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An das Präsidium des
Nationalrates |
è Jugend, Frauen, Familie und Generationen Bearbeiter: Mag. Christian Theiss internet: www.kija.at Bei Antwortschreiben bitte |
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GZ: |
Kija-Steiermark |
Graz, am 10.
November 2005 |
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Ggst.: |
Stellungnahme zum
Entwurf der Novellierung des Staatbürgerschaftsgesetzes |
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Sehr geehrte Damen und Herren!
Anbei übermittelt Ihnen die steirische Kinder+Jugendanwaltschaft ihre
Stellungnahme zu den geplanten Änderungen im Staatsbürgerschaftsgesetz. Unser
Schwerpunkt der Begutachtung hat sich auf jene Bestimmungen konzentriert,
welche Minderjährige betreffen.
Grundsätzlich möchten wir festhalten, dass der vorliegende Entwurf den
Zielen des „Nationalen Aktionsplanes für die Rechte der Kinder und
Jugendlichen“ entschieden widerspricht und kontraproduktiv für eine
Verbesserung der Situation von Kindern in Österreich ist. Die geplante
Veränderung der Behandlung von inländischen und ausländischen Kindern
widerspricht auch eindeutig dem Plan, Österreich zum kinderfreundlichsten Land
der Welt zu machen.
Zudem verstoßen die vorgesehen Bestimmungen gegen
UN-Kinderrechtekonvention.
A. Verschlechterungen für
Minderjährige
·
vorzeitige
Einbürgerung von Minderjährigen
Gem § 10 Abs 4 Z 1 der geltenden Fassung kann von den
Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 1 (er seit mindestens zehn Jahren seinen
Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat) aus besonders
berücksichtigungswürdigen Grund, sofern es sich um einen
Minderjährigen, der seit mindestens vier
Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat, es sei
denn, es wäre in Abs 5 hins dieser Wohnsitzdauer anders vorgesehen, abgesehen
werden. Als besonders berücksichtigungswürdiger Grund (Abs 4 Z 1) gilt gem § 10
Abs 5 zB Z 6 die Geburt im Bundesgebiet.
Im § 11 a Abs 4 Z 3 Entw ist vorgesehen, dass
Minderjährige, die einen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt vom mindestens
6 Jahren im Bundesgebiet und unter der Voraussetzung des § 10 Abs
1 Z 2 bis 8 und Abs 2 und 3 die Staatsbürgerschaft verliehen
wird, wenn er im Bundesgebiet geboren ist.
Diese geplanten Änderungen
wiedersprechen unserer Ansicht nach den Grundsätzen der
UN-Kinderrechtekonvention (Art 2) und bedeuten eine massive Verschlechterung
für ausländische Kinder und Jugendliche. Die bestehende Regelung sollte
jedenfalls beibehalten werden.
·
kumulative
Aufzählung in § 10 Abs 1 Entw
Die Voraussetzungen des § 10 Abs
1 Z 2 bis 8 und Abs 2 und 3 müssen kumulativ vorliegen. Dies stellt eine sehr
große Hürde dar und ist uE nur in den wenigsten Fällen erfüllt (insb
hinsichtlich des gesicherten Lebensunterhalts Z 7: keine Notstandshilfe und
Sondernotstandshilfe in den letzten 3 Jahren zum Zeitpunkt der Antragstellung).
·
Schulerfolg
als Maßstab für die Staatsbürgerschaft
Gem § 10 a Abs 3 Entw StbG müssen Unmündige, die noch
nicht der Schulpflicht unterliegen, keinen Nachweis der Integration erbringen. Schulpflichtige
Minderjährige sind dann vom Nachweis der Integration befreit, wenn sie im
letzten abgeschlossenen Schuljahr vor Antragstellung zum Aufstieg in die
nächste Klasse berechtigt waren. Darüber hinaus sind andere, selbst nicht
handlungsfähige, Personen vom Nachweis der Integration befreit.
§ 10 a Abs 3 StbG Entw ist uE verfassungsrechtlich
bedenklich und sollte gestrichen werden. Es ist nicht nachvollziehbar, dass das
Erlangen der Staatsbürgerschaft an den Schulnoten gemessen wird.
Der Nachweis der Integration ist gem § 10 a Abs 1
StbG Entw in Form einer schriftlichen Prüfung zu erbringen. Hierbei werden jene
Kenntnisse verlangt, die auch zum erfolgreichen Abschluss eines
Deutsch-Integrationskurses notwendig sind (§§ 14 Abs 5 Z 2 und 16 NAG). § 10 a
Abs 2 StbG Entw verweist auf die Integrationsvereinbarung gem § 14 Abs 5 Z 2
bis 5 oder 7 NAG.
§ 14 Abs 5 Z 2 iVm § 16 Abs 1 Z 1 und 2 NAG
beinhalten die einzelnen Module der Integrationsvereinbarung. Modul 2 (§ 16 Abs
1 Z 2 NAG) des Kurses beinhaltet:
-
Kenntnisse der
deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen alltäglicher Texte
-
Themen des
Alltags mit staatsbürgerschaftlichen Elementen
-
Themen zur
Vermittlung der europäischen und demokratischen Grundwerte
Im Falle einer negativen Schulnote iSd § 10 Abs 3
Entw StbG: Wie soll ein Minderjähriger zwischen 9 und 15 Jahren – insb ein
Volksschulkind?! – eine Prüfung über Themen staatsbürgerschaftlicher Elemente
und europäischen und demokratischen Grundwerten ablegen? Viele Österreicher
(mit niedriger Bildung) würden diese Kenntnisse wahrscheinlich nicht vorbringen
können. Diese Bestimmungen über den Nachweis der Integration sind völlig
unausgereift!
Gem § 10 a Abs 4 Entw entscheidet die jeweilige
Landesregierung mit Verordnung, wie diese Prüfung auszusehen hat. Dies führt zu
einer uneinheitlichen Vorgehensweise zur Erlangung der
Staatsbürgerschaft.
Unangemessen ist der Wortlaut des § 10 a Abs 4 Entw,
dass sich die schriftliche Prüfung „auf Grundlage des Lehrplanes der 4. Klasse
Hauptschule bestimmt“. Soll ein bspw 9jähriges Kind, welches die Volksschule
besucht, eine Prüfung, welche für 14jährige konzipiert ist, ablegen?
Die Bestimmung des § 10 a Abs 3 StbG Entw kann zu
einer unterschiedlichen Behandlung einer Familie und im
Integrationsprozess zu einem dramatischen Szenario führen: Die Eltern sind
Österreicher – das Kind nicht. Die unterschiedliche Einbürgerung einer Familie
führt zu unterschiedlichen Startpositionen in der Gesellschaft und im schlimmsten
Fall zu einer Familientrennung. Außerdem entspricht diese Regelung nicht
dem Wohl des Kindes, die bei einer solchen Reform (insb unter dem Aspekt des
Art 3 UN-Konvention über die Rechte des Kindes) an erster Stelle stehen soll.
Der Streit um das Staatsbürgerschaftsrecht darf nicht auf dem Rücken der Kinder
ausgetragen werden.
Die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung
zwischen Eltern, ihren nicht schulpflichtigen minderjährigen und
schulpflichtigen minderjährigen Kindern ist unangemessen.
Vielmehr sollte die Staatsbürgerschaft von
Minderjährigen an jene der Eltern bzw der Obsorgeberechtigten geknüpft werden.
Ausländischen Kindern und Jugendlichen darf nicht neben dem bereits bestehenden
– oft traumatischen – Erlebnissen und Erfahrungen ein zusätzlicher schulischer
Leistungsdruck auferlegt werden. Sprachbeherrschung ist immer abhängig von der
familiären Situation, den sozialen Kontakten und der Integration. Vielmehr
sollen die Eltern – insb die Mütter, die mit ihren Kindern bedingt durch die Berufstätigkeit
des Vaters die meiste Zeit verbringen – in ihren Deutschkenntnissen in Kursen
bzw speziellen Schulungen gefördert werden.
Dieses Problem darf nicht auf 9–15jährige Kinder und
Jugendliche übertragen werden. Zur Lösung dieses Konfliktes muss man früher
ansetzen – bei den Eltern und nicht bei wehrlosen Kindern.
Offen lässt der Entwurf die Erlangung der
Staatsbürgerschaft von nicht schulpflichtigen Minderjährigen (16-18jährige).
·
Schule
als Richter?!
Problematisch ist die Anwendung des § 10 a
Abs 3 Entw StbG im Schulalltag. Lehrer treten als „Richter“ auf und entscheiden
bei der Notenvergabe der 9–15jährigen ausländischen Schüler über deren Erwerb
der österreichischen Staatsbürgerschaft mit. Diese Regelung kann zu einer
vollkommen willkürlichen Versetzung bzw. Notenvergabe führen. Die Lehrer
befinden sich bei der Entscheidung über das Aufsteigen eines Schüler in die
nächste Schulstufe immer auf einem schmalen Grad. In ihrer Entscheidung werden
die Lehrer immer der Kritik des Rassismus oder der Bevorzugung ausgesetzt sein.
·
Erhöhtes
Strafmaß gem § 10 Abs 1 Z 2 Entw
Liegt eine Freiheitsstrafe gem § 10 Abs 1 Z 2 Entw StbG – egal
welches Strafmaß – vor, so wird die Staatsbürgerschaft nicht verliehen.
Bisher führt eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten zur Nichterlangung
der Staatsbürgerschaft.
B. § 10 a Abs 3 Entw StbG
vs. UNO-Konvention über die Rechte des Kindes
Die Präambel der UN-Konvention über die Rechte des
Kindes regelt die Förderung des sozialen Fortschritts und bessere
Lebensbedingungen in größerer Freiheit. Jeder Mensch hat Anspruch auf alle
darin verkündeten Rechte und Freiheiten ohne Unterscheidung, etwa nach der
Rasse, der Hautfarbe, dem Geschlecht, der Sprache, der Religion, der politischen
oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Härten, dem Vermögen,
der Geburt oder dem sonstigen Status. Insbesondere Kindern soll der
erforderliche Schutz und Beistand gewährleistet werden, damit sie ihre Aufgaben
in der Gemeinschaft erfüllen können. Das Kind soll umfassend auf ein
individuelles Leben in der Gemeinschaft vorbereitet werden.
Das Kind muss wegen seiner mangelnden körperlichen
und geistigen Reife ein besonderer Schutz und besondere Fürsorge und ein
angemessener rechtlicher Schutz gewährt werden!
Art 2 der Kinderrechtekonvention garantiert die
Gewährleistung der festgelegten Rechte ohne jede Diskriminierung der Sprache.
Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen für die Sicherstellung,
dass das Kind vor allen Formen der Diskriminierung geschützt wird.
Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, ist das
Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen (Art 3). Österreich ist
verpflichtet, dem Kind Schutz und Fürsorge zu gewährleisten, die zu seinem
Wohlergehen notwendig sind. Zu diesem Zweck treffen die Vertragsstaaten geeignete
Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen.
Das Kind hat das Recht eine Staatsbürgerschaft zu
erwerben (Art 7). Österreich ist für die Verwirklichung dieses Rechtes
verpflichtet – und zwar im Einklang mit ihrem innerstaatlichen Recht und mit
ihren Verpflichtungen aufgrund der einschlägigen internationalen
Übereineinkünften. (Art 7 Abs 2).
Insb der Passus des § 10 Abs 3 Entw entspricht
nicht dem Wohl des Kindes und erfüllt nicht die in der UN-Kinderrechtekonvention
getroffenen Vereinbarungen.
Mit freundlichen
Grüßen,
für die Kinder und
Jugendanwaltschaft
Mag. Christian Theiss
Maga Sandra Peer