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Bundesministerium für Inneres

per E-Mail: bmi-III-1@bmi.gv.at

 

 

 

 

 

 

 

GZ: BMSG-10308/0026-I/A/4/2005

Wien, 17.10.2005

 

 

 

 

Betreff: Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Das Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz nimmt mit Bezug auf das Schreiben vom 16. September 2005, GZ BMI-LR1300/0106-III/1/c/2005, zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden, wie folgt Stellung:

Zu Art. 1 Z 2 (§ 10 StbG):

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 des Entwurfs darf einem Fremden die Staatsbürgerschaft unter anderem nur dann verliehen werden, wenn sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist. Was darunter zu verstehen ist, wird in § 10 Abs. 5 erläutert. Demnach liegt ein ausreichend gesicherter Lebensunterhalt dann vor, wenn feste und regel­mäßige eigene Einkünfte (...) oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeit­punkt für die letzten drei Jahre nachgewiesen werden, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen ermöglichen und der Höhe nach den Ausgleichszulagenrichtsätzen im ASVG entsprechen. Ausgenommen davon sind jedoch die Notstandshilfe und die Sondernotstandshilfe nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1997.

Laut den Erläuternden Bemerkungen hat sich der Gesetzgeber dabei an § 11 Abs. 5 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) orientiert. Durch die Nachweispflicht über einen hinreichenden Lebensunterhalt der letzten drei Jahre sowie den gesonderten Ausschluss der Notstandshilfe als be­rücksichtigungswürdige Versicherungsleistung weicht die geplante Bestimmung aber in zwei wesentlichen Punkten von ihrem Vorbild ab.

Aus der Sicht des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz macht der Ausschluss der Notstandshilfe eine verfassungs­rechtliche Abklärung erforderlich, insbesondere wenn man bedenkt, dass es sich bei der Notstandshilfe (so wie beim Arbeitslosengeld), um eine beitragsabhängige Versicherungsleistung handelt.

Darüber hinaus ist zu bemerken, dass die individuell bemessene Notstandshilfe mitunter betraglich über dem Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende liegt. Eine Zuzahlung aus dem Titel der Sozialhilfe wird ab dieser Höhe durch die Sozialhilfebehörden kaum mehr erbracht, da die Leistungen in der Regel mit dem Ausgleichszulagenrichtsatz gedeckelt sind.

Hinsichtlich der Anknüpfung an die Richtsätze nach § 293 des Allgemeinen
Sozialversicherungsgesetzes (ASVG)
ist noch auf Folgendes aufmerksam zu
machen:

Gemäß § 293 Abs. 1 ASVG sind ganz unterschiedliche Beträge vorgesehen, je nachdem, ob es sich um Ehegatten, Alleinstehende oder Waisen handelt bzw. ob unversorgte Kinder vorhanden sind. Es wird wohl nur unter Abstellen auf den Familienstand zu ermitteln sein, welcher Richtsatz (Einzel-, Familienrichtsatz) zur Anwendung kommt. Fraglich ist allerdings, ob für Eheleute auch dann der höhere Richtsatz gelten soll, wenn beide Ehepartner über Einkünfte verfügen. Eine Konkretisierung der
Bestimmung wäre empfehlenswert.

Zu Art. 1 Z 3 (§ 10a StbG):

Dass schulpflichtige Minderjährige vom Nachweis der Integration nur unter der Voraussetzung befreit sind, dass sie im letzten abgeschlossenen Schuljahr vor Antragstellung zum Aufstieg in die nächste Klasse berechtigt waren (§ 10a Abs. 3), bedeutet vor allem für Kinder mit nicht deutscher Muttersprache eine extreme Schlechterstellung.

In den Erläuterungen wird darauf hingewiesen, dass Kinder, die nicht zum Aufstieg in die nächste Klasse berechtigt sind, selbstverständlich die Prüfung im Sinne des Abs. 1 ablegen können. Diese schriftliche Prüfung umfasst den Nachweis der Kenntnisse der deutschen Sprache, von Grundkenntnissen der demokratischen Ordnung sowie der Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes.

Es erscheint geradezu unmöglich, dass ein Volkschüler, der nicht zum Aufsteigen in die nächste Klasse berechtigt ist, eine derartige Prüfung erfolgreich ablegen kann.

Um das Recht des Kindes auf familiäre Beziehungen im Sinne der UN-Konvention über die Rechte des Kindes sicherstellen zu können, wird vorgeschlagen, auch bei schulpflichtigen Kindern von einem Nachweis der Integration zur Verleihung der Staatsbürgerschaft abzusehen.

Aufgrund der Regelung in § 10a Abs. 4, wonach die schriftlichen Prüfungen von den Landesregierungen abzuhalten sind, ist zu befürchten, dass der Schwierigkeitsgrad der Prüfungen in den einzelnen Bundesländern stark voneinander abweichen wird.

Zu Art. 1 Z 10 (§ 16 Abs. 1 StbG):

Die Formulierung des ersten Satzes „Die Verleihung ... kann ... zu erstrecken. ...“ wäre grammatikalisch richtig zu stellen („...kann ... erstreckt werden“ oder „ ...ist ... zu erstrecken“).

Zu Art. 1 Z 12 (§ 28 Abs. 1 StbG):

Die offenbar kumulativ gemeinte Aufzählung der Z 1 bis 4 dieser Bestimmung (arg.: „und“ am Ende jeder Ziffer) scheint nicht schlüssig. Inhaltlich schlüssig wäre etwa die Verknüpfung der Z 1 bis 3 oder aber der Z 2 bis 4.

Eine zwingende Verknüpfung der unter Z 1 (besondere Leistungen oder im Interesse der Republik) und Z 4 (Kindeswohl bei Minderjährigen) genannten Voraussetzungen erscheint hingegen nicht sinnvoll: Soll für Minderjährige die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft wirklich nur dann bewilligt werden können, wenn von ihnen außergewöhnliche Leistungen zu erwarten sind?

Zu Art. 1 Z 14 (§ 39a StbG):

Die Sozialversicherungsträger hätten nach dieser Bestimmung den Staatsbürgerschaftsbehörden auf deren Anfrage alle jene (SV-)Daten zu übermitteln, die diese in den Verfahren nach dem StbG benötigen. Nach den Erläuterungen obliegt die Beurteilung, welche Daten benötigt werden, alleine den Staatsbürgerschaftsbehörden, „die dann aber auch die Verantwortung für die rechtliche Zulässigkeit der Übermittlung tragen“.

Schon derzeit ist der Nachweis eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes eine der Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft an eine/n Fremde/n (§ 10 Abs. 1 Z 7 StbG). Als Nachweis dieses „hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes“ dient in der Praxis ein sog. „Versicherungsdatenauszug“, der von den StaatsbürgerschaftswerberInnen vorzulegen ist.

Ein solcher Versicherungsdatenauszug kann kostenlos im Rahmen des Allspartenservice bei jeder Dienststelle der österreichischen Sozialversicherung von jeder/jedem Versicherten für die eigenen Daten angefordert werden. Der Versicherungsdatenauszug umfasst jedenfalls den Versicherungsverlauf (inkl. der Ausweisung von Zeiten etwa eines Krankengeldbezuges, eines Pensionsbezuges, etc.), auf entsprechende Anforderung aber auch die jeweiligen Beitragsgrundlagen.

An sich ändert sich durch die vorgeschlagene Neuregelung diesbezüglich wenig. Es wird lediglich der Terminus des „hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes“ nunmehr gleich gesetzlich konkretisiert (und nicht erst durch die Verwaltungspraxis).

Als Nachweis wäre daher aus Sicht des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz weiterhin primär auf die bewährte Vorgangsweise (Vorlage eines umfassenden Versicherungsdatenauszuges durch die/den Staatsbürgerschaftswerber/in selbst) zu setzen. Dadurch würde eine - an sich immer heikle - gesetzliche Regelung über eine zusätzliche Datenübermittlung zwischen Behörden überflüssig. Es ist schließlich im Interesse der Staatsbügerschaftswerberin/ des Staatsbürerschaftswerbers gelegen, die erforderlichen Nachweise und Unterlagen beizubringen.

Wiewohl die Prüfung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit primär dem Bundeskanzleramt obliegt, darf doch an dieser Stelle Folgendes festgehalten werden:

Wie bereits ausgeführt, besteht im Verfahren zur Verleihung der Staatsbürgerschaft an sich gar keine Notwendigkeit einer Datenübermittlung zwischen den Behörden (konkret zwischen Sozialversicherungsträger und Staatsbürgerschaftsbehörde), da die benötigten Daten (insb. der konkrete Versicherungsverlauf und die Beitragsgrundlagen als Einkommensnachweis im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 7 StbG) mühelos von den Betroffenen selbst im Wege der Einholung eines Versicherungsdatenauszuges beigebracht werden können und – im eigenen Interesse – wohl auch beigebracht werden!

Datenschutzrechtlich ist aber stets das „gelindeste zur Verfügung stehende Mittel“ (§ 7 Abs. 3 Datenschutzgesetz 2000 - DSG 2000) zur Anwendung zu bringen. Die fehlende Notwendigkeit könnte aber durchaus auch die verfassungsrechtliche Zulässigkeit als solche zweifelhaft erscheinen lassen. Weiters erscheint auch unklar inwiefern und vor allem welche SV-Daten konkret in einem „Verfahren zum Verlust der Staatsbürgerschaft“ von Bedeutung sein könnten.

Jedenfalls sollten daher die nach § 39a StbG „benötigten“ Daten zumindest konkret benannt werden (z. B. eben „Versicherungsverlauf“ und „Beitragsgrundlage“), um diesbezügliche (auch rechtliche) Unsicherheiten - für die Betroffenen aber auch für die zur Übermittlung verpflichteten Behörden - zu vermeiden. Es scheint wohl ein datenschutzrechtliches Manko zu sein, dass weder der Auskunftszweck noch die relevanten Datenarten im Gesetz genannt werden und auch eine Dokumentation der Übermittlung nicht vorgesehen ist.

Keinesfalls ist den Ausführungen in den Erläuterungen zuzustimmen, wonach „die Beurteilung, welche Daten benötigt werden, alleine den Staatsbürgerschaftsbehörden obliegt, die dann aber auch die Verantwortung für die rechtliche Zulässigkeit der Übermittlung tragen“. Diese ‑ nicht im normativ bindenden Gesetzestext, sondern lediglich in den Erläuterungen zum Ausdruck gebrachte ‑ Auffassung widerspricht klar den Vorschriften des DSG 2000, wonach die gesetzeskonforme Verwendung von Daten (dazu zählt auch deren Übermittlung) selbstverständlich in den Verantwortungsbereich des Auftraggebers (desjenigen, in dessen Namen die Daten ermittelt wurden – im konkreten Fall: des Hauptverbandes bzw. der Sozialversicherungsträger) fällt.

25 Exemplare dieser Stellungnahme werden unter einem dem Präsidium des Nationalrates übermittelt.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Für die Bundesministerin:

Dr. Helmut Günther

 

 

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