V-4 der Beilagen zu den
Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP
Beratungen
des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union
(Auszugsweise Darstellung)
Montag,
24. November 2003
Beratungen
des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union
(Auszugsweise Darstellung)
XXII.
Gesetzgebungsperiode Montag,
24. November 2003
Tagesordnung
RAT 13905/03
Ökopunktesystem/Schwerverkehr
durch Österreich 2004
(17499/EU
XXII.GP)
Kaum Hoffnung auf eine für Österreich
akzeptable Lösung in der Transitfrage kam einen Tag vor der Sitzung des
Vermittlungsausschusses von Rat und Europaparlament im Ständigen Unterausschuss
in Angelegenheiten der Europäischen Union auf. Trotzdem man sich darin einig
war, dass die Regierung alles tun müsse, um die drohende Transitlawine durch
Österreich zu verhindern, konnte auch heute zur Frage des Öko-Punktesystems
kein gemeinsamer Standpunkt von Regierungsparteien und Opposition erzielt
werden.
Große Meinungsunterschiede gab es in der
Beurteilung, wo die Fehler lagen, die zu der nun für Österreich in der Frage
des Transits so misslichen Situation auf EU-Ebene geführt haben. Während die
Opposition den Eindruck hatte, die Regierung, sei froh darüber, dass die
Regelung "stirbt" (Abgeordneter Caspar Einem - S, und Abgeordnete
Eva Lichtenberger - G) und der Regierung vorwarf, ein Schauspiel zu
liefern, versicherten die Vertreter von ÖVP und FPÖ, dass seitens der Regierung
alles getan worden sei und getan werde, um eine annehmbare Lösung für
Österreich zu erreichen. Caspar Einem (S) und Eva Lichtenberger (G),
aber auch Klaus Wittauer (F) orteten ein Glaubwürdigkeitsproblem
Österreichs in Brüssel, da man ihrer Meinung nach zu sehr der Frächterlobby
nachgegeben und die Bundesregierung dem Wunsch der Landeshauptlaute nach
Ausnahmeregelungen entsprochen habe.
Ein von Grünen und SPÖ eingebrachter
Antrag auf Stellungnahme, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird
"alles zu unternehmen, um eine 'Lösung' zu verhindern, die eine faktisch
unbegrenzte Verkehrszunahme im LKW-Transit zuließe, und keinem Beschluss
zuzustimmen, welche eine solche Scheinlösung auf Rücken von Mensch und Umwelt
zur Folge hätte", wurde von den Mitgliedern der Regierungsparteien mit dem
Argument abgelehnt, die Regierung und insbesondere der zuständige
Minister tue ohnehin alles, um noch ein positives Ergebnis für Österreich zu
erzielen. Es hätte aber keinen Sinn, ihn zu binden, denn die Realität sei, dass
die Hoffnung wahrscheinlich nicht erfüllt werde.
Staatssekretär Helmut Kukacka, der Bundesminister Gorbach in diesem
Ausschuss vertrat, unterstrich aus seiner Sicht die Tatsache, dass sich alle
Verkehrsminister, auch jene der SPÖ, immer für eine vernünftige Übergangslösung
des Transitvertrages eingesetzt hätten, man sei aber auf Grund der harten
Haltung in Europa nicht in der Lage gewesen, dies auch umzusetzen. Die Position
der Bundesregierung sei unverändert, Bundesminister Gorbach werde im morgigen
Vermittlungsausschuss versuchen, das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.
Österreich behalte sich auch vor, zum EuGH zu gehen.
Der Vorschlag, den die ständigen Vertreter
der Länder im COREPER am 21. November mehrheitlich beschlossen haben, bringe,
wie Kukacka berichtete, ein noch schlechteres Ergebnis als am 29. Oktober
vorgelegen ist. Dieses bedeute nämlich einen freien Transit der Euro 4 und die
Liberalisierung jener Euro 3-LKW-Fahrten, die fünf und weniger Öko-Punkte
verbrauchen. Damit werde es laut Kukacka zu einer weitgehenden Befreiung vom Öko-Punktesystem
kommen. Die Reduktion der Öko-Punkte-Kontingente sei erneut verkürzt worden,
und zwar im Jahr 2003 auf 40 %, 2004 auf 32 %, 2005 auf 30 % und 2006 auf 28 %.
Die Reduktion zu den bisherigen Vorschlägen um 8 % komme deshalb nicht zum
Tragen, weil nicht nur die Fahrten der Euro 4, sondern auch der Großteil der
Euro 3-Fahrten liberalisiert würde. Gegen diesen Vorschlag hätte nicht nur
Österreich gestimmt, sondern auch Belgien und die Niederlande, aber diese
beiden Länder strebten eine völlige Liberalisierung an.
Abgeordneter Josef Cap (S) beurteilte die gegenwärtige Situation als
ein Desaster und warf der Regierung vor, in den letzten vier Jahren falsch
agiert zu haben und nicht vernünftig vorgegangen zu sein. Die Fehlerkette hätte
am 21. Juli 2001 begonnen, als die drei Bundesministerinnen Ferrero-Waldner,
Riess-Passer und Forstinger bei der Kommission gewesen seien und man auf die
Obergrenze verzichtet habe, ohne gleichzeitig eine anderweitige verbindliche
Zusage seitens der Kommission zu fordern. Darüber hinaus sei das Lobbying der
österreichischen und europäischen Frächter erfolgreich gewesen. Österreich sei
auch nicht seinen beim Beitritt eingegangenen Verpflichtungen hinsichtlich des
Ausbaus der Schieneninfrastruktur nachgekommen.
Ähnlich argumentierte Abgeordneter
Caspar Einem (S), der hinter dem Agieren der Regierung ein Schauspiel
vermutete, denn tatsächlich würden seiner Ansicht nach seit Jahren die
Interessen der österreichischen Frächter vertreten. In Wahrheit sei die
Regierung froh, wenn die Regelung sterbe, sie wolle aber die Schuld der EU
zuweisen. Österreich sei immer mit Maximalpositionen nach Brüssel gegangen, um
daheim gut dazustehen, jedoch im Bewusstsein, dass man dies nicht erreichen
werde. Zur Untermauerung seiner Auffassung skizzierte Einem die Geschichte der
Brenner-Maut und des Road Pricings und erinnerte daran, dass es auch
hinsichtlich einer Transit-Übergangsregelung Vorschläge der Kommission gegeben
habe, denen die Außenministerin zugestimmt hätte. Der Bundeskanzler habe dies
aber verhindert, weil die Landeshauptleute dagegen gewesen seien. Es sei daher
auch nicht überraschend, dass der Ständige Vertreter Österreichs in Brüssel
gegenüber dem Präsidenten des Europäischen Parlaments keinen österreichischen
Standpunkt vertreten habe können, weil es eben keinen gebe. Für die Haltung der
Regierungsparteien, dem vorliegenden Antrag auf Stellungnahme nicht
zuzustimmen, fand Einem kein Verständnis, da dieser so formuliert sei, dass er
dem Minister keinesfalls die Hände bindet.
Sein Klubkollege Erwin Niederwieser
bedauerte die Haltung von FPÖ und ÖVP ebenso und vertrat die Auffassung, dass
man die Dinge realistisch sehen und man die Forderungen Österreichs mit der
neuen Wegekostenrichtlinie verknüpfen müsse. Im Primärrecht habe sich die EU
auf eine Schadstoffreduktion verpflichtet, sagte Niederwieser und beurteilte
die Entscheidung des Europäischen Parlaments in der Transitfrage nicht so
negativ, da hier mit Bezug auf die Alpenkonvention ein ökologischer Ansatz zu
finden sei.
Auch Abgeordnete Eva Lichtenberger (G)
sprach von einem Desaster, da zum jetzigen Zeitpunkt keine gute Lösung mehr
möglich sei. Sie hätte es für besser gefunden, auf die Öko-Punkte zu verzichten
und die Obergrenze beizubehalten. Auf die Begrenzung der Fahrten zu verzichten,
war nach Meinung Lichtenbergers eine verfehlte Strategie. Jetzt müsse man alles
daran setzen, die Anzahl der Öko-Punkte niedriger zu setzen als tatsächlich zur
Verfügung stehen, zumal auch die Euro 3 fast gänzlich liberalisiert werden.
Im Gegensatz zu Abgeordnetem Cap setzte
sie den Beginn der Fehlerkette bereits beim Beitrittsvertrag an, wo wesentliche
Punkte heraus gefallen seien. Dennoch hätte Österreich Chancen gehabt, die
nicht genutzt worden seien. Insbesondere habe Österreich in Brüssel ein
Glaubwürdigkeitsproblem. So habe man beispielsweise die Fertigstellung des
Brenner-Basistunnels für 2020 ohne Finanzierungsplan vorgelegt, es werde auch
kein Spediteur den Brenner-Basistunnel benützen, wenn die Maut nicht
entsprechend hoch ist. Lichtenberger kritisierte scharf die Zustimmung des
ehemaligen Ministers Reichhold zur Subvention von Diesel für die Frächter. Nach
der Tunnelkatastrophe in Frankreich hätte man die Möglichkeit nützen können,
Allianzen zu schmieden, meinte sie. Die Grün-Mandatarin forderte daher,
unverzüglich innerstaatliche Maßnahmen zur Eindämmung des Transits zu setzen.
Auch sie warf der Regierung vor, zu sehr
auf die Landeshauptleute gehört zu haben. So sei beispielsweise die von
Bundesminister Einem ausverhandelte Maut ein guter Kompromiss gewesen. Dieser
sei aber an Bundesminister Farnleitner und den Landeshauptleuten gescheitert.
Es müsse nun gelingen, so Lichtenberger, in die Übergangsbestimmungen eine
Formulierung einzubauen, die auch für die neue Wegekostenrichtlinie eine höhere
Bemautung der Transitrouten in sensiblen Zonen einschließt.
Inhaltlich stimmte Abgeordneter Klaus
Wittauer (F) dem Antrag auf Stellungnahme zu, aber die Realität sehe anders
aus, sagte er. Der Verkehrsminister werde alles tun, um ein gutes Ergebnis nach
Hause zu bringen, die Aussicht auf Erfolg schätze er aber gering ein. Auch
Wittauer unterstrich, dass sich alle bisherigen Minister bemüht hätten, ernste
Verhandlungen zu führen, die Mehrheit in Europa wolle aber etwas anderes. Er
konzedierte, dass Österreich in Brüssel nicht immer glaubwürdig aufgetreten
sei, da man dem Lobbying der einheimischen Frächter nachgekommen sei. Die
Länder hätten immer wieder Ausnahmen durchgesetzt, sie selbst hätten kaum
Maßnahmen ergriffen. Die Verhandlungen mit Brüssel sind seiner Meinung nach
gelaufen, man müsse jetzt nationale Maßnahmen umsetzen, die der Bevölkerung helfen, zumal mit der
EU-Erweiterung das Transitproblem weiter verschlimmert werde.
Wittauer bedauerte, dass Österreich zur
Durchsetzung so wesentlicher Fragen nie sein Abstimmungsverhalten bei
Einstimmigkeitsmaterien in die Waagschale gelegt habe. Er werde jedoch für sich
selbst zu klären haben, ob er am 3. Dezember der Ratifizierung der
EU-Erweiterung zustimmen werde.
Der Vorsitzende des Ausschusses, Werner
Fasslabend (V), wies den Vorwurf zurück, bei den Aktionen der Regierung
handle es sich um ein Schauspiel. Auch Einem hätte als damaliger
Verkehrsminister trotz größtem Einsatz kaum korrigieren können. Es sei daher
schmerzhaft, wenn man nun unter schlechteren Bedingungen etwas einfordere, was
man selbst nicht geschafft habe. Damit begründete Fasslabend auch die Ablehnung
des Antrags auf Stellungnahme durch die Regierungsparteien und meinte, man
solle von Formalismen weggehen und sich zusammenfinden, damit Österreich in
Brüssel an einem Strang ziehe. Seinen Vorwurf an Deutschland, wo das Außen- und
Umweltressort bei den Grünen liege und Deutschland trotzdem zu den größten
Gegnern einer zufrieden stellenden Transitlösung gehöre, begegnete Abgeordnete
Eva Lichtenberger (G) mit dem Hinweis, dass die CSU im Europäischen
Parlament zu den größten Scharfmachern gehöre. Dazu warf Abgeordneter Georg
Keuschnigg (V) in Richtung der Grünen ein, dass es nicht angehe, vorher das
Machbare zu bekämpfen und dann zu kritisieren.
Mit dem gleichen Vorwurf kommentierte auch
Abgeordneter Karl Donabauer (V) das Abstimmungsverhalten der Grünen im
Europäischen Parlament und bezeichnete dieses als kontraproduktiv. Er
verteidigte das Bemühen des Bundeskanzlers, mit den Verantwortlichen der
Republik und der Parteien ein gemeinsames Vorgehen zu finden. Donabauer zeigte
sich auch überzeugt, dass Bundesminister Gorbach engagiert bis zur letzten
Minute verhandeln werde, dafür brauche er aber kein Begleitdokument. Außerdem
sei der Vier-Parteien-Entschließungsantrag des Bundesrates eine klare
Botschaft, sagte Donabauer.
Abgeordneter Roderich Regler (V) zitierte das Protokoll Nr. 9 des
Beitrittsvertrages und unterstrich, damals sei nicht mehr erreichbar gewesen.
Österreich sei aber zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass mit Auslaufen
des Transitvertrages auf europäischer Ebene eine Regelung im Rahmen einer neuen
Wegekostenrichtlinie erreicht werden könne. Der erste Vorschlag der
Europäischen Kommission für die Wegekostenrichtlinie habe zwar die sensiblen
Strecken umfasst, dies sei aber von Deutschland, Italien und Frankreich
herausreklamiert worden. Er widersprach der Opposition, die Verpflichtungen im
Bereich des Schienenausbaus seien nicht eingehalten worden, und wies auf die
Unterinntalstrecke, die Tauernbahn, die Pyhrn-Route und den Brenner-Basistunnel
hin. Zur Kritik Lichtenbergers hinsichtlich der Obergrenze meinte er, dass es
schon ein Wunder gewesen sei, die 108 % aus dem EWR-Vertrag hinüberzuretten.
Jedem Realisten sei klar gewesen, dass es ab 2004 keine Obergrenze mehr geben
werde. Das Road Pricing habe man verschoben, weil man ein moderneres System
bauen wollte. Regler verteidigte auch das Vorgehen des Bundeskanzlers, sich mit
den Landeshauptleuten abzusprechen. Langfristig, so Regler, müsse es gelingen,
externe Kosten in umweltsensiblen Zonen einheben zu können und dies auch in der
neuen Wegekostenrichtlinie zu verankern.
Abschließend nahm noch einmal Staatssekretär Kukacka Stellung und machte deutlich, dass die Regierung in Laeken niemals eine Zustimmung für eine Übergangslösung erhalten hätte, wenn man nicht auf die Obergrenze verzichtet hätte. Ebenso betonte er, dass Österreich seine Rahmenverpflichtungen fristgerecht erfüllt habe. Er halte nichts davon, wenn man sich einen Tag vor der entscheidenden EU-Sitzung den Schwarzen Peter zuschiebe. Es hätten sich alle Minister seit dem Beitritt Österreichs zur EU ernsthaft um eine vernünftige Lösung der Transitfrage bemüht, man könne aber nicht die derzeitige Bundesregierung für die aktuelle Situation verantwortlich machen. Jedenfalls komme Bundesminister Gorbach all dem nach, was im vorliegenden Antrag auf Stellungnahme verlangt werde, und man werde auf keinen Fall einer Scheinlösung zustimmen, versicherte Kukacka.