Stellungnahme zum Entwurf eines

Bundesgesetzes, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden

(BMI-LR1300/0106-III/1/c/2005)

 

 

 

Allgemeiner Teil

 

Die im begutachteten Entwurf enthaltenen Vorschläge zielen insbesondere durch Ausweitungen der Versagungsgründe, Verlängerung von Fristen für die Mindestauf­enthaltsdauer sowie Ausweitung der „Ermessensfälle“ und Verringerung der „Anspruchsfälle“ auf eine Einschränkung der Verleihungen von Staatsbürgerschaften ab.

Die Zahl von Staatsbürgerschaftsverleihungen ist im letzten Jahrzehnt (maßgeblich wegen der Kriegsereignisse im ehemaligen Jugoslawien) angestiegen und seit 2003 wieder rückläufig. Es ist nicht erkennbar, wieso die Entwicklung der Einbürgerungs­zahlen als insgesamt nachteilig für Österreich zu beurteilen wäre, sodass legistisch mit restriktiveren Einbürgerungsvoraussetzungen zu reagieren wäre, zumal bereits das geltende österreichische Staatsbürgerschaftsrecht im europäischen Vergleich sehr strenge Voraussetzungen für Staatsbürgerschaftsverleihungen enthält.

 

Besonderer Teil

 

-          Zu § 10 Abs. 1 Z 1 StbG-Entwurf:

Das (zum rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt von mindestens 10 Jahren) zu­sätzliche Erfordernis einer zumindest fünfjährigen Niederlassung steht im Wider­spruch zu Art. 6 Abs. 3 des europäischen Übereinkommens über Staatsange­hörigkeit (BGBl III 39/2000), demzufolge jedenfalls nach einem rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt von 10 Jahren eine Einbürgerung zu ermöglichen ist.

 

-          Zu § 10 Abs. 1 Z 2 StbG-Entwurf:

Nach der vorgeschlagenen Fassung soll ohne Untergrenze jede gerichtliche Ver­urteilung wegen einer Vorsatztat zu einer Freiheitsstrafe – egal, ob bedingt nach­gesehen, oder nicht – ein absolutes Verleihungshindernis für sämtliche Verlei­hungstatbestände unabhängig von sonstigen Integrationsmerkmalen darstellen. Dadurch würde jede Verurteilung zu einer noch so geringen Freiheitsstrafe auch bei ununterbrochenem Hauptwohnsitz und rechtmäßigem Aufenthalt in Österreich seit mehr als 30 Jahren, stärkster Integration und sonst tadellosem Lebenswandel eine Einbürgerung verhindern.

Diese Konsequenz war vor der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 nur für mehr als sechsmonatige Freiheitsstrafen vorgesehen und gilt seither für mehr als dreimonatige Freiheitsstrafen, soweit sie nicht einer Beschränkung der Auskunft (§ 6 TilgG) unterliegen. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen eine solche weitere Verschärfung erforderlich sein soll (auch die Erläuterungen enthalten dazu keine Begründung).

Vor allem in Hinblick auf die hohen sonstigen Anforderungen und die sonstigen, vielfältigen Verleihungshindernisse sollte das Verleihungshindernis gerichtlicher Verurteilung keinesfalls neuerlich verschärft werden.

 

-          Zu § 10 Abs. 5 StbG-Entwurf:

Notstandshilfe und Sondernotstandshilfe sind Versicherungsleistungen, auf die nur auf Grund von zuvor erfolgten Beitragsleistungen ein Anspruch besteht, und sollen daher selbstverständlich als Nachweis der Sicherung des Lebensunter­haltes geeignet sein. Auch der in den Erläuterungen als Vorbild genannte § 11 Abs. 5 NAG geht nur bei Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen davon aus, dass eine Belastung einer Gebietskörperschaft vorliegt.

Die Höhe des zu sichernden Lebensunterhaltes soll sich am jeweiligen Sozial­hilferichtsatz – und nicht, wie vorgeschlagen am Ausgleichszulagenrichtsatz – orientieren.

 

-          Zu § 10a Abs. 3 StbG-Entwurf:

Schulmisserfolge in Fächern, die keine Relevanz für Integrationsmerkmale haben (insbesondere naturwissenschaftliche Fächer, Mathematik oder Fremdsprachen), sollen auch keine Nachteile in Staatsbürgerschaftsverfahren bewirken. Für den Nachweis der für eine Staatsbürgerschaftsverleihung notwendigen Kenntnisse soll es jedenfalls ausreichen, dass das letzte Jahreszeugnis keine negative Be­urteilung in dafür relevanten Unterrichtsgegenständen (Deutsch und ev. Ge­schichte sowie GWK) enthält.

 

-          Zur vorgeschlagenen Änderung des Tilgungsgesetzes:

Ganz allgemein ist festzustellen, dass das Tilgungsgesetz sehr lange Fristen ent­hält, für deren Dauer Verurteilungen im Strafregister evident gehalten werden. Nur für eine beschränkte Anzahl von Verurteilungen zu geringeren Strafen be­steht die Möglichkeit einer vorzeitigen beschränkten Auskunft nach § 6 TilgG. Da­durch bestehen im untersten Bereich gerichtlicher Verurteilungen, in dem von keiner besonderen Gefährdung auszugehen ist, (Re)Integrationschancen, die letztendlich auch der Sicherheit dienen.

Die nun auch für die Staatsbürgerschaftsbehörden vorgeschlagene Möglichkeit einer vollen Auskunft aus dem Strafregister soll jenen Behörden vorbehalten blei­ben, die entweder im Dienste der Strafjustiz tätig sind oder Bewilligungen für be­sonders gefahrengeneigte oder besondere Verlässlichkeit erfordernde Tätigkeiten (etwa im Waffen- und Sprengmittelwesen) erteilen. Wie bereits seinerzeit in der Stellungnahme zum Entwurf der Passgesetznovelle 2001 (BMI; GZ 95.013/19-III/2/00/DR) ausgeführt, sollten auch die Passbehörden keine unbeschränkten Strafregisterauskünfte erhalten.

Nicht zuletzt deshalb, weil eine Verurteilung, die der beschränkten Auskunft un­terliegt auch kein Hindernis für die Bestellung als Schöffe oder Geschworener ist (§ 2 GSchG), sollte sie auch nicht die Verleihung der Staatsbürgerschaft verhin­dern.

 

 

17.10.05

NEUSTART – Bewährungshilfe, Konfliktregelung, Soziale Arbeit