429/A(E) XXIII. GP

Eingebracht am 17.10.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Strache

und weiterer Abgeordneter

betreffend Verurteilung des türkischen Völkermordes an den Armeniern durch die

Bundesregierung

Durch zahlreiche Übergriffe von Türken in der Zeit von 1894 bis zum Beginn des Völkermordes von 1915 wurden Schätzungen zufolge 200.000-300.000 Armenier zu Opfern.

Am 24. und 25. April 1915 wurden alle armenischen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Führer, die sich in Konstantinopel aufhielten, verhaftet, deportiert und später großteils ermordet - insgesamt über 2.000 Personen.

Bis Juli des Jahres 1915 wurden die Armenier in ihren Hauptsiedlungsgebieten an sieben Orten konzentriert. Sie wurden entweder gleich dort von türkischen Polizisten und Soldaten oder Hilfstruppen ermordet oder auf Befehl von Innenminister Talaat ab dem 27. Mai 1915 auf Todesmärsche über unwegsames Gebirge oder durch die Wüste Richtung Aleppo geschickt. Talaat hatte den ausdrücklichen Befehl gegeben, „alle Armenier, die in der Türkei wohnen, gänzlich auszurotten". In den folgenden zwei Jahren wurden nach und nach auch die in den westanatolischen Provinzen lebenden Armenier - mit Ausnahme von Konstantinopel und Smyrna, wo sich der deutsche General Liman von Sanders unter Androhung von militärischen Gegenmaßnahmen gegen die Deportationen und Massaker stellte - deportiert oder ermordet.

Etwa 100.000 Armenier überlebten die Todesmärsche, etwa 500.000 gelang die Flucht. Je nach Schätzung kamen etwa 600.000 bis 1.500.000 Armenier um. Hunderttausende Armenier, die den Völkermord überlebten, mussten emigrieren.

Infolge der Oktoberrevolution, nach dem Zusammenbruch der russischen Regierung im Kaukasusgebiet, marschierten dort türkische Truppen ein, um die Armenier zu vernichten und die Schaffung eines armenischen Staates zu verhindern. Dabei wurden etwa 175.000 Armenier ermordet.

Nach schweren Rückschlägen für die christlichen Bevölkerungsgruppen im türkisch- griechischen Krieg 1922 begannen in der Türkei im Rahmen der sogenannten Kleinasiatischen Katastrophe erneut Massaker an Christen in Smyrna (heute Izmir). Beim Friedensschluß von Lausanne 1923 war fast die gesamte christliche Bevölkerung von fünf Millionen Menschen, - Armenier, Griechen, arabische und aramäische (Syrisch-Orthodoxe, Nestorianer, Chaldäer) Christen, - beseitigt worden.

Am 11. Juni 1919 gestand der Großwesir Damad Ferid Pascha die Verbrechen öffentlich ein.

1920 bezeichnete Kemal Atatürk, der Vater der Türken, den Völkermord an den Armeniern vor dem Parlament als „eine Schandtat der Vergangenheit".

 


Spätere türkische Regierungen leugneten dagegen den Völkermord an den Armeniern und stellten die Ermordungen als Folgen von Kriegshandlungen dar, ohne sich davon zu distanzieren.

Auch nach dem Völkermord und der Vertreibung der Armenier ging in der Türkei die Zerstörung armenischer Kulturgüter weiter. Noch 1998 wurde die Kirche Surb Arakelots in Kars in eine Moschee umgewandelt.

Bis heute leugnet der türkischen Staat die Verbrechen und spricht von einer "Völkermordlüge". Gleichzeitig verpflichtete das Ministerium die türkische Lehrerschaft zur Teilnahme an dazu passenden Fortbildungsmaßnahmen und hat die Neuauflagen veralteter türkischer Schulbücher vorgenommen, in denen Nicht- Muslime in der Türkei als "Spione", "Verräter" sowie "Barbaren" bezeichnet werden. Es fehlt auch nicht der Hinweis, dass deren Schulen, Kirchen sowie Synagogen "schädliche Gemeinden" sind. Obwohl die Türkei inzwischen von der EU für diese Verfügungen gerügt worden ist, blieb der umstrittene Minister Hüseyin Çelik im Amt.

20 Länder der Erde haben seit 1965 die Vernichtung der Armenier durch den türkischen Staat in Resolutionen, Beschlüssen oder Gesetzen als Völkermord entsprechend der UN-Völkermordkonvention von 1948 bewertet. Das Europäische Parlament hat mit den Beschlüssen vom 18. Juni 1987 und 15. November 2001 die Anerkennung des Völkermordes durch den türkischen Staat zu einer Voraussetzung des Vollbeitritts der Türkei erklärt und am 28. Februar 2002 in einer weiteren Beschlussfassung die Türkei zur Einhaltung dieser Vorgabe gemahnt.

Bis heute versucht die türkische Regierung, eine Bewertung der Vorgänge als Völkermord zu verhindern. Deshalb gab es heftige diplomatische Auseinandersetzungen. Gleichwohl haben inzwischen viele Parlamente u.a. in Uruguay, Argentinien, Belgien, Griechenland, Italien, Niederlande, Russland, Schweden, Schweiz, Slowakei, Zypern und 2004 auch in Kanada sowie internationale Organisationen wie der Europarat entsprechende Erklärungen abgegeben.

Der Deutsche Bundestag beschoß eine Entschließung, die die Türkei aufforderte, sich zu ihrer historischen Verantwortung für die Massaker an armenischen Christen im Osmanischen Reich zu bekennen. Sie wurde am 16. Juli 2005 vom Deutschen Bundestag ohne Gegenstimme beschlossen.

In Frankreich wurde am 12. Oktober 2006 von der französischen Nationalversammlung ein von der Sozialistischen Partei (PS) eingebrachter Gesetzentwurf mit großer Mehrheit angenommen. Dadurch wird die Leugnung des Völkermordes an den Armeniern analog zur Holocaustleugnung in Frankreich in Zukunft mit einer Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr und einer Geldstrafe bis zu 45.000 Euro bestraft.

Anfang Oktober 2007 hat der außenpolitische Ausschuß des amerikanischen Kongresses hat eine Resolution zum Völkermord an den Armeniern verabschiedet, die auch im amerikanischen Kongreß beschlossen werden soll.


Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, ebenso wie der Weltkirchenrat, das Europäischen Parlament, die UN-Menschenrechts-kommission, die Parlamente bzw. Senate Argentiniens, Belgiens, Bulgariens, Frankreichs, Griechenlands, Kanadas, Libanons, der Rußländischen Föderation, Schwedens, Uruguays, der USA und Zyperns die Verbrechen der Türken an den Armeniern seit 1886, im besonderen den Völkermord von 1915, dem bis zu 1, 5 Mio Armenier zum Opfer fielen, zu verurteilen und diesen im Sinne des Übereinkommens über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (Völkermordkonvention 1948) anzuerkennen.

Die Bundesregierung wird dazu aufgefordert, die Regierung der Republik Türkei aufzufordern, die historische Tatsache des Völkermordes anzuerkennen und damit der Bedingung zu entsprechen, die das Europäische Parlament mit seiner am 18. Juni 1987 verabschiedeten „Resolution zur politischen Lösung der Armenischen Frage" an die Vollmitgliedschaft der Türkei gestellt hat."

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den außenpolitischen Ausschuß vorgeschlagen.