An die

Parlamentsdirektion

Begutachtungsverfahren

1010 Wien

per e-mail: begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

Salzburg, am 11.11.2005

 

 

 

Entwurf des BMI für eine Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes

 

BMI-LR1300/0106-III/1/c/2005

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

In gegenständlicher Angelegenheit übermitteln wir Ihnen unsere Stellungnahme zu dem im Betreff genannten Entwurf des Bundesministeriums für Inneres für eine Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes mit dem höflichen Ersuchen um Kenntnisnahme und Berücksichtigung.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Helping Hands Salzburg

c.m.p. Sybille Wierer, Obfrau

 

cc.:       Bundesministerium für Inneres

            Parlamentsklubs des National- und Bundesrates

            SPÖ, ÖVP, BZÖ, Die Grünen, FPÖ

           

 

Beil.: erw.
Helping Hands Salzburg

Verein für fremdenrechtliche Beratung,

Integration und antirassistische Projekte

Kaigasse 28

5020 Salzburg

 

 

Stellungnahme zum Entwurf des Bundesministeriums für Inneres mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) geändert wird

 

Referentinnen und Referenten:       Mag. Thomas Loos

            Sybille Wierer

            Mag. Ljiljana Zlatojevic

 

Im Sinne des Regierungsprogramms für die XXII. Gesetzesgebungsperiode des NR zielt die Novelle des Staatsbürgerschaftsgesetzes darauf ab die Möglichkeiten der Einbürgerung stark einzuschränken. Dies soll mittels längerer Wartezeiten, strengerer Verleihungsvoraussetzungen   sowie Reduzierung des Verleihungsanspruches auf wenige Fälle erreicht werden.

 

Der Entwurf muss im Zusammenhang mit dem mittlerweile schon Gesetz gewordenen und am 1.1.2006 in Kraft tretenden Fremdenrechtspaket 2005 gesehen werden. Die dahinter stehende Konzeption ist weniger geprägt von einer sachlichen und von Fachkenntnis geprägten Auseinandersetzung mit der gesamten Thematik als von einer realitätsfernen Phobie gegen Ausländer und Einwanderung. Es entsteht dabei geradezu der (politisch gewünschte?) Eindruck, dass Österreich von einer Horde krimineller und terroristischer Ausländer überschwemmt würde, die kurz davorstehen, die österreichische politische, gesellschaftliche und kulturelle Identität zu vernichten.

 

Dabei steht außer Frage, dass im Zusammenhang mit Migration auch Schwierigkeiten auftreten können und auftreten. Diese Schwierigkeiten könnten mit einer grundsätzlich positiven Einstellung zu Migration und konkreter sachlicher Analyse auftretender Probleme in einem positiven gesellschaftlichen Klima gelöst werden. Anstatt einen solchen positiven Weg zu gehen wird Migration pauschal in ein negatives Eck gedrängt. Migration wird sozusagen zu einem notwendigen Übel, welches man nur insoweit zulassen sollte, als es wirklich unbedingt notwendig ist oder Österreich durch europäisches Gemeinschafts- oder Völkerrecht gezwungen wird. Diese pauschale Negativhaltung manifestiert sich nicht nur im medialen Auftreten der Regierungsverantwortlichen im Zusammenhang mit der Thematik in der Öffentlichkeit, sondern auch konkret im Fremdenrechtspaket 2005 sowie im gegenständlichen Entwurf. Nur so ist z.B. zu erklären, dass die Wendung „Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden…“ im geltenden § 10 StBG in „Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden[…]nur verliehen werden“ geändert werden soll. Ob juristisch eine inhaltliche Änderung damit verbunden ist fraglich (was für eine schlechte Qualität der Legistik spricht), aber sprachlich ist die Ersetzung einer positiven zu einer negativen Haltung offensichtlich.

 

„Würdig“ in österreichischen Staatsverband aufgenommen zu werden ist nach diesem Gesetzesentwurf des Bundesministeriums für Inneres ein „anständiger“, anpassungswilliger Mensch, der stets in stabilen Lebensverhältnissen lebt, von keinen Lebenskrisen betroffen ist, arbeitsfähig oder selbst finanziell abgesichert und möglichst unauffällig ist, die Beziehung mit anderen Völkerrechtsubjekten, inklusive eigenem Heimatstaat  meidet (vgl. z.B. § 15 Abs. 1 Z3 des Entwurfes sowie die Stellungnahme unten) und sich am „gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich“ orientiert, wobei unklar ist, worum es sich dabei handelt. Allen jenen, die dies aus irgendeinem Grund nicht schaffen (z.B. Arbeitsunfähigkeit, Lebenskrisen, Krankheit, usw.) ist die Verleihung der Staatsbürgerschaft verwehrt.  Im Hinblick auf die Konsequenzen, die der Status eines Fremden zwangsläufig bedeutet – gesetzliche Ungleichbehandlung, kein Zugang zu vielen staatlichen Unterstützungen und Förderungen, keine Möglichkeit in  politischen Entscheidungsprozessen mitzuwirken, usw. -  steuert die Politik, die sich nicht nur in diesem Entwurf niederschlägt, weg von einer positiven Integrations- und Einbürgerungspolitik in Richtung einer negativen Ausgrenzungspolitik, die versucht eine gesellschaftliche Gruppe gegen eine andere gesellschaftliche Gruppe auszuspielen. Dass das mit Integration in die Gesellschaft unvereinbar ist, ist evident.

 

Zudem verstoßen mehrere Bestimmungen dieses Entwurfes gegen völkerrechtliche Verpflichtungen Österreichs und sind verfassungsrechtlich zumindest bedenklich. 

 

 

·               Staatsbürgerschaftserwerb durch Abstammung

Bedauerlicherweise soll am geltenden § 7 StBG festgehalten werden, wonach eheliche Kinder die Staatsbürgerschaft mit der Geburt erwerben, wenn zu diesem Zeitpunkt ein Elternteil Staatsbürger ist, während uneheliche Kinder nur dann die Staatsbürgerschaft erwerben, wenn ihre Mutter Staatsbürgerin ist.

 

Die geltende Bestimmung diskriminiert im Falle der unehelichen Geburt eines Kindes durch die Anknüpfung ausschließlich an die Mutter uneheliche Kinder gegenüber ehelichen Kindern. Es wäre an der Zeit, wie auch in anderen Ländern (vgl. z.B. § 4 Abs. 1 dStAG) geschehen, diese Diskriminierung zu beseitigen und eine Gleichstellung ehelicher und unehelicher Kinder vorzunehmen und den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Abstammung mit der Geburt vorzusehen, wenn einer der beiden Elternteile zum Zeitpunkt der Geburt österreichischer Staatsbürger ist.

 

Die ausschließliche Anknüpfung bei unehelichen Kindern an die Staatsbürgerschaft der Mutter ist nicht nur rechtspolitisch überholt und fragwürdig, sondern auch verfassungsrechtlich bedenklich. Eine Regelung, die ausschließlich auf Grund der Unehelichkeit diskriminiert, bedürfte im Lichte des Gleichheitssatzes und des Verbotes der geschlechtsspezifischen Diskriminierung einer besonderen Rechtfertigung (VfGH G 163/91,164/91), eine solche ist aber nicht ersichtlich (vgl. zum deutschen StAG: BVerfG 37,217).

 

·               § 10 des Entwurfes

Gemäß Artikel 6 Abs. 3 Europäisches Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit (BGBl III 39/2000) darf ein Vertragsstaat (Österreich seit 2000),  bei der Festlegung der Voraussetzungen für eine Einbürgerung keine Aufenthaltsdauer von mehr als zehn Jahren für die Antragstellung vorsehen. Unter Aufenthaltsdauer versteht Art. 6 des Übereinkommens „lawful and habitual residence/residence legale et habituelle“ – also den rechtmäßigen und gewöhnlichen Aufenthalt. Österreich hat im Übrigen anlässlich der Unterzeichnung erklärt, dass unter dem Begriff des Übereinkommens der „Hauptwohnsitz“ im Sinne der österreichischen gesetzlichen Bestimmungen zu verstehen ist. 

 

