902/A XXIII. GP

Eingebracht am 12.09.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

der Abgeordneten Morak

Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I

Änderung des Strafgesetzbuches

Das Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 109/2007, wird wie folgt geändert:

1. §304 Abs. 4 lautet:

„(4) Wer lediglich gelegentlich einen gesellschaftlich anerkannten Vorteil annimmt oder sich versprechen lässt, der offenkundig nicht geeignet ist, die Amtsführung zu beeinflussen, ist weder nach Abs. 1 noch nach Abs. 2 zu bestrafen.“

2. Dem § 304 wird folgender Abs. 5 angefügt:

„(5) Die Annahme von Vorteilen im Zusammenhang mit kulturellen, sportlichen, sozialen oder wissenschaftlichen Veranstaltungen ist weder nach Abs. 1 noch nach Abs. 2 strafbar, sofern dieser Vorteil nicht für die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäftes gewährt wird.“

3. Dem § 307 wird folgender Abs. 3 angefügt:

„(3) In den Fällen des Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 entfällt die Strafbarkeit, sofern die Voraussetzungen des sinngemäß anzuwendenden § 304 Abs. 4 oder Abs. 5 vorliegen.“

Artikel II

Übergangsbestimmung

Die durch Artikel I geänderten Strafbestimmungen sind in Strafsachen nicht anzuwenden, in denen vor ihrem In-Kraft-Treten das Urteil in erster Instanz gefällt worden ist. Nach Aufhebung eines Urteils infolge Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung, Wiederaufnahme oder Erneuerung des Strafverfahrens oder infolge eines Einspruchs ist jedoch im Sinne der §§ 1,61 StGB vorzugehen.

 


Begründung

Zu Art. I (Änderung des Strafgesetzbuches):

Zu Z 1 (§ 304 Abs. 4 StGB):

Mit der vorgeschlagenen Bestimmung soll eine seit dem In-Kraft-Treten des Strafrechtsänderungsgesetz 2008, BGBl. I Nr. 109/2007, weit verbreitete Rechtsunsicherheit bzw. Angst vor übermäßiger Kriminalisierung beseitigt und eine lebensnahe Anwendung dieser Ausnahmeregelung ermöglicht werden.

Durch die seit 1. Jänner 2008 in Kraft getretene Neufassung des Abs. 2 ist es möglich, Zuwendungen auch dann zu ahnden, wenn kein unmittelbarer Zusammenhang zu einem konkreten Amtsgeschäft hergestellt werden kann (so genanntes „Anfüttern“). Auch die Annahme von Vorteilen, die einem Amtsträger oder einer Amtsträgerin gegeben werden, um sich dessen oder deren „allgemeines Wohlwollen“ zu erhalten und „vorsichtshalber“ bzw. „vorsorglich“ für den Fall gegebene Vorteile, dass die oder der Bevorteilte irgendwann einmal mit irgendwelchen Sachen des Vorteilsgebers oder der Vorteilsgeberin zu tun haben sollte, können nun Strafbarkeit begründen (vgl. ErläutRV 285 BlgNr 23. GP).

Gerade durch diese Strafbarkeitsausdehnung ist es aber erforderlich, die unverändert gebliebene Ausnahmeregelung des Abs. 4 an die gesellschaftliche Realität anzupassen und den Bogen der Kriminalisierung im öffentlichen Leben nicht zu überspannen, solange offenkundig keine Eignung gegeben ist, die Amtsführung der oder des Bevorteilten in irgendeiner Art zu beeinflussen.

Somit sollen Amtsträger, die lediglich gelegentlich, also nicht fortgesetzt in einem engen zeitlichen Zusammenhang, einen gesellschaftlich anerkannten Vorteil annehmen oder sich versprechen lassen, der offenkundig nicht geeignet ist, die Amtsführung zu beeinflussen, weder nach Abs. 1 noch nach Abs. 2 zu bestrafen sein. Unter gesellschaftlich anerkannten Vorteilen sollen „Aufmerksamkeiten“ und Geschenke zu verstehen sein, die in Ansehung der beruflichen Stellung der Amtsträgerin/des Amtsträgers oder ihrer/seiner repräsentativen Funktion als sozial adäquat empfunden werden, ohne auf eine konkrete Wertgrenze abzustellen. Diese könnte gerade unter Berücksichtigung der letztgenannten Kriterien - wenn überhaupt nur einzelfall- und personenbezogen - festgelegt werden. Somit soll vielmehr der Judikatur ein entsprechender Ermessensspielraum erhalten bleiben, der in einer lebensnahen Auslegung unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Anlässe des öffentlichen Lebens in Zusammenschau mit der beruflichen Stellung der betroffenen Amtsträgerin/des betroffenen Amsträgers, die/der gerade in höherer Position auch öfters repräsentativ tätig werden muss bzw. berufliche Kontakte zu pflegen hat (wozu etwa auch die Annahme von Einladungen z.B. zu einem Essen, einem Empfang oder einer Veranstaltung zählt), ausgeübt werden soll.

Entscheidende Voraussetzung des Entfallens der Strafbarkeit ist jedoch, dass der Vorteil offenkundig - also bei objektiver Betrachtung eines Dritten, nicht nur in der subjektiven Einschätzung des Amtsträgers/der Amtsträgerin - nicht geeignet ist, die Amtsführung der oder des Betroffenen zu beeinflussen. Letzteres wird in den Fällen des Vorliegens der Qualifikation nach Abs. 3 jedenfalls anzunehmen sein.

Zu Z 2 (§ 304 Abs. 5 StGB):

In der heutigen Zeit sind viele kulturelle, sportliche, soziale oder wissenschaftliche Großveranstaltungen, ohne die Beteiligung von Sponsoren nicht finanzierbar. Sponsoring ist jedoch im Gegensatz zum Spendenwesen ein synallagmatisches Vertragsverhältnis und liegt in der Bereitstellung von Geld- oder Sachmitteln durch Unternehmen für Personen oder Organisationen im sportlichen, kulturellen, ökologischen, sozialen oder wissenschaftlichen Bereich, mit dem Ziel, eine wirtschaftlich relevante Gegenleistung zu erhalten (vgl. Thiel, Sponsoring im österreichischen Recht, Manz, ecolex-Script 1999/15 bzw. Leeb, Kultursponsoring Vertragliche Grundlagen (1992), 16 f). Diese wirtschaftlich relevante Gegenleistung kann durch eine Steigerung der Bekanntheit des fördernden Unternehmens, also in einem Werbeeffekt, oder z.B. auch in der Überlassung von Eintrittskarten zu der gesponserten Veranstaltung bestehen. Wenn nun der Sponsor ihm durch seine Tätigkeit bekannte Amtsträger zu solchen Veranstaltungen, also zu einem kulturellen, sportlichen, sozialen oder wissenschaftlichen Ereignis, einlädt und diese die Einladung annehmen, so soll darin grundsätzlich kein strafbares Verhalten liegen. Als Vorteil im Zusammenhang mit einer kulturellen, sportlichen oder sozialen Veranstaltung gelten nicht bloß Eintrittskarten bzw. die Einladung zu einer solchen Veranstaltung, sondern auch mit dem Hauptereignis im Zusammenhang stehende „begleitende“ Vorteile, wie etwa die Einladung zu einem Essen, die Teilnahme an einem Rahmenprogramm usw. Die Grenze zur Strafbarkeit wird jedoch überschritten, wenn der Vorteil für die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäftes gewährt wird. Auf diese Weise soll der schmale Grat zwischen erlaubtem Sponsoring und verpönter Korruption ohne Radikalisierung im Strafrecht bewältigt werden.

Klargestellt sei in diesem Zusammenhang auch, dass die von § 74 Abs. 1 Z 4a StGB ebenfalls angesprochenen Personen, die in öffentlichen Unternehmen tätig sind, nicht schlechthin unter den Begriff des „Amtsträgers“ fallen, sondern nur insoweit, als sie dort öffentliche Aufgaben verrichten.

Zu Z 3 307 Abs. 3 StGB):

Mit der vorgeschlagenen neuen Bestimmung des Abs. 3 soll korrespondierend zu Art. I Z 1 und 2 die Ausnahmeregelung des § 304 Abs. 4 und 5 auch auf die Strafbarkeit der Bestechung anzuwenden sein, sofern diese nicht auf die Erstattung eines unrichtigen Befundes oder Gutachtens (Z 2) oder die Vornahme pflichtwidriger Rechtshandlungen (Z 3 und Z 4) gerichtet ist. In den Fällen des Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 soll somit die Strafbarkeit entfallen, wenn lediglich gelegentlich ein gesellschaftlich anerkannter Vorteil angeboten, versprochen oder gewährt wird, der offenkundig nicht geeignet sind, die Amtsführung der oder des Bevorteilten zu beeinflussen. Darüber hinaus soll die Gewährung von Vorteilen im Zusammenhang mit kulturellen, sportlichen oder sozialen Veranstaltungen nicht strafbar sein, es sei denn, dieser Vorteil wird  für die

pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäftes gewährt. Im Übrigen ist auf die Ausführungen zu Art. I Z 1 und 2 zu verweisen.

Zu Art. II (Übergangsbestimmung):

Zur raschen Bereinigung der Rechtsunsicherheit unter der Bevölkerung im Hinblick auf die Ausnahmeregelungen sollen die Bestimmungen in Art. I bereits an dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft treten, sodass es keiner eigenen Bestimmung bedarf. Schließlich ist die für Straftatbestände übliche Übergangsbestimmung enthalten, die den „Günstigkeitsvergleich“ berücksichtigt.

In formeller Hinsicht wird beantragt, diesen Antrag unter Verzicht auf eine erste Lesung dem Justizausschuss zuzuweisen.