Behindertengleichstellungsgesetz;     Wien, 16. September 2004

Stellungnahme                    Burggraf / BÖH

                                 Klappe: 899 89

                                 Zahl: 410/1179/04

 

 

 

An das

Bundesministerium für soziale Sicherheit,

Generationen und Konsumentenschutz

Stubenring 1

1010 Wien

 

E-Mail: karin.miller@bmsg.gv.at

 

 

Zu dem mit Schreiben vom 3. August 2004 übersendeten Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem ein Bundesgesetz über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen erlassen wird und das Behinderteneinstellungsgesetz, das Bundesbehindertengesetz, das Bundessozialamtsgesetz und das Bundesberufungskommissionsgesetz geändert werden, nimmt der Österreichische Städtebund wie folgt Stellung:

 

I) Allgemeines:

Die vorliegenden Gesetzesentwürfe gehen in weiten Teilen über die europarechtlichen Anforderungen der Richtlinie 2000/78/EG hinaus. Auf Grund der Adaptierung von baulichen Barrieren (z.B. Stufen, Türbreiten, Sanitäranlagen), kommunikationstechnischen Barrieren (fehlende taktile, akustische, optische Orientierungshilfen; fehlende Übersetzung in eine verstehbare Kommunikationsform) sowie sonstigen Barrieren (Einstiegshilfe bei öffentlichen Verkehrsmitteln, Einkaufsberatung für blinde Menschen) entstehen den durch Budgetkonsolidierungen belasteten Gebietskörperschaften immense und kaum bewältigbare Kosten. Dieser Aufwand in unabsehbarem Ausmaß führt zwangsläufig zu weiteren Kürzungen in den allgemeinen Sozial- und Serviceleistungen zum Nachteil der Bürger– und kundenorientierten Verwaltung.

 

Häufig bestehen Amtsgebäude aus Altbeständen, die nur durch Entkernung und Neuaufbau bzw. komplette Neubauten an die erforderlichen Auflagen angepasst werden können. Ebenso sind die Kommunikationsauflagen mit erheblichen Mehrkosten verbunden. Die verwendete Software ist nämlich meist individuell maßgeschneidert und kann nicht wie Standardsoftware durch einfache Modulupgrades bzw. durch kostengünstige Mehrfachlizenzen ersetzt oder modifiziert werden.

 

 

II) Im Speziellen:

 

Behindertengleichstellungsgesetz:

 

Zu § 2 Abs. 2:

Dieser Paragraph scheint eine ungewollte Lücke zu beinhalten, da der Gesetzestext auf die Anbahnungs- und Begründungstatbestände abzielt, nicht jedoch Problematiken im Zusammenhang mit der Beendigung umfasst.

 

Ferner scheint es wünschenswert, den darin verwendeten Begriff der „Öffentlichkeit“ näher zu bestimmen. Eine restriktive Definition ist dabei erstrebenswert, da ein extensiver Öffentlichkeitsbegriff zu einer „unter der Hand“-Wirtschaft führen könnte. Exemplarisch sei hier der Fall einer Privatperson genannt, die in der Zeitung ein Inserat über eine zu vermietende Wohnung aufgibt. Muss diese im Fall der Bewerbung mehrerer Personen (inkl. behinderter Personen) Schadenersatzklagen befürchten, wird dies wohl dazu führen, dass versucht wird, die Wohnung ohne öffentliches Inserat zu vergeben. Das Ergebnis wäre das Gegenteil des erstrebten Zweckes - sprich die Behinderten würden zu solchen Wohnungen dann überhaupt keinen Zugang mehr finden.

 

Zu § 5 Abs. 2:

Darin bleibt unklar, wie der fiktive Vergleich mit einer Person, die eine günstigere Behandlung erfahren würde, vom Beklagten widerlegt werden soll (Wahrscheinlichkeitsbeweis).

 

Weiters ist aus Gründen der Rechtssicherheit eine genauere Definition der „sachlichen Rechtfertigung“ wünschenswert.

 

Zu § 6 Abs. 1 und § 9 Abs. 2:

Für die Städte und Gemeinden ergibt sich dadurch ein immenser finanzieller Aufwand zur Anpassung bestehender Anlagen an die neuen Bestimmungen (Erhebung des Anpassungsbedarfs, Argumentation der dadurch verursachten unverhältnismäßigen Belastung, Durchführung der notwendigen Anpassungsmaßnahmen) bzw. durch die Entschädigungszahlungen nach dem nunmehrigen § 9 Abs. 2. (Eingeschränkt wird dies durch den begrenzten Geltungsbereich gemäß § 2 Abs. 2, der jedoch näher definiert gehört, um klar zu stellen, welche Angelegenheiten unter diesen Geltungsbereich fallen.)

 

Zu § 9 Abs. 3:

Aus Gleichheitsgründen sollte darauf geachtet werden, dass die Höhe des Schadenersatzanspruches bei Beleidigungen mit der Höhe des Schadenersatzanspruches eines nicht-behinderten Bürgers bei Beleidigung übereinstimmt.

 

Behinderteneinstellungsgesetz:

 

Zu § 7:

Darin sollte die Differenzierung des Ersatzanspruches danach, ob die Bewerbung des Behinderten berücksichtigt wurde oder nicht, aufgehoben werden. Es ist nicht ersichtlich, warum es weniger diskriminierend sein soll, wenn eine Bewerbung gar nicht berücksichtigt wird, als wenn sie zwar im Auswahlverfahren berücksichtigt wird, aber der Behinderte allein auf Grund seiner Behinderung nicht für die Stelle ausgewählt wird.

 

Zu § 7j Abs. 5:

Im Sinne der betroffenen Person wird angeregt, die Frist zur Erhebung der Klage im Falle von Kündigung oder Entlassung von 14 Tagen auf 1 Monat anzuheben.

 

Mit vorzüglicher Hochachtung

 

 

 

Dkfm. Dr. Erich Pramböck e.h.

Generalsekretär