ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEKAMMER
Körperschaft öffentlichen Rechts
Bundesministerium für Gesundheit und Frauen Radetzkystraße 2 1031 Wien |
Weihburggasse 10 - 12 1011 WIEN |
BMGF-92601/0001-I/B/8/2006
Wien, 15. Februar
2006
Dr. S/Dr. WK/gh
Betrifft: Bundesgesetz,
mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten und das
Ärztegesetz 1998 geändert werden
Sehr geehrte Damen und Herren,
die
Österreichische Ärztekammer nimmt zu dem im Betreff genannten Entwurf wie folgt
Stellung:
Mit dieser Gesetzesnovelle sollen sowohl
Staatsgrenzen überschreitende Kooperationen zwischen Krankenanstalten als auch
die dislozierte Führung von Abteilungen oder sonstigen Organisationseinheiten
im Ausland ermöglicht werden. In diesem Zusammenhang wird vorgesehen, dass
ausländische Ärzte, die im Rahmen solcher Kooperationen oder
Angliederungsverträge tätig werden, nicht Mitglied der örtlich zuständigen
Ärztekammern sein müssen.
Gegen die vorgeschlagenen Regelungen werden
aus Sicht der Patienten und der Ärzte aus folgenden Gründen schwere Bedenken
erhoben:
I. KAKuG
1. §§ 2b Abs. 1 und 19a KAKuG
Die im gegenständlichen Entwurf vorgesehenen
Bestimmungen sehen sowohl inhaltlich als auch örtlich unlimitierte
Kooperations- bzw. Angliederungsmöglichkeiten vor. Die Krankenanstaltenträger
könnten pro futuro mit jeder anderen in- oder ausländischen Krankenanstalt,
inklusive Ambulatorien – wo auch immer gelegen – zusammenarbeiten oder auch
dislozierte Abteilungen oder sonstige Organisationseinheiten im Ausland betreiben.
Bis dato erfordert der Betrieb von
Krankenanstalten in Österreich
1.
die Erfüllung
sämtlicher gesetzlicher Regelungen,
2.
die Einholung
sämtlicher erforderlicher Bewilligungen der zuständigen österreichischen
Behörden,
3.
die Einhaltung
des österreichischen Krankenanstaltenplans / nunmehr ÖSG`s.
Bereits heute sind auch Bundesländer
übergreifende Kooperationen von Krankenanstalten zulässig. Die
Rahmenbedingungen werden durch ein einheitliches
Bundes-Grundsatz-Krankenanstaltenrecht, einen ÖSG, vormals ÖKAP/GGP, ein
einheitliches Berufsrecht und die leistungsorientierte
Krankenanstaltenfinanzierung – somit ein einheitliches Rechtssystem samt
einheitlicher Behördenstruktur - vorgegeben. Dies soll nun ohne Vorliegen
kompatibler rechtlicher Bestimmungen, Standards und effektiver
Überprüfungsmöglichkeiten erweitert werden.
Der Entwurf sieht diesbezüglich lediglich vor,
dass eine Genehmigung nur erteilt werden darf, wenn der Standard von Behandlung
und Pflege zumindest jenem Standard entspricht, der aufgrund der
österreichischen Rechtsordnung gegeben ist.
Wie aber soll eine Österreichische
Landesregierung ausländische Rechtslagen, ausländische Standards und deren
Einhaltung im Ausland auf Gleichwertigkeit überprüfen? Vor allem unter dem
Gesichtspunkt, dass die österreichischen Behörden keine Verfügungsgewalt
über die im Ausland gelegenen
Abteilungen oder sonstigen Organisationseinheiten haben.
Es besteht die Gefahr, dass es durch die
Auslagerung von Krankenanstalten oder die Zusammenarbeit mit Krankenanstaltenträgern
auf dem Gebiet eines anderen Staates – eine örtliche oder fachliche Eingrenzung
sieht der Entwurf nicht vor – z.B. in Ländern mit niedrigerer Kostenstruktur
(wie etwa in der Slowakei, Ungarn, Ukraine, Türkei etc.) zu
Ø
Ausstattungsmängel
der erforderlichen medizinischen Apparate und technischen Einrichtungen,
Ø
unzulänglichen
personellen Ausstattungen,
Ø
de facto (u.U.
nicht formal) niedrigeren Arbeitnehmerschutzstandards,
Ø
de facto (u.U.
nicht formal) geringeren Hygienestandards,
Ø
de facto (u.U.
nicht formal) kaum Qualitätssicherung,
Ø
de facto (u.U.
nicht formal) praktisch keinen Überprüfungsmöglichkeiten,
kommen wird. In diesen Fällen gibt es keine
Sanktionsmöglichkeiten durch die österreichischen Behörden. Die Praxis zeigt,
dass bereits die Überprüfung und Einhaltung dieser Regelungen im Inland
schwierig sind.
