555/A XXIII. GP

Eingebracht am 16.01.2008
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ANTRAG

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde

 

 

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

 

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz BGBl. Nr. 189/1955, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 76/2007 geändert wird

 

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

§ 228 Abs.1 Z 1 werden folgende Sätze angefügt:

 

„Zeiten des Kriegsdienstes gelten nicht als Ersatzzeit, wenn der Kriegsdienst im Rahmen der SS , der Waffen-SS oder anderer im Rahmen der Prozesse vor dem Internationalen Militärgerichtshofs als verbrecherisch eingestufter Organisationen geleistet wurde oder der Versicherte nach 8. Mai 1945 für im Rahmen des Kriegsdienstes begangene Verbrechen rechtskräftig verurteilt wurde. Zeiten der Kriegsgefangenschaft gelten nicht als Ersatzzeiten, wenn die Gefangenschaft einem Kriegsdienst folgte, der im Rahmen der SS, der Waffen-SS oder anderer im Rahmen der Internationalen Militärgerichtshofs als verbrecherisch eingestufter Organisationen geleistet wurde oder aber auf Grund von im Rahmen des Kriegsdienst begangene Verbrechen erfolgte, für die der Versicherte nach 8. Mai 1945 rechtskräftig verurteilt wurde.“

 

 

Begründung:

 

 

Die 70. Wiederkehr des so genannten Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich ist Anlass für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Nachkriegsumgang mit der Geschichte Österreichs zwischen 1938 und 1945 und damit Gelegenheit, auch in den Rechtsvorschriften klarzustellen, dass die Ableistung von Kriegsdienst in verbrecherischen Organisationen wie etwa der SS, der Waffen-SS oder anderen in den Nürnberger Prozessen als verbrecherisch eingestuften Organisationen oder die Beteiligung an Kriegsverbrechen nicht gleichzusetzen ist mit der zwangsweisen Einziehung zum Kriegsdienst (im Sinne der Urteile von Nürnberg, mit denen Wehrmachtsangehörige trotz der erheblichen Verbrechen der Wehrmacht nicht pauschal als Angehörige einer verbrecherischen Organisation eingestuft wurden, da denkbar ist, dass Menschen – anders als bei der SS, der Waffen-SS oder den anderen als verbrecherisch eingestuften Organisationen – auch gegen ihren Willen zur Wehrmacht eingezogen wurden und sich in der Folge nicht an Kriegsverbrechen beteiligten). Auch wenn rückblickend festgestellt werden kann, dass nach 1945 notwendigerweise rechtliche, gesellschaftliche und sozialpolitische Maßnahmen zur Integration ehemaliger NationalsozialistInnen oder an Kriegsverbrechen beteiligter Personen unabdingbar waren, darf das nicht zu einer Gleichsetzung der zwangsweisen Einberufung zum Kriegsdienst (im Sinne der Urteile von Nürnberg) mit der Beteiligung an verbrecherischen, nationalsozialistischen Organisationen führen.

 

Der vorliegende Gesetzesvorschlag hat weder für die EmpfängerInnen von unter Berücksichtigung des § 228 Abs.1 Z. 1 zustande gekommenen Pensionen noch für die Republik finanzielle Folgewirkungen, da Pensionsbescheide auf Basis der jeweils geltenden Rechtslage zu Stande kommen und nachträglich, sofern sie nicht auf Grund falscher Angaben erfolgten, nicht mehr verändert werden können. Die Inkraftsetzung der vorgeschlagenen Bestimmung ist dennoch rechtspolitisch betrachtet von großer Bedeutung, da sie ein sehr spätes Bewusstsein darüber zum Ausdruck bringt, dass die Republik zwischen zwangsweiser Einziehung zum Kriegsdienst und freiwilliger Beteiligung an verbrecherischen Organisationen zu unterscheiden weiß.

 

Gerade in den letzten Monaten sind verstärkte Versuche zu bemerken, die Unterscheidung zwischen zwangsweiser und freiwilliger Beteiligung am vom nationalsozialistischen Deutschland ausgelösten zweiten Weltkrieg zu verwischen. Diesen Versuchen hat eine demokratische Republik mit aller Entschiedenheit ebenso entgegenzutreten wie Versuchen, den Charakter des Nationalsozialismus zu behübschen.

 

Abgesehen von der Tatsache, dass die vorgeschlagene Gesetzesänderung vor allem symbolischen Charakter besitzt, ist auf Grund des unmittelbaren Bezugs auf die Rechtsprechung des Internationalen Militärgerichts von Nürnberg ausgeschlossen, dass etwaig zwangsweise zum Dienst in verbrecherischen Organisationen verpflichtete Personen von der Regelung erfasst werden, so ihnen keine unmittelbare Beteiligung an Kriegsverbrechen nachgewiesen werden konnte.

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales vorgeschlagen sowie die Durchführung einer ersten Lesung innerhalb von drei Monaten verlangt.