! Worauf es uns in erster Linie ankommt – und als Arbeitnehmervertreter darf ich sagen: auch für die Zukunft –, ist, dass die Arbeitsplätze in Österreich sicher bleiben. (Abg. Parnigoni: Da müssen sie zuerst sicher sein, damit sie sicher bleiben können!) Wir haben dazu in den vergangenen vier Jahren enorm viel getan. Erinnern Sie sich, dass wir in diesen vier Jahren – und das trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage – Konjunkturbelebungspakete beschlossen und eine Steuer­reform gemacht haben. In diesen vier Jahren sind im Bereich Arbeitsmarktservice so viele Ausbildungsmaßnahmen gesetzt worden, damit wir gerade in den neuen Berufen wie den Pflegeberufen, den Gesundheitsberufen für den neuen Arbeitsmarkt gerüstet sind.

Ich freue mich, dass die Bilanz dazu heute lautet: 124 000 neue Arbeitsplätze, Rückgang der Arbeitslosigkeit um 7 Prozent (Abg. Öllinger: Das stimmt ja nicht! Immer wieder die gleiche Leier! – Abg. Mag. Molterer: Weil es immer wieder richtig ist!), sodass wir wieder auf dem Weg in Richtung Vollbeschäftigung sind. Das freut mich als Arbeitnehmervertreter. Und das ist, wie ich meine, auch für Österreich und für die Zukunft wichtig, denn die Leute, die sich engagieren und fleißig arbeiten, sollen auch in der Zukunft die Sicherheit haben, dass ihre Arbeitsplätze erhalten bleiben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Meine Damen und Herren! Zeiten der Wahlauseinandersetzung sind Zeiten der Unterscheidung. Es ist auch eine Frage des Inhalts, welche Werte man ganz bewusst unterstreichen möchte. Heute gab es ja eine solche Werteauseinandersetzung in Ansätzen, was die Familienpolitik anlangt. Da darf ich Ihnen auch klar sagen: Während Sie von den Grünen sich vor allem ständig Gedanken machen und Seminare dazu veranstalten, was Familie eigentlich ist, haben wir etwas für die Familie getan, und zwar enorm viel!

In diesen Jahren gab es nicht nur ein Kinderbetreuungsgeld, da wurde nicht nur die Karenzzeit wieder auf zwei Jahre verlängert, sondern in diesen Jahren wurden die Familien auch entlastet, eben im Rahmen der Steuerreform. Ich darf darauf verweisen: In diesen Jahren wurde die Elternteilzeit als Rechtsanspruch verankert, und in diesen Jahren wurden die pensionsbegründenden Zeiten für die Kinderziehung von Frauen ausgeweitet.

Meine Damen und Herren, ich glaube man kann mit Recht sagen: Für Familien ist in diesen vier Jahren so viel geschehen wie noch nie zuvor. Das ist die sehr gute Bilanz, die wir ziehen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Das möchte ich auch noch festhalten: Wir sind durchaus stolz darauf, dass das Kinderbetreuungsgeld alle Mütter bekommen. Es sind heute 120 000 Frauen, die in den Genuss dieses Kinderbetreuungsgeldes kommen; fast 50 000 mehr. Die Tatsache, dass wir diesen Anspruch für alle Mütter geschaffen haben, zeugt schon auch von der Wertschätzung, die wir Kindern und Kindererziehung gegenüber darbringen. Das ist ein Wert, zu dem wir von der Österreichischen Volkspartei ganz besonders stehen. Und auch für die Zukunft möchte ich festhalten, dass unsere Programmatik in Richtung


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 120

Entlastung der Familien, in Richtung Hilfe für die Familien sowie auch die Wert­schätzung Familien gegenüber so bestehen bleiben wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Als drittes Unterscheidungsmerkmal darf ich die Frage der Sicherheit ansprechen. Ich begrüße alle Bundesheersoldaten hier auf der Galerie, sind es doch die Soldaten unseres Heeres, die für die Sicherheit unseres Landes sorgen. Ich bedanke mich bei Ihnen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Wir haben in diesen vier Jahren auch in Sicherheitsfragen klare Zeichen gesetzt: Schutz der Bevölkerung vor Kriminalität und gleichzeitig klare Regeln für die Ausländerpolitik. Da unterscheiden wir uns auch von Ihnen: Die Grünen wollen eine Ausländer-rein-Politik, und bei der SPÖ ist es so, dass es dem Kollegen Darabos nicht streng genug sein kann, und die anderen ... (Ruf bei der ÖVP: Zickzack!) – Ja, ein Zickzackkurs ist das! Man kennt sich da eigentlich überhaupt nicht mehr aus, was Sie von der SPÖ da wirklich wollen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Was wir wollen, sind klare Regeln. Wer in Österreich ist, der muss sich an unsere Regeln und Gesetze halten – und der muss auch Deutsch lernen. Wir haben daher ein neues Fremdengesetz geschaffen, mit dem diese Regeln klar festgelegt wurden. Wir haben ein neues Asylgesetz geschaffen, das dazu geführt hat, dass es weniger Asylwerber gibt; ebenso ein neues Staatsbürgerschaftsrecht, denn wir wollen, dass Österreich auch lebenswert für Österreicher bleibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

13.55


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Bures. – Bitte.

 


13.55.37

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist, denke ich, gut, dass das Ende der Regierung Schüssel in Sicht ist, und das hat die Debatte heute auch gezeigt, meine sehr geehrten Damen und Herren (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Keine falschen Hoffnungen!), denn diese Selbstbeweihräucherung von der Regierungsbank aus, von den Regierungs­vertretern haben die Leute schon satt.

Eigentlich hätten sich die Menschen auch ein bisschen Selbstkritik Ihrerseits erwartet, denn von all dem, von dem Sie hier sprechen, spürt die Mehrheit der Menschen nichts. Und das Bedauerliche daran ist, dass Ihnen das völlig egal ist. Ihnen ist es völlig egal, wie es dem Durchschnittsösterreicher geht, was er empfindet und wie die reale Lebenssituation ist. Wir konnten das in den letzten drei Tagen deutlich sehen: Sie machen eine abgehobene Politik und sind für die soziale Schieflage in Österreich verantwortlich. Das ist die Bilanz Ihrer Regierung!

Es gibt unzählige Gründe – wir haben heute schon viele gehört –, warum diese Regierung wahrlich nicht mehr gewählt werden sollte. Und ich möchte Ihnen heute noch einmal drei Gründe – weil ich sie wirklich für die wesentlichsten halte und weil sie mit dem Leben der Menschen so viel zu tun haben – nennen, warum Sie für die soziale Schieflage verantwortlich sind und daher abgewählt werden sollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der erste Grund: Sie sind dafür verant­wortlich, dass Österreich mit einer Arbeitslosigkeit und einer Jugendarbeitslosigkeit konfrontiert ist, die es noch nie in diesem Land gegeben hat! Sie sind dafür verant­wortlich, dass 50 000 junge Menschen keinen Job finden. Unter Ihrer Regierungs­verantwortung ist die Jugendarbeitslosigkeit um 85 Prozent gestiegen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 121

Das ist Ihre Bilanz, für die Sie sich heute schämen sollten und weshalb Sie selbst­kritisch an dieses Rednerpult treten sollten. Und, Herr Bundeskanzler, Sie hinten auf der Regierungsbank erst recht! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie sind dafür verantwortlich, dass in den letzten sechs Jahren 100 000 Menschen mehr in Österreich keinen Job finden, 100 000 Menschen mehr keine Beschäftigung in Österreich gefunden haben.

Und Sie, Herr Bundeskanzler, sagen, großartig sei das. – Na das ist wirklich „groß­artig“, wenn die Jugendarbeitslosigkeit um 85 Prozent gestiegen ist und die Arbeits­losigkeit den Rekordstand der Zweiten Republik erreicht hat. Das ist wirklich „großartig“, Herr Bundeskanzler!

Herr Bundeskanzler, Sie haben ja immer sehr viele Versprechungen gemacht. Sie haben versprochen, die Arbeitslosigkeit zu senken – aber sie ist gestiegen! (Abg. Dr. Baumgartner-Gabitzer: Falsch! – Abg. Lentsch: Das ist die Unwahrheit!) Wir haben heute um 85 000 Vollzeitarbeitsplätze in Österreich weniger! Das haben Sie zu verantworten!

Ich habe hier ein Zitat, was Sie versprochen haben, Herr Bundeskanzler, nämlich: Sie haben gesagt, kein Jugendlicher, der es will, bräuchte Angst zu haben, dass er keine Lehrstelle bekommt. – Nichts davon ist wahr! 50 000 stehen auf der Straße und haben keinen Job. Ihre Versprechen sind überhaupt nichts wert. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie sagen das eine und tun das andere. Versprochen und gebrochen – das ist Ihr Leitmotiv, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich verspreche Ihnen, wir werden die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, allen voran der Jugendarbeitslosigkeit, in den Mittelpunkt stellen. Wir werden dafür sorgen, dass es einen Lehrlingsausbildungsfonds, dass es überbetriebliche Lehrwerkstätten gibt, dass es wieder eine aktive Arbeitsmarktpolitik gibt, weil es uns nicht egal ist, wenn Tausende Menschen auf der Straße stehen, ihrer Zukunftschancen beraubt werden und keinen Job haben. (Abg. Kopf: Sie werden die duale Ausbildung abschaffen, und, und, und! Wir werden das aber nicht zulassen!) Daher werden wir das tun, was Sie versäumt haben, nämlich eine aktive Arbeitsmarktpolitik betreiben und die Arbeits­losigkeit bekämpfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zweites Beispiel: Sie sind dafür verantwortlich, dass Österreich in den letzten sechs Jahren Schritt für Schritt in Richtung Zweiklassenmedizin gegangen ist. Sie haben dafür gesorgt, dass ... (Widerspruch bei der ÖVP.) – Ich sage Ihnen ein Beispiel dafür: Die Rezeptgebühr ist viermal in Ihrer Regierungszeit erhöht worden. (Abg. Kopf: Wer hat sie denn eingeführt?) Der Selbstbehalt für Brillen ist um 256 Prozent erhöht worden. Sie haben Ambulanzgebühren eingeführt, eine Unfallrentenbesteuerung. Das gibt es nur deshalb nicht mehr, weil es der Verfassungsgerichtshof wieder gekippt hat. Das ist Ihre Gesund­heitspolitik in Richtung Zweiklassenmedizin. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Wir hingegen werden dafür sorgen, dass es wieder ein Gesundheitssystem gibt, das sich alle leisten können, unabhängig von ihrem Einkommen, und das solidarisch finan­ziert ist. Das unterscheidet uns von Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Und der dritte Punkt, für den Sie verantwortlich sind, ist, dass die Pensionen sechs Mal gekürzt wurden (Abg. Dr. Regler: Wie? Sechs Mal?!), dass die zukünftigen Pen­sionisten 30 Prozent Pensionsverlust hinzunehmen haben werden (Abg. Scheibner: Das ist genau diese Panikmache! – Panikmache!), dass – Dr. Gusenbauer hat es


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 122

ausgeführt – jemand, der 700 € Pension hat, 50 € im Monat durch Ihre schlechte Politik verloren hat.

Sie, Herr Bundeskanzler, haben aber vor den Wahlen versprochen, dass es keine Pensionskürzungen geben wird! Sie haben gesagt – vor der Wahl –: Mit einer mutigen Pensionsreform ist es gelungen, die Pensionen zu sichern. – Sie haben jedoch die Pensionen gekürzt! Sie haben den Menschen nicht jenen Anteil an diesem reichen Land, an seinem Wohlstand gegeben, den sie sich verdient haben! Und daher werden Sie am 1. Oktober abgewählt! (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei Abgeord­neten der ÖVP und von Freiheitlichen – BZÖ. – Ruf bei der SPÖ: Das glaubt ihr nur nicht, aber das ist wahr!)

14.01


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann. – Bitte.

 


14.01.07

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche - BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Werte Zuseher! Der Klubobmann der SPÖ hat gesagt – und das hat uns ja jetzt auch die Kollegin Bures angedroht –, Sie von der SPÖ werden, wenn Sie die Möglichkeit dazu haben, alles besser machen. Wenn Sie sich an den Wahlkampf in der Steiermark erinnern, dann werden Sie wissen, dass das dort genau derselbe Slogan war (Abg. Eder: Wie viel habt ihr denn bekommen, das BZÖ? – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ): Alles anders, alles besser!, oder: Vieles anders, vieles besser! – Na sehr gut, dass Sie sich an diesen Slogan erinnern, denn den wollen Sie ja nachmachen, indem Sie eben etwas, vieles oder was auch immer besser machen werden.

Nur kann ich Ihnen sagen: Das, was Ihr SPÖ-Landeshauptmann Voves besser gemacht hat, das können wir in den Medien und auch bei allen Besetzungen, die im Land vorgenommen werden, nachverfolgen, denn die ersten Schritte, die die SPÖ im Land mit Ihrem Landeshauptmann gemacht hat, bestanden darin, alle Posten, alle Positionen neu mit roten, mit SPÖ-Vertretern zu besetzen. (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Eder: Schauen Sie sich einmal selber in den Spiegel!) Das war das, was Sie in der Steiermark gemacht haben! Sie haben mit Ihrem Landeshauptmann Voves einen Machtrausch und Überheblichkeit an den Tag gelegt. (Neuerliche Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) – Ja, regen Sie sich auf! Aber sagen Sie es Ihrem Landeshauptmann Voves, denn was dort passiert, ist Überheblichkeit und Machtrausch par excellence. Und Gnade Österreich, wenn das in ganz Österreich eingesetzt wird! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich verstehe schon, dass Sie sich so aufregen, denn sogar Ihr Haus- und Hofblatt, das sicher kein BZÖ- oder Regierungsblatt ist, der „Falter“, hat geschrieben: Gusenbauer ist so weit davon entfernt, Regierungschef zu werden, wie schon lange nicht mehr. Zu tief ist das Schlamassel! (Abg. Dr. Partik-Pablé: So ist es!) – Zitat „Falter“. Nicht von uns, sondern vom „Falter“, Ihrem Blatt, dass sicher Ihnen sehr nahe steht.

Sicher ist, dass mit Ihrem Schlamassel, das Sie selbst haben, mit SPÖ-ÖGB-BAWAG-Krise, nichts besser wird – dass nichts besser war und auch nichts besser würde, wenn Sie wieder die Möglichkeit dazu hätten, etwas zu verändern. (Abg. Eder: Was habt ihr denn für einen Anteil in der Steiermark?)

Was wäre denn passiert, wenn Sie eine große Koalition hätten machen können? Was wäre denn passiert vor sechs Jahren? – Sie hätten den Schuldenberg noch weiter vergrößert, denn das ist das Einzige, das Ihnen einfällt. – Wir haben Schulden


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 123

abgebaut (Abg. Dr. Matznetter: Nein!) und das Budget konsolidiert. – Na sicher haben wir die Schulden abgebaut! Da können Sie nicht „Nein“ schreien, es ist so! Es ist eine Tatsache, dass die Schulden abgebaut worden sind! Kollege Matznetter, nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Sie würden Ihre verkrusteten Strukturen, Ihr Sich-selbst-Verwalten weiterführen und keine Reformen machen. – Wir haben diese verkrusteten Strukturen aufgebrochen, Reformen umgesetzt und Österreich erneuert und innerhalb der EU wettbewerbsfähig gemacht! Das ist uns gelungen!

Sie würden als Einziges Steuern erhöhen, denn das ist das einzige Mittel, das Ihnen einfällt: Steuererhöhung, damit wieder mehr Geld in Ihrer Tasche ist. – Wir haben zwei Steuerreformen gemacht, haben die Steuern gesenkt und haben die Bürger entlastet. Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, hätten Sie Österreich zu einem Immigrationsland par exellence gemacht. Sie hätten zu allen gesagt: Kommt zu uns! Wir geben euch Asyl! Wir geben euch alles! – Wir haben es geschafft, ein gutes, neues Asylgesetz zu machen und die Zuwanderung einzubremsen. Ich denke, das war wichtig und war sehr gut für Österreich und war sehr notwendig! (Abg. Riepl: Das ist keine gute Rede!)

Dass Ihnen diese Rede nicht gefällt, liebe Kollegen auf Seiten der SPÖ, das weiß ich, aber nehmen Sie nun einmal zur Kenntnis, dass die Reformen, die wir in Österreich in den letzten sechs Jahren gemacht haben, nur deshalb möglich waren, weil das BZÖ mit unseren heutigen Vertretern in der Regierung sitzt! Nehmen Sie das nun einmal zur Kenntnis: Die Reformen waren nur deshalb möglich! – Sie hätten mit Ihrer großen Koalition einfach weiter Proporz gemacht, verkrustete Strukturen weitergeführt und den Schuldenberg erhöht. Das ist das Einzige, das Ihnen eingefallen ist.

Wir stehen mit unseren Schwerpunkten nach wie vor (Abg. Eder: Daneben!) dafür, sind immer dafür gestanden und werden dafür stehen (Abg. Eder: Sie stehen immer daneben!), dass die Zuwanderung eingedämmt wird, dass wir die Familien stärken, denn das Kinderbetreuungsgeld hat es nur deswegen gegeben, weil wir, weil unsere Vertreter vom BZÖ in der Regierung sind! Deshalb ist es eingeführt worden!

Den Wirtschaftsstandort Österreich werden wir auch in Zukunft noch attraktiver machen – und das machen wir nicht mit der Politik, die Sie machen, indem Sie der Wirtschaft keine Möglichkeit zum Arbeiten geben, sondern mit einer weiteren Steuerreform, durch die wir Arbeitnehmer und Arbeitgeber entlasten werden, mit einer Klein- und Mittelstandsoffensive, durch die wir diesen Bereich weiter stärken werden. – Das sind die Schwerpunkte, die für die Zukunft wichtig sind! (Abg. Eder: Die hören alle nicht zu auf der Regierungsbank!)

Sie haben mit Ihren Skandalen bei der BAWAG, beim „Konsum“, beim ÖGB, in der Verstaatlichten, beim ARBÖ – es ist eine lange Liste! – gezeigt, dass Sie nicht wirtschaften können und dass Sie so auch keinen Staat führen können.

Die Bürger müssen sich entscheiden (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter): Wollen Sie eine Partei, die nicht wirtschaften kann, denen nichts anderes einfällt, als Steuern zu erhöhen – oder wollen Sie eine Partei, die für Reformen steht, die dafür steht, dass Familien gestärkt werden und dass die Unternehmen entlastet werden? (Zwischenruf des Abg. Heinzl.) Sie (in Richtung SPÖ) werden nicht die Wahl haben, aber die Bürger haben die Wahl! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.06



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 124

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das wird jetzt ein Unterschied in der Qualität! – Abg. Neudeck: Na, wenn er bei der Wahrheit bleibt?)

 


14.06.32

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darf ich Sie ganz kurz bitten, sich gemeinsam mit mir ein paar Jahre zurückzuerinnern (Abg. Dr. Partik-Pablé: Mit Ihnen will ich gar nichts gemeinsam haben! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ja: Mit Ihnen wollen wir nichts gemeinsam haben!), und zwar ins Jahr 2002. Da gab es einen Bundeskanzler Schüssel in einer ähnlichen Situation wie jetzt – vor der Wahl –, der sagte: Abfangjäger, die finanzieren wir mit einer Wirt­schaftsplattform; das kostet die Steuerzahler keinen einzigen Cent! – Damals gab es auch einen Parteichef Jörg Haider, der plakatieren ließ: Abfangjäger? Mit uns nicht! (Abg. Scheibner: ... Parteichef?) – Wie versprochen, so gebrochen!, kann man dazu nur sagen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zweiter Punkt: Bleiben wir ganz kurz im Jahr 2002. Die Absurdität dieser Situation muss man sich noch einmal vergegenwärtigen: Da gab es einen Jörg Haider, ein­faches Parteimitglied, der hat in dem Fall nicht auf den Knopf für seinen Schleudersitz im Porsche gedrückt, sondern der hat auf den Knopf gedrückt und gleich die ganze Regierung gesprengt! Ja, Jörg Haider war es, und sonst niemand anderer – gemeinsam mit dem Bundeskanzler, könnte man höchstens sagen –, der diese Regierung gesprengt hat. (Abg. Scheibner: Da waren schon noch ein paar dabei!) Da waren schon noch ein paar dabei, Sie haben völlig Recht. (Abg. Scheibner: Da waren andere auch dabei!) Und es hat ein paar gegeben, die haben gesagt: Mit diesem Jörg Haider nie wieder! – Das waren Riess-Passer, Grasser, Westenthaler.

Jetzt, im Jahr 2006, wer findet sich vereint, versöhnt wieder? (Abg. Scheibner: Ist doch schön! Das ist doch schön, wenn man sich wieder versteht!) Es hat „nichts“ gegeben, „nur“: eine Regierung ist gesprengt worden und politische Feindschaft ist begründet worden, aber man findet sich eben wieder (demonstrativer Beifall des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch – Abg. Scheibner: Seien Sie doch froh!), denn es geht in all den Jahren nur um eines: um ein paar Sitze (Abg. Neudeck: Haben Sie Inhalte auch?), um ein paar Posten mehr, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Eder.)

Die haben Sie zusammengehalten! (Ruf bei den Freiheitlichen – BZÖ: Ihre Hass­politik!) Die haben Sie an die Sessel geklebt (Abg. Scheibner: Ihr Sitz wackelt schon ganz bedenklich!) – und nichts anderes war dafür verantwortlich, dass Sie nach wie vor in dieser Regierung sitzen. Und dafür ist auch der Herr Haider bereit, mit dem Herrn Westenthaler, mit dem Herrn Grasser (Abg. Neudeck: Früher haben die Grünen In­halte auch gehabt!) – derentwegen er sich zerstritten hat – wieder eine gemeinsame Regierung zu bilden. Und, was noch das Schärfste ist – das packt ja niemand mehr in diesem Land (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Öllinger allein zu Haus’!) –: So zu tun, als ob er der Staatstragende und das BZÖ und seine Mannen (Abg. Neudeck: Frauen!) die Staatstragenden in den Republik wären. (Weitere Rufe bei den Freiheitlichen – BZÖ: Frauen! – Abg. Scheibner: Gendern, bitte!) Das glaubt Ihnen, mit Verlaub, wirklich niemand, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)

Klubobmann Molterer erklärte uns, Österreich sei bei Bundeskanzler Schüssel in guten Händen. (Rufe bei der ÖVP: So ist es! Eh klar! Endlich kapiert!) – Ich würde es ein bisschen anders akzentuieren: Bundeskanzler Schüssel und die ÖVP haben das Land fest in der Hand – ja, dann stimmt es! –, so fest, dass man schon fast von einem Würgegriff sprechen könnte. Schauen Sie sich nur einmal an, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, was Sie alles eingefärbt, umgefärbt, mit Postenschacher, mit Privilegien, mit Aufblähung von Apparaten versehen haben:


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 125

ORF, ÖBB, ÖIAG, Austria Wirtschaftsservice, Seibersdorf – da sitzen die Bur­schenschafter drinnen, die mit den Schmissen, die, die sich gern und freiwillig selbst verstümmeln –, Rechnungshof, Sozialversicherung!

Ein Gremium ums andere wurde zusätzlich geschaffen. In den ÖBB gibt es statt ein paar Aufsichtsräten und Vorstandsmitgliedern jetzt Dutzende Aufsichtsräte und Dutzende Vorstandsmitglieder! Den Hauptverband haben Sie umgefärbt – den mussten Sie dann, weil der Verfassungsgerichtshof gesagt hat, es ist verfassungs­widrig, wieder neu organisieren. Hunderte Millionen € haben Sie hinausgeworfen, um Manager in Pension zu schicken, weil sie nicht die Farbe gehabt haben, die Ihnen gepasst hat, und so weiter. Es war sehr teuer, was Sie diesem Land aufgebürdet haben. (Widerspruch des Abg. Ellmauer.) Allein diese Umfärbeaktionen kosten die Steuerzahler sehr viel, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Österreich ist ein schönes Land – ja, da stimmen wir überein. Österreich ist ein reiches Land – ja, da stimmen wir auch überein. Aber das Problem ist: Nicht alle haben von dem Reichtum in diesem Lande etwas. Manche können sich das nicht leisten! Und dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren, tragen auch Sie ein gerüttelt Maß an Mitverantwortung: dass nichts weitergegangen ist, obwohl es so schön im Regierungsprogramm drinnen steht, was alles Sie machen werden, und dass die Leute nach wie vor nicht einmal läppische 1 000 € brutto im Monat haben! – Da steht im Regierungsprogramm all das drinnen, was Sie mit den Sozialpartnern erreichen wollen. Was haben Sie denn gemacht? – Nichts haben Sie dafür gemacht, dass die Leute tatsächlich für 40, 50 oder 60 Stunden Arbeit 1 000 € verdienen! Dafür tragen Sie auch die Mitverantwortung!

Zweiter Punkt: Jetzt kommen Sie her und sagen, 124 000 Arbeitsplätze seien neu geschaffen worden. Gestern waren es noch 120 000 Arbeitsplätze! – Von einem Tag auf den anderen schaffen Sie 4 000 Arbeitsplätze?! Erklären Sie das einmal jeman­dem!

Es stimmt beides nicht. Sie haben nicht Arbeitsplätze geschaffen, Sie haben Arbeitslosigkeit geschaffen! Um 50 000 Arbeitslose gibt es in diesem Land seit dem Jahr 2000 mehr! (Abg. Kopf: Um 200 000 Beschäftigte mehr!) Und dafür tragen Sie die Verantwortung, und deshalb gehören Sie auch abgewählt! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.12


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Grasser. – Bitte.

 


14.12.21

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Regierungskollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! (Abg. Riepl: Sind Sie schon beigetreten? – Abg. Neudeck: Über die Mittagspause nicht!) Ich glaube, der Bundeskanzler und der Vizekanzler haben durchaus überzeugend dargelegt, dass Österreich auf einem Erfolgskurs ist. (Abg. Öllinger: Erklären Sie einmal Ihr Verhältnis zum Haider! Sind Sie wieder beigetreten?) Das ist, Herr Öllinger, in allererster Linie das Verdienst einer sehr tüchtigen, einer fleißigen österreichischen Bevölkerung, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, das Verdienst von tüchtigen Unternehmerinnen und Unternehmern. Das ist aber auch das Verdienst einer Bundesregierung (Abg. Bures: Nein, leider nicht!), die es verstanden hat, Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Österreich heute einer der wirklichen Spitzenstandorte in Europa ist. (Abg. Neugebauer: So einfach ist das! ... das Einmaleins!) Und da kann man stolz darauf sein, dass uns das gelungen ist


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 126

(Beifall bei der ÖVP), und zwar gemeinsam gelungen ist. (Abg. Neugebauer: Das ist das große Einmaleins!)

Meine Damen und Herren! Jetzt kann man, weil die Wahl vor der Tür steht und Bilanz gezogen wird, natürlich hergehen, wie das heute leider geschehen ist, und sagen: Parteipolitisch stellen wir das alles in Abrede! – Der Wahlkampf steht im Vordergrund, und daher steht die Parteipolitik im Vordergrund, und man sieht sachlich die Erfolge, die wir gemeinsam in unserem Land erreichen konnten, nicht mehr.

Ich muss ehrlich sagen, mir tut das Leid (Abg. Öllinger: „Ja!“), weil ich mir gewünscht hätte, dass es heute auch Sachpolitik gibt (Abg. Öllinger: Sie sind prädestiniert dafür!), dass es auch heute einen Wettbewerb der Ideen gibt, dass es möglich ist, in einem Hohen Haus darüber zu diskutieren: Was sind denn die Daten und die Fakten?

Und Sie wissen es ganz genau, wenn Sie sich anschauen: Was sagen die inter­nationalen Organisationen zu Österreich? Wie hat sich Österreich in den letzten sechs Jahren entwickelt? – Schauen Sie sich die Berichte der OECD an! Schauen Sie sich die Berichte des Internationalen Währungsfonds an! Schauen Sie sich die Berichte der Europäischen Zentralbank an! Schauen Sie sich Analysen der Europäischen Kom­mission an! – Alle sagen, Österreich hat sich im Vergleich mit den anderen 24 Mitgliedsländern der Europäischen Union sehr gut entwickelt!

Schauen Sie sich internationale Medien an! – Sie kennen die Medienberichte. Wir brauchen nicht einmal in Österreich zu bleiben, wir brauchen uns nicht selbst zu loben – ich habe Ihnen das gestern in der Parlamentsdebatte gesagt: ob das der „Stern“ in Deutschland ist, der sagt: „Warum Österreich Spitze ist“; ob das der „Focus“ ist, der sagt: „Felix Austria“ – glückliches Österreich; ob Sie die „Financial Times“ lesen, ob Sie das „Handelsblatt“ lesen, ob Sie „Die Welt“ lesen, ob Sie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ lesen. Und das sollte man, glaube ich, doch auch eingestehen! Nicht deshalb, weil Sie eine Bundesregierung loben müssen – das ist uns schon klar, dass es diese Auseinandersetzung gibt, und wir bedanken uns auch für ein kritisches Hinterfragen, und wir wollen diesen Dialog auch führen, das gehört selbstverständlich dazu. Aber ich glaube, wenn eine Bundesregierung hier steht, die sagt: Natürlich, wir haben nicht alles perfekt gemacht!, und wenn ein Kanzler sagt: Ja, es ist nicht alles gelungen!, so sollten wir aber doch einig sein können, meine Damen und Herren, und sagen: Einiges ist gelungen an wirklich guter Arbeit für Österreich! (Abg. Neugebauer: Vieles!) Vieles ist gelungen an guter Arbeit für Österreich! (Abg. Öllinger: Was denn? – Abg. Neugebauer: Zuhorchen!)

Und trotzdem, und gerade deswegen, meine Damen und Herren, sagen wir: Wir dürfen im Angesicht dieses Erfolgs für unser Land und für die Menschen in unserem Land nicht selbstgefällig werden. (Abg. Dr. Matznetter: ... selbstgefällig!) Wir dürfen uns nicht zurücklehnen. Wir dürfen nicht zufrieden sein und sagen: Wunderbar, alles erreicht!, sondern wir wissen: Die Bilanz ist wichtig! Wir wissen: Die Vergangenheit ist wichtig! Aber Sie können dieser Bundesregierung zutrauen, dass wir wissen: Die Zukunft ist noch wichtiger! – Und wir haben einen Auftrag, für unser Land hier gemein­sam etwas zu leisten.

Daher ist es, glaube ich, auch wichtig, dass man der Bevölkerung sagt, was sie von einer Regierung, die von einem Bundeskanzler Wolfgang Schüssel geführt wird, erwarten kann.

Die Bevölkerung kann erwarten, meine Damen und Herren, dass es uns auch in Zukunft gelingt, eine stabilitätsorientierte Finanzpolitik umzusetzen, eine solide Finanz­politik zu betreiben. Die Bevölkerung kann erwarten, dass es uns gelingt, auch 2008 wiederum einen ausgeglichenen Haushalt zustande zu bringen, ein Nulldefizit zustan­de zu bringen, dass es uns gelingt, die Staatsschulden, gemessen an der


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 127

Wertschöpfung in unserem Land, weiter abzubauen, weil solide Staatsfinanzen einfach die Grundvoraussetzung dafür sind, dass uns eine Entlastung in unserem Land auch weiterhin gelingen kann. Und Sie wissen genau – jene, die gesagt haben, die Bevölkerung sei uns nicht wichtig –: Wir sollten einmal zumindest in dieser Frage einen Konsens haben können, dass wir alle hier das Beste für die Bevölkerung und für das Land erreichen wollen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Und dann sollten Sie auch in der Lage sein, zuzugestehen, dass wir mit dieser Steuerreform, mit den Entlastungen vor allem bei den kleinen und mittleren Einkommen wirklich sehr, sehr deutliche Entlastungen umsetzen konnten – Gott sei Dank! – und dass es uns gelungen ist, dass 2 550 000 Österreicherinnen und Öster­reicher mit den kleinsten Einkommen keine Lohn- und Einkommensteuer mehr zahlen. (Abg. Mag. Gaßner: Weil sie so wenig verdienen!)

Die Bevölkerung weiß und kann erwarten, dass wir die absoluten Prioritäten dort setzen, wo es darum geht, mit der Wirtschaft gemeinsam für noch mehr Beschäftigung zu sorgen, und wo es darum geht, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Das ist eine absolute Priorität für diese Bundesregierung, nachdem wir die Wende heuer geschafft haben, weiter alles zu tun, damit die Arbeitslosigkeit in Österreich reduziert werden kann – weil wir Existenz geben müssen, weil wir Sicherheit geben müssen, weil wir der Bevölkerung Perspektive geben müssen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Und, meine Damen und Herren, man hinterfragt natürlich auch selbstkritisch: Ist es der richtige Weg? Gibt es ein Gegenmodell? – In all den Diskussionen, die wir in dieser Legislaturperiode geführt haben, muss ich Ihnen sagen: Was ich nicht entdeckt habe, ist ein Gegenmodell. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Neugebauer: Wirtschafts­konzept Matznetter! Wirtschaftskonzept Matznetter!) Was ich nicht entdeckt habe, ist eine Konzeption, ist ein Programm, wo ich sagen würde: Da ist jemand in der Lage, es grundlegend anders zu machen, da ist jemand in der Lage, es besser zu machen! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Und daher glaube ich: Es ist der richtige Weg für Österreich! – Ich bedanke mich bei Ihnen für die Zusammenarbeit, für die kritischen Diskussionen, die wir auch miteinan­der führen konnten, und ich hoffe, dass die österreichische Bevölkerung diesen guten und richtigen Weg unterstützen wird. – Vielen Dank. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

14.18


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter Großruck, wenn Sie mit Ihrem Fotoapparat spielen, dann schauen Sie, dass er nicht losgeht, bitte! (Heiterkeit.)

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte.

 


14.18.41

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regie­rungs­bank! Lassen Sie mich zunächst sagen: Ich bin sehr froh darüber, dass die heutige Parlamentsdebatte im Fernsehen übertragen wird. Da kann sich der Zuseher ein sehr schönes Bild machen – ein Bild über die handelnden Personen, über Aus­sagen, Programme, Zielsetzungen. Der Fernsehzuschauer kann auch völlig neue Facetten an Persönlichkeiten entdecken.

Ich gebe zu, auch ich habe heute eine neue Facette kennen lernen dürfen, und zwar von Herrn Dr. Gusenbauer. – Gewisse Facetten seiner Persönlichkeit waren bisher


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 128

öffentlich bekannt: Die Tatsache, dass er vor Jahren den Boden in Moskau geküsst hat, ist nichts Neues. Die Tatsache, dass er mit Champagner angestoßen hat (Ruf bei der ÖVP: Für die Sanktionen!) für die Sanktionen gegen Österreich, ist bekannt. Aber was nicht bekannt war: wie Dr. Gusenbauer eine Rede in einem SPÖ-Sektionslokal hält, meine Damen und Herren – denn seine heutige Rede hier im Hohen Haus war eine hervorragende Rede für eine SPÖ-Sektion, aber keine Rede für das Hohe Haus (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter), enthielt sie doch keinen einzige konstruktiven Vorschlag! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Kein einziger konstruktiver Vorschlag, meine Damen und Herren, sondern nur: Alles, was von der Regierung kommt, ist schlecht! – So etwas mag unter dem Gejohle einer SPÖ-Sektion vielleicht Anklang finden (Abg. Dr. Matznetter: Das ist ja unwürdig! – Das ist ja unwürdig!), aber sicherlich nicht hier im Hohen Haus!

