872/A(E) XXIII. GP

Eingebracht am 10.07.2008
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

des Abgeordneten Pirklhuber, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Moratorium für Agrotreibstoffe

 

 

 

Agrotreibstoffe werden in der Regel mittels hohem chemisch-synthetischem Düngemittel- und Pestizideinsatz, sowie in manchen Regionen bereits mit Gentechnikpflanzen (USA) aus Lebensmittel- und Futterpflanzen (Mais, Raps, Getreide, Zuckerrohr, etc.) hergestellt. Nur ein Teil der Pflanze kann genutzt werden. Diese Biomasse wird dann in einem aufwändigen chemischen Verfahren zu flüssigem Kraftstoff für Motoren umgewandelt. Die industrielle Produktion von Agrotreibstoffen trägt jedoch wenig bei zum Klimaschutz. Sie ist energieintensiv, bringt kaum Einsparungen an CO2-Emissionen und hat eine schlechte Energiebilanz.

 

Der Europäische Rat hat sich darauf geeinigt, dass Agrartreibstoffe bis 2020 10% der Kraftstoffe im Transportsektor ausmachen sollen, das aktuelle Regierungsprogramm will dieses Ziel schon 2010 erreichen und sieht sogar eine Erhöhung des Anteils an Biosprit bis zum Jahr 2020 auf 20% vor. Massive ökonomische und ökologische Fehlentwicklungen sind daher absehbar.

 

Durch die forcierte Verwendung von Pflanzentreibstoffen wird ein Investitionsanreiz für den Anbau von Energiepflanzen und den Bau von Agrospritanlagen gesetzt. Die landwirtschaftlichen Nutzflächen reichen auch bei Inanspruchnahme der bisher stillgelegten Flächen bei weitem nicht aus, um die in Österreich oder in der EU angepeilten Mengen an Agrosprit zu erzeugen. Für die im österreichischen Biomasseaktionsplan geplante 20%ige Beimischung wären etwa 800.000 Hektar Fläche notwendig, das ist rund die Hälfte des österreichischen Ackerlandes. An Stilllegungsflächen stehen nur etwa 100.000 Hektar zur Verfügung, die für die Strom- und Wärmeproduktion aus Biomasse viel effizienter verwendet werden könnten. Die EU benötigt für ihr Ziel 18 Mio. Hektar Ackerland, es stehen aber nur 7 Mio. Hektar an Stilllegungsflächen zurr Verfügung. Die Rohstoffe und „biogenen“ Kraftstoffe müssten daher aus den Entwicklungsländern importiert werden. Riesige Anbauflächen für Ölpalmen, Mais und Zuckerrohr vernichten bereits fruchtbaren Boden in Lateinamerika, Asien und Afrika, um die Industrieländer mit Pflanzentreibstoffen zu versorgen. Für die arme Bevölkerung sind diese Böden nicht nutzbar.


100 Millionen Menschen drohen aufgrund der Lebensmittelknappheit ins Elend abzurutschen, sagte Weltbank-Direktor Robert Zoellick am Ende der Frühjahrstagung in Washington. 33 Länder könnten wegen der gestiegenen Lebensmittelpreise von sozialem Chaos und politischen Unruhen heimgesucht werden. Nach jüngsten Untersuchungen der Weltbank verteuert die Herstellung von Treibstoff aus Pflanzen die Nahrungsmittel um 75 Prozent. Als wichtigste Gründe gelten die verstärkte Produktion von Biokraftstoffen, veränderte Ernährungsgewohnheiten in aufstrebenden Ländern wie China und ausgedehnte Dürren etwa in Australien. Auch IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn warnte vor den gefährlichen Konsequenzen steigender Lebensmittelpreise. Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigten, dass "diese Fragen manchmal im Krieg enden". Auch seitens der FAO wurde davor gewarnt, dass die explodierenden Lebensmittelpreise eine Bedrohung für Millionen von Menschen in den ärmsten Ländern darstellt.

 

Trotz aller Warnungen halten die EU-Kommission und die österreichische Bundesregierung an den Beimischungszielen fest. „Das haben wir uns vorgenommen. Es ist ambitioniert, wir müssen technisch alles daransetzen“, so BM Pröll.[1] Dies trotz fehlender Produktionsflächen in Österreich und in der EU, trotz schlechter Öko- und Energiebilanzen und trotz der weltweiten Nahrungsmittelkrise. Das starre Festhalten an diesen Beimischungszwängen zeigt einmal mehr, dass der Klimaschutz beim Umweltminister Pröll zur Interessenspolitik der Agrarindustrielobby verkommt.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Lichte der Welternährungskrise und aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse das 10%-Beimischungsziel für Agrarsprit, das die Europäische Kommission für 2020 anpeilt und die österreichische Bundesregierung sogar schon im Jahr 2010 erreichen will, aufzugeben und auf EU-Ebene für ein Moratorium hinsichtlich der Verwendung von Getreide und Ölfrüchten zur Produktion von Agrartreibstoffen einzutreten.

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft vorgeschlagen.



[1] Ö1, Mittagsjournal