5/SPET
XXII. GP
Eingebracht
am 31.10.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Stellungnahme zu Petititon
Petition
10 „gegen die Abschaffung Wien, 30.9.2003
der Notstandshilfe und deren Ersatz Burggraf/BÖH
durch die Sozialhilfe neu und damit Klappe: 89989
gegen weitere finanzielle Belastungen Zahl: 411/1191/03
für Städte und Gemeinden";
Z1. 170010.0020/14-L1.3/2003;
Stellungnahme;
An die
Parlamentsdirektion
1017 Wien
e-mail;
gerhard.kiesenhofer@parlinkom.gv.at
Zu der mit
Schreiben vom 11. Juli 2003 übersendeten Petition
10
„gegen die Abschaffung der Notstandshilfe und deren Ersatz
durch die Sozialhilfe neu und damit gegen weitere finanzielle
Belastungen
für Städte und Gemeinden" (Z1. 170010.0020/14-
Ll.3/2003)
nimmt der Österreichische Städtebund wie folgt
Stellung:
I. Allgemeines
Grundsätzlich ist eine Neuordnung des Systems der
materiellen
Grundsicherung zu
begrüßen, da das derzeitige System weder
als effizient noch effektiv angesehen
werden kann.
Grundvoraussetzung
für die Harmonisierung der
Sozialhilfegesetze ist eine
Mindestsicherung in den einzelnen
Leistungssystemen. Das von Bundesminister Dr. Bartenstein via
Medien kolportierte „Dreisäulenmodell" sieht die Versorgung
von
arbeitsfähigen Personen durch das Arbeitsmarktservice
(Grundsicherung und Vermittlung), von
nicht-arbeitsfähigen
Personen durch die Sozialämter
(Grundsicherung und soziale
Rehabilitation) sowie von Personen, die das gesetzliche
Pensionsalter erreicht haben, durch die
Pensionsversicherungsanstalten vor.
Bei diesem Modell wird es im Wesentlichen darauf
ankommen,
wie und durch wen die
Arbeitsfähigkeit definiert wird. Bei
einer Beibehaltung der bisherigen Definition im
Arbeitslosenversicherungsrecht würde dieses Modell eine
massive administrative und auch budgetäre Entlastung der
Länder bedeuten. Da jedoch davon auszugehen ist, dass es zu
einer Neudefinition der Arbeitsfähigkeit
kommen wird, ist die
Einschätzung der Auswirkungen zum jetzigen Zeitpunkt
schlichtweg nicht möglich. Seitens der Städte und Gemeinden
wäre die Koppelung der Arbeitsfähigkeit an den
Gesundheitszustand und nicht (oder nur zum
Teil) an die Dauer
der Arbeitslosigkeit einzufordern. Zugleich sind Regelungen
für den Übertritt vom jeweiligen Leistungssystem ins andere
zu definieren. Auf jeden Fall sind Systeme zu vermeiden, die
das „Herumschieben" von arbeitslosen Menschen von einem
System ins andere fördern.
Des
weiteren erscheint die Ankündigung, dass sich die
Leistungshöhe an der Notstandshilfe orientieren und auf die
zukünftige Leistung kein Rechtsanspruch bestehen wird, als
sowohl demokratie- als auch sozialpolitisch äußerst
bedenklich. Die Streichung von
Rechtsansprüchen stellt jedoch
nicht nur für die Bezieher solcher Leistungen einen Nachteil
dar, sondern könnte ganz massiv Leistungen, die eigentlich
der Bund tragen müsste, an die Länder bzw. an die Gemeinden
und Städte verschieben. Nicht ganz
unbeachtet sollte auch die
Tatsache bleiben, dass soziale Rehabilitation bzw.
Integration wohl höhere Kosten und einen größeren
Personalaufwand verursacht als die reine
Arbeitsintegration
von
arbeitsfähigen und motivierten Klienten.