§ 10 Abs 1 Z 1 des Entwurfs sieht nunmehr vor, dass die Staatsbürgerschaft einem Fremden nur verliehen werden darf, wenn er sich mindestens 10 Jahren im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen. Unter „niedergelassen“ ist rechtssystematisch  der Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung“ oder ein anderer dauerhafter Aufenthaltstitel ausgenommen Aufenthaltsbewilligung zu verstehen (§ 2 Abs. 2 und 3 NAG). Diese Regelung bewirkt, dass bestimmte Zeiten des rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich, wie z.B. mit einer Aufenthaltsbewilligung für SchülerInnen oder StudentInnen oder als subsidiär Schutzberechtigter nach § 8 AsylG, nicht auf die Aufenthaltsdauer angerechnet werden. Eine Differenzierung des Aufenthaltes auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung und auf Grund einer Niederlassungsbewilligung oder eines anderen dauerhaften Aufenthaltstitels iSd § 2 Abs. 2 und 3 NAG sieht das Übereinkommen aber nicht vor (abgesehen davon, dass Österreich ohnehin wie oben dargestellt erklärt hat, unter „lawful and habitual residence/residence legale et habituelle“ den Hauptwohnsitz zu verstehen). Die von dieser Regelung betroffenen Personen können allenfalls nach § 12 Z1 lit.b des Entwurfes die Staatsbürgerschaft erlangen, die darin vorgesehene 15-jährige Frist ist jedoch offensichtlich länger als in Art. 6 Abs. 3 des Übereinkommens vorgesehen.

 

Im Sinne dieses Übereinkommens und der dazu abgegebenen Erklärung Österreichs, sollte  daher zumindest die derzeit geltende  Regelung beibehalten werden. 

 

·               § 10 Abs. 1 Z 2 des Entwurfes

Dieser Vorschlag ist überzogen. Dass nunmehr jegliche Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wegen eines Vorsatzdeliktes einen zwingenden Versagungsgrund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft darstellen soll, ermöglicht keine einzelfallspezifische Betrachtungsweise und Abwägung, insbesondere auch im Hinblick darauf, ob von einem Antragsteller auch in Zukunft eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit ausgeht. Nicht jede Person, die ein Bagatelldelikt verwirklicht, gefährdet auch in der Zukunft die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit. Außer Betracht gelassen wird auch, dass diese Regelung selbst dann im Bagatellbereich gilt, wenn das Gericht die Strafe bedingt nachsieht, da es selbst davon ausgeht, dass die bloße Androhung der Vollziehung allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügen würde, um den Täter von weiteren Strafbaren Handlungen abzuhalten (§ 43 Abs. 1 StGB). Dass gerade auch in diesem Bagatellbereich (auch bei einer bedingt nachgesehenen Strafe) der vorgeschlagene Versagungsgrund zum Tragen kommen soll ist daher nicht nachvollziehbar.

 

Alternativ sollte zumindest die derzeit geltende Regelung beibehalten werden, wonach ein zwingender Versagungsgrund erst ab einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten und damit erst ab einer gewissen Schwere der Schuld gegeben ist (§ 10 Abs. 1 Z 2 StBG) und im darunter liegenden Bereich eine einzelfallbezogene Prüfung und Abwägung stattzufinden hat (§ 10 Abs. 1 Z 6 StBG).

 

·               § 10 Abs. 1 Z 5 iVm § 10 Abs. 1 Z 8 des Entwurfes

Der Entwurf sieht in § 10 Abs. 1 Z 5 vor, dass einer/einem Fremden die österreichische Staatsbürgerschaft nur dann verliehen werden darf, wenn diese Verleihung die Beziehungen Österreichs zu anderen Staaten oder Völkerrechtssubjekten nicht wesentlich beeinträchtige. Was genau unter den Begriff der „wesentlichen Beeinträchtigung“ fällt, ist dem Entwurf und den Erläuterungen nicht zu entnehmen. Ebensowenig ist verständlich, weshalb es einer verschärften „Ergänzung“ zu § 10 Abs. 1 Z 8 des Entwurfes bedarf und in welcher Beziehung diese beiden Bestimmungen zueinander stehen.

 

·               § 10 Abs.2 Z 1 des Entwurfes

Die Verleihung soll zwingend zu versagen sein, wenn bestimmte Tatsachen gemäß § 60 Abs. 2 FPG vorliegen. Auch diese Bestimmung wirkt in dieser Form überzogen, da sie eine einzelfallspezifische Betrachtungsweise ausschließt und auch sachlich nicht nachvollziehbar differenziert. Schon nach geltendem Recht sind Verwaltungsübertretungen in die Ermessensentscheidung miteinzubeziehen und ist die Verleihung zu versagen, wenn vom Antragsteller eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit ausgeht (§ 10 Abs. 1 Z 6 StBG). Es muss sich dabei nach geltendem Recht und ständiger Judikatur um einen Rechtsbruch handeln, der den Schluss gerechtfertigt erscheinen lässt, dass der/die Betreffende auch in Zukunft wesentlich zur Abwehr und Unterdrückung von Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Vorschriften missachtet, und dass aus der Art, der Schwere und der Häufigkeit dieser Übertretungen die negative Einstellung gegenüber den zur Hintanhaltung von Gefahren für Leben, Gesundheit und Sicherheit der Allgemeinheit erlassenen Gesetzen in deutlicher Weise zum Ausdruck kommt. Es ist dabei eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen bei der auch Verwaltungsübertretungen und getilgte Vorstrafen berücksichtigt werden. Damit ist aber dem Zweck, Einbürgerungen von Menschen, die die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit in Österreich gefährden zu verhindern, schon nach geltendem Recht genüge getan.

