V-3 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen
des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

Donnerstag, 3. Juli 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen
des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXII. Gesetzgebungsperiode                          Donnerstag, 3. Juli 2003

 

 

 

Tagesordnung

 

1.)

SERVICES 43/03 REV 1

Kommission Arbeitsunterlage/Dokument der Kommissionsdienststellen

Sitzung Ad hoc Ausschuss Artikel 133 (Dienstleistungen)

am 7. Mai 2003/GATS/Vergabewesen

(8861/EU XXII.GP)

 

2.)

Rat Arbeitsunterlage

Ausschuss Artikel 133 (Dienstleistungen), WTO, GATS, EU-Angebot

(8384/EU XXII.GP)

 

 


Der EU-Unterausschuss des Nationalrats befasste sich heute ein weiteres Mal mit den Verhandlungen auf internationaler Ebene über eine weitere Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen. Wirtschaftsminister Martin Bartenstein informierte die Abgeordneten über den Stand der Verhandlungen und versicherte, dass seitens der EU keine Liberalisierungszusagen in den Bereichen audiovisuelle Medien, Gesundheit, Soziales, Wasserversorgung, Bildung und Personennahverkehr gemacht worden seien, was von den Ausschussmitgliedern auch begrüßt wurde. Bartenstein rechnet nicht damit, dass sich an dieser Position im Rahmen der Verhandlungen etwas ändern wird, sagte den Abgeordneten aber zu, sie gegebenenfalls sofort zu informieren.

 

Die Grünen forderten dennoch einen sofortigen Stopp der Verhandlungen und begründeten dies damit, dass dort eine Eigendynamik eingetreten sei, die weder von der EU, geschweige von Österreich, wirklich gesteuert werden könne. Abgeordnete Michaela Sburny plädierte dafür, zunächst zu evaluieren, was die bisherigen Liberalisierungen im Dienstleistungsbereich gebracht hätten und den Liberalisierungsprozess erst dann in geregelter Form fortzusetzen.

 

Dieser Vorschlag wurde nicht nur von den Koalitionsparteien, sondern auch von der SPÖ abgelehnt. Abgeordneter Caspar Einem forderte aber einige Punkte ein, um den Risken des Liberalisierungsprozesses vorbeugend zu begegnen. Seitens der ÖVP wiesen die Abgeordneten Günter Stummvoll und Werner Fasslabend sowie Wirtschaftsminister Bartenstein auf die Bedeutung der Dienstleistungsexporte für Österreich hin. "Freihandel und Liberalisierung bringen allen etwas, wenn man sie richtig macht", unterstrich Bartenstein. Von allen Fraktionen ausdrücklich gelobt wurde die laufende umfassende Information der Abgeordneten über die GATS-Verhandlungen durch den Minister.

 

Der GATS-Vertrag (General Agreement on Trade in Services) ist in Österreich seit 1995 in Kraft und regelt Fragen der Liberalisierung des Dienstleistungsbereiches. Die Verhandlungen über eine neue Liberalisierungsrunde haben im Jahr 2000 begonnen. Nachdem im Jahr 2002 alle Mitgliedsländer der WTO Forderungen nach Liberalisierung bestimmter Dienstleistungsbereiche an andere Länder formulieren konnten, mussten sie bis zum 31. März dieses Jahres jene Bereiche bekannt geben, die sie selbst liberalisieren werden.

 

Eingangs der Ausschusssitzung berichtete Wirtschaftsminister Martin Bartenstein über die von der EU gemachten Angebote und die österreichische Position. Das Herzstück des EU-Angebots betrifft seiner Auskunft nach den vorübergehenden Aufenthalt von Ausländern in der EU zum Zweck der Erbringung von Dienstleistungen ("mode 4"), eine wesentliche Forderung der Entwicklungsländer. Es gebe "übertriebene Befürchtungen", meinte er, dass sich das negativ auf den Arbeitsmarkt in Österreich auswirken werde, er könne diese aber nicht teilen. Man habe nämlich dezidiert festgehalten, dass weiterhin Visa, Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen verlangt werden könnten und die nationalen Vorschriften über Arbeitsbedingungen wie Mindestlöhne, Tarifverträge und dergleichen gelten.

 

Bartenstein zufolge läuft die Diskussion auf eine Quotenregelung hinaus, wobei Österreich darauf bestehen wolle, dass bei der Umlegung der EU-Quote auf die einzelnen Mitgliedsländer der Arbeitsmarktbedarf in Betracht zu ziehen ist. Zur Öffnung angeboten hat die EU weiters etwa Post- und Kurierdienstleistungen, wobei dies nicht für Briefe bis 350 g gilt und die Pflicht zur Aufrechterhaltung von Universaldiensten explizit abgesichert wurde.

 

Ausdrücklich betonte Bartenstein, dass es seitens der EU keine neuen Verwendungszusagen in den Bereichen audiovisuelle Medien, Kultur, Bildung, Gesundheit, Soziales, Wasserversorgung und Personennahverkehr gebe. Das Angebot der EU sei also "durchaus moderat ausgefallen", skizzierte er. Insgesamt sind seinen Informationen nach 27 Liberalisierungs-Angebote eingelangt. Wichtige Entwicklungsländer wie Indien und Brasilien hätten aber noch kein Angebot vorgelegt.

 

Was die Liberalisierungs-Forderungen der EU an andere Länder betrifft, unterstrich Bartenstein, dass diese primär auf die industrienahen und geschäftlichen Dienstleistungen abstellten und es keine Forderungen im Bereich audiovisuelle und kulturelle Dienstleistungen, Gesundheit sowie Bildung und Erziehung, beim letzten Punkt allerdings ausgenommen die Vereinigten Staaten, gebe. Die EU selbst hat ihm zufolge von 35 WTO-Mitgliedern Forderungen erhalten. Ausdrücklich festgehalten wurde von Bartenstein, dass letztendlich jedes Mitglied selbst und autonom entscheide, welche Zugeständnisse es macht.

 

Allgemein gab der Wirtschaftsminister zu bedenken, es gebe im Bereich des Handels mit Dienstleistungen mehr Handelshemmnisse als man glauben würde, auch bei industrienahen Dienstleistungen. Auch wird seiner Ansicht nach unterschätzt, welchen Anteil Dienstleistungen an den Exporten Österreichs haben. Befürchtungen, dass eine weitere Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen nationale Spielräume bei der der Verfolgung wirtschaftspolitischer und sozialer Ziele einengen könnte, hält er für ungerechtfertigt.

 

Abgeordneter Caspar Einem (S) sprach sich dezidiert gegen einen Stopp der GATS-Verhandlungen aus und räumte ein, dass es für Österreich angesichts seiner Exportverschränkung von besonderem Interesse sei, Regeln für Dienstleistungsexporte zu finden, die möglichst einheitlich und verlässlich seien. Die SPÖ sehe aber auch Risken einer weiteren Liberalisierung, skizzierte er. In diesem Sinn brachte Einem einige Forderungen vor.

 

Unter anderem verlangt die SPÖ von Wirtschaftsminister Bartenstein, er solle sich in der EU mit Nachdruck dafür einsetzen, dass die Position der EU, den Bereich der öffentlichen Dienstleistungen von Liberalisierungen auszunehmen, im Verlauf der Verhandlungen nicht verändert wird. Auch will sie erreichen, dass bei erkennbar negativen Ergebnissen von Liberalisierungsschritten diese auf vereinfachte Weise - ohne Kompensationsmaßnahmen - wieder zurückgenommen werden können. Außerdem fordert die SPÖ, Liberalisierungs-Forderungen der EU an andere WTO-Mitglieder, die Bereiche von öffentlichem Interesse betreffen, zurückzuziehen. Man könne nicht von anderen Staaten Liberalisierungen in Bereichen verlangen, die man selbst nicht öffnen wolle, konstatierte Einem, das schwäche die eigene Position.

 

Was "mode 4" betrifft, gilt es laut Einem zu beachten, dass es zu keinen negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt kommt. Das Instrument der Arbeitsmarktbedarfsprüfung dürfe in diesem Sinn nicht vorschnell aufgegeben werden. Insgesamt gehe es der SPÖ, so Einem, darum, zu gewährleisten, dass nationale Handlungsspielräume aufrecht erhalten werden können. Ein von der SPÖ eingebrachter Antrag, den Wirtschaftsminister an die Forderungen der SPÖ zu binden, erhielt bei der Abstimmung jedoch keine Mehrheit.

 

Abgeordnete Michaela Sburny (G) lobte zwar die umfassenden Informationen über die GATS-Verhandlungen durch den Wirtschaftsminister, sie vermisst aber, wie sie sagte, eine breite öffentliche Diskussion im Vorfeld der einzelnen Verhandlungsphasen. Sburny glaubt, dass bei den Verhandlungen eine Eigendynamik eingetreten ist, die weder von der EU, geschweige von Österreich, wirklich gesteuert werden könnte, und verlangte in diesem Sinn einen sofortigen Stopp der Verhandlungen. Es solle zunächst evaluiert werden, was die bisherige Liberalisierung gebracht habe, und der Liberalisierungsprozess erst dann in geregelter Form fortgesetzt werden.

 

Das Argument, dass Liberalisierungen im Rahmen von GATS vor allem auch im Interesse der Entwicklungsländer seien, könne sie nicht teilen, betonte Sburny. Vielmehr hätten diese aufgrund der Machtverhältnisse eine wesentlich schwächere Position und seien im ganzen Verhandlungsprozess benachteiligt. Ausdrücklich sprach sich die Abgeordnete auch dagegen aus, von anderen Ländern etwas zu fordern, was man selbst nicht bereit sei herzugeben. Das Liberalisierungs-Angebot der EU an die anderen Staaten wertete sie als "im Wesentlichen nachvollziehbar und in Ordnung".

 

Ebenso wie die SPÖ kritisierte Sburny die grundsätzliche Unumkehrbarkeit von einmal zugesagten Liberalisierungen. Das führe dazu, dass das WTO-Schiedsgericht nationale Bestimmungen "overrulen" könne. Auch die Grünen brachten einen Antrag mit ihren Forderungen ein, der jedoch über die Antragsteller hinaus bei der Abstimmung keine Unterstützung fand.

 

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) sprach sich dagegen aus, die GATS-Verhandlungen zu unterbrechen. Wenn man politische Verantwortung trage, müsse man auch Entscheidungen treffen, unterstrich er. Ein ständiges Aufschieben von Entscheidungen sei nicht sinnvoll.

 

Erfreut zeigte sich Stummvoll darüber, dass es in sensiblen Bereichen wie Wasserversorgung, Gesundheit, Soziales und Bildung zu keinen Veränderungen für Österreich kommen werde. Er ersuchte den Wirtschaftsminister um sofortige Informationen, sollte sich daran etwas ändern. Allgemein gab er zu bedenken, dass Österreich bei Dienstleistungen wesentlich stärker am Weltmarkt präsent sei als bei Waren und daher von weiteren Liberalisierungen profitieren würde. Hinsichtlich der Liberalisierung grenzüberschreitender Dienstleistungen durch Personen mit vorübergehendem Aufenthalt äußerte Stummvoll keine Bedenken.

 

Abgeordneter Maximilian Hofmann (F) verwies auf die Notwendigkeit, bei der Liberalisierung von Dienstleistungen auf den Arbeitsmarkt Rücksicht zu nehmen. Für ihn ist es außerdem durchaus sinnvoll, dass Parlamentarier in die internationalen Liberalisierungsverhandlungen einbezogen werden.

 

Abgeordnete Petra Bayr (S) unterstrich, Liberalisierung dürfe kein Selbstzweck sein, alle Schritte sollten unter der Prämisse der weltweiten Armutsbekämpfung stehen. Die Entwicklungsländer müssten als gleichberechtigte Partner im Liberalisierungsprozess auftreten können. Bayr sprach sich etwa dagegen aus, von Entwicklungsländern eine Liberalisierung der Trinkwasserversorgung zu fordern, da damit diesen Ländern die Möglichkeit genommen werde, eigene Dienstleistungsstrukturen aufzubauen. Befürchtungen hat die Abgeordnete, dass bei weiteren Liberalisierungen Beschränkungen in Entwicklungsländern, die im Sinne der Nachhaltigkeit, der Arbeitsplatzschaffung oder der Nahversorgung durchaus sinnvoll seien, etwa im Bereich des Tourismus oder des Grunderwerbs, als Handelshindernisse interpretiert werden könnten.

 

Abgeordneter Werner Fasslabend (V) wies auf die hohe Bedeutung von Dienstleistungsexporten für Österreich hin und begrüßte in diesem Sinn die Einleitung einer weiteren Phase der Liberalisierung in diesem Bereich. Insbesondere aufgrund der weltweit schwachen Konjunktur sei dies wichtig, betonte er. "Selbstverständlich" ist für Fasslabend, dass man mit Entwicklungsländern fair umgeht.

 

Abgeordnete Heidrun Walther (S) erachtet es für erforderlich, den öffentlichen Verkehr auch in Zukunft als öffentliche Dienstleistung aufrecht zu erhalten, nicht nur um die Mobilität sicherzustellen, sondern auch um Arbeitsplätze zu sichern. Sie wandte sich daher sowohl gegen eine Privatisierung dieses Bereichs als auch gegen eine Liberalisierung. Ihre FraktionskollegInnen Marianne Hagenhofer und Hans Moser wiesen auf die Notwendigkeit der Beibehaltung von Arbeitsmarktbedarfsprüfungen bei der Liberalisierung grenzüberschreitender Dienstleistungserbringung hin.

 

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein verteidigte das Prinzip der grundsätzlichen Unumkehrbarkeit von Liberalisierungsschritten und gab zu bedenken, dass das gesamte GATS-System auf Geben und Nehmen aufgebaut sei. Einseitige Rücknahmen wären daher problematisch. Auch die Regelung hinsichtlich der WTO-Schiedsgerichtsbarkeit beurteilte er positiv, auch wenn nicht alle Entscheidungen zugunsten Europas ausgingen.

 

Forderungen der EU an andere WTO-Mitglieder können seiner Meinung nach durch Österreich kaum beeinflusst werden, wenn diese von anderen EU-Staaten als vordringlich gesehen würden. Österreich selbst hat ihm zufolge de facto keine Forderungen gestellt.

 

Was die Frage der Entwicklungsländer betrifft, machte Bartenstein geltend, dass gerade diese die vehementesten Gegner von multilateralen Umwelt- und Sozialabkommen seien. In Richtung Abgeordneter Walther merkte er an, man dürfe Liberalisierungs- und Privatisierungsmaßnahmen nicht gleichsetzen, auch auf dem Strommarkt habe es eine Liberalisierung gegeben, ohne dass damit gleichzeitig Privatisierungen verbunden gewesen seien.