101/A(E) XXIII. GP

Eingebracht am 30.01.2007
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

EntschlieSSungsantrag

 

der Abgeordneten Drin Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Alpentransitbörse

 

 

Das Modell einer Alpentransitbörse wurde bereits vor dem Auslaufen der Ökopunkteregelung als mögliche EU-konforme und wirksame alpenweite Transitregelung diskutiert, ausgehend von entsprechenden Überlegungen und Konzeptionen in der Schweiz im Hinblick auf das dort verfassungsmäßig festgelegte Ziel einer massiven und konkret befristeten Senkung der LKW-Transitfahrten.

In diesem Sinn geht es beim Modell "Alpentransitbörse" grundsätzlich um eine Begrenzung der alpenquerenden Transitfahrten auf ein für Mensch und Umwelt verträgliches Maß – wie etwa von den Alpenstaaten und der EU in der Alpenkonvention rechtlich bindend vereinbart - und um die Verteilung dieser Fahrten im Wege marktwirtschaftlicher Instrumente wie zB Versteigerung/Handel über eine Börse.

 

Der mittlerweile verstorbene Innsbrucker Universitätsprofessor Clemens August Andreae hat schon Ende der 80er Jahre diese Idee einer Börse zur Versteigerung von Transitfahrten ventiliert. Diese Idee wurde immer wieder aufgefrischt und zuletzt prominent etwa von der Schweizerischen Alpeninitiative vertreten. Die Schweizerische Bundesregierung hat daraufhin eine Studie über die Umsetzbarkeit in Auftrag gegeben, die ein positives Ergebnis brachte. In der Schweiz ist damit der Weg zur praktischen Umsetzung bereits frei.

 

Im Juni 2006 wurde eine solche Alpentransitbörse von VertreterInnen der EU-Kommission und Österreichs sehr gelobt (Mid-term Review des EU-Weißbuches „Verkehr 2010“) und als nachahmenswert angepriesen. Prominente Unterstützer für diese Idee gibt es mittlerweile in Österreich aus mehreren Parteien, auch auf regionaler Ebene.

 

Im einzelnen ist folgende Funktionsweise einer Alpentransitbörse vorstellbar:


1. Plafondierung
Die LKW-Fahrten durch die Alpen werden durch einen politischen Entscheid auf das erträgliche Maß limitiert. Dieser Plafond soll nach einem zu Beginn festgelegten, zügigen Stufenplan schrittweise auf das angestrebte Niveau gesenkt werden.
 
2. Verteilung
Die erlaubten Fahrten (Transitrechte) werden auf die verschiedenen Alpenübergänge und Werktage verteilt. Dabei sind Kriterien wie Sicherheit, Gesundheit der betroffenen Bevölkerung und Umweltschutz als Maßstab zu nehmen.


3. Ausgabe
Die Transitrechte werden periodisch zum Voraus versteigert. Als zusätzlicher Anreiz können Benutzer der Schiene bei der Verteilung bessergestellt werden.


4. Handel

Die ersteigerten Transitrechte können von den Besitzern selber benützt oder an der internetgestützten Alpentransitbörse weiterverkauft werden. Buchung und Bezahlung erfolgen weit gehend automatisch. Die Börse liefert gleichzeitig die Vergleichspreise für den Transport auf der Schiene.


Die Politik definiert somit Ziel und Leitplanken, der Markt regelt den Rest. Die politische Ebene legt die Anzahl der erlaubten LKW-Fahrten durch die Alpen fest, wobei Kriterien von Umweltschutz, Gesundheit und Sicherheit und dazu passende politische Vorgaben (Verlagerung) berücksichtigt werden. Den Rest regelt der Markt. Der Preis wird durch die Nachfrage bestimmt. Dieses System ist marktwirtschaftlich, gewährt die freie Wahl des Verkehrsmittels und ist nichtdiskriminierend, da es weder Nationen noch Gruppierungen bevorzugt.

Die Wirkungen einer funktionierenden Alpentransitbörse können wie folgt zusammengefasst werden:


* Zahlreiche Vorteile für Wirtschaft und Bevölkerung

 

Die Alpentransitbörse bringt sowohl für die Wirtschaft wie auch für die Bevölkerung entlang der Transitachsen nur Vorteile. Spediteure können ihre Transporte langfristig planen. Weil durch die Begrenzung und Verteilung der Fahrten das Verkehrssystem nicht überlastet werden kann, verschwinden die LKW-Staus – die Wirtschaft spart Kosten für sinnlose Wartezeiten im Stau, Unsicherheiten bezüglich Transportzeit auf der Strasse gehören der Vergangenheit an. Denn mit der Börse werden – entsprechende Kontrollen vorausgesetzt -  keine Fahrten angetreten, für welche keine Transitrechte vorliegen. Für die Straßenbetreiber erübrigen sich die Kosten für Einrichtung und Betrieb von großflächigen Warteräumen.

Mit der Alpentransitbörse kann auch die Bevölkerung entlang der Transitachsen aufatmen. Die Anzahl der Fahrten pro Übergang wird auf ein Maß beschränkt, welches für Menschen und Umwelt erträglich ist. Die Transporteure werden sich bemühen, Leerfahrten zu vermeiden. Die Wirtschaft hat einen zusätzlichen Anreiz, auf vermeidbare Transporte zu verzichten.

* Bahn erhält Chancengleichheit


An der Alpentransitbörse wird sich für die Transitrechte ein Preis ergeben, der die Gesamtkosten des Straßentransports den Kosten der Bahn annähert. Damit wird der jetzige Preisvorteil der Strasse ausgeglichen. Die Konkurrenz unter den Eisenbahnunternehmen verhindert, dass die Bahnen ihre Tarife beliebig hoch ansetzen können. Da die Menge der Transitrechte bekannt und deren Preis langfristig einschätzbar sind, entsteht für die Wirtschaft ein starker Anreiz zur langfristigen Umdisponierung der Logistik. Die Bahn müsste dann nicht mehr mittels Rollender Landstrasse kurzfristiges Überlaufventil spielen, sondern könnte ihre Stärken im unbegleiteten Kombiverkehr und Wagenladungsverkehr zur Geltung bringen. Das mit der internetgestützten Börse verbundene Informationssystem macht auf Alternativmöglichkeiten auf der Schiene aufmerksam und erlaubt die direkte Buchung.

* Eine Lösung für den gesamten Alpenraum


Das System der Alpentransitbörse kann auf den ganzen Alpenbogen angewandt werden und den gesamten Nord-Süd-Verkehr erfassen. Um Umwegverkehr zu vermeiden, ist dies sinnvollerweise auch anzustreben. Das System lässt sich ohne Probleme mit der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) in der Schweiz, mit der österreichischen Maut und den Tunnelgebühren in den französisch-italienischen Alpentunnels kombinieren.

 
 * Eine europataugliche Lösung


Die EU, die für ihren Markt auf funktionierende Transporte angewiesen ist, kann es sich nicht leisten, dass Hauptverkehrsachsen längere Zeit außer Betrieb sind. Die verschiedenen schweren Unfälle in den Alpentunnels mit monatelangen Sperren der einzelnen Alpenübergänge haben deshalb ein gewisses Umdenken ausgelöst, das zu höherer Akzeptanz für innovative Lösungsvorschläge wie die Alpentransitbörse geführt hat und nun auch zu Maßnahmen führen muss.

 
Die neuen Erkenntnisse in der Verkehrspolitik haben sich bereits in verschiedenen Dokumenten niedergeschlagen. So unterstützt die von der EU 1996 ratifizierte Alpenkonvention marktkonforme Anreize für die Lenkung des Verkehrs, solange es dabei nicht zu Diskriminierungen kommt. Eine Studie der Europäischen Umweltagentur (EEA) von 2001 anerkennt die besondere Sensibilität der Alpen und fordert weitergehende Maßnahmen zu ihrem Schutz bis hin zur Bedarfssteuerung des Verkehrs. Das EU-Weißbuch über die Zukunft des Verkehrs von 2001 schlägt in die gleiche Kerbe. Auch die neue EU-Wegekostenrichtlinie sieht einen Zuschlag für sensible Regionen vor. Die Alpentransitbörse könnte den Platz dieses Zuschlags einnehmen, wie zB der deutsche "Sachverständigenrat für Umweltfragen" in seinem Sondergutachten „Umwelt und Straßenverkehr“ (2005) vorschlägt.

In der Zürcher Erklärung der Verkehrsminister der Alpenländer vom 30. November 2001 werden faktische Mengenbegrenzungen ausdrücklich gebilligt, ebenso wurden diese vom Europaparlament bereits gefordert.


Die freie Wahl des Verkehrsmittels, das Kontingentierungsverbot sowie die Nichtdiskriminierung sind das Credo der europäischen Verkehrspolitik. Die Alpentransitbörse wäre darauf ausgerichtet: Die faktisch längst bestehende Mengenbegrenzung aus Sicherheits- und Kapazitätsgründen würde statt über den unberechenbaren Stau durch ein intelligentes System mit handelbaren Fahrleistungsrechten diskriminierungsfrei gesteuert. Gleichzeitig würde die ökologische Zielvorgabe mit den geringstmöglichen volkswirtschaftlichen Kosten erreicht. Dies bestätigt eine vom Schweizer Bundesrat in Auftrag gegebene Studie, welche der Alpentransitbörse auch bescheinigt, technisch und betrieblich machbar zu sein.

 

Im Regierungsübereinkommen ist – im Zusammenhang mit dem Bekenntnis zur Erarbeitung einer neuen Strategie für mehr Kostenwahrheit im Güterverkehr - festgehalten:

"Zusätzlich wird am Aufbau einer Alpentransitbörse mit den österreichischen Nachbarn gearbeitet."

 

Zwar hat diese Festlegung in der Regierungserklärung von Bundeskanzler Gusenbauer keinen Platz gefunden, die Grünen gehen aber angesichts der Dringlichkeit der Verlagerung gerade von Langstrecken-Gütertransporten auf umweltfreundlichere Verkehrsträger dennoch vom Willen der Regierung zur Umsetzung dieser Ankündigung aus. Diese Umsetzung wird allerdings neben einer Spezifizierung dieser "Arbeiten mit den Nachbarn" konkrete zügige Aktivitäten auch in Richtung EU-Institutionen sowie einen konkreten Fahrplan in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht erfordern.

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

 

Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, in Abstimmung mit den Landesregierungen sowie den Vertragspartnern der Alpenkonvention (incl. EU) das Schweizer Modell der Alpentransitbörse so weiterzuentwickeln, dass es bis spätestens 2009 im gesamten Alpenraum zur Anwendung kommen kann.

In Ergänzung zu den bisherigen und zusätzlich nötigen Maßnahmen zB nach dem Luftreinhalterecht soll durch die Alpentransitbörse eine nach Kriterien des Umweltschutzes festgelegte Plafondierung des Straßengütertransits eintreten und so eine Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene forciert und die Begrenzung der Belastungen und Risken auf ein erträgliches Maß – wie in der Alpenkonvention vereinbart - erreicht werden.

 

Die Bundesregierung wird in diesem Zusammenhang insbesondere aufgefordert,

* einen Zeitplan für Aufbau und Inbetriebnahme einer Alpentransitbörse zu entwickeln,

* umgehend die nötigen Gespräche und Verhandlungen mit den Nachbarstaaten mit Alpenanteil sowie mit den EU-Institutionen aufzunehmen,

* sowie dem Parlament bis spätestens 30.6.2007 erstmals über Zeitplan und bereits erzielte Fortschritte und Ergebnisse zu berichten.

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verkehrsausschuss vorgeschlagen.