Lassen Sie mich eines auch noch sagen – ich habe das gestern schon in der Wirtschaftsdebatte gesagt –: Für mich war heute wieder atemberaubend, dass Rote so intensiv schwarzmalen können! Das ist eigentlich unglaublich, meine Damen und Herren. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Herr Abgeordneter Dr. Matznetter! Ich gebe Ihnen Recht: Wenn man eine Leistungs­bilanz der Regierung legt, ist es immer schwierig, das selbst zu tun. Da bleibt immer der Verdacht, man stelle diese besser dar, als sie ist. Da kommen dann Stichworte wie „Weihrauchkessel“ auf. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Ich sage, am ehrlichsten ist man wahrscheinlich, wenn man sich anschaut: Wie sehen uns andere? Ich darf Ihnen vielleicht nur drei Zitate vorlesen (Abg. Gradwohl: Die habe Sie eh schon vorgelesen!), die Sie von der SPÖ ohnehin kennen, die ich Ihnen aber gerne noch einmal vorlese.

Da schreibt zum Beispiel die Schweizer „SonntagsZeitung“: „Österreich – ein Vorbild für die Schweiz? Österreichs Erfolg hat zwei Gründe: den Beitritt zur EU und die Koalition.“ Dann heißt es weiter: „Tatsache ist, dass sich Österreich rasant modernisiert hat.“

Das deutsche „manager magazin“ schrieb als Überschrift: „Österreich – Das bessere Deutschland.“ „Ob Wachstum, Investitionen, Beschäftigung oder Staatsfinanzen, Öster­reich hat die besseren Zahlen.“

Und der Höhepunkt war zweifellos, was vor einigen Wochen die angesehene Zeitung „Die Welt“ in Hamburg geschrieben hat: „Vor Jahren sah die EU die Alpenrepublik am Rande des Abgrundes. – Heute steht das Land besser als seine Nachbarn da.“ Österreichs Erfolg heißt Wolfgang Schüssel. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Keiner von den Regierungsfraktionen könnte es schöner formulieren: Österreichs Erfolg heißt Wolfgang Schüssel. (Zwischenrufe der Abgeordneten Öllinger und Eder.)

Ich bin überzeugt davon, dass die Wählerinnen und Wähler sagen werden: Diesen Erfolg wollen wir auch für die nächsten Jahre einfahren. Und wir sind sehr optimistisch, was den 1. Oktober betrifft. Wir sind sehr optimistisch, weil uns der Vergleich sicher macht, meine Damen und Herren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Was sagt zum Beispiel das Handelsgericht Wien? – Das haben Sie initiiert, Herr Kolle­ge Cap. Was sagt das Handelsgericht Wien zur Wirtschaftspolitik der Gusenbauer-SPÖ? – Die sagt: Die Aussage, „die Gusenbauer-SPÖ kann nicht wirtschaften“, ist legitim, denn sie lässt sich mit Daten und Fakten untermauern. – Das haben Sie initiiert. (Ironische Heiterkeit des Abg. Dr. Cap.) Die Wirtschaftspolitik der Gusenbauer-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 129

SPÖ sagt beziehungsweise zeigt, sie kann nicht wirtschaften. Eine sehr schöne Feststellung des Handelsgerichtes Wien.

Oder machen wir einen ganz simplen Vergleich, meine Damen und Herren. Und Politik heißt ja – Michael Spindelegger hat es gesagt: Das ist so vor allem in einem Wahljahr –, Vergleiche anzustellen. Der Finanzminister sagt immer wieder in Budget­reden: Was uns sicher macht, ist der Vergleich.

Ganz ein primitiver Vergleich:

Herr Dr. Matznetter, was kann man mit 3 Milliarden € machen? – Man kann mit 3 Milliarden € die Steuern senken (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter), mit dem Ergebnis, dass 2,5 Millionen Österreicher, die an sich steuerpflichtig sind, keine Steuern mehr zahlen, nämlich 42 Prozent. Man kann aber genauso gut 3 Milliarden € mit Spekulationen in der Karibik versenken, meine Damen und Herren. – Ein Vergleich, der uns sicher macht. In beiden Fällen ist die Frage: Was kann man mit 3 Milliarden € machen?

Meine Damen und Herren! Ich glaube, was diese Regierung so stark macht, sind die Grundsätze, die die Regierung bei ihrer Politik leiten.

Da ist der erste Grundsatz: (Abg. Eder: Mehr Stummvoll ins Fernsehen!) Die politische Hauptverantwortung tragen wir – die Regierung und die Regierungsfraktionen.

Zweiter Grundsatz: Wir handeln nach bestem Wissen und Gewissen.

Dritter Grundsatz: Wir sind überzeugt davon, dass die Reformen, die wir durchgeführt haben, für die Zukunft dieses Landes notwendig sind.

Daher vierter Punkt: Diesen Weg gehen wir auch dann, wenn uns am nächsten Tag vielleicht eine Boulevardzeitung eine negative Schlagzeile verpasst.

Meine Damen und Herren! Das ist Politik für die Zukunft, das ist Politik, wie ich sie mir vorstelle – Politik als Zukunftsgestaltung! Diesen erfolgreichen Weg, meine Damen und Herren, werden wir weitergehen, denn Österreichs Erfolg heißt auch in Zukunft Wolfgang Schüssel. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

14.23


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.

 


14.23.52

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Viel reden, wie immer – wenig sagen, wie immer, und dann noch Ungeheuerlichkeiten, Herr Kollege Stummvoll!

Dass man den 8. Mai 1945, den Befreiungstag vom Faschismus, nicht feiern darf, haben Sie uns das sagen wollen? (Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer.) Wollten Sie uns sagen, dass das etwas war, dass Herrn Dr. Gusenbauer nicht hätte tun sollen? (Abg. Neudeck: Also bitte!) Dieser Vergleich ist wirklich ungeheuerlich – schämen Sie sich dafür! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das nehmen ja nicht nur ich und die Zuhörerinnen und Zuhörer und die Menschen an den Fernsehgeräten so wahr. (Abg. Neudeck: Sie haben schon wieder etwas nicht mitbekommen!) Alle Menschen nehmen mittlerweile wahr, dass mit dieser Politik längst etwas nicht mehr stimmt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ihre „Alles ist super“- und „Wir sind die Besten“-Mentalität hat nichts mit der Lebensrealität der Leute in Österreich zu tun. (Abg. Neudeck: Wir brauchen nur


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 130

besser als Sie sein! Das ist nicht schwer!) Diese leben dieses Leben nicht, wie Sie es ihnen vorgaukeln. Das haben sie längst durchschaut, meine sehr geehrten Damen und Herren. Diesen Widerspruch zwischen Ihren schönen Worten und den nicht erreichten Taten – Sie haben ja wirklich nicht so viel erreicht, wie Sie uns heute vorgegeben haben –, das spüren alle mittlerweile. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck – in Richtung SPÖ zeigend –: Sagen Sie es dort drüben!)

Und ich sage Ihnen eines: Glaubwürdige Politikerinnen und Politiker, die müssen auch halten, was sie versprechen. Der Herr Bundeskanzler hat den Pensionisten sehr wohl versprochen, dass in ihre Pensionen nicht eingegriffen wird. Doch was ist daraus geworden? (Abg. Ellmauer: 19 Jahresbeträge der BAWAG in der Karibik versenkt!) – 5 bis 10 Prozent Kaufverlust für Pensionistinnen und Pensionisten, weil die Pensionen nie angepasst wurden, so wie es gehört hätte, meine sehr geehrten Damen und Herren. 5 bis 10 Prozent Kaufverlust! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen noch etwas. Meine Mutter und meine Schwiegermutter, längst in Pension, beide Witwen, haben kein leichtes Leben gehabt – genau diese spüren das! Sie spüren diese Politik und mit ihnen viele Österreicherinnen und Österreicher.

Mit diesen Pensionen mit dieser schleichenden Entwertung, die Sie eingeführt haben, ist Schluss, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Lentsch: Sie reden von Albanien und nicht von Österreich!) Das hören Sie nicht gerne, denn so wie die Preise steigen, werden wir die Pensionen erhöhen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Wir garantieren, dass die Pensionen jährlich wieder angepasst werden. Ja, wir werden sie erhöhen. (Abg. Rädler: Was? – Beifall bei der SPÖ.) – Oh, das tut weh, das tut weh. (Abg. Lentsch: Das ist ja lustig, was Sie meinen!)

Sie haben vieles versprochen, wenig gehalten. Unter anderem haben Sie auch ein modernes Familienrecht versprochen. Aber eine stockkonservative und altmodische ÖVP – Michael Völker vom „Standard“ hat das gesagt, ich denke es mir – unter der Führung dieses Bundeskanzlers hat die Ideen einer eher fortschrittlichen Ministerin auch vom Tisch gewischt. Auch die Ideen der Frau Bundesministerin Gastinger wurden nicht umgesetzt (Abg. Großruck: ... ist umgesetzt worden!), weil Sie eher eine schwarze Zukunft für Österreichs Familien wollen (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Eine aktivere Familienpolitik als die der Ministerin Gastinger kann man ja nicht betreiben! Das sieht man ja!), denn Ihr Familienbild und das der Familien in Österreich in Wirklichkeit klafft sehr weit auseinander.

Ich garantiere Ihnen: Mit der SPÖ gibt es mehr Sicherheit, gibt es mehr Rechte für Familien, denn wir verstehen unter Familie etwas mehr als Sie. Wir verstehen darunter Lebensgemeinschaften, wir verstehen Alleinerziehende, wir verstehen Patchwork-Familien (Abg. Großruck: Penthousefamilien, nicht Patchwork-Familien!) – so wie sie hier im Haus auch sitzen, nicht nur eine wahrscheinlich, sondern auch mehrere. Und genau die brauchen auch mehr Sicherheit. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Beispiel – ich könnte sehr viele erzählen – war unlängst in den Zeitungen, nämlich das Gesetz: Recht auf Teilzeitarbeit. (Abg. Rädler: Wo?) Das ist ziemlich zahnlos geworden, meine sehr geehrten Damen und Herren. Jetzt, zwei Jahre nach dem Beschluss, zeigt sich, dass es viele Tücken und viele Lücken hat. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Ja, Sie können lachen, wenn dann eine junge Mutter von ihrem Arbeitgeber gezwungen wird, dass sie beispielsweise ihr Recht auf Teilzeitarbeit nicht geltend machen kann (Abg. Kopf: Sie wollen Teilzeit ja gar nicht! Was jetzt?), weil er ihr vorschreiben möchte, dass sie am Nachmittag zu kommen hat und ihre kleinen Kinder vielleicht in die Arbeit mitbringen soll. Wie soll sie denn dieses Recht dann ausschöpfen, wenn Sie es nicht ermöglicht haben, Herr Kollege Großruck? (Beifall bei


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 131

der SPÖ.) Das verstehen Sie unter schwarzen Gesetzen, das ist super! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir werden das Gesetz verbessern. Wir werden eine Arbeitsmarktpolitik machen, meine sehr geehrten ... (Abg. Großruck: Sie werden nie in die Verlegenheit kom­men!) – Warten Sie ab! Wir werden dieses Gesetz der Teilzeitarbeit und das Recht darauf verbessern, und wir werden Teilzeit verringern! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Lassen Sie mich doch ausreden! Wir werden für Frauen Vollzeitarbeitsplätze schaffen, das ist doch wohl klar. Warum sind Sie so nervös? Haben Sie Angst davor? (Beifall bei der SPÖ.)

Wir nehmen Frauen ernst – im Gegensatz zu Ihnen. Das finde ich besonders verwerflich, dass sie das nicht tun.

Wir werden Frauen, die sich weiterbilden wollen, wir werden Frauen, die Unternehmen gründen wollen, mit 100 Millionen € unterstützen, weil es uns wichtig ist. (Abg. Großruck: BAWAG-Gelder!) Ihnen ist es nicht wichtig, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Abschließend: Es gibt zwei Möglichkeiten, wie in Zukunft Politik gemacht wird: in einem Elfenbeinturm sitzend, ganz oben, herabschauend auf die Leute, sehr einsam (Abg. Lentsch: Penthouse!) – oder gemeinsam mit allen eine stabile Politik ermöglichend, eine sozialdemokratische Politik. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

14.29


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. – Bitte.

 


14.29.30

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche - BZÖ): Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Frau Kollegin Heinisch-Hosek, Sie haben da etwas verwechselt: Der Elfenbeinturm oben, von dem Sie gesprochen haben, ist das Penthouse des Herrn Fritz Verzetnitsch – das sind 3 Milliarden €. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.) 3 Milliarden €, die die BAWAG, der ÖGB und die SPÖ im Sand der Karibik versenkt haben! Und mit diesen 3 Milliarden € ... (Abg. Heinisch-Hosek: Passen Sie auf!) – Ich passe überhaupt nicht auf! – ... hätten wir in Österreich 200 000 Vollarbeitsplätze schaffen können. 200 000 Arbeitsplätze!

Wir hätten Vollbeschäftigung, wenn Ihr Herr Fritz Verzetnitsch, Ihr Herr Elsner, Ihr Herr Flöttl und wie sie alle heißen, ehrenhafte Menschen gewesen wären, so wie diese Damen und Herren der österreichischen Bundesregierung. (Beifall bei den Frei­heitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Wissen Sie, eigentlich macht es gar nicht wirklich Sinn auf Ihren Redebeitrag einzugehen, denn ich nehme einmal an, dass die letzten Fernsehzuschauer, die noch zugeschaut haben, auch noch abgeschaltet haben. Das heißt, die künftige Debatte wird ohne Öffentlichkeit stattfinden, denn nach diesem Beitrag kann niemand mehr den Fernseher eingeschaltet lassen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Seit 11 Uhr schimpfen Sie von der SPÖ und von den Grünen vom Rednerpult aus, jammern dieses Land krank und betreiben nur Negativpropaganda. Wenn heute zufällig jemand aus dem Ausland zu uns auf Urlaub gekommen ist, im Hotel den Fernseher eingeschaltet und diese Reden gehört hat, dann musste er glauben, dass wir hier in einer Bananenrepublik leben. – Das ist ja ungeheuerlich! Machen Sie nicht immer unser Land so schlecht! Wir haben ein gutes Land, es steht gut da, und „schuld“


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 132

daran ist diese Bundesregierung. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP. – Rufe bei den Grünen: Schuld daran!)

Meine geschätzten Damen und Herren von den Grünen! Dass Sie lachen, zeigt mir, dass Sie wissen, dass ich Recht habe. In Wirklichkeit führt an dieser bürgerlichen Regierung kein Weg vorbei. Ich möchte aber – das erscheint mir schon wichtig, zumal sich bis jetzt alle Redner damit beschäftigt haben, was denn alles gut gewesen ist, damit brauche ich mich nicht zu beschäftigen – ein bisschen über die Zukunft nachdenken, einmal darüber sprechen: Was wollen wir denn in Zukunft noch alles verändern? Was wollen wir denn nach dem 1. Oktober noch alles besser machen? Es gibt noch vieles zu tun.

Wir müssen diesen tollen Platz halten, das heißt, wir müssen in der Sozialpolitik zusätzliche Meilensteine setzen. Ich denke zum Beispiel an die Initiative, die wir in Kärnten gestartet haben. Wir haben in Kärnten ein Müttergeld beschlossen. Es gibt in Österreich über 160 000 Frauen, die keine eigene Pension haben, keine eigene Altersvorsorge haben und in Wirklichkeit besser gestellt werden müssen. (Abg. Öllinger: Regierungsprogramm!)

Meine geschätzten Damen und Herren! Dieses Müttergeld ... (Abg. Dr. Wittmann: Warum haben Sie es nicht gemacht?) – Herr Kollege Wittmann, warten Sie einen Moment! Sie brauchen ja nicht so herauszurufen, weil das wahrscheinlich, wie man auf Grund der Umfragen vermuten kann, Ihre letzten Parlamentstage sein werden. Sehr geehrter Herr Wittmann, dieses Müttergeld wurde in Kärnten beschlossen! (Abg. Mandak: 150 € maximal!) Und wissen Sie, was das Faszinierende daran ist? – Die Sozialdemokratische Partei in Kärnten hat nicht mitgestimmt. Die Frau Schaunig-Kandut hat nicht mitgestimmt! Das BZÖ und die ÖVP haben ein Müttergeld be­schlossen, haben ein Schulstartgeld beschlossen und haben ein Babygeld beschlos­sen. (Abg. Mandak: 150 € maximal!) – Sind 150 € nichts? (Abg. Mandak: Nicht existenzsichernd!)

Frau Kollegin Mandak, Sie sagen hier mit Arroganz und Abgehobenheit, 150 € seien nichts! (Abg. Mandak: Lebst du von 150 € im Monat?) – 150 € als Anfang ist besser als nichts, das steht außer Zweifel. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ.)

Auch in der Sicherheitspolitik wird diese Regierung unter unserer Federführung künftig dafür sorgen, dass wir noch besser auf unsere Leute aufpassen, dass wir noch mehr darauf schauen, dass jene Leute, die nach Österreich kommen, weil sie Asyl brauchen, es bekommen und jene Leute, die ungerechtfertigt und als Illegale hier sind, die straffällig geworden sind, zurückgeschickt werden. – Es geht nicht anders. Das Hemd wird uns näher sein als der Rock.

Zur Infrastruktur: Hubert Gorbach hat in den letzten Jahren bewiesen, dass man mit Infrastruktur nicht nur die Wirtschaft belebt, sondern auch Arbeitsplätze schaffen kann. (Abg. Öllinger: Ja, in seinem Ministerium!) Noch nie wurde so viel gebaut. In Österreich entsteht etwas! Die Eisenbahn wird ausgebaut, die Straße wird ausgebaut, die Infrastruktur wird ausgebaut. (Abg. Öllinger: Das Ministerbüro wird ausgebaut!) Es entstehen Arbeitsplätze. Fahren Sie mit offenen Augen durch das Land! Schauen Sie sich an, wo die Baukräne stehen, wo die Menschen arbeiten, wo wir für Beschäftigung sorgen, wo wir einen Beitrag leisten, dass die Menschen Arbeit haben! (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) – Dieser soziale Friede wird durch Ihr Krankjammern nicht schlecht gemacht werden können. Wir machen weiter – jammern Sie weiter! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

14.34


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Sburny. – Bitte.