Bei zunehmend ökonomischer Betrachtung der
Leistungen im Gesundheitswesen ist es jedoch nahe liegend, Patienten in
angegliederte Krankenanstalten ins billige Ausland zu verlegen. Dies sollte
jedoch im Sinne eines hohen Patientenschutzniveaus vermieden werden.
Aus Patienten-Sicht ist
Ø
mit einer
Verschlechterung der Patientensicherheit (Patientenrechte, Qualitätsmängel,
Zuständigkeit der Patientenanwälte, etc.)
Ø
mit der
Transferierung von Patienten an „billigere“ Krankenanstalten-Standorte im
Ausland,
Ø
mit unklaren
Kostenfolgen sowie
Ø
mit noch weniger
Kontrollmöglichkeiten als bisher
zu rechnen.
Für die österreichischen Spitalsärzte
kann es durch derartige Kooperationen/An- und Ausgliederungen sowohl zu
arbeitsnehmerschutzrechtlichen als auch zu entgeltrechtlichen Nachteilen
kommen. Bei ökonomischer Betrachtungsweise ist es nahe liegend, die
Spitalsärzte pro futuro in jenem Staat anzumelden, der günstigere Entgelt- und
sonstige Rahmenbedingungen bietet um diese sodann Krankenanstalten im
„teureren“ Staatsgebiet zur Arbeitsleistung zuzuweisen. Vice versa kommen
österreichische Spitalsärzte dadurch unter Druck als im Ausland angemeldete und
somit billigere Ärzte in Österreich tätig werden können.
Aus gesundheitspolitischer Sicht liegt
der Verdacht nahe, dass man eine vorbereitende gesetzliche Regelung schafft, um
billige Arbeitskräfte für die Verlagerung ambulanter Leistungen in Spitälern
beschäftigen zu können, bzw. durch Angliederungsverträge billige ambulante
Leistungen aus dem Ausland zuzukaufen.
Aushebelung von der Bedarfsprüfung,
Errichtungs- und Betriebsbewilligung
Eine Staatsgrenzen überschreitende
Kooperation, An- oder Ausgliederung, dislozierte Führung von Abteilungen oder
sonstigen Organisationseinheiten ermöglicht weiters die Umgehung der nach
österreichischem Krankenanstaltenrecht vorgesehenen Bedarfsprüfung. Ob und wie
eine Bedarfsprüfung im Ausland erfolgt bleibt offen. Weiters ist offen, welche
Kriterien derartigen Prüfungen zugrunde zu legen sind. Für welche Patienten
muss Bedarf bestehen? Muss z.B in der Slowakei ein Bedarf für die slowakische
Bevölkerung oder auch für Österreichische Patienten bestehen? Sollen pro futuro
in Österreich Krankenanstalten mit dem Hinweis auf zu erwartende ausländische
Patienten aus im Ausland gelegenen an- oder ausgegliederten oder disloziert
geführten Krankenanstalten genehmigt werden können?
Offen und ungeklärt ist weiters, wie durch
derartige Kooperationen/An- und Ausgliederungen „österreichischen
Finanzierungsregelungen Rechnung getragen (vgl.§ 2b Abs. 1 Z 3)“ werden soll.
Die Erläuterungen geben diesfalls keine Information. Daraus ergeben sich
zahlreiche Fragen, wie z.B:
Ø
Wie werden daher
österreichische Patienten, die im Ausland behandelt werden, abgerechnet? (v.a.
unter dem Gesichtspunkt, dass sog. Fondskrankenanstalten dem
Landeskrankenanstaltenplan zu entsprechen haben)
Ø
Wie erfolgt die
Abrechnung ausländischer Patienten, die am ausländischen Standort einer
österreichischen Krankenanstalt behandelt werden?
Ø
Wie stellt man
fest, ob es sich um eine österreichische Krankenanstalt im Ausland oder eine
ausländische Krankenanstalten im Inland handelt?
Ø
Was hat dies für
weitere Rechtsfolgen?
Ø
Was gilt bei
unterschiedlichen Abrechnungssystemen?
Ø
Müssen eventuell
aus österreichische Patienten bei Behandlungen im Ausland – sofern nach
ausländischem Recht vorgesehen – Zuzahlungen für bestimmte Behandlungen
leisten?
Ø
Was bedeutet
dies steuerrechtlich?
Ø
Wie soll die
Landesgesetzgebung in ausländisches Finanzierungsrecht eingreifen?
