Abteilung I/4

 

 

 

 

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BM für Justiz

 

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Betr.:   GZ. JMZ 318.019/0008-II 1/2004 vom 13. August 2004
Begutachtungsverfahren betreffend Entwurf eines Sozialbetrugsgesetzes –SozBeG; Stellungnahme des BMF

I. Allgemeines

 

1.) Zu den Änderungen im Strafgesetzbuch:

 

Ermittlungskompetenz:

 

Zu den Ermittlungskompetenzen gibt es im vorliegenden Gesetzesentwurf keine konkreten Aussagen. Im Vorblatt zum Entwurf wird unter dem Punkt Kosten ein nicht bezifferbarer Mehraufwand im Bereich der Sicherheits- und Justizbehörden genannt.

 

Es ist daher davon auszugehen, dass eine Ermittlungskompetenz der Sicherheitsbehörden angedacht ist.

 

Das Bundesministerium für Finanzen verfügt über entsprechende Organisationsformen mit hochqualifizierten Mitarbeitern, die bereits derzeit in der Bekämpfung der illegalen Ausländer- (Arbeitnehmer-) beschäftigung, in der gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben (Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge sowie Kommunalsteuern) und in der Bekämpfung des organisierten Abgabenbetruges eingesetzt sind. Dazu zählen insbesondere die Organisationseinheiten zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung (KIAB), zur Durchführung der gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) und die Steuerfahndung (PAST).

 

Lohnsteuerbetrug ist nahezu immer mit der Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen verbunden und umgekehrt. Eine Trennung der Ermittlungskompetenzen zwischen der Finanzverwaltung für Steuerbetrug und die Verwaltungsstraftatbestände des Ausländerbeschäftigungsgesetzes einerseits und den Sicherheitsbehörden für die nunmehr legistisch vorgeschlagenen Deliktsformen des gerichtlich strafbaren Sozialbetruges wäre daher wegen der dann zwangsläufig entstehenden Doppelgleisigkeiten und Kompetenzüberschneidungen völlig ineffizient.

 

Diese Kompetenzüberschneidungen kommen deutlich im § 153e Abs. 3 hervor, da jene Tatbestände, die eine illegale Erwerbstätigkeit im Sinne des Sozialbetrugsgesetzes auslösen, überwiegend durch Behörden des Bundesministeriums für Finanzen auf Grundlage der einschlägigen Gesetzeslage (Ausländerbeschäftigungsgesetz, Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, § 89 Abs. 3 Einkommensteuergesetz in der Fassung BGBl. I Nr. 80/2003) schon für steuerliche und beschäftigungsrechtliche Zwecke zu ermitteln sind.

 

Es wird daher die Aufnahme der Kontroll- und Ermittlungskompetenz für Behörden des Bundesministeriums für Finanzen für die neuen Straftatbestände im geplanten Sozialbetrugsgesetz angeregt.

 

Alternativ dazu würde eine Normierung der geplanten gerichtlichen Tatbestände als Finanzvergehen im Sinne des Finanzstrafgesetzes den § 197 FinStrG (Ermittlungsauftrag) anwendbar machen.

 

Strafrahmen:

 

Die geplanten Strafdrohungen des Strafgesetzbuches stehen in einem Missverhältnis zu den Strafdrohungen gegen betrügerische Handlungen im Abgabenbereich. Da sowohl Abgaben als auch Sozialversicherungsbeiträge finanzwirtschaftlich öffentlich rechtliche Zwangsleistungen sind, ist die durch die vorgeschlagenen Tatbestände bewirkte grobe Ungleichheit im Verhältnis zu vergleichbaren Strafdrohungen des Finanzstrafgesetzes nicht zu rechtfertigen. Eine weitere Anhebung der Strafdrohungen im Finanzstrafgesetz hat das Bundesministerium für Justiz noch vor wenigen Monaten mit der Begründung der Unangemessenheit höherer Strafen abgelehnt.

 

Eine Harmonisierung der im Sozialbetrugsgesetz angedrohten Strafen mit den Strafen des Finanzstrafgesetzes wird daher angeregt.

 

Tätige Reue:

 

Gemäß § 153c Abs. 4 (und § 153d Abs. 4) besteht die Möglichkeit bis zum Schluss der Verhandlung durch vollständige Zahlung oder vertragliche Verpflichtung gegenüber dem Sozialversicherungsträger Straffreiheit zu erlangen.

 

Diese Form der tätigen Reue geht in Anbetracht der angedrohten Strafen und der dahinter stehenden kriminellen Handlungen zu weit und unterläuft die Präventivwirkung des Sozialbetrugsgesetzes. Auch hier wäre auf eine Abstimmung mit den für Steuerhinterziehung geltenden Regeln wünschenswert.

 

2.) Zu den Änderungen im Firmenbuchgesetz:

 

Auch wenn es auf Grund des unmittelbaren Verweises des Firmenbuchgesetzes auf das Außerstreitgesetz nicht erforderlich erscheint, wäre eine Klarstellung hinsichtlich der materiellen Prüfpflicht der Firmenbuchgerichte – auch zur Absicherung der rechtlichen Position der Rechtspfleger – im Firmenbuchgesetz angebracht. Immer wieder werden Eingaben an das Firmenbuchgericht getätigt, die wiewohl von Notaren stammend, keiner Überprüfung standhalten. So wurden Firmen an nicht existenten Adressen, mit falschen Personendaten und selbst mit falschen Gründungspapieren eingetragen. Eine rein formale Überprüfung der eingereichten Unterlagen hat sich daher als völlig unzureichend herausgestellt, wie auch in der in den Erläuterungen zitierten Besprechung beim Handelsgericht Wien dargelegt wurde.

 

Für den Bereich Wien, Niederösterreich und Burgenland wurden bereits Rechtshilfeübereinkünfte zwischen den Firmenbuchgerichten Wien und Wiener Neustadt und der Finanzverwaltung getroffen, die eine materielle Überprüfung von als prüfwürdig erkannten Firmen unter anderem auch durch Begehungen von Erhebungsbeamten zum Inhalt hat. Diese inhaltlichen Überprüfungen sollten als ausdrücklicher Auftrag im Firmenbuchgesetz normiert werden.

 

So könnte zum Beispiel folgender Passus als Absatz 3 den § 15 ergänzen:

 

"Anmeldungen, Änderungen und sonstige Eingaben sind vom Gericht auf deren materielle und formelle Richtigkeit zu prüfen. Die Gerichte können sich bei Bedarf anderer öffentlicher Verwaltungseinheiten bedienen."

 

Die Finanzverwaltung führt bereits bei einer Vielzahl von Neugründungen sogenannte Antrittsbesuche durch und steht als Partner gerne zur Verfügung.

 

Zustellregeln:

 

Die Erleichterung bei den Zustellregeln, insbesondere die Ediktalzustellung ist zu begrüßen.

 

3.) Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG):

 

Gemäß §  33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jeden Beschäftigten, nach dem ASVG in der Krankenversicherung Pflichtversicherung bei Beginn der Pflichtversicherung unverzüglich beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden.

 

Durch die Satzung des Trägers der Krankenversicherung kann die Meldefrist im allgemeinen bis zu sieben Tagen oder für einzelne Gruppen von Pflichtversicherten bis zu einem Monat erstreckt werden.

 

Von dieser Ermächtigung wird von den Trägern der Krankenversicherung Gebrauch gemacht (siehe dazu beispielsweise die Satzung der Wiener Gebietskrankenkasse beziehungsweise die Mustersatzungen).

 

Die Nichteinhaltung der Meldefrist stellt gemäß § 111 ASVG eine Verwaltungsübertretung dar, die mit einer Geldstrafe zwischen 730,-- bis 2.180,-- Euro (im Wiederholungsfall zwischen 2.180,-- und 3.630,-- Euro) geahndet wird.

 

Zusätzlich besteht die Möglichkeit Beitragserhöhungen vorzuschreiben.

 

Die Frist von 7 Tagen bewirkt in der Praxis, dass bei Kontrollen angetroffene und nicht zur Sozialversicherung angemeldete Dienstnehmer weitgehend sanktionslos beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet werden.

 

Eine Verpflichtung zur unverzüglichen Anmeldung der Dienstnehmer zur Sozialversicherung (entsprechend §  33 Abs. 1 1. Satz ASVG und analog dem Pkt. 36 des Arbeitsbehelfes für die Beitragsabrechnung - herausgegeben von der Sozialversicherung http://www.sozialversicherung.at/mediaDB/54921.PDF ) sollte daher angestrebt werden beziehungsweise sollte die Ermächtigung in §  33 Abs. 1 ASVG aufgehoben werden.

 

In Anbetracht der zwingenden Übermittlung der Anmeldung über ELDA (mit einigen Ausnahmen) erscheint die bisherige Zufristung nicht mehr zeitgemäß.

 

4.) Offene Sachverhalte, für die eine gesetzliche Regelung wünschenswert wäre:

 

Vorratsgründungen/Mantelgründungen:

 

Offen ist die Behandlung der sogenannten Gründungshelfer, die als Geschäftsführer, Gesellschafter oder Prokuristen regelmäßig bei Firmengründungen auftreten und ihre Funktion binnen drei bis sechs Monaten wieder abgeben, wobei in der überwiegenden Anzahl der Fälle der Nachfolger im Sinne des Sozialbetrugsgesetzes tätig wird (entsprechende Analysen der Firmenbucheintragungen bestätigen diese Annahme). Ein gegen einen Gründer von mehreren hundert Ges.m.b.H eingeleitetes Strafverfahren wurde mangels eines anwendbaren Straftatbestandes eingestellt.

 

Ähnliches gilt für professionelle Gründungshelfer (meist Unternehmensberater), die geschäftsmäßig GesmbH's gründen und in weiterer Folge an o. g. Personenkreis weiterverkaufen. Als Gesellschafter und Geschäftsführer treten hier in der Regel ausländische Staatsbürger auf, die zu diesem Zweck nach Österreich geholt werden und nach erfolgter Gründung wieder in ihr Heimatland zurückkehren.

 

Diese Vorrats- oder Mantelgründungen bildet die Grundlage für den organisierten Abgaben- und Sozialbetrug.

 

Aus dem dadurch entstandenen Vorrat an Unternehmen wird der Bedarf an Firmen, deren einziger Zweck die Begehung von Abgaben- und Sozialbetrug ist, gedeckt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Vorgängerfirma durch behördliche Aktionen nicht mehr handlungsfähig ist.

 

Notariatsordnung:

 

Firmengründungen sind ein Kerngeschäft der Notare.

 

Auffällig ist, dass in den oben dargestellten Fällen ein kleiner Kreis an Notaren (weniger als 5) tätig wurde und von der Gründung bis zur Anteilsabtretung alle Rechtsgeschäfte abgewickelt haben, wobei der begründete Verdacht besteht, dass die Bestimmungen der Notariatsordnung nicht vollständig eingehalten wurden (zum Beispiel Ort der Beurkundung, Hinzuziehung eines Dolmetschers).

 

Es stellt sich daher die Frage, ob diesem Berufsstand nicht zusätzliche besondere Sorgfaltspflichten und eine entsprechende Verantwortung in Form einer materiellen Prüfpflicht bezüglich der Angaben zu der zu beurkundenden Firmengründung auferlegt werden sollten.

 

5.) Erläuterungen:

 

Die unter Ziffer 3 der Allgemeinen Erläuterungen angegebenen Zahl von 800 Millionen bis zu 1 Milliarde Euro Schaden pro Jahr im Baubereich basiert auf einer Studie der Finanzverwaltung und beinhaltet auch die Sozialversicherungsbeiträge.

 

 

II. Aus budgetärer Sicht

 

Die Darstellung der finanziellen Auswirkungen entspricht im vorliegenden Gesetzesentwurf nicht den Erfordernissen des § 14 Abs. 5 BHG.

 

Das Bundesministerium für Finanzen geht zwingend davon aus, dass seitens des Bundesministeriums für Justiz aus dem Titel Sozialbetrugsgesetz keine personellen und finanziellen Anforderungen gestellt werden; allenfalls daraus entstehende Belastungen müssen durch Umschichtungen beziehungsweise Einsparungen bedeckt werden.

 

Dem Präsidium des Nationalrates wurde die Stellungnahme des Bundesministeriums für Finanzen zum vorliegenden Entwurf auch in elektronischer Form zugeleitet.

 

6. Oktober 2004
Für den Bundesminister:
Mag. Wallner

Für die Richtigkeit
der Ausfertigung: