336/A XXIII. GP
Eingebracht am 27.09.2007
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ANTRAG
des Abgeordneten Zinggl, Freundinnen und Freunde
betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Förderung von Kunst und kultureller Vielfalt geschaffen wird und das Bundesgesetz vom 25. Feber 1988 über die Förderung der Kunst aus Bundesmitteln (Kunstförderungsgesetz), BGBl. Nr. 146/1988, außer Kraft tritt.
Der Nationalrat wolle beschließen:
Ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Förderung von Kunst und kultureller Vielfalt geschaffen wird und das Bundesgesetz vom 25. Feber 1988 über die Förderung der Kunst aus Bundesmitteln (Kunstförderungsgesetz), BGBl. Nr. 146/1988, außer Kraft tritt.
Der Nationalrat hat beschlossen:
Bundesgesetz zur Förderung von Kunst und kultureller Vielfalt
§ 1 Grundlegendes, Begriffsdefinitionen
(1) Die Republik Österreich bekennt sich zur Förderung von in Österreich ausgeübten oder in Beziehung zu Österreich stehenden künstlerischen und kulturellen Tätigkeiten und Dienstleistungen. Für diesen Zweck sind im Bundesfinanzgesetz entsprechende Mittel vorzusehen.
(2) Die Republik Österreich bekennt sich dazu, dass künstlerische und kulturelle Aktivitäten und Produktionen – unabhängig von ihrem allfälligen kommerziellen Wert – Träger von Identität und ideellen Werten sind.
(3) Unter Kultur im Sinne dieses Gesetzes ist der umfassende Prozess der Produktion, Distribution, Vermittlung und Konservierung von Ausdrucksformen unterschiedlicher sozialer Gruppen zu verstehen.
(4) Unter Kunst im Sinne dieses Gesetzes sind jene kulturellen Artikulationen und Handlungen zu verstehen, die unter dem oben definierten Kulturbegriff subsumiert werden können und eine spezifische sinnlich-symbolhafte und reflexive Ausformung der Kultur darstellen. Entsprechend der Vielfalt der kulturellen Praktiken und Auffassungen ist der Kunstbegriff ein offener Begriff.
(5) Kunst und Kultur im Sinne dieses Gesetzes sind offene, durch Vielfalt, Dialog und Diskurs gekennzeichnete gesellschaftliche Prozesse von Produktivität und Kommunikation.
(6) Der Begriff „kulturelle Vielfalt“ bezieht sich auf die mannigfaltige Weise, in der sich die Kulturen von sozialen Gruppen äußern. Kulturelle Vielfalt zeigt sich in der Differenziertheit und Heterogenität des gegenwärtigen und vergangenen künstlerischen Schaffens, in der Vielzahl der Herstellungsprozesse sowie der unterschiedlichen Formen der Verbreitung, des Vertriebs und des Genusses von kulturellen Gütern und Leistungen. Die kulturelle Vielfalt entspricht der sozialen Vielfalt, die in offenen und liberalen Gesellschaften entstehen.
§ 2 Ziele und Aufgaben der Förderung von Kunst und kultureller Vielfalt
(1) Mit der Kunst- und Kulturförderung verfolgt die
Republik Österreich insbesondere folgende Ziele:
1. die Vielfalt und Entfaltung kultureller Ausdrucksformen unter Zugrundelegung
der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie der Solidarität mit
sozial benachteiligten Gruppen und Minderheiten zu schützen und zu
fördern,
2. die freie und optimale Entfaltung künstlerischer Aktivitäten unter
besonderer Berücksichtigung innovativer Ansätze zu gewährleisten,
3. die künstlerischen Artikulationsmöglichkeiten und die kreative
Selbstentfaltung jedes Menschen durch aktives Kunst- und Kulturschaffen sowie
die Teilnahme und Teilhabe am kulturellen und künstlerischen Leben auch
für einkommens- und bildungsschwache Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen,
4. Interkulturalität und den Dialog zwischen den
Kulturen anzuregen, um einen breiteren und ausgewogeneren Austausch zur
Förderung der gegenseitigen Achtung der Kulturen zu gewährleisten,
5. Offenheit gegenüber neueren künstlerischen und kulturellen
Entwicklungen im In- und Ausland zu gewährleisten,
6. Maßnahmen zu treffen, um die
Öffentlichkeit zu informiertem Verständnis von und informierter
Kritik an künstlerischen und kulturellen Entwicklungen und Angelegenheiten
zu befähigen,
7. Maßnahmen zu treffen, um das kulturelle Erbe des Landes für die
Gegenwart zu erschließen und für kulturell produktive Zwecke verfügbar
zu machen.
§ 3 Förderungsbereiche
(1) Im Sinne der in § 2 niedergelegten Ziele sind
nach kulturpolitischer Bedeutung und künstlerischem Anspruch
insbesondere zu fördern:
Architektur, Bildende Kunst, Darstellende Kunst, Design und angewandte Kunst,
Film- und Videokunst, Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Kunst und der
Kultur, Kunstpublizistik, Literatur, Musik, Neue Medien sowie der
Interdisziplinarität verpflichtete Kunst- und Kulturprojekte.
(2) Arten der Förderung im Sinne dieses Bundesgesetzes
sind:
1. allgemeine kulturpolitische Fördermaßnahmen
2. Basisförderungen
3. Einzel- oder Projektförderungen
(3) Basisförderung wird für kulturelle Strukturmaßnahmen und längerfristige Konzepte, Einzel- oder Projektförderung für konkrete Vorhaben im Kunst- oder Kulturbereich sowie für kulturelle und künstlerische Aktivitäten einzelner Personen oder Institutionen gewährt.
§ 4 Förderungsgrundsätze
(1) Bei allen Förderungsmaßnahmen nach diesem Gesetz ist auf dessen Ziele sowie auf Transparenz und Ausgewogenheit Bedacht zu nehmen.
(2) Die Staatszielbestimmung zur Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen nach Art. 7 (2) B-VG hat bei der Förderungsvergabe besondere Berücksichtigung zu finden.
(3) Förderungen haben nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Mittel und unter Beachtung der Grundsätze der Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit zu erfolgen.
(4) Besonderes Augenmerk ist auf die Förderung von interkultureller, integrativen Ansätzen verpflichteter Kunst- und Kulturarbeit zu legen.
(5) Förderungswerbende haben Anspruch auf umfassende Einsicht in alle Akten, die den eigenen Antrag betreffen. Die Förderungsbehörde hat umfassende Informationspflicht gegenüber den Förderungswerbenden.
(6) Eine Abstimmung der Fördermaßnahmen, insbesondere hinsichtlich der Kofinanzierung durch andere Rechtsträger, darf nicht zur Voraussetzung für die Gewährung einer Förderung durch die Republik Österreich gemacht werden.
(7) Über Förderungen bis zu einer beantragten Förderhöhe von € 4.000.- kann die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur ohne Befassung von Fachbeiräten entscheiden. Förderansuchen, die über diesen Betrag hinausgehen, sind den jeweils zuständigen Fachbeiräten nach § 7 dieses Gesetzes vorzulegen und von diesen zu beurteilen und zu prüfen.
(8) Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur hat den/die Förderungswerbenden über allenfalls vorhandene weitere öffentliche Fördermöglichkeiten zu informieren.
(9) Dient ein kulturelles oder künstlerisches Vorhaben überwiegend anderen, z. B. wirtschaftlichen oder touristischen Zwecken, darf die Förderung nicht überwiegend aus Mitteln der Kultur- und Kunstförderung erfolgen, sondern nur zu einem entsprechend geringeren Anteil.
(10) Auf die Gewährung von Förderungen nach diesem Gesetz besteht kein Rechtsanspruch.
§ 5 Förderungsmaßnahmen
(1) Unter allgemeinen kulturpolitischen Maßnahmen sind insbesondere zu verstehen:
1. die Vergabe von Aufträgen im Bereich der Kunst
und Kultur,
2. die Vergabe von Auszeichnungen, und Preisen für künstlerische und
kulturelle Leistungen,
3. die Errichtung, Bereitstellung und Adaptierung von
Präsentationsräumen für Kunst und Kultur in allen Regionen des
Landes,
4. die Qualitätssicherung in der Architektur,
insbesondere hinsichtlich der Empfehlungen des je aktuellen Baukulturreports,
5. die Beteiligung an Gesellschaften oder der Abschluss von Verträgen zum
Zweck kulturbezogener Aktivitäten, etwa die der Durchführung
kultureller Veranstaltungen, Projekte und Festivals gemeinsam mit anderen
Rechtsträgern, insbesondere anderen Gebietskörperschaften.
(2) Basis-, Einzel- und Projektförderungen erfolgen
insbesondere durch
1. die Vergabe von Stipendien (insbesondere auch für Studienaufenthalte im
Ausland),
2. die Gewährung von Darlehen und nicht rückzahlbaren Zuschüssen,
3. die Bereitstellung von Gebäuden und Einrichtungen für kulturelle Veranstaltungen und Zwecke,
4. sonstige organisatorische oder logistische Unterstützung.
§ 6 Bedingungen für die Förderung
(1) Voraussetzung für die Gewährung von in § 3 Abs. 2 genannten Förderungsmaßnahmen ist die Einbringung eines Ansuchens beim Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur.
(2) Vor Gewährung einer Förderung ist mit dem Förderungswerbenden ein Vertrag abzuschließen, der alle Auflagen und Bedingungen enthält, die den wirtschaftlichen Einsatz der Bundesmittel sicherstellen und eine möglichst rasche und einfache Vergabe der Mittel ermöglichen sollen. Musterverträge sind den Förderungsrichtlinien anzuschließen.
(3) Gelddarlehen dürfen ganz oder teilweise in eine Geldzuwendung umgewandelt werden, wenn der angestrebte Erfolg des Fördervorhabens wegen nachfolgend ohne Verschulden des Förderungsempfängers/der Förderungsempfängerin eingetretener Ereignisse nur durch eine solche Zuwendung erzielt werden kann.
§ 7 Fachbeiräte
(1) Zur Beurteilung und Prüfung von Förderansuchen werden im Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur Fachbeiräte eingerichtet. Über die inhaltlichen Kriterien zur Einrichtung der Fachbeiräte wird im Verordnungsweg entschieden.
(2) Die Mitglieder der Fachbeiräte werden von der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur ernannt. Dabei gilt das Rotationsprinzip: Jährlich wird mindestens ein Beiratsmitglied ausgetauscht. Auf die Einhaltung der Geschlechterparität aller Beiräte ist zu achten.
(3) Als Mitglieder der Fachbeiräte sind geeignete Personen heranzuziehen.
(4) Jeder Fachbeirat gibt sich eine Geschäftsordnung. Die konstituierende Sitzung des Beirates wird von der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur einberufen.
(5) Jedes Förderansuchen, das eine beantragte Förderhöhe von € 4000 überschreitet, wird spätestens vier Wochen nach vollständigem Einlangen im Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur dem zuständigen Fachbeirat zugewiesen und spätestens nach weiteren acht Wochen von diesem behandelt, wobei den Förderungswerbenden Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird. Danach wird der Bundesministerin eine Empfehlung übermittelt, auf deren Basis diese binnen zwei Wochen nach Einlangen der Empfehlung die Entscheidung über die Fördervergabe trifft und die Förderungswerbenden über die Entscheidung innerhalb eines angemessenen Zeitraums informiert.
(6) Die Mitglieder der Fachbeiräte haben Anspruch auf Ersatz ihrer Reisegebühren nach Reisegebührenvorschrift, BGBl. 131/1955, zuletzt geändert in BGBl. 115/2005, in der jeweils geltenden Fassung.
(7) Alle Sitzungen der Fachbeiräte sind öffentlich. Die Dokumentation der Sitzungen soll in geeigneter Form allen Interessierten zugänglich sein.
§ 8 Förderungsrichtlinien
Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur hat die näheren Vorkehrungen, die bei der Gewährung von Förderungen nach diesem Bundesgesetz zu treffen sind, nach Vorberatung mit den Fachbeiräten durch Richtlinien festzulegen.
§ 9 Übergangsbestimmungen
Die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes verfügbaren Mittel im Sinne des Kunstförderungsgesetzes, BGBl. 146/1988, sind sinn- und widmungsgemäß auf dieses Gesetz zu übertragen.
§ 10 Vollziehung
(1) Mit der Vollziehung dieses Gesetzes ist die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betraut.
(2) Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur hat dem Nationalrat im Wege der Bundesregierung einen jährlichen Bericht über die Tätigkeit des Bundes auf dem Gebiet der Kunstförderung (Kunstbericht) vorzulegen.
§ 11 Außerkrafttreten
Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes tritt das Bundesgesetz vom 25. Feber 1988 über die Förderung der Kunst aus Bundesmitteln (Kunstförderungsgesetz), BGBl. Nr. 146/1988, außer Kraft.
Begründung:
Österreich hat die Unesco-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksmittel ratifiziert. Der internationalen Vereinbarung entsprechend, müssen nun nationale Gesetze folgen – im Sinne der Konvention sollte an die Stelle der Vorherrschaft eines großen, staatlichen Kulturtheaters langsam die vielfältige Förderung unterschiedlichster kultureller Initiativen treten.
Mit dieser neuen Regelung dürfen Regierungen Gesetze gegen übermächtige Kulturkonzerne erlassen und können so lokale und regionale Kulturen vor der kommerziellen Umklammerung des vermeintlich freien Marktes schützen. Denn dieser führt unreguliert unweigerlich zu Monopolen und Monokultur.
Durch die Implementierung des Gesetzes soll gewährleistet sein, dass auch ökonomisch schwächere Gemeinschaften, die unter den rein kapitalistischen Bedingungen von Angebot und Nachfrage Gefahr laufen würden, ihre kulturelle Eigenständigkeit zu verlieren, hinreichend geschützt sind. Gemäß den Vorgaben der Unesco gesteht die Republik Österreich allen Kulturen, also auch jenen ohne nationale Bezüge, eine Berechtigung zu und achtet auf Minderheiten-, Jugend- und andere Rand- und Subkulturen, die häufig außerhalb der Wahrnehmung einer breiten Öffentlichkeit operieren, nichtsdestoweniger aber eine bedeutende Rolle hinsichtlich der Identitätsstiftung und der Vermittlung von Werten spielen.
Darüber hinaus soll durch die Installierung eines verpflichtenden, unabhängigen Beiratswesens größtmögliche Transparenz in den Fördervergaben sichergestellt werden – analoge Konstruktionen haben sich etwa im Steiermärkischen Kultur- und Kunstförderungsgesetz 2005 bewährt.
Die Definition des Begriffs Kunst lässt sich nicht objektivieren, sondern bleibt letztlich individuellen oder kollektiven Einschätzungen überlassen. Aus diesem Grund ist der Begriff auch einem permanenten Bedeutungswandel unterzogen, er ist nicht statisch, sondern per definitionem dynamisch.
In formeller Hinsicht wird unter Verzicht auf eine 1. Lesung die Zuweisung an den Kulturausschuss vorgeschlagen.