Amt der Wiener Landesregierung

 

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MD-VD - 584-1/05                                                            Wien, 3. Mai 2005

Entwurf eines Bundesgesetzes

über die Weiterverwendung von

Informationen öffentlicher Stellen

- Informationsweiterverwendungs-

gesetz (IWG);

Begutachtung;

Stellungnahme

 

zu BMWA-15.875/0008-Pers/6/2005

 

 

An das

Bundesministerium für

Wirtschaft und Arbeit

 

 

Zu dem mit Schreiben vom 28. Februar 2005 übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes wird nach Anhörung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wie folgt Stellung genommen

 

Allgemeines:

Sowohl im Rahmen des Vorblattes („Ziel“) als auch der Erläuterungen zu § 2 Abs. 1 wird in Klammersetzung darauf hingewiesen, dass mit dem vorliegenden Entwurf der rechtliche Rahmen für die Weiterverwendung von Dokumenten „für den Bereich des Bundes und die dem Einflussbereich des Bundes zuzuordnenden Einrichtungen öffentlichen Rechts“ festgelegt werden soll.

 

Im Hinblick darauf, dass nach § 4 Z 1 lit. c des vorliegenden Entwurfes der persönliche Geltungsbereich des IWG auch Unternehmungen im Sinne der Art. 126 b Abs. 2, 127 Abs. 3 und 127 a Abs. 3 B-VG umfasst, die von den Ländern, Gemeinden oder anderen Einrichtungen auf bundes- oder landesgesetzlicher Grundlage „beherrscht“ (und daher üblicherweise dem Einflussbereich des betreffenden Landes bzw. der betreffenden Gemeinde zugerechnet) werden, erscheint diese Formulierung („... Einflussbereich des Bundes ...“) missverständlich.

 

Weiters wird darauf hingewiesen, dass nach der Konzeption der umzusetzenden Richtlinie die Entscheidung einer öffentlichen Stelle, bestimmte oder alle Dokumente generell zwecks Weiterverwendung durch Dritte zur Verfügung zu stellen, offensichtlich nicht unwiderruflich ist. Dies ergibt sich aus Erwägungsgrund 18 der Richtlinie, der für den Fall, dass die Weiterverwendung von Dokumenten zunächst zugelassen und dann in weiterer Folge entschieden wird, diese Dokumente nicht mehr zur Verfügung zu stellen, die Verpflichtung statuiert, jene (rücknehmende) Entscheidung unverzüglich bekannt zu geben.

 

Da der vorliegende Entwurf keine diesbezüglichen Regelungen enthält, könnte fraglich sein, ob öffentliche Stellen ihre ursprüngliche Entscheidung, bestimmte Dokumente zur Weiterverwendung zur Verfügung zu stellen, überhaupt wieder zurücknehmen können und - bejahendenfalls - wie dabei unter Berücksichtigung der Gebote der Transparenz und Nichtdiskriminierung vorzugehen wäre. Es wird daher angeregt, folgende Bestimmung in das IWG aufzunehmen:

 

„Entscheiden öffentliche Stellen, bestimmte oder alle Dokumente generell nicht mehr zur Weiterverwendung zur Verfügung zu stellen, haben sie diese Entscheidung unverzüglich in geeigneter Weise - soweit möglich und sinnvoll im Internet - bekannt zu geben.“

 

Überdies wird an dieser Stelle bemerkt, dass dem vorliegenden Entwurf eine entsprechende normative Umsetzung des Art. 8 Abs. 2 erster Satz der Richtlinie 2003/98/EG nicht entnommen werden kann. Es bleibt daher fraglich, auf welche Art und Weise den in dieser Richtlinienbestimmung enthaltenen Vorgaben entsprochen werden soll.

 

Zu den einzelnen Bestimmungen:

 

Zu § 2 Abs. 4:

Diese Bestimmung erscheint entbehrlich, zumal - soweit für das Amt der Wiener Landesregierung ersichtlich - die maßgeblichen Bestimmungen der genannten Übereinkommen auch in entsprechenden Regelungen des Urheberrechtsgesetzes ihren Niederschlag gefunden haben.

 

Zu § 3:

Es wird angeregt, klarzustellen, dass - wie auch nach Art. 4 Abs. 3 der umzusetzenden Richtlinie gefordert - die verfahrensrechtlichen Bestimmungen (des § 5) auch dann Anwendung finden, wenn sich ein Antrag auf Weiterverwendung auf solche Dokumente bezieht, die vom Anwendungsbereich des IWG ausgenommen sind.

 

In den Erläuterungen zu § 3 Z 4 wird ausgeführt, dass Gegenstand dieser Ausnahmeregelung ganz allgemein der Schutz von „geistigen Gütern“ bzw. von „Immaterialgütern“ ist und dass „wesentliche Gesetze zum Schutz von Immaterialgütern“ neben dem Urheberrechtsgesetz auch das Markenschutzgesetz, das Musterschutzgesetz und das Patentgesetz (allesamt Regelungen, welche den gewerblichen Rechtsschutz zum Inhalt haben) sind.

 

Erwägungsgrund 22 der umzusetzenden Richtlinie spricht hingegen ausdrücklich davon, dass sich der Begriff „Rechte des geistigen Eigentums“ ausschließlich auf das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (einschließlich von Sui-generis-Schutz-rechten) bezieht und dass „diese Richtlinie nicht für Dokumente gilt, die von gewerblichen Schutzrechten erfasst werden, wie Patente, eingetragene Muster und Marken“. Der Richtliniengeber will somit offensichtlich sämtliche von gewerblichen Schutzrechten erfasste Dokumente vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausnehmen; und zwar auch dann, wenn öffentliche Stellen Inhaber der gewerblichen Schutzrechte sind.

 

Im Gegensatz dazu werden durch die Bestimmung des § 3 Z 4 des vorliegenden Entwurfes nur Dokumente, die geistiges Eigentum Dritter sind, vom Geltungsbereich ausgenommen. Konsequenterweise sind daher nur solche von gewerblichen Schutzrechten erfasste Dokumente vom Anwendungsbereich des IWG ausgenommen, hinsichtlich derer gewerbliche Schutzrechte zu Gunsten Dritter bestehen. Sachliche Gründe, warum in diesem Bereich über die aus dem erwähnten Erwägungsgrund ersichtlichen Intentionen der umzusetzenden Richtlinie hinausgegangen werden müsste, sind jedoch nicht ersichtlich.

 

Zu § 4 Z 1:

Dass im Bereich der Weiterverwendung von Dokumenten dem Bund die Regelungskompetenz hinsichtlich sämtlicher privatrechtlich organisierter Rechtsträger (z. B. Gesellschaften, Privatstiftungen und Vereine) zukommt, ergibt sich aus dem Gutach-

ten des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes vom 6. September 2004,

BKA-603.764/0005-V/A/5/2004, dem zu Folge sich Regelungen, welche der Umsetzung der „PSI-RL“ dienen, als Ausfluss der Organisationshoheit und - hinsichtlich privatrechtlich organisierter Rechtsträger - der Zivilrechtskompetenz darstellen, und

ist im Rahmen der bisherigen Konsultationen unstrittig gewesen.

 

Wie in den Erläuterungen unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 3296/1957) festgehalten, ist unter „Unternehmung“ im Sinne der Art. 126b Abs. 2, Art. 127 Abs. 3 und Art. 127a Abs. 3 B-VG eine in einer bestimmten Organisationsform in Erscheinung tretende wirtschaftliche Tätigkeit zu verstehen, die sich auf Vermögenswerte stützt und mit Einnahmen und Ausgaben verbunden ist. Maßgeblich dabei sind weder die Art der Organisationsform, das Vorliegen der Rechtspersönlichkeit noch ob die wirtschaftliche Tätigkeit an bestimmte Genehmigungsvoraussetzungen geknüpft ist.

 

Unter Zugrundelegung dieses „weiten“ Verständnisses des Begriffes der „Unternehmung“ hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 7. Oktober 1985,

Zl. KR2/82, beispielsweise einen Verein als Unternehmung im Sinne der erwähnten Bestimmungen des B-VG qualifiziert.

 

Die von den Ländern und/oder Gemeinden und/oder Einrichtungen auf landesrechtlicher Grundlage „beherrschten“ Vereine werden daher zum einen Teil als öffentliche Stellen gemäß § 4 Z 1 lit. c des vorliegenden Entwurfes anzusehen sein. Zum anderen Teil werden solche Vereine jedoch vom vorerwähnten Begriff der „Unternehmung“ nicht erfasst sein, insbesondere wenn sie keine wirtschaftliche Tätigkeit entfalten. Es besteht daher die Möglichkeit der Entstehung einer Regelungslücke.

 

Zu § 5 Abs. 3:

Die im ersten Satz des § 5 Abs. 3 in Aussicht genommene Regelung der von den öffentlichen Stellen einzuhaltenden „Entscheidungsfrist“ („... hat den Antrag in der Frist, die für die Bearbeitung von Anträgen und Begehren auf Zugang zu Dokumenten nach den geltenden Zugangsregelungen einzuhalten ist, oder wenn keine solche Frist festgelegt ist, binnen vier Wochen nach Einlangen des Antrags zu bearbeiten ...“) ist zu unbestimmt, um den Anforderungen des Art. 18 Abs. 1 B-VG zu genügen.

 

Für die Vollziehung werden sich überdies Schwierigkeiten daraus ergeben, zu beurteilen, welche Zugangsregelung die in diesem Zusammenhang „geltenden“ bzw. - wie in den Erläuterungen formuliert - „einschlägigen“ sind, insbesondere dann, wenn mehrere Zugangsregelungen in Betracht kommen.

 

Weiters ist zu bemerken, dass nach dem vorliegenden Gesetzentwurf - entgegen den diesbezüglichen Ausführungen in den Erläuterungen - die verschiedenen „Erledigungsvarianten“ eines Antrages auf Weiterverwendung nicht durchgängig kumulativ zur Verfügung stehen. So dürfte es öffentlichen Stellen nach dem Wortlaut des Entwurfes nicht möglich sein, im Falle eines umfangreichen Antrages auf Weiterverwendung hinsichtlich eines Teiles der gewünschten Dokumente ein Lizenzangebot zu unterbreiten und hinsichtlich des anderen Teiles mitzuteilen, dass dem Antrag teilweise nicht entsprochen werden kann. Es wird daher angeregt, schon im Gesetzestext selbst

- beispielsweise durch Ersatz des Wortes „oder“ durch die Wortfolge „und/oder“ - deutlich zu machen, dass den öffentlichen Stellen sämtliche möglichen Kombinationen der in Frage kommenden „Erledigungsvarianten“ zur Verfügung stehen.

 

Gleichzeitig werden 25 Ausfertigungen dieser Stellungnahme an das Präsidium des Nationalrates übermittelt. Eine weitere Ausfertigung ergeht an die e-mail Adresse „begutachtungsverfahren@parlament.gv.at“.

 

 

                                                                      Für den Landesamtsdirektor:

 

 

                                                                                 Dr. Peter Krasa

Maga Lydia Kovar                                                        Senatsrat