II. Im Speziellen
Offene Punkte
Des weiteren sind unbedingt auch folgende Punkte einer
Klärung zu unterziehen:
•
Versicherung von Sozialhilfebeziehern bzw. von Personen,
die nun durch ein
neues Leistungssystem im Bereich des
Arbeitslosenversicherungsrechts versorgt
werden sowie die
Anerkennung dieser Zeiten als pensionsbegründende Zeiten
•
Verlust von Ansprüchen (z.B. auf Arbeitslosengeld) durch
den Wechsel in das
System der Sozialhilfe
•
Einkommens- und Vermögensanrechnung sowie alle Fragen,
die
im Zusammenhang mit
dem Ersatz dieser Leistungen stehen
•
Anspruchskreis der Bezieher in beiden Leistungssystemen
(Migranten,
etc.)
Einschätzung der Auswirkungen
Die
Auswirkungen auf die Länder bzw. Gemeinden und Städte
sind aus dem derzeitigen Stand der
Diskussion und auf Grund
des lückenhaften und zum Teil sehr unterschiedlichen
Zahlenmaterials nur sehr schwierig
einzuschätzen.
Eine
erste Grobschätzung ergab, dass - ausgehend von den
Zahlen der Notstandshilfebezieher - mit
einer zusätzlichen
finanziellen Belastung von rund €
800 Mio. zu rechnen wäre,
wobei
Wien mit fast 50 Prozent dieser Summe eindeutig die
Hauptlast zu tragen hätte. Zu berücksichtigen ist, dass der
zusätzliche Aufwand für Personal und
Infrastruktur dabei noch
nicht inkludiert ist.
Weiters
sind bei einer Berechnung der finanziellen
Auswirkungen betreffend Verlagerung der
Notstandshilfe in die
Sozialhilfe folgende Aspekte unbedingt mit zu
berücksichtigen:
Ø In den
Fallzahlen der Sozialhilfe sind alle
mitunterstützten
Familienmitglieder enthalten (Personen).
Um zu vermeiden, dass
unterschiedliche Daten verglichen
werden, muss auf die Anzahl der Haushalte
zurückgegriffen
werden. Die Fallzahlen des Arbeitsmarktservices
orientieren sich ausschließlich an den Beziehern. Die
familiären Konstellationen haben nur bedingt
Auswirkungen
auf die Höhe der Notstandshilfe und werden in den
Fallzahlen nicht berücksichtigt. Sofern beide Ehepartner
bzw. Lebensgefährten Notstandshilfe beziehen, sind sie
jedoch in den Fallzahlen des AMS erfasst.
Ø In den
offiziellen Zahlen des AMS sind Kursbesucher nicht
enthalten.
Ø Die Anzahl der Richtsatzergänzungsbezieher
mit einer
Notstandshilfe sind mit ziemlicher Sicherheit nicht
vollständig erfasst. Es ist daher von einer weit höheren
Anzahl auszugehen. Des weiteren kann die Anzahl der
Personen, die in ein Grundsicherungssystem im Alter
wechseln würden, nicht exakt ausgemacht
werden. Es ist zu
vermuten, dass die Anzahl überhöht
ist.
Ø Die Aufwändungen für Kranken-, Unfall- und
Pensionsversicherung
in der Arbeitslosenversicherung
können nicht festgestellt werden, dürften
sich aber in
etwa mit den Aufwändungen für die Krankenhilfe in der
Sozialhilfe decken.
Aktuelle Situation
Die
Zahlen der Sozialhilfeempfänger sind in den letzten
Jahren übermäßig stark angestiegen, in Wien beispielsweise
beträgt die Steigerung sogar mehr als 100 Prozent. Das führt
bereits jetzt zu prekären finanziellen Situationen, da die
Sozialbudgets der Städte und Gemeinden explodieren und mehr
als ausgereizt sind. Abgesehen
davon sind aber auch die
personellen Kapazitäten der zuständigen Abteilungen
inzwischen mehr als ausgeschöpft. Das führt
bereits soweit,
dass Wartezeiten auf einen Erstvorsprachetermin von bis zu
drei Monaten keine Seltenheit mehr sind. Die geplante
Übertragung der Notstandshilfe in die
„Sozialhilfe neu" würde
daher diese angespannte Situation weiter verschärfen und eine
massive Aufstockung der personellen Ressourcen erforderlich
machen.
