Stellungnahme zum
Bundesgesetz,
mit dem ein
Bundesgesetz
über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung
(Behindertengleichstellungsgesetz – BGStG) erlassen wird und
das
Behinderteneinstellungsgesetz,
das
Bundesbehindertengesetz,
das
Bundessozialamtgesetz und
das
Bundesberufungskommissionsgesetz geändert werden.
24. September 2004
Nach der Zieldefinition dieses Gesetzes, ist die
Diskriminierung von Menschen mit Behinderung zu beseitigen oder zu verhindern,
um damit die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben
in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte
Lebensführung zu ermöglichen. Mit
dieser Gesetzesvorlage ist ein wirksames Vorgehen gegen Diskriminierungen
möglich. Wir begrüßen die Vorlage, weil wir darin einen wichtigen Grundbaustein
für die angestrebten Bürgerrechte sehen. Insbesondere die Rechtsmittel
(Verbandsklage und individuelles Klagerecht), die Berücksichtigung des
immateriellen Schadens sowie die
Definition der Diskriminierung werden positiv hervorgehoben. Ebenso positiv ist
die Einbeziehung des Zivilrechts, des Konsumentenschutzgesetzes und des Bundes
im Bereich der Hoheits- und Privatwirtschaftsverwaltung in den Geltungsbereich
des Gesetzes. Dadurch wird eine wesentliche Basis dafür geschaffen,
Diskriminierungen zu beseitigen und
in Zukunft zu vermeiden.
Allerdings werden durch diese Vorlage, derzeit in
Gesetzen bestehende Diskriminierungen nicht behoben und damit Bereiche, die
sich aktiv an einer Gleichstellungspolitik beteiligen sollten, nicht
einbezogen. Beispiele dafür wären
Berufsausbildungsgesetze, die die körperliche Eignung als Voraussetzung
für die Berufsausübung definieren, oder das Personenstandsrecht, das es blinden
Menschen verbietet, als Trauzeugen aufzutreten. Ebenso finden sich im schulischen
Bereich Normen, die auf SchülerInnen mit Behinderung diskriminierend wirken.
Hierbei sei auf den Gesamtbericht der Arbeitsgruppe zur Durchforstung der
österreichischen Bundesrechtsordnung hinsichtlich behindertenbenachteiligender
Bestimmungen 1999 sowie auf das Regierungsprogramm der XXII
Gesetzgebungsperiode Punkt 8 Arbeit und Soziales / behinderte Menschen
hingewiesen. Es ist daher notwendig, die entsprechenden Materiengesetze noch zu
ändern. In diesem Zusammenhang wird auch auf die ausführliche Stellungnahme des
Forums Gleichstellung hingewiesen.
Unverständlich ist, warum die Anerkennung der
Gebärdensprache im Entwurf nicht mehr enthalten ist. Die im
Vorbegutachtungsentwurf enthaltene Bestimmung des § 6 Abs 1 bis 4 ist unbedingt zu übernehmen. Die
Anerkennung der Gebärdensprache ist eine Jahrzehnte lange Forderung der
gehörlosen Menschen und die Basis für ihre Gleichstellung.
Ein großer Mangel der Vorlage besteht auch darin,
dass sehr wesentliche, das Leben von Menschen mit Behinderung betreffende
Gesetze, insbesondere die Bauordnungen in den Zuständigkeitsbereich der
Bundesländer fallen, und damit in dieser Vorlage zur Gänze fehlen. Hierbei wird
nicht verkannt, dass die Entwurfsvorlage des Behindertengleichstellungsgesetzes
indirekt sehr wohl dazu beitragen wird, für mehr Barrierefreiheit im Baubereich
zu sorgen. Die direkte Regelung in den Bauordnungen ist aber effizienter und
sparsamer und hätte vor allem den Vorteil, dass nicht zuerst eine
Diskriminierung vorliegen muss, um Barrierefreiheit zu erreichen. Es müssen daher
Initiativen im Bereich der Bauordnungen folgen, zumal die Verfassungsbestimmung
des Art 7 B-VG alle Gebietskörperschaften, also auch die Bundesländer
einschließt.
Nun detailliert zu den einzelnen gesetzlichen
Bestimmungen, wobei die vorgeschlagenen Ergänzungen/Änderungen kursiv markiert
werden:
Die hier vorgeschlagenen Änderungen / Ergänzungen
gelten auch für die analogen Bestimmungen im Behinderteneinstellungsgesetz und
werden deshalb bei den dortigen Erläuterungen nicht wiederholt.
Folgende Ergänzung wird vorgeschlagen:
„Auf Grund einer Behinderung oder einer zu
erwartenden Behinderung darf
niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden.“
Begründung:
Auch bei einer sich abzeichnenden Behinderung darf es
zu keiner Diskriminierung kommen. Jemand wird beispielsweise wegen einer MS Erkrankung, bei der
Beeinträchtigungen noch nicht auffallend sind, im Hinblick auf die
prognostizierte Behinderung von einer Dienstleistung ausgeschlossen.
Ad § 6 (1)
Der in den Erläuterungen angeführte Gedanke, dass bei
der Abwägung der Verhältnismäßigkeit unter anderem auch die Zeit, die zwischen
dem Inkrafttreten des Gesetzes und der Klage wegen einer Diskriminierung
vergangen ist, zu berücksichtigen sein wird, sollte ins Gesetz aufgenommen werden. Angesichts der
Tatsache, dass beispielsweise die Berücksichtigung der Barrierefreiheit schon im Planungsstadium eines Gebäudes
nur Mehrkosten im Umfang von 1% bis 2% (siehe dazu Erfahrungen mit dem ADA der
USA) verursachen, kann nach Beschlussfassung dieses Gesetzes bei Neu-, Zu- oder
Umbauten das Argument der
"unverhältnismäßigen Belastung“ nicht mehr ins Treffen geführt
werden, um eine Klage wegen Diskriminierung abzuweisen.
Ad § 6 Abs 3
Folgende Ergänzung wird vorgeschlagen:
„
.....und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind und dem
Stand der Technik entsprechen.“
Begründung:
Die Definition der Barrierefreiheit muss den Hinweis
auf den Stand der Technik beinhalten, weil ansonsten der
Interpretationsspielraum viel zu umfangreich ist und die Gesetzesanwender erst
Recht nicht wissen, wie die Barrierefreiheit herzustellen ist. In den
Erläuterungen ist daher unbedingt auch ein Hinweis auf die entsprechenden
Ö-Normen (z.B. B 1600 und B 1601) aufzunehmen.
Aufgrund der herausragenden Bedeutung dieser
Definition für das gesamte Behindertengleichstellungsgesetz, sollte – wie im
Deutschen Gleichstellungsgesetz – sie in einem eigenen Paragraphen und nicht
nur in einem Absatz stehen.
Ad § 8
Für die notwendige Novellierung der Richtlinien über
die Vergabe von Förderungen des Bundes sind konkrete Fristen vorzusehen sowie
eine Regelung für den Fall zu treffen, dass diese Fristen ohne Änderung der
entsprechenden Richtlinien ablaufen.
Bei Diskriminierungen in Vollziehung der Gesetze
macht die Einschaltung eines
Schlichtungsverfahrens keinen Sinn, weil ein diskriminierender Bescheid
rechtswidrig ist und daher im Instanzenzug aufgehoben werden muss. Ein Schlichtungsverfahren
würde daher in diesen Fällen nur zu einer unnötigen Verzögerung führen. Zudem
käme es bei diesen Schlichtungsverfahren zu klassischen Interessenskonflikten,
weil in der Regel der Bund nicht nur beklagte Partei sondern als Bundessozialamt
auch jene Behörde ist, der die Vermittlungsaufgabe zukommt.
Es ist zu prüfen, ob nicht die Zuständigkeit der
Bundesberufungskommission nach Ausschöpfung des ordentlichen Instanzenzuges auf
alle Diskriminierungsfälle auszuweiten ist (die Einschränkung auf den Bereich
des Schadenersatzes wäre zu streichen).
Im Schlichtungsverfahren bei der Geltendmachung von
Ansprüchen bei Gericht wird eine große Chance gesehen, unbürokratische und rasche Lösungen zur
Beendigung eines diskriminierenden Zustandes zu finden. Allerdings fehlt eine
Regelung, wie vor zu gehen ist, wenn sich die beklagte Partei nicht an eine
gütliche Einigung hält. Ansonsten könnte
es passieren, dass durch
den Ablauf der Frist gemäß § 11 Abs 5 die betroffene Person im Vertrauen
darauf, dass die gütliche Einigung umgesetzt wird, um die Möglichkeit umfällt,
ihre Ansprüche auch gerichtlich geltend zu machen.
Folgende Änderung in der Formulierung wird
vorgeschlagen:
„......Der beklagten Partei obliegt es außer in den
Fällen des Abs. 2 zu beweisen, dass ein anderes von ihr glaubhaft
gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war.
Begründung:
Bei der vorgesehenen Regelung hätte die beklagte
Partei nur die Wahrscheinlichkeit zu beweisen, dass ein anderes Motiv für die
unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war. Die EU Vorgaben (Richtlinie
222/78/EG des Rates vom 27. November 2000 und die Richtlinie 2000/43/EG des
Rates vom 29. Juni 2000) sehen hingegen vor, dass die beklagte Partei beweisen
muss, dass keine Diskriminierung vorliegt.
Siehe oben. Zudem:
Die Formulierung wäre wie folgt zu ergänzen:
„Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn
eine Person aufgrund einer Behinderung oder aufgrund einer zu erwartenden
Behinderung...“
Begründung wie oben.
§ 7 b Abs 4
Hier muss nochmals darauf hingewiesen werden, dass
zahlreiche Berufsgesetze auf die körperliche Eignung als Voraussetzung für die
Berufsausübung abstellen. Dies führt dazu, dass Personen mit einer Behinderung von diesen Berufen ausgeschlossen sind. Dieser Absatz
bringt für diese Situationen auch keine Lösung, weil auch dann keine Diskriminierung
vorliegt, wenn die Beseitigung der die Benachteiligung begründenden Bedingungen
rechtswidrig wäre. Es ist daher unbedingt notwendig, die betreffenden
Materiengesetze zu ändern.
Angesichts des Aufgabenkatalogs des
Behindertenanwalts sollte überprüft werden, ob es nicht sinnvoller wäre, diese Agenden einer, im
Behindertenbereich erprobten und erfahrenen NGO zu übertragen. Durch ein Ausschreibungsverfahren
sollte eine dafür geeignete Organisation ermittelt und diese für einen begrenzten Zeitraum mit den
Aufgaben des Behindertenanwalts betraut werden. Eine wichtige Voraussetzung
wäre es, dass in dieser Organisation selbst Menschen mit Behinderung arbeiten,
weil damit deren Glaubwürdigkeit gesteigert werden kann.
Dieser Vorschlag würde nicht nur schlankere
Strukturen garantieren sondern auch eine wesentlich stärkere Einbeziehung der
Organisationen von Betroffenen, von DienstleistungsanbieterInnen und
Fachkräften ermöglichen.
Ad Punkt
8 § 4 Abs 8 ist zu ergänzen:
„... über besondere Erfahrungen verfügen, wobei zumindest eine Person selbst
behindert sein muss.“
Begründung:
Erfahrungsgemäß ist die Einbeziehung einer Person,
die selbst von einer Behinderung betroffen ist und diese Situation auch
reflektiert hat, die beste Garantie für die notwendige Sensibilität bei der
Bearbeitung dieser Streitfälle.
In der Erläuterungen sollte angemerkt werden, dass
für die Auswahl der behinderten Person die Behinderungsart der vermeintlich
diskriminierten Person ausschlaggebend ist. Sollte es sich beispielsweise im
Verfahren um die Diskriminierung eines blinden Menschen handeln, wäre
vorzugsweise eine blinde Person für die Kommissionsarbeit zu nominieren.