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 133

14.34.57

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Regierungsmitglieder! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss mich hier bei Kollegem Scheuch vom BZÖ bedanken. Sie waren jetzt der Erste aus den Regie­rungsfraktionen, der zugegeben hat, dass es 160 000 Leute, nämlich Frauen gibt, die in Armut leben. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Denen werden wir helfen!) Sie von den Regierungsparteien behaupten die ganze Zeit, dass das nicht stattfindet, dass Österreich super sei, dass es Österreich gut gehe. Sie, Herr Kollege Scheuch, waren der Erste, der jetzt zugegeben hat: Da gibt es ein Problem! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das werden wir lösen!) – Also, vielen Dank! (Beifall bei den Grünen.)

Was ja stimmt, ist, dass Österreich ein sehr reiches Land ist – das haben auch der Herr Bundeskanzler und Kollege Molterer heute wieder gesagt –, nämlich das viertreichste Land der EU, wahrscheinlich eines der reichsten Länder der Erde überhaupt. Wenn Sie aber sagen – und das ist offenbar einer Ihrer großen Wahl­kampfslogans, die da jetzt in den nächsten Wochen auf uns niederprasseln werden, bis sie uns bei den Ohren rauskommen –: Österreich geht es gut!, dann frage ich Sie schon, von welchem Österreich Sie denn reden. (Abg. Murauer: Austria!) Von dem, von dem der Herr Scheuch gerade gesprochen hat, von den 160 000 Frauen, Pen­sionistinnen, die eigentlich Pensionistinnen sein sollten, aber keine Pension erhalten? Reden Sie von den 500 000 Menschen, die in verfestigter Armut leben oder vielleicht von der 1 Million Menschen, die an der Armutsgrenze leben, also zumindest jetzt einmal als arm bezeichnet werden können?

Das Interessante ist ja, dass Sie in Ihrem Regierungsübereinkommen enthalten gehabt haben, dass Sie Alterspensionen für die, die bis jetzt keinen Anspruch hatten, nämlich diese 160 000 Frauen zum Beispiel, einführen wollen. Ja, was haben Sie denn gemacht? – Sie haben es nicht eingeführt, Sie haben das, was Sie in Ihrem eigenen Regierungsübereinkommen gehabt haben, nicht gemacht, weil es nämlich nicht Ihre Priorität ist, denen zu helfen, die wirklich arm sind! (Abg. Großruck: Pensions­begründend sind Kindererziehungszeiten!)

Sie sagen: Österreich geht es gut! Ich frage Sie: Von welchem Österreich reden Sie? Reden Sie von den zirka 15 000 bis 18 000 Schülerinnen und Schülern pro Jahrgang, die nicht ausreichend lesen können? Reden Sie von den MigrantInnen, die sich vor Abschiebung fürchten, oder reden Sie von den Betrieben, die im letzten Jahr insolvent geworden sind – über 3 000, davon 1 277 Einzelunternehmen? Ist das alles nicht Österreich, oder wie sehen Sie das, wenn Sie sagen: Österreich geht es gut! Wollen Sie behaupten, dass es denjenigen auch allen gut geht? Ganz offensichtlich besteht Österreich für Sie nur aus einem Teil – und für diesen Teil machen Sie Politik. Danke für dieses Bekenntnis. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie für den anderen Teil von Österreich, über den ich gerade geredet habe, auch Politik machen wollten, dann wäre zum Beispiel eine gute Möglichkeit, sich Gedanken über die Verteilung der Steuern zu machen. Sie springen auf das immer so an, wenn ich von den Steuern rede, weil das so ein tolles Thema ist. Ich finde, Sie sollten sich schon einmal überlegen, warum es in Österreich Hand in Hand geht, dass wir ein sehr niedriges Steueraufkommen zum Beispiel aus vermögensbezogenen Steuern haben und dass uns andauernd irgendwo Geld fehlt, wie Sie ja auch sagen – etwa im Bildungsbereich oder zum Schließen der Schere zwischen Arm und Reich. Da sagen Sie ja selbst: Es fehlt uns Geld. – Das ist ein Argument, das ich in den letzten vier Jahren – ich weiß nicht wie oft – gehört habe: Dafür gibt es kein Geld.

Warum – so frage ich Sie – machen Sie sich nicht einmal mit dem Gedanken vertraut, dass Österreich an drittletzter Stelle in der OECD und an letzter Stelle im EU-Bereich ist, was das Aufkommen der vermögensbezogenen Steuern betrifft? In Österreich liegt


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 134

es bei 0,6 Prozent am BIP, im EU-Schnitt – wenn ich es jetzt richtig im Kopf habe – bei 1,9 Prozent und im OECD-Schnitt bei 2,1 Prozent. (Zwischenrufe bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.) – Hören Sie einmal zu!

Allein das langsame, mittelfristige Anheben auf EU-Niveau – auf EU-Niveau, gar nicht mehr, also nichts mit Wettbewerb, Problem und so (neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ) – würde uns 3,5 Milliarden € bringen, die wir sehr gut für genau diese Fragen im Bildungsbereich, im Forschungs­bereich, in der Armutsbekämpfung und auch bei der Energiewende verwenden könnten.

Aber Sie wollen es nicht! Ihr Credo ist: weniger Steuern, herunter mit den Steuern (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen), keine Staatseinnahmen – und daher leider auch keine Unterstützung für den anderen Teil in Österreich, der arm ist. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.40


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Haubner. – Bitte.

 


14.40.28

Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte in meiner Bilanz die Fakten sprechen lassen, nicht Teile von Österreich – und das sagen, was in den letzten Jahren für dieses Land und für die Menschen in großer sozialer Verantwortung gemacht wurde.

Wir haben in großer sozialer Verantwortung vor allem für die Generationen gehandelt und versucht, eine sehr ausgewogene Balance zwischen Jüngeren und Älteren zu schaffen. Wir haben die Familien gestärkt, vor allem in dem Wissen, dass die Familien ein sehr emotionales Beziehungsnetz sowie ein sehr wichtiges soziales Sicher­heitsnetz darstellen.

Wir haben damit auch die Chancen für alle Kinder gewahrt, denn wir haben unsere Leistungen im Familienbereich an den Kindern festgemacht und die Kinder in den Mittelpunkt gestellt. (Abg. Mandak: Aber nicht für alle Kinder!) Ich bedauere es sehr, dass wir jetzt wieder eine Art ideologische Diskussion über die Form der Familie haben. Ich glaube, die Entscheidung über die Form der Familie trifft jeder für sich selbst; diese Entscheidungsfreiheit kann die Politik nicht vorgeben. Daher sind Familien in ihren unterschiedlichsten Formen gleich viel wert.

Ich bin sehr froh darüber, dass meine Kollegin Justizministerin Gastinger einen richtigen Weg beim neuen Familienrecht eingeschlagen hat, um auch die Situation der Patchwork-Familien darzustellen (Abg. Mandak: Aber die Regierung stimmt nicht zu!) und um auch den Kindern – hier komme ich wieder zu den Kindern –, wenn es notwendig ist, einen Mehrwert zu geben von jenem sozialen Elternteil, der um dieses Kind in Sorge ist, ohne dass man die Verantwortung für die leiblichen Eltern einschränkt. Ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ.)

Ich möchte auch nicht unerwähnt lassen – weil ich gerade bei der Justiz bin –, dass wir im Bereich des verbesserten Opferschutzes sehr viel gemacht haben, was auch für mich als Sozialministerin sehr wichtig war, genauso wie das Anti-Stalking-Gesetz, ein Gesetz speziell für Frauen, das in der Vergangenheit nie zustande gekommen war. Aber ich möchte auch auf die Patientenverfügung hinweisen, die mehr Ent­scheidungs-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 135

freiheit und mehr Rechtssicherheit für Patienten und Ärzte ermöglicht. All das sind soziale, verantwortungsvolle Dinge, die wir umgesetzt haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit den umfangreichen finanziellen Leistungen für die Familien – sie wurden ja schon erwähnt: vom Erfolgsmodell des Kinderbetreuungsgeldes für derzeit über 160 000 Eltern, die Sachleistungen für die Familien, die verbessert wurden, bis hin zu einer ersten großen steuerlichen Entlastung in der Höhe von 250 Millionen € für die Familien – haben wir sehr nachhaltig in die Familien und somit auch in die Zukunft der Kinder investiert.

Wir haben aber auch der familiengerechten Arbeitswelt durch neue Partnerschaften einen Raum gegeben. Wir haben durch die Elternteilzeit und auch durch zusätzliche finanzielle Mittel für Kinderbetreuung den richtigen Weg eingeschlagen.

Ebenso rückt die Rolle der Väter, im Sinne einer positiven Entwicklung auch für die Kinder, mehr ins Blickfeld des gesellschaftlichen Interesses. Wenn auch die Zahlen noch nicht so befriedigend sind, was den Anstieg des Väteranteils anlangt, so haben sie sich doch seit dem Jahr 1999 von damals unter 1 Prozent auf jetzt bereits fast 4 Prozent erhöht.

Dass wir mit diesen Maßnahmen richtig liegen, zeigt auch der Aufwärtstrend bei den Geburten – derzeit 1,59 – zugleich mit der steigenden Erwerbsbeteiligung von Frauen. Da liegen wir auch über dem europäischen Durchschnitt.

Neben der gezielten Beschäftigungsoffensive für junge Leute – das ist heute schon angesprochen worden – haben wir es uns auch zum Ziel gemacht, die Freiwil­ligenarbeit und die aktive Bürgerschaft gerade von jungen Menschen zu stärken, um sie zu motivieren. Durch das, was wir gestern im Ministerrat beschlossen haben, nämlich einen zusätzlichen Bonus für junge Leute, die ein freiwilliges soziales Dienst­jahr machen, setzen wir meiner Ansicht nach das richtige Signal dafür, sich in diesem Bereich zu orientieren und engagieren. Ich glaube, der nächste Schritt muss sein, dass dieses Jahr auch eine Anerkennung als Bildungsjahr für die Pflegeberufe bekommt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die größte Herausforderung ist aber das aktive Älterwerden und die Sicherheit im Alter. Mit der Vereinheitlichung der unter­schiedlichen Pensionssysteme, der Beseitigung von Sonderpensionsrechten dort, wo die Regierung Einfluss nehmen konnte, den flexiblen Zugängen zum Regel­pensionsalter und vor allem mehr Fairness für Menschen, die besonders schwer gearbeitet haben (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen), setzen wir einen absoluten Meilenstein in der Altersvorsorge. (Beifall bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Ich darf zum Abschluss noch auf die Frauen eingehen (Abg. Brosz: Eigentlich nicht! – Abg. Eder: Es ist schon aus! – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt neuerlich das Glockenzeichen), weil hier so viel von der eigenständigen Alterssicherung der Frauen gesprochen wurde. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Schauen Sie sich bitte die Bilanz an, und Sie werden sehen (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt ein weiteres Mal das Glockenzeichen), dass diese Regierung mehr für Frauen getan hat, als in den letzten 30 Jahren geschehen ist. – Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

14.46


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Gemäß einem Präsidialbeschluss teile ich die Redezeit für die vier Fraktionen bis 15 Uhr zu gleichen Teilen ein und setze sie mit jeweils 3 Minuten fest.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 136

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Fuhrmann. – Bitte. (Abg. Eder – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Fuhrmann –: Wurstsemmel! – Abg. Marizzi: Drei Wurstsemmeln?)

 


14.46.33

Abgeordnete Silvia Fuhrmann (ÖVP): Sehr geehrter Bundeskanzler! Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Diese Bundesregierung hat nicht nur für die Frauen viel getan, sondern diese Bundesregierung hat auch für die jungen Menschen in diesem Land sehr viel getan. Wenn ich heute hier stehe und voller Stolz eine erfolgreiche Bilanz präsentieren kann, so ist das darauf zurückzuführen, dass wir den jungen Menschen – wie so viele von Ihnen hier – nicht das Wort reden und ihnen vorschreiben, was sie zu denken und zu tun haben, sondern wir binden sie ein und lassen sie aktiv mitarbeiten, und zwar auf allen Ebenen. Das unterscheidet uns schon sehr deutlich von Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition! (Beifall bei der ÖVP.)

Uns ist es darum gegangen, jungen Menschen Rahmenbedingungen zu ermöglichen, die es ihnen erleichtern, Hürden in ihrem Leben zu bewältigen. Dazu gehört natürlich als Erstes eine gute Ausbildung, an der wir gearbeitet haben.

Wenn die Opposition immer großen Wert darauf gelegt hat, in ihren Formulierungen bei Anträgen darauf zu schauen, dass bei „SchülerInnen“ das große I nicht fehlen darf, um möglichst die Schülerinnen und die Schüler hervorzuheben, so ist das geschriebene Wort das eine. Aber wenn man dann darauf achtet, was Sie vorschlagen und wie Sie handeln, dann werfen Sie plötzlich alles in einen Topf, und von Differenzierung ist überhaupt keine Rede mehr. Man sieht daran, dass zwischen dem, was Sie auf der einen Seite in Buchstaben festhalten, und dem, wie Sie auf der anderen Seite handeln, ein großer Unterschied besteht.

Unsere Bilanz – und da möchte ich auch unserer Bildungsministerin danken – ist eine sehr klare, denn wir haben versucht, uns individuell um jeden einzelnen Jugendlichen, um jede einzelne Schülerin und jeden Schüler zu kümmern. Dafür möchte ich ein paar Beispiele anführen.

Da ist es zu Beginn einmal darum gegangen, sicherzustellen, dass ein junger Mensch die bestmögliche Unterstützung bekommt, um hier in Österreich auch dann gut aufgehoben zu sein, wenn es darum geht, die österreichische Sprache perfekt zu beherrschen. Es wurden Sprachkurse im Kindergarten und auch in der Volksschule eingeführt; zusätzlich 330 Lehrerinnen und Lehrer haben wir eingestellt, um das auch zu garantieren.

Wenn wir bei der Lehrerausbildung sind, dann möchte ich hervorheben, dass wir auch diese Ausbildung hinterfragt haben. So haben wir die Pädagogischen Akademien in Pädagogische Hochschulen umgewandelt, um zu gewährleisten, dass erstens die Schulqualität gehoben wird und dass auch die besten Lehrer für unsere Schülerinnen und Schüler da sind. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Aber auch im Bereich der Universitäten ist viel weitergegangen. Es gibt heute um ein Fünftel mehr Studierende, und an den Fachhochschulen hat sich die Zahl verdoppelt. Das ist etwas, was man nicht schlecht reden kann, weil es den Fakten entspricht. (Zwischenruf des Abg. Dobnigg.)

Auch die Beschäftigungssituation ist eine hervorragende. Allein im Jahre 2005 – das sagt der Hauptverband der Sozialversicherungsträger – wurden 35 000 neue Jobs geschaffen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, 35 000 Jobs, das sind 100 Jobs alle 24 Stunden! (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) Das können Sie auch nicht wegreden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 137

Frau Kollegin Bures hat gesagt, sie weiß jetzt schon, dass die ÖVP abgewählt werden wird. – Ich sage Ihnen, ich weiß das nicht, denn ich glaube, dass die Menschen in diesem Land mündig genug sind, selbst zu entscheiden, wer die besten Partner sind. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Es ist so, wie es in allen Lebenslagen ist: Wenn man den richtigen Partner wählt, ist manches im Leben einfacher und vieles auch schöner, und das werden wir weiterhin garantieren. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ. – Ruf bei der SPÖ: Wurstsemmeln für alle!)

14.50


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Broukal. – Bitte.

 


14.50.35

Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ): Herr Präsident, herzlichen Dank! Frau Fuhrmann, wenn man Ihnen so zuhört, bekommt man Lust, den einen oder anderen Satz ein wenig in die Hand zu nehmen, zu drehen und zu wenden.

Sie haben sich um jeden Schüler – ich nehme an, auch jede Schülerin – individuell gekümmert. So schaut ein Schulsystem aus, das 20 Prozent der Kinder mit 15 als funktionale Analphabeten entlässt: Sie haben sich um jeden individuell gekümmert. Mag sein – aber in welch erbärmlichen Qualität! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Lentsch: Das hatten sie schon zu Ihrer Zeit!)

Der Herr Finanzminister hat gemeint: Wettbewerb der Ideen, reden wir doch ein wenig sachlich miteinander! – Ich greife das gerne auf. PISA, Herr Finanzminister: erstens, Reiseziel in Italien; zweitens, internationale Untersuchung, die zeigt, dass Österreichs Schulsystem bestenfalls europäisches Mittelmaß ist. Da, Herr Finanzminister, könnten Sie ein wenig mehr Ehrgeiz hineinlegen – auch finanziellen Ehrgeiz!

Ich habe einmal in einer Ausschusssitzung in Gegenwart der Frau Bildungsministerin gefragt, wieviel Geld denn Frau Gehrer in den letzten sechs Jahren kumuliert mehr verlangt hat, als Sie ihr für die Schule zu geben bereit waren. Sie haben mich belehrt und haben mir gesagt: Sie setzen fest, was die Schule bekommt, nicht Frau Gehrer! – Dann übernehmen Sie doch gefälligst auch die Verantwortung für eines der schlechtesten Schulsysteme Europas! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich jedenfalls freue mich auf den Wahlkampf. Ich weiß, in meinem Arbeitsgebiet, Schule und Universität, habe ich nur gute Nachrichten zu verteilen.