 

Nun soll nach dem Entwurf z.B. eine mehrmalige Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO iVm § 23 Abs. 3 FSG einen zwingenden Grund für die Verweigerung der Verleihung der Staatsbürgerschaft darstellen. Dabei ist nicht zu bestreiten, dass eine mehrmalige qualifizierte Geschwindigkeitsübertretung selbstverständlich kein Kavaliersdelikt darstellt. Es ist aber nicht verständlich, weshalb dann z.B. eine Verurteilung wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 51 WaffG, wenn jemand z.B. eine nicht genehmigungspflichtige Schusswaffe entgegen der Bestimmungen des WaffG führt, nicht so ein zwingender Verweigerungsgrund ist. Die im Entwurf vorgesehene Differenzierung ist daher sachlich nicht nachvollziehbar und im Hinblick auf die zahlreichen gesetzlichen Vorschriften zu unflexibel. Das selektive willkürliche Herausgreifen von einzelnen Verwaltungsstraftatbeständen scheint nicht sinnvoll. Alternativ sollte die bisherige Regelung beibehalten werden.

 

In diesem Zusammenhang sei auch nebenbei angemerkt, dass es durchaus begrüßenswert wäre, wenn der Gesetzgeber seine Bemühungen verstärken würde, Übertretungen des Straßenpolizei- und Kraftfahrrechts hintanzuhalten. Sinnvollerweise sollte dies jedoch nicht über das Staatsbürgerschaftsrecht, sondern mittels Regelungen des Straßenpolizei- und Kraftfahrrechts geschehen, da es für ein Opfer im Straßenverkehr völlig unerheblich ist, ob der Schädiger ein Verkehrsteilnehmer mit österreichischer oder fremder Staatsangehörigkeit ist. Dass einerseits Österreich im europaweiten Vergleich nach wie vor zu den Ländern mit den niedrigsten Sanktionen für Übertretungen im Verkehrsbereich gehört und andererseits nun eine überaus strenge Regelung im Staatsbürgerschaftsgesetz getroffen werden soll, ist aus rechtspolitischer Sicht mehr als widersprüchlich.

 

Weiters würden sich bei der Anwendung des § 10 Abs. Z 1 des Entwurfes die selben Probleme ergeben, die sich generell bei der Interpretation des § 60 FPG ergeben, so z.B. bei der Frage, was eine „schwerwiegende Übertretung“ sein soll. Dieser Begriff ist nirgendwo definiert.

 

Durch den Verweis auf § 60 Abs. 2 Z 10 FPG ergibt sich überdies das ohnehin schon bekannte verfassungsrechtliche Problem, dass eine gerichtliche Entscheidung nachträglich von einer Verwaltungsbehörde überprüft werden soll. Wäre eine Adoption vorwiegend zur Erlangung eines Aufenthaltstitels, also eine Aufenthaltsadoption, so darf das Gericht diese nach geltendem Recht nicht bewilligen. Bewilligt das Gericht die Adoption, da eine Aufenthaltsadoption nicht vorliegt, so ist es einer Verwaltungsbehörde verfassungsrechtlich verwehrt nunmehr entgegen der Gerichtsentscheidung nunmehr doch von einer Aufenthaltsadoption auszugehen und damit die Gerichtsentscheidung quasi zu „korrigieren“.

 

·               § 10 Abs. 2 Z 6 des Entwurfes

Einer/Einem Fremden darf die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden, wenn sie/er ein Naheverhältnis zu einer extremistischen und/oder terroristischen Organisation hat und terroristische/extremistische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können. Selbstverständlich ist es im Interesse Österreichs und erscheint auch in Hinblick auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit geboten, die Einbürgerung von Menschen, welche Mitglieder einer terroristischen oder extremistischen Organisation sind zu unterbinden. Es erscheint aber jedenfalls überzogen, jenen Menschen die Staatsbürgerschaft zu verwehren, die mit keiner konkreten Aktivität einer solchen Gruppierung in Verbindung gebracht werden können, wie es den Erläuterungen zu entnehmen ist. Bedenklich scheint auch die Formulierung: „nicht ausgeschlossen werden können.“, da es niemals möglich ist auszuschließen, dass eine Person kein derartiges Naheverhältnis hat. Die Regelung erscheint daher im Hinblick auf Art. 18 B-VG bedenklich und bietet Potential für willkürliche Ablehnungen.

 

·               10 Abs. 5 iVm § 10 Abs. 1 Z 7 des Entwurfes

Es soll nicht ausreichend sein, dass der Lebensunterhalt durch Notstandshilfe oder Sondernotstandshilfe gesichert wird. Dies erscheint erstens rechtspolitisch fragwürdig und auch verfassungsrechtlich bedenklich. Die Notstandshilfe ist zwar eine öffentlich-rechtliche, aber dennoch eine (Sozial-)Versicherungsleistung, auf die ein Anspruch durch die Einzahlung von Beiträgen erworben wurde, sodass es nahliegend scheint, dass die vorgeschlagene Regelung eine verfassungsrechtlich unzulässige Diskriminierung darstellt (vgl. VfGH G-48-55/99, G 363-365/97, u.a.). Diese vorgeschlagene Regelung sollte daher ersatzlos gestrichen werden.

 

Weiters erscheint verfassungsrechtlich bedenklich, dass der Unterhalt nicht durch Leistungen der Sozialhilfe erbracht werden darf. Der Entwurf übersieht hier, dass das Staatsbürgerschaftsrecht unter den Kompetenztatbestand des Art. 11 B-VG und damit die Gesetzgebungskompetenz des Bundes, das Sozialhilferecht allerdings unter den Kompetenztatbestand des Art. 12 B-VG fällt. Mangels Bundesgrundsatzgesetz fällt das Sozialhilferecht daher sogar ausschließlich in die Kompetenz der Landesgesetzgebung. § 10 Abs. 5 des Entwurfes enthält durch die Regelung, dass Sozialhilfeleistungen (nach den Rechtsvorschriften der Länder in der geltenden Fassung!) nicht als Unterhaltsleistungen iSd § 10 Abs. 1 Z 7 des Entwurfes in Betracht kommen einen dynamischen Verweis von Bundesrecht auf Landesrecht. Ein solcher Verweis wäre ist möglicherweise verfassungsrechtlich unzulässig.

 

Das starre Abstellen auf den Ausgleichszulagenrichtsatz scheint aus der Sicht des Gleichheitssatzes bedenklich. Frauen sind allgemein mehr von Armut betroffen. Sie verdienen im Unterschied zu Männern bei gleicher Tätigkeit im Durchschnitt nach wie vor wesentlich weniger, übernehmen Haushaltsführung und Kinderbetreuung was ihre Chancen am Arbeitsmarkt schmälert. Ihre Berufsbiographien sind öfters geprägt von Berufsunterbrechungen, unbezahlter Arbeit und geringer Entlohnung. Ausländische Frauen sind von der Armut auf Grund ihres fremdenrechtlichen Status oder gesetzlicher Ungleichbehandlung noch stärker betroffen. Schon die Schwangerschaft kann für sie eine finanzielle Notlage verursachen. So haben zum Beispiel die ausländischen Kinder keinen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, was die finanzielle Situation der alleinerziehenden Mütter noch prekärer macht, wenn der Vater zum Unterhalt der Kinder nicht beiträgt. Des Weiteren sind Ausländerinnen überwiegend in niedrigbezahlten Erwerbstätigkeitsbranchen tätig, was sich in der Folge auf die Höhe der Arbeitslosenversicherung oder der Pension[1] auswirkt und ihr Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfe nicht gesichert werden kann. Sie haben zudem zu vielen staatlichen Unterstützungen und Transferleistungen keinen Zugang (z.B. Wohnförderung). Aufgrund dieser Regelung könnte für viele Fremde, insbesondere eben Frauen der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft ausgeschlossen sein. Diese Regelung diskriminiert Frauen mittelbar und ist im Hinblick auf Art. 7 Abs. 2 B-VG, wonach sich Bund, Länder und Gemeinden zur faktischen Gleichstellung von Mann und Frau bekennen verfassungsrechtlich bedenklich. Zudem verstoßt sie gegen völkerrechtliche Verpflichtungen Österreichs zur Gleichstellung von Mann und Frau.