2.
Zu § 2b Abs 2 und Abs 3
Die „Aufsichtsregelungen“ der Abs 2 und 3 sind
zu unbestimmt und mehrdeutig.
Ø
Was bedeutet
z.B. „unter ärztliche Aufsicht der in Österreich gelegenen Krankenanstalt“?
Ø
Wer muss diese
Aufsicht durchführen?
Ø
Wer ist dafür
haftungsrechtlich verantwortlich?
Aus den Erläuterungen ist zu diesen Fragen
ebenfalls nichts zu gewinnen.
3.
Zu § 60
Abs 5 KAKuG
Zwar gut gemeint, aber nicht effektiv erscheint auch
die geplante Bestimmung des
§ 60 Abs 5 2. Satz KAKuG. Dort werden ausländische Behörden indirekt
verpflichtet, inländische, mit der sanitären Aufsicht betraute Behörden über
Ergebnisse von auf Ersuchen nationaler Stellen durchgeführter Maßnahmen zu
informieren. Eine derartige Verpflichtung ausländischer Behörden durch den
österreichischen Gesetzgeber kann jedoch nicht wirksam formuliert werden. Es
besteht – und dies zeigt die gesamte Problematik ein weiters Mal auf -
keinerlei Verpflichtung, dass die ausländischen Behörden einem Ersuchen
nationaler Behörden nachkommen.
II. Zu § 36 Abs. 1 Z 4 Ärztegesetz 1998
Mit der vorgeschlagenen Regelung soll es
erstmals möglich werden, dass in Österreich permanent, zeitlich unbefristet und
geplant ausländische Ärzte tätig werden können, ohne österreichischen
Zulassungs – und Registrierungsvorschriften zu unterliegen. Dazu wurde eine
Änderung des § 36 Ärztegesetz ins Auge gefasst, der von seiner Intention her
Ausnahmen nur bei vorübergehenden bzw. durch konkrete zwischenstaatliche
Vereinbarung ärztlichen Tätigkeiten zulässt. Dies führt zu völlig
systemwidrigen und unakzeptablen Ergebnissen und folgenden Problematiken:
Schaffung zweier Arztgruppen:
1. Ärzte,
die wie bisher sämtliche allgemeine und besonderen Voraussetzungen laut
Ärztegesetz 1998 erfüllen müssen, bevor sie in Österreich ärztlich tätig werden
dürfen und
2. „Andere“
Ärzte, deren Voraussetzungen für ein Tätigwerden nicht überprüft werden und die
plötzlich auch nicht mehr in die Österreichische Ärzteliste eingetragen werden.
In österreichischen Krankenanstalten können
damit Ärzte tätig werden, die „auf normalem Weg“ u.U. nicht in Österreich
berufsberechtigt sind, z.B
Ø
weil sie nicht
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen oder
Ø
weil deren
Ausbildung nicht den Mindestanforderungen der europäischen
Anerkennungsrichtlinien entspricht,
Ø
weil sie nicht
über die gesundheitliche Eignung oder die notwendige Vertrauenswürdigkeit
verfügen.
Damit wird das strenge und bewährte
österreichische Berufsrecht unterwandert, weil nur eine Meldung, nicht aber
eine Überprüfung der Voraussetzung zur ärztlichen Berufsausübung durch die
Österreichische Ärztekammer vorgesehen ist. Damit ist es pro futuro auch unklar,
welche und wie lange ausländische Ärzte überhaupt in Österreich tätig sind.
Darüber hinaus erhebt sich die Frage, ob eine
Tätigkeit von ausländischen Ärzten, die nicht in die Ärzteliste eingetragen
sind und nicht den allgemeinen und besonderen Erfordernisse zur ärztlichen
Berufsausübung in Österreich erfüllen, mit den §§ 7 und 8 KaKuG in Einklang zu
bringen ist. Der ärztliche Dienst in Krankenanstalten darf nur von Ärzten
versehen werden, die nach den Vorschriften des Ärztegesetzes zur Ausübung des ärztlichen
Berufes berechtigt sind. Mit der Führung von Abteilungen, Departments oder
Fachschwerpunkten für die Behandlung bestimmter Krankheiten, von Laboratorien,
Ambulatorien oder Prosekturen von Krankenanstalten dürfen nur Fachärzte des
einschlägigen medizinischen Sonderfaches, wenn aber ein Sonderfach nicht
besteht, fachlich qualifizierte Ärzte betraut werden. Für den Fall der
Verhinderung ist die Vertretung durch einen in gleicher Weise qualifizierten
Arzt sicherzustellen. Zudem fusst § 8 KaKuG, der u.a. den ärztlichen Dienst und
die Fortbildung, etc. in Krankenanstalten regelt, auf dem durch das Ärztegesetz
vorgegebenen hohen Niveau.
In diesem Zusammenhang erhebt sich die Frage,
wie sich diese Bestimmungen zur Dienstleistungsrichtlinie und deren Ausnahmen
(Gesundheitsdienstleistung) verhalten?
Diese systemwidrige und problematische
Regelung wird von der Österreichischen Ärztekammer striktest abgelehnt, zumal
eine korrespondierende Bestimmung weder in Deutschland, noch in anderen Ländern
erkennbar ist.
III. Arbeitsmedizin – Übergangsbestimmung zum
FA für Arbeitsmedizin
Die Österreichische Ärztekammer
begrüßt es und hält es für sinnvoll, dass Arbeitsmediziner mit entsprechender
Berufserfahrung die Möglichkeit erhalten, zur Facharztprüfung anzutreten und
nach positivem Bestehen Fachärzte für Arbeitsmedizin werden können. Dafür
sollte das ÄrzteG wie folgt ergänzt werden:
Personen,
die
1.
einen
anerkannten Ausbildungslehrgang gemäß § 38 des Ärztegesetzes 1998 oder §§ 14
und 15 des Ärztegesetzes 1984 erfolgreich abgeschlossen haben und
2.
vor
Ablauf des 31. Dezember 2007 nachweislich zumindest acht Jahre den Beruf als
Arbeitsmedizinerin/Arbeitsmediziner haben,
haben die Möglichkeit, zur
Facharztprüfung im Sonderfach Arbeits- und Betriebsmedizin anzutreten. Die
Österreichische Ärztekammer hat diesen Personen nach positiv abgelegter Prüfung
auf Antrag ein Diplom des Sonderfaches Arbeits- und Betriebsmedizin
auszustellen und sie als „Fachärztin/Facharzt für Arbeits- und Betriebsmedizin“
in die Ärzteliste einzutragen.
Im Hinblick auf die auf Basis von
§ 36 ÄAO 1994 ergangene, teilweise rechtswidrige zweitinstanzliche Judikatur
(Stichwort 6 Jahre Berufserfahrung in nur 5 Jahren erworben) müssen die
Voraussetzungen für einen Prüfungsantritt einfach vollziehbar und überprüfbar
sein. Andernfalls sind zahllose unnötige Verfahren hinsichtlich der
Zulässigkeit des Prüfungsantritts zu erwarten.
IV. Zusammenfassung
Staatsgrenzen überschreitende Kooperationen in der im
Entwurf enthaltenen Form werden – ebenso wie der vorliegende Entwurf einer
Änderung des § 36 ÄrzteG – klar abgelehnt.
Alternativvorschlag:
Wenn derartige Kooperationen ermöglicht werden
sollen um die Versorgung der in dieser Region wohnhaften Bevölkerung zu
verbessern und dafür gesamthaft zu planen so muss zunächst eine räumliche
Begrenzung (Nachbarstaaten) sowie fachliche Eingrenzung (gegenseitige Ergänzung
der Kooperationsspitäler) definiert sein. Aus medizinischer Sicht muss der
Patient daher in die fachlich wie personell entsprechend ausgestattete
Abteilung derartiger Kooperationsspitäler zur Behandlung kommen. Bei
grenzüberschreitenden Kooperationen der Spitäler muss sich aus dem
sanitätsbehördlichen Bewilligungsbescheid und der Anstaltsordnung eine fixe
Zuteilung der Abteilungen auf die jeweiligen Standorte ergeben. Eine Abteilung
darf nur an einem Standort liegen. Das jeweilige ärztliche und nicht ärztliche
Personal wird fix an einer bestimmten Abteilung tätig und unterliegt dem
Berufs- und Arbeitsrecht des jeweiligen Standortes. Dies betrifft insbesondere
die Zulassungs- und Berufsausübungsvorschriften. Die ärztliche Leitung der
jeweiligen Abteilung erfolgt auf Basis des örtliche geltenden
Krankenanstaltenrechts durch dem örtlichen Berufsrecht unterliegende Ärzte.
Weiters muss die Finanzierung klar und transparent geregelt werden.
Weiters sollte das Krankenanstaltenrecht
1.
um eine
umfassende Parteistellung der Ärztekammer in sämtlichen
krankenanstaltenrechtlichen Bewilligungsverfahren sowie
2.
um die
Feststellung, dass die Rufbereitschaftsregelungen pro Krankenanstalten-Standort
und nicht pro Krankenanstalt gelten
ergänzt werden.
Mit freundlichen Grüßen