REPUBLIK ÖSTERREICH

BUNDESKANZLERAMT

 

Geschäftszahl:

BKA-600.725/0001-V/A/5/2006

An das

Bundesministerium für

Gesundheit und Frauen

 

Radetzkystraße 2
1030   Wien

 

Sachbearbeiter:

Frau Dr Susanne PFANNER

Pers. e-mail:

Susanne.Pfanner@bka.gv.at

Telefon:

01/53115/2724

Ihr Zeichen
vom:

92601/0001-I/B/8/2006
19.01.2006

Antwortschreiben bitte unter Anführung der Geschäftszahl an:

v@bka.gv.at

 

 

 

Betrifft:  Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten und das Ärztegesetz 1998 geändert werden;

Begutachtung; Stellungnahme

 

 

Zum mit der do. oz. Note übermittelten Gesetzesentwurf samt Beilagen nimmt das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst wie folgt Stellung:

I. Allgemeines:

Zunächst wird darauf hingewiesen, dass den begutachtenden Stellen in der Regel eine Frist von wenigstens sechs Wochen zur Verfügung stehen sollte. Diese Mindestfrist sollte nicht unterschritten werden.

Zu legistischen Fragen darf allgemein auf die Internet-Adresse http://www.bundeskanzleramt.at/legistik hingewiesen werden, unter der insbesondere

·      die Legistischen Richtlinien 1990 (im Folgenden zitiert mit „LRL ...“),

·      das EU-Addendum zu den Legistischen Richtlinien 1990 (im Folgenden zitiert mit „RZ .. des EU-Addendums“),

·      der ‑ für die Gestaltung von Erläuterungen weiterhin maßgebliche ‑ Teil IV der Legistischen Richtlinien 1979,

·      die Richtlinien für die Verarbeitung und die Gestaltung von Rechtstexten (Layout-Richtlinien) samt einer für die Erzeugung der Rechtstexte vorgesehenen Word 97-Dokumentvorlage und

·      verschiedene, legistische Fragen betreffende Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst

zugänglich sind.

II. Zum Gesetzesentwurf:

Allgemeines:

1. Mit dem vorliegenden Entwurf soll die Rechtsgrundlage für grenzüberschreitende Kooperationen zwischen Krankenanstalten im Rahmen von dislozierten Abteilungen und Angliederungen geschaffen werden. Den Erläuterungen zufolge soll dabei insbesondere sichergestellt werden, dass der Behandlungs- und Pflegestandard im Rahmen dieser Kooperationen jedenfalls jenen Vorgaben entspricht, die in den maßgeblichen Bestimmungen der österreichischen Rechtsordnung vorgesehen sind. Von der Landesregierung genehmigt werden sollen grenzüberschreitende Kooperationen außerdem nur in jenen Fällen, in denen die geltenden österreichischen Vorgaben hinsichtlich Krankenanstaltenplanung und Finanzierung eingehalten werden.

2. Die im Entwurf vorgesehene Möglichkeit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Krankenanstalten wirft zahlreiche Fragen arbeits-, sozialversicherungs- und verfassungsrechtlicher Natur auf.

3. So bleibt etwa ungeklärt, welchem Beschäftigungsstatus die in den österreichischen Krankenanstalten tätigen ausländischen Ärzte unterworfen sind bzw. umgekehrt die österreichischen Ärzte in den fremden Krankenanstalten (zu wem besteht  ein Vertragsverhältnis?). Es wird dringend empfohlen, bezüglich der sozialversicherungs- und arbeitsrechtlichen Implikationen das Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz sowie das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit zu befassen.

4. Es ist weiters darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 3 B-VG die Geltung von Geboten grundsätzlich auf das Bundesgebiet beschränkt ist und umgekehrt Normen anderer Staaten keine Geltung auf österreichischem Hoheitsgebiet entfalten können (vgl. etwa Mayer, B-VG3, 2002, 7f). Ausnahmen davon sind im Rahmen von Staatsverträgen sowie des Art. 9 B-VG möglich, sodass etwa gemäß Art. 9 Abs. 2 die hoheitliche Tätigkeit im Rahmen des Völkerrechts auf jeweils fremden Gebiet einfachgesetzlich geregelt werden kann.

Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass bei der Führung von (fremden) Abteilungen in Österreich nur die österreichische Rechtsordnung Anwendung findet; umgekehrt kann aus verfassungsrechtlichen Gründen bei der Führung von Abteilungen im Ausland die Geltung der österreichischen Rechtsordnung nicht angeordnet werden; dies bedeutet etwa, dass österreichische Ärzte, die im Rahmen einer derartigen dislozierten Abteilung arbeiten, auf Basis der fremden Rechtsordnung tätig sind.