 

Auch aus demokratiepolitischen Gründen wäre eine solche starre Regelung fragwürdig. Menschen, die aus irgendeinem Grund nicht in der Lage sind den Lebensunterhalt aus eigenen Kräften zu bestreiten sind bekanntlich sozial benachteiligt und in der Gesellschaft weniger integriert. Bei Fremden kommt der Mangel an Möglichkeiten der Beteiligung  an politischen Entscheidungsprozessen, sowie gesetzliche Ungleichbehandlung hinzu. Indem sie Menschen, deren materielle Lebensgrundlage nicht abgesichert ist, von vorneherein ausschließt, würde diese Regelung des Entwurfes die Bildung einer Gesellschaft fördern, die demokratischen Zielvorstellungen, wonach eben die politischen Beteiligungsrechte bei sonstigen gleichen Voraussetzungen unabhängig vom Einkommen sein sollen, zuwiderläuft.

 

·               § 10a Abs. 2 des Entwurfes

Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass die schon nach geltendem Recht für die Verleihung erforderlichen Sprachkenntnisse und nunmehr auch sonstige erforderliche Kenntnisse inhaltlich genauer determiniert werden. Hinsichtlich der vorgesehenen Prüfung wäre aber noch eine Regelung zu treffen, wer berechtigt ist, diese Prüfung abzunehmen und welche Qualifikation diese Person besitzen muss. Es ist unserer Erfahrung nach nicht zu erwarten, dass derartige Prüfungen korrekt beurteilt werden, wenn eine Beurteilung von jeder/jedem Sachbearbeiter(in) der Ämter der Landesregierung vorgenommen werden kann, sodass vorzusehen wäre, dass sich die Landesregierung bei der Beurteilung der Prüfung eines/einer Sachverständigen mit der hiefür erforderlichen Ausbildung zu bedienen hat.

 

·               § 10a Abs. 3

Rechtspolitisch abzulehnen und auch aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich, ist der vorgeschlagene § 10a Abs. 3. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb ein negativer Erfolg in irgendeinem Fach der Befreiung von der Deutschprüfung entgegenstehen soll. Gar nicht verständlich ist auch, weshalb solche Schüler dann nach § 10a Abs. 4 des Entwurfes Kenntnisse auf Grundlage des Lehrplanes der 4. Klasse Hauptschule nachweisen müssen. Ein Volksschüler, der demnach das Jahr positiv abschließt, ist von der Prüfung gänzlich befreit, ein Volksschüler, der in irgendeinem x-beliebigen Fach negativ abschließen sollte, müsste plötzlich Kenntnisse auf Basis des Lehrplanes der 4. Klasse Hauptschule nachweisen. Ein rechtspolitischer Sinn einer solchen Regelung ist nicht erkennbar und schon gar keine sachliche Rechtfertigung. Aus verfassungsrechtlicher Sicht des Gleichheitssatzes scheint dieser Vorschlag daher bedenklich

 

·               § 11 des Entwurfes

Wie auch bereits in der Novellierung des Fremdenrechtes (NAG und FPG) liegt nahe, dass hier auf einen einseitigen Integrationsbegriff abgestellt wird. („…das Ausmaß seiner Integration…“ statt bisher im geltenden StBG „…das Ausmaß der Integration…“) Integration ist grundsätzlich ein zweiseitiger Prozess, der, wenn er glücken sollte, von der aufnehmenden wie auch von der zuziehenden Gesellschaft wechselseitig geführt werden muss. Dies gilt auch dann, wenn man der aufnehmenden Gesellschaft das Recht zubilligt, gewisse Rahmenbedingungen vorzugeben.

 

Interessant sind in diesem Zusammenhang die Erläuterungen zum Entwurf: Diesen zufolge sind unter der Integration der Fremden nicht nur ihre Deutschkenntnisse, sondern auch das Einfügen in das öffentliche Leben und ein Bereichern desselben zu verstehen. Wie soll nun eine solches „Bereichern“, das ein wirklich unglücklich gewählter Begriff ist, aussehen? Auf politischer Ebene ist es wohl nicht oder nur beschränkt möglich, da sowohl das aktive wie auch das passive Wahlrecht österreichischen StaatsbürgerInnen vorbehalten ist. Bliebe zum Beispiel die kulturelle Ebene. In Frage kämen hier vielleicht z.B. Bauchtanzabende, um das öffentliche Leben mit einem Hauch von Exotik eben zu bereichern. Dies könnte aber möglicherweise dem Einfügen in das öffentliche Leben widersprechen und der Orientierung am gesellschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich zuwiderlaufen.

 

Nicht nachvollziehbar ist auch, weshalb der Begriff des „freien Ermessens“ „überkommen“ sein soll, handelt es sich doch um einen wichtigen verfassungsrechtlichen Begriff (Art. 130 Abs. 2 B-VG).

 

 

·               § 11a Abs. 1 des Entwurfes

Dass der Entwurf für die Verleihung der Staatsbürgerschaft an Ehegatten von österreichischen Staatsbürgern keinen Anspruch wie bisher vorsieht, stellt eine wesentliche Verschlechterung dar, die nicht nachvollziehbar ist.  Alternativ sollte die derzeit geltende  Regelung beibehalten werden. 

 

·               § 11 a Abs. 3 des Entwurfes

Hierbei kann inhaltlich auf die  der Stellungnahme des österreichischen Rechtsanwaltskammertages verwiesen werden. Des Weiteren scheint hier eine übertriebene Furcht vor einer „Erschleichung“ der österreichischen Staatsbürgerschaft vorzuliegen. Durch die Regelung des § 11a Abs. 1 des Entwurfes, die eine Aufenthaltsdauer von 6 Jahren in Österreich und eine Ehedauer von 5 Jahren vorsieht, kann einem Fremden nach 6 Jahren die Staatsbürgerschaft verliehen werden, sofern die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis Z 8, Abs. 2 und Abs. 3 vorliegen. In Summe würde daher die in § 11a Abs. 3 erwähnte Konstellation in der Regel länger dauern als suchte eine solche Person „eigenständig“ nach 10 Jahren regulär um die Verleihung an, da die sonstigen Voraussetzungen ja ohnedies gegeben sein müssen.

 

·               § 11a Abs. 4 Z1  des Entwurfes:

Diese Bestimmung diskriminiert insofern unsachlich Asylberechtigte als die Aufenthaltsfristen erst ab Zuerkennung der Asylberechtigung gerechnet werden. Spätestens mit Zuerkennung der Asylberechtigung wird der Aufenthalt jedoch rückwirkend bis zur Einreise rechtmäßig, sodass es sachlich nicht nachvollziehbar erscheint, diese Aufenthaltszeit während des laufenden Asylverfahrens nicht anzurechnen. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass Asylverfahren oft sehr lange dauern und die lange Dauer meist ausschließlich durch die mangelnde fachliche Kompetenz und Ausstattung der Asylbehörden verursacht wird. Die Regelung ist aber nicht nur sachlich nicht gerechtfertigt, sondern verstößt auch gegen die GFK, welche eine bevorzugte Einbürgerung für Asylberechtigte vorsieht, was bemerkenswerterweise auch aus den Erläuterungen hervorgeht.

 

·               § 12 Z 2 des Entwurfes

Hier wurde der Satzteil „rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig“ eingefügt. Dies erscheint insbesondere hinsichtlich des im allgemeinen Teil der Erläuterungen festgehaltenen Zieles der Erleichterung der Wiedereinbürgerung fraglich. Österreichische Staatsangehörige nehmen dann die Staatsbürgerschaft eines anderen Staates an, wenn sie sich dort auf Dauer aufhalten. Wollen nun ihre volljährig gewordenen Kinder nach Österreich zurückziehen, so erscheint es schwer nachvollziehbar weshalb diese sich, insbesondere weil es sich ja auch um eine kurze Frist für die Antragstellung handelt, vorher als Fremde in Österreich aufhalten sollen.

 

·               § 14 StGB

§ 14 StBG soll nach dem Entwurf mit folgender Begründung entfallen: „...die Verleihung der Staatsbürgerschaft an in Österreich geborenen Fremden ist in § 11a Abs. 4 Z 3 geregelt“. Dies mag zwar durchaus richtig sein, die geltende Regelung des § 14 StbG wurde aber zur Umsetzung des Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit, BGBl 538/1974, geschaffen und hat mit der Verleihung an in Österreich geborene Fremde daher bestenfalls mittelbar zu tun. Hiefür sieht der Entwurf nunmehr keine Regelungen vor, sodass der Entfall des § 14 StBG einen Verstoß gegen völkerrechtliche Verpflichtungen darstellen würde.

