Textfeld: Bundesministerium für Inneres
Herrengasse 7
1010 Wien

Eisenstadt, am 17.10.2005

E-Mail: post.vd@bgld.gv.at

Tel.: 02682/600 DW 2221

Mag.a Sandra Steiner

 

 

 

 

 

Zahl:  LAD-VD-B524-10019-5-2005

Betr: Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Staatsbürgerschafts-gesetz 1985 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden; Stellungnahme

 

Bezug: BMI-LR1300/0106-III/1/c/2005

 

 

 

Zu dem mit obbez. Schreiben übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden, erlaubt sich das Amt der Burgenländischen Landesregierung folgende Stellungnahme abzugeben:

 

1) Grundsätzliches:

Auf Ebene der beamteten Staatsbürgerschaftsreferenten wurde von Länderseite ein Vorschlag für eine Novellierung bzw. Harmonisierung des Staatsbürgerschaftsrechts ausgearbeitet. Gegenstand dieses Vorschlags war in erster Linie ein verstärktes Augenmerk auf einen gesicherten Lebensunterhalt sowie eine stärkere Berücksichtigung des Gesamtverhaltens der Staatsbürgerschaftswerber.

Die übrigen Bestimmungen des Entwurfs wurden ohne Einbeziehung der Länder ausgearbeitet. Es stellt sich daher die Frage, ob die Verschärfung des Entwurfs auf Kosten der Länder (umfangreicherer Aufwand im Ermittlungsverfahren, schriftliche Prüfung) wirklich in dieser Form erforderlich ist. Österreich hat bereits derzeit eines der strengsten Staatsbürgerschaftsgesetze in Europa, insbesondere was die langen Wohnsitz- und Einbürgerungsfristen betrifft.

 

Auch wird ha. bezweifelt, dass der vorliegende Entwurf dem Ziel „Vereinheitlichung der Einbürgerungspraxis in den Bundesländern“ gerecht wird, da besonders § 10a des Entwurfs den Ländern die Gestaltung und Durchführung der schriftlichen Prüfung betreffend Kenntnisse der deutschen Sprache, die Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung sowie der Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes überantwortet, es also in Hinkunft neun Landesverordnungen geben wird.

 

2) Kosten:

Hiezu ist festzuhalten, dass unter dem Punkt „Finanzielle Auswirkungen“ im Vorblatt lediglich ausgeführt wird, dass die aufgrund des § 10a durchzuführenden Prüfungen Mehrkosten verursachen werden; diese könnten jedoch derzeit seriöser Weise nicht berechnet werden. Diese Ausführungen werden den Anforderungen an eine Kostendarstellung, wie sie die Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus vorsieht, keinesfalls gerecht, weshalb vom Fehlen einer Kostendarstellung auszugehen ist.

 

Das Fehlen einer Kostendarstellung nach Art. 1 Abs. 3 der Vereinbarung über den Konsultationsmechanismus bewirkt aber, dass „keine Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb der genannten Frist gegeben wurde“ (vgl. Bußjäger, Rechtsfragen zum Konsultationsmechanismus, ÖJZ 2000, 581 ff). Damit werden die besonderen Rechtsfolgen nach Art. 4 Abs. 2 ausgelöst, d.h. die (objektiv verursachten) zusätzlichen finanziellen Ausgaben sind dem Land Burgenland vom Bund zu ersetzen.

 

Zu den einzelnen Bestimmungen:

 

Zu § 10 Abs. 1 (Einleitungssatz):

Da – laut den Erläuterungen - Abs. 1 regeln soll, ab wann und unter welchen Voraussetzungen einem Fremden die Staatsbürgerschaft verliehen werden kann, ist nicht erkennbar, warum die geltende „Kann-Bestimmung“ durch die Formulierung „....darf nur verliehen werden, wenn......“ ersetzt werden soll. Es ist fraglich, ob die vorgesehene Formulierung eine ausreichende Ermächtigung für die Behörde darstellt. Um etwaige Unklarheiten zu vermeiden, sollte die bisherige „Kann – Bestimmung“ unbedingt beibehalten werden.

 

Zu § 10 Abs.1 Z 2:

Es ist nicht erkennbar, warum das Verleihungshindernis einer gerichtlichen Verurteilung wegen Verhängung einer mehr als dreimonatigen Freiheitsstrafe derart verschärft wird, dass im Extremfall auch bei einer Verurteilung zu einem Tag Freiheitsstrafe eine Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht möglich sein soll. Warum im Gegenzug nach Abs. 1 Z 3 bei einem Finanzvergehen erst eine gerichtliche Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten zur Versagung der Staatsbürgerschaftsverleihung führen soll, erscheint sachlich nicht gerechtfertigt. Die bisherige Regelung des § 10 Abs. 1 Z 2 sollte jedenfalls nicht geändert werden.

 

Zu § 10 Abs. 1 Z 7:

Mit dieser Bestimmung in Verbindung mit § 10 Abs. 5 würde in Zukunft eine Verleihung der Staatsbürgerschaft für Fremde, die ohne Verschulden in Not geraten sind und deswegen auf Sozialhilfeleistungen des Staates angewiesen sind, nicht mehr möglich sein. Eine Berücksichtigung sozialer Notfälle muss jedoch weiterhin gewährleistet sein.

 

Zu § 10 Abs. 2 Z 1:

Diese Bestimmung besagt, dass schon alleine das Vorliegen der in § 60 Abs. 2 FPG normierten Tatbestände (z.B. mehr als einmalige Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO i.V.m § 26 Abs. 3 FSG oder AuslBG) einen absoluten Ausschlussgrund bildet.

Auf Grund des fehlenden Verweises auf § 60 Abs. 3 FPG wären diese Strafen auch noch nach Tilgung zu berücksichtigen. Diese Regelung ist unsachlich und wird daher seitens des Landes Burgenland abgelehnt.

 


Zu § 10a:

Diese Bestimmung überträgt den Ländern die Pflicht, die Kenntnisse der deutschen Sprache, die Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung sowie der Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes durch eine schriftliche Prüfung nachzuweisen, wobei diese Prüfungen von der jeweiligen Landesregierung abzuhalten sind. Dies steht jedoch dem vorgeblichen Ziel der StbG – Novelle, nämlich der Erreichung einer einheitlichen Vollziehungspraxis in den Ländern, entgegen.

Außerdem ist es sachlich nicht gerecht, ein einheitliches Niveau in allen vier Bereichen vorzuschreiben und anschließend schriftlich abzuprüfen, da Menschen in unterschiedlichen sozialen Verhältnissen leben und unterschiedliche sprachliche Bedürfnisse haben.

Das nach der nunmehr geplanten Fassung des § 10a erforderliche Niveau an Deutschkenntnissen orientiert sich scheinbar am gesunden, jungen Menschen. Es wurden schwache, alte oder kranke Leute keinesfalls berücksichtigt. Es gibt weder Ausnahmebestimmungen für behinderte oder schwer kranke noch für alte Personen.

Eine abgelegte schriftliche Prüfung sagt wenig über die sprachlichen Fertigkeiten aus, die notwendig sind, um in Österreich zu leben. Viel wichtiger sind Bereiche wie Hörverstehen und Sprechen. Eine schriftliche Prüfung hat auch den Nachteil, dass sie mehr über die Fertigkeit der oder des Einzelnen aussagt als über die sprachliche Kompetenz.

Von der Ablegung der schriftlichen Prüfung zum Nachweis der deutschen Sprache sind lediglich Kinder vor Erreichung der Schulpflicht und selbst nicht handlungsfähige Personen ausgenommen. Auch schulpflichtige Minderjährige, die im letzten abgeschlossenen Schuljahr vor Antragsstellung zum Aufsteigen in die nächste Klasse berechtigt waren.

Gemäß dem geplanten Entwurf des § 10a StbG müsste jedes schulpflichtige Kind, das im letzten abgeschlossenen Schuljahr zum Aufstieg in die nächste Klasse nicht berechtigt gewesen ist, eine schriftliche Deutschprüfung auf Grundlage des Lehrplanes der 4. Klasse Hauptschule ablegen. So müssten z.B. schulpflichtige Achtjährige, die durchgefallen sind, eine Prüfung positiv abschließen, die für 14-jährige bestimmt ist.

Ebenfalls nicht berücksichtigt wurden sechs- bis neunjährige Schülerinnen oder Schüler, die nur verbal beurteilt werden, und das Kriterium des „Aufsteigens“ hier überhaupt nicht relevant ist sowie außerordentliche Schülerinnen oder Schüler oder Personen, welche verschiedenste Sonderschulen besuchen.

 

Gemäß § 10a Abs. 2 StbG der Neufassung sollen die Kenntnisse der deutschen Sprache erfüllt sein, wenn der Antragsteller das Modul 2 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14 Abs. 5 Z 2 bis 5 oder 7 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erfüllt hat.

Modul 2 der Integrationsvereinbarung vermittelt den Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache und die Befähigung zur Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich. Lehrinhalte zur Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes sind vom Modul 2 der Integrationsvereinbarung nicht umfasst.

Durch die Erfüllung des Moduls 2 der Integrationsvereinbarung weisen die Antragstellerinnen oder Antragsteller ihre Integration nach ho. Auffassung ausreichend nach, sodass die Absolvierung des Moduls 2 der Integrations-vereinbarung nicht nur als Nachweis der Deutschkenntnisse (falls an einer Änderung der Feststellung der Deutschkenntnisse festgehalten wird), sondern auch der anderen Wissensgebiete anerkannt werden sollte.

 

Weiters wird zu prüfen sein, ob der Begriff „Integration“ im § 10a Abs. 3 und im § 11 im gleichen Sinn verstanden wird. Die Erläuterungen zu § 10a Abs. 3 deuten darauf hin, dass hier nur die Deutschkenntnisse gemeint sind, während jene zu § 11 darunter nicht nur die Deutschkenntnisse des Fremden, sondern auch sein Einfügen in das öffentliche Leben und das Bereichern desselben in Österreich verstehen.

 

Kosten:

Auf Grundlage der Verleihungszahlen der Jahre 2003 bzw. 2004 ist im Burgenland jährlich mit etwa 700 Verleihungswerberinnen oder Verleihungswerbern zu rechnen. Dies bedeutet, dass für die Länder neben einem zusätzlichen Personal- und Raumbedarf ein hoher Verwaltungsaufwand verursacht wird. Insbesondere müssten jeweils neue schriftliche Prüfungsaufgaben ausgearbeitet wer­den und die Prüfungsarbeiten korrigiert werden. Durch diese Bestimmung werden daher dem Land Burgenland erhebliche Mehrkosten entstehen.

 

Zusammenfassend wird angeführt, dass das Land Burgenland die Neufassung des  10a StbG strikt ablehnt und sich für die Beibehaltung der geltenden Regelung ausspricht.

 

Zu § 11:

Es ist, wie oben bereits angeführt, auf die Einheitlichkeit des Begriffsverständnisses im § 11 und § 10a Abs. 3 zu achten.

 

Zu § 11a:

Es wird bemerkt, dass gerade bei der Einbürgerung von Fremden, die Ehegattinnen oder Ehegatten österreichischer Staatsbürgerinnen oder Staatsbürger sind, in der Praxis die wenigsten Probleme bei den Deutschkenntnissen und der Integration festzustellen sind. Die Verlängerung der bisherigen Wartefristen erscheint daher für diesen Personenkreis nicht geboten.

 

Zu § 28:

Zur Verwirklichung des Zieles zur Erleichterung der Beibehaltung der Staatsbürgerschaft wird vorgeschlagen, im § 28 Abs. 2 die Beibehaltung ausdrücklich auch dann zu ermöglichen, wenn im Privat- und Familienleben der Österreicherin oder des Österreichers nicht nur ein besonders berücksichtigungs-würdiger für die Beibehaltung spricht, sondern alternativ auch für die Annahme der fremden Staatsbürgerschaft.

 

Außerdem erscheint das Fehlen von Übergangsbestimmungen für anhängige Verfahren im Hinblick auf den Vertrauensgrundsatz bedenklich.

 

Zusammenfassend wird festgestellt, dass sich das Land Burgenland aus oben angeführten Gründen sowie aus dem Umstand, dass Österreich bereits derzeit, was den rechtlichen Zugang zur Einbürgerung (v.a. lange Wohnsitz- bzw. Einbürgerungs-fristen) betrifft, im europäischen Vergleich eines der strengsten Staatsbürgerschafts-gesetze besitzt, gegen diesen Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) geändert wird, ausspricht.

 

 

Eine Ausfertigung dieser Stellungnahme ergeht an die e-mail Adresse „begutachtungsverfahren@parlinkom.gv.at“.

 

 

Für die Landesregierung:

Der Landesamtsdirektor:

Dr. Tauber


Zl.u.Betr.w.v.                                                                        Eisenstadt, am 17.10.2005

 

 

1.      Präsidium des Nationalrates, Dr. Karl Renner-Ring 3, 1017 Wien

2.      Präsidium des Bundesrates, Dr. Karl Renner-Ring 3, 1017 Wien

3.      Allen Ämtern der Landesregierungen (z.H. der Herren Landesamtsdirektoren)

4.      Der Verbindungsstelle der Bundesländer beim Amt der NÖ. Landesregierung, Schenkenstraße 4, 1014 Wien

 

zur gefälligen Kenntnis.

 

 

Für die Landesregierung:

Der Landesamtsdirektor:

Dr. Tauber