11/SBI XXII. GP
Eingebracht am 03.02.2006
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möglich.
Stellungnahme zu Bürgerinitiative
1b1247sgs 12311 31. Jän. 2006 |
Zl.: 17020.0025/15-L1.3/2005
Bürgerinitiative Nr.
28
Sehr geehrte Damen
und Herren!
Unter Bezugnahme
auf die von Ihnen mit Schreiben vom 16.12.2005 übermittelte Bürgerinitiative
der „Interessengemeinschaft Sehen und Hören“ nimmt der ORF zu den dort
genannten Forderungen wie folgt Stellung:
1.
Das Programmentgelt des ORF wird vom
Stiftungsrat festgesetzt (§ 31 Abs 1 ORF-G), wobei dafür zu sorgen ist, dass
die gesetzmäßigen Aufgaben des Rundfunks kostendeckend erfüllt werden können.
Die gesetzmäßigen Aufgaben des ORF sind ua der Programmauftrag (geregelt in den
§§ 4 ff ORF-G). Nach § 5 Abs 3 ORF-G sollen Informationssendungen des
Fernsehens (nach Maßgabe der technischen Entwicklung und der wirtschaftlichen
Tragbarkeit) so gestaltet sein, dass gehörlosen und gehörbehinderten Menschen
das Verfolgen der Sendungen erleichtert wird. Anders ausgedrückt: Das Programmentgelt
ist derzeit so festgesetzt, dass Teile des Programms so gestaltet sind,
dass gehörlosen und gehörbehinderten Menschen das Verfolgen der Sendungen
erleichtert wird; das Programmentgelt ist nicht in der Höhe angesetzt, dass 100
% des Programms des ORF so gestaltet wird (zur technischen Entwicklung siehe
unten).
2.
Es ist international üblich, dass
Sendungen mit Gebärdensprachdolmetschung auf Satellitensendern zu empfangen
sind. Dabei handelt es sich nicht um „versteckte“ Programme, sondern um die
Zukunftstechnologie des Fernsehens.
Die Kosten
des technischen Fortschritts sind von allen Fernsehkonsumenten selbst zu tragen
– nicht nur von Gehörlosen und Schwerhörigen. Auch der Umstieg von schwarz-weiß
auf Farbfernsehen wurde nicht vom ORF „finanziert“, sondern von den
Rundfunkteilnehmern. So ist es auch beim Umstieg von analogem auf digitales
Fernsehen. An dieser Stelle wollen wir auch darauf hinweisen, dass ein Decoder
(der zum Empfang von digitalem Satellitenfernsehen erforderlich ist) bereits ab
€ 60,-- im Handel erhältlich ist; dabei handelt es sich natürlich um eine
Einmalzahlung. Weiters: ORF 2 Europe (mit der
Dolmetschung der Zeit im Bild 1 in Gebärdensprache) wird zusätzlich zum
Digitalsatellit auch von den meisten Kabelveranstaltern im digitalen Kabel
angeboten.
3.
Die Forderung der jährlichen Steigerung
einer Untertitelquote des ORF um 15 %, bis eine Untertitelquote von 100 %
erreicht ist, ist jedenfalls derzeit technisch nicht umsetzbar. Dies aus
folgendem Grund:
Es gibt
drei Möglichkeiten, eine Untertitelung umzusetzen:
-
Einsatz eines
Spracherkennungssystems mit einem Redakteur oder
-
einen
Schnellschreiber gemeinsam mit einem Redakteur oder
-
Schriftdolmetscher.
Die
computergesteuerten Spracherkennungssysteme für die deutsche Sprache können
derzeit noch nicht zum Einsatz gebracht werden, da die Umsetzung noch nicht die
benötigte Qualität hat (das heißt, trotz Einsatz eines derartigen Systems wäre
es dem Gehörlosen bzw Schwerhörigen oft nicht möglich, das Programm zu
verfolgen, da die Dolmetschung noch sehr mangelhaft ist).
Derzeit
setzt der ORF Schnellschreiber und gleichzeitig Redakteure ein, um das Programm
zu untertiteln. Der ORF hat beinahe sämtliche Schnellschreiber „engagiert“, um
Teile seines Programmes zu untertiteln. Leider ist der Beruf Schnellschreiber
im Zeitalter des Computers aussterbend. Das heißt, es ist derzeit auch nicht
annähernd möglich, so viele Schnellschreiber zu engagieren, damit 100 % des
Programmes untertitelt werden könnten (da es nicht so viele im deutschen Sprachraum
gibt).
Das System
der Schriftdolmetscher liegt noch in den Anfängen und ist noch nicht
ausgefeilt. Es handelt sich dabei um eine Art „Stenographie am Computer“, das
heißt, der Schriftdolmetscher gibt „Kurzzeichen“ in den Computer ein, die von diesem
in Langschrift verwandelt werden und so sofort am Bildschirm zu sehen sind. Es
ist noch nicht einsatzbereit.
4.
Zur Forderung einer besseren
Untertitelqualität weist der ORF darauf hin, dass an einer permanenten
Verbesserung der Qualität gearbeitet wird. Ziel des ORF ist es, möglichst nahe
am Original zu untertiteln. Der ORF untertitelt dort 1 : 1, wo es möglich ist
(Spielfilme mit geringem Wortanteil, Universum-Dokumentationen, ...). Dort wo
eine 1 : 1 Untertitelung nicht möglich ist, wird verkürzt, aber nicht
vereinfacht. Sämtliche Sendungen (zB Diskussionen) 1 : 1 zu untertiteln ist
(derzeit) nicht möglich (siehe auch obige Ausführungen zu Punkt 3).
Derzeit
untertitelt kein Fernsehsender 100 %. Die BBC (der auf diesem Gebiet eine
Vorreiterrolle zukommt) untertitelt nur ca 70 % (von der BBC werden
Spracherkennungssysteme eingesetzt, die der ORF – wie oben ausgeführt – derzeit
noch nicht einsetzen kann). In Skandinavien werden auch mehr Sendungen als im
ORF untertitelt; der Grund liegt allerdings darin, dass in Skandinavien nicht
synchronisiert wird, das heißt, Kaufprogramme (Spielfilme, Dokumentationen,
usw) immer untertitelt werden. Anders ist die
Situation in Deutschland und der Schweiz: ARD und ZDF zusammen untertiteln
nicht mehr als der ORF, in der Schweiz ist der Anteil der deutschsprachigen
Untertitelung wesentlich geringer als im ORF und es gibt öffentliche Mittel für
einen Teil der Untertitelung (sämtliche Kaufprogramme werden ja auch in
diesen Ländern ins Deutsche synchronisiert).
In den Niederlanden wird die Untertitelung
des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zur Gänze von der Regierung finanziert.
Der ORF hofft, mit
diesen Informationen dem Parlament ein klares Bild betreffend die Untertitelung
im Fernsehen skizziert zu haben.
Mit freundlichen
Grüßen
RECHT UND
AUSLANDSBEZIEHUNGEN
i.A.
Dr. Ulrike Schmid