amt der steiermärkischen landesregierung

 

 

 

An das

Präsidium des Nationalrates

 

 

è Jugend, Frauen, Familie

    und Generationen

                                                                                                     

kinder+jugendanwaltschaft

Bearbeiter: Mag. Christian Theiss
Tel.: 
0316/877-4922
Fax:  
0316/877-4925
E-Mail:
kija@stmk.gv.at

internet: www.kija.at

Bei Antwortschreiben bitte
Geschäftszeichen (GZ) anführen

 

 

GZ:

Kija-Steiermark

     

     

Graz, am 10. November 2005

 

Ggst.:

Stellungnahme zum Entwurf der Novellierung des Staatbürgerschaftsgesetzes

 


 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Anbei übermittelt Ihnen die steirische Kinder+Jugendanwaltschaft ihre Stellungnahme zu den geplanten Änderungen im Staatsbürgerschaftsgesetz. Unser Schwerpunkt der Begutachtung hat sich auf jene Bestimmungen konzentriert, welche Minderjährige betreffen.

Grundsätzlich möchten wir festhalten, dass der vorliegende Entwurf den

Zielen des „Nationalen Aktionsplanes für die Rechte der Kinder und Jugendlichen“ entschieden widerspricht und kontraproduktiv für eine Verbesserung der Situation von Kindern in Österreich ist. Die geplante Veränderung der Behandlung von inländischen und ausländischen Kindern widerspricht auch eindeutig dem Plan, Österreich zum kinderfreundlichsten Land der Welt zu machen.

Zudem verstoßen die vorgesehen Bestimmungen gegen UN-Kinderrechtekonvention.

 

 

A. Verschlechterungen für Minderjährige

·         vorzeitige Einbürgerung von Minderjährigen

Gem § 10 Abs 4 Z 1 der geltenden Fassung kann von den Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 1 (er seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat) aus besonders berücksichtigungswürdigen Grund, sofern es sich um einen

 

 

Minderjährigen, der seit mindestens vier Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat, es sei denn, es wäre in Abs 5 hins dieser Wohnsitzdauer anders vorgesehen, abgesehen werden. Als besonders berücksichtigungswürdiger Grund (Abs 4 Z 1) gilt gem § 10 Abs 5 zB Z 6 die Geburt im Bundesgebiet.

 

Im § 11 a Abs 4 Z 3 Entw ist vorgesehen, dass Minderjährige, die einen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt vom mindestens 6 Jahren im Bundesgebiet und unter der Voraussetzung des § 10 Abs 1 Z 2 bis 8 und Abs 2 und 3 die Staatsbürgerschaft verliehen wird, wenn er im Bundesgebiet geboren ist.

Diese geplanten Änderungen wiedersprechen unserer Ansicht nach den Grundsätzen der UN-Kinderrechtekonvention (Art 2) und bedeuten eine massive Verschlechterung für ausländische Kinder und Jugendliche. Die bestehende Regelung sollte jedenfalls beibehalten werden.

 

·         kumulative Aufzählung in § 10 Abs 1 Entw

Die Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 2 bis 8 und Abs 2 und 3 müssen kumulativ vorliegen. Dies stellt eine sehr große Hürde dar und ist uE nur in den wenigsten Fällen erfüllt (insb hinsichtlich des gesicherten Lebensunterhalts Z 7: keine Notstandshilfe und Sondernotstandshilfe in den letzten 3 Jahren zum Zeitpunkt der Antragstellung).

 

·         Schulerfolg als Maßstab für die Staatsbürgerschaft

Gem § 10 a Abs 3 Entw StbG müssen Unmündige, die noch nicht der Schulpflicht unterliegen, keinen Nachweis der Integration erbringen. Schulpflichtige Minderjährige sind dann vom Nachweis der Integration befreit, wenn sie im letzten abgeschlossenen Schuljahr vor Antragstellung zum Aufstieg in die nächste Klasse berechtigt waren. Darüber hinaus sind andere, selbst nicht handlungsfähige, Personen vom Nachweis der Integration befreit.

 

§ 10 a Abs 3 StbG Entw ist uE verfassungsrechtlich bedenklich und sollte gestrichen werden. Es ist nicht nachvollziehbar, dass das Erlangen der Staatsbürgerschaft an den Schulnoten gemessen wird.

 

·         Nachweis der Integration - Kursinhalte

Der Nachweis der Integration ist gem § 10 a Abs 1 StbG Entw in Form einer schriftlichen Prüfung zu erbringen. Hierbei werden jene Kenntnisse verlangt, die auch zum erfolgreichen Abschluss eines Deutsch-Integrationskurses notwendig sind (§§ 14 Abs 5 Z 2 und 16 NAG). § 10 a Abs 2 StbG Entw verweist auf die Integrationsvereinbarung gem § 14 Abs 5 Z 2 bis 5 oder 7 NAG.

 

§ 14 Abs 5 Z 2 iVm § 16 Abs 1 Z 1 und 2 NAG beinhalten die einzelnen Module der Integrationsvereinbarung. Modul 2 (§ 16 Abs 1 Z 2 NAG) des Kurses beinhaltet:

-          Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen alltäglicher Texte

-          Themen des Alltags mit staatsbürgerschaftlichen Elementen

-          Themen zur Vermittlung der europäischen und demokratischen Grundwerte

 

Im Falle einer negativen Schulnote iSd § 10 Abs 3 Entw StbG: Wie soll ein Minderjähriger zwischen 9 und 15 Jahren – insb ein Volksschulkind?! – eine Prüfung über Themen staatsbürgerschaftlicher Elemente und europäischen und demokratischen Grundwerten ablegen? Viele Österreicher (mit niedriger Bildung) würden diese Kenntnisse wahrscheinlich nicht vorbringen können. Diese Bestimmungen über den Nachweis der Integration sind völlig unausgereift!

 

Gem § 10 a Abs 4 Entw entscheidet die jeweilige Landesregierung mit Verordnung, wie diese Prüfung auszusehen hat. Dies führt zu einer uneinheitlichen Vorgehensweise zur Erlangung der Staatsbürgerschaft.

 

Unangemessen ist der Wortlaut des § 10 a Abs 4 Entw, dass sich die schriftliche Prüfung „auf Grundlage des Lehrplanes der 4. Klasse Hauptschule bestimmt“. Soll ein bspw 9jähriges Kind, welches die Volksschule besucht, eine Prüfung, welche für 14jährige konzipiert ist, ablegen?

 

·         Beeinträchtigung der Familie

Die Bestimmung des § 10 a Abs 3 StbG Entw kann zu einer unterschiedlichen Behandlung einer Familie und im Integrationsprozess zu einem dramatischen Szenario führen: Die Eltern sind Österreicher – das Kind nicht. Die unterschiedliche Einbürgerung einer Familie führt zu unterschiedlichen Startpositionen in der Gesellschaft und im schlimmsten Fall zu einer Familientrennung. Außerdem entspricht diese Regelung nicht dem Wohl des Kindes, die bei einer solchen Reform (insb unter dem Aspekt des Art 3 UN-Konvention über die Rechte des Kindes) an erster Stelle stehen soll. Der Streit um das Staatsbürgerschaftsrecht darf nicht auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden.

 

Die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung zwischen Eltern, ihren nicht schulpflichtigen minderjährigen und schulpflichtigen minderjährigen Kindern ist unangemessen.

 

Vielmehr sollte die Staatsbürgerschaft von Minderjährigen an jene der Eltern bzw der Obsorgeberechtigten geknüpft werden. Ausländischen Kindern und Jugendlichen darf nicht neben dem bereits bestehenden – oft traumatischen – Erlebnissen und Erfahrungen ein zusätzlicher schulischer Leistungsdruck auferlegt werden. Sprachbeherrschung ist immer abhängig von der familiären Situation, den sozialen Kontakten und der Integration. Vielmehr sollen die Eltern – insb die Mütter, die mit ihren Kindern bedingt durch die Berufstätigkeit des Vaters die meiste Zeit verbringen – in ihren Deutschkenntnissen in Kursen bzw speziellen Schulungen gefördert werden.

 

Dieses Problem darf nicht auf 9–15jährige Kinder und Jugendliche übertragen werden. Zur Lösung dieses Konfliktes muss man früher ansetzen – bei den Eltern und nicht bei wehrlosen Kindern.

 

Offen lässt der Entwurf die Erlangung der Staatsbürgerschaft von nicht schulpflichtigen Minderjährigen (16-18jährige).

 

·         Schule als Richter?!

Problematisch ist die Anwendung des § 10 a Abs 3 Entw StbG im Schulalltag. Lehrer treten als „Richter“ auf und entscheiden bei der Notenvergabe der 9–15jährigen ausländischen Schüler über deren Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft mit. Diese Regelung kann zu einer vollkommen willkürlichen Versetzung bzw. Notenvergabe führen. Die Lehrer befinden sich bei der Entscheidung über das Aufsteigen eines Schüler in die nächste Schulstufe immer auf einem schmalen Grad. In ihrer Entscheidung werden die Lehrer immer der Kritik des Rassismus oder der Bevorzugung ausgesetzt sein.

 

·         Erhöhtes Strafmaß gem § 10 Abs 1 Z 2 Entw

Liegt eine Freiheitsstrafe gem  § 10 Abs 1 Z 2 Entw StbG – egal welches Strafmaß – vor, so wird die Staatsbürgerschaft nicht verliehen. Bisher führt eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten zur Nichterlangung der Staatsbürgerschaft.

B. § 10 a Abs 3 Entw StbG vs. UNO-Konvention über die Rechte des Kindes

Die Präambel der UN-Konvention über die Rechte des Kindes regelt die Förderung des sozialen Fortschritts und bessere Lebensbedingungen in größerer Freiheit. Jeder Mensch hat Anspruch auf alle darin verkündeten Rechte und Freiheiten ohne Unterscheidung, etwa nach der Rasse, der Hautfarbe, dem Geschlecht, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Härten, dem Vermögen, der Geburt oder dem sonstigen Status. Insbesondere Kindern soll der erforderliche Schutz und Beistand gewährleistet werden, damit sie ihre Aufgaben in der Gemeinschaft erfüllen können. Das Kind soll umfassend auf ein individuelles Leben in der Gemeinschaft vorbereitet werden.

 

Das Kind muss wegen seiner mangelnden körperlichen und geistigen Reife ein besonderer Schutz und besondere Fürsorge und ein angemessener rechtlicher Schutz gewährt werden!

 

Art 2 der Kinderrechtekonvention garantiert die Gewährleistung der festgelegten Rechte ohne jede Diskriminierung der Sprache. Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen für die Sicherstellung, dass das Kind vor allen Formen der Diskriminierung geschützt wird.

 

Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, ist das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen (Art 3). Österreich ist verpflichtet, dem Kind Schutz und Fürsorge zu gewährleisten, die zu seinem Wohlergehen notwendig sind. Zu diesem Zweck treffen die Vertragsstaaten geeignete Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen.

 

Das Kind hat das Recht eine Staatsbürgerschaft zu erwerben (Art 7). Österreich ist für die Verwirklichung dieses Rechtes verpflichtet – und zwar im Einklang mit ihrem innerstaatlichen Recht und mit ihren Verpflichtungen aufgrund der einschlägigen internationalen Übereineinkünften. (Art 7 Abs 2).

 

Insb der Passus des § 10 Abs 3 Entw entspricht nicht dem Wohl des Kindes und erfüllt nicht die in der UN-Kinderrechtekonvention getroffenen Vereinbarungen.

 

 

Mit freundlichen Grüßen,

für die Kinder und Jugendanwaltschaft

 

 

 

Mag. Christian Theiss                                        Maga Sandra Peer