 

Das vorgenannte Übereinkommen sieht erstens in Art. 1 in dessen Anwendungsbereich einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft vor. Ein solcher Rechtsanspruch existiert nach dem Entwurf aber nicht. Die Erteilungsvoraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 des Übereinkommens sind teils strenger, teils weniger streng, als der Entwurf. Weiters genügt nach Art. 2 Abs. 2 lt. b des Übereinkommens ein Aufenthalt von fünf unmittelbar vor der Antragstellung vorangehenden Jahren für die Verleihung. § 11a des Entwurfes sieht aber mindestens sechs Jahre vor. Weiters darf nach dem Übereinkommen eine Erteilung der Staatsbürgerschaft nur verweigert werden, wenn der Betroffene wegen einer strafbaren Handlung gegen die nationale Sicherheit schuldig erkannt oder wegen einer gemeinen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt wurde. Dies steht mit § 10 des Entwurfes im Konflikt. Weiters sieht das Übereinkommen kein Verweigerungsrecht in dem Fall vor, wenn keine ausreichenden Kenntnisse iSd. § 10a des Entwurfes nachgewiesen werden können, nach § 10a des Entwurfes ist allerdings Voraussetzung „jeglicher Verleihung“ der Nachweis der dort vorgesehenen Kenntnisse. Durch den Entfall des § 14 StBG würde daher Österreich gegen völkerrechtliche Verpflichtungen verstoßen.

 

·               § 15 Abs. 1 Z 2 des Entwurfes

Diese Bestimmung normiert, dass die Aufenthaltsfrist durch einen Aufenthalt in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher unterbrochen werden soll. Dabei wird übersehen, dass die Einweisung in eine derartige Anstalt eine Schutzmaßnahme darstellt und keine Strafsanktion. Durch diese Regelung werden geistig abnorme Personen diskriminiert, was den rechtspolitischen Zielsetzungen der Behindertengleichstellung widerspricht und auch im Hinblick auf Art. 7 Abs. 1 S2 B-VG verfassungsrechtlich bedenklich erscheinen könnte.

 

·               § 15 Abs. 1 Z 3 des Entwurfes

Diese Bestimmung, wonach jeder mehr als sechs Monate dauernder Aufenthalt den Fristenlauf unterbricht könnte eine nicht nachvollziehbare Härte darstellen, wenn z.B. ein Fremder in seinem Heimatland den Wehrdienst leistet. Hier wäre eine Regelung korrespondierend zu § 20 Abs. 4 NAG sinnvoll. Es ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb in diesen Fällen im Staatsbürgerschaftsrecht strengere Regeln gelten sollten als im Aufenthaltsrecht.

 

·               § 34 Abs. 1a

Die vorgeschlagene Bestimmung ist überflüssig, da die Tatbestände ohnehin Wiederaufnahmetatbestände nach § 69 AVG darstellen. Die vorgeschlagene Bestimmung sollte daher gänzlich entfallen. Sollte eine derartige Regelung beibehalten werden, so müsste jedenfalls das Verhältnis zu § 69 AVG klargestellt werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass jede Abweichung vom allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht gemäß Art. 11 Abs. 2 B-VG nur getroffen werden darf, soweit dies zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind.

 

Die Entziehung der Staatsbürgerschaft wäre im Anwendungsbereich des Übereinkommens zur Vermeidung der Staatenlosigkeit generell völkerrechtlich zu überprüfen. Art. 8 Abs. 4 des Übereinkommens sieht im Falle eines Entziehungsverfahrens vor, dass der Betroffene alle Verteidigungsmittel vor einem Gericht oder einem anderen unabhängigen Organ geltend machen darf. Ob die Entscheidung durch die zumindest politisch vom Landtag abhängige Landesregierung und die nachfolgende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ohne volle Tatsachenkognition diesen völkerrechtlichen Vorgaben entsprechen ist zumindest fraglich.

 

 

Helping Hands Salzburg, am 11.11.2005

 

Mag. Thomas Loos

Sybille Wierer

Mag. Ljiljana Zlatojevic



[1] So hat zum Beispiel die durchschnittliche Alterspension von Frauen in Österreich im Jahr 2004 557,24 € für 

  Arbeiterinnen und 961,10 € für Angestellte betragen.

  Quelle: Statistik der PVA: http://www.pensionsversicherung.at/mediaDB/88203.PDF, abgerufen am 6.11.2005