Gz ● BKA-601.245/0006-V/A/8/2005

Abteilungsmail ● v@bka.gv.at

bearbeiterHerr Mag Josef BAUER

mag aLBERT pOSCH[1]

Pers. E-mail ● josef.bauer@bka.gv.at

Telefon ● 01/53115/2219

Ihr Zeichen ● 040402/0007-III/5/2005

An das

Bundesministerium für Finanzen

Abteilung III/5

 

Per E-mail: e-recht@bmf.gv.at

 

Antwort bitte unter Anführung der GZ an die Abteilungsmail

 

 

Betrifft:  Entwurf eines Finanzmarktaufsichtsänderungsgesetzes 2005 - FMA-ÄG 2005;

              Begutachtung;

 

 

Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst nimmt zum Entwurf eines Finanzmarktaufsichtsänderungsgesetzes 2005 wie folgt Stellung:

 

Überschriften / Inhaltsverzeichnis:

 

Es wird angeregt, für die einzelnen neu eingefügten Paragrafen noch Überschriften zu vergeben. Diesfalls sollten dann in die betroffenen Novellierungsanordnungen der Zusatz „ … samt Überschriften …“ aufgenommen werden, da nach der legistischen Praxis Überschriften nicht als Teil des Paragrafen aufgefasst werden.

 

Zu Artikel 1 – Änderung des Finanzmarktaufsichtsbehördengesetzes:

 

Zu § 22a FMABG:

 

In Rechtstexten sollten unbezeichnete Einrückungen möglichst vermeiden werden. Im Falle des geplante § 22a FMABG könnte dies etwa durch Vorziehung einer Wortfolge gesehen, z.B.: „1. den Pflichten und Anordnungen gemäß“. In Z 2 sollte es im Interesse der Einheitlichkeit lauten: „den Vorlagepflichten auf Grund einer Anordnung gemäß“.

 

Weiters soll vorgesehen werden, dass die FMA bei Verletzung der genannte Pflichten und Anordnungen die „Zahlung eines Beitrages“ vorschreiben kann, und ist auch eine mehrmalige Vorschreibung einer „Gebühr“ zulässig, solange die Vorlagepflicht nicht erfüllt ist. Nach Auffassung des Bundeskanzleramts-Verfassungsdienst sollte die verwendete Terminologie nochmals geprüft werden. Bei der „Zahlung eines Betrages“ und der „Gebühr“ handelt es sich offenkundig um „Zwangsstrafen“, die ein Beugemittel für die Vornahme von Handlungen sind, die sich nicht von Dritten bewerkstelligen lassen (vgl. die Terminologie in § 5 VVG und § 111 BAO; vgl. auch für den gerichtlichen Bereich § 283 HGB) und sollten daher im Interesse der Klarheit wohl auch so bezeichnet werden. Auch die Erläuterungen sprechen ja davon, dass es sich um „Pönalezahlungen unabhängig vom Verschulden handelt“.

 

Durch die Verwendung des Ausdrucks „(die FMA) kann (Strafen) vorschreiben“ erscheint es nicht ganz klar, ob und inwieweit der FMA Ermessen eingeräumt werden soll (vgl. in diesem Sinn RL 84 f der Legistischen Richtlinien) oder sich das Ermessen nur auf die Höhe der Strafe beziehen soll. Es wird angeregt zu prüfen, ob nicht hier (ähnlich wie in § 283 HGB) eine gebundene Entscheidung vorgesehen werden sollte.

 

Zu § 22b FMABG:

 

Nach dieser Norm soll die FMA zur Verfolgung der in § 98 Abs. 1 BWG, § 26 Abs. 1 WAG, § 48 Abs. 1 Z 1 BörseG, § 47 PKG und § 110 VAG genannten Übertretungen berechtigt sein, von natürlichen und juristischen Personen sowie von sonstigen Einrichtungen mit Rechtspersönlichkeit die hiefür erforderlichen Auskünfte einzuholen und Daten zu ermitteln und zu verarbeiten.

 

Das „Ermitteln von Daten“ im Sinne des § 4 Z 10 Datenschutzgesetz 2000 ist gemäß § 4 Z 9 DSG 2000 unter den Überbegriff des „Verarbeitens von Daten“ zu subsumieren. Daher sollte von der parallelen Erwähnung beider Begriffe in § 22b des Entwurfs abgesehen werden. Da auf Grund der Erwähnung des Begriffs „verarbeiten“ in § 22b des Entwurfs davon auszugehen ist, dass eine Datenverarbeitung im Sinne des § 4 Z 9 DSG 2000 aus Sicht des Bundesministeriums für Finanzen zur Erfüllung des Normzwecks erforderlich ist, sollte die Erwähnung des – ohnehin begrifflich erfassten – Ermittlungsbegriffs unterbleiben.

 

Darüber hinaus sollte klargestellt werden, dass sich die Ermächtigung zur Datenverarbeitung lediglich auf die zur Erfüllung des Normzwecks (und demnach zur Verfolgung der im Entwurf genannten Übertretungen) erforderlichen Daten bezieht. Ein Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz durch eine „staatliche Behörde“ im Sinne des § 1 Abs. 2 DSG 2000 darf – abgesehen vom lebenswichtigen Interesse des Betroffenen und seiner Zustimmung – nur auf Grund von Gesetzen erfolgen. Gesetzliche Regelungen über die Zulässigkeit der Übermittlung von personenbezogenen Daten (im hier interessierenden Fall: die Datenverarbeitung durch die FMA) sind nur dann vollständig und insgesamt verfassungsmäßig, wenn folgende Punkte hinreichend genau bestimmt werden:

-           Der Zweck der Verarbeitung beim Auftraggeber,

-           die Kategorien der betroffenen Personen,

-           die Kategorien der zu speichernden Datenarten (die Verwendung sensibler Daten dürfen etwa nur in einem Gesetz vorgesehen sein, das § 1 Abs. 2 zweiter Satz DSG 2000 entspricht),

-           der Anlass der Ermittlung und Speicherung,

-           die allfälligen Übermittlungsempfänger,

-           Anlass und Zweck der Übermittlung,

-           Angaben über technisch-organisatorische Besonderheiten der Verarbeitung oder Übermittlung (wie etwa Speicherung der Daten in einem Register, Verarbeitung der Daten in einem Informationsverbundsystem, Einrichtung von Online-Zugriffen etc.).

Die generelle Ermächtigung „Daten zu ermitteln“ kann – insbesondere ohne ausdrücklichen Bezug auf den Normzweck und die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung – nicht als ausreichend bestimmt erachtet werden (es scheint im vorliegenden Gesetzestext insbesondere nicht klar, ob die Erforderlichkeit nur hinsichtlich der einzuholenden Auskünfte oder auch hinsichtlich der Verarbeitung [personenbezogener] Daten gegeben sein muss). Die vorgesehene gesetzliche Ermächtigung sollte daher im Hinblick auf das erhöhte Bestimmtheitserfordernis bei Grundrechtseingriffen nochmals überprüft werden.

 

Gemäß § 22b letzter Satz des Entwurfs ist die FMA weiters berechtigt, falls die erteilten Auskünfte oder Unterlagen keine ausreichenden Aufschlüsse zulassen, oder falls begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Auskünfte oder Unterlagen bestehen, entsprechende Erläuterungen oder Nachweise zu verlangen. Aus Sicht des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst scheint nicht hinreichend geklärt, worin der Mehrwert der Möglichkeit des Verlangens von "Erläuterungen" bzw. "Nachweisen" im Gegensatz zur Ermächtigung zur Einholung von "Auskünften" liegt. Daher sollte ohne ausreichende sprachliche Klarstellung von der Normierung des § 22b letzter Satz abgesehen werden.

 

Zu § 22c FMABG:

 

Nach dieser Bestimmung kann die FMA Maßnahmen oder Sanktionen, die wegen im Normentwurf aufgezählter Verstöße gesetzt wurden, nach Maßgabe der Z 1 bis 3 beauskunften oder öffentlich bekannt geben. Gemäß § 22c Z 2 kann die FMA im Falle der Verhängung einer Sanktion die Namen der Personen oder Unternehmen, gegen die die Sanktion verhängt wurde, die Namen der Unternehmen, für die Personen verantwortlich sind, gegen die eine Sanktion verhängt wurde, sowie die verhängte Sanktion beauskunften oder veröffentlichen.

 

Es scheint nicht hinreichend geklärt, ob der FMA durch die Formulierung „kann“ Ermessen in der Frage einer etwaigen Beauskunftung oder Veröffentlichung eingeräumt werden soll. Für den Fall, dass ein derartiger Ermessensspielraum eingeräumt werden soll, müssten Kriterien der Ermessensausübung gesetzlich festgehalten werden. Sollte ein derartiges Ermessen nicht eingeräumt werden, sollte von der Formulierung „kann“ abgesehen werden.

 

Im Hinblick auf die – bei Eingriffen in das Grundrecht auf Datenschutz erforderliche – hinreichend genaue Determinierung von gesetzlichen Bestimmungen ist auf die Ausführungen zu § 22b des Entwurfs zu verweisen. Insbesondere scheint es aus datenschutzrechtlicher Sicht notwendig, eine Veröffentlichung der relevanten Daten stets nur nach einer Interessensabwägung zu gestatten. § 22c Z 2 sollte demnach dahingehend erweitert werden, dass im Falle des Überwiegens des Geheimhaltungsinteresses des Betroffenen gegenüber dem Veröffentlichungs- bzw. Beauskunftungsinteresse, von einer Veröffentlichung bzw. Beauskunftung abzusehen ist.

 


Zu Artikel 10 – Änderung des Börsegesetzes:

 

Das Vorhaben sollte auch zum Anlass genommen werden, in § 45 Abs. 7 Börsegesetz den Verweis (vom Schilling-) auf den Eurobetrag in § 5 Abs. 3 VVG anzupassen.

 

Zu Artikel 12 – Änderung des Wertpapieraufsichtsgesetzes:

Zu § 24 Abs. 2c:

 

§ 24 Abs. 2c ist dem § 70 Abs. 3 BWG nachgebildet. Er weicht aber insoweit vom BWG ab, als von den genossenschaftlichen Prüfverbänden zwar keine Meldungen über geeignete Regierungskommissäre einzuholen sind, die Prüfverbände aber – so wie im BWG – zu benachrichtigen sind, wenn keine Bestellung auf Grund dieser Meldungen möglich ist. Dies dürfte wohl ein Redaktionsversehen sein, und sollte berichtigt werden.

 

Zu § 25a und 25b:

Die Wortfolge „Die Bestimmungen der“ (§§ 25b bis 25k) ist überflüssig und sollte gestrichen werden. In § 25b Abs. 3 fehlt nach dem Ausdruck „FMA“ ein Beistrich.

 

Zu § 27 Abs. 2:

 

Die geplante Novellierung dieser Strafbestimmung sollte zum Anlass genommen werden zu prüfen, ob hier der Verweis auf die Pflichten der Anbieter von Wertpapierdienstleistungen nach § 12 bis 18 WAG nicht als zu weit gefasst erscheint. So dürfte sich insbesondere hinsichtlich des § 15 WAG, der im Falle der vertraglichen Einschränkung der Schadensersatzpflicht ein besonderes Hervorhebung gegenüber dem übrigen Vertragstext verlangt, die Frage stellen, ob nicht die dort normierte Unwirksamkeit von solchen Abweichungen zum Nachteil des Konsumenten ausreichend ist. Die Strafdrohung (bis zu 30 000 Euro) für das Nichthervorheben solcher Klauseln (neben deren Unwirksamkeit) in § 27 Abs. 2 WAG könnte Auslegungsschwierigkeiten verursachen und erscheint auch überschießend.

 


Zu Artikel 12 – Änderung des Finanzkonglomerategesetzes:

 

Es ist aufgefallen, dass im Pensionskassengesetz und im Versicherungsaufsichtsgesetz Bestimmungen über Strafen insbesondere bei verspäteter Vorlage von Jahresabschlüssen etc. aufgehoben werden sollen, weil in § 22a FMABG entsprechende Pflichten normiert werden sollen. Es wird angeregt zu prüfen, ob diese „Konzentration“ nicht auch beim FKG (insbesondere § 16 Abs. 4 FKG) angezeigt erscheint.

 

Zu Vorblatt und Erläuterungen:

 

Im Vorblatt wird unter „Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union“ ausgeführt: „Die vorgesehenen Regelungen stehen nicht im Widerspr[u]ch zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union“. Im Sinne des Rundschreiben des Bundeskanzleramts-Verfassungsdienst GZ 600.824/011-V/2/01, im Internet: http://www.bundeskanzleramt.at/2004/4/15/rs_gemeinschaftsrecht.pdf wäre wohl eine Formulierung wie „Die vorgesehen Regelungen fallen nicht in den Anwendungsbereich des Rechts der Europäischen Union“ präziser.

 

Im Allgemeinen sollte durch die Formulierung der Erläuterungen auch zum Ausdruck kommen, dass es sich um einen Entwurf und nicht um eine bereits erlassene Rechtsvorschrift handelt (vgl. RL 92 der Legistischen Richtlinien 1979, http://www.bundeskanzleramt.at/2004/4/15/richtlinien1979.doc). Z.B. zu § 22a: Anstelle von „Hierdurch werden die … Unternehmen … veranlasst.“ präziser z.B.: „… sollen … veranlasst werden.“

 

Nach der RL 96 der LRL 1979 wären auch die Erforderlichkeit von Abweichungen von den Verwaltungsverfahrensgesetzen (Art. 11 Abs. 2 B-VG) ausführlich zu begründen. Daher sollten etwa jedenfalls noch die Erläuterungen zu § 22d Finanzmarktaufsichts­behördengesetz ergänzt werden.

 

 

2. Dezember 2005

Für den Bundeskanzler:

Georg LIENBACHER

 

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[1] aus datenschutzrechtlicher Sicht