A b s c h r i f t

 

An das

Bundesministerium für Justiz

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A-1016 Wien

Wien, am 30. September 2004

 

 

 

 

 

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GZ: BMJ-L 318.019/0008-II.1/2004 13.08.04                        V/2-082004/N/A-50                        8581

 

 

 

Betreff:      Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafgesetzbuch, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Firmenbuchgesetz, die Konkursordnung, das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung und das Aktiengesetz zur Bekämpfung des Sozialbetrugs geändert werden (Sozialbetrugsgesetz-SozBeG)

 

 

Die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs erlaubt sich, dem Bundesministerium für Justiz zu dem im Betreff genannten Entwurf eines Bundesgesetzes folgende Stellungnahme zu übermitteln:

 

In Umsetzung des Regierungsprogramms im Bereich des „Sozialbetrugs“ sollen mit diesem Gesetzesentwurf Maßnahmen gegen den „Sozialversicherungsbetrug“ sowie gegen die organisierte Schwarzarbeit umgesetzt werden. Die nachstehenden Anmerkungen der Stellungnahme beziehen sich auf die Artikel I (Änderung des Strafgesetzbuches) sowie Artikel II (Änderungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes).

 

Zu § 153c StGB

(Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung):

Diesbezügliche Strafbestimmungen befinden sich bislang im § 114 ASVG. Die Einbehaltung von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung bzw. die Vorenthaltung dieser Beiträge gegenüber den berechtigten Versicherungsträgern ist nach dieser Bestimmung vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren zu bestrafen. Daneben kann eine Geldstrafe im Ausmaß von bis zu 360 Tagessätzen verhängt werden. Es besteht gemäß § 114 ASVG bis zum Schluss der Verhandlung die Möglichkeit, die Strafbarkeit durch Zahlung der ausstehenden Beiträge abzuwenden („tätige Reue“).

Diese Strafbestimmung soll aus systematischen Gründen nunmehr in den neuen § 153c Strafgesetzbuch (StGB) transferiert werden. Im Wesentlichen findet sich das bisherige Strafausmaß des § 114 ASVG auch im neuen § 153c StGB. Neu ist unter anderem, dass die Strafbarkeit künftig auch unabhängig davon bestehen soll, ob Arbeitsentgelt tatsächlich gezahlt wurde. Begründet wird diese gesetzliche Maßnahme in den Erläuterungen damit, dass es bei Schwarzauszahlung von Löhnen Beweisprobleme in der Praxis gebe. Es sollte allerdings an der derzeit maßgebenden Judikatur festgehalten werden, wonach der Tatbestand die Auszahlung eines Arbeitsentgelts voraussetzt, da sonst nichts „vorenthalten“ werden könnte. Dieser Passus sollte daher aus dem Entwurf gestrichen werden.

Im Übrigen ist gegen diese Bestimmung dem Grunde nach kein Einwand zu erheben, da sich der Inhalt am bisherigen § 114 ASVG orientiert und rein fahrlässige Unterlassungen von Dienstgebern nicht strafbar sein sollen. Die Anhebung des Strafausmaßes auf bis zu 3 Jahre, wenn die vorenthaltenen Beträge 40.000,-- € überschreiten, ist im Sinne der Schwere des Delikts in Form der gestaffelten Regelung zu befürworten. Neu ist weiters, dass die kumulative Verhängung einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen neben einer Freiheitsstrafe gestrichen werden soll. Gemäß den Erläuterungen ist diese Strafbestimmung praktisch kaum relevant gewesen, weshalb der Streichung dieser Nebenstrafe auch zugestimmt werden kann.

 

Zu § 153d (Sozialbetrug):

Neben der oben genannten bisherigen Strafbestimmung soll ein neuer Straftatbestand in diesem Zusammenhang eingeführt werden, nämlich der „Sozialbetrug“. Betrügerisch in diesem Sinne handelt, wer bereits bei der Anmeldung den Vorsatz hatte, keine oder keine ausreichenden Beiträge zu leisten. Der Begriff „Betrug“ ist rechtstechnisch insofern nicht korrekt, als der Betrug auch die Täuschungsabsicht voraussetzt. Die Erläuterungen selbst erwähnen, dass das Faktum der Täuschung in diesem Fall keine Relevanz hat, weshalb es sich im Grunde um ein reines Vorsatzdelikt handelt. Das Strafausmaß von bis zu 10 Jahren sollte allerdings nur dann greifen, wenn die strafbare Handlung die Qualität des schweren Betrugs aufweist. Dies sollte im Gesetz deutlicher dargestellt werden.

 

Zu § 153e (organisierte Schwarzarbeit):

Diese Bestimmung geht auf die seinerzeitige Regierungsvorlage eines Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes aus der XX. Legislaturperiode zurück. Die Bestimmung enthält eine Definition von illegaler Erwerbstätigkeit sowie die weiteren Voraussetzungen, die die Qualität organisierter Schwarzarbeit darlegen sollen.

Aus Sicht der Präsidentenkonferenz sind die Begriffsbestimmungen bezüglich der Definition von illegaler Erwerbstätigkeit überschießend und zu weit gefasst. Unter Strafe gestellt ist die illegale Erwerbstätigkeit, wenn sie in unternehmensähnlicher Form organisiert ist, um sich dadurch eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen bzw. wenn man in Verbindung mit einer größeren Zahl von illegal erwerbstätigen Personen führend tätig ist. Diese Definition organisierter Schwarzarbeit in Abs. 1 enthält einige unbestimmte Gesetzesbegriffe, die durch Rechtssprechung konkretisiert werden müssen. Was organisierte Schwarzarbeit ist, ist letztendlich von den Gerichten zu entscheiden, weshalb eine Beurteilung der Wirkung der neuen Bestimmung erst mit einer Evaluierung nach Ausbildung einer gefestigten Rechtssprechung getroffen werden kann.

Das grundsätzliche Problem dieser Strafbestimmung stellt nach Ansicht der Präsidentenkonferenz der Abs. 3 von § 153e dar, in welchem der Begriff der illegalen Erwerbstätigkeit definiert wird. Demnach läge illegale Erwerbstätigkeit beispielsweise dann vor, wenn eine selbständige Erwerbstätigkeit in der Land- und Forstwirtschaft ohne die erforderliche Meldung gemäß § 16 Abs. 1 BSVG ausgeübt wird. Es darf darauf verwiesen werden, dass der Verstoß gegen Meldeverpflichtungen bereits auf Grund von Strafbestimmungen in den Sozialversicherungsgesetzen geahndet wird. Es sollten allerdings die Sanktionen gegen den Verstoß von Meldeverpflichtungen im Regelungsbereich der jeweiligen Sozialversicherungsgesetze verbleiben und nicht im Strafgesetzbuch als illegale Erwerbstätigkeit qualifiziert werden. Gemäß dem neuen § 153e StGB soll auch die Ausübung eines Gewerbes ohne Gewerbeberechtigung eine illegale Beschäftigung darstellen. In diesem Punkt ergibt sich speziell für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft eine Fülle von Abgrenzungsfragen, die nicht in eine Pönalisierung im Rahmen des StGB führen sollten. Da es sich zum Teil um unbestimmte Gesetzesbegriffe bei der Abgrenzung handelt und wiederholt höchstgerichtliche Entscheidungen für die Klärung erforderlich sind, ist eine Aufzählung dieses Tatbestandteils im StGB abzulehnen. Abgrenzungsfragen ergeben sich auch in Bezug auf den Begriff der „Nachbarschaftshilfe“. Wegen offener Abgrenzungsprobleme in diesem für die Land- und Forstwirtschaft überaus wichtigen Bereich gilt hierfür das eben gesagte. Die Erwähnung der Nachbarschaftshilfe in den erläuternden Bemerkungen ist in diesem Fall nicht ausreichend, da Abgrenzungsfragen unbeantwortet bleiben. Auch wenn die Strafbarkeit erst in Verbindung mit den oben genannten zusätzlichen Voraussetzungen des § 153e Abs 1 StGB eintritt, so tritt aus systematischen Gründen der strafrechtliche Charakter eines (Melde-)Verstoßes nach Abs 3 in den Vordergrund.

 

Die Präsidentenkonferenz befürwortet legistische Maßnahmen zur Bekämpfung der organisierten Schwarzarbeit und auch die darin vorgesehenen Sanktionen. Die Bezeichnung von Verstößen gegen sozialversicherungs-, arbeits- oder geweberechtliche Meldeverpflichtungen  als „illegale Erwerbstätigkeit“ wird allerdings als überschießend angesehen. Eine Erwähnung im StGB in dieser Form sollte nicht zuletzt auch im Sinne der notwendigen Rechtssicherheit unterbleiben.

 

 

Wunschgemäß werden 25 Ausfertigungen der Stellungnahme dem Präsidium des Nationalrates zur Kenntnisnahme übermittelt.

 

 

 

       Der Präsident:       Der Generalsekretär:

gez. ÖkR Schwarzböck                        gez. Dipl.-Ing. Astl