Es ist die Nachricht: Senkung der Schülerzahl auf 25 pro Klasse nicht erst 2009, sondern 2007. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist die Nachricht: ab Februar 2007 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer dort, wo sie besonders gebraucht werden. (Abg. Neudeck: Ihre Nachrichten haben Sie im Fernsehen ...!) Es ist ein Skandal, dass es derzeit etwa in Linz in der Pöstlingberg-Schule, in der es null Ausländer gibt, 18 Schüler pro Klasse gibt, dass aber in einer Schule, in der es 80 Prozent Ausländerkinder gibt, 20 Kinder pro Klasse sind. (Zwischenruf der Abg. Felzmann.) Das werden wir ändern! (Abg. Scheibner: Wo denn?) Ich rede von Linz, von Oberösterreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Dritte ist: Ich werde für den Bereich Schule versprechen, dass die SPÖ in Zukunft dafür sorgen wird, dass niemand mehr in diesem Land private Nachhilfe kaufen muss (Zwischenruf des Abg. Großruck), sondern dass die Nachhilfe an der Schule kostenlos für jede SchülerIn erfolgt.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 138

Ich freue mich, Sie im Oktober dezimiert, aber doch wiederzusehen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundeskanzler Dr. Schüssel: Ich glaube, Sie brauchen ein paar Nachhilfe­stunden!)

14.52


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte.

 


14.53.10

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche - BZÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Freiheitlicher freue ich mich auf den Herbst, weil es dann hier im Hohen Haus wieder eine eigenständige freiheitliche politische Kraft und nicht nur ein Anhängsel einer großen Regierungspartei geben wird. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, das wird umso notwendiger sein, als diese Bundes­regierung in zwei entscheidenden Fragen versagt hat. (Abg. Scheibner: ... „Anhängsel“?) Deshalb bin ich auch froh darüber, dass in der Bundesregierung derzeit kein Freiheitlicher mehr sitzt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen – BZÖ.) Die beiden Themen, in denen diese Regierung versagt hat, sind die Zuwanderungsfrage sowie die Frage der Akzeptanz und der Bürgernähe im Rahmen der Europäischen Union und ihrer Entwicklung.

Meine Damen und Herren! In der Zuwanderungsfrage haben wir einen Zuwachs zu verzeichnen vom Jahre 2000, in welchem wir noch ungefähr 21 000 Zuwanderer hatten (Abg. Scheibner: Drei Jahre mit Bösch!), auf zirka 60 000 Zuwanderer im Jahre 2005, Herr Kollege Scheibner. Unsere Versuche, da einzugreifen und etwas zu verbessern, sind leider Gottes fehlgeschlagen. Deshalb, lieber Herbert Scheibner, bin ich froh darüber (Abg. Scheibner: Drei Jahre mit Bösch!), dass ich hier nicht mehr die Verantwortung mit übernehmen muss. (Abg. Scheibner: Für alles mitgestimmt! – Abg. Neudeck: Aber im nächsten Nationalrat hast du auch keine Stimme!)

Meine Damen und Herren! In den Wiener Schulen wird es im Schuljahr 2005/06  43,4 Prozent Schüler mit nicht-deutscher Muttersprache geben; in den Hauptschulen sind sie bereits in der Mehrheit. Muslime werden in der Jahrhundertmitte ein Viertel der Gesamtbevölkerung ausmachen, bei den unter 14-Jährigen bereits die Mehrheit.

Meine Damen und Herren, das ist eine Entwicklung, die von dieser Bundesregierung negiert wird! Das ist aber eine entscheidende Entwicklung. Und wenn wir diese Entwicklung nicht in den Griff bekommen, Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler, dann sind alle Ihre anderen Fortschritte, die Sie behaupten, in Ihrer Regierungszeit gemacht zu haben – in der Wirtschaftspolitik, in der Sozialpolitik, in der Wissenschaft –, nichts mehr wert, weil diese Gesellschaft dann nicht mehr auf jenem Konsens wird aufbauen können, den sie heute noch hat. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Haben Sie nicht mitgestimmt?)

Meine Damen und Herren! In der Europapolitik wäre es eine Verpflichtung dieser Bundesregierung gewesen, klar zu sagen, dass, wenn es eine neue europäische Verfassung gibt, die Österreicher selbstverständlich in einer nationalen Volksabstim­mung gefragt werden, ob sie auch diese Änderung in ihrer Bundesverfassung wollen.

Der zweite Punkt, Herr Bundeskanzler (Abg. Neudeck: Das muss Stadler aufge­schrieben haben!): Es wäre wichtig gewesen, dass Sie für Österreich im Rahmen der sechsmonatigen Präsidentschaft endlich klarmachen (Abg. Scheibner: Das ist die Unterschrift eines Offiziers wert!), dass es keine weitere grenzenlose Erweiterung der Europäischen Union geben wird. Das hätten Sie im Zusammenhang mit den


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 139

Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, aber auch mit den verfrühten Beitritten von Bulgarien und Rumänien auf den Punkt bringen müssen.

Das sind Versäumnisse, Herr Bundeskanzler! Deshalb bin ich froh, dass wir im Herbst hier wieder eine eigenständige, konsequente freiheitliche Politik machen werden. (Beifall der Abg. Rosenkranz. – Abg. Scheibner: Aber ohne dich! – Abg. Neudeck: Aber ohne Bösch! – Abg. Dr. Wittmann: Der beste Redner vom BZÖ bisher! – Ruf: Das war Böschs Abschiedsrede!)

14.55


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

 


14.56.09

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Am Ende der Debatte – zumindest am Ende der vom Fernsehen übertragenen Debatte – gehe ich noch einmal zum Beginn zurück. Herr Klubobmann Molterer hat mehrfach den Stolz auf Österreich eingemahnt. Der Punkt ist, Herr Kollege Molterer: Man kann zu diesem Land stehen, man kann auf vieles in diesem Land positiv blicken, ohne auf all das stolz sein zu müssen, was die Bundesregierung und die ÖVP in diesem Land als Politik veranstaltet. (Beifall bei den Grünen.)

Sie befinden sich hier im Übrigen in einem Boot mit dem Kollegen Scheuch. Er kommt auch hier herunter und sagt, jede Kritik, jede Anmerkung sei ein Schlechtmachen des Landes. – Ob Sie sich dabei so wohl fühlen, genau so wie Herr Kollege Scheuch zu argumentieren und hier dieses Klima zu entwickeln, dass es Majestätsbeleidigung ist, sich mit der Politik auseinander zu setzen? (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich nehme das wirklich mit Bedrückung zur Kenntnis, weil das einfach eine Stimmung ist, die eigentlich aus anderen Ländern kommt. Wenn man sich anschaut, wie die Stimmung in den von Ihnen so sehr kritisierten kommunistischen Ländern war, wie dort der Staat mit Kritik umgegangen ist, dann haben wir hier meiner Ansicht nach einen Punkt erreicht, an dem wir vorsichtig werden sollten. Es ist Kritik an der ÖVP nicht gleichzusetzen mit Kritik an Situationen in diesem Land. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was die Frage des Stolzes betrifft, waren es, glaube ich, auch Sie, Herr Kollege Molterer, der gesagt hat, das Ausmaß der Altersversorgung in Österreich sei massiv gestiegen, weil jetzt sehr viele Menschen private Altersversorgung in Anspruch nehmen. – Jetzt kommt bald der Wahlkampf, und wenn Sie an Standln stehen werden, dann wird es Ihnen vielleicht wie mir gehen. Wenn dort Menschen vorbeikommen, die 20 oder 25 Jahre sind, und man sie fragt, wie sie denn ihre Pensionsaussichten einschätzen, dann sagen sie fast flächendeckend: Wir werden keine staatliche Pension mehr bekommen. – Und das in einem der reichsten Länder dieser Welt!

Ich bin nicht stolz darauf, dass diese Stimmung entstanden ist. Es muss eine andere Möglichkeit der Sicherheit geben als eine private Altersversorgung. Das Kriterium, dass so viele privat vorsorgen, ist kein Qualitätskriterium! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Molterer, man muss auch nicht stolz auf die Bildungspolitik von Bildungsministerin Gehrer sein. Man muss nicht stolz darauf sein, dass private Nachhilfe in Österreich boomt wie in kaum einem anderen Land. Man muss überhaupt nicht stolz darauf sein, dass in den letzten Jahren trotz insgesamt rückläufiger Schülerzahlen die Klas­senschülerzahlen Jahr für Jahr gestiegen sind.

Man muss nicht stolz darauf sein, dass Finanzminister Grasser Bildungspolitik, die Zukunft des Landes, als vorwiegendes Sparziel ausgemacht und dies rigoros


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 140

durchgezogen hat. Man muss überhaupt nicht stolz darauf sein, dass gerade jetzt Tausende junge Menschen in den Universitäten bei Aufnahmeprüfungen sitzen und wissen, dass sie keinen Studienplatz bekommen werden, obwohl Österreich eine der geringsten Studierendenraten hat und obwohl es nach wie vor der Fall sein müsste, dass endlich mehr Studienplätze zur Verfügung gestellt werden.

Dieses Spielen um das Einfordern des Stolzes, diese ununterbrochene Gleichsetzung „Hier das Land, hier die ÖVP“, „Die Kritik an uns ist eine Kritik an Österreich“: Da sollten wir uns in diesem Wahlkampf wirklich überlegen, ob wir Politik so gestalten wollen. (Beifall bei den Grünen.)

14.59


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Contra-Redner hat sich Herr Abgeordneter Mag. Posch zu Wort gemeldet. Auf wieviel darf ich die Uhr einstellen? (Abg. Mag. Posch – auf dem Weg zum Rednerpult –: 5 Minuten!) – Bitte.

 


14.59.36

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Es sei mir gestattet, ein paar Dinge in einer kritischen Bilanz zu reflektieren, da dies meine letzte Rede hier ist.

Ich möchte gerne auf ein paar Dinge aus meiner Sicht hinweisen, die mich in der Vergangenheit bewegt haben und von denen ich glaube, dass sie für die Zukunft Österreichs von Bedeutung sind.

Zum einen: Ich bedauere es, dass es in der Kärntner Ortstafelfrage keine Lösung gegeben hat, weil das Konzept der Öffnungsklausel auch der ständigen Rechts­prechung des Verfassungsgerichtshofes nicht gerecht wurde, wie der Zentralverband festgestellt hat, und weil es nach meinem Dafürhalten keine Lösung gegen die Volksgruppe geben kann, weil die Mehrheit nicht über Minderheiten-Angelegenheiten entscheiden darf. Ich glaube, diesen Wunsch teilen auch alle Kärntner. Daher muss es eine breite Lösung geben, die von allen gesellschaftsrelevanten Gruppen mitgetragen wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Diesbezüglich habe ich auch Zweifel, wenn ich mir die Lösung der Kärntner Ortstafelfrage laut Infodienst des Herrn Landeshauptmannes anschaue und wenn ich mir auch anschaue, welche Lösung angestrebt wurde.

Zu dem, was der Herr Abgeordnete Scheuch vorgestern hier dazwischengerufen hat, nämlich dass er jetzt versteht, warum mich die Frau Schaunig nicht mehr aufstellt, darf ich sagen: Ich bedauere es auch, ehrlich gesagt, dass eine konsequente minder­heitenfreundliche und antirassistische Position in der Kärntner SPÖ keinen Platz hat und dass statt inhalts- und sachbezogener Politik eine ausschließlich an Macht­interessen und Opportunitätserwägungen orientierte Politik alten Stils betrieben wird. (Demonstrativer Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ.)

Zweitens: Herr Präsident Khol pflegte dereinst zu sagen, die Wahrheit sei eine Tochter der Zeit. Da mag er schon Recht haben. Manchmal setzt sie sich nur später durch, wie sich das auch in der Frage der Auseinandersetzung mit dem Erbe des National­sozialismus gezeigt hat. Da hat es auch jahrelang kollektive öffentliche Verdrängung und Wegschauen gegeben, ehe man sich unter internationalem Druck dazu entschlossen hat, sich dieser Frage zu stellen, und sich mit Nationalfonds, Restitution, Versöhnungsfonds et cetera an die Wiedergutmachung erlittenen Unrechts an den Opfern des Nationalsozialismus gemacht hat.

Dazu haben viele einen Beitrag geleistet, wie etwa Klestil, Vranitzky. Ich stehe auch nicht an, dem Herrn Bundeskanzler Schüssel für seine in diesem Zusammenhang


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 141

erbrachten Leistungen meine Reverenz zu erweisen. (Demonstrativer Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

Österreich hat sich damit einer materiellen und rechtlichen Pflicht entledigt, die ethische und moralische Dimension des Mordes an 6 Millionen Juden ist jedoch gesetzlich und auch mit materieller Entschädigung nicht gutzumachen – mit materieller Entschädigung deshalb nicht, weil sich die Einzigartigkeit dieses Verbrechens jeglicher Kategorie des Denkens entzieht. Dazu kommt noch, dass jahrelang eine umfassende moralische, gesellschaftliche und kulturelle Rehabilitierung der Juden und anderer politisch Verfolgter unterblieben ist.

Schwerer als diese materiell-technische Seite wiegt daher die geistige Auseinandersetzung, weil es in vielen Teilen Europas eine Kontinuität xenophoben und rassistischen Denkens gibt, weshalb ich der Meinung bin, dass nur kritische Selbstreflexion die Möglichkeit beziehungsweise die Chance bietet, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.

Drittens: Zu dieser Reflexionsarbeit habe auch ich versucht, einen bescheidenen Beitrag zu leisten, und ich sehe mit nicht geringer Genugtuung, dass nach den Höhen­flügen rassistischer Semantik in den neunziger Jahren, dem Ausländer-Volksbegehren und politischer Mobilisierung mit aggressiver Rhetorik die Euphorie populistischer Bewegungen und die grandiosen Wahlerfolge einer breiten Ernüchterung gewichen sind.

Selbstverständlich ist niemand vor Irrtümern gefeit, auch unsere eigene Partei nicht, auch ich persönlich habe die Wahrheit nicht gepachtet, und niemand ist vor popu­listischen Vereinfachungen und platter Rhetorik sicher. Die Wahrheit ist nicht immer angenehm, aber man soll es sich nicht zu leicht machen, auch wenn es einen das Mandat kosten kann, wenn man konsequente, kritische und unangenehme Positionen vertritt. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das führt bisweilen auch in der eigenen Partei zu Problemen, dazu, dass man sich manchmal ziemlich alleine fühlt, dass man alleine dasteht, wenn neue Sprach­regelun­gen und Kommunikationsstrategien greifen. Dennoch ist es, glaube ich, notwendig, sich zu wehren, wenn emanzipatorische Positionen zugunsten machtpolitischer Kalküle und vordergründiger Berechnungen aufgegeben werden, manchmal schon, um die eigene Tradition zu wahren, die Tradition Kreiskys etwa, der selbst vor den Nazis geflüchtet ist und in Kopenhagen um politisches Asyl ersucht hat, wozu man auch sagen muss, dass niemand gerne seine Heimat verlässt und sich von seiner Familie und seinen Freunden trennt, aber auch im Lichte der Tradition österreichischer Hilfsorganisationen, wie etwa Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz, Volkshilfe und so weiter. Deshalb bedauere ich sehr, dass sich mit dem Fremdenrechtspaket 2005 die Grundlagen für Asylverfahren verschlechtert haben, dass die Schubhaft verlängert wurde und auch vermehrt eingesetzt wird, wobei die Bedingungen – schauen Sie sich das an! – manchmal schlechter sind als in der Strafhaft (Abg. Dr. Partik-Pablé: Geh, bitte!), für Menschen, die gegen kein Gesetz verstoßen haben, außer vielleicht illegal im Land aufhältig zu sein.

Dass die Zwangsernährung legistisch durchgeführt wurde und mittels Durchführungs­erlass nachdrücklich geregelt wurde, vielleicht nur deshalb, um präventiv abzuschrecken, aber immerhin im Notfall anwendbar, dass die Bedingungen für Traumatisierte vermehrt wurden, dass die polizeilichen Befugnisse vermehrt wurden, dass neue Strafbestände eingeführt wurden: Das alles ist nicht nach meinem Ge­schmack, das muss ich ganz ehrlich sagen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 142

Viertens: Selbstverständlich muss man akzeptieren, dass man sich mit seiner Meinung nicht immer durchsetzt, wenngleich dies viele KollegInnen ähnlich gesehen haben, weil es im SPÖ-Klub – und da bin ich stolz darauf – viele grundrechtsorientierte Menschen gibt, Menschen, die engagiert sind, die sich dafür einsetzen, die diese Meinung teilen, auch wenn die Meinungsfindung manchmal zu einem anderen Ergebnis führen kann und es auch vorkommen kann, dass dann das Abstimmungsergebnis ein anderes ist. Aber es gibt viele engagierte junge und ältere Leute, von denen ich weiß, dass für sie Ethos und Moral nichts Sinnloses sind, sondern dass Sie darauf achten. (Abg. Scheibner: Was ist mit den anderen?)

Selbstverständlich gibt es solche Menschen, auch wenn der Stellenwert von Menschenrechtsfragen – auch im Menschenrechtsausschuss; das sage ich auch selbstkritisch – manchmal ernüchternd ist. Dennoch bin ich davon überzeugt – und da ist nach meinem Dafürhalten der Auftrag an die Zukunft zu sehen –, dass die Wider­sprüche zunehmen werden, weil die Frage völlig offen ist, wie die Interessens­ab­wägung zwischen der Aufgabe von Grundrechten einerseits und der anwachsenden Überwachung andererseits gelingen soll und wie es um die Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel bestellt ist.

Es liegt nahe, zu fordern: noch mehr Videoüberwachung, noch mehr Daten­speiche­rung, noch mehr Rasterfahndung, noch mehr Lauschangriff, noch mehr Erweiterte Gefahrenerforschung. Aber kann man mit einem Mehr an Überwachung ein Mehr an Sicherheit bekommen, und was ist der Preis dafür? Was ist der Preis dafür? Kann man Demokratie und Freiheit verteidigen, indem man die Grundwerte beschneidet, die Versammlungsfreiheit, die Unversehrtheit der privaten Wohnung, das Brief- und das Fernmeldegeheimnis? Man wird möglicherweise draufkommen – das ist meine Mei­nung, und das ist der eigentliche Auftrag, glaube ich, an die Zukunft der Politik in Österreich –, dass der präventive Überwachungsstaat nicht der Weisheit letzter Schluss ist und jegliches Vertrauen in die Sicherheit und in die Integrität einer demokratischen und offenen Gesellschaft untergräbt.

