654/A XXIII. GP
Eingebracht am 13.03.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Antrag
der Abgeordneten DI Karlheinz
Klement, Dr. Peter Fichtenbauer
und weiterer
Abgeordneter
betreffend
ein Bundesgesetz, mit dem die Exekutionsordnung geändert wird.
Der Nationalrat wolle
beschließen:
Bundesgesetz mit dem das Gesetz über das Exekutions- und Sicherungsverfahren (Exekutionsordnung - EO), RGBl. Nr. 79/1896, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 37/2008, geändert wird.
Der Nationalrat hat beschlossen:
Das Gesetz über das Exekutions- und Sicherungsverfahren (Exekutionsordnung - EO), RGBl. Nr. 79/1896, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 37/2008, wird wie folgt geändert:
1. § 291a Abs. 2 Z2 lautet:
„ 2. um 30% für jede Person, der der Verpflichtete gesetzlichen Unterhalt gewährt (Unterhaltsgrundbetrag); höchstens jedoch für vier Personen "
2. § 291a Abs. 3 lautet:
„ (3) Übersteigt die Berechnungsgrundlage den sich aus Abs. 1 und 2 ergebenden Betrag, so verbleiben dem Verpflichteten neben diesem Betrag
1. 30% des Mehrbetrags (allgemeiner Steigerungsbetrag) und
2. 15% des Mehrbetrags für jede Person, der der Verpflichtete gesetzlichen Unterhalt gewährt; höchstens jedoch für vier Personen (Unterhaltssteigerungsbetrag).
Der Teil der Berechnungsgrundlage, der das Vierfache des Ausgleichszulagenrichtsatzes (Höchstberechnungsgrundlage) übersteigt, ist jedenfalls zur Gänze pfändbar. "
Begründung
Die private Verschuldung der österreichischen Bevölkerung nimmt von Jahr zu Jahr kontinuierlich zu. Ein Blick in den Schuldenreport 2007 zeigt die dramatischen Entwicklungen in diesem Bereich auf:
Die Anzahl der Beratungen durch die Schuldnerberatung ist, von 39.090 im Jahr 2003, um 28% auf 49.913 im Jahr 2006 gestiegen. Die Anzahl der Privat-Konkursanträge steigt ebenfalls ständig an. Vom Jahr 2004 bis zum Jahr 2006 wurde eine Steigerung von knapp 30% auf 7.509 Anträge verzeichnet. Im Jahr 2006 wurden 762.105 Forderungsexekutionen (Lohnpfändungen) beantragt. Dies entspricht 3.464 Anträgen pro Arbeitstag.
Die Wirtschaft arbeitet mit immer verlockenderen und aggressiveren Angeboten und Zahlungsmodalitäten. Von Ratenkauf, „Kauf jetzt - zahl später", bis hin zu Kreditvergaben und -Vermittlungen über Dritte, wird fast jede Zahlungsvariante angeboten. Das Risiko, dabei auf „kleinere" ausständige Beträge (wenige Tausend Euro) verzichten zu müssen, hält sich angesichts des derzeitigen Lohnpfändungsregimes sehr gering.
Vielfach wird die Möglichkeit der Lohnpfändung auch in Fällen heilloser Überschuldungen angewandt und dieser, für den Gläubiger leichtere Weg, gegenüber der Eröffnung eines Privatkonkursverfahrens gewählt. Man muss in diesem Bereich leider auch von Verantwortungslosigkeit im Umgang mit den eigenen Kunden sprechen.
Die Wirtschaft ist aufgefordert auch ihre nebenvertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber Konsumenten und insbesondere zahlungsschwachen Kunden wahrzunehmen. Bereits im vorvertraglichen Bereich werden dem jeweiligen Gegenüber Einwirkungsmöglichkeiten auf eigene Rechtsgüter ermöglicht. Es gelten daher gesteigerte Schutz- und Verkehrssicherungspflichten.
Diese Nebenpflichten sind im Zeitalter der Globalisierung nicht auf freiwilliger Basis erreichbar. Die Politik, und damit die Rechtsordnung, hat auf Veränderungen in der Gesellschaft und im Geschäftsverkehr zu reagieren. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund der immer größer werdenden Kluft in der Finanzkraft zwischen Wirtschaft und Konsumenten.
Zu Problemen kommt es in diesem Bereich vor allem dann, wenn der Schuldner neben den Zahlungsverpflichtungen auch noch Unterhaltsleistungen zu erbringen hat. Unterhaltspflichten werden in der Exekutionsordnung ebenso wie im Konkursrecht nur unzureichend berücksichtigt. Die Regelbedarfssätze für den Kindesunterhalt werden jährlich und in weit aus höherem Umfang an die Inflation angepasst als etwa die Löhne ansteigen. Auch haben sich die Ansprüche der Unterhaltsberechtigten und die Aufwendungen für Unterhaltsberechtigte in den letzten Jahren erhöht. Vor allem im letzten Quartal des Jahres 2007 sind die Lebenshaltungskosten überdurchschnittlich gestiegen und nicht zuletzt kommt es durch steigende Scheidungsraten zu finanzieller Knappheit durch die Notwendigkeit von neuen Haushaltsgründungen bei gleichzeitiger Versorgung der ehemaligen Familie.
All dies rechtfertigt eine Adaptierung der Einrechnung von Unterhaltsansprüchen im Bereich der Lohnpfändung. Es ist Banken, Handelsketten und Versandhäusern zuzumuten, sich einen besseren Überblick über die finanzielle Situation ihres Gegenübers auf Konsumentenseite zu verschaffen. Unsere Familien müssen hier als prioritär betrachtet werden.
Durch die vorgeschlagenen Änderungen wird die Finanzkraft von Familien und Trennungsopfern (Kinder, mit der Obsorge betraute Elternteile und getrennt lebende Elternteile) in Zeiten finanzieller Knappheit gestärkt. Sie sieht vor, dass die Sätze für den Unterhaltsgrundbetrag von derzeit 20% für maximal 5 Kinder auf 30% für maximal 4 Kinder erhöht werden. Dadurch wird der finanzielle Rahmen bei Kleinfamilien erhöht und
den leider immer geringer werdenden Kinderzahlen in österreichischen Familien Rechnung getragen. Ähnlich verhält es sich bei den Sätzen des Unterhaltssteigerungsbetrages, die von derzeit 10% für maximal 5 Kinder auf 15% für maximal 4 Kinder angehoben werden. Auf den Staatshaushalt haben diese Änderungen keine Auswirkung.
Insgesamt wird der Lohnpfändung dadurch der große Vorteil gegenüber dem Privatkonkurs etwas genommen, und damit die Wirtschaft gezwungen, bei Lockangeboten besser auf ihr Gegenüber zu achten.
Die Unterfertigten greifen damit einen seit langem von Seiten der Schuldnerberatung, Familienberatung sowie aus der Richterschaft geäußerten Missstand auf und bieten einen gangbaren Lösungsweg.
Im Vergleich mit der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland muss die österreichische Lohnexekution als sehr Schuldner- und vor allem familienfeindlich bezeichnet werden. Die deutschen Pfändungsgrenzen sind in der deutschen ZPO in den §§ 850c ff geregelt.
Die Unterfertigten haben sich die Mühe gemacht, die beiden Rechtslagen und ihre Auswirkungen auf die Schuldner zu analysieren.
In Österreich gelten seit 1.1.2008; in Deutschland gelten seit 1.7.2005! folgende Sätze:
monatliche Beträge bzw. Prozentsätze |
Österreich |
Deutschland |
allgemeiner Grundbetrag: |
747,00 |
985,15 |
erhöhter Grundbetrag: |
871,00 |
985,15 |
Unterhaltsgrundbetrag 1. Person: |
149,00 |
370,76 |
Unterhaltsgrundbetrag 2. - 5. Person: |
149,00 |
206,56 |
|
|
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Prozentsätze über den Mehrbetrag: |
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allgemeiner Steigerungsbetrag: |
30% |
30% |
Unterhaltssteigerungsbetrag 1. Person: |
10% |
20% |
Unterhaltssteigerungsbetrag 2. - 5. Person: |
10% |
10% |
Unterhaltssteigerungsbetrag bei 5 Personen: |
80% |
90% |
Berechnungsbeispiele:
Monatseinkommen: 1,560,-; 14x; 2 Unterhaltsverpflichtungen Differenz
Ex.min. Österreich: 1.302,50 € pfändb. Betrag: 257,50 € -257,5 €
Ex.min. Deutschland: alles pfändb. Betrag: 0,00 €
Monatseinkommen: 2,000,-; 14x; 3 Unterhaltsverpflichtungen
Ex.min. Österreich: 1.677,60 € pfändb. Betrag: 322,40 € -253,11 €
Ex.min. Deutschland: 1.930,71 € pfändb. Betrag: 69,29 €
Monatseinkommen: 1,700,-; 14x; 1 Unterhaltsverpflichtung
Ex.min. Österreich: 1.217,60 € pfändb. Betrag: 482,40 € -310,35 €
Ex.min. Deutschland: 1.527,95 € pfändb. Betrag: 172,05 €
Monatseinkommen: 1,340,-; 14x; 1 Unterhaltsverpflichtung
Ex.min. Österreich: 1.073,60 € pfändb. Betrag: 266,40 € -266,40 €
Ex.min. Deutschland: alles pfändb. Betrag: 0,00 €
Auf der folgenden Seite werden die Tabellen betreffend Pfandungsfreigrenzen (D) und Existenzminimum (A) gegenübergestellt:
Die Leerzeilen ergeben sich aus den Unterschiedlichen Rundungsbeträgen (D - 10 Euro, A -20 Euro). In den letzten 5 Spalten wird die jeweilige monatliche Differenz zwischen den pfändbaren Beträgen in D und A bei gleichem Einkommen und der gleichen Anzahl an Unterhaltspflichten aufgelistet. Es handelt sich für A um die Liste unter der Annahme von 14 Gehältern (Grundbetrag 747,00 Euro)
Die vorgeschlagenen moderaten Änderungen wirken sich wie folgt aus:
Beträge weichen teilweise auf
Grund von Rundungsfehlern im Kommabereich
geringfügig
von den Existenzminimum-Tabellen ab.
In formeller Hinsicht wird um Zuweisung an den Justizausschuss ersucht