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Bundesministerium für Inneres Herrengasse 7 1014 Wien |
Geschäftszahl: |
BMBWK-12.918/0002-III/4/2005 |
SachbearbeiterIn: |
Mag. Andreas Bitterer |
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Abteilung: |
III/4 |
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E-mail: |
andreas.bitterer@bmbwk.gv.at |
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Telefon/Fax: |
+43(1)/53120-2369/53120-81 2369 |
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Ihr Zeichen: |
BMI-LR1300/0106-III/1/c/2005 |
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Antwortschreiben bitte unter Anführung der Geschäftszahl. |
Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem
das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und
das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden;
Ressortstellungnahme
Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur dankt für die Übermittlung des Entwurfes betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden, und nimmt wie folgt Stellung:
Es erscheint angebracht vorliegenden Entwurf einer Sammelnovelle mit einem eigenständigen Gesetzestitel zu versehen. Zudem wäre entsprechend Z 106 der Legistischen Richtlinien 1990 nach dem Gesetzestitel der Sammelnovelle die Promulgationsklausel „Der Nationalrat hat beschlossen:“ einzufügen. In Folge hätte die Wortfolge nach der Gliederungsbezeichnung „Artikel 1“ zu lauten: „Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985“.
Zu Artikel 1 (Änderung des
Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985):
Zu Z 3
(§ 10a samt Überschrift):
Nach Auffassung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur soll die gegenüber der bisherigen Textierung des § 10a nunmehr detailiertere Regelung grundsätzlich der Rechtsklarheit und –sicherheit dienen. Entsprechend der Entwurfsbestimmungen betreffend „Sprache und Integration“ ist als Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft ein Nachweis von Kenntnissen in den Bereichen „Deutsche Sprache“, „Demokratische Ordnung“ sowie „Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes“ im Wege einer schriftlichen Prüfung vor der jeweils zuständigen Landesregierung zu erbringen. Die vorgesehene Verbindung von staatsbürgerschaftrechtlichen Anforderungen mit dem schulischen Erfolg von Fremden bzw. mit schulischen Lehrplanvorgaben wird in dieser Intensität jedoch abgelehnt.
Zu den „Anrechnungsbestimmungen“ (Abs. 2):
In Entsprechung der Erläuterungen sollen die Z 6 und 8 des § 14 Abs. 5 NAG betreffend (weitere) Erfüllungsmöglichkeiten der aufenthaltsrechtlichen Integrationsvereinbarung nicht den staatsbürgerschaftsrechtlichen Nachweis der Sprachkenntnis ersetzen, da der Fremde (nur) „… über einen Schulabschluss verfügt, der – ohne Deutschkenntnisse zu vermitteln – einer allgemeinen Universitätsreife oder dem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht. …“. Dies erscheint nach Auffassung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur insofern nicht schlüssig, als die von Fremden in Österreich erworbenen und die allgemeine Universitätsreife vermittelnden Schulabschlüsse (zB. Reifeprüfung an einer allgemein bildenden höheren Schule, Reife- und Diplomprüfung an einer berufsbildenden höheren Schule) jedenfalls ein derartiges Maß an Kenntnis der Unterrichtssprache voraussetzen, welches – neben der spezifischen Fachkenntnis in den Prüfungsgebieten – die erfolgreiche Absolvierung einer Reife- bzw. Reife- und Diplomprüfung bzw. Diplomprüfung überhaupt ermöglicht. Vergleichbares gilt hinsichtlich der Abschlussprüfungen an berufsbildenden mittleren Schulen.
In formaler Hinsicht
wird angeregt, im Rahmen der Fundstellenzitierung des NAG einen Punkt nach der
Abkürzung „BGBl.“ zu setzen.
Zu den „Schulpflichtigen Minderjährigen“
(Abs. 3):
Das undifferenzierte Abstellen auf die Berechtigung zum Aufsteigen in die nächste Klasse (schulrechtlich treffender wäre: Schulstufe) steht mit schulrechtlichen Bestimmungen nicht in Einklang. Für die Vorschulstufe etwa sind nicht zu beurteilende verbindliche Übungen vorgesehen, sodass schon begrifflich ein Aufsteigen nicht in Frage kommt. Schüler bzw. Schülerinnen der 1. Schulstufe sind ohne Rücksicht auf die Beurteilungen im Jahreszeugnis berechtigt, in die 2. Schulstufe aufzusteigen. Ferner ist eine Nichtberechtigung zum Aufsteigen auch aus anderen Gründen als der negativen Beurteilung in Pflichtgegenständen gegeben (zB. hinsichtlich nicht zurückgelegter Pflichtpraktika). Weiters besteht die Möglichkeit des freiwilligen Wiederholens einer Schulstufe, wenn die Aufholung eines Leistungsrückstandes ermöglicht werden soll.
Ein Abstellen auf jene Unterrichtsgegenstände, die in inhaltlich-sachlichen Zusammenhang mit den für den staatsbürgerschaftsrechtlichen Nachweis erforderlichen Kenntnissen stehen, wäre als wesentlich sachgerechter zu beurteilen. Allerdings ist vor dem Hintergrund der eingangs erwähnten drei Bereiche eine sachgerechte konkrete Benennung von Unterrichtsgegenständen nur erschwert bzw. nur teilweise möglich, da die Lehrplanvorgaben naturgemäß nicht auf die konkreten staatsbürgerschaftsrechtlichen Vorgaben des Abs. 3 abstellen und auf die Altersgruppe der Schulpflichtigen je nach Schulart (Volksschule, Sonderschule, Hauptschule, Polytechnische Schule bzw. zur Schulpflichterfüllung geeignete Schularten) unterschiedliche Lehrpläne (mit unterschiedlichen Bildungsinhalten) Anwendung finden. Generell wird aus pädagogischer Sicht darauf hingewiesen, dass eine negative Beurteilung etwa des Pflichtgegenstandes „Deutsch“ nicht mit mangelnder sprachlicher Kompetenz der betreffenden Schülerin bzw. des betreffenden Schülers gleichzusetzen ist.
Hingewiesen wird weiters darauf, dass Schulpflichtige das neunte Schuljahr grundsätzlich in der einjährigen Polytechnischen Schule (auf der neunten Schulstufe) zu absolvieren haben. Für diese Schülerpopulation soll gemäß Abs. 3 offenbar ein höherer Referenzrahmen Anwendung finden; demgegenüber stellt Abs. 4 allgemein auf das Niveau der 4. Klasse der Hauptschule (8. Schulstufe) ab. Weiters kommt bei dieser einstufig geführten Schulart schon begrifflich eine Berechtigung zum Aufsteigen nicht in Betracht.
Insgesamt wird daher die Auffassung vertreten, dass ein wie im vorliegenden Entwurf vorgesehenes Abstellen auf schulrechtliche Bestimmungen untauglich ist.
Es erscheint in diesem Zusammenhang für den Vollzug des Staatsbürgerschaftsrechts zweckmäßiger, bei den Schulpflichtigen auf den Schulbesuch an sich anzuknüpfen, um in Folge eine individuelle Beurteilung des staatsbürgerschaftsrechtlich gebotenen Bildungsstandes zu ermöglichen bzw. die geübte Praxis der Vorlage des „letzten Schulzeugnisses für Kinder unter 14 Jahren“ (vgl. Wiener Staatsbürgerschaftsinformation - https://www.wien.gv.at/ENB/ENB.cgi) einer gesetzlichen Regelung zuzuführen. Den Staatsbürgerschaftsbehörden wäre sohin im Rahmen des Ermittlungsverfahrens unmittelbar entsprechend dem Bildungsstand des schulpflichtigen Fremden die Prüfung bzw. Beurteilung der Kenntnisse in den Bereichen „Deutsche Sprache“, „Demokratische Ordnung“ sowie „Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes“ sowie eine allfällige Anrechnung anhand von schulischen Leistungen bei gleichzeitigem Entfall der schriftlichen Prüfung vor der zuständigen Landesregierung möglich.
Ferner haben gemäß Abs. 3 Unmündige, die „noch nicht der Schulpflicht unterliegen“, keinen Nachweis der Integration zu erbringen. Vor dem Hintergrund der zeitlichen Aufenthaltserfordernisse (10 bzw. 6 Jahre) erscheint diese Anordnung ins Leere zu laufen. Sofern damit jedoch Fälle der Erstreckung der Staatsbürgerschaft auf Minderjährige nach § 17 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 gemeint sein sollten, wäre dies an geeigneter Stelle klar zum Ausdruck zu bringen bzw. das (bestehende) Verhältnis des § 10a zu § 17 zu verdeutlichen (vgl. Entscheidung des VwGH vom 3. Mai 2000, 99/01/0272, ZfVB 2001/1370).
Zur Wahl des Referenzrahmens (Abs. 4):
Die Art und der Umfang dieser schriftlichen Prüfung sollen durch Verordnung der jeweils zuständigen Landesregierung festzulegen sein, wobei als inhaltlicher Referenzrahmen für die Kenntnisse in den Bereichen „Sprache“, „Demokratische Ordnung“ und „Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes“ der Lehrplan der 4. Klasse der Hauptschule dienen soll.
Es wird davon ausgegangen, dass dieser Referenzrahmen hinsichtlich der schulpflichtigen fremden Kinder keine Anwendung findet, zumal Abs. 3 für diese Kinder Besonderes vorsieht.
Obgleich die Ausführungen in den Erläuterungen diesbezüglich nichts enthalten, soll in Bezug auf die drei Bereiche der schriftlichen Prüfung offenbar der Lehrstoff der Pflichtgegenstände „Deutsch“ sowie „Geschichte und Sozialkunde“ als Referenzrahmen für die Verordnungserlassung dienen. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Verweis auf den Lehrplan der 4. Klasse der Hauptschule für die Landesregierungen überhaupt eine taugliche Grundlage darstellt, um entsprechende Verordnungen zu erlassen. Lehrpläne dienen der Unterrichtserteilung und bedürfen jedwede Lehrstoffinhalte entsprechend ihrem Charakter als Rahmen der pädagogisch-didaktischen Aufbereitung.
Ausgehend davon wäre der Erarbeitung eigenständiger und den staatsbürgerschaftsrechtlichen Anforderungen entsprechend angemessener Kriterien und Inhalte der schriftlichen Prüfung der Vorzug zu geben und auf den bloßen Verweis auf den Lehrplan der Hauptschule auf dem Niveau der 4. Klasse zu verzichten. Dieser Weg ist auch bei dem derzeit in Begutachtung befindlichen Entwurf einer Integrationsvereinbarungs-Verordnung beschritten worden, der auf dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarates an die Mitgliedstaaten Nr. R (98) 6 vom 17. März 1998 zum Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen - GER) aufbaut.
Am Rande sei bemerkt, dass in Deutschland der für die
Niederlassung/den Aufenthalt bzw. die Einbürgerung erforderliche Nachweis der
Sprachkenntnisse, die den Fremden zum selbständigen Handeln in allen
Angelegenheiten des täglichen Lebens verhelfen soll, nach Maß-
gabe des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens auf dem Niveau B1 (selbstän-
dige Sprachverwendung – mittleres Sprachniveau) beurteilt wird (vgl. http://www.edition-deutsch.de/referenzrahmen/GI_GER_KED.pdf
bzw. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge http://www.bamf.de/template/index_integration.htm bzw. http://www.bamf.de/template/integration/anlagen/integrationskurs/grundlagen/integrationskursverordnung.pdf).
Das Bundesministerium
für Bildung, Wissenschaft und Kultur ersucht um Berücksichtung seiner Anliegen.
25 Kopien dieser Stellungnahme werden dem Präsidium des Nationalrates zur Verfügung gestellt. Zusätzlich wird eine Übermittlung in elektronischer Form erfolgen.
Wien, 17. Oktober 2005
Für die Bundesministerin:
Mag. Andreas Bitterer
Elektronisch gefertigt