Bedauerlicherweise ist diese Linie derzeit nicht mehrheitsfähig, das muss ich leider sagen, aber die Wahrheit ist, auch wenn es das eigene Mandat kostet, zumutbar – um die große österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann zu zitieren – und nicht „eine Tochter der Zeit“. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie Beifall bei den Grünen, die sich von ihren Sitzen erheben. – Etwas später erheben sich auch die Abgeordneten der SPÖ von ihren Plätzen.)

15.08


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Donner­bauer. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.08.40

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Werter Herr Präsident! Verehrter Herr Bundeskanzler! Werte Regierungsmitglieder! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss leider den Redebeitrag der Frau Abgeordneten Heinsch-Hosek korri­gieren. (Abg. Neudeck: Wieso „leider“?)

Frau Kollegin Heinisch-Hosek hat in ihrem Redebeitrag – in Reaktion auf eine Rede des Herrn Abgeordneten Stummvoll – behauptet, dass Alfred Gusenbauer am 8. Mai 1945 in Paris gewesen sei.

Nun muss ich sagen: Herr Gusenbauer und auch die SPÖ schauen manchmal ziemlich alt aus, aber doch nicht so alt. Daher berichtige ich tatsächlich.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 143

Richtig ist vielmehr, dass Alfred Gusenbauer im Frühjahr 2000 mit Champagner auf die Sanktionen gegen Österreich in Paris angestoßen hat. (Beifall bei der ÖVP. – Heftiger Widerspruch bei der SPÖ.)

15.09


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag. Gross­mann. Sie hat 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.09.39

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Präsident! Werte Regierungs­mitglieder! Meine sehr geehrten Damen und Herren, das war wirklich ein starkes Stück, was Sie hier jetzt geliefert haben. Etwas auf diesem Niveau hat eigentlich in diesem Hause nichts verloren, Herr Kollege. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Scheibner: Na, na! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es ist sehr traurig, dass Herr Präsident Khol da nicht aktiver ist, dass er hier eine sehr parteipolitisch gefärbte Vorsitzführung pflegt. (Abg. Scheibner: Dafür kriegt man normalerweise einen Ordnungsruf!)

Heute wird der Weg freigemacht, damit am 1. Oktober über die politische Zukunft unseres Landes neu entschieden werden kann. Das ist gut so. Und ist es wirklich höchste Zeit – das muss man sagen, wenn man sich in Ihren Reihen umschaut –, dass das bürgerliche Trauerspiel endlich beendet wird. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Nur junge Menschen, deren Leben wohl am intensivsten von politischen Ent­schei­dungen beeinflusst wird, sind nach wie vor davon ausgeschlossen, ihre politische Vertretung zu wählen. Kollegin Fuhrmann hat über sehr vieles gesprochen, nur das hat sie leider nicht erwähnt. Auf Landes- und Gemeindeebene wurde dieses demokratie­politische Defizit zum Großteil beseitigt und über-16-Jährigen das Wahlrecht einge­räumt.

Auf Bundesebene aber, wo besonders jugendrelevante Materien beschlossen werden, wie etwa die Grundsätze der Bildungspolitik und der Arbeitsmarktpolitik, meinen die derzeitigen Regierungsfraktionen, dass die Jugend dafür noch nicht reif genug ist. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wer hat Ihnen denn diese Rede aufgesetzt, dass Sie sie herunterlesen müssen?) Dabei treffen Jugendliche schon vor ihrem 16. Lebensjahr Entscheidungen von erheblicher Tragweite für ihr weiteres Leben. Man denke etwa an die Wahl des Ausbildungs- oder Berufsweges. Sogar heiraten kann man schon mit 16 Jahren. Jugendliche sind mit 14 Jahren bereits strafmündig, was ausgerechnet jene – und da schaue ich in Ihre Richtung, Herr Kollege Scheibner –, die sich vehement gegen eine Senkung des Wahlalters aussprechen, jetzt sogar um ein Jahr auf 13 herabsetzen wollen. (Abg. Scheibner: Das stimmt überhaupt nicht! Was reden Sie da für einen Unsinn?!) Warten Sie meine Rede ab! Wir werden schon sehen, wie Sie dann abstimmen werden. (Abg. Partik-Pablé: Lesen Sie weiter!)

Pflichten und Verantwortlichkeiten werden jungen Menschen sehr bald zugetraut, nur bei der Zuerkennung von Rechten lässt man sich Zeit. Dass Jugendliche sehr wohl reif und interessiert sind, ihr Wahlrecht auszuüben, haben sie bei den Landtagswahlen in Wien und im Burgenland bewiesen. Eine SORA-Studie hat diesbezüglich sehr inter­essante Ergebnisse zutage gebracht: Die Senkung des Wahlalters steigert das Interesse an Politik ganz enorm. Junge Menschen informieren sich vor der Wahl sehr bewusst und wägen sehr genau ab, wer wirklich etwas für sie tut und wer sie im Stich lässt.

Es dürften einige ein sehr schlechtes Gewissen haben, die jahrelang die Jugend ihrer Chancen beraubt haben: durch die höchste Jugendarbeitslosigkeit in der Zweiten


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 144

Republik, durch einen Kahlschlag im Bildungswesen, durch die Schließung des Ju­gend­gerichtshofes, durch eine verfehlte Integrationspolitik, durch Kürzungen bei der Jugendwohlfahrt und und und. Dieses Sündenregister ließe sich wirklich noch sehr lange fortsetzen. Das ist nämlich die wahre Bilanz – und nicht diese „Lobhudel-Bilanz“, die wir heute schon so oft aus Ihren Reihen gehört haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Ist das Ihre Abschiedsrede?)

Das verursacht natürlich auch ein schlechtes Gewissen bei jenen, die eines haben, und dieses schlechte Gewissen dürfte auch der Grund dafür sein, dass so manche vor einer Senkung des Wahlalters zurückschrecken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Junge Menschen müssen endlich ernst genommen werden, sie sollen endlich an den politischen Entscheidungsprozessen teil­nehmen dürfen.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Mag. Elisabeth Grossmann und GenossInnen betreffend Senkung des Wahlalters

Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat umgehend eine Gesetzesvorlage zuzuleiten, wonach das aktive Wahlalter bei der Nationalratswahl auf 16 Jahre gesenkt wird. Dieses Wahlalter soll bereits für die nächste Nationalratswahl gelten. (Abg. Scheibner: Für die jetzigen? Wie soll sich das ausgehen? Wie geht denn das?)

*****

Jetzt ist wirklich die letzte Gelegenheit, jungen Menschen endlich das Wahlrecht zu geben. Springen Sie endlich über Ihren Schatten und nützen wir gemeinsam diese Chance! (Rufe bei den Freiheitlichen – BZÖ: ... im Gesetz, bitte!) Jetzt können Sie endlich die Gelegenheit dazu ergreifen. Jetzt können Sie das in die Tat umsetzen, was Sie, Herr Kollege Scheibner, und Ihre Kolleginnen und Kollegen hier angekündigt haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Für die kommenden Wahlen?)

15.14


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Frau Abgeordneter Grossmann eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Mag. Elisabeth Grossmann und GenossInnen betreffend Senkung des Wahlalters ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Mag. Elisabeth Grossmann und GenossInnen betreffend Senkung des Wahlalters

Von jungen Menschen wird in der heutigen komplexen Welt ein hohes Ausmaß von Selbständigkeit und Verantwortungsbewusstsein in allen Bereichen des Lebens erwartet. Schon in sehr jungen Jahren müssen Entscheidungen von erheblicher Trag­weite für das weitere Leben getroffen werden, wie etwa die Wahl des Berufs- bzw. Ausbildungsweges. Die Strafmündigkeit tritt bereits mit 14 Jahren ein, was so manche, die sich gegen eine  Wahlaltersenkung aussprechen, sogar noch weiter herabsenken wollen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 145

Während also Jugendlichen sehr früh Pflichten und Verantwortlichkeiten übertragen werden, lässt man sich mit den Rechten Zeit.

Zu einem wesentlichen Element der Selbstverantwortung gehört in einer Demokratie das Wahlrecht. Wie die Erfahrungen bei den Landtags- und Gemeinderatswahlen in jenen Ländern zeigen, in denen das Wahlalter auf 16 gesenkt wurde, nehmen dort Jugendliche ab 16 ihr Wahlrecht in gleicher Weise ernst wie Erwachsene. Gleichzeitig sichert dieses Wahlrecht, dass Anliegen und Ansichten junger Menschen von den Parteien ernst genommen werden, weil sie mit ihrer Stimme diese Anliegen in demokratischer Weise auch beeinflussen können. Die Senkung des Wahlalters auf 16 bedeutet daher insgesamt mehr Demokratie und Akzeptanz der Jugend in unserer Gesellschaft.

Die unterzeichneten Abgeordneten beantragen daher, der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung:

Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat umgehend eine Gesetzesvorlage zuzuleiten, wonach das aktive Wahlalter bei Nationalratswahlen auf 16 Jahre gesenkt wird. Dieses Wahlalter soll bereits für die nächste Nationalratswahl gelten.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Broukal zu Wort gemeldet. Ich erinnere an die diesbezüglichen Bestimmungen: Fakten gegen Fakten; 2 Minuten. – Bitte.

 


15.14.26

Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Stummvoll hat behauptet – und andere Redner der ÖVP folgten ihm –, Alfred Gusenbauer habe am 8. Mai 2000 an einer Feier der Sanktionen gegen Österreich teilgenommen und bei dieser Gelegenheit Champagner getrunken. – Das ist unwahr!

Wahr ist vielmehr: Alfred Gusenbauer hat in Paris an einer Feier zum 55. Jahrestag der Befreiung Europas von Faschismus und Nationalsozialismus teilgenommen.

Wahr ist weiters, dass leider kein Vertreter der österreichischen Bundesregierung bei dieser Feier anwesend war. (Abg. Wittauer: Das ist keine tatsächliche Berichtigung mehr! – Präsident Dr. Kohl gibt das Glockenzeichen.)

Wahr ist weiters, dass ich es für äußerst unerträglich finde, diese öde Polemik immer wieder zu hören. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Da gibt es sogar Fotos mit dem Champagnerglas! – Gegenrufe bei der SPÖ.)

15.15


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mandak. 5 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


15.15.21

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Vorerst möchte ich dir, Kollege Posch, herzlich danken für deine Worte, die ich wie kaum welche in diesem Hause mitnehmen werde. Es war meiner Überzeugung nach ein Appell nicht nur für Menschenrechte und für Demokratie, sondern auch für das Hochhalten des freien Mandats und für das Beibehalten der freien eigenen Meinung


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 146

hier herinnen. Danke dafür! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ sowie bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Herr Kollege Molterer, Sie haben schon vor einigen Stunden hier gesprochen (Abg. Mag. Molterer: Und es ist immer noch in Erinnerung!), und es ist mir sehr im Gedächtnis geblieben Ihr Slogan, das Schlagwort „Hinschauen, nicht wegschauen!“. Genau das ist es, was hier seit Jahren passiert. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Genau: Hinschauen, nicht wegschauen!) Und genau das ist es, was mich eigentlich seit vielen Jahren hier herinnen, seit den letzten Wahlen, immer wieder sehr ärgert. (Abg. Mag. Molterer: Dass wir hinschauen!) Sie schauen nicht hin. Sie schauen immer wieder weg.

Heute verstehe ich es ja noch ein bisserl, dieses Beweihräuchern, weil das Ende der Legislaturperiode naht. Aber das ist ja schon seit Jahren so, das ist ja nicht nur heute der Fall. Das machen Sie ja schon die ganze Zeit. Seit diese Legislaturperiode begonnen hat, sagt die Regierung und sagen Sie, was alles toll laufe. Und es kommt nie der Satz, der da heißt: Wir haben Armut in Österreich!

Es gibt Armut in Österreich. In Österreich sind ein Drittel der Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher armutsgefährdet. Es sind in Österreich ein Drittel der Familien mit drei und mehr Kindern, wo ausschließlich der Mann erwerbstätig ist, armutsgefährdet. Es sind genauso viele Familien von Migrantinnen und Migranten, und zwar unabhängig von der Kinderzahl, armutsgefährdet.

In Anbetracht dessen kann die Regierung hier auf der Regierungsbank, aber auch Sie hier heraußen nicht einfach so tun, als wäre alles in Ordnung, als sei alles toll in diesem Land, als sei alles bestens in Österreich. Das ist es eben absolut nicht!

Unser Verständnis von Politik ist, genau dort hinzuschauen, wo Defizite sind. Natürlich müssen wir deshalb immer wieder diese Defizite ansprechen. Sie sprechen diese leider nicht an. Sie sehen sie leider nicht. (Beifall sowie Ruf bei den Grünen: Die berühren sie nicht!)

Es wäre gut, wenn Sie sich einmal hier herausstellen und sagen würden, im Bereich der Familien haben wir folgende Probleme: hauptsächlich Armut, die wir bekämpfen müssen, im Bereich der Jugend haben wir wirklich das große Problem, dass viele Jugendliche nicht sinnerfassend lesen können. Das trifft immerhin auf jeden fünften Schüler/auf jede fünfte Schülerin zu. Stehen Sie einmal dazu! Und dann sagen Sie: Das gibt es einen Handlungsbedarf, und wir müssen da etwas machen! (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek.)

Es ist nicht gut, dass in Österreich Eltern 120 Millionen € im Jahr für Nachhilfestunden ausgeben müssen. Das können sich manche leisten, aber andere nicht, und infolge­dessen haben manche Kinder in der Schule weit bessere Chancen als andere Kinder. (Abg. Mag. Molterer: Warum fällt es Ihnen so schwer, das Positive zu sagen?)

Warum stellen Sie sich nie hierher und sagen: Ja, das gibt es! (Abg. Mag. Molterer: Warum sagen Sie nie: Ja, es gibt auch etwas Gutes?) Dann wäre die politische Auseinandersetzung hier in diesem Parlament und die politische Auseinandersetzung überhaupt eine weit differenziertere. Die können wir gerne führen. Aber nur dann wird sie möglich. Doch Sie verunmöglichen sie leider dadurch, dass Sie immer nur Weihrauch streuen. Es ist wirklich nur Weihrauch, den Sie hier streuen. Die Realität der Menschen in Österreich erkennen sie leider nicht! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Riepl.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 147

Frau Ministerin Haubner hat erklärt: Alle Familien sind gleich viel wert! Alle Familien sind gleich! – So ist es aber nicht! Es stimmt, wir haben in Österreich eine der höchsten Familienförderungen in Europa. Toll! Super! Großartig! (Abg. Freund: Das stimmt ja!) Ich sage das immer. Ich stehe nicht an, zu sagen, dass das toll ist. – Trotzdem müssen wir uns anschauen: Was ist falsch am System, dass wir trotzdem so viele Familien in Österreich haben, die in Armut leben? Was ist da falsch? Da müssen wir ansetzen und dem entgegensteuern! Doch dazu sind Sie von den Regie­rungs­parteien aber leider nicht bereit. – Wir sind es! (Beifall bei den Grünen.)

Bereich Seniorinnen und Senioren, Bereich alte Menschen, Pensionsvorsorge. – Frau Minis­terin Rauch-Kallat ist uns die lang versprochene wissenschaftliche Untersuchung der Auswirkungen des neuen Pensionssystems auf Frauen bis heute schuldig. Ich sage Ihnen, es werden durch diese große Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes, die Sie gemacht haben, noch mehr Frauen in die Armutsfalle tappen. Diese Frauen werden in Armut leben müssen, da nutzen dann auch diese 150 € nichts, Kollege Scheuch. Bei einer Pension von 400 € machen sie das Leben etwas leichter, aber auch mit 550 € kann man in Österreich nicht leben, vor allem nicht würdig leben – ich nicht und Sie nicht und alle Betroffenen auch nicht; das kann ich Ihnen nur sagen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Aber es ist ein erster Schritt!)

Letzter Punkt, gerade gestern erst hat die Regierung einen Beschluss gefasst, der leider eine ganz, ganz abgeschwächte Form ist: Familien, wo Vater und Mutter nicht verheiratet sind. Ich mache Ihnen den Vorwurf, dass Sie die Familien einteilen in die so genannten, wie man in Vorarlberg sagen würde, g’hörigen Familien, in die, die verheiratet sind, und in die, die nicht verheiratet sind. (Ruf bei der ÖVP: Das stimmt ja nicht!) Wie es den Kindern geht, die in diesen Familien leben, ist Ihnen egal! Das ist Ihnen völlig egal! Sie erhalten nicht die Rechtslage, die sie dringend brauchen. Ministerin Gastinger hat das Gott sei Dank erkannt; Sie von der ÖVP aber weigern sich, die Realität anzuerkennen. Schade!

Es ist Zeit, dass wir endlich einmal ein Mitspracherecht haben, dann würde sich einiges ändern, das sage ich Ihnen. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Steibl: Ihr habt keine Wertigkeiten!)

15.21


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Scheibner. Gewünschte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


15.21.50

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche - BZÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte nur eine kurze Stellungnahme zu den Ausführungen von Frau Abgeordneter Grossmann machen, weil sie mich, wenn ich das richtig interpretiere, sogar in ihrem Entschließungsantrag indirekt erwähnt. – Danke für die Ehre. Weiters haben Sie mich dann angesprochen, ich sei einer von jenen, die zwar für die Absenkung des Alters für die Strafmündigkeit eintreten, aber gleichzeitig auch gegen eine Senkung des Wahlalters sind.

Frau Kollegin Grossmann, das ist unrichtig! Ich bin sehr wohl für die Absenkung des Wahlalters, und zwar habe ich das schon seit meiner Zeit als Jugendobmann vertreten. Wir haben auch im Verfassungskonvent darüber diskutiert, dass man zumindest als ersten Schritt die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre sowohl auf kommunaler Ebene als auch auf Landtagsebene unternimmt und auch Instrumente der direkten Demokratie für 16-Jährige öffnet, um dann in einem zweiten Schritt generell das Wahl­alter zu senken. Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen, auch in meiner Fraktion, auch in der Koalition, aber Sie haben mir vorgeworfen, ich sei gegen diese Initiative. Im


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 148

Verfassungskonvent hätten wir vielleicht sogar die Möglichkeit gehabt, etwas umzusetzen, aber da war es Ihre Fraktion, die einen Konsens verhindert hat.

Nur, Frau Kollegin Grossmann, das enthebt Sie nicht der Verpflichtung, hier einen Entschließungsantrag einzubringen, dessen Umsetzung zumindest möglich ist .Sie verlangen, dass die Bundesregierung ersucht wird, dem Nationalrat eine Gesetzes­vorlage zuzuleiten, damit diese Wahlaltersenkung schon für die nächste National­ratswahl gelten kann. – Schauen Sie sich doch den Fristenlauf an! Vielleicht haben Sie diesen Antrag schon vor vier oder sechs Wochen oder vor zwei Monaten erstellt, dann hätten Sie ihn aber auch früher einbringen müssen. Wie Sie wissen, wird am 1. Oktober gewählt, und es gibt Stichtage. Eine Regierungsvorlage muss in Begutach­tung geschickt und dann dem Nationalrat übermittelt werden, einem Ausschuss zugewiesen werden, Beschlussfassung et cetera.

Beim besten Willen: Dieser Entschließungsantrag ist leider von nichts und niemandem mehr in Österreich umzusetzen. Bringen Sie ihn in der nächsten Legislaturperiode wieder ein, dann werden wir ihn intensiv diskutieren und hoffentlich einen Erfolg erzielen! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ.)

15.24


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


15.24.13

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Molterer, Österreich ist ein schönes Land, aber es gehört trotzdem nicht der ÖVP, auch wenn Sie das möchten! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Scheibner: Aber den Grünen auch nicht!)

Wer Sie als ÖVP kritisiert, kritisiert nicht Österreich, sondern die ÖVP, und diese Kritik in Ihre Richtung können Sie nicht so leicht auf irgendjemanden abputzen, die müssen Sie sich schon gefallen lassen und auch damit umgehen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Herr Molterer, Sie haben heute hier ausgeführt, dass Österreich ein schönes Land ist. Das ist natürlich klar, und das ist auch möglich geblieben trotz ÖVP! Sie haben ausgeführt, dass Österreich ein reiches Land ist – das stimmt auch – und dass es den Österreicherinnen und Österreichern gut geht, bestens geht. Das stimmt nur dann, wenn Sie nur jene Gruppe sehen, die Ihnen wichtig ist; dann können Sie schon Recht haben. Aber in Österreich gibt es noch mehr Gruppen von Menschen als jene, die Sie sehen wollen.

In Österreich gibt es sehr, sehr viele Gruppen, die nicht zu den Mehrheiten gehören und denen es nicht gut geht. Natürlich gehören die nicht zu Ihrem Umfeld – aber sie gehören zu Österreich! Wenn Sie sich schon nicht um diese Gruppe von Menschen annehmen, dann nehmen Sie wenigstens zur Kenntnis, dass es diese Menschen gibt, dass diese Menschen auch in Zukunft für ihre Rechte kämpfen werden – und dazu gehören auch Menschen mit Behinderungen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich bin froh darüber, dass es Frau Ministerin Haubner heute endlich geschafft hat, darauf zu verzichten, bei der Auflistung Ihrer Bilanz anzuführen, was Sie nicht alles für Menschen mit Behinderungen getan hat. Das hat sie sich erspart. Wissen Sie, warum? – Weil sie nicht wollte, dass jetzt am Wochenende ihr Server überfüllt wird mit e-Mails von behinderten Menschen, die von ihr wissen wollen, wo sie denn lebt und


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 149

wovon sie denn spricht. Das wollte sich die Frau Ministerin vor der Sommerpause ersparen, deshalb hat sie das nicht erwähnt. (Zwischenruf des Abg. Wittauer.)

Herr Abgeordneter Molterer, irgendjemand von Ihrer Fraktion hat sich da gesonnt und damit geprahlt, dass ein Mal in sechs Jahren das Pflegegeld valorisiert worden ist. Ein Mal in sechs Jahren! Wissen Sie, was das in der konkreten Umsetzung bedeutet? (Abg. Steibl: In anderen Ländern gibt es nicht einmal ein Pflegegeld!) 15 Prozent Verlust für PflegegeldbezieherInnen in sechs Jahren – und das ist wahrlich nichts, wofür man sich feiern oder abfeiern lassen sollte, sondern das ist etwas, worüber man sich eigentlich Gedanken machen sollte. Wenn Sie bereit sind, diese Gruppe der Menschen ebenfalls in Ihr Bild von Herrn und Frau Österreicher aufzunehmen, dann gibt es nichts zum Abfeiern, sondern da gilt es, große Versäumnisse nachzuholen.

Sie haben heute auch davon gesprochen, Herr Kollege Molterer, wie gut die Wirtschaft in Österreich läuft, wie viele Arbeitsplätze wir haben und dass wir auf Grund des guten Arbeitseinkommens eigentlich im Wohlstand schwimmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich weiß nicht, wie intensiv Ihr – ich möchte es nicht einmal so nennen – Langzeitgedächtnis noch arbeitet, aber können Sie sich erinnern? Wir Grünen haben vor nicht einmal zwei Monaten hier im Parlament einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem wir fordern, dass endlich Schluss damit sein muss, dass Menschen in Beschäftigungstherapien 30, 40 Jahre lang arbeiten müssen, ohne jemals ein sozialversicherungsrechtliches Einkommen zu haben. Da geht es nicht um 20, 30, um 100 oder 200 Menschen, sondern da geht es um Tausende Menschen, die ihr Leben lang arbeiten müssen und auch wollen, die aber nie die Chance haben, ein sozialversicherungsrechtliches Einkommen zu erwerben.

Darum haben wir uns in Österreich auch zu kümmern. Das geht uns alle an, und das dürfen wir auch nicht verschweigen, sondern das muss das Interesse aller sein, dass diese Gruppe von Menschen mit Behinderungen endlich aus ihrer Abhängigkeit von stationären Einrichtungen und Sonderinstitutionen befreit werden können. Aber das haben Sie auch verabsäumt in Ihren sechs Jahren Regierungstätigkeit!

Ebenso verabsäumt haben Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass Sie tatsächlich Qualität für gehörlose Menschen in diesem Land geschaffen hätten, Qualität dahin gehend, dass es möglich ist, dass auch gehörlose Menschen Fernsehen können, weil für sie in Gebärdensprache übersetzt wird. In Österreich werden nur 15 Prozent des gesamten Fernsehprogramms in Gebärdensprache übersetzt. In Holland war dieser Stand von 15 Prozent bereits vor 17 Jahren Realität und mittler­weile sind es 90 Prozent, aber wir „schwimmen“ da noch immer bei 15 Prozent herum. – Auch das ist also nicht gemacht worden!

Genauso wenig haben Sie dafür gesorgt, dass sich das Gesundheitssystem für Menschen mit Behinderungen und im Alter verbessert. Es ist kein Geheimnis mehr, dass mobilitätsbeeinträchtigte Menschen nicht in Arztpraxen können, die nur über Stufen erreichbar sind. Aber Sie, die ÖVP mit ihrer Frau Ministerin, haben es verhindert (Abg. Grillitsch: Nein! Nein!), dass das in die Qualitätskriterien aufgenommen wird. (Abg. Grillitsch: Nein!) Sagen Sie nicht nein, ich bin in diesem Beirat gesessen – und nicht Sie! Sie mögen auch irgendwo sitzen, aber im Wissenschaftlichen Beirat der Ärztekammer bin ich gesessen und nicht Sie; deshalb wissen Sie das nicht. Es ist nicht möglich gewesen, die Unterschrift von der Frau Ministerin dafür zu bekommen, dass Arztpraxen mit Übergangsfristen barrierefrei werden müssen.

Ich könnte Ihnen jetzt noch eine lange Liste von Dingen aufzählen, die Sie nicht angegangen haben, die Ihnen gar nicht wichtig waren. Wir nehmen das zur Kenntnis;


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 150

wir haben sowieso keine andere Chance, als das zur Kenntnis zu nehmen. Aber glauben Sie mir eines: Sie brauchen nicht zu meinen, dass wir Menschen mit Behin­derungen nicht auch Teil der österreichischen Bevölkerung sind! Und wenn Sie uns dazuzählen, dann geht es Österreich nicht so gut, wie Sie hier ständig behaupten. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.31


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Walch. Seine Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

 


15.31.04

Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche - BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Bundesministerinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Also ich muss euch ganz ehrlich sagen, ich bin stolz, zwei Ministerinnen vom BZÖ hier sitzen zu haben. Was die gemeinsam mit dem Koalitionspartner in den letzten vier beziehungsweise sechs Jahren durchgesetzt haben, ist einmalig. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ.)

Kollegin Haidlmayr, ich hätte doch geglaubt, dass Sie ein bisschen bei der Wahrheit bleiben, denn was Sie jetzt hier am Rednerpult an Unwahrheiten beziehungsweise Unge­rechtigkeiten gesagt haben, finde ich unerhört! Frau Kollegin Haubner und ich sind sehr viel unterwegs, und wir kommen viel mit Rollstuhlfahrern zusammen. Reden Sie einmal mit denen und hören Sie, wie die Bundesministerin Haubner loben und hervorstreichen, was diese Regierung für Menschen mit Behinderungen in Österreich gemacht hat! Das ist einmalig, muss ich Ihnen sagen, ob das die Behindertenmilliarde ist, ob das das Behindertengleichstellungsgesetz ist, ob das die Pflegegelderhöhung und vieles mehr ist. Da bekommt sie ein Lob – nur von Frau Haidlmayr kommt nur Negatives. Denken Sie einmal positiv, dann schaut die Welt für Sie auch einmal besser aus! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ.)

Es tut mir direkt Leid, dass ich zu den Ausführungen von Kollegin Mandak etwas sagen muss, denn sie ist eine sehr sachliche Politikerin. Nur eines hat leider nicht gestimmt: Sie hat hier behauptet, dass es in Österreich viele Menschen gibt, die nur 400 € Pension haben. Aber, Frau Kollegin, wir müssen schon noch den Satz zu Ende bringen: Wenn sie alleinstehend sind, bekommen sie 690 €. Wie wir wissen, gibt es eine Mindestpension, aber das kommt in der Öffentlichkeit immer negativ heraus. Man soll daher bei der Wahrheit bleiben und das entsprechend richtig sagen.

So, dann müssen wir einmal Bilanz ziehen. Heute ist eigentlich die Zeugnisverteilung in Österreich, auch Kollege Gusenbauer hat dies so gemacht und eine Bewertung abgegeben. Auch ich verteile jetzt einmal Zeugnisse für die Opposition und für Kollegen Gusenbauer. Kollege Cap, gut aufpassen und das dem Kollegen Gusenbauer ausrichten!

Vorweg kann ich sagen, ich bin oft bei meinen Kollegen im Betrieb und auch in anderen Betrieben unterwegs. Ich bin Betriebsratsvorsitzender einer kleinen Baufirma mit zirka 300 Mitarbeitern. Wir haben viele Arbeitsgemeinschaften. Da komme ich mit vielen Kollegen zusammen, auch von der SPÖ-Fraktion, mit ehemaligen SPÖ-Betriebsräten, die sich nicht mehr unter SPÖ zu kandidieren trauen, weil die Kollegen sagen: Was, mit denen?! Nein, wenn du für die kandidierst, wähle ich dich mein Lebtag nicht mehr! – Wisst ihr, wie sie euch nennen? – Ihr, die SPÖ, seid die Penthouse-Partei Österreichs. Und es gibt eine neue Krankheit in Österreich, das ist das Penthouse-Syndrom. Gusenbauer hat all jenen, die erkrankt sind, verordnet, in die Karibik auf Erholung zu fahren. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 151

Nach dem, was mit diesen Geldern passiert ist, werdet ihr euch jetzt nicht so viel in die Betriebe hinaustrauen, außer in jene, wo es ein bisschen diktatorisch zugeht, wo keiner etwas sagen darf, sonst muss er Angst haben vor einem Arbeitsplatzverlust. Wo die Sozialdemokraten das Sagen haben, ist es gar nicht so leicht. Es kommen ja viele zu mir und sagen: Verbrennen wir uns lieber nicht die Finger, denn sonst kommt der Betriebsrat und sagt es dem Chef, und dann hast du keine Aufstiegsmöglichkeit mehr! – Es sitzen übrigens auch Betriebsräte hier als Abgeordnete, die solche Vorgangsweisen wählen.

Gestern habe ich es angesprochen, SPÖ-Skandale gibt es auch in Oberösterreich.

Da gibt es einen Bürgermeister in Pasching, Böhm, der genehmigt sich ein zweites Gehalt, denn mit dem, was einem zusteht, kommt man nicht aus, wenn man dicke Zigarren rauchen, einen Ferrari fahren und auch entsprechend auf Urlaub fahren will. – SPÖ-Mitglied! Man verabschiedet sich nicht davon.

Das Nächste ist: Ich verweise darauf, wie viele SPÖ-Nationalräte oder hohe Funktionäre noch in diesen SPÖ-ÖGB-BAWAG-Skandel verwickelt sind. Da gibt es einen Tumpel, da gibt es einen Elsner, da gibt es einen Verzetnitsch, einen Flöttl und viele mehr – alle aus eurem Holz geschnitzt! Das sind eure Freunde! Sag mir, mit wem du gehst, dann sage ich dir, wer du bist! Da muss ich euch sagen, am 1. Oktober bei der Wahl werden euch viele eurer ehemaligen Mitglieder oder Wähler verlassen, denn mit dieser Politik sind sie sicher nicht einverstanden.

Und ihr habt noch nie ein soziales Herz in Österreich gehabt, sondern das soziale Herz hatten wir, diese Regierung. Was habt ihr für Familien gemacht? – Die damalige Familienministerin Prammer hat die Karenzzeit von zwei Jahren auf eineinhalb Jahre reduziert. Ist das Familienpolitik? – Das ist familienfeindliche Politik!

Wir haben die Karenzzeit von eineinhalb Jahren auf drei Jahre verlängert. Bei euch haben KarenzgeldbezieherInnen zwangsweise arbeiten müssen, aber nichts oder nur geringfügig dazuverdienen dürfen. Bei uns können sie 14 600 € dazuverdienen, verlieren aber nicht das Kindergeld, und vieles mehr. Da gibt es eine ganze Reihe: Abfertigung neu, Angleichung Arbeiter und Angestellte, Alleinverdienerabsetzbetrag und vieles mehr.

Ich bin auch stolz auf unsere Justizministerin – vielleicht wird es sogar ein kleiner Bub, wozu ich ihr jetzt schon Glück wünsche. (Heiterkeit.) Sie hat das beste und schärfste Asylgesetz in Österreich gemacht. Da hat interessanterweise auch die SPÖ mitge­stimmt; nur ein paar sind ferngeblieben.

Dass ihr nicht auf dem Weg der Besserung, sondern der Verschlechterung seid, hat heute – das sage ich jetzt zum Abschluss – auch euer Kollege Posch gesagt, indem er darauf hingewiesen hat, wie ihr mit euren Parteifreunden umgeht. Bei euch darf keiner zu viel sagen. Da wird scharf geschossen. Duckt euch!

Kollege Fritz Freyschlager aus Oberösterreich, ehemaliger Arbeiterkammerpräsident – leider ist er schon verstorben –, hat einmal zu mir, der ich seit 1989 in der Kammer bin, nach einer Kammervollversammlung gesagt: Max, du bist schon ein verdammter Hund! Du haust mich immer her in der Kammervollversammlung, nur eines sage ich dir: Du sagst es mir mitten ins Gesicht, du sagst mir die Wahrheit. Bei dir weiß ich, wie ich dran bin. Bei meinen eigenen Leuten nicht, denn da fliegen immer die Hackln von hinten! – So Fritz Freyschlager.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 152

Mit dieser Regierung ist Österreich zum Positiven verändert worden. Ich hoffe, dass die Bevölkerung das auch so erkennt, damit diese Regierung so weiterarbeiten kann wie bisher. – Danke. (Beifall und Bravorufe bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

15.38


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


15.38.25

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Walter Posch, ich möchte dir als Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses danken, auch als Menschenrechtssprecherin der Grünen, denn du hast gemeinsam mit anderen – das waren nicht wir allein – durch jahrelanges Lobbying – also ich denke jetzt an die Zeit von 1990 bis zum Jahr 1999 – dafür gekämpft, dass im österreichischen Parlament ein Ausschuss für Menschenrechte eingesetzt wird. Danke dafür! (Allgemeiner Beifall.)

Wir haben diesen Ausschuss jetzt sechs Jahre, und es waren sechs Jahre der intensiven Zusammenarbeit auf fraktioneller, auf interfraktioneller Ebene, viel zu wenig Zusammenarbeit im Menschenrechtsausschuss, denn das Bewusstsein für Menschen­rechtsagenden, Grundrechtsbewusstsein sind in dieses Parlament noch nicht in dem nötigen Ausmaß eingekehrt, wie es hier eigentlich Platz haben sollte. Wenn du jetzt aus dem Parlament ausscheidest, dann sage ich, habe ich einen Mitstreiter verloren, haben viele, die im Menschenrechtsausschuss gearbeitet haben, aber nicht nur im Menschenrechtsausschuss, einen Mitstreiter verloren. Aber nicht verloren hat die österreichische Zivilgesellschaft einen Menschen, der mutig ist, der Widerspruch dann aufzeigt, wenn es notwendig ist, und der einen ganz wichtigen Teil, auch außerhalb dieses Hohen Hauses, der österreichischen Gesellschaft darstellt, nämlich der offenen österreichischen Gesellschaft.

