15/SPET XXII. GP

Eingebracht am 04.04.2005
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Stellungnahme zu Petititon

 

 

REPUBLIK ÖSTERREICH

BUNDESMINISTERIUM FÜR JUSTIZ

BMJ-Pr2166/0001-Pr 1/2005

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

 

An die

Parlamentsdirektion

Dr.-Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien

 

 

stellungnahme.PETBI@paralment.gv.at

 

Briefanschrift

1016 Wien, Postfach 63

e-mail
post@bmj.gv.at

Telefon

(01) 52152-0*

Telefax

(01) 52152 2727

Sachbearbeiter:

Mag. Oliver Kleiß

*Durchwahl:

2157

 

 

Betrifft:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen;

Petition Nr. 51 betreffend "Fairness für Yasemin   Kobal und deren Mutter"

 

Zu Zl. 17010.0020/11-L1.3/2005 vom 25. März 2005

 

Bezugnehmend auf die Note vom 15. März 2005, mit der die Petition Nr. 51 betreffend "Fairness für Yasemin Kobal und deren Mutter" des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen übermittelt wurde, beehrt sich das Bundesministerium für Justiz wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Mit Beschluss vom 1. April 2004 ordnete das Bezirksgericht Lienz die Rückgabe des Kindes Yasemin Kobal an seinen Vater Bayram Kobal auf Grund eines Antrags nach dem Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung unter Zugrundelegung eines eingehenden Sachverständigengutachtens an.

Das Landesgericht Innsbruck als Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Mutter nach eingehender Prüfung des Kindeswohls und– was im Rekursverfahren äußerst selten ist – ergänzender mündlicher Anhörung der Sachverständigen mit Beschluss vom 29. Juni 2004 keine Folge. Der Rückgabebeschluss ist in Rechtskraft erwachsen.

2. Da die Mutter das Kind nicht freiwillig herausgab - der Vater war zu diesem Zweck nach Österreich gereist – und sich völlig unkooperativ zeigte, beantragte die Rechtsanwältin des Vaters den Vollzug des Rückgabebeschlusses. Das Bezirksgericht Lienz lehnte den Vollzug zunächst ab; nachdem diese Entscheidung durch das Landesgericht Innsbruck aufgehoben wurde, hörte das Bezirksgericht Lienz die Sachverständige am 16. November 2004 neuerlich. Dabei gab die Sachverständige an, dass das Kindeswohl durch die Abnahme nicht gefährdet sei, wenn eine entsprechende Nachbetreuung des Kindes sichergestellt werde.

Hierauf ordnete das Bezirksgericht Lienz mit Beschluss vom 18. November 2004 Zwangsmittel an. Das Kind sei mit Hilfe der Gerichtsvollzieher der Sachverständigen, die das Kind seit einiger Zeit persönlich kennt, zu übergeben; die Sachverständige erklärte sich einverstanden, mit dem Kind nach Istanbul zurück zu kehren und es dort in angemessener Weise nach zu betreuen (maximal 14 Tage).

Der Vollzug erfolgte am 26. November 2004. Dabei wurde das Kind ohne jeglichen Widerstand der Sachverständigen übergeben. Diese reiste mit dem Kind sodann per Flugzeug nach Istanbul und nahm eine entsprechende Nachbetreuung des Kindes vor.

3. Die Gerichte prüften im Verfahren das Kindeswohl eingehend; da sie keinen Grund dafür sahen, dass die Rückgabe mit einer schwerwiegenden Gefahr für das körperliche und seelische Wohlbefinden des Kindes verbunden ist (Art. 13 des Übereinkommens), ordneten sie die Rückgabe an. Die Abnahme erfolgte ohne körperliche Gewaltanwendung gegen das Kind.

Zu dieser Vorgangsweise ist Österreich auf Grund des Haager Kindesentführungsübereinkommens im Licht der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg verpflichtet. In einem ähnlich gelagerten Fall (Sache Sylvester) wurde die Republik Österreich wegen Verletzung des Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Verletzung des Privat- und Familienlebens) verurteilt, weil Österreich die rechtskräftige Rückgabeentscheidung nicht in Vollzug setzte. In diesem Urteil und in einem ähnlich gelagerten Fall gegen Rumänien brachte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte klar und unmissverständlich zum Ausdruck, dass die Vertragsstaaten des Haager Kindesentführungsübereinkommens verpflichtet sind, eine rechtskräftige Rückgabeentscheidung auch zu vollziehen, wobei als „ultima ratio“ auch Zwangsmittel zur Verfügung stehen müssen.

4. Festzuhalten ist ferner, dass die Türkei das Haager Kindesentführungsübereinkommen korrekt und effizient anwendet. Von sieben aus Österreich kommenden Anträgen wurden fünf bereits positiv erledigt. In einem Fall ordnete das türkische Gericht die Rückgabe eines Kleinkindes an seine Mutter in Österreich an (die Angelegenheit war innerhalb von ca. drei Wochen ab Antragstellung erledigt); In vier Fällen erwirkten die türkischen Behörden eine freiwillige Rückgabe der Kinder nach Österreich; in einem Fall ist das Rechtsmittelverfahren vor dem Obersten Gericht noch anhängig (das erstinstanzliche Gericht ordnete die Rückgabe an). In einem Fall wird die Frage des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes im Zeitpunkt des Verbringens im Vorfeld des gerichtlichen Rückgabeverfahrens geklärt.

5. Zu der im letzten Absatz der Petition Nr. 51 aufgestellten Forderung, „die finanzielle Situation von Herrn Kobal zu überprüfen bzw. im Rechtshilfeweg überprüfen zu lassen, um eine allenfalls mögliche Rückzahlung der Verfahrenshilfe innerhalb des festgelegten Zeitraumes von drei Jahren sowie der geleisteten Unterhaltsvorschüsse zu erwirken“, ist darauf hinzuweisen, dass die Prüfung der Voraussetzungen und die allfällige Verpflichtung zur Rückzahlung sowohl der Verfahrenshilfe in den Bereich der unabhängigen Rechtsprechung fällt. Zur Frage der Gewährung und allfälligen Rückforderung von Verfahrenshilfe ist anzumerken, dass die finanzielle Situation des Vaters aufgrund der gesetzlichen Gegebenheiten nicht geprüft wurde, weil die Verfahrenshilfe nach § 5 Abs. 3 des Durchführungsgesetzes zum Haager Kindesentführungsübereinkommen, BGBl. Nr. 513/1988, ohne Rücksicht darauf, ob die im § 63 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Voraussetzungen vorliegen, einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts zu bewilligen war. Das bedeutet, dass die Verfahrenshilfe dem Antragsteller in diesem Sonderfall unabhängig von seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen zu gewähren ist.

Was die Unterhaltsbevorschussung anlangt, so wurde mit Schreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 9. Dezember 2004  der Vater zur Rückzahlung des Unterhaltsvorschusses bis 9. Februar 2005 bei sonstiger Zwangsvollstreckung aufgefordert.

30. März 2005
Für die Bundesministerin:
Mag. Peter Hadler

 

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