Stellungnahme des Vereins für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem ein Bundesgesetz über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz – BGSTG) erlassen wird und das Behinderteneinstellungsgesetz, das Bundesbehindertengesetz, das Bundessozialamtsgesetz und das Bundesberufungskommmissionsgesetz geändert werden

 

 

Der Verein für SACHwalterschaft und PATIENTENanwaltschaft (im folgenden VSP) erlaubt sich, zum o. a. Begutachtungsentwurf wie folgt Stellung zu nehmen:

 

Der VSP begrüßt, dass mit diesem Gesetzesvorhaben

-          die Anwendbarkeit des Diskriminierungsschutzes auch für den privatrechtlichen Bereich umfassender geregelt und klargestellt wird,

-          eine Konkretisierung der Begrifflichkeiten erfolgt,

-          der Tatbestand der Belästigung als Schadenersatzpflicht auslösendes Handeln explizit aufgenommen wird und

-          dass Schadenersatz auch für immaterielle Schäden vorgesehen wird.

Diese Maßnahmen erachtet der VSP als Schritte zur Verbesserung der Situation von Menschen mit besonderen Bedürfnissen.

 

Der VSP bedauert aber, dass das Gesetzesvorhaben seinem Titel nicht gerecht wird, d. h. kein „echtes“ Gleichstellungsgesetz, sondern lediglich ein Anti-Diskriminierungsgesetz vorgelegt wird. Ein seinem Titel gerecht werdendes Gleichstellungsgesetz müsste u. E.

-            aktiven Nachteilsausgleich,

-            positive Diskriminierung und

-            aktive Antidiskriminierung

befördern. Im gegenständlichen Entwurf wird aber – offenkundig aufgrund von kompetenzrechtlichen Problematiken - nunmehr ausschließlich ein  Diskriminierungsverbot normiert. Konkrete positive Gleichstellungsmaßnahmen (Anordnungen zur Herstellung der Gleichstellung und Sicherung des selbstbestimmten Lebens) fehlen völlig und es werden somit Ungleichbehandlungen in den einzelnen Lebensbereichen nicht durch explizite generelle gesetzliche Bindungen der relevanten Akteure (Gebotsnormen) beseitigt. Es besteht somit die Tendenz, politisch zu lösende Probleme in das Rechtssystem zu verschieben und damit zu depolitisieren.

 

Die Initiative zur Beseitigung von Diskriminierungen bleibt auf diese Weise den Betroffenen und deren individueller Rechtsverfolgung überlassen. Für eine derartige Gleichstellungsstrategie sind somit die individuelle Konfliktfähigkeit und das Vorhandensein der entsprechenden materiellen und immateriellen Ressourcen und Kompetenzen bei den Betroffenen entscheidende Voraussetzungen.

 

Aufgrund der langjährigen Erfahrung des VSP mit der rechtlichen Vertretung von Betroffenen erlauben wir uns darauf hinzuweisen, dass diese Ressourcen und Kompetenzen und sohin der Zugang zum Recht – auch bei nicht in ihren geistigen Fähigkeiten eingeschränkten Personen - nicht per se als gegeben angesehen werden können. Es muss daher danach getrachtet werden, dass die entsprechenden Rahmenbedingungen auf gesetzlicher Basis hergestellt werden. Im vorliegenden Entwurf können die Beweislastregelung, die Institutionalisierung eines Behindertenanwaltes, das Vorsehen eines Schlichtungsverfahrens und das Anbot von (ggf. für die Betroffenen kostenfreier) Mediation als entsprechende Maßnahmen angesehen werden. Diese Maßnahmen sind aber u. E. nicht weitreichend genug. Wir schlagen daher eine Aufwertung und einen Ausbau der Kompetenzen des Behindertenanwaltes vor:

 

-          Wahl des Behindertenanwaltes/der Behindertenanwältin durch den Nationalrat zur Erhöhung der Legitimation

-          Funktionsperiode von 6 Jahren und Verantwortlichkeit ausschließlich gegenüber dem Nationalrat zur Stärkung der Unabhängigkeit

-          Hauptberufliche Ausübung des Amtes und staatliche Finanzierung zur Stärkung der Professionalität

-          Möglichkeit zur Einrichtung von regionalen Servicestellen mit qualifizierten MitarbeiterInnen zwecks Verbesserung der Zugänglichkeit für die Betroffenen

-          Kostenloser Zugang zu den Leistungen des Behindertenanwaltes

-          Aufgaben und Rechte des Behindertenanwaltes:

o       Beratung und Unterstützung von Behinderten-Initiativen und Betroffenen

o       Eigenständige Ermittlungen zu Diskriminierungs-Sachverhalten mit dem Recht der Inanspruchnahme von Hilfestellungen von Organen des Bundes, der Länder oder der Gemeinden

o       Eigenständige Beantragung von Schlichtungsversuchen

o       Amtswegige Einbringung von Unterlassungsklagen (auch in abstrakten Diskriminierungsfällen zur zielgerichteten Bekämpfung von Diskriminierungstatbeständen in Form von Präzedenzverfahren)

o       Gewährung von kostenlosem Rechtsschutz für Betroffene durch die Vertretung im Verfahren vor Gerichten oder Verwaltungsbehörden, wobei die betroffene Person immer Herr/in des Verfahrens bleibt

o       Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben, die Gleichstellungsfragen betreffen

o       Entwicklung von Strategien gegen Diskriminierungen und Sensibilisierung der Bevölkerung für das Problem der Diskriminierung mit den Mitteln der Forschung und der Öffentlichkeitsarbeit

 

Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die im Entwurf des Ludwig Boltzmann-Instituts für Menschenrechte für ein Antidiskriminierungsgesetz enthaltenen Bestimmungen zur „Ombudsperson gegen Diskriminierungen“.

 

Erst eine derartige Konstruktion würde nach unserer Auffassung die schlagkräftige Durchsetzung des Diskriminierungsverbots ermöglichen.

 

 

Wien, 15.9.2004

Dr. Peter Schlaffer e. h.
(Geschäftsführer)