Ich habe mir vorgenommen – das gilt hoffentlich für viele hier –: Wir werden dich, Kollege Posch,  künftig als Spiegel dafür haben, in den wir indirekt hineinschauen, was unsere Arbeit in Bezug auf Grundrechte, Grundrechtsbewusstsein und Sensibilität angeht. Bitte, hör nicht auf, so zu sein, wie du warst und bist, auch wenn es nicht immer so erfolgreich war, wie du es gerne gehabt hättest! Die SPÖ braucht Menschen wie dich, die Österreicher und Österreicherinnen brauchen Menschen wie dich, das österreichische Parlament braucht Menschen wie dich. Wir werden noch sehr oft an dich denken. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.40


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlusswort wird nicht gewünscht.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1632 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 153

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Senkung des Wahlalters.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Antrag findet nicht die Mehrheit. Er ist abgelehnt.

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.

15.42.10Einlauf

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 857/A und 858/A(E) eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 4627/J bis 4702/J eingelangt.

15.42.25Beschluss auf Beendigung der ordentlichen Tagung 2005/2006

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Im Einvernehmen mit den Fraktionen lege ich nun dem Hohen Hause folgenden Antrag vor:

„Der Herr Bundespräsident wird ersucht, die ordentliche Tagung 2005/2006 der XXII. Gesetzgebungsperiode mit Ablauf des 14. Juli 2006 für beendet zu erklären.“

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

*****

Ich darf weiters bekannt geben, dass mich die Präsidialkonferenz einhellig beauftragt hat, dem Herrn Bundeskanzler mitzuteilen, dass die in der Präsidialkonferenz ver­tretenen Parteien den 1. Oktober 2006 als Wahltag präferieren.

15.43.10Anträge auf Permanenterklärung von Ausschüssen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Es liegt mir ein Antrag gemäß § 46 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Herrn Abgeordneten Mag. Kogler vor, den Rechnungshofausschuss zu beauftragen, seine Arbeit während der tagungsfreien Zeit fortzusetzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist daher abgelehnt.

*****

Weiters liegt mir ein Antrag gemäß § 46 Abs. 4 der Geschäftsordnung der Abge­ordneten Mag. Molterer, Scheibner, Kolleginnen und Kollegen vor, den Rechnungs­hofausschuss zu beauftragen, seine Arbeiten hinsichtlich des Verlangens der Abgeordneten Mag. Molterer, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 32e Abs. 2 der


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 154

Geschäftsordnung auf Erteilung eines Auftrages an den Ständigen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses betreffend Gebarung des Bundesministeriums für Finanzen, der Oesterreichischen Nationalbank und der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) einschließlich der Tätigkeit ihrer Rechtsvorgängerin, der Bundes-Wertpapier­aufsicht (BWA), hinsichtlich der Erfüllung ihrer Aufsichtspflicht über die Geschäfte der Bank für Arbeit und Wirtschaft (BAWAG) einschließlich ihrer Tochter­unternehmungen, und zwar insbesondere deren „Karibik-Geschäfte“, Kredite, Haftun­gen, Garantien, Beteiligungen, Ver- und Rückkäufe von Aktien sowie sonstiger Geschäfte und Geld­flüsse zur Verschleierung des tatsächlichen Vermögenstandes der BAWAG vor allem im Zeitraum des wahrscheinlichen Entstehens der Verluste von etwa 1,4 Milliarden €; dies betrifft im Besonderen die Jahre 1994 bis 2000, wobei auch der Zeitraum 2000 bis heute in die Betrachtung mit einzubeziehen ist, da der amtierende Finanzminister umgehend nach seinem Amtsantritt den Auftrag zur Gründung einer unabhängigen und weisungsfreien Allfinanzmarktaufsichtsbehörde gegeben hat, während der tagungsfreien Zeit fortzusetzen.

Das ist also der Antrag, die Arbeiten des Ständigen Unterausschusses des Rech­nungshofausschusses für permanent zu erklären.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Antrag der Abgeordneten Mag. Molterer, Scheibner, Kolleginnen und Kollegen zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Antrag ist einstimmig angenommen.

15.45.30Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von 20 Abge­ordneten vor, die vorgesehene Fassung des Amtlichen Protokolls hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 3 sowie des Beschlusses auf Beendigung der ordentlichen Tagung 2005/2006 zu verlesen, damit diese Teile des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gelten.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr die entsprechenden Teile des Amtlichen Protokolls:

„Hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 3 wird gemäß § 44 Abs. 2 GOG einstimmig – also mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit – beschlossen, von der 24-stündigen Aufliegefrist des Ausschussberichtes 1632 der Beilagen Abstand zu nehmen.

TO-Punkt 3: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag (856/A) der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Dr. Josef Cap, Herbert Scheibner, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird (1632 d.B.)

Die Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen bringen den Ent­schließungsantrag Beilage 3/1 EA ein.

Abstimmung:

Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 1632 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung einstimmig angenommen.

Der Entschließungsantrag Beilage 3/1 EA wird abgelehnt.

Der Präsident legt im Einvernehmen mit den Fraktionen folgenden Antrag (Beilage B) vor:


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 155

,Der Herr Bundespräsident wird ersucht, die ordentliche Tagung 2005/2006 der XXII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates mit Ablauf des 14. Juli 2006 für beendet zu erklären.‘

Dieser Antrag Beilage B wird einstimmig angenommen.

Es liegt ein Verlangen gemäß § 51 Abs. 6 GOG von 20 Abgeordneten auf Verlesung des Amtlichen Protokolls hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 3 sowie des Beschlusses auf Beendigung der ordentlichen Tagung 2005/2006 vor (Beilage C).“

Erheben sich Einwendungen gegen dieses klare Protokoll, das allen ganz verständlich ist, mit Sätzen von der Güte des Thomas Mann? – Das ist nicht der Fall.

Die verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls gelten daher gemäß § 51 Abs. 6 der Geschäftsordnung mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

*****

Meine Damen und Herren! Die Sitzung schließe ich nach einem kurzen Schlusswort von mir. Ich bitte, dass man mir das Mikrophon richtet.

15.48.23Schlussansprache des Präsidenten

 


15.48.25

Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Wir haben soeben ein­stimmig den Beschluss gefasst, vier Jahre Arbeit zu beenden, vier Jahre Arbeit, in denen das Hohe Haus an 161 Tagen Plenarsitzungen abgehalten hat, 400 Ausschuss­beratungen, 102 Unterausschussberatungen, 4 500 schriftliche Anfragen eingebracht hat – das heißt, jeden Tag im Jahr durchschnittlich drei schriftliche Anfragen, und das vier Jahre hindurch –, 500 mündliche Anfragen und Zusatzfragen; also ein erkleckliches Arbeitspensum, das das Hohe Haus erledigt hat. Dazu kommt Ihre persönliche Arbeit im Wahlkreis. Ich möchte Ihnen für die Hingabe und die Begeisterung danken, mit der Sie Ihre Arbeiten im Nationalrat geleistet haben.

Natürlich ist unsere Arbeit, wie wir auch heute wieder gesehen haben, von Konflikt und Konsens geprägt, es ist auch die Spannung zwischen Konflikt und Konsens. Das kommt auch sehr gut darin zum Ausdruck, dass 50 Prozent der Gesetze einstimmig – das ist ein langjähriger Durchschnitt – und 90 Prozent der Staatsverträge einstimmig beschlossen wurden.

Dass das Hohe Haus so funktioniert, wie es funktioniert, ist auch der Präsidial­konferenz zu verdanken, in der in einem Klima der Zusammenarbeit, der Hand­schlagqualität und des positiven Parlamentarismus gearbeitet wird.

Bedanken möchte ich mich auch beim Zweiten und Dritten Präsidenten sowie bei den vier Klubobleuten, natürlich beim Herrn Parlamentsdirektor und seinem Stab, aber auch bei den Klubdirektoren, die uns ja wesentlich zur Seite stehen und ohne die wir unsere Arbeit in der Präsidialkonferenz nicht leisten könnten. Herzlichen Dank Ihnen allen! (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Gerade zu Semesterende sozusagen wird man immer wieder gefragt, was es mit der Bewertung der Abgeordneten auf sich hat. Gibt es da ein Benchmarking – und ist das, was in manchen Zeitungen veröffentlicht wird, in der


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 156

einen länger, mit einer lobenswerten E-Mail-Connection, in der anderen kürzer, wirklich ein Benchmarking? Bestimmt wirklich die Anzahl der Reden und der Minuten die Qualität der Abgeordneten? Ist das der Maßstab? – Ich tue alles und trete vehement dagegen auf, weil ich glaube, dass das Ihrer engagierten Arbeit, der bemühten und oft mühseligen Arbeit in den Ausschüssen, aber auch in der Information Ihrer Wählerinnen und Wähler in den Wahlkreisen absolut nicht gerecht wird! Ich werde auch weiterhin alles versuchen, dieses verzerrte Bild, das es manchmal gibt, zu korrigieren und dagegen aufzutreten. (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Wir haben in den vergangenen vier Jahren eine ganze Reihe maßgebender Strukturveränderungen in unserer Arbeit durchgeführt: das Projekt Offenes Parlament beispielsweise, das wir ja gemeinsam erarbeitet haben, und ich kann Ihnen heute sagen, dass wir – Stand Juli 2006 – rund 100 000 Besucher hatten, das heißt: doppelt so viel wie in früheren Jahren. Die Besucherzahl, die die Jugend betrifft, hat sich gleichfalls stark erhöht, aber auch die, die Seniorinnen und Senioren betrifft, die als unsere Gäste immer wieder hierher kommen. Auch die Zahl der zahlenden Besucher hat sich vervielfacht.

Was die neue Rampe betrifft, kann man wirklich von ausgebreiteten Armen sprechen; der neue Zentraleingang hat sich sehr bewährt. In diesem Zusammenhang möchte ich Herrn Parlamentsdirektor Posch, der dieses Projekt mit seinen Mitarbeitern entwickelt hat, sehr, sehr herzlich danken, denn es ist wirklich erfolgreich! (Allgemeiner Beifall.)

Die stärkste Abteilung hier im Hohen Haus ist mittlerweile die Event-Abteilung, die Veranstaltungen macht und Gruppen führt; 80 Mitarbeiter gibt es hiefür. Wir sind direkt schon ein kleines Reisebüro geworden, muss ich sagen, mit 20 jungen Leuten, die unsere Besucher durch das Hohe Haus führen. Und ich denke auch, dass Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten, wenn Sie Menschen hierher einladen, von diesen sicherlich Anerkennung für all das Service hier zu hören bekommen.

Ein weiteres Projekt, das Sie alle erlebt haben und das unsere Arbeit doch wirklich substantiell verändert hat, ist das papierlose Parlament. Ganze Wälder brauchen nicht mehr abgeholzt zu werden, weil eben alles im Internet steht. Erinnern Sie sich noch, wie viel an Papier wir jeden Tag in unseren Koffern herumgeschleppt haben?! Das ist jetzt vorbei; alles steht im Internet. In diesem Zusammenhang möchte ich auch anführen, dass Herr Parlamentsrat Engeljehringer dafür einen internationalen Preis bekommen hat; unser Parlament ist da wirklich führend. Daher möchte ich jetzt Herrn Parlamentsrat Engeljehringer sowie dem EDV-Team der Parlamentsdirektion herz­lichen Dank und die Anerkennung von uns allen aussprechen. (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Wir haben eine Parlaments-Website, die ja auch zu diesem Projekt Offenes Parlament gehört – und auf die es Millionen Zugriffe gibt.

Die Bauleistungen, die in den letzten Jahren hier vonstatten gingen, sind Ihnen ja alle bekannt; so beispielsweise die Errichtung des Besucherzentrums. Jetzt sind wir gerade dabei, die Klubräumlichkeiten mancher Fraktionen die Sommermonate über zu renovieren. Sie können sich auch davon überzeugen, dass die Vergoldungen der Kamin­aufsätze fertig gestellt wurden.

Was weitere Bauleistungen betrifft: Die so genannte Karl-Renner-Bibliothek wird renoviert, besser gesagt: in den ursprünglichen Zustand versetzt werden. In unserer Parlamentsbibliothek hat Dr. Karl Renner seine Schriften angefertigt, und dort hat er die Texte zu unserer Bundesverfassung mit entworfen. Die Parlamentsbibliothek wird dann im nächsten Jahr wieder voll nutzbar sein.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 157

Im nächsten Jahr werden wir auch damit beginnen, diesen Plenarsaal hier, und zwar entsprechend Ihren Vorgaben, instand zu setzen – und da möchte ich ganz besonders Frau Präsidentin Mag. Barbara Prammer danken, die das alles mit dem Bauausschuss vorbereitet hat und sozusagen über die Klippen des Denkmalschutzes getragen hat. Herzlichen Dank! (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Österreich hatte im vergangenen Halbjahr den Vorsitz in der Europäischen Union, wobei wir das klare Ziel hatten und haben – das sage ich gleich dazu –, die Öffentlichkeitsarbeit und das Verständnis für Europa durch eine Geschäftsordnungsänderung zu erhöhen. Dieses Ziel haben wir allerdings noch nicht ganz erreicht. Ich glaube daher, dass sich die nächste Präsidialkonferenz diesbezüglich Verbesserungen wird überlegen müssen. Wir haben allerdings – und da danke ich dem EU-Ratsvorsitzenden Wolfgang Schüssel, der als begeisterter ehemaliger Parlamentarier hier in diesem Hause mitgeholfen hat – die Schluss­folgerungen, die wir in den europäischen Parlamenten zur besseren Einbin­dung der staatlichen Parlamente in die EU-Gesetzgebung erarbeitet haben, in den Europäischen Rat gebracht, sodass das dort auch festgehalten ist. Jedenfalls wird es so sein, das wir ab September im Rahmen der Vorprüfung europäischer Gesetze dann wesentlich stärker darin eingebunden sein werden.

Danken möchte ich auch Werner Fasslabend als Vorsitzendem der COSAC, des Ausschusses für Europa-Angelegenheiten, sowie seinem Stellvertreter Caspar Einem. Sie haben jetzt schon sehr viel Arbeit gehabt, werden aber im Herbst dann, denke ich, wenn dieses Vorprüfungssystem funktioniert, sicherlich noch viel mehr haben. (Allgemeiner Beifall.)

Da ich gerade beim Thema Europa bin und weiß, dass Peter Schieder dem nächsten Nationalrat – wenn er es sich nicht besser überlegt – nicht mehr angehören wird, möchte ich dem Herrn Abgeordneten Schieder als geradezu exemplarischen öster­reichischen Parlamentarier recht herzlich für seine Arbeit danken. Peter Schieder war ein grandioser Vorsitzender der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, und er war ein Parlamentarier, der der Regierung sehr lästig gefallen ist, zum Beispiel immer wieder bei Truppenentsendungen. Er hat aber mit hohem Ethos beste öster­reichische parlamentarische Tradition geprägt. Dir, lieber Peter Schieder, möchte ich ganz herzlich danken! Wir werden dich hier sehr vermissen! (Die Abgeordneten spenden stehend lang anhaltenden Beifall.)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss kommen. Wie eine Maschine funktioniert, so funktioniert auch unser Haus. Wie es im Motor ausschaut, interessiert normalerweise nicht, aber eines möchte ich schon sagen: Gemeinsam und in kollegialer Arbeit, die schon unter meinem Vorgänger Heinz Fischer begonnen hat, haben wir die Umorganisation dieses Hauses, und zwar Abteilung für Abteilung, zu Ende gebracht. Ich bin stolz darauf, dass wir ab Herbst dieses Jahres zwei Dienstleiterinnen haben werden; bisher war das ja ein rein männliches Gremium.

Mit der Leiterin des Nationalratsdienstes, Frau Dr. Janistyn, und der Bundesrats­direktorin, Frau Dr. Bachmann, werden in der Parlamentsdirektion erstmals zwei Frauen in führender Funktion sein. Noch zwei müssten es im Laufe der nächsten Jahre werden, dann, meine Damen, wird das gender-gerecht sein. Ich werde jedenfalls alles tun – wenn ich dazu in der Lage sein werde; aber ich bin sicher, dass auch andere das im Präsidium fortführen werden –, damit dieses Haus gender-gerecht geführt ist. (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Eine Arbeit geht wahrscheinlich an vielen von Ihnen vorüber: Es gibt ungefähr zehn Damen und Herren des Hauses, die eine beachtliche Mehrarbeit in der Verwaltung und Kontrolle der Restitutionsagenden im Nationalfonds sowie im Allgemeinen Entschädigungsfonds leisten, und ich möchte daher diesen Damen und Herren des Kuratoriums des Nationalfonds sehr, sehr herzlich danken. Das ist viel Arbeit, aber es macht unserem Land Ehre, dass wir endlich diesen Verpflichtungen – jetzt gut und schnell – nachkommen.

Ich danke da vor allem auch Frau Generalsekretärin Hannah Lessing und ihrem Team. Angefangen haben wir dort mit 20 Leuten, jetzt sind es 160, und ich denke, dass wir nächstes Jahr die Arbeiten abschließen werden. Herzlichen Dank auch diesen Damen und Herren! (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Wir werden uns in diesem Sommer häufiger sehen, habe ich den Eindruck; da brauche ich kein Prophet zu sein. Peter Schieder, du bist auch nicht das letzte Mal hier. Es wird Sondersitzungen geben, aber dennoch: Jetzt, glaube ich, können wir vielleicht 14 Tage Urlaub mit unseren Familien machen.

Ich wünsche Ihnen die nächsten 14 Tage einen schönen Sommer!

Und ich möchte mich dem Appell anschließen, den ich heute schon gehört habe: Harte Auseinandersetzungen gehören dazu; dünnhäutig darf niemand sein – zuletzt der Präsident. Aber gehen wir miteinander so um, dass wir dann wieder in den Ausschüssen und in der Präsidiale miteinander arbeiten können. Das wünsche ich uns allen. Alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

*****

Die Sitzung ist geschlossen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
161. Sitzung / Seite 158

16.01.23Schluss der Sitzung: 16.01 Uhr

 

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien