843/A XXIII. GP
Eingebracht am
08.07.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Antrag
des Abgeordneten
Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde
betreffend ein Gesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird
Der Nationalrat wolle beschließen:
Gesetz, mit dem das
Strafgesetzbuch BGBI.Nr. 60/1974, zuletzt geändert durch
BGBl. I Nr. 112/2007, geändert
wird:
Der Nationalrat hat
beschlossen:
§ 278a samt
Überschrift lautet:
„Kriminelle Organisation
§ 278a. Wer eine auf längere Zeit
angelegte unternehmensähnliche Verbindung
einer größeren Zahl von Personen
gründet oder sich an einer solchen Verbindung
als Mitglied mit spezifischer Aufgabenfunktion beteiligt (§ 278
Abs. 3),
1. die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die
wiederkehrende und geplante
Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die
körperliche Unversehrtheit, die
Freiheit oder das Vermögen bedrohen, oder
schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen
Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei
oder des unerlaubten Verkehrs
mit Kampfmitteln, Kernmaterial und radioaktiven Stoffen,
gefährlichen
Abfällen, Falschgeld oder Suchtmitteln ausgerichtet ist,
2.
die in
Gewinnabsicht handelt dadurch eine Bereicherung in großem Umfang
anstrebt und
3.
die
andere zu korrumpieren oder einzuschüchtern oder sich auf besondere, im
allgemeinen Gebrauch nicht übliche
Weise gegen
Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen sucht,
ist mit Freiheitsstrafe von
sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
§ 278 Abs. 4 gilt
entsprechend."
Begründung:
Allgemeiner Teil:
Der § 278a StGB wurde im Rahmen der StGNov
1993 im Zusammenhang mit der
Schaffung des Deliktes der
Geldwäscherei eingeführt. Zweck der Einführung dieses
Tatbestandes in das StGB war einerseits der Schutz der Rechtsgüter
des Staates
und seiner Bürger vor bestimmten Straftaten, die aufgrund der spezifischen
Gefährlichkeit von Banden und erst
recht von kriminellen Organisationen „mit einer
besonders hohen
Wahrscheinlichkeit und in einer besonders intensiven Form" zu
erwarten sind. Andererseits sollte auch der öffentliche Friede
geschützt werden, da
sich eine kriminelle Organisation
aufgrund der Begehung von den im Gesetz
angeführten Katalogstraftaten zu einer Bedrohung der Grundlagen der
rechtsstaatlichen Ordnung auswachsen und insoweit in besonders nachhaltiger
Weise den öffentlichen Rechtsfrieden
beeinträchtigen kann (Kienapfel, JBI 1995,
613).
Indizien für das
Vorliegen einer kriminellen Organisation sind auf struktureller Ebene
zB die Abschottung der Kommandoebene
nach unten bzw. nach innen, die
Abschirmung der Führungsebene bzw. einzelner Mitglieder gegen
strafrechtliche
Verfolgung, der systematische Gebrauch von
Gewalt und Drohungen, um Mitglieder
bei der Stange zu halten bzw. zum Schweigen zu zwingen, der Einsatz von
Bestechungs- und Bedrohungsstrategien aller
Art um bestimmte
Entscheidungsträger (Politiker, Beamte, Richter, Manager) zu korrumpieren
und für
die Zwecke der Organisation zu operationalisieren.
Intention der Schaffung des § 278a StGB war
also die Bekämpfung schwerer
organisierter Kriminalität, gedacht
wurde an Organisationen wie beispielsweise die
sizilianische Mafia, die kalabrische N'drangheta oder die chinesischen Triaden
(vgl
Kienapfel, JBI 1995,613).
Am
21.5.2008 wurden in einer konzentrierten Aktion österreichweit in
über 20
Wohnungen und
Vereinslokalen von Tierschutzorganisationen und aktiven
Tierschützern
Hausdurchsuchungen durchgeführt und 10 Personen verhaftet. Die
Betroffenen
wurden teilweise in Untersuchungshaft genommen, dies mit der
Begründung,
dass sie „Mitglieder einer kriminellen Organisation"
gemäß § 278a
StGB seien.
Konkrete Vorwürfe wurden allerdings von der Staatsanwaltschaft im
Zusammenhang mit der Bildung einer kriminellen Organisation nicht erhoben, auch
sind keine konkreten Beweisergebnisse
vorgelegen, welche die erhobenen Vorwürfe
decken könnten.
Nicht
nur Amnesty International zeigte sich aufgrund der angeblich vorliegenden
Beweislage irritiert darüber, dass hier das Gesamtdelikt der
Mitgliedschaft in einer
kriminellen
Organisation verfolgt wurde und nicht entsprechende Strafverfahren
wegen
Sachbeschädigung, Nötigung oder gefährlicher Drohung eingeleitet
wurden.
Ein nicht unwesentlicher Grund für die Heranziehung des § 278a StGB
könnte eine
erleichterte
Beweisführung sein.
Der Initiativantrag
zielt darauf ab, eine missbräuchliche Verwendung des § 278a
StGB zu verhindern. Es soll nicht
möglich sein, dass Vorwürfe im Bereich des zivilen
Ungehorsams in Verfahren nach § 278a StGB münden können,
da man solche
Vorwürfe jeder NGO,
Umweltschutzorganisation oder Bürgerinitiative machen kann.
Amnesty International hielt
im Hinblick auf das Strafrechtsänderungsgesetz 2002 in
der Stellungnahme zum § 278 StGB fest, dass Widerstand gegen die
Staatsgewalt
oder schwere Sachbeschädigung
zwar ohne Zweifel in einer demokratischen
Gesellschaft kein sozialadäquates Verhalten darstellen und in jedem Fall
strafgesetzlich verboten sein sollen. Es erscheine jedoch inadäquat, aus
der
Verabredung mehrer Demonstranten, Widerstand leisten zu wollen, eine Gruppe
organisierten Verbrechens konstruieren zu
wollen.
Laut Amnesty International könnte diese Bestimmung dem
Wortlaut nach auf
Umweltorganisationen wie Greenpeace
angewandt werden, wenn diese etwas ein
Atomkraftwerk besetzen würden.
Wie bereits ausgeführt
war es sicher nicht Intention des § 278a StGB, eine
Handhabe gegen NGOs zu schaffen.
Besonderer Teil:
1. Im ersten Satz wird die Wendung „mit spezifischer Aufgabenfunktion“ eingefügt.
Es soll durch diese Wendung verhindert werden, dass
der § 278a StGB wahllos auf
eine Personengruppe angewendet wird ohne
auch nur in Ansätzen zu beschreiben in
welcher Aufgabenfunktion sich eine allfällige Mitgliedschaft
dokumentiert. Da nicht
die bloße Mitgliedschaft tatbestandsbegründend sein soll, soll die
Einfügung „mit
spezifischer Aufgabenfunktion" verstärkt darauf hinweisen, dass
bestimmte aktive
Handlungen zu beabsichtigen sind.
Die Konstruktion einer
beliebigen Personengruppe als kriminelle Organisation sollte
zwar schon nach geltender Rechtslage
nicht möglich sein, da ein Grad von
Infrastruktur und Logistik erreicht werden
muss, der für eine kriminelle Organisation
charakteristisch ist. haben Die geschilderten Vorkommnisse haben aber
einen
ungenauen Umgang mit dieser Tatbestandsvoraussetzung gezeigt, weshalb die
vorgeschlagene Präzisierung notwendig
wird.
2. Ziffer 2 wird um die Wendung „in
Gewinnabsicht handelt ergänzt, dafür entfällt
„oder erheblichen Einfluß auf Politik und Wirtschaft“.
Charakteristisch für die
organisierte Kriminalität ist die Bereicherungsabsicht, was mit
der Einfügung der Gewinnabsicht
noch unterstrichen werden soll. Der bisher
geltende Verweis „oder erheblicher Einfluss auf Politik (...)“ ist
ein gefährliche
Einladung zum Missbrauch des § 278a
StGB gegenüber politischen Organisationen.
So soll sicher gestellt
werden, dass die Tätigkeit von NGOs nicht unter den
Tatbestand des § 278a StGB subsumiert werden kann.
3. In Ziffer 3 wird die Wendung „im allgemeinen Gebrauch nicht übliche“ eingefügt.
Laut den Kommentaren zum § 278a StGB wird ua
auch der häufige Wechsel von
Wertkartenhandys als Abschirmung gegen Strafverfolgungsmaßnahmen gesehen.
Im oben zitierten Fall der verhafteten Tierschützer wurde die
Anwendbarkeit der
Ziffer 3 damit argumentiert, dass diese
ihre Emails verschlüsselt verschicken. Bei der
Verschlüsselung von Emails oder auch beim Wechsel von Wertkartenhandys
handelt
es sich aber um Erfordernisse des modernen Lebens und nicht um
ausschließliche
Verhaltensweisen der organisierten Kriminalität.
Würde man diese Ansicht
aufrecht erhalten, so könnten auch die Banken bzw. deren
Kunden unter die Ziffer 3 fallen, da
Banken ihren Kunden oft in ihren AGBs die
Verschlüsselung von Emails vorschreiben, anderenfalls der/die Kunde/in
sorgfaltswidrig handelt und die Bank von jeglicher Haftung befreit ist.
Dazu kommt, dass in Verdrehung des Tatbestands, dieses
Tatbestandsmerkmal
nicht einschränkend gewirkt hat,
sondern vielmehr aus der Tatsache beispielsweise
bei Verwendung verschlüsselter Kommunikation vorschnell auf das Vorliegen
einer
kriminellen Organisation geschlossen wurde.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen.