567/A(E) XXIII. GP

Eingebracht am 30.01.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Pirklhuber, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Health Check der Gemeinsamen Agrarpolitik

 

 

 

 

 

 

Die EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel legte im November 2007 Vorschläge zur Gesundheitsüberprüfung („Health Check“) der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) vor. Danach sollen die globalen Herausforderungen Klimaschutz, Wassermanagement und Erhalt der Biodiversität in die GAP integriert werden. Die progressive Staffelung der Direktzahlungen sowie eine Erhöhung der Modulation und Umlenkung der Mittel in die Ländliche Entwicklung sind richtige Ansätze hin zu einer zukunftsfähigen Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik. Damit werden die finanziellen Leistungen verstärkt an die Erbringung gesellschaftlich erwünschter Leistungen gebunden. Folgende Maßnahmen werden in der Mitteilung der Kommission (KOM(2007) 277 angedacht:

 

Die Direktzahlungen aus der Betriebsprämienregelung (VO (EU) 1782/2003) sollen gestaffelt werden, indem mit steigenden Zahlungsbeträgen je Betrieb die Direktzahlungen in zunehmendem Maße gekürzt werden: Zahlungen über 100.000 Euro sollen um 10%, Zahlungen über 200.000 Euro um 25% und Zahlungen über 300.000 Euro um 45% gekürzt werden.

 

Flächenstilllegung: Beim Wegfall der Flächenstilllegung auf Dauer sollen Maßnahmen gesetzt werden, um den ökologischen Nutzen zu erhalten, den die bisherige Regelung gebracht hat.

 

Klimawandel: Die Landwirtschaft soll in die EU-Gesamtstrategie zur Bekämpfung des Klimawandels stärker als bisher miteinbezogen werden und mehr zur Verringerung der Treibhausgasemissionen beitragen. Im Grünbuch „Anpassung an den Klimawandel in Europa“ werden von der EU-Landwirtschaft weitere Beiträge zum Klimaschutz gefordert.

 

Erneuerbare Energien: Im „Fahrplan für erneuerbare Energien“ legt die EU verbindliche Ziele für den Anteil von Biokraftstoffen (10%) und erneuerbare Energien (20%) am Gesamtkraftstoff- und Energieverbrauch bis 2020 fest. „Diese Ziele stehen in engem Zusammenhang mit den Zielen der Abschwächung des Klimawandels und dürften beträchtliche Auswirkungen auf die EU-Landwirtschaft haben“, so Fischer Boel.[1]

 

Wasserbewirtschaftung: Laut Kommission soll auch geprüft werden, wie Fragen der Wasserbewirtschaftung verstärkt in die Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums einbezogen werden können

 

Pflanzengenetische Ressourcen: Es soll geprüft werden, wie dem Rückgang der Artenvielfalt Europas Einhalt zu gebieten ist.

 

Ländliche Entwicklung: Für erforderlich hält die Kommissarin auch die Stärkung des zweiten Pfeilers der EU-Agrarpolitik, die Ländliche Entwicklung. „Da der Haushalt der GAP nun bis zu 2013 feststeht, lässt sich eine Aufstockung der Mittel für Maßnahmen des zweiten Pfeilers nur durch die Erhöhung der obligatorischen Modulation mit entsprechender Kofinanzierung erreichen“. Die Kommission schlägt vor, die bisherige obligatorische Modulation in den Haushaltsjahren 2010 bis 2013 um jährlich 2% anzuheben.

 

Die Kommissarin will die Milchquotenregelung am 31. März 2015 auslaufen lassen, um eine „stärker am Markt ausgerichtete Milchpolitik zu gewährleisten“

 

Die geplante schrittweise Aufstockung und schließlich Abschaffung der Milchquoten, wäre jedoch für die meisten österreichischen Milchbetriebe keine „sanfte Landung“ auf dem „freien Markt“. Viele österreichische Betriebe in den Berggebieten und Benachteiligten Gebieten könnten unter diesen Bedingungen die Milchproduktion nicht aufrechterhalten.

 

Die EU-Direktzahlungen der ersten Säule sind immer noch eng an den Besitz von Fläche gebunden, haben keinen Bezug zur Bereitstellung von Arbeitsplätzen und sind für Klein- und Mittelbetriebe wettbewerbsverzerrend. Ein Überblick über die Verteilung in der EU15 aus den jüngst veröffentlichen Zahlen der EU-Kommission ergibt, dass im Jahr 2005 insgesamt 22.290 Betriebe mehr als 100.000 Euro an Direktzahlungen erhalten haben. Damit bekamen 0,45% der Zahlungsempfänger 14,4% aller Direktzahlungen. 

 

In Österreich bekommen zwar „nur“ 64 Betriebe oder 0,05% aller Zahlungsempfänger mehr als 100.000 Euro pro Jahr[2]. Ein Blick auf die Verteilung der Betriebsprämie in Österreich beweist jedoch deren extreme Unausgewogenheit:

 

-          77% aller Betriebe bekommen nur bis zu 5.000 EUR Betriebsprämie pro Jahr

-          12,8% aller Betriebe bekommen 5.000 – 10.000 EUR  Betriebsprämie pro Jahr

-          auf die restlichen 10,2% der Betriebe entfallen jedoch 48,6 % der gesamten Betriebsprämien.

 

Hinsichtlich des „historischen Prämienmodells“ (das in Österreich umgesetzt wurde) schlägt die Kommissarin Adaptierungen vor: „die Höhe der Stützungszahlungen, die der einzelne Betrieb erhält, ergibt sich zurzeit jedoch in beiden Fällen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, aus den früheren Produktionsmengen, so dass es mit der Zeit immer schwieriger werden wird, unterschiedlich hohe Stützungszahlungen zu rechtfertigen, speziell beim historischen Modell. Es erscheint deshalb sinnvoll, den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zu geben, das einmal gewählte Modell anzupassen und im Zeitraum 2009 bis 2013 einheitlichere Sätze vorzusehen.“

 

Die steigende Nachfrage nach gesunden Lebensmitteln und Energien bei gleichzeitiger weltweiter Verknappung der Rohstoffe, des fruchtbaren Ackerlandes und des Wassers sowie die ansteigende Bedrohung durch den Klimawandel verlangen eine umgehende Neuausrichtung der europäischen Agrarpolitik. Die gesamte Produktionskette muss im Sinne ökologischer Effizienz und sozialer Verträglichkeit optimiert werden. Nutzlosen Risikotechnologien wie der Agro-Gentechnik ist eine klare Absage zu erteilen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, anlässlich des „Health Check“ der Gemeinsamen Agrarpolitik folgende Positionen zu vertreten:

 

1.      Die Wettbewerbsverzerrungen aufgrund der ungerechten Verteilung der Direktzahlungen zulasten kleinerer, mittlerer und ökologisch wirtschaftender Betriebe sind abzubauen und zu beenden.

 

2.      Die Vorschläge der EU-Kommission zur progressiven Staffelung der Direktzahlungen (über 100.000 Euro je Betrieb minus 10%, über 200.000 Euro minus 25% und alles über 300.000 Euro minus 45%) sowie die Anhebung der obligatorischen Modulation um jährlich mindestens 2% sind zu unterstützen und weiterzuentwickeln.

 

3.      Die Gelder, die durch die Staffelung und Modulation einbehalten werden, sind zu 100% den Mitgliedstaaten zu überlassen und sollen jenen Betrieben zugute kommen, welche durch eine umweltschonende und tiergerechte Produktion die gesellschaftlich erwünschten Leistungen erbringen.

 

4.      Die Vergabe von Direktzahlungen muss verstärkte Anreize schaffen, Arbeitsplätze in der Landwirtschaft zu erhalten und zu schaffen.

 

5.      Der Ansatz der Kommission zur Umschichtung der Direktzahlungen von der ersten Säule zugunsten der zweiten Säule „Ländliche Entwicklung“ ist zu unterstützen und zu verstärken.

 

6.      Der Vorschlag der Kommission zur Abschaffung der Milchquotenregelung ist abzulehnen; es sind Alternativen auszuarbeiten mit dem Ziel der Erhaltung der Milchproduktion in den Berggebieten und benachteiligten Gebieten.

 

7.      Die EU-weit verbindlichen Ziele für den Anteil von Biokraftstoffen (10%) sind nach ihrer ökologischen und sozialen Relevanz zu überprüfen und zu korrigieren. Die Verwendung von gentechnisch veränderten Energie-.Pflanzen ist abzulehnen. Die Ernährungssicherheit muss klare Priorität vor der Produktion von Agrosprit haben.

 

8.      Zur Erhaltung einer gentechnikfreien Landwirtschaft in Europa sind gesetzliche Voraussetzungen für das Selbstbestimmungsrecht der Regionen auf Gentechnikfreiheit zu schaffen.

 

9.      Der Agrarbereich ist unverzüglich in die Klimaschutz-Reduktionsziele der Europäischen Union mit einzubeziehen. Die Agrarförderungen sind so zu gestalten, dass sie höchste klimapolitische Lenkungswirkung entfalten. Förderansätze mit kontraproduktiven Wirkungen auf den Klimaschutz sind abzuschaffen.

 

10.    Im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 ist eine umfassende Folgenabschätzung verschiedener Modelle hinsichtlich ihrer ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen durchzuführen.

 

11.    Die Europäische Agrarpolitik ist mit den internationalen Abkommen wie dem „Menschenrecht auf Nahrung“, den Millenniumszielen, den Klimaschutzzielen, dem Kyoto-Protokoll, dem Biodiversitätsabkommen, aber auch mit den vorhandenen europäischen Programmen im Strukturförder-, Umwelt-, Entwicklungs- und Energiebereich sowie mit den Beschäftigungszielen der Lissabon- und der Göteborg-Strategie abzustimmen.

 

12.    Alle handelsverzerrenden Exportsubventionen der GAP sind bis spätestens 2013 abzuschaffen und in die Ländliche Entwicklung umzuschichten.

 

13.    Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend die Auswirkungen des österreichischen  Betriebsprämienmodells auf den Strukturwandel in der Landwirtschaft, Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Betrieben sowie den Verlust an Arbeitsplätzen im ländlichen Raum zu evaluieren und im Zeitraum 2009 bis 2013 entsprechende Korrekturen vorzunehmen.

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft vorgeschlagen.

 



[1] Nicht berücksichtigt wird dabei offensichtlich, dass es unabdingbar ist, im Lichte neuer Erkenntnisse zu prüfen, ob die derzeitige Stützungsregelung für Energiepflanzen immer noch gerechtfertigt ist. Von der UNO und der  OECD wurde bereits vor den Folgen des Bioenergie-Booms gewarnt. Stefan Tangermann, OECD-Direktor auf die Frage, was er von den ehrgeizigen Biokraftstoffprogrammen der EU hält: „...ich vertrete ebenfalls die Ansicht, dass die wachsende Nachfrage nach Biokraftstoffen, die durch politische Vorgaben angetrieben wird, die angespannte Lage verschärft – vor allem in ärmeren Ländern, die von Importen abhängig sind......allerdings kommt das teuer zu stehen, weil Biokraftstoffe in Europa nicht zu wettbewerbsfähigen Preisen erzeugt werden können. Das geht nur mit Hilfe von Subventionen oder Zwang....Produktionspotentiale....sollte man aber lieber dazu nutzen, die weltweite Ernährungssituation zu verbessern und nicht, um Autotanks zu füllen.“[1] Süddeutsche Zeitung Nr. 297, S. 25, 27.12.2007

 

[2] Grüner Bericht 2007 (Tab. 5.2.1)