Amt der Wiener Landesregierung

 

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MD-VD - 1695-1/04                                                          Wien, 6. Oktober 2004

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem

ein Allgemeines Pensionsgesetz erlassen

wird sowie das Allgemeine Sozialver-

sicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozial-

versicherungsgesetz, das Bauern-Sozial-

versicherungsgesetz, das Arbeitslosenver-

sicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarkt-

politik-Finanzierungsgesetz und das

Dienstgeberabgabegesetz geändert werden

(Pensionsharmonisierungsgesetz);

Begutachtung;

Stellungnahme

 

zu GZ: 21.113/26-1/04

 

 

 

An das

Bundesministerium für Soziale Sicherheit,

Generationen und Konsumentenschutz

 

 

Zu dem mit Schreiben vom 7. September 2004 übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes wird nach Anhörung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wie folgt Stellung genommen:

 

In allgemeiner Hinsicht bestehen folgende grundsätzliche Bedenken:

 

Dadurch, dass das Allgemeine Pensionsgesetz auf eine lebenslange Durchrechnung abstellt, werden vor allem Frauen benachteiligt, da die typische Erwerbsbiographie von Frauen nach wie vor etliche Jahre der familien- und kinderbedingten Berufsunterbrechung und (über das 4. Lebensjahr der Kinder hinausgehende) Teilzeitarbeiten beinhaltet, die sich in der Folge stark pensionsmindernd auswirken und durch die verbesserte Anrechnung der Kindererziehungszeiten sowie ein allfälliges freiwilliges Pensionssplitting keineswegs ausgeglichen werden können. Bei einer lebenslangen Durchrechnung werden sich aber auch Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit durch Zeiten der Arbeitslosigkeit stark pensionsmindernd auswirken, zumal diese Zeiten künftig nur mit 70 % des vorhergehenden Einkommens gewertet werden. Darüber hinaus werden im Pensionskonto auch Beitragsgrundlagensummen für Zeiten, die bisher gemäß § 238 Abs. 3 ASVG von der Durchrechnung ausgenommen waren wie z. B. Zeiten des Bezuges einer Lehrlingsentschädigung berücksichtigt, wodurch es zu einer weiteren Pensionsverminderung kommen wird und ist eine Verminderung des Durchrechnungszeitraumes um Zeiten der Kindererziehung von bis zu 36 Monaten pro Kind sowie um Zeiten der Hospizkarenz - wie dies seit der Reform 2003 im ASVG der Fall ist - nicht vorgesehen.

 

Zu den einzelnen Bestimmungen ist Folgendes zu bemerken:

 

Zu Art. 1 (Allgemeines Pensionsgesetz - APG):

 

§ 1 Abs. 2: Gegen die unbestimmte Verweisung „soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt wird, sind die pensionsrechtlichen Bestimmungen des ASVG, GSVG, FSVG und BSVG anzuwenden“ bestehen im Hinblick auf das Determinierungsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG Bedenken.

Zu § 4 Abs. 3:

 

Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb für die Inanspruchnahme einer Schwerarbeitspension 540 Versicherungsmonate (= 45 Jahre) erforderlich sind, während für die Inanspruchnahme des Pensionskorridors lediglich 450 Versicherungsmonate (= 37,5 Jahre) gefordert werden. Dabei ist zu bedenken, dass gerade Schwerarbeiterinnen und Schwerarbeiter oft gesundheitlich gar nicht in der Lage sein werden, eine derart lange Versicherungszeit zu erwerben und in diesem Fall selbst in einem erheblichen Ausmaß geleistete Schwerarbeitsmonate weder beim Anfallsalter noch bei den Altersabschlägen berücksichtigt werden. Es stellt ein sachlich nicht zu rechtfertigendes Ergebnis dar, wenn z. B. eine 62-jährige Versicherte bzw. ein solcher Versicherter, die oder der 500 Versicherungsmonate, davon 300 Schwerarbeitsmonate aufweist, eine Alterspension nur mit den üblichen (= höheren) Abschlägen von 4,2 % p. a. in Anspruch nehmen kann.

 

Zu § 5 Abs. 1, §§ 11 und 12:

 

Im Gegensatz zum ASVG, das a) die Durchrechnung einer bestimmten Anzahl bester Jahre, b) die Verminderung des Durchrechnungszeitraumes um Kindererziehungszeiten im Ausmaß von bis zu drei Jahren pro Kind und um Zeiten der Familienhospizkarenz vorsieht (diese in § 238 Abs. 2 ASVG verankerte Verminderung des Durchrechnungszeitraumes wurde im Zusammenhang mit der Ausweitung des Durchrechnungszeitraumes von 18 auf 40 Jahre soeben erst durch die Pensionsreform 2003 eingeführt!) sowie c) bestimmte Zeiten wie z. B. Beitragsmonate der Pflichtversicherung, die Zeiten des Bezuges einer Lehrlingsentschädigung gemäß § 17 des Berufsausbildungsgesetzes enthalten, explizit von der Durchrechnung ausnimmt, liegt der Pensionsbemessung des Allgemeinen Pensionsgesetzes eine Lebensdurchrechnung zu Grunde. Diese Lebensdurchrechnung ist jedoch aus mehreren Gründen problematisch bzw. sachlich nicht gerechtfertigt. So wirkt sich die faktische Situation der Frauen in der Arbeitswelt mit einer hohen Teilzeitquote - darunter viele Frauen, die unfreiwillig

Teilzeit arbeiten - und mit einem mangelhaften Angebot in der Kinderbetreuung massiv auf die Höhe der Pension von Frauen aus. Auch Personen, die im Laufe ihres Berufslebens längere Zeit arbeitslos sind, wie es für zehntausende Arbeitnehmerinnen

und Arbeitnehmer etwa am Bau oder in der Tourismusbranche zum Alltag zählt, müssen durch die Bewertung der Arbeitslosenzeiten mit künftig nur mehr 70 % des monatlichen Bruttoeinkommens, von dem das Arbeitslosengeld bemessen wird, mit erheblichen Pensionseinbußen rechnen. Unsachlich ist vor allem auch die Einbeziehung von Lehrlingsentschädigungen in die Lebensdurchrechnung, da es sich dabei um Zeiten handelt, in denen nicht die Erzielung eines Erwerbseinkommens, sondern die Berufsausbildung im Vordergrund steht. Gleiches gilt für Ferialpraktika, die mitunter sogar zwingend vorgesehen sind (Ausbildungserfordernis). Die Einbeziehung derartiger Zeiten führt zu ungerechtfertigten Pensionseinbußen und benachteiligt systematisch z. B. alle Lehrlinge.

 

In § 9 Abs. 1 Z 2 lit. a wäre der Ausdruck „§ 471g“ durch den Ausdruck „§ 471g ASVG“ zu ersetzen.

 

Durch das in § 14 angesprochene freiwillige „Pensionssplittung“ lässt sich auf Grund dieser Freiwilligkeit - wenngleich diese Möglichkeit grundsätzlich zu begrüßen ist - für die Situation der Frauen nichts Wesentliches gewinnen, da sie nicht gesichert mit derartigen „Leistungen“ rechnen können.

 

§ 15 betreffend die Parallelrechnung wird über Jahre einen enormen Verwaltungsaufwand erfordern.

 

Zu Art. 2 Z 37 (§ 108 Abs. 3 ASVG):

 

In den Erläuterungen wäre richtig zu stellen, dass die monatliche ASVG-Höchst­beitragsgrundlage im Jahr 2004 „3.450 Euro“ statt „3.400 Euro“ beträgt.

 

 

Zu Art. 4 Z 41 (Anlage 2 zum BSVG):

 

In den Erläuterungen hat die Überschrift zu dieser Bestimmung statt „Zu Art. 3 Z 41“ richtig „Zu Art. 4 Z 41“ zu lauten.

 

Gleichzeitig werden 25 Ausfertigungen dieser Stellungnahme an das Präsidium des Nationalrates übermittelt. Eine weitere Ausfertigung ergeht an die e-mail Adresse „begutachtungsverfahren@parlament.gv.at“.

 

 

                                                                                Für den Landesamtsdirektor:

 

 

 

Mag. Sonja Wahrstötter                                             Mag. Michael Raffler

                                                                                         Obermagistratsrat