V-12 der Beilagen zu den
Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP
Beratungen
des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union
(Auszugsweise Darstellung)
Donnerstag,
17. November 2005
Beratungen
des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union
(Auszugsweise Darstellung)
XXII. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 17. November 2005
Tagesordnung
1. KOM (05) 184 endg.
Mitteilung der
Kommission an den Rat und das Europäische Parlament
Das Haager Programm:
Zehn Prioritäten für die nächsten fünf Jahre
Die Partnerschaft zur
Erneuerung Europas im Bereich der Freiheit, der Sicherheit und des
Rechts
(52525/EU XXII.GP)
2. KOM (05) 94 endg.
Mitteilung der
Kommission
Grünbuch
"Angesichts des demografischen Wandels - eine neue Solidarität zwischen
den
Generationen"
(49024/EU XXII.GP)
Tagesordnungspunkt 1: "Haager Programm"
Geschäftsordnungsdebatte
Bevor die
Mitglieder des Ausschusses in die Debatte eingingen, meldete sich Abgeordneter
Peter Schieder (S) zur Geschäftsbehandlung zu Wort. Er wies zunächst darauf
hin, dass die auf der Tagesordnung stehende Vorlage vom Mai 2005 stamme und von
der Parlamentsdirektion im Juni übermittelt worden sei. In der Zwischenzeit sei
wahrscheinlich manches realisiert worden, worüber auch Dokumente vorliegen
müssten. Schieder kritisierte unter Bezugnahme auf § 31 b Abs. 3 GOGNR, dass
diese Dokumente nicht verteilt worden seien, was aber notwendig und
geschäftsordnungskonform gewesen wäre. Die Abgeordneten müssten über eine aktuelle
Information verfügen. Dem schloss sich auch Abgeordneter Peter Pilz (G)
an und sagte, zu den 10 Punkten des Haager Programms lägen jede Menge
Unterlagen vor.
Ausschussvorsitzender
Werner Fasslabend (V)
hielt dazu fest, dass alle Dokumente elektronisch zur Verfügung stünden. Gemäß
bisheriger Praxis würden nur jene Dokumente verteilt, die auf der Tagesordnung
stehen. Auf die Bemerkung Schieders, das Ministerium müsse dann eben mitteilen,
welche Dokumente zum Hauptdokument dazugehören, meinte Fasslabend, es sei
bisher nicht üblich gewesen, die Dokumente konkret zuzuordnen. Auch Bundesministerin
Liese Prokop bekräftigte, seitens Ihres Ressorts würden sämtliche Dokumente
dem Parlament übermittelt.
Abgeordneter
Günter Stummvoll (V)
räumte ein, dass zwar alle Dokumente elektronisch verfügbar seien, es aber
unmöglich sei, die Menge zu überblicken und die einzelnen Dokumente richtig
zuzuordnen. Er ersuchte daher die Ministerin, in Zukunft eine Information über
vorhandene inhaltlich dazugehörige Dokumente zur Verfügung zu stellen.
Dieser Vorschlag
wurde von Ausschussvorsitzendem Werner Fasslabend (V)
aufgegriffen. Würden die Ausschussmitglieder eine Liste aller relevanten
Dokumente mit den Nummern erhalten, wäre dies ein wichtiger Schritt zur
Informationsverbesserung, sagte er.
Innenministerin
Liese Prokop erklärte
sich daraufhin gerne bereit, diese Art von Serviceleistung zur Verfügung zu
stellen, da sie die Zusammenarbeit mit dem Parlament für wichtig halte und
diese intensivieren wolle.
Debatte zum
Haager Programm
Die
Partnerschaft zur Erneuerung Europas im Bereich der Freiheit, der Sicherheit
und des Rechts
Am Beginn der
Sitzung erläuterte Innenministerin Liese Prokop die "Zehn
Prioritäten für die Partnerschaft zur Erneuerung Europas im Bereich der
Freiheit, der Sicherheit und des Rechts". Dieses Programm werde, so
die Ressortchefin, einen Schwerpunkt in der österreichischen Präsidentschaft
darstellen. Justiz und Inneres stünden ganz oben auf der Prioritätenliste
Europas und beträfen besonders dynamische Politikbereiche, wo die
Zusammenarbeit innerhalb der EU mehr denn je gefordert sei, um nur annähernd
die Erwartungen der Menschen erfüllen zu können. Die Bürgerinnen und Bürger
Europas erwarteten sich, dass die Sicherheitsprobleme zügig in Angriff genommen
und gelöst werden. Seit Jänner 2005 sei auch die qualifizierte Mehrheit im Rat
unter anderem auf Fragen der Visa- und Asylpolitik sowie des Grenzmanagements
ausgedehnt worden.
Dem Ausschuss lag
dazu eine Mitteilung der Kommission vor. Das Haager Programm zur Stärkung von
Freiheit, Sicherheit und Recht in der EU bildet die Grundlage für einen
Aktionsplan, der zehn Schwerpunkte vorsieht, auf die sich die Arbeiten nach
Auffassung der Kommission in den nächsten fünf Jahren konzentrieren sollen.
Dazu zählen
Grundrechte und Unionsbürgerschaft, wobei das besondere Augenmerk den Rechten
des Kindes, der Bekämpfung der Gewalt von Frauen, der Unterstützung der Opfer
von Gewalttaten, der Bekämpfung von Diskriminierung und dem Schutz der
personenbezogenen Daten gilt.
Zur Bekämpfung
des Terrorismus soll ein globales Konzept ausgearbeitet werden, das
insbesondere den Austausch relevanter Informationen, Maßnahmen zur Verhinderung
der Finanzierung des Terrorismus und eine externe Kooperation mit Drittstaaten
vorsieht.
Das Ziel eines
gemeinsamen Asylraums erfordert effiziente und einheitliche Verfahren, die im
Einklang mit den Werten und der humanitären Tradition der EU stehen. Die EU
beabsichtigt auch, ein neues ausgewogenes Konzept zur Steuerung der
Migrationsströme zu erarbeiten, um zu einer gemeinsamen Einwanderungspolitik zu
gelangen. Die Mitgliedstaaten sollen darin bestärkt werden, eine bessere
Integrationspolitik zu verfolgen. Die Mitgliedstaaten der Union nehmen sich
auch vor, einen integrierten Schutz an den Außengrenzen einzuführen und eine
gemeinsame Visapolitik anzustreben. Dazu müssen Schengen 2 und das Schengener
Informationssystem der zweiten Generation (SIS II) implementiert werden. Man
überlegt, gemeinsame Antragsbearbeitungsstellen einzurichten, die dann
Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes
darstellen könnten.
Zur effektiven
Bekämpfung der Kriminalität bedarf es eines verstärkten
Informationsaustausches, wobei auf das richtige Verhältnis zwischen Datenschutz
und Sicherheit Bedacht zu nehmen ist. Weiters hat sich die EU vorgenommen, ein
strategisches Konzept zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu
entwickeln, wobei Europol und Eurojust weiter ausgebaut werden müssen und ein
Modell für kriminalpolizeiliche Verfahren Voraussetzung ist. Im Bereich der
Zivil- und Strafjustiz plant man, zu prozessualen Mindeststandards zu kommen.
Die Schaffung einer europäischen Rechtskultur und damit auch die gegenseitige
Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen soll mit Hilfe von Netzwerken und
Ausbildungsprogrammen weiter vertieft werden. Schließlich müssen für all diese
Maßnahmen ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Die Ministerin
räumte im Hinblick darauf ein, dass zwar sehr viele Prozesse und Programme
liefen, leider jedoch nicht alle Termine eingehalten würden. So seien
beispielsweise im Asylbereich kaum erste Schritte gesetzt worden. Prokop
rechnete auch mit einer Verzögerung bei der Umsetzung von Schengen 2 und
bezeichnete die Regelungen für die Vorratsdatenspeicherung als überfällig. In
Anbetracht der Tatsache, dass die im Haager Programm genannten zehn Prioritäten
in den nächsten fünf Jahren umgesetzt werden sollten, werde sich die
österreichische Präsidentschaft besonders bemühen, entsprechende Beschlüsse
termingerecht herbeizuführen.
Während des
österreichischen EU-Vorsitzes werde man sich daher schwerpunktmäßig sechs
Prioritäten widmen. Da innere Sicherheit mit der äußeren Sicherheit in engem
Zusammenhang zu sehen sei, beabsichtige man, mit Drittstaaten eine globale
Partnerschaft zu installieren. Grundlagen dafür soll eine Konferenz im
kommenden Mai legen. Im Kampf gegen die organisierte Kriminalität und
Korruption strebe man den Aufbau eines Netzwerks mit konkreten Anlaufstellen
an, um eine bessere horizontale und operative Kooperation sicherstellen zu
können. Dazu gebe es auch die Idee einer europäischen Polizeiakademie,
erläuterte Prokop. Ein wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang sei die Umsetzung
des Grundsatzes der Datenverfügbarkeit, das heiße, unter bestimmten
Voraussetzungen sollen Informationen zur Verfügung gestellt werden. Dazu sei es
erforderlich, auf EU-Ebene den Datenschutz zu verbessern, wobei Österreich mit
seiner Gesetzeslage durchaus beispielgebend sein könne.
Besondere
Bedeutung werde man dem Kampf gegen den Terrorismus beimessen, da sich kein
Land mehr in Sicherheit wiegen könne. Man habe Verantwortung, die Zivilisation
zu schützen und dabei auch die richtige Balance zwischen Sicherheit und
Freiheit zu finden. Eine spezielle Veranstaltung im Mai 2006 werde sich daher
mit Fragen eines verbesserten Informationsaustausches und einer verbesserten
Zusammenarbeit bestehender Einrichtungen sowie mit einem Programm zum Schutz
kritischer Infrastruktur befassen. Vor allem sei es geboten, etwas gegen die
Radikalisierung und Rekrutierung zu unternehmen, wobei der Dialog der Kulturen
wesentliche Voraussetzung sei. Bundesministerin Prokop ging weiters auf die
Notwendigkeit ein, Schengen 2 und SIS II umzusetzen, um die künftigen
EU-Außengrenzen optimal zu sichern.
Im Bereich von
Asyl und Migration wolle man ebenfalls die praktische Zusammenarbeit
verbessern, zumal die mangelnde Information der Herkunftsländer ein oft unüberwindliches
Hindernis darstelle. Man habe daher in den betroffenen Ländern Pilotprojekte
gestartet, um den Bedürftigen in ihrer Heimat Schutz angedeihen zu lassen. Ein
wesentliches Element der Sicherheit stelle die Integration dar, die im
Kompetenzbereich der einzelnen Länder liege. Innerstaatlich gelte es daher, ein
besseres Angebot der Sprachbildung sowie der Ausbildung und der beruflichen
Möglichkeiten zu entwickeln. Zwischen den Religionen und Kulturen müsse es
einen intensiveren Dialog geben, sagte die Ministerin, gleichzeitig müsse aber
auch die Bereitschaft bestehen, dieses Angebot anzunehmen. Sie werde versuchen,
den österreichischen Weg der Vernunft und des Dialogs im Rahmen der
österreichischen Präsidentschaft einzubringen.
Schließlich
betonte die Ministerin, dass man zu einem europäischen Krisen- und
Katastrophenmanagement neue Rechts- und Finanzinstrumente brauche und dieses
Themas wolle man sich während des österreichischen Vorsitzes besonders
annehmen.
Mit dem Haager
Programm habe die EU erstmals die Chance, einen Raum der Freiheit, der
Sicherheit und des Rechts aufzubauen, fasste Bundesministerin Prokop zusammen,
auch wenn sie gleichzeitig einräumte, derzeit sehe es nicht so aus.
Im Rahmen der
Diskussion wurden von den Abgeordneten Günter Stummvoll (V) und Peter
Pilz (G) jeweils ein Antrag auf Ausschussfeststellung eingebracht.
Der von
Abgeordnetem Stummvoll vorgelegte Text zum Haager Programm wurde mit den
Stimmen von ÖVP und F mehrheitlich angenommen. Darin wird die Absicht begrüßt, im Bereich der
inneren Sicherheit die europäische Integration zu vertiefen, wobei insbesondere
auf die äußere Dimension der inneren Sicherheit, den Kampf gegen die
organisierte Kriminalität und gegen den internationalen Terrorismus, das
integrierte Grenzschutzsystem, die Weiterentwicklung der polizeilichen
Zusammenarbeit, die Beschleunigung der Umsetzung einer gemeinsamen Asylpolitik,
die konsequente Bekämpfung von Menschenhandel, Schlepperei und illegaler
Migration und schließlich auf ein EU-weites Krisen- und Katastrophenmanagement
eingegangen wird.
Die SPÖ
(Abgeordnete Elisabeth Hlavac) begründete ihre ablehnende Haltung damit,
dass mit dieser Ausschussfeststellung lediglich eine Blanko-Unterstützung in
Form von Themenüberschriften gegeben werde. Aufgabe dieses Ausschusses sei
jedoch, Beschlüsse zu konkreten Fragestellungen zu fassen. Weniger kritisch
äußerte sich Abgeordneter Peter Pilz (G) dazu. Er könne, wie er sagte,
durchaus einige Punkte unterstützen, ihm fehlten jedoch klare Aussagen zur
Wahrung der Grund- und Menschenrechte. Insbesondere lehnte er es ab, eine
Ausschussfeststellung zum Prümer Vertrag zu unterstützen, ohne dass dieser
vorher auf parlamentarischer Ebene behandelt worden ist.
Die von
Abgeordnetem Peter Pilz (G) vorgelegte Ausschussfeststellung, die darauf abzielt, besonderes Augenmerk
auf die grenznahen Atomkraftwerke und ihren Schutz gegen terroristische
Angriffe zu legen, wurde einstimmig angenommen.
In der Debatte
stellten dann die Abgeordneten detaillierte Fragen. So zeigte sich Abgeordneter
Caspar Einem (S) verwundert darüber, dass der Vorschlag für die Einführung
einer Meldepflicht für Beamtinnen und Beamte bei Bestechungsversuchen sowie
Studien- und Forschungsarbeiten in Bezug auf eine weitere Rechtsangleichung zum
Beispiel in den Bereichen illegaler Waffenhandel und Erpressung erst 2008
erfolgen soll. Dem Thema Menschenrechte widmeten sich die Abgeordneten
Walter Posch und Elisabeth Hlavac (beide S). Konkret sprachen sie die
Aufenthaltsberechtigung für Flüchtlinge, den Abschluss von Rückübernahmeabkommen
betreffend illegale Migrantinnen und Migranten und die Visapolitik an. Die
Integration sei in erster Linie auch eine soziale Frage, sagte Hlavac, und
deshalb sei auch die Zusammenarbeit des Innenressorts mit anderen Ministerien
notwendig. Sie erkundigten sich auch danach, welche konkreten Vorstellungen in
Bezug auf den Datenschutz bei der Vorratsdatenspeicherung bestehen. S-Abgeordnete
Marianne Hagenhofer thematisierte das EU-Programm zum Schutz der Regionen
und zur Neuansiedlung, womit Zentren für illegale Flüchtlinge gemeint sind.
Weitere Fragen Hagenhofers betrafen die Grenzschutzagentur und den Aktionsplan
eines Private-Public-Partnerships.
Abgeordneter
Peter Pilz (G)
ging auf die organisierte Kriminalität und Korruption näher ein und forderte
dabei, auch der illegalen Parteienfinanzierung als einen Schlüsselbereich der
Korruptionsbekämpfung besonderes Augenmerk zu schenken. Darüber hinaus
interessierte er sich für die Planung einer österreichischen Anlaufstelle für
Korruptionsbekämpfung und fragte, ob man beabsichtige, diese auch weisungsfrei
zu stellen.
Kritisch äußerte
er sich zu Art. 14 des Prümer Vertrages (Vertrag zwischen dem Königreich
Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, dem Königreich Spanien, der
Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der
Niederlande und der Republik Österreich über die Vertiefung der
grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des
Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration
samt Erklärungen der Republik Österreich und Gemeinsamer Erklärung) betreffend
Übermittlung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit Großveranstaltungen,
da damit tief in die Grundrechte eingegriffen werde. Der Text sei jedoch viel
zu unbestimmt und beinhalte nur ungenaue Begriffe. Hier bedürfe es der
Festlegung einer parlamentarischen Grundrechtskontrolle, stellte Pilz fest.
Intensiv
beschäftigte sich Pilz mit dem Programm zum Schutz der kritischen Infrastruktur
und machte dabei insbesondere auf die grenznahen Atomkraftwerke aufmerksam. So
sei beispielsweise bei Isar 2 in Bayern eine Vorwarnzeit gar nicht möglich.
Dieses Atomkraftwerk könne gar nicht ausreichend geschützt werden, dies würden
auch Expertinnen und Experten bestätigen, sagte er.
Pilz sprach auch
Schengen 2 im Zusammenhang mit der Wehrpflicht und dem Zivildienst an. Sobald
Schengen 2 umgesetzt ist, werde man den Grenzschutz und damit den Präsenzdienst
nicht mehr brauchen. Die logische Folge davon sei die Abschaffung des Zivildienstes,
so Pilz, und daher müsse man für einen Ersatz Vorsorge treffen, um einen
Pflegenotstand zu verhindern.
Seitens der ÖVP
betonte Abgeordneter Werner Fasslabend, die Debatte dokumentiere die
Wichtigkeit des Themas Sicherheit. Mit der Europäischen Verfassung seien große
Schritte zur Integration in diesem Bereich beabsichtigt gewesen, dies werde nun
aber in nächster Zeit nicht stattfinden. Fasslabend sprach sich daher für eine
pragmatische Vorgangsweise aus, indem die Mitgliedsländer die Zusammenarbeit in
einzelnen Punkten verwirklichen. Ohne internationale Zusammenarbeit gehe auf
dem Gebiet der Sicherheit gar nichts weiter, meinte Fasslabend, und für die
Bürgerinnen und Bürger sei es wichtig, dass Sicherheit auch tatsächlich
gewährleistet werde.
Abgeordneter
Günter Stummvoll (V)
befasste sich dann mit der Korruption, die vor allem die Unternehmen stark
beeinträchtigt. Sein Klubkollege Karl Donabauer schloss daran an und
bemerkte, auch in der Bekämpfung des Terrorismus gehöre die Zusammenarbeit der
Behörden zu den wichtigsten Aufgabenbereichen. Vor allem müsse man die
Finanzquellen für den Terrorismus durchschneiden. Als eine wichtige Frage für
die Bürgerinnen und Bürger bezeichnete er das Krisen- und
Katastrophenmanagement und hoffte auf wesentliche Fortschritte während der
österreichischen Präsidentschaft.
Abgeordnete
Helene Partik-Pable (F)
bedauerte, dass die Fortschritte im Asylrecht nur marginal seien, und äußerte
Bedenken hinsichtlich des Abbaus der Grenzkontrollen. In den Nachbarländern
blühe die Korruption, die auch die Exekutive und die Gerichtsbarkeit erfasst
habe. Es stelle sich auch die Frage, ob das Geld für Schengen in die richtigen
Kanäle fließe. Zur Bekämpfung der Korruption hält sie den Aufbau eines
Netzwerkes für nicht ausreichend. Vor allem müsse man den sozialen Status der
Exekutivorgane und Richterinnen und Richter heben. Im Zusammenhang mit der
Migrationsproblematik könnte man überlegen, etwa die Entwicklungshilfe von
Rücknahmeabkommen abhängig zu machen oder derartige Abkommen mit anderen
Hilfsprogrammen zu verbinden.
Bundesministerin
Liese Prokop ging auf die
an sie gerichteten Fragen ausführlich ein. Sie betonte abermals die
Notwendigkeit von Mindeststandards für eine gemeinsame Asyl- und
Einwanderungspolitik und wies auf die Schwierigkeiten aufgrund der
unterschiedlichen Systeme in den einzelnen Mitgliedstaaten hin. So verfüge
beispielsweise Großbritannien über keine Meldepflicht. Erst in den letzten
Jahren seien sich alle Staaten bewusst geworden, dass man zwischen Asylpolitik
und Migrationspolitik unterscheiden müsse. Die Problematik sei jedoch noch
lange nicht ausdiskutiert. Zum internationalen Flüchtlingsschutz gehöre auch
die Entwicklungshilfe, sagte Prokop, und man sei bemüht, den Flüchtlingen so
rasch wie möglich in ihrer Heimat Schutz zu bieten. Dazu seien Zentren
aufgebaut worden, die nun evaluiert würden. Vielleicht könnte man manche
Zentren zu einem Europäischen Zentrum weiterentwickeln.
Sie unterstrich
auch, wie wichtig eine baldige Realisierung von SIS II als Voraussetzung von
Schengen 2 sei. Man werde sicherlich nicht von den jetzigen strengen Kriterien
abgehen, sagte sie, realistischerweise sei aber mit der Implementierung von
Schengen 2 nicht vor Mitte 2007 zu rechnen, und da sei es nicht ausdiskutiert,
ob alle neuen Mitgliedstaaten zugleich dem Vertrag beitreten können. Die
Grenzschutzagentur habe zur Aufgabe, eine EU-weite Harmonisierung der Standards
und Praktiken zu entwickeln. Sie habe ihren Sitz in Warschau. In dieser Agentur seien zwei
Österreicher beschäftigt. Der nationale Grenzschutz erfordere eine intensive
Zusammenarbeit, und dabei sei insbesondere der Kontakt mit den neuen
Mitgliedstaaten notwendig. Man werde diesen Kontakt auch auf die Länder des
Mittelmeerraums ausdehnen.
Zur Visa-Affäre
meinte sie, dass seitens ihres Ressorts Erlässe vorlägen und die Exekutive im
Inland intensiv geschult, aber auch überprüft werde. Das Ministerium werde,
sollte das Verfahren Lücken aufzeigen, selbstverständlich entsprechend
reagieren. Bei der Korruptionsbekämpfung habe man sich für die österreichische
Präsidentschaft vorgenommen, vor allem bestehende, gut funktionierende
Praktiken zu unterstützen.
Unter Hinweis auf
das Prümer Abkommen bekräftigte sie die Absicht, bekannte Hooligans vor
Großveranstaltungen von der Grenze abzuweisen. Sie zeigte sich der sensiblen
Problematik der Vorratsdatenspeicherung bewusst und sagte, dass die Frage der
Grundrechte eingehend geprüft werde. Mit einer Beschlussfassung darüber sei im
Dezember zu rechnen, und dabei werde es auch Bestimmungen über die Dauer der
Speicherung und über die Art der gespeicherten Daten geben. Bei bestimmten
Kategorien von Daten werde auch geprüft, ob bei diesen weitergehende
Schutzkategorien eingeführt werden sollen. Hinsichtlich der biometrischen
Erfassung sei noch vieles in Ausarbeitung.
Die Korruption
sei ein schwieriges Problem und man sei innerhalb der EU bemüht, jene Länder
intensiv zu unterstützen, die damit Probleme haben. Dazu sei auch ein
Arbeitsausschuss eingerichtet worden. Grundsätzlich sei die Kommission sehr
daran interessiert, in der Bekämpfung der Korruption weiter zu kommen, und
dabei werde auch die illegale Parteienfinanzierung ein Thema sein. Das
Private-Public-Partnership werde von der Kommission seit Jahren verfolgt. Ziel
sei es, Industrie und Wirtschaft vor den Angriffen organisierter Kriminalität
zu schützen. Dies sei auch im Zusammenhang mit Drogenhandel, Menschenhandel und
Terrorismus zu sehen, und dazu werde es einen Forschungsauftrag geben.
Schließlich nahm
Prokop zum Katastrophenschutz Stellung, der seit 2001 sowohl innerhalb der EU
als auch global funktioniere. Bei der Europäischen Kommission in Brüssel sei
eine Koordinationsstelle eingerichtet worden, derzeit fehlten aber noch Rechts-
und Finanzierungsinstrumente. Diese Fragen müssen daher raschest gelöst werden.
Österreich habe jedenfalls vor, dieses Thema intensiv zu behandeln und einen
Krisenreaktionsmechanismus zu entwickeln.
Folgende
Ausschussfeststellung, eingebracht von Abgeordnetem Günter Stummvoll (V) zum
Tagesordnungspunkt 1, wurde mit
den Stimmen von ÖVP und F mehrheitlich angenommen:
"Ausschussfeststellung
Der
Unterausschuss begrüßt die Absicht der Staats- und Regierungschefs, die
europäische Integration im Bereich innere Sicherheit zu vertiefen und geht
davon aus, dass die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung dieses Vorhaben
der Europäischen Union aktiv unterstützen und dabei insbesondere folgende
Positionen beachten:
· Stärkere
Betonung der äußeren Dimension der inneren Sicherheit durch eine intensivierte
partnerschaftliche Zusammenarbeit der Europäischen Union mit Drittstaaten,
wobei die Länder in der EU-Nachbarschaft besonders zu berücksichtigen wären.
· Weiterführung
der Bemühungen auf EU-Ebene im Kampf gegen die organisierte Kriminalität und
aktive Mitarbeit bei der Errichtung eines Europäischen
Anti-Korruptionsnetzwerkes, das die operative Zusammenarbeit innerhalb der EU
verbessern und Unterstützung bei der Untersuchung der Zusammenhänge zwischen
organisierter Kriminalität und Korruption leisten soll.
· Unterstützung
der Umsetzung eines umfassenden Konzepts gegen den internationalen Terrorismus,
unter besonderer Beachtung von Maßnahmen, die der Radikalisierung und
Rekrutierung für terroristische Aktivitäten entgegenwirken, vor allem durch die
Beitragsleistung zu einem breiten Dialog der Kulturen und Religionen.
· Beitragsleistung
zu einem integrierten Grenzschutzsystem für die EU-Außengrenzen und Hinwirken
sowohl auf eine termingerechte Fertigstellung des neuen Schengener
Informationssystems (SIS II), um den neuen EU-Mitgliedstaaten eine aktive
Teilnahme am Schengener Informationsverbund und der damit verbundenen
polizeilichen Zusammenarbeit zu ermöglichen, als auch auf eine umfassende
Kontrolle betreffend den effizienten Einsatz der aufgewendeten Mittel.
· Weiterentwicklung
der polizeilichen Zusammenarbeit in der EU, unter Nutzung der Bestimmungen des
zwischen den BENELUX-Staaten, Deutschland, Frankreich, Spanien und Österreich
abgeschlossenen „Prümer Vertrages“ vom 27. Mai 2005, unter gleichzeitiger
Weiterentwicklung des Datenschutzes auf europäischer Ebene.
· Beschleunigung
der Arbeiten in der Union zur Umsetzung von gemeinsamen europäischen Regelungen
im Asylbereich und konsequente Bekämpfung von Menschenhandel, Schlepperei und
illegaler Migration, insbesondere durch eine Verstärkung der praktischen
Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten sowie eine umfassende,
partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Drittstaaten, die in enger Kooperation
mit dem UNHCR umgesetzt werden soll sowie die Unterstützung des Aufbaus von
refugee-centers in Transit- oder Herkunftsländern.
· Aktive
Unterstützung der laufenden EU-Arbeiten im Bereich Krisen- und
Katastrophenmanagement, um ein möglichst koordiniertes Zusammenwirken der
EU-Mitgliedstaaten bei Anlassfällen innerhalb und außerhalb der Union zu
gewährleisten.“
Folgende
Ausschussfeststellung, eingebracht von Abgeordnetem Peter Pilz (G) zum
Tagesordnungspunkt 1, wurde einstimmig beschlossen:
"Ausschussfeststellung
Der
Unterausschuss begrüßt die Absicht, ein EU-Programm zum Schutz der kritischen
Infrastruktur vor terroristischen Anschlägen zu erarbeiten.
Die zuständigen
Mitglieder der Bundesregierung werden dabei ersucht, besonderes Augenmerk auf
die grenznahen Atomkraftwerke und ihren Schutz gegen terroristische Angriffe zu
legen.“
Tagesordnungspunkt 2: Grünbuch
"Angesichts des demographischen Wandels - eine neue Solidarität zwischen
den Generationen"
Die Abgeordneten
waren sich dabei einig, dass die demographische Entwicklung in Europa eine
Herausforderung für den Sozialstaat darstelle und der niedrigen Geburtenrate
entgegengewirkt werden müsse. Die SPÖ warnte aber davor, die soziale Frage auf
die demographische Entwicklung zu reduzieren und wertete die hohe
Arbeitslosigkeit als drängenderes Problem.
Während der
EU-Präsidentschaft will Österreich, wie Familienministerin Ursula Haubner
ankündigte, eine große Konferenz zum Thema demographische Herausforderung
abhalten. Österreich setze in der Familienpolitik auf einen breiten
Maßnahmenmix, betonte die Ministerin, dadurch sei es auch gelungen, die
Geburtenrate zuletzt wieder zu erhöhen. Mit einer Fertilitätsrate von
durchschnittlich 1,42 Kinder pro Frau habe man wieder das Niveau von 1994
erreicht.
Das Grünbuch der
Europäischen Kommission macht u.a. darauf aufmerksam, dass das natürliche
Bevölkerungswachstum in Europa im Jahre 2003 bei nur 0,04 % gelegen ist. Der
Beitrag der Zuwanderung sei mittlerweile in vielen Ländern entscheidend für die
Aufrechterhaltung des Bevölkerungswachstums, heißt es. Trotzdem drohe ein
Altern der Bevölkerung und damit verbunden eine deutliche Reduktion des
"potenziellen Wachstums". Noch nie habe es Wirtschaftswachstum ohne
Bevölkerungswachstum gegeben, verweist die EU auf drohende Probleme.
Die
demographischen Veränderungen werden auf drei Grundtendenzen zurückgeführt: die
Verlängerung der Lebenserwartung, der starke Anstieg der über 60-Jährigen und
die anhaltend geringe Geburtenrate. Dabei hätten die Europäerinnen und
Europäer, so das Grünbuch, auf Grund fehlender Rahmenbedingungen de facto
weniger Kinder, als sie eigentlich möchten.
Als Prioritäten
für die EU werden vorgeschlagen: Förderung des demographischen Wachstums durch
die Konzentration auf den Stellenwert von Kindern und der Familie in der
Gesellschaft, Sicherstellung eines Gleichgewichts zwischen den Generationen
sowie Schaffung neuer Übergänge zwischen den einzelnen Lebensabschnitten. Zudem
will die EU eine stärkere Erwerbsbeteiligung insbesondere von Frauen und
älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern fördern.
Die Diskussion im
EU-Unterausschuss wurde durch eine Stellungnahme von Familienministerin
Ursula Haubner eingeleitet. Sie betonte, dass das Grünbuch der Europäischen
Kommission eine Vielzahl wichtiger politischer Fragen aufgeworfen und
europaweit einen dringend notwendigen Diskussionsprozess ausgelöst habe.
Die
österreichische Antwort auf das Grünbuch wurde Haubner zufolge von ihrem
Ressort koordiniert und der Europäischen Kommission Anfang Oktober übermittelt.
Unter anderem hat das Sozialministerium auf die Bedeutung von Vereinbarkeit von
Familie und Beruf, der Frage der Kinderbetreuung und von Gender Mainstreaming
verwiesen. Als österreichische best-practice-Modelle wurden etwa das
Kinderbetreuungsgeld, die Elternteilzeit und die Familienhospizkarenz genannt.
Erfreut zeigte
sich Haubner darüber, dass in Österreich zwischen März 2004 und Februar 2005 um
2 % mehr Kinder auf die Welt gekommen seien. Damit liege die Fertilitätsrate in
Österreich derzeit bei 1,42, skizzierte sie, das entspreche dem Niveau von 1994.
Österreich habe damit zwar nach wie vor eine niedrige Geburtenrate, erklärte
Haubner, der Tiefststand habe aber überwunden werden können. Insgesamt habe der
eingeschlagene Weg der Regierung ein positiveres Klima für Familien in
Österreich gebracht, zeigte sie sich überzeugt.
Hohe Priorität
haben für Haubner, wie sie ausführte, politische Maßnahmen für die Jugend. Der
jungen Generation müsse es möglich sein, eine Familie zu gründen, unterstrich
sie, das setze aber soziale Sicherheit und Arbeitsplatzsicherheit voraus. Das
Beispiel Frankreich zeige, welche Folgen es haben könne, wenn Jugendlichen
Perspektiven fehlten, warnte Haubner. Österreich setze nicht nur auf
Qualifikation und vielfältige Ausbildungsmöglichkeiten, sondern auch auf die
Unterstützung außerschulischer Aktivitäten, etwa was Freiwilligenarbeit oder
Jugendorganisationen betrifft.
Besondere
Bedeutung misst die Ministerin aber auch der Integration älterer
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Wirtschaft bei. Es gebe in Österreich
verschiedene Anreizsysteme, um Menschen länger in Beschäftigung zu halten,
erläuterte sie, sowohl für Unternehmerinnen und Unternehmer als auch für
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Beispielsweise habe man im Rahmen der
jüngsten Pensionsreform Arbeiten nach 65 attraktiver gemacht. Der im
österreichischen Pensionssystem verankerte Nachhaltigkeitsfaktor sei seitens
der EU, so Haubner, sehr positiv bewertet worden.
Abgeordneter
Caspar Einem (S) hielt
einleitend fest, er erachte das Grünbuch der EU-Kommission nicht unbedingt für
einen geeigneten Diskussionsgegenstand für den EU-Unterausschuss. Zudem hätte
er sich, wie er meinte, "ein bisschen mehr Ehrgeiz" Österreichs bei
der Beantwortung der von der EU-Kommission im Grünbuch aufgeworfenen Fragen
gewünscht. Es sei "kein Wunder", dass sich die Europäische Union so
langsam bewege, wenn die einzelnen Mitgliedstaaten bei solchen Gelegenheiten
immer nur bereits gesetzte Maßnahmen auflisteten und keine neuen Ideen
entwickelten, sagte Einem. Das gelte beispielsweise auch für die Umsetzung der
Lissabon-Strategie.
Abgeordnete
Barbara Rosenkranz (F)
begrüßte den eingeschlagenen Weg der Regierung im Bereich der Familienpolitik
und betonte, dieser müsse weiter fortgesetzt werden. Ihrer Ansicht nach hat
Frankreich als eines der wenigen europäischen Länder rechtzeitig und mit Erfolg
auf die absehbare demographische Entwicklung reagiert. Frankreich habe sich nie
auf ideologische Debatten eingelassen, sondern sowohl die Vereinbarkeit von
Beruf und Familie als auch Mehrkinderfamilien gefördert, skizzierte sie.
Eine weitere
Verbesserung urgierte Rosenkranz in Bezug auf die Anrechnung von
Kindererziehungszeiten bei der Pensionsbemessung. Die jetzige Regierung habe
zwar einen Kindererziehungsfaktor eingefügt, lobte sie, die tatsächliche Leistung
der Eltern würde aber keineswegs vollständig kompensiert.
Abgeordnete
Sabine Mandak (G) zeigte
sich über die Antworten von Sozialministerin Haubner auf das Grünbuch der
EU-Kommission enttäuscht und hielt fest, auf die niedrige Geburtenrate mit dem
Kinderbetreuungsgeld zu antworten, sei zu wenig. Vielmehr müsse man sich
grundsätzlich fragen, welche gesellschaftlichen und finanziellen
Rahmenbedingungen notwendig wären, damit Personen, die Kinder wollen, diese
auch bekommen. Dabei gehe es z.B. um Bereiche wie die Raumplanung.
Eine adäquate
Antwort Österreichs vermisste Mandak auch im Hinblick auf den künftig
steigenden Pflegebedarf älterer Menschen. Derzeit würden 80 % der Menschen im
Alter zu Hause in familiären Netzen gepflegt, umriss sie, durch die steigende
Frauenerwerbsquote und die notwendige höhere Flexibilität werde dies in Zukunft
aber nicht mehr möglich sein. Darüber hinaus gab Mandak zu bedenken, dass die
Armutsgefährdung von Migrantenfamilien doppelt so hoch sei wie die
Armutsgefährdung österreichischer Familien, ohne dass es darauf Antworten
seitens der Politik gebe.
Ausschussvorsitzender
Werner Fasslabend (V)
unterstrich, der vorliegende Themenkomplex sei eine ganz entscheidende Frage
der Zukunft. Seiner Meinung nach sei der demographische Faktor in seinen
Auswirkungen auf die Volkswirtschaften lange Zeit "krass
unterschätzt" worden.
Fasslabend gab zu
bedenken, dass die Investitionsbereitschaft eng mit der Frage korreliere, ob die
Gesellschaft wachse oder stagniere bzw. sogar schrumpfe. In Gesellschaften, in
denen die Alterspyramide "auf den Kopf gestellt" werde, sinke die
Innovationsbereitschaft zudem drastisch. Die zu geringe Geburtenrate durch
Zuwanderung zu kompensieren, hält Fasslabend, wie er sagte, nur für bedingt
möglich, da die Integrationsfähigkeit einer Gesellschaft begrenzt sei.
Neben konkreten
Einzelmaßnahmen zur Hebung der Geburtenrate erachtete es Fasslabend für
notwendig, das gesellschaftliche Bewusstsein zu sensibilisieren. Ausdrücklich
begrüßte er, dass Familienministerin Haubner der Frage der demographischen
Entwicklung während der österreichischen EU-Präsidentschaft großes Augenmerk
widmen wolle.
Abgeordneter
Richard Leutner (S)
räumte ein, dass die demographische Entwicklung eine große Herausforderung für
den Sozialstaat darstelle, er warnte aber davor, die soziale Frage auf die
Demographie zu reduzieren. Die Frage der Alterssicherung hänge nicht vom
Verhältnis zwischen Jungen und Alten ab, skizzierte er, sonst müsste es
"in Bangladesh" eine hervorragende Altersversorgung geben. Die
Chancen, die sich aus dem Grünbuch der EU-Kommission ergeben, sollten genützt
werden, forderte Leutner, man dürfe die "Demographiekeule" aber nicht
dafür benutzen, Angst zu schüren und die Kürzung von Sozialleistungen zu
rechtfertigen.
Das drängendste
Problem für den Sozialstaat ist Leutner zufolge die hohe Arbeitslosigkeit. Ein
Prozent mehr Arbeitslose verursache größere Probleme als demographische
Veränderungen. Europa braucht seiner Auffassung nach eine Politik, die auf mehr
Wachstum und Beschäftigung ausgerichtet ist. Zum Thema Zuwanderung merkte
Leutner an, es sei eine "Milchmädchenrechnung", dass Zuwanderung zu
einer demographischen Entlastung führe, vielmehr drohe eine noch höhere
Arbeitslosenrate, wenn der Arbeitsmarkt durch Migration überlastet werde.
Abgeordnete
Marianne Hagenhofer (S)
übte Kritik an einzelnen Formulierungen im Grünbuch, wie beispielsweise an der
Feststellung, wonach die Sicherstellung des Gleichgewichts zwischen den
Generationen durch eine Verteilung von Arbeit auf das gesamte Leben
gewährleistet werden könne. Die Menschen müssten sich darauf einstellen können,
dass sie ab einem gewissen Alter nicht mehr einer Erwerbsarbeit nachgehen
müssen, bekräftigte sie.
Abgeordnete
Elisabeth Hlavac (S)
hielt fest, wenn es für die Menschen keine Arbeit gebe, helfe der ganze Fokus
auf die demographische Entwicklung nichts. Für sie ist es ein Problem des
Grünbuchs, dass das Thema Arbeitslosigkeit nicht zur Sprache gebracht wird. Das
Ziel, die Frauenerwerbsquote zu steigern, teilte sie hingegen.
Abgeordneter
Karl Donabauer (V)
meinte, Österreich könne die wichtige Frage der demographischen Entwicklung
nicht nur "aus einer nationalen Befindlichkeit heraus" diskutieren.
Man müsse die europaweite Dimension des Problems sehen, forderte er. Das
Pensionsthema sei ein wiederkehrendes, damit werde man sich auch in Zukunft auseinandersetzen
müssen. Donabauer verwies in diesem Zusammenhang auf eine im Grünbuch
dargestellte Prognose, wonach bis zum Jahr 2030 der Anteil der Personen unter
15 und über 65 Jahre an der Gesamtbevölkerung von derzeit 49 % auf 66 % steigen
wird.
In einer zweiten Wortmeldung
erklärte Abgeordnete Barbara Rosenkranz (F) in Richtung Abgeordnetem
Leutner, sie sei froh, dass die demographische Entwicklung mittlerweile zu
einem stark diskutierten Thema geworden sei. Sie könne sich noch an Zeiten
erinnern, wo dieses Problem "einfach weggewischt wurde".
Ausschussvorsitzendem Fassabend stimmte Rosenkranz dahingehend zu, dass es
"keinen Wirtschaftsstandort Seniorenheim" gibt. In einer überalteten
Gesellschaft könne es nicht zu einem Wirtschaftswachstum kommen, warnte sie und
fragte, wer solle in einer alternden und schrumpfenden Gesellschaft neue
Arbeitsplätze schaffen.
Sozialministerin
Ursula Haubner wies
darauf hin, dass man gerade in der Familienpolitik auf EU-Ebene von
best-practice-Modellen lebe, weil es in diesem Bereich keine legistische Basis
gebe. Sehr lange Zeit habe man überhaupt den Standpunkt vertreten, dass
Familienpolitik alleinige Angelegenheit der Mitgliedstaaten sei.
Kritik von
Abgeordneter Mandak, das Sozialressort würde sich zu wenig Gedanken über die künftige
Organisation der Pflege älterer Menschen machen, wies Haubner zurück. Gerade in
diesem Bereich habe man innerstaatlich wichtige Weichen gestellt, betonte sie
und verwies u.a. auf die Vereinbarung mit den Ländern hinsichtlich
einheitlicher Standards im Pflegebereich und die Ausarbeitung eines
Entwicklungsplans. Die Betreuung älterer Menschen zu Hause auch unter
geänderten Rahmenbedingungen würde durch neue Versicherungsmöglichkeiten für
die Pflegenden unterstützt.
Für
"notwendig und unverzichtbar" hält es Haubner, Zuwanderung zu
steuern. Zum einen gehe es um wirtschaftliche Integration, also um die Frage
"Brauchen wir Arbeitskräfte?", zum anderen um die gesellschaftliche
Integration. Die höhere Armutsgefährdung von Migrantenfamilien hängt der
Ministerin zufolge mit der oft niedrigen Qualifikation der Zuwanderer zusammen.
Was die Frage
weiterer Maßnahmen zur Familienförderung betrifft, sprach sich Haubner dafür
aus, Kinderbetreuung künftig stärker steuerlich zu berücksichtigen. Wichtig ist
für sie dabei, dass die steuerliche Entlastung allen Familien zugute kommt. Zur
Forderung nach einer weiteren Verbesserung der Anrechnung von
Kindererziehungszeiten für die Pension merkte Haubner an, es sei noch nie so
viel gemacht worden, wie seit dem Jahr 2000, um Familien- und Erwerbszeiten bei
der Pensionsberechnung gleich zu behandeln.
Generell hielt
Haubner fest, in Europa befinde man sich erst am Beginn der Diskussion, wie auf
die aktuellen demographischen Herausforderungen am besten zu reagieren sei. Als
nächsten Schritt werde die Europäische Kommission anhand der Stellungnahmen zum
Grünbuch ein Weißbuch erstellen, informierte sie.