Ö S T E R R E I C H I S C H E  Ä R Z T E K A M M E R

Körperschaft öffentlichen Rechts

Mitglied der World Medical Association

 

 

 

 

Bundesministerium für

Verkehr, Innovation und Technologie                        WIEN, I.,

Abt. II/ST5                        Weihburggasse 10 - 12

Stubenring 1                        Postfach 213

1011 Wien                        1011 WIEN

 

GZ. BMVIT-160.007/0003-II/ST5/2004

 

 

Unser Zeichen: Dr. WK/bw                                                                                Wien, am 11. November 2004

 

 

Betrifft:     Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Straßenverkehrs-

              ordnung 1960 geändert wird (StVO-Novelle 2004)

             

                  

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Österreichische Ärztekammer bedankt sich für die Übermittlung des im Betreff angeführten Gesetzesentwurfes und nimmt wie Folgt Stellung:

 

 

Zu Z 6 und 7 Verpflichtung des Arztes zur Untersuchung

 

Schon bisher galt, dass ein bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabender Arzt eine Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes vorzunehmen habe, wenn eine Person zu diesem Zweck zu ihm gebracht wurde oder dies verlangt und angibt, bei ihr habe die Untersuchung der Atemluft eine Alkoholbeeinträchtigung ergeben.

 

Die Österreichische Ärztekammer verweist darauf, dass bereits die geltende Regelung oftmals Anlass zu Diskussionen, Rechtsunsicherheiten und Zweifeln geführt hat. Mit der nunmehr vorgeschlagenen Novelle wird die Problematik der „Verpflichtung zur ärztlichen Leistung“ verschärft. Zusätzlich zur bisher normierten Blutabnahme, sollen die genannten Ärzte jetzt verpflichtet werden, „Untersuchungen“ durchzuführen.

 

In den Erläuterungen zum Novellierungsvorschlag der Absätze 5 und 9, letzter Satz wird ausgeführt:

„Obwohl rechtlich eindeutig, gab die bisherige Formulierung des Gesetzestextes immer wieder Anlass zu Unklarheiten, in dem vielfach die Rechtsmeinung vertreten wurde, die in einer Krankenanstalt tätigen Ärzte seien nicht verpflichtet, die in § 5 vorgesehenen Untersuchungen durchzuführen. Dies führte – insbesondere im ländlichen Raum – oft zu praktischen Problemen, wenn mit dieser Begründung die Untersuchung einer vorgeführten Person verweigert wurde. Durch die nunmehr eindeutige diesbezügliche Anordnung werden diese Probleme für die Vollziehung beseitigt.“

 

Diesen Ausführungen können wir nicht beipflichten und verweisen auf die bisher geführten Diskussionen. Es werden mit dieser Novellierung nicht Probleme beseitigt – wie oben ausgeführt - sondern vielfach weitere Rechtsunsicherheiten herauf beschworen. Weder der Gesetzestext noch die Erläuternden Bemerkungen definieren Näheres zu der vorgesehenen Untersuchung.

 

Die Österreichische Ärztekammer weist in diesem Zusammenhang auszugsweise auf rechtliche Fragestellungen hin, die sich mit der Umsetzung der im Entwurf genannten Gesetzesnovelle ergeben werden: Zu Beginn ist die Frage zu erörtern, welche Rechtsstellung der Arzt in diesem gesetzlich verankerten Procedere einnimmt. Insbesondere zwischen welchen Personen der Vertrag für Leistung und Gegenleistung abgeschlossen wird. Denkbar ist, dass der Arzt im Rahmen seines Dienstverhältnisses handelt und der Vertrag zur ärztlichen Leistung zwischen Krankenanstalt und dem Probanden oder möglicherweise der jeweiligen Behörde zu Stande kommt. In diesem Fall wäre jedoch die Formulierung im Gesetzestext, der sich direkt an den  „diensthabenden Arzt einer öffentlichen Krankenanstalt“ wendet, zweifelhaft.

 

Soll sich die „Verpflichtung“ direkt an den „diensthabenden Arzt einer öffentlichen Krankenanstalt“ wenden, so wäre es denkbar, dass der Arzt als Gutachter handelt. Auch bei dieser Variante ergeben sich ungelöste Rechtsfragen, wie jene, wer den Arzt zur Gutachtenserstattung beauftragt oder ob der Arzt, der idR nicht als Amtsarzt tätig wird, zur Gutachtenserstattung verpflichtet werden kann. Unseres Erachtens sind damit verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte wie Schutz der persönlichen Freiheit etc. beeinträchtigt. Das Ärztegesetz 1998 räumt dem Arzt gemäß §§ 2 und 55 leg.cit. zwar das Recht, nicht aber die Pflicht, zur Gutachtenserstellung oder zur Zeugnisausfertigung ein.

 
Darüber hinaus ist auf das Spannungsverhältnis zwischen ärztlicher Schweigepflicht und der Mitteilung der Untersuchungsergebnisse an den Auftraggeber (Proband oder Behörde) hinzuweisen. Nicht unberücksichtigt bleiben darf, dass der Arzt sich trotz einer solchen gesetzlich auferlegten „Untersuchung“ an alle ärztlichen Pflichten halten muss wie die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung, die Pflicht des Arztes, jeden von ihm in ärztliche Beratung oder Behandlung übernommenen Gesunden und Kranken ohne Unterschied der Person gewissenhaft zu betreuen, nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung sowie unter Einhaltung der bestehenden Vorschriften und der fachspezifischen Qualitätsstandards das Wohl der Kranken und den Schutz der Gesunden zu wahren sowie die Pflicht zur Aufklärung und Dokumentation. 

 

Daneben sind Facharztbeschränkungen, wonach Fachärzte die ärztliche Tätigkeit auf ihr Sonderfach zu beschränken haben, oder der Umstand, dass in Ausbildung stehende Ärzte (Turnusärzte) berufsrechtlich zu keiner selbstständigen gutachterlichen Tätigkeit berechtigt sind, zu bedenken. Schlussendlich wäre noch darauf hinzuweisen, dass § 55 Ärztegesetz 1998 eine zusätzliche Sorgfaltspflicht für Ärzte festlegt, die ärztliche Zeugnisse oder Gutachten ausstellen. So darf der Arzt diese nur nach gewissenhafter ärztlicher Untersuchung und nach genauer Erhebung der im Zeugnis zu bestätigenden Tatsachen nach seinem besten Wissen und Gewissen ausstellen.

 

Dies bedeutet, dass der Arzt entsprechende ärztliche Tätigkeit nur übernehmen darf, wenn er über die einschlägigen Fähigkeiten und Kenntnisse, d.h. die notwendige Qualifikation zur Durchführung dieser Untersuchungen verfügt. I

 

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die verwaltungsstrafrechtliche, disziplinäre und strafrechtliche Verantwortung sowie zivilrechtliche Haftung des Arztes.

 

Wir erachten es daher als äußerst problematisch, die Durchführung klinischer Untersuchungen in der vorgesehenen allgemeinen Form als Verpflichtung zu verankern. Eine undifferenzierte gesetzlich auferlegte Verpflichtung – wie im vorliegenden Entwurf – würde den Arzt möglicherweise mehrfach nötigen, gesetzliche Regelungen nicht einzuhalten.

 

Auch vom Standpunkt der Ärzte, die im öffentlichen Sanitätsdienst stehen, ist die vorgesehene Verpflichtung zur Alkohol- und Drogenuntersuchung abzulehnen. Weiters ist der Zugang zu Tätigkeiten des im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Gemeinde-, Kreis-, Sprengel- oder Distriktsarztes, bundesländerweit unterschiedlich geregelt. Nicht jeder Arzt, der im öffentlichen Sanitätsdienst steht, verfügt über die entsprechenden Kenntnisse und Erfahrungen, um Drogenuntersuchungen vorzunehmen und folglich die Beeinträchtigung durch Drogenkonsum festzustellen. Dessen ungeachtet gelten auch für ihn die obigen Ausführungen.

 

Statt der Umsetzung der genannten Bestimmungen würden wir vorschlagen, einen Pool von freiwilligen Ärzten, die zur Durchführung der genannten Untersuchungen berechtigt werden sollen, einzurichten. Angedacht werden sollten in Analogie zu den Führerscheinärzten sogenannte sachverständige Ärzte. Ein vergleichbares Modell findet sich in Oberösterreich wieder. Die Österreichische Ärztekammer bzw. die Ärztekammern in den Bundesländern sind gerne bereit, an der Entwicklung dieser Modelle unterstützend tätig zu werden. Erste Gespräche in dieser Richtung haben bereits zwischen Herrn Staatssekretär Mainoni und dem Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer statt gefunden. 

 

Die Österreichische Ärztekammer hat grundsätzlich Verständnis für die angesprochene Problematik und ersucht dringend um ein weiterführendes Gespräch über die zweifellos wichtige Thematik, lehnt aber die oben angesprochene gesetzliche „Verpflichtung“ zur ärztlichen Untersuchung aus den erwähnten Gründen ab.

 

Wir  verbleiben

 

 

mit vorzüglicher Hochachtung

 

 

 

 

Dr. Karlheinz Kux eh.

i.A. des Präsidenten