Vor diesem Hintergrund müsste aus Anlass der geplanten Novelle geprüft werden, ob andere Bundesgesetze diesen Auslandsbezug berücksichtigen müssen und daher zu ändern sind. So wäre es verfassungsrechtlich etwa möglich, die Tätigkeit von Ärzten, die im Ausland tätig sind, die aber bei einem österreichischen Krankenanstaltenträger beschäftigt sind und damit einen entsprechenden Inlandsbezug aufweisen, zu regeln.

5. Mit dem Entwurf soll die Möglichkeit geschaffen werden, im Inland auch eine ärztliche Aufsicht durch die im Ausland gelegene Krankenanstalt vorzusehen (vgl. § 2b Abs. 3). Dies scheint insofern problematisch, als ärztliche Tätigkeiten zum Teil eng mit in Grundrechtspositionen eingreifenden Maßnahmen verknüpft sind. Zu denken sei hier etwa an die tragende Rolle, die Ärzten bei freiheitsentziehenden Maßnahmen zukommt (seien dies nun Freiheitsentziehungen nach dem Unterbringungsgesetz, den maßgeblichen straf- oder verwaltungsstrafrechtlichen Bestimmungen oder seuchenpolizeiliche Maßnahmen), die an Art. 5 EMRK sowie den Bestimmungen des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit zu messen sind. Hingewiesen sei aber auch auf aufgrund des Unterbringungsgesetzes mögliche Behandlungen ohne Zustimmung des Patienten, die als Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Patienten gemäß Art. 8 EMRK zu werten und im Sinne von Abs. 2 dieser Bestimmung verhältnismäßig sein müssen (vgl. dazu auch Kopetzki, Grundriß des Unterbringungsrechts, Rz 589). Das hoheitliche Tätigwerden fremder Organe ist – wie gerade dargestellt – (im Rahmen des Völkerrechts) einfachgesetzlich möglich; es bedürfte allerdings ausdrücklicher Klarstellungen, ob und welche Bestimmungen das fremde Organ anzuwenden hätte.

6. Der Entwurf trifft auch keine Regelungen zum Widerruf bereits erteilter Genehmigungen bei Wegfall der Voraussetzungen für dislozierte Abteilungen. Hinsichtlich der genehmigten Angliederungen stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, weshalb eine diesbezügliche Genehmigung nur widerrufbar sein soll, wenn er zu einem dem jeweiligen Landeskrankenanstaltenplan widersprechenden Zustand geführt hat (vgl. § 19a Abs. 1). Im Hinblick der vorangehenden Ausführung scheint dies jedenfalls unzureichend.

Zu den einzelnen Bestimmungen

Zu Z 2 (§ 2b und §19a):

In § 2b Abs. 1 zweiter Satz wird die Verwendung folgender Satzkonstruktion angeregt: „Die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn nachgewiesen ist,

1.      dass …

2.      das Vorhaben … übereinstimmt

3.      dass Rechnung getragen wird.“

Entsprechendes gilt für § 19a Abs. 2.

In § 2b Abs. 2 sollte es heißen: „Abteilungen“.

Zu Z 4 (§ 8a Abs. 4):

In der Novellierungsanordnung sollte es heißen: „§ 8a Abs. 4 lautet“.

 

In § 8a Abs. 4 soll eingefügt werden, dass das Hygieneteam auch fachlich und inhaltlich die Maßnahmen zur Überwachung nosokomialer Infektionen begleitet. Die

Überwachung/Surveillance hat nach einem anerkannten, dem Stand der Wissenschaft entsprechenden Surveillance-System zu erfolgen.

 

Bei den in den Erläuterungen aufgezählten Überwachungssystemen handelt es sich um mit dem Einsatz von entsprechender Software verbundene Systeme, die der Erfassung von Patientendaten dienen, insbesondere Gesundheitsdaten, die Aufschluss über den Verlauf einer nosokomialen Infektion geben können. Nach den dem Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst zur Verfügung stehenden Informationen werden diese Daten zur Auswertung zwar anonymisiert weitergeleitet, allerdings personenbezogen erfasst. Für die Erfassung dieser Daten und deren weitere Verwendung gibt es allerdings keine gesetzliche Grundlage bzw. keinen expliziten gesetzlichen Auftrag.

 

Aus § 1 DSG 2000 (BGBl I 165/1999 idgF) ergibt sich jedoch, dass der Eingriff einer staatlichen Behörde in das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Schutz personenbezogener Daten nur auf Grundlage eines Gesetzes im formellen Sinn erfolgen darf, wobei der Anspruch an den Grad der Determinierung eines solchen Gesetzes proportional zur Sensibilität der betroffenen Daten ansteigt. Im hier interessierenden Fall sind diese betroffenen Daten sensible Daten im Sinne des Gesetzes (vgl. § 4 Z 2 DSG 2000), weshalb dem Gesetz jedenfalls auch

-          die Kategorien der betroffenen Personen,

-          die Kategorien der zu speichernden Datenarten (die Verwendung sensibler Daten dürfen etwa nur in einem Gesetz vorgesehen sein, das § 1 Abs. 2, zweiter Satz DSG 2000 entspricht),

-          der Anlass der Ermittlung und Speicherung,

-          die allfälligen Übermittlungsempfänger,

-          Anlass und Zweck der Übermittlung,

zu entnehmen sein müssen.

Eine solche Determinierung fehlt dem vorliegenden Gesetzesentwurf. Die Novellierung sollte zum Anlass genommen werden, den verfassungsrechtlichen Vorgaben, die sich aus der grundrechtlichen Garantie und aus dem Determinierungsgebot ergeben, gerecht zu werden. Es wird daher angeregt, den Entwurf entsprechend anzupassen und eine Verarbeitungsbefugnis zu normieren, die sich, um den Vorgaben des DSG 2000 zu entsprechen (vgl. § 1 iVm § 9 Z 2 leg.cit.), lediglich auf die Verarbeitung (inklusive Ermittlung) indirekt personenbezogener Patientendaten im Sinne des § 4 Z 1 DSG 2000 beziehen darf. Eine in weiterer Folge stattfindende Übermittlung der Daten ist zu Zwecken der Auswertung lediglich in anonymisierter Form vorzusehen.

Zu Z 5 (§ 11a Abs. 3)

Diese Bestimmung enthält mehrere Verweisungen.

Es wird zu bedenken gegeben, dass, wenn eine Vorschrift, auf die verwiesen wird, in ihrer jeweils geltenden Fassung angewendet werden soll, auf die Nennung der Fundstelle der Stammfassung die Wendung „in der jeweils geltenden Fassung“ folgen sollte (vgl. LRL 60-62).

Zu Z 11 (§ 60 Abs. 5):

Durch diese Bestimmung werden österreichische Organe der sanitären Aufsicht verpflichtet, auf Ersuchen der jeweiligen ausländischen Behörden sanitäre Maßnahmen zu setzen. Dies wirft insofern verfassungsrechtliche Bedenken auf, als dadurch die durch Art. 20 B-VG vorgegebene staatliche Verwaltungshierarchie missachtet wird. Es wird angeregt, vorzusehen, dass die österreichischen Behörden das Ersuchen der ausländischen Behörde zu prüfen und im die Bedarfsfall notwendigen Maßnahmen zu setzen haben. Es ist darauf hinzuweisen, dass Abs. 5 zweiter Satz besser diesem Konzept entspricht als der erste Satz.

Als Beispiel für eine Regelung zwischenstaatlicher Kooperation bei der Setzung notwendiger behördlicher Maßnahmen wird etwa auf § 21 Unfalluntersuchungsgesetz verwiesen, der die internationale Zusammenarbeit bei Vorfällen im Bereich der Luftfahrt regelt.

III. Zu Vorblatt, Erläuterungen und Textgegenüberstellung:

Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst weist auf seine Rundschreiben vom 13. November 1998, GZ 600.824/8-V/2/98 ‑ betreffend Vorblatt und Erläuterungen zu Regierungsvorlagen; Aufnahme eines Hinweises auf Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens ‑ und vom 19. Februar 1999, GZ 600.824/0-V/2/99, – betreffend Legistik und Begutachtungsverfahren; Auswirkungen von Rechtssetzungsvorhaben auf die Beschäftigungslage in Österreich und auf den Wirtschaftsstandort Österreich; Gestaltung von Vorblatt und Erläuterungen ‑ hin, in denen insbesondere um die Aufnahme bestimmter zusätzlicher Hinweise in das Vorblatt und den Allgemeinen Teil der Erläuterungen ersucht wurde.

1. Zum Vorblatt:

Der Abschnitt „EU-Konformität“ wäre durch einen Abschnitt „Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union“ zu ersetzen, der dem Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst vom 6. März 2001, GZ 600.824/0011-V/2/01, – betreffend Legistik und Begutachtungsverfahren; Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften; Gestaltung von Vorblatt und Erläuterungen – entspricht.

3. Zum Besonderen Teil der Erläuterungen:

Die Erläuterungen zu einer Anzahl von Bestimmungen bestehen lediglich aus stichwortartigen Inhaltsangaben. Es sollten jedoch vollständige Sätze gebildet werden.

Diese Stellungnahme wird im Sinne der Entschließung des Nationalrates vom 6. Juli 1961 u.e. auch dem Präsidium des Nationalrats zur Kenntnis gebracht.

 

15. Februar 2006

Für den Bundeskanzler:

Georg LIENBACHER

 

 

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