Am
Beispiel Wien zeigt sich, dass zur Administration der
„Sozialhilfe neu" ein zusätzlicher
Bedarf von 240
Mitarbeitern erforderlich wäre, wenn man vom derzeitigen
Personalstand der MA 12 wien sozial im
Bereich des
Sozialhilfevollzuges ausgeht. Geht man jedoch von dem
Mitarbeiterstand des AMS aus und der Tatsache, dass die
Anzahl der Notstandshilfebezieher sogar höher ist als die
Anzahl der Arbeitslosengeldbezieher, so ist
- auch angesichts
des schwierigeren Klientels in der Sozialhilfe - mit einem
zusätzlichen Bedarf von bis zu 570
Mitarbeitern zu rechnen.
Die Abtretung von Dauerleistungsbeziehern an die
Pensionsversicherungsanstalten führt zwar zu
Einsparungen,
jedoch
nur zu geringen administrativen Erleichterungen, da
der Vollzug mit durchschnittlich zwei Stunden pro Jahr und
Fall als geringfügig
zu betrachten ist. Nicht zu
unterschätzen sind die voraussichtlichen Mehraufwändungen
sowohl administrativer als auch budgetärer
Natur auf Grund
der Pensionsreform.
Zusammenfassung
Zusammenfassend
wird festgehalten, dass seitens der Städte
und Gemeinden eine Harmonisierung der
Sozialhilfegesetze bei
gleichzeitiger Gewährleistung einer Mindestsicherung
grundsätzlich begrüßt werden würde. Die kolportierte
ausschließliche Überführung der Notstandshilfe in den
Sozialhilfevollzug wird seitens des Österreichischen
Städtebundes allerdings aus folgenden Gründen vehement
abgelehnt:
•
Es
wäre damit die Umwandlung einer gesetzlichen
Versicherungsleistung in eine reine
Fürsorgeleistung
verbunden.
•
Es gäbe dadurch für die betroffenen Personen keinen
Zugang
zu den Leistungen des Arbeitsmarktservices.
•
Es würde dadurch keine Anrechnung der Bezugszeiten für
die Pensionsversicherung erfolgen.
•
Es wäre damit keine Krankenversicherung verbunden.
•
Es würde damit die Möglichkeit von Regressbestimmungen
gegenüber Verwandten bestehen.
•
Die Wiedereingliederung der betroffenen Personen in den
Arbeitsmarkt
wäre beinahe unmöglich.
•
Es würden dadurch wesentlich restriktivere
Zugangsbestimmungen bestehen.
•
Es käme dadurch zu einer Verschlechterung der Situation
für
behinderte Personen.
•
Es wäre damit eine Benachteiligung der Frauen durch die
Einberechnung
des Partnereinkommens verbunden.
•
Es bestünde dadurch die Gefahr einer Diskriminierung von
Migranten.
•
Es wäre dadurch eine massive Personalaufstockung in den
Sozialämtern erforderlich.
•
Die
dadurch für die Städte und Gemeinden entstehenden
zusätzlichen Kosten von rund 800 Millionen
Euro sind von
diesen unter keinen Umständen aufzubringen und würden
daher einen totalen finanziellen Kollaps
bedeuten.
Aus all den zuvor angeführten Gründen wird die
übermittelte
Petition 10 „gegen
die Abschaffung der Notstandshilfe und
deren Ersatz durch die Sozialhilfe neu und damit gegen
weitere finanzielle Belastungen für Städte und Gemeinden"
seitens des Österreichischen Städtebundes ausdrücklich
vollinhaltlich unterstützt.
Abschließend
darf daher bereits jetzt darauf hingewiesen
werden, dass vom Österreichischen Städtebund das Verfahren
nach dem Konsultationsmechanismus ausgelöst
werden müsste,
sollte es seitens des Bundes zur tatsächlichen Umsetzung der
geplanten Maßnahmen und der damit verbundenen vollständigen
Übertragung der
enormen Kosten an die Städte und Gemeinden
kommen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Dr. Friedrich Slovak
Senatsrat