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REPUBLIK ÖSTERREICH

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BUNDESKANZLERAMT

 

DVR: 0000019

GZ 810.050/0002-V/3/2004

 

An das

Bundesministerium für Landesverteidigung/ELeg

z.Hd. Herrn Mag. Grossbies

 

Rossauer Lände 1

1090 Wien

 

 

 

 

 

 

 

 

Betrifft: do. GZ S91010/5-ELeg/2004;

             Militärbefugnisgesetz

 

 

 

Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst, Abteilung V/3, nimmt zum im Betreff genannten Gegenstand wie folgt Stellung:

 

Zu Ziff. 5 – 7:

Den Erläuterungen ist zu entnehmen, dass die Neuformulierung der bezüglichen Absätze bzw. Ziffern des § 22 MBG mit dem Ziel erfolgen soll, die einzelnen Befugnisse präziser und konkreter zu umschreiben.

 

Dieses Ziel wird aber durch die vorgeschlagenen Texte nicht erreicht. Dafür aber stellen sich Fragen der Abgrenzung zu sicherheitspolizeilichen Befugnissen.

 

So wird in § 22 Abs. 4 Ziff. 3 sowie § 22 Abs. 5 Ziff. 3 jeweils nicht nur auf eine militärische Lage bzw. Gefahr/Beeinträchtigung der nationalen Sicherheit abgestellt, sondern auch auf eine nicht näher definierte „sicherheitspolitische Lage“ sowie die „Sicherheit von Menschen“.

Die Abwehr allgemeiner Gefahren für Menschen bzw. die Bevölkerung ist aber eindeutig eine Aufgabe der Sicherheitspolizei nach dem Sicherheitspolizeigesetz. Auch die Bekämpfung terroristischer Aktivitäten fällt in den Aufgabenbereich der Sicherheitspolizei bzw. der Strafverfolgungsbehörden.

 

Davon abgesehen weisen die vorgeschlagenen Formulierungen vor allem in § 22 Abs. 4 Ziff. 3 und § 22 Abs. 5 Ziff. 3 ein Maß an Unbestimmtheit auf, welches die schon derzeit weitgehend unbestimmten Ermächtigungstatbestände qualitativ kaum verbessern würde.

 

Wie die Erläuterungen im Übrigen zutreffend festhalten, geht es bei der nachrichtendienstlichen Aufklärung vielfach nicht um die Beschaffung personenbezogener Daten, sondern um die Gewinnung eines allgemeinen Nahgebildes der militärischen Sicherheit.

Soweit die Aufgabe der nachrichtendienstlichen Abwehr angesprochen ist, geht es wiederum typischer Weise nicht um die Abwehr physischer Bedrohungen von Menschen, sondern um Informationseingriffe. Schon vor diesem Hintergrund erscheint die vorgeschlagene Textierung des § 22 Abs. 4 Ziff. 3 und Abs. 5 Ziff. 3 nicht plausibel.

 

Zu Ziff. 8:

Positiv anzumerken ist, dass nach der neuen Textierung des § 22 Abs. 8 der Verteidigungsminister und der Rechtsschutzbeauftragte von Datenermittlungen nach § 22 Abs. 3 – 7 gleichzeitig zu verständigen sein sollen.

 

Bedenklich erscheint hingegen die neue Formulierung des letzten Satzes des § 22 Abs. 8 MBG. Der Beginn mit Datenermittlungen war bisher in Ermangelung einer sofortigen Äußerung des Rechtsschutzbeauftragten dann sofort zulässig, wenn mit Angriffen gegen militärische Rechtsgüter mit schwerer Gefahr für die militärische Sicherheit zu rechnen war und gleichzeitig Gefahr in Verzug vorlag.

 

In Zukunft soll jedoch eine Aufnahme von Ermittlungen ohne Vorliegen einer positiven Äußerung eines Rechtsschutzbeauftragten dann sofort möglich sein, wenn bei weiteren Zuwarten ein offenkundiger nicht wiedergutzumachender Schaden für die nationale Sicherheit oder die Sicherheit von Menschen eintreten würde.

 

Dazu ist festzuhalten, dass die neue Textierung auf einen nicht näher qualifizierten Schaden, d.h. auch auf einen leichten Schaden abstellt. Weiters stellt sich die Frage, wozu noch Datenermittlungen erforderlich sein sollen, wenn der Eintritt eines Schadens ohnehin bereits „offenkundig“ ist. Wenn es um eine Bedrohung der physischen Integrität von Menschen oder von Sachen ginge, wäre ohnehin sofort die Sicherheitspolizei zu verständigen, um entsprechend Abhilfe zu schaffen. Tatsächlich ist im gegebenen Kontext wohl davon auszugehen, dass die Aufgabenstellung der nachrichtendienstlichen Abwehr im Inland typischer Weise in der Abwehr von Informationsbeschaffungsmaßnahmen fremder Mächte besteht und nicht im unmittelbaren physischen Schutz von Menschen und Sachen.

 

Das Abstellen auf die (physische) Sicherheit von Menschen wiederum lässt erkennen, dass hier keine Kernaufgabe der militärischen Aufklärung bzw. Abwehr angesprochen ist, sondern ein Feld der Sicherheitspolizei.

Insgesamt zeigt sich, dass die in Aussicht genommenen Ermächtigungstatbestände nicht geeignet sind, eine ausreichend klar umrissene Befugnis zu umschreiben bzw. missverständlich formuliert sind.

 

Zu Ziff. 9:

 

§ 25 Abs. 1 und Abs. 1 a lauten derzeit wie folgt:

 
 
 
                            Übermittlung
 
  § 25. (1) Militärische Organe und Dienststellen, die mit Aufgaben der nachrichtendienstlichen Aufklärung oder Abwehr betraut sind, dürfen Daten übermitteln
  1. anderen militärischen Dienststellen,
  2. den österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland in Angelegenheiten der militärischen Landesverteidigung und
  3. ausländischen öffentlichen Dienststellen oder internationalen Organisationen oder sonstigen zwischenstaatlichen Einrichtungen, soweit dies
     a) auf einer völkerrechtlichen Verpflichtung beruht oder
     b) eine wesentliche Voraussetzung für die Erfüllung von Aufgaben der nachrichtendienstlichen Aufklärung oder Abwehr darstellt.
 
  (1a) Eine Datenübermittlung an andere als militärische Dienststellen ist jedenfalls unzulässig, sofern
  1. für die übermittelnde Stelle Hinweise bestehen, dass hiedurch der Schutz des Redaktionsgeheimnisses nach § 31 Abs. 1 des  Mediengesetzes, BGBl. Nr. 314/1981, umgangen würde, oder
  2. durch ein Bekannt werden der Daten die nationale Sicherheit oder  die Sicherheit von Personen gefährdet würde.

 

 

Nach Ziff. 2 des § 25 Abs. 1 a MBG soll nun folgende Einfügung vorgenommen werden:

 

„Die Unzulässigkeit einer Datenübermittlung nach den Ziffern 1 und 2 gilt auch für alle anderen militärischen Dienststellen.“

 

Der Zweck dieser Einfügung wird in den Erläuterungen damit begründet, dass dies dem umfassenden Schutz des Redaktionsgeheimnisses diene, da derzeit eine Datenübermittlung durch andere als nachrichtendienstlich tätige Stellen des BMLV an Dritte nicht ausgeschlossen sei.

 

Dieser in den Erläuterungen zu § 25 Abs. 1 a MBG verfolgten Interpretation kann nicht gefolgt werden. § 25 MBG muss als abschließende Ermächtigungsnorm gesehen werden, die die zulässigen Fälle einer Datenübermittlung durch militärische Organe und Dienststellen, die mit der nachrichtendienstlichen Aufklärung oder Abwehr betraut sind, an andere militärischen Dienststellen und Dritte regelt. Jede andere Sichtweise würde dem Grundsatz des Art. 18 B-VG zuwider laufen und darauf hinauslaufen, dass Militärbehörden alles erlaubt wäre, was ihnen nicht ausdrücklich verboten ist.

 

Sollte das BMLV hingegen davon ausgehen, dass andere militärischen Dienststellen als jene, die mit der nachrichtendienstlichen Aufklärung oder Abwehr betraut sind, einen Bedarf haben, „sonstigen“ staatlichen Stellen Informationen zu übermitteln, die sie zuvor von „der Abwehr“ oder „aufklärend tätigen Stellen“ erhalten haben, müsste dieser Bedarf 1. entsprechend argumentiert und 2. eine schlüssige Textierung des § 25 MBG insgesamt vorgenommen werden.

 

Die derzeit vorgeschlagene Einfügung nach § 25 Abs. 1a MBG lässt jedenfalls beim Leser den Eindruck entstehen, dass BMLV würde versuchen, eine tatsächlich nicht nachvollziehbare Interpretation des derzeitigen § 25 durch eine „authentische Interpretation“ im Gesetz selbst festzuschreiben. Eine solche Vorgangsweise wäre freilich weder mit den legistischen Richtlinien noch mit Art. 18 B-VG vereinbar.

 

 

16. September 2004

Für den Bundeskanzler:

i.V. SOUHRADA-KIRCHMAYER