760/A(E) XXIII. GP

Eingebracht am 08.05.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kickl, Neubauer
und weiterer Abgeordneter

betreffend nachträgliche und rückwirkende Pensionserhöhung auch für Kleinstpensionen
spätestens mit dem Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2008 (SVÄG 2008)

Die Bundesregierung hat sich auf Grund der Preissteigerungen in den Bereichen Grundnahrungsmittel, Wohnungskosten und Energie und dem damit verbundenen Kaufkraftverlust darauf geeinigt, den Wirksamkeitsbeginn der Pensionsanpassung 2009 um zwei Monate vorzuverlegen, um auf diese Weise eine besondere Inflationsabgeltung für Pensionsbezieher zu bewirken.

Das hat zur Folge, dass die Pensionsanpassung 2009 bereits mit 1. November 2008 in Kraft tritt. Zu diesem Zweck sieht das vorgeschlagene Übergangsrecht im Rahmen des Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2008 eine entsprechende Adaptierung der einschlägigen Termine für die Pensionsanpassung 2009 vor.

Dieser vorgezogenen Anpassung sollen grundsätzlich alle Pensionen unterliegen, deren Stichtag vor dem 1. November 2008 liegt (für bestimmte Hinterbliebenenpensionen reicht es auch aus, wenn der Stichtag auf den 1. November 2008 fällt), im Jahr 2008 zuerkannte Pensionen werden aber - entsprechend der noch immer geltenden Regelung - erstmals mit der Pensionsanpassung für 2010 angepasst und verlieren daher unter Umständen für volle zwei Jahre die Inflationsabgeltung.

Auch die Ausgleichzulagen-Richtsätze sollen bereits mit 1. November 2008 (und nicht erst mit 1. Jänner 2009) in der gesetzlich vorgesehenen Weise - das heißt mit dem Anpassungsfaktor für das Kalenderjahr 2009 - erhöht werden. Keine Berücksichtigung finden werden aller Voraussicht nach wieder die Mindestpensionisten ohne Anspruch auf Ausgleichszulage.

Schon die Pensionserhöhung 2008 hat in diesem Zusammenhang für erhebliche Aufregung, Unverständnis und bürokratischen Aufwand gesorgt. Insbesondere die Tatsache, dass Pensionsbeziehern, die eine Pension unterhalb des Ausgleichszulagenrichtsatzes von 747 Euro beziehen, eine prozentuell geringere Pensionserhöhung zuteil wurde, als etwa Beziehern von Pensionen zwischen 747 und 2160 Euro hat für berechtigte Empörung unter den Betroffenen gesorgt.

Die Pensionsanpassung 2008 sieht eine gestaffelte Erhöhung vor, die höher ausfällt, je niedriger die Pension ist. Pensionen von 747 bis 1.050 Euro erhalten einen Fixbetrag von 21 Euro - das entspricht 2,81 bis 2 Prozent. Pensionen über 1.050 bis 1.700 um 2 Prozent mehr. Pensionen über 1.700 bis 2.161,5 Euro um einen Prozentsatz, der mit zunehmender Pensionshöhe von 2 auf 1,7 Prozent absinkt. Noch höhere Pensionen bekommen einen Fixbetrag von 36,75 Euro mehr. Auch die Ausgleichszulagenrichtsätze wurden um 2,9 Prozent angehoben. Pensionen unter 747 Euro brutto erhalten aber nur um 1,7 Prozent mehr.

Aus diesem Grund hat ein Linzer Rechtsanwalt im Namen einer Bezieherin einer Kleinstpension bereits erfolgreich gegen die Benachteiligung durch die Pensionserhöhung 2008 geklagt.

 

Diese Pensionistin gehört zur großen Gruppe von Personen, deren Pension um nur 1,7 Prozent erhöht wurde, weil ihre Pension unter 747 Euro lag, wobei jedoch zusammen mit der Pension des Ehegatten der Ausgleichszulagen-Richtsatz für Paare überschritten wird. Bei ihr ist die Pension von 628,15 auf 638,83 Euro um Sage und Schreibe 10,68 Euro gestiegen. Mehr als 500.000 Personen mit Kleinstpensionen, die diese Pensionsanpassung nur mit 1,7 Prozent erfahren wurden hier absichtlich vergessen. Das sind immerhin mehr als ein Viertel aller Pensionsbezieher und Großteils Frauen.

Das Landesgericht Linz folgte seiner Argumentation, dass die Benachteiligung der Bezieher von Kleinstpensionen - offenbar aus budgetären Gründen - eine EU-rechtswidrige indirekte Frauendiskriminierung darstellt. Entsprechend den statistischen Daten, die er dem Gericht präsentierte, werden von dieser Diskriminierung weit mehr Frauen betroffen als Männer. Von den etwa 1,1 Mio. Pensionen unter 747 Euro sind ca. 830.000 Pensionen von Frauen. Das heißt, dass knapp 65% aller Pensionen von Frauen nur mit 1,7% erhöht wurden, während 63 % aller Männerpensionen mit einem höheren Betrag erhöht wurden. Diese Tatsache ist auch jenseits der Frage, ob die Betroffenen existenziell abgesichert sind oder nicht von Bedeutung, weil sie Fortsetzung einer unterschiedlichen Behandlung und Bewertung von Frauen in der Arbeitswelt bis in die Pension bedeutet und die Einkommensschere zwischen den Geschlechtern vergrößert.

Das Landesgericht hat nun im Urteil verkündet, dass die Klägerin seit Jahresbeginn um 21 Euro statt nur um 1,7 Prozent mehr zu erhalten habe. Dagegen legte zwar der beklagte Sozialversicherungsträger Berufung ein - nach Einschätzung des Rechtsanwaltes allerdings nur mit geringer Erfolgsaussicht. Als weitere Möglichkeiten nennt er die Bestätigung des Urteils durch die zweite Instanz oder die Befassung des EuGH.

Der Linzer Rechtsanwalt vertritt aber auch männliche Bezieher von Kleinstpensionen, die ebenso diskriminiert werden. Auch in diesem Fall ist ein gerichtliches Verfahren bereits in der ersten Instanz abgeschlossen. Die Kanzlei bereitet derzeit eine Eingabe an die zweite Instanz vor mit dem Ziel, dass diese ein Gesetzprüfungsverfahren durch den Verfassungsgerichtshof einleitet. Der Jurist rechnet als Konsequenz aus den Gerichtsverfahren damit, dass der Gesetzgeber spätestens im Zuge der nächsten Pensionserhöhung die vorhergehende "repariert".

Nach einem von der FPÖ in Auftrag gegebenen Gutachten widerspricht diese Regelung klar dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz, der - nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - auch ein allgemeines Sachlichkeitsgebot für gesetzliche Regelungen beinhaltet. Es ist verfassungswidrig, dass diejenigen, die besonders wenig Pension haben, eine vergleichsweise geringere Erhöhung erhalten als jene, die eine höhere Pension haben (so auch - konkret auf die gegenständlich relevierte Grundlage der Pensionsanpassung bezogen - die Verfassungsexperten Öhlinger und Funk im „Kurier" vom 29.1.2008).

Der Umstand nämlich, dass für Pensionsbezieher mit Pensionen unterhalb des Ausgleichszulagenrichtsatzes von 747 Euro die Pensionsanpassung lediglich 1,7 Prozent ausmacht, zumal die Erhöhung höherer Pensionen 2.9 Prozent ausmacht, ist unsachlich und daher verfassungswidrig.

Dazu kommt, dass die Mindestrentner auch bei der Rezeptgebührendeckelung überproportional zur Kassa gebeten werden. Obwohl die Betroffenen nicht in den Genuss einer Ausgleichszulage kommen, wird ihnen aber absurderweise die Rezeptgebühr mit einem Zwölffachen des Ausgleichszulagenrichtsatzes gedeckelt. Die sind somit nicht nur bei der Pensionsanpassung 2008 um eine angemessene Erhöhung gebracht worden, sondern sie wurden durch die Mindestobergrenze bei der Rezeptgebührendeckelung somit zusätzlich erheblich belastet.

 

Überdies sind bei der in Rede stehenden Regelung besonders Frauen benachteiligt, weil sie meist niedrigere Pensionen beziehen. Beispiel: Der Mann erhält 1000 Euro Pension, seine Frau 500 Euro. Er erhält ein Plus von fast 2 Prozent, sie 1,7 Prozent. Auch Ehepaare, bei denen beide Partner eine niedrige Pension beziehen, zählen zu den Verlierern. Ein Beispiel: Mann und Frau erhalten 500 bzw. 700 Euro Pension. Beide erhalten 2008 ein Pensionsplus von je 1,7 Prozent, weil sie jeweils unter 747 Euro liegen. Anspruch auf die Ausgleichszulage (bei Paaren 1120 Euro) haben sie nicht, weil sie gemeinsam 1200 Euro Einkommen haben. Würde nur einer von beiden 1200 Euro Pension erhalten, betrüge die Erhöhung 2 Prozent. Im Zusammenhang erweist sich daher die zugrunde liegende gesetzliche Regelung als offenkundig dem Sachlichkeitsgebot widersprechend und damit als verfassungswidrig.

Die Vorverlegung der Pensionsanpassung 2009 um zwei Kalendermonate im Jahr 2008 ist mit Mehraufwendungen für die gesetzliche Pensionsversicherung und damit für den Bund in Höhe von 36 Mio. € je Prozentpunkt Pensionserhöhung verbunden. Angesichts der Tatsache, dass der Bund im Jahr 2007 erhebliche Mehreinnahmen im Ausmaß von € 1,6 Milliarden zu verzeichnen hatte und die Forderung, die Mindestpensionisten im Rahmen der vorgezogenen Anpassung nachträglich mit einzubeziehen und für den Verlust durch die Pensionsanpassung 2008 zu entschädigen, Mehrkosten von in etwa € 94 Mio. oder nicht einmal 6% der Mehreinnahmen verursacht, kann auch budgetärer Notstand diese fortgesetzte Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist es erforderlich, dass der Staat rasch Abhilfe schafft und den in verfassungswidriger Weise benachteiligten Pensionisten einen finanziellen Ausgleich zukommen lässt. Es wäre unbillig, die Betroffenen auf den Rechtsweg zu verweisen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, für alle Personen, deren Pensionen unterhalb des Ausgleichszulagenrichtsatzes liegen und die keinen Anspruch auf Ausgleichszulage haben und deshalb im Rahmen der Pensionsanpassung 2008 in verfassungswidriger Weise benachteiligt wurden, unverzüglich und unbürokratisch, jedoch spätestens in der Regierungsvorlage zum Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2008 (SVÄG 2008), einen Ausgleich vorzusehen."

In formeller Hinsicht wird um die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales ersucht.