V-18 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen
des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

Dienstag , 4. Juli 2006

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen
des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXII. Gesetzgebungsperiode                Dienstag, 4. Juli 2006

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

 

 1.)       35. COSAC am 22./23. Mai 2006

            Schlussfolgerungen

            76345/EU XXII.GP)

 

 

 2.)       Bulgarien

            Monitoring-Bericht Mai 2006

            (75213/EU XXII.GP)

            und

            Rumänien

            Monitoring-Bericht vom Mai 2006

            (75216/EU XXII.GP)

            sowie

            KOM (06) 214

            Monitoring-Bericht über den Stand der Beitrittsvorbereitungen Bulgariens und

            Rumäniens

            (75210/EU XXII.GP)

 

 

 3.)       KOM (06) 159 endg.

            Leitlinien für die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von

            Dienstleistungen

            (74235/EU XXII.GP)

 

 

 

 

 

 

Die Schlussfolgerungen der COSAC (Konferenz der Europaausschüsse der nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlaments) zur Subsidiarität, der Monitoring-Bericht der EU-Kommission über den Stand der Beitrittsvorbereitungen in Bulgarien und Rumänien sowie die erfolgte Einigung über die Dienstleistungsrichtlinie standen auf der Tagesordnung des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 4. Juli 2006 unter Vorsitzführung von Abgeordnetem Werner Fasslabend. Erstmals waren auch die Vorsitzenden der Europa-Ausschüsse der Landtage eingeladen.

 

 

 

 

Schlussfolgerungen der XXXV. COSAC

 

 

Zur Frage des Subsidiaritäts- und Proportionalitätsprüfungsverfahrens gab es zwar von allen Seiten grundsätzliche Zustimmung. SPÖ und Grüne wandten jedoch ein, derzeit gebe es für das Parlament im Rahmen des Hauptausschusses ohnehin Möglichkeiten, an der EU-Gesetzgebung mitzuwirken. Diese Instrumente würden jedoch nicht genützt. Demgegenüber hielt Abgeordneter Werner Fasslabend aus seiner Sicht fest, die systematische frühe Befassung der nationalen Parlamente und die Selbstverpflichtung der Kommission, bei geäußerten Bedenken eine begründete Antwort zu geben, bringe einen großen Fortschritt hin zum gemeinsamen Projekt Europa.

 

Die Diskussion zu diesem Thema wurde durch ein Statement von Staatssekretär Hans Winkler eingeleitet. Subsidiarität sei ein für die Bürgerinnen und Bürger wichtiges Instrument, sagte er, zugleich aber auch ein "sperriges Thema", das man nur schwer vermitteln könne. Das Subsidiaritätsprinzip durchzusetzen, sei ein jahreslanges Anliegen und gehe auf den Vertrag von Maastricht zurück. Die Protokolle zum Amsterdamer Vertrag hätten weitere Verbesserungen gebracht. Österreich habe unter dem Aspekt des Verfassungsvertrags, der Bürgernähe und der Notwendigkeit von better regulations die Frage der Subsidiarität zu einem Schwerpunktthema seiner Ratspräsidentschaft gemacht und zur Konferenz nach St. Pölten eingeladen, wo nach einer intensiven Befassung mit dem Thema sehr brauchbare Vorschläge gemacht worden seien.

 

Winkler wandte sich gegen den Vorwurf, man wolle aus dem Entwurf für eine EU-Verfassung die Rosinen herauspicken. Vielmehr beabsichtige man, praktische Verbesserungen im Rahmen der geltenden Verträge zu erzielen. Dies sei durch die Selbstverpflichtung der Kommission gelungen, auf Grund des Artikel 9 des Amsterdamer Vertrages, die nationalen Parlamente sofort und direkt über Gesetzesvorhaben zu informieren und bei Bedenken der nationalen Parlamente begründete Antworten zu übermitteln. Damit erreiche man mehr Transparenz, betonte Winkler.

 

Abgeordneter Caspar Einem (S) zeigte sich in seiner Beurteilung des Subsidiaritäts- und Proportionalitätsprüfungsverfahrens weniger überzeugt. Schon jetzt stünde es der Regierung im Rat frei, Bedenken zu artikulieren. Das Verfahren sei kein wirklicher Fortschritt, da es nur gegen die EU gehen könne, meinte Einem, und damit bringe es auch gewisse Gefahren mit sich. Außerdem werde das Verfahren, wenn man es ernst nimmt, außerordentlich viel Arbeit bedeuten, und man könne das Parlament damit auch völlig "zudecken". Dennoch stimme er dem Verfahren zu, weil es die Türen dafür öffne, "dort etwas zu sagen, wo es etwas zu sagen gibt".

 

Ähnlich argumentierte Abgeordnete Ulrike Lunacek (G). Solange man die Instrumente, die man ohnehin habe, in der angemessenen Form nicht nütze, halte sie den direkten Weg zur Kommission für einen Umweg, da der Ansprechpartner für das Parlament immer noch die Bundesregierung bleibe. Für sie ist es auch fraglich, ob man dadurch den Interessen der Bundesländer und der Bürgerinnen und Bürger tatsächlich näher komme. Sie befürchtete auch, dass in Hinkunft zu wenig Druck vorhanden sei, an der Verfassung weiterzuarbeiten, wenn man Teile der Verfassung herauspickt.

 

Demgegenüber begrüßte Abgeordneter Werner Fasslabend (V) das anlässlich der letzten COSAC-Konferenz einstimmig verabschiedete Schlussdokument sowie die Beschlüsse des Europäischen Rats und der Kommission zur Durchführung der Subsidiaritäts- und Proportionalitätsprüfung. Damit bestehe eine Chance, eine enge und intensive Diskussion zwischen nationaler und europäischer Ebene herbeizuführen. Fasslabend erinnerte in diesem Zusammenhang nochmals an die Subsidiaritätskonferenz in St. Pölten, die international ein äußerst positives Echo hervorgerufen hatte und deren Ergebnisse auch im Abschlussdokument des Europäischen Rats Eingang gefunden haben.

 

Auch sein Klubkollege Karl-Heinz Dernoscheg bezeichnete die Frage der Subsidiarität und Proportionalität als wesentlich für jeden, der Europa weiterbringen möchte. Dabei sollte man auch nicht den psychologischen Aspekt der Politik für die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung unterschätzen, merkte er an.

 

Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch (F) bedauerte den mangelnden Fortschritt in der, wie er sagte, entscheidenden Zukunftsfrage des Verfassungsvertrags. Das Frühwarnsystem wäre ein Fortschritt gewesen, aber kein entscheidender, so seine Auffassung. Die Versuche, auch die Bundesländer mit einzubeziehen, seien leider chancenlos gewesen, deshalb müsste man nun den Bundesrat entsprechend umgestalten. Trotz Frühwarnsystem bleibe die entscheidende Ebene der Rat der EU, und man müsse darauf achten, so Bösch, dass dort das Einstimmigkeitsprinzip bei wichtigen Punkten auch in Zukunft Geltung hat.

 

In der weiteren Diskussion sprach LAbg. Michael Neureiter (Salzburg) die Einbindung der Landtage in das Subsidiaritätsprüfungsverfahren an und äußerte Zweifel, ob der Begriff "Frühwarnsystem" glücklich gewählt sei.

 

LAbg. Peter Kaiser (Kärnten) sicherte die Mitwirkung des Kärntner Landtages in der Pilotphase zu, um zu überprüfen, inwieweit man in der Lage sein wird, nicht nur die Quantität zu bewältigen, sondern auch die geforderte Qualität zu erbringen. Dafür seien wahrscheinlich die vorhandenen Ressourcen zu gering, bemerkte er.

 

LAbg. Hans Kohler (Vorarlberg) berichtete über die Erfahrungen des Vorarlberger Landtages aus der Mitwirkung am ersten Testlauf zum Thema Luftreinhaltung. Man habe daraus ebenfalls die Erkenntnis gewonnen, dass die Ressourcen nicht ausreichen werden. In Vorarlberg überlege man sich auch, den Europa-Ausschuss zu einem ständigen Ausschuss zu erklären. Kohler hielt es auch für falsch, im geplanten Subsidiaritäts- und Proportionalitätsprüfungsverfahren zehn verschiedene Stellungnahmen, nämlich aus den neun Bundesländern und aus dem Nationalrat, zu erarbeiten. Vielmehr brauche man ein innerstaatliches Koordinationsgremium, sagte er, und diese Rolle sollte der Bundesrat übernehmen. Dafür müsste man ihn aber auch stärken. Grundsätzlich hielt er es für notwendig, möglichst früh jene Ebenen einzubinden, die für die Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften verantwortlich sind, um überschießende Regelungen zu verhindern.

 

LAbg. Kurt Stürzenbecher (Wien) äußerte sich zwar positiv zur Subsidiarität, meinte aber, dass die geplanten Verfahren auf Grund ihrer "Relativität und Nebulosität" nichts Substantielles ändern werden.

 

Staatssekretär Hans Winkler unterstrich abschließend die Wichtigkeit der Einbindung der regionalen und lokalen Ebene. Abgeordneter Werner Fasslabend (V) ging nochmals auf das Subsidiaritätsprüfungsverfahren ein und gab bekannt, dass man während der finnischen Präsidentschaft beabsichtige, zwei Prüfungsverfahren vorzunehmen, und zwar zum Thema Postliberalisierung und zum Scheidungsrecht. Dies hänge aber vom Zeitpunkt der Vorlage ab, sagte er, wobei nach Informationen die Scheidungsrichtlinie im Juli zu erwarten ist, die Vorlagen zur Post aber erst am Jahresende fertig gestellt werden könnten.

 

Eine kurze Diskussion entwickelte sich auch über die Frage einer europaweiten Volksabstimmung, nachdem sich Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch (F) nach Vorlage eines neuen Verfassungsvertrags für 25 nationale Volksabstimmungen ausgesprochen hatte. Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) lehnte dies ab und trat für eine europaweite Volksabstimmung ein. Sie erinnerte daran, dass ein solches europaweites Referendum im Konventsentwurf enthalten gewesen war, die Passage jedoch vom Europäischen Rat entfernt worden sei. Abgeordneter Karl-Heinz Dernoscheg (V) wiederum bemerkte, Bundeskanzler Schüssel habe sich bereits mehrmals für eine solche europaweite Abstimmung ausgesprochen. Gegen Volksabstimmungen in jedem einzelnen Mitgliedstaat war auch LAbg. Kurt Stürzenbecher (Wien). Eine gesamteuropäische Volksabstimmung könnte man durchaus mit dem Erfordernis der doppelten Mehrheit, der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger und der Mehrheit der Staaten versehen, sagte er.

 

Staatssekretär Hans Winkler machte darauf aufmerksam, dass für eine europaweite Volksabstimmung eine Änderung des Primärrechts notwendig wäre, was wahrscheinlich allein für diese Novellierung in einigen Staaten eigene Volksabstimmungen erforderlich machte. Es werde daher in nächster Zeit kaum gelingen, ein solches europaweites Referendum zu verankern, zumal man sich nicht einmal darauf habe einigen können, die Volksabstimmungen über den Verfassungsvertrag an einem Tag durchzuführen. Irgendwann werde die Zeit einmal reif sein, dies sei aber heute nicht der Fall, bedauerte der Staatssekretär.

 

 

 

Abgeordneter Peter Schieder (S)  bemerkte anfangs kritisch, dass zwei Dokumente, die in der Vorlage genannt sind, in der Parlamentsdirektion nicht vorhanden seien und das der Diskussion zugrunde liegende Dokument nur in englischer Sprache vorliege.  Vorsitzender Werner Fasslabend (V) schloss sich dem zwar an, wies aber darauf hin, dass man die kurze Zeitspanne berücksichtigen müsse.

 

Fasslabend dankte ausdrücklich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Parlamentsdirektion, stellvertretend Mag. Alexis Wintoniak, Mag. Gerhard Koller und Mag. Heike Malicek für die hervorragende Organisation der COSAC.  Besser könne man das nicht machen, meinte er.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Monitoring-Bericht der EU-Kommission über den Stand der Beitrittsvorbereitungen Bulgariens und Rumäniens

 

 

 

In Bezug auf den vorliegenden Monitoring-Bericht über den Stand der Beitrittsvorbereitungen Bulgariens und Rumäniens äußerten die Abgeordneten ihre Sorgen und Bedenken, ob die beiden Staaten in der Lage sein werden, die noch offenen Punkte, insbesondere Rechtsdurchsetzung und Korruption, zu lösen, um zeitgerecht am 1. Jänner 2007 der Union beitreten zu können.

 

Staatssekretär Hans Winkler machte auf die, wie er sagte, erheblichen Fortschritte seit den Berichten von Oktober 2005 aufmerksam und unterstrich, dass alle notwendigen Gesetze von Bulgarien und Rumänien erlassen worden seien. Daher gehe es nicht mehr um einen legistischen Prozess sondern um die konkrete Umsetzung. Beide Staaten müssten sich aber noch sehr anstrengen, und der nächste Monitoring-Bericht der Kommission sei für 26. September 2006 angekündigt.

 

Der Beitrittsvertrag sehe eine Aufnahme der beiden Länder mit 1. Jänner 2007 vor, vorausgesetzt, dass alle Staaten bis Jahresende den Vertrag ratifiziert haben. Derzeit lägen Ratifizierungen aus 16 Mitgliedstaaten vor. Die Kommission könne auch die Empfehlung abgeben, den Beitritt um ein Jahr zu verschieben, wofür ein einstimmiger Beschluss im Rat der EU erforderlich sei. Die Empfehlung könnte aber durchaus auch die Einführung von Schutzklauseln enthalten, sagte Winkler. Die österreichische Bundesregierung hoffe jedenfalls, dass Rumänien und Bulgarien Ende dieses Jahres alle Voraussetzungen erfüllen werden, und derzeit gehe man durchaus davon aus, dass sowohl Bulgarien als auch Rumänien in der Lage sein sollten, die Bewältigung der Probleme in Angriff zu nehmen.

 

Während im Oktober des Vorjahres von der Kommission in Rumänien noch 14 kritische Bereiche geortet worden seien, spreche der Bericht von Mai 2006 nur mehr von vier. Bulgarien habe die 16 offenen Punkte auf 6 reduzieren können, berichtete Winkler. Konkret gehe es in Rumänien um funktionsfähige Auszahlungsstellen für die direkten Zahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik, um die Einrichtung elektronischer Steuerverwaltungssysteme zwecks korrekter Mehrwertssteuereintreibung, um die Einrichtung eines funktionierenden Integrated Administration and Control System in der Landwirtschaft sowie um den Aufbau von Kadaverbeseitigungs- und Behandlungseinrichtungen gemäß dem Acquis für BSE und Tiernebenprodukte. Die letzten beiden Punkte treffen auch auf Bulgarien zu, das darüber hinaus noch konkrete Ergebnisse im Kampf gegen die organisierte Kriminalität erbringen muss und die Antikorruptions- und Antibetrugsgesetzgebung effizienter umzusetzen hat. Weiters verlangt die EU von Bulgarien eine intensivere Umsetzung der Gesetze gegen die Geldwäsche sowie eine stärkere Finanzkontrolle über Struktur- und Kohäsionsfonds.

 

Abgeordneter Caspar Einem (S) meinte, der Bericht der Kommission müsse zu denken geben. Die Möglichkeit, den Prozess zu beeinflussen, hielt er jedoch für gering. Die Dynamik werde sich nicht mehr aufhalten lassen. Beim Vorprüfungsverfahren sei einiges schief gelaufen, und das sehe man jetzt. Ende des Jahres werde man vor zwei Möglichkeiten stehen, so Einem, entweder eine politisch bedenkliche Notbremse zu ziehen, oder zu sagen, "Augen zu und durch". Einem wies insbesondere auf Informationen hin, wonach es in Bulgarien kaum Bereitschaft gebe, bei der Anpassung der Zivilprozessordnung zu kooperieren. Es gebe "absurde Regelungen", die einfach nicht ins europäische System passten. Auch seine Klubkollegin Marianne Hagenhofer äußerte sich skeptisch in Bezug auf die Erfolgschancen, bis Jahresende die notwendigen Maßnahmen zu setzen, um etwa Schattenwirtschaft und organisierte Kriminalität effizient bekämpfen zu können. Darüber hinaus habe sich sogar die Kontrolle der strukturpolitischen Ausgaben verschlechtert, gab Hagenhofer zu bedenken.

 

Für Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) macht ein Beitritt der beiden Länder mit 1.1. 2007 tendenziell Sinn, aber auch sie ortete große Probleme bei der Umsetzung und Durchsetzung entsprechender Maßnahmen, um etwa der Korruption entgegen zu wirken und die Polizei entsprechend zu schulen. Sie hielt es auch für notwendig, die Prozesse nach dem Beitritt genauer zu beobachten. Dies wäre nicht nur bei der letzten Erweiterungsrunde erforderlich gewesen, bemerkte sie, sondern auch gegenüber der Regierung Berlusconi. Um der weit verbreiteten Skepsis in der Bevölkerung gegenüber dem Erweiterungsprozess zu begegnen, halte sie es für unumgänglich, entsprechenden Druck zur Behebung der Defizite auch nach dem Beitritt aufrecht zu erhalten und Maßnahmen im Falle mangelnder Reformen zu ergreifen. Jahresberichte würden ihrer Meinung nach nicht ausreichen.

 

Abgeordneter Werner Fasslabend (V) artikulierte ebenfalls Bedenken hinsichtlich der Korruption und der mangelnden Rechtsdurchsetzung in beiden Ländern. Grundsätzlich sei der Beitritt Rumäniens und Bulgariens für Österreich von größtem Interesse, betonte er und erinnerte daran, dass Österreich von der EU-Erweiterung insgesamt profitiert habe. Dennoch könne ein Beitritt nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen vorhanden seien und wenn der Bericht der Kommission glaubhaft versichere, die Probleme seien zu bewältigen. Daher plädierte Fasslabend dafür, den Bericht der Kommission abzuwarten. Für das Selbstverständnis der EU sei es unverzichtbar, dass jedes Mitglied die Bedingungen auch erfüllt, bekräftigte Fasslabend.

 

Für Abgeordneten Reinhard Eugen Bösch (F) ist der Beitrittstermin für beide Länder auf alle Fälle zu früh. Er betrachtete beide Länder auf Grund der vorliegenden Berichte für nicht EU-reif. Bösch hielt es für den falschen Weg, einen Termin übers Knie zu brechen, und hofft wenigstens auf eine Verschiebung des Beitritts um ein Jahr. Bösch sprach auch die Aufnahmefähigkeit der Union an und meinte, dass bei den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei die Stopptaste längst hätte gedrückt werden müssen.

 

Es sei eine grundsätzliche Frage, wie perfekt die Länder zum Zeitpunkt ihrer Aufnahme sein müssen, reagierte Staatssekretär Hans Winkler auf die vorangegangenen Wortmeldungen. Beide Länder befänden sich heute ungefähr auf jenem Level, auf dem sich Länder der vorangegangenen Erweiterungsrunde vor ihrem Beitritt befunden hätten. Winkler räumte jedoch ein, man habe aus der letzten Erweiterung gelernt und wähle nun eine andere Vorgangsweise gegenüber den Ländern des Balkan.

 

Der Staatsekretär widersprach jenen Abgeordneten, die gemeint hatten, nach dem Beitritt könne man keinen Reformdruck mehr ausüben. So bestehe die Möglichkeit, ein Verfahren nach Artikel 6 einzuleiten, darüber hinaus gebe es auf Grund des Beitrittsvertrags beispielsweise die Möglichkeit, die Freiheit des Warenverkehrs aufzuheben, Steuerkontrollen an den Binnengrenzen fortzusetzen oder die Auszahlung von EU-Fördergeldern zurückzuhalten. Auch durch die Rechtsprechung des EuGh stünden wirksame Mittel zur Verfügung, sagte Winkler. Er gebe aber zu, dass es nicht realistisch sei, mit einer vollen Umsetzung aller offenen Punkte bis 1.1.2007 zu rechnen. Wesentlich sei der politische Wille in den beiden Ländern und der Wille der Union, sich alle Möglichkeiten der Überprüfung und Maßnahmen vorzubehalten, die in den Verträgen vorgesehen seien. Er sei jedoch zuversichtlich, dass die Umsetzung der noch offenen Punkte bei entsprechender Überprüfung und Begleitung, was auch nach dem Beitritt fortgesetzt werde, möglich ist.

Zur Kritik von Abgeordnetem Reinhard Eugen Bösch (F), die Aufnahmefähigkeit der Union sei als Voraussetzung für die Erweiterung gefallen, entgegnete Staatssekretär Winkler, dass dieses Kriterium in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Juni bekräftigt worden sei. Die EU-Kommission sei dazu aufgefordert worden, bis Herbst einen Bericht vorzulegen, wobei auf die Meinung der Bevölkerung besonderer Wert gelegt werden soll. Dieses demokratische Element werde für die künftige Erweiterungen eine Rolle spielen, bekräftigte Winkler.

Dienstleistungsrichtlinie

 

 

Letztes Thema des EU-Unterausschusses betraf die Einigung über die Dienstleistungsrichtlinie im Europäischen Parlament und im Rat der EU. Während Abgeordneter Werner Fasslabend (V) die Einigung über die Dienstleistungsrichtlinie als den größten Erfolg der österreichischen Präsidentschaft bezeichnete, äußerten die Abgeordneten Caspar Einem (S) und Ulrike Lunacek (G) Befürchtungen, die Kontrollinstrumente könnten aufgeweicht werden. Sie gaben aus ihrer Sicht zu bedenken, dass das Herkunftslandprinzip nicht klar zugunsten des Ziellandprinzips gefallen sei. Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch (F) erwartete sich eine Belebung des Arbeitsmarktes und der mittelständischen Wirtschaft, forderte aber eine Verbesserung der Kontrolle und der Rechtsdurchsetzungen.

 

 

Die Dienstleistungsrichtlinie, wie sie nun vorliege, müsse man in ursächlichem Zusammenhang mit der Mitteilung der Kommission sehen, sagte Bundesminister Martin Bartenstein. Sie sei ein politischer Austausch zu den Artikeln 24 und 25, die aus der Dienstleistungsrichtlinie letztlich heraus gefallen sind. Dabei ging es darum, die Bedenken der neuen Mitgliedstaaten hinsichtlich der restriktiven Umsetzung der Entsenderichtlinie durch die alten Mitgliedstaaten zu zerstreuen. Die Mitteilung der Kommission sei ein Kompromiss. Sie sei nicht rechtsetzend, widerspiegle aber die Rechtsmeinung, die in der Praxis in Zukunft vom EuGH bei seinen Entscheidungen herangezogen wird. Damit stünden für die Mitgliedstaaten kurzfristig konkrete Handlungsanleitungen zur Verfügung. Der Minister räumte jedoch ein, dass zur effizienten Rechtsverfolgung von Verwaltungsstraftaten ein europäisches Übereinkommen fehle.

 

Die Richtlinie betreffe einerseits die Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus EU-Mitgliedstaaten und andererseits die Entsendung von Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmern aus Drittländern, die in Unternehmen mit Sitz in der EU arbeiten. Österreich könne mit der Mitteilung der Kommission ganz gut leben, bekräftigte Bartenstein, wies aber auf derzeit laufende Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich bezüglich der Umsetzung der Entsenderichtlinie hin. Man sei zum Schutz der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bis an die Grenze gegangen, merkte er an.

 

Bartenstein erläuterte anfangs kurz den Werdegang der Dienstleistungsrichtlinie, wobei er Kritik an der ersten Vorlage durch Kommissar Bolkestein unter Kommissionspräsident Romano Prodi übte. Dieser Entwurf sei zum Symbol für Neoliberalismus und Lohndumping geworden. Die neue Kommission habe sich zunächst gescheut, die heiße Kartoffel aufzugreifen, und es sei einer Gruppe von sechs Abgeordneten des Europäischen Parlaments, darunter die österreichischen Abgeordneten Hannes Swoboda und Othmar Karas, zu verdanken, im Rahmen einer High-Level-Gruppe einen Weg aus der Sackgasse gesucht und gefunden zu haben. Die von ihnen erarbeitete Lösung habe sich auf eine breite Mehrheit im Europäischen Parlament stützen können, wobei die Abgeordneten der neuen Mitgliedsländer nicht zugestimmt hätten. Bundeskanzler Schüssel habe daraufhin die Sozialpartnerspitzen eingebunden und nach großen Schwierigkeiten den Text des Europäischen Parlaments am Frühjahrsgipfel vorlegen können. Auch beim informellen EU-Ministerrat in Graz habe es noch massive Versuche gegeben, die Richtlinie aufzuweichen, es sei aber am 29. Mai gelungen, einen Konsens zu erzielen.

 

Abgeordneter Caspar Einem (S) zeigte sich skeptisch in Bezug auf die genannte Mitteilung der Kommission. Durch sie sei zwar eine Beschlussfassung der Richtlinie möglich geworden, sie signalisiere aber den neuen Mitgliedsländern, dass es ohnehin nicht so viele Hindernisse gebe. Er habe den Eindruck, die Kommission sei bei diesem Papier tendenziös vorgegangen, denn ex-ante-Kontrollen seien weitestgehend ausgeschlossen. Damit werde eine effiziente Kontrolle überaus schwierig, sagte Einem und sah dahinter den Versuch, das Herkunftslandprinzip wieder durchzusetzen. Einem fragte sich auch, wie man in Zukunft die österreichischen Rechtsvorschriften vollziehen werde können, sofern sie vor dem EuGh standhalten. Er übte auch Kritik an der seiner Meinung nach zu starken Einzelfallorientierung in der Mitteilung. Ähnlich argumentierte seine Klubkollegin Marianne Hagenhofer, die konkrete Beispiele für die restriktive Handhabung der Entsenderichtlinie durch Deutschland vorbrachte.

 

Kritische Anmerkungen zum vorliegenden Beschluss kamen auch von Abgeordneter Ulrike Lunacek (G). Die Grünen im Europäischen Parlament hätten dem Kompromiss nicht zugestimmt, weil er weiter Rechtsunsicherheit bringe und das Herkunftslandprinzip nicht deutlich genug eliminiert worden sei. Das Europäische Parlament habe aus den genannten Befürchtungen die Artikel 24 und 25 aus der Richtlinie herausgenommen, nun liege die Mitteilung der Kommission vor, die als Ersatz dafür anzusehen sei. Damit würden die Kontrollinstrumente der Mitgliedstaaten geschwächt, sodass die Einhaltung des ArbeitnehmerInnenschutzes nicht mehr voll gewährleistet sei. Außerdem sollte dieser auf der Höhe der ArbeitgeberInnen verankert sein und nicht bei den VorarbeiterInnen. Die Informationspflicht über die Art der Unternehmenstätigkeit habe vor Beginn der Arbeitsaufnahme zu erfolgen, so die Auffassung Lunaceks, und die Nachweispflicht der Leistungen für die Sozialversicherung dürfe keineswegs eingeschränkt werden. Wenn auch seitens des Ministers betont werde, die nationalen Kontrollinstrumentarien beibehalten zu können, so müsse erst die Meinung des EuGh abgewartet werden.

 

Selbstverständlich müsse man dem Missbrauch konsequent begegnen, bekräftigte auch Abgeordneter Werner Fasslabend (V). Dennoch sei mit der Einigung über die Dienstleistungsrichtlinie etwas geglückt, was Offenheit und Sicherheit bringe. Sie stelle eine der wichtigsten Maßnahmen zur Vollendung des Binnenmarkts dar und bedeute einen Durchbruch für Wachstum und mehr Beschäftigung. Die Diskussion über die Richtlinie der vergangenen Jahre habe die Probleme der Erweiterung und die Ängste der Bevölkerung widergespiegelt.

 

Abgeordneter Karlheinz Kopf (V) begrüßte die Dienstleistungsrichtlinie trotz aller Unvollkommenheit. Alles andere als die ex-post-Kontrolle hätte nicht zum Ziel geführt, zeigte er sich überzeugt. Die Schaffung möglichst barrierefreier und administrationsarmer Bedingungen sei ein enormes Wachstumspotential für die gesamteuropäische Wirtschaft. Kopf hielt grundsätzlich das Herkunftslandprinzip für gut, auf Grund der unterschiedlichen Systeme innerhalb der EU hätte es aber zu großen Wettbewerbsverzerrungen und Lohndumping geführt, räumte er ein.

 

In seiner Reaktion auf die Wortmeldungen der Abgeordneten wies Bundesminister Martin Bartenstein darauf hin, dass 70 % des österreichischen BIP von Dienstleistungen erbracht werden. Im Dienstleistungsbereich werde daher ein guter Teil des Wachstums erwirtschaftet und Dienstleistungen seien nicht so stark abwanderungsgefährdet wie andere Produktionsbereiche. Österreich sei auch als Dienstleistungsexporteur im Weltmarkt doppelt so stark wie in anderen Bereichen.

 

Der Minister ging auch auf die Ambivalenz der Dienstleistungsrichtlinie durch die mittelständische Wirtschaft ein. Diese hätten derzeit die Wahl, entweder nicht über die Grenze zu gehen oder den langfristigen und teuren Weg zum EuGh zu wählen. Dies sollte sich in Zukunft positiv ändern. Dem gegenüber bestünden in der mittelständischen Wirtschaft aber auch große Sorgen.

 

Zur Mitteilung der Kommission meinte Bartenstein, diese interpretiere das Recht und er erwarte sich auf Basis dieser Mitteilung konkrete Entscheidungen des EuGh. Die Mitteilung interpretiere beispielsweise die Bestimmungen zur Bestellung eines Vertreters eines ausländischen Arbeitgebers, die Registrierung vor der Dienstleistungserbringung, die Meldung von der Entsendung, die Bereithaltung von Unterlagen sowie die Kontrolle für entsendete Drittstaatsangehörige. Im großen und ganzen sah Bartenstein keine Notwendigkeit zur Anpassung österreichischer Gesetze an die Richtlinie, jedoch mit dem Vorbehalt kommender EuGh-Judikatur. Er nehme an, die gelebte Praxis beibehalten zu können. Die Mitteilung der Kommission bestärke ihn auch in der Auffassung, dass Österreich zu Unrecht wegen der Entsenderichtlinie beim EuGh angeklagt worden sei. Nach seiner Interpretation stärke die Kommission nun die österreichische Position.

 

Zur geäußerten Vermutung, durch die Mitteilung komme das Herkunftslandprinzip wieder herein, betonte Bartenstein, die Entsenderichtlinie basiere auf dem Ziellandprinzip. Die Mitteilung der Kommission als Ersatz für die Artikel 24 und 25 der Dienstleistungsrichtlinie sei ein Kompromiss gewesen und man müsse es als einen Erfolg ansehen, dass es schlussendlich keine einzige Gegenstimme gegeben hat. Hinsichtlich der geäußerten Befürchtungen meinte Bartenstein, es gebe ein gutes Netz, um Lohndumping auszuschließen. Bei den Kammern gebe es die Pflichtmitgliedschaft und überall dort, wo Kollektivverträge vorhanden sind, könnten die Unternehmen diese nicht unterschreiten. Darüber hinaus gebe es ortsübliche Löhne.

 

Zu konkreten Punkten in der Mitteilung meinte der Minister, dass Österreich die Meinung der Kommission vertrete, eine Registrierung vor der Dienstleistungserbringung sei unverhältnismäßig. Die Anmeldung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus der EU sei spätestens bei Arbeitsaufnahme gefordert und er sei davon überzeugt, dass die österreichische Praxis mit einer Woche vor Arbeitsaufnahme akzeptabel sei. Bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus Drittstaaten müsse jedes Land das Recht haben, zu überprüfen, ob diese auch rechtmäßig beschäftigt sind. Bartenstein unterstrich abermals die Notwendigkeit, ein europaweites Abkommen über die Zustellung von Verwaltungsstrafen